2 U 149/00 – Plakathalter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 447

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Dezember 2005, Az. 2 U 149/00

1.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Oktober 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2.
Auf die Berufung der Beklagten wird das genannte Urteil teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

3.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jedes der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 25.000,00 € abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Insgesamt braucht die Klägerin zur Abwendung der Vollstreckung und brauchen die Beklagten zusammen zur Ermöglichung der Vollstreckung keine höhere Sicherheit als 28.000,00 € zu leisten.

5.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 255.645,94 € (= 500.000,00 DM); davon entfallen auf die Berufung der Klägerin 191.734,45 € und auf die der Beklagten 63.911,49 €.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Prozeßstandschafterin ihrer Muttergesellschaft, der MD Inc. aus C/USA, mit deren Zustimmung gegen die Beklagte zu 1., deren persönlich haftende Gesellschafterin unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2. steht, Ansprüche geltend wegen Verletzung des mit Ablauf des 6. April 2004 durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 34 13 xxx (Anlage K 1, im folgenden: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin die Muttergesellschaft der Klägerin war.

Das Klagepatent beruhte auf einer am 6. April 1984 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 8. August 1983 eingegangenen und am 28. Februar 1985 offengelegten Anmeldung. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 19. Oktober 1989.

Auf einen von dritter Seite gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch ist dieses durch – unangefochten gebliebenen – Beschluss des Deutschen Patentamts vom 9. Dezember 1993 in vollem Umfang aufrechterhalten geblieben. Im Jahre 2002 hat die Beklagte zu 1. gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben, welche durch Urteil des Bundespatentgerichts vom 6. Februar 2003 abgewiesen worden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents lautete:

Halter für Plakate oder dergleichen, mit einem eine zum Betrachter gerichtete Oberfläche aufweisenden Vorderabschnitt und einem Rückenabschnitt, die gelenkig zusammensetzbar sind, um einen Rahmen zur Aufnahme des Plakates zu bilden, wobei der Vorder- und Rückenabschnitt mit zusammenwirkenden, schwenkbar in Eingriff stehenden Gelenkteilen versehen sind, und mit Federmitteln, die sich zwischen dem Vorder- und Rückenabschnitt erstrecken, um den Vorderabschnitt mit Schnappwirkung zwischen einer Schließstellung, in der er am Plakat klemmend angreift, und einer Öffnungsstellung zum Auswechseln des Plakates vorzuspannen,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Oberfläche (26, 60) des Vorderabschnittes (14) glatt, vorsprungs- und hinterschneidungsfrei ausgebildet und derart gestaltet ist, dass der Winkel  zwischen der Tangente an jedem manuell erreichbaren Angriffspunkt der Oberfläche (26, 60) und der Vertikalen auf die Plakatebene größer oder gleich arc tan  als Reibbeiwert zwischen einer Hand und der
Oberfläche (26, 60) ist, so dass Reibkräfte, die beim Versuch, den Vorderabschnitt (14) von Hand zu erfassen und in die Öffnungsstellung zu schwenken, an der Oberfläche (26, 60) entstehen, kleiner sind als die
Kräfte, die zum Öffnen des Halters erforderlich sind, wodurch ein Öffnen des Vorderabschnittes (14) nur durch Eingreifen zwischen den Vorderab-
schnitt (14) und das Plakat (34) mit Hilfe des Eingriffsteiles (216) eines Werkzeuges (204) oder der Fingernägel erfolgen kann.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 9 aus der Klagepatentschrift zeigen:

Figur 1: die Vorderansicht eines ersten Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Halters;

Figur 2: einen Querschnitt entlang der Linie 2-2 in Figur 1;

Figur 3: einen Querschnitt durch ein weiteres Ausführungsbeispiel eines Halters;

Figur 4: eine der Figur 2 entsprechende Ansicht des Halters zur Veranschaulichung seiner Eigenschaften, die ihn gegen unerlaubtes Eingreifen schützen;

Figur 7: einen Halter gemäß Figur 2 mit einem angesetzten Öffnungswerkzeug.

Figur 5 zeigt ein schematisches Kräftediagramm zur Veranschaulichung der Eigenschaften des Halters;

