2 U 60/03 – Kunststoffeimerdeckel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 459

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. März 2005, Az. 2 U 60/03

Vorinstanz: 4 O 256/02

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Mai 2003 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 21.500,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 300.000,00 €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u. a. auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 565 967 (Anlage K 1, im folgenden: Klagepatent), das auf einer am 2. April 1993 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 15. April 1992 eingegangenen und am 20. Oktober 1993 veröffentlichten Anmeldung beruht. Der Hinweis auf die Patenterteilung ist am 26. Juli 1995 bekannt gemacht worden.

Aufgrund eines Einspruches hat der – im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende – Anspruch 1 des Klagepatents eine neue Fassung erhalten, die am 18. Oktober 2000 im Patentblatt veröffentlicht worden ist.

Eine im Jahre 2002 von der Beklagten dieses Rechtsstreits gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage ist durch Urteil des Bundespatentgerichts vom 2. März 2004 abgewiesen worden.

Anspruch 1 des Klagepatents in der geltenden Fassung lautet wie folgt:

Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer (1), mit einem Deckel (6), dessen Rand (5) mit einem an dem Gefäßrand (3) angeformten und nach außen hin vorstehenden Befestigungsflansch (4) oder dergleichen rastend verbindbar ist, wobei in der Raststellung des Deckels (6) eine an dessen umlaufenden Rand (5) angeformte, nach innen vorstehende Leiste (13) satt und dichtend um die Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4) herumgreift und an dem Gefäßrand (3) mindestens ein Werkzeug (14) zum Lösen des Deckels (6) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass als Werkzeug eine an dem Gefäßrand (3) angelenkte Lasche (14) vorgesehen ist, die durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Gefäß nahen Sperrstellung nach außen den Deckelrand (5) in diesem Bereich nach außen über die Außenkante (18) hinweg in eine freigebende Lösestellung anhebt, wobei die mit der Leiste (13) zusammenwirkende Wirkfläche (Außenseite 21) der Lasche (14) in deren Sperrstellung vom Drehpunkt (Filmscharnier 15) der Lasche (14) fort von der Längsachse des Gefäßes beabstandet ist und wobei mindestens die eine der beiden den jeweils benachbarten Stirnkanten (26) der beiden Enden des Befestigungsflansches (4) gegenüberstehenden Kanten (25) der Lasche (14) mit dem zugehörigen Flanschende (26) über dünnwandige, als Originalitätsverschluss dienende und damit leicht abreißbare Kunststoffstege (27) oder einen durchgehenden Kunststofffilm verbunden ist.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 4 bis 6 aus der Klagepatentschrift zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der geschützten Erfindung.

Die Beklagte stellt her und vertreibt mit Deckeln versehene Kunststoffeimer. Einen solchen Eimer hat die Klägerin als Anlage K 6 überreicht. Die Beklagte ist außerdem Inhaberin des auf einer Anmeldung vom 8. Oktober 2001 beruhenden, einen „Behälter mit Deckel“ betreffenden deutschen Patents 101 50 390 (Anlage B 8), dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

Behälter mit einer nach oben weisenden Öffnung (12), an deren Rand ein umlaufender Flansch (14) vorgesehen ist, der zur Aufnahme eines Deckels (30) zum Verschließen des Behälters (10) vorzugsweise durch Verrasten ausgebildet ist, wobei der Flansch (14) in zumindest einem Bereich von einem Werkzeug (20) unter Bildung zweier Flanschenden (68, 70) unterbrochen ist, das eine an dem Behälter (10) an einem ersten Scharnier (24) angelenkte Lasche (22) aufweist, die derart angeordnet ist, dass ein aufgesetzter Deckel (30) durch eine Verschwenkung der Lasche (22) nach außen im Bereich des Werkzeuges (20) partiell anhebbar ist, um ein Öffnen des Deckels (30) zu erleichtern,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Lasche (22) von einem Sicherungshebel (23) umschlossen ist, der gegenüber der Lasche („23“ – richtig: 22) und den beiden Flanschenden (68, 70) verschwenkbar an der Wandung (13) des Behälters (10) an zweiten Scharnieren (43, 44) aufgenommen ist, die gegenüber dem ersten Scharnier (24) nach unten in Richtung zum Boden (15) des Behälters (10) hin versetzt angeordnet sind, und dass der Sicherungshebel (23) über mindestens ein Indikatorelement (25, 27), vorzugsweise über mindestens einen Abrißsteg, mit der Lasche (22) verbunden ist, um eine erstmalige Relativbewegung zwischen Sicherungshebel (23) und Lasche (22) anzuzeigen.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 sowie 3 bis 6 aus der genannten Patentschrift zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der zugunsten der Beklagten geschützten Erfindung.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der von der Beklagten hergestellte und vertriebene Kunststoffeimer mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, so dass die Beklagte das Klagepatent verletze.

Sie hat beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Eimer mit einem Deckel, dessen Rand mit einem am Eimerrand angeformten und nach außen hin vorstehenden Befestigungsflansch rastend verbindbar ist, wobei in der Raststellung des Deckels eine an dessen umlaufenden Rand angeformte, nach innen vorstehende Leiste satt und dichtend um die Außenkante des Befestigungsflansches herumgreift,

gewerbsmäßig zu verwenden,

bei denen am Eimerrand eine Lasche verschwenkbar angelenkt ist, welche durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Eimer nahen Sperrstellung nach außen den Deckelrand in diesem Bereich nach außen über die Außenkante hinweg in eine freigebende Lösestellung anhebt, wobei sich die mit dem Deckel zusammenwirkende Wirkfläche der Lasche in einem Abstand vom Eimerrand befindet und die beiden Stirnkanten des Eimerrandes mit den ihnen gegenüberliegenden Seitenrändern der Lasche durch abbrechbare Stege verbunden sind, wobei der Eimerrand an beiden Seiten im Abstand von der Lasche Einschnitte aufweist und unterhalb der Lasche durch einen Steg weitergeführt ist;

2.

ihr – der Klägerin – Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagte – die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. August 1995 vorgenommen habe, und zwar unter Angabe der Anzahl der bezogenen Eimer, deren Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie der Anzahl der vertriebenen Behältnisse;

sowie

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 20. November 1993 bis 19. November 2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen und ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 20. November 2000 