Figur 9 zeigt ein schematisches Diagramm, das den Zusammenhang zwischen Oberflächenreibung und Winkelbeziehungen der Oberflächenabschnitte des Halters veranschaulicht.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. (damals: MP Produktionsgesellschaft für Werbe- und Verkaufsförderungssysteme GmbH) wurde Anfang der 1970er Jahre vom Präsidenten der Muttergesellschaft der Klägerin, Herrn RS, gegründet, welcher im Jahre 1984 aus ihr ausgeschieden ist, nachdem auch der Beklagte zu 2. Gesellschafter der genannten GmbH geworden war. Im Hinblick auf ihre weitere Zusammenarbeit schlossen die Inhaberin des Klagepatents und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. am 13. März/11. September 1987 einen in englischer Sprache abgefassten Vertrag („Agreement“), in welchem unter anderem die Patentinhaberin der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. eine nicht ausschließliche unentgeltliche Lizenz am Klagepatent einräumte. Die Vereinbarung sah vor, dass sie im letzten Quartal 1987 unter anderem dahin zu prüfen sei, ob sie fortgesetzt werden solle. Nachdem die Patentinhaberin der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. für die Jahre 1988 und 1989 jeweils schriftlich die Fortsetzung des Vertrages bestätigt hatte, beendeten die Parteien im Jahre 1990 ihre Zusammenarbeit.

Die Beklagte zu 1., deren persönlich haftende Gesellschafterin unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2. steht, welcher vorher Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. war, stellt her und vertreibt Wechselrahmen für Plakate und dergleichen, darunter auch solche, bei denen die Oberfläche der Rahmenteile glatt sowie vorsprungs- und hinterschneidungsfrei ausgebildet ist. Zu ihrem Herstellungs- und Vertriebsprogramm gehörten jedenfalls zur Zeit der Klageerhebung unter anderem Wechselrahmen mit Profilbreiten von 44 mm (angegriffene Ausführungsform 1), 32 mm (angegriffene Ausführungsform 2), 19 mm (angegriffene Ausführungsform 3) und 20 mm (angegriffene Ausführungsform 4), deren Rahmenprofile aus dem nachstehend wiedergegebenen Prospekt (Anlage K 8) ersichtlich sind, in welchem die angegriffenen Rahmen durch Markierungen gekennzeichnet sind.

Die Klägerin hat geltend gemacht:
Alle vier angegriffenen Ausführungsformen von Wechselrahmen machten wortsinngemäß von der Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass die Beklagten, die seit der Beendigung des „Agreement“ von 1987, also seit 1990, zu einer Benutzung des genannten Schutzrechts nicht mehr berechtigt seien, das Klagepatent verletzten.

Sie hat die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung patentverletzender Gegenstände sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht für patentverletzende Handlungen aus der Zeit seit dem 1. Januar 1990 in Anspruch genommen, während die Beklagten um Klageabweisung gebeten haben.

Sie haben eingewendet:

Abgesehen davon, dass zu ihren Gunsten weiterhin die durch das „Agreement“ von 1987 eingeräumte Freilizenz bestehe, verletzten sie das Klagepatent auch deswegen nicht, weil sich die angegriffenen Rahmen ohne weiteres öffnen ließen und deshalb von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machten.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten) der Klage hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 stattgegeben und

I.
die Beklagten verurteilt,

1.
es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Halter für Plakate oder dergleichen mit einem eine zum Betrachter gerichtete Oberfläche aufweisenden Vorderabschnitt und einem Rückenabschnitt, die gelenkig zusammensetzbar sind, um einen Rahmen zur Aufnahme des Plakates zu bilden, wobei der Vorder- und Rückenabschnitt mit zusammenwirkenden, schwenkbar in Eingriff stehenden Gelenkteilen versehen sind, und mit Federmitteln, die sich zwischen dem Vorder- und Rückenabschnitt erstrecken, um den Vorderabschnitt mit Schnappwirkung zwischen einer Schließstellung, in der er am Plakat klemmend angreift, und einer Öffnungsstellung zum Auswechseln des Plakates vorzuspannen,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Oberfläche des Vorderabschnittes glatt, vorsprungs- und hinterschneidungsfrei ausgebildet und derart gestaltet ist, dass der Winkel  zwischen der Tangente an jedem manuell erreichbaren Angriffspunkt der Oberfläche und der Vertikalen auf die Plakatebene größer oder gleich arc tan  ist, mit  als Reibbeiwert zwischen einer Hand und der Oberfläche, so dass Reibkräfte, die beim Versuch, den Vorderabschnitt von Hand zu erfassen und in die Öffnungsstellung zu schwenken, an der Oberfläche entstehen, kleiner sind als die Kräfte, die zum Öffnen des Halters erforderlich sind, wodurch ein Öffnen des Vorderabschnittes nur durch Eingreifen zwischen den Vorderabschnitt und das Plakat mit Hilfe des Eingriffsteiles eines Werkzeuges oder der Fingernägel erfolgen kann;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 1990 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und –zeiten sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen
beschränke;
– die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 1. Juli 1990 zu machen seien;

– den Beklagten vorbehalten bleibe, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten trügen und ihn ermächtigten und verpflichteten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer und/oder Lieferungen in der Aufstellung enthalten seien;

3.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten.

Außerdem hat das Landgericht

II.
festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Inhaberin des deutschen Patents 34 13 xxx, der MD, Inc., 38271 W. Twelve Mile Rd., Farmington Hills, Michigan, USA, durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 1990 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränke.

Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Auf das Urteil vom 17. Oktober 2000 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagten Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihre vor dem Landgericht erfolglos gebliebenen Anträge weiterverfolgen; außerdem bitten sie um Zurückweisung des Rechtsmittels der jeweiligen Gegenseite.

Mit Rücksicht auf den während des Berufungsverfahrens eingetretenen Ablauf des Klagepatents haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Unterlassungs- und Vernichtungsanträge übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt; die Klägerin begehrt Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht nur für Handlungen aus der Zeit bis zum 6. April 2004.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 7. März 2002 (Bl. 479 bis 484 GA) und vom 17. März 2004 (Bl. 622 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 5. August 2003 (Bl. 562 bis 585 GA) und vom 16. Dezember 2004 (Bl. 732 bis 755 GA) sowie auf die Niederschrift vom 20. Oktober 2005 über die mündliche Erläuterung der Gutachten durch den Sachverständigen (Bl. 840 bis 880 GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, während die Berufung der Klägerin unbegründet ist. Keine der angegriffenen Ausführungsformen hat von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht, so dass die Beklagten dieses Schutzrecht unabhängig davon nicht verletzt haben, ob sie aufgrund des „Agreement“ aus dem Jahre 1987 bis zum Ablauf des Klagepatents zu dessen Benutzung berechtigt gewesen wären (was nach Ansicht des Senats zu verneinen gewesen wäre).

I.

Das Klagepatent betrifft einen Halter für Plakate und dergleichen, der aus einem Vorderabschnitt, welcher eine zum Betrachter gerichtete Oberfläche aufweist, und einem Rückenabschnitt besteht, die gelenkig zusammensetzbar sind, um einen Rahmen zur Aufnahme der Plakate zu bilden. Dabei sind der Vorder- und der Rückenabschnitt mit zusammenwirkenden, schwenkbar in Eingriff stehenden Gelenkteilen versehen, und zwischen dem Vorder- und dem Rückenabschnitt erstrecken sich Federmittel, um den Vorderabschnitt mit Schnappwirkung zwischen einer Schließstellung, in der er am Plakat klemmend angreift, und einer Öffnungsstellung zum Auswechseln des Plakates vorzuspannen.

Wie die Klagepatentschrift ausführt, kann ein derartiger Halter an den unterschiedlichsten Orten wie z.B. Omnibussen, Taxis und ähnlichen mobilen Einrichtungen, aber auch an ortsfesten Stellen, z.B. Pfosten oder Wänden in Tankstellen, Untergrundbahnhöfen, Filmtheatern oder dergleichen angebracht werden. Der Halter soll sauber und ästhetisch ansprechend ausgebildet sein und sich sowohl im Freien als auch in Innenräumen verwenden lassen.

Die Klagepatentschrift weist darauf hin, ein solcher Halter sei aus der US-PS 41 45 xxx (Anlage K 2) bekannt, deren Figuren 1 und 3 nachstehend wiedergegeben werden.

Hier bestehen der Vorder- und der Rückenabschnitt aus Strangpressteilen, die aus jedem Material bestehen können, das sich in wirtschaftlicher Weise strangpressen lässt, wie z.B. Aluminium.

Nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift hat sich dieser vorbekannte Halter zwar im allgemeinen als brauchbar erwiesen, er ist jedoch nicht gegen unerlaubte Eingriffe gesichert, sondern vielmehr mit Mitteln – z.B. einem angeformten Flansch mit einer Erhöhung oder mit einer Längenausdehnung – versehen, die sich zum Öffnen und Schließen des Rahmens erfassen lassen. Der bekannte Halter lässt sich damit bequem öffnen und kann deshalb von Randalierern oder von neugierigen Passanten missbraucht werden, was vor allem deshalb nachteilig ist, weil, wie die Klagepatentschrift hervorhebt, Plakate, Bilder oder Werbematerial häufig an öffentlichen Orten wie Filmtheatern, Untergrundbahnhöfen, Bushaltestellen oder Flugplätzen ausgestellt werden müssen.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es sodann als Aufgabe der Erfindung, einen zuverlässigen und ästhetisch ansprechenden Halter der angegebenen Art zu schaffen, der eine hohe Sicherheit gegen Diebstahl und unerlaubte Eingriffe bietet.

Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß Anspruch 1 des Klagepatents gelöst werden durch einen

Halter für Plakate und dergleichen

1.
mit einem eine zum Betrachter gerichtete Oberfläche aufweisenden Vorderabschnitt und einem Rückenabschnitt, die gelenkig zusammensetzbar sind, um einen Rahmen zur Aufnahme des Plakats zu bilden.

2.
Vorder- und Rückenabschnitt sind mit zusammenwirkenden, schwenkbar in Eingriff stehenden Gelenkteilen versehen.

3.
Zwischen Vorder- und Rückenabschnitt erstrecken sich Federmittel, um den Vorderabschnitt mit Schnappwirkung zwischen einer Schließstellung, in der er am Plakat klemmend angreift, und einer Öffnungsstellung zum Auswechseln des Plakates vorzuspannen.

– Oberbegriff –

4.
Die Oberfläche (26,60) des Vorderabschnittes (14) ist glatt, vorsprungs- und hinterschneidungsfrei ausgebildet.

5.
Die Oberfläche des Vorderabschnittes ist ferner derart gestaltet, dass der Winkel  zwischen der Tangente an jedem manuell erreichbaren Angriffspunkt der Oberfläche (26,60) und der Vertikalen auf die Plakatebene größer oder gleich arc tan  ist, mit  als Reibbeiwert zwischen einer Hand und der Oberfläche (26,60),

6.
so dass die Reibkräfte, die beim Versuch, den Vorderabschnitt (14) von Hand zu erfassen und in die Öffnungsstellung zu schwenken, an der Oberfläche (26,60) entstehen, kleiner sind als die Kräfte, die zum Öffnen des Halters erforderlich sind,

7.
wodurch ein Öffnen des Vorderabschnitts (14) nur durch Eingreifen zwischen den Vorderabschnitt (14) und das Plakat (34) mit Hilfe des Eingriffsteiles (216) eines Werkzeuges (204) oder der Fingernägel erfolgen kann.

– Kennzeichen –

Die Klagepatentschrift bezeichnet es für einen so ausgestalteten Halter als vorteilhaft, dass er einen dekorativen Bild- bzw. Plakatrahmen darstelle, der die Zur- schaustellung auswechselbarer Plakate oder Bilder in einfacher Weise ermögliche, jedoch unerlaubten Eingriffen erheblichen Widerstand entgegensetze. Der Halter könne aufgrund seiner glatten, vorsprungs- und vertiefungsfreien Kontur von Hand allein nicht geöffnet werden. Außerdem sorge die Federspannung dafür, dass einem Öffnen mittels Fingernägeln, Autoschlüsseln oder dergleichen ein erheblicher Widerstand entgegengesetzt werde. Darüber hinaus mache es das Fehlen sichtbarer Schlüsselöffnungen und dergleichen in Verbindung mit dem stromlinienförmigen Erscheinungsbild des Halters unwahrscheinlich, dass ein Passant überhaupt auf den Gedanken komme, sich am Halter unerlaubt zu schaffen zu machen. Tatsächlich sei es aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Halters überhaupt nicht ersichtlich, dass dieser von der Vorderseite her geöffnet werden könne, noch sei ersichtlich, in welcher Weise er geöffnet werden könne. Bei dem erfindungsgemäß ausgebildeten Halter sei die Oberfläche des Vorderabschnittes derart glatt ausgebildet und besitze eine gerundete Kontur mit nicht vorspringenden Ecken, dass der Vorderabschnitt nicht mit einer ausreichend großen Greif- oder Reibkraft von Hand zu erfassen sei, um den Rahmen entgegen der Federvorspannung zu öffnen. Für diese Zwecke sei vielmehr ein spezielles Öffnungswerkzeug vorgesehen.

Bei der Beschreibung der Ausführungsbeispiele weist die Klagepatentschrift u.a. darauf hin, der Oberflächen-Reibbeiwert und die Winkelbeziehung zwischen den Oberflächenabschnitten 20, 22 und 24 hätten einen großen Einfluss darauf, dass die Finger bei dem Versuch abrutschten, den Halter zu erfassen und zu öffnen. Außerdem habe die von der Feder 54 erzeugte Federkraft einen Einfluss auf die den Halter gegen unbefugte Eingriffe schützenden Eigenschaften des Halters. Die Federkraft sei besonders wichtig beispielsweise im Hinblick auf Versuche, den Halter dadurch zu öffnen, dass man mit Fingernägeln, Autoschlüsseln oder dergleichen unter den als Klemmfläche wirkenden vierten Oberflächenabschnitt 65 greife. Bei den dargestellten Ausführungsbeispielen seien der Oberflächen-Reibbeiwert und die Winkelbeziehung zwischen den Abschnitten 20, 22 und 24 so gewählt, dass der Halter manuell nicht geöffnet werden könne, selbst wenn überhaupt keine Feder 54 vorhanden sei.

Die Klagepatentschrift erwähnt in diesem Zusammenhang einen aus eloxiertem Aluminium bestehenden stranggepressten Halter, bei dem der Reibbeiwert zwischen den Abschnitten 20, 22, 24 und den Fingerspitzen nominal 0,38 betrage; damit ein Abrutschen der Fingerspitzen eintrete, müsse der Winkel  mindestens = tan –1  sein, er müsse also gleich oder größer sein als der arc tan des Oberflächen-Reibbeiwertes . Die Oberflächennormale sei per Definition eine Linie, die auf einer zur Oberfläche tangential verlaufenden Linie senkrecht stehe. Setze man einen Reibbeiwert von 0,38 in die obengenannte Gleichung ein, so ergebe sich ein Winkel  von größer/gleich 20,8°, bei welchem unabhängig von der aufgebrachten Federspannung ein Abrutschen eintrete.

Angesichts des Streites der Parteien bedürfen vor allem das Merkmal 5, aber auch die Merkmale 6 und 7 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung näherer Erörterung.
Das wesentliche Merkmal, in dem sich der Kern der durch das Klagepatent geschützten Erfindung widerspiegelt, ist das Merkmal 5. Dieses Merkmal befasst sich (neben dem Merkmal 4) damit, wie die Oberfläche des Vorderabschnittes des erfindungsgemäßen Halters beschaffen sein soll, um das Ziel der Erfindung zu erreichen, nämlich den Halter so zu gestalten, dass man ihn mit Hilfe bloßer Reibkräfte, die sich mit den Fingern – genauer: den Fingerspitzen – aufbringen lassen, nicht öffnen kann.

Dazu, so lehrt das Klagepatent, soll der Vorderabschnitt nicht nur (Merkmal 4) – abweichend von dem Halter gemäß der US-PS 41 45 xxx – eine glatte, vorsprungs- und hinterschneidungsfreie Oberfläche aufweisen, sondern (so Merkmal 5 ) diese Oberfläche soll darüber hinaus auch so gestaltet sein, dass „der Winkel  zwischen der Tangente an jedem manuell erreichbaren Angriffspunkt“ (nämlich für die Finger einer Person, die den Halter zu öffnen versucht) „der Oberfläche und der Vertikalen auf die Plakatebene größer oder gleich arc tan “ ist, wobei  den „Reibbeiwert zwischen der Hand“ (nämlich der genannten Person) „und der Oberfläche“ bezeichnet. Dieser Winkel  soll gemäß Merkmal 6 so groß sein, dass die Reibkräfte, die bei einem Öffnungsversuch an der Oberfläche entstehen, kleiner sind als die Kräfte, die zum Öffnen des Halters erforderlich sind, so dass die Hand bei einem solchen Öffnungsversuch abrutscht und man den Halter nur dadurch öffnen kann (Merkmal 7), dass man – mit Hilfe eines besonderen Werkzeuges oder auch mit den Fingernägeln – in den Raum zwischen dem Vorderabschnitt und dem Plakat eingreift.

Wie der vom Klagepatent angesprochene Durchschnittsfachmann – das ist, wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. X auf den Seiten 1 und 2 seines schriftlichen Gutachtens vom 5. August 2003 (Bl. 563 f. GA) überzeugend dargelegt hat, so dass der Senat ihm folgt, ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau bzw. Feinwerktechnik, bei dem nicht nur ein Grundwissen zur technischen Mechanik vorhanden ist, sondern der u.a. auch Kenntnisse besitzt von den Begriffen Reibung, Reibkräfte, Reibungskoeffizienten, Hebelwirkungen und Drehmomente und der darüber hinaus über praktische Erfahrungen und technisches Vorstellungsvermögen beim Umsetzen der Grundregeln über Reibkräfte und -wirkungen in die praktische Ausführung von Rahmen verfügt – aufgrund des Hinweises auf die arc-tan-Beziehung in Merkmal 5 erkennt, nimmt dieses Merkmal grundsätzlich Bezug auf das sogenannte Coulomb-Experiment zur Ermittlung der Haftreibung (Coulomb-Reibung, trockene Reibung). Das hat nicht nur der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. X auf den Seiten 9-11 seines schriftlichen Gutachtens vom 5. August 2003 (Bl. 571-573 GA) und bei seiner Anhörung vor dem Senat (vgl. S. 28 f. der Niederschrift vom 20. Oktober 2005, Bl. 867 f. GA) plausibel dargelegt, sondern das hat auch das mit sachkundigen Mitgliedern besetzte Bundespatentgericht auf S. 9 seines die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent abweisenden Urteils vom 6. Februar 2003 hervorgehoben.

Der Durchschnittsfachmann weiß, dass die nach Coulomb ermittelten Reibbeiwerte theoretische Werte sind und dass die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Reibung nur für feste Werkstoffe gelten, nicht jedoch für die Reibung zwischen einem Werkstoff und der menschlichen Hand, also einem elastischen Körper (so überzeugend der Sachverständige Prof. Dr. X auf S. 17 f. seines Ergänzungsgutachtens vom 16. Dezember 2004, Bl. 748 f. GA, und auf S. 34 der Niederschrift über seine Anhörung vom 20. Oktober 2005, Bl. 873 GA). Er weiß des weiteren, dass bei dem Versuch eines Menschen, einen Plakathalter nur mit den Fingern (nicht den Fingernägeln) zu öffnen, außer den reinen Reibungskräften – die ohnehin schon wesentlich davon abhängen, wie die Verhältnisse bei der konkreten Hand – genauer: den Fingern, vor allem den Fingerspitzen – sind, wie schwielig also z.B. diese Hand ist, und welche Kraft die jeweilige Person aufbringen kann – auch sogenannte Adhäsionskräfte wirken, die sich daraus ergeben, dass die Finger mehr oder weniger feucht, möglicherweise auch klebrig, sind.

Da es das Ziel des Klagepatents ist, bereits durch die Gestaltung der Oberfläche des Vorderabschnittes zu erreichen, dass sich der Halter durch bloße Reibkraft nicht öffnen lässt, wird der Durchschnittsfachmann beim Bau eines patentgemäßen Halters nicht den – rein theoretischen – „Reibbeiwert“ (den es als solchen zwischen einem bestimmten Material, aus dem der Vorderabschnitt des Halters besteht, z.B. eloxiertem Aluminium, und „der“ menschlichen Hand ohnehin nicht gibt, weil die Verhältnisse bei konkreten Händen ganz unterschiedlich sein können) berücksichtigen, sondern den praktisch auftretenden Reibwert, der auch durch Adhäsionskräfte beeinflusst wird, wie der Sachverständige Prof. Dr. X auf S. 20 seines Ergänzungsgutachtens vom 16. Dezember 2004 (Bl. 751 GA) überzeugend dargelegt hat, so dass der Senat ihm folgt. Da das Klagepatent (vgl. die Formulierung der sogenannten Aufgabe in Spalte 1, Zeilen 42-45) ausdrücklich eine hohe Sicherheit gegen Diebstahl und unerlaubte Eingriffe erreichen will, wird der Durchschnittsfachmann bei seinem Verständnis des Merkmals 5 von einem praktisch auftretenden Reibwert ausgehen, der an der oberen Grenze der zu erwartenden Werte liegt. Auch dann soll sich der Halter, und zwar allein wegen der ein Abrutschen der Finger bewirkenden Gestaltung der Oberfläche des Vorderabschnittes, durch bloßen Reibangriff nicht öffnen lassen.

Dass dieses Ergebnis nur durch die Oberflächengestaltung erreicht werden soll, dass also bei der Beurteilung, ob bei einem bestimmten Halter die Merkmale 5 bis 7 der Merkmalsgliederung verwirklicht sind, nicht auch die Wirkung der in Merkmal 3 genannten Federmittel berücksichtigt werden soll, ergibt sich für den Durchschnittsfachmann eindeutig daraus, dass die Beschreibung des Klagepatents in Spalte 6, Zeilen 1-5 sowie Zeilen 50 bis 52 ausdrücklich hervorhebt, ein patentgemäßer Halter lasse sich manuell auch dann nicht öffnen – weil die Finger bei dem Öffnungsversuch abrutschten -, wenn überhaupt keine Feder 54 vorhanden sei.

Der Zweck der in Merkmal 3 genannten Federmittel liegt für den Durchschnittsfachmann angesichts des gesamten Offenbarungsgehaltes der Klagepatentschrift vor allem darin, zum einen die in Merkmal 3 genannte Schnappwirkung für ein Festhalten des eingelegten Plakates zu erzeugen und zum anderen auch zu verhindern, dass der Halter sich z.B. dann, wenn er so angebracht wird, dass seine Oberfläche leicht nach unten geneigt ist, von selbst öffnet. Des weiteren sollen die Federmittel ein Öffnen des Halters mit Hilfe der Fingernägel oder dergleichen erschweren. Soweit es um die Verhinderung eines allein durch Reibkräfte zu bewirkenden Öffnens des Halters geht, die – wie ausgeführt – in erster Linie durch eine den Merkmalen 5 bis 7 entsprechende Formgebung des Vorderabschnittes des Halters bewirkt werden soll, sollen die Federmittel des Merkmals 3 allenfalls eine zusätzliche Sicherheit bieten.

Da es auch dann, wenn man von einem bestimmten Material für den Vorderabschnitt ausgeht – z.B. von eloxiertem Aluminium -, keinen festen „Reibbeiwert“ für die Reibung zwischen diesem Material und „der“ menschlichen Hand gibt und da dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstage des Klagepatents, dem 8. August 1983, auch keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen über derartige Reibbeiwerte zur Verfügung standen – die Veröffentlichung von Bullinger et al. über die „Reibung zwischen Hand und Griff“ aus dem Jahre 1979 (Anlage ROKH 2), die in der Klagepatentschrift nicht erwähnt wird, gehörte, wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. X überzeugend ausgeführt hat (vgl. S. 16 f. seines schriftlichen Gutachtens vom 5. August 2003, Bl. 578 f. GA), am Prioritätstage des Klagepatents nicht zum präsenten Fachwissen des Durchschnittsfachmanns -, hätte der Durchschnittsfachmann zur Ermittlung des in Merkmal 5 genannten Winkels  praktische Versuche gemacht, um auf diese Weise einen Halter zu finden, der sich allein durch Reibkräfte nicht öffnen lässt. Auch das hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. X plausibel ausgeführt (vgl. S. 12 und 17 seines Gutachtens vom 5. August 2003, Bl. 574 GA und Bl. 579 GA, sowie S. 8 der Niederschrift über die mündliche Erläuterung des Gutachtens, Bl. 847 GA), so dass der Senat ihm folgt.

In der genannten Weise ist auch der Sachverständige Prof. Dr. X bei der Beurteilung der angegriffenen Ausführungsformen vorgegangen; er hat nämlich durch eine Reihe von Probanden, die zufällig ausgesucht waren, versuchen lassen, die angegriffenen Halter allein durch Reibkräfte zu öffnen, wobei er richtigerweise die an sich vorhandenen Federn ausgebaut hatte, denn – wie oben ausgeführt – bei einem zutreffenden Verständnis der Merkmale 5 bis 7 ist nicht auf die Federkraft abzustellen.

Ermittelt man über derartige Versuche einen Halter, der sich aufgrund der Gestaltung der Oberfläche des Vorderabschnittes allein durch Reibkräfte nicht öffnen lässt, so gelangt man, wenn man als Material für den Halter eloxiertes Aluminium der Art wählt, die für die angegriffenen Wechselrahmen verwendet worden ist, zu einem „Reibbeiwert “ im Sinne des Merkmals 5, d.h. zu einem auch unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Adhäsionskräfte praktisch zu erwartenden (Gesamt-) Reibwert, der bei etwa 1,0 liegt, und damit zu einem Winkel  von mindestens etwa 45°. Das haben die Versuche, die der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. X angestellt hat, ergeben – wobei die Probanden noch nicht einmal besonders feuchte oder gar klebrige Finger hatten (so der Sachverständige auf S. 9 der Niederschrift vom 20. Oktober 2005, Bl. 848 GA) -, und das entspricht auch etwa dem von Bullinger et al. in der genannten Veröffentlichung aus dem Jahre 1979 ermittelten Reibwert für die Reibung zwischen eloxiertem Aluminium und der menschlichen Hand.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Merkmals 5 muss sich ein solcher Winkel  an allen manuell erreichbaren Angriffspunkten der Oberfläche des Vorderabschnittes ergeben, also nicht nur an dem gelenkfernen Teil des Vorderabschnittes, sondern auch in dem Bereich unmittelbar am Gelenk. Das erscheint auch sinnvoll, weil nämlich die aufbringbare Reibkraft u.a. auch davon bestimmt wird, inwieweit die Hand einer Person, die den Halter zu öffnen versucht, im Bereich des Gelenkes Halt findet.

Nach dem insoweit ebenfalls eindeutigen Wortlaut des Merkmals 5 ist der Winkel  zwischen der Tangente an jedem manuell erreichbaren Angriffspunkt der Oberfläche und der Vertikalen auf die Plakatebene zu messen. Davon wird nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. X auf den Seiten 3 und 4 der Niederschrift über seine Anhörung vom 20. Oktober 2005, Bl. 842 f. GA, auch der maßgebliche Durchschnittsfachmann ausgehen, und zwar selbst dann, wenn er erkennt, dass es eigentlich auf den Winkel zwischen der in Merkmal 5 genannten Tangente und der Vertikalen auf den Hebelarm zwischen dem Angriffspunkt der Hand am gelenkfernen Teil des Halters und dem Drehpunkt des Halters ankommt; denn diese Vertikale lässt sich, wie der Sachverständige Prof. Dr. X auf Seite 16 f. seines Ergänzungsgutachtens vom 16. Dezember 2004, Bl. 747 f. GA, plausibel dargelegt hat, ohnehin immer nur näherungsweise und spekulativ finden, und auch die so gefundenen Werte wären immer nur geringfügig anders als die, die man erhält, wenn man entsprechend dem Wortlaut des Merkmals 5 auf die Vertikale zur Plakatebene abstellt. Letzteres hat der Sachverständige Prof. Dr. X auf den Seiten 2 bis 4 der Niederschrift vom 20. Oktober 2005, Bl. 841 bis 843 GA, nachvollziehbar ausgeführt, so dass der Senat ihm folgt.

II.

Von der soeben erläuterten Lehre des Klagepatents machen alle vier angegriffenen Ausführungsformen keinen Gebrauch, weil bei ihnen jedenfalls die Merkmale 5 und 6 der Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1 nicht verwirklicht sind.

Wie oben ausgeführt, ist bei Haltern, die wie die angegriffenen Ausführungsformen aus eloxiertem Aluminium bestehen, bei der Ermittlung des Winkels  ein „Reibbeiwert “ von etwa 1,0 einzusetzen, so dass sich ein Winkel  von mindestens etwa 45 ergibt.

Nach den Messungen des Sachverständigen Prof. Dr. X sind bei allen vier angegriffenen Ausführungsformen die Winkel  an den Punkten, an denen bei einem Öffnungsversuch die Finger angreifen, deutlich kleiner als 45 – weshalb es auch bei allen Ausführungsformen jedenfalls einzelnen Probanden gelungen ist, die Halter nur mit Hilfe von Reibkräften zu öffnen -, so dass die Merkmale 5 und 6 nicht verwirklicht sind.

Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. X die Winkel nicht zwischen den Tangenten an den Angriffspunkten für die Finger und der Vertikalen auf die Plakatebene gemessen, sondern stattdessen die Vertikale auf die Hebelarme, d.h. auf die Verbindungslinien zwischen dem Angriffspunkt und der Drehachse, gewählt, was, wie oben dargelegt, nicht dem Merkmal 5 entspricht. Er hat aber bei seiner Anhörung vor dem Senat angegeben (vgl. S. 5 f. der Niederschrift vom 20. Oktober 2005, Bl. 844 f. GA), die Winkel, die sich dann ergäben, wenn man statt der von ihm gewählten Vertikalen die Vertikale auf die Plakatebene – unter Berücksichtigung einer Einspannung von Werbematerialien üblicher Dicke – zugrundelege, seien um etwa 5 größer als die von ihm gemessenen Winkel.
Dann, d.h. bei einer Vergrößerung der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten (vgl. dazu die Übersicht auf S. 6 des Ergänzungsgutachtens vom 16. Dezember 2004, Bl. 737 GA) genannten Winkel um etwa 5º, hat die angegriffene Ausführungsform 1 in ihrem gelenkfernen Teil einen Winkel  von etwa 24 und in ihrem gelenknahen einen solchen von etwa 35, die angegriffene Ausführungsform 2 derartige Winkel von etwa 24 und etwa 27, die angegriffene Ausführungsform 3 solche von etwa 38 und etwa 10, und auch bei der angegriffenen Ausführungsform 4 ergeben sich dann nach den Bekundungen des Sachverständigen Prof. Dr. X auf S. 6 der Niederschrift vom 20. Oktober 2005 (Bl. 845 GA) Winkel , welche etwa den Werten entsprechen, die auf den von den Beklagten als Anlagen B 22 und B 23 (auf letzterer ist die eine Profilbreite von 20 mm aufweisende Ausführungsform 4 fälschlich als „Muster 2“ bezeichnet) vorgelegten Zeichnungen angegeben sind, also Winkel von etwa 20 im gelenkfernen Bereich und von etwa 30 im gelenknahen.

Die Merkmale 5 und 6 des Klagepatents sind bei allen vier angegriffenen Ausführungsformen aber nicht nur nicht wortsinngemäß verwirklicht, sondern auch nicht äquivalent. Denn dazu wäre es u.a. erforderlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit ihrer vom Wortsinn der Merkmale 5 und 6 abweichenden Ausgestaltung dieselbe Wirkung erzielen würden wie Gestaltungen, die wortsinngemäß den Merkmalen 5 und 6 entsprechen. Das ist aber nicht der Fall, weil, wie die Untersuchungen des Sachverständigen Prof. Dr. X ergeben haben, sich alle vier angegriffenen Ausführungsformen von wenigstens einem der Probanden allein mit Hilfe von Reibkräften öffnen ließen.

III.

Haben damit die Beklagten mit keinem der angegriffenen Plakathalter das Klagepatent verletzt, so war nicht nur die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, sondern auf die Berufung der Beklagten war die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils auch insoweit abzuweisen, als das Landgericht ihr stattgegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO, im übrigen folgt sie aus § 91 a ZPO. Denn da – mangels Verletzung des Klagepatents – die Klage von Anfang an unbegründet war, entspricht es der Billigkeit, im Anschluss an die übereinstimmende Teil-Erledigungserklärung auch insoweit die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

IV.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind:

Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 R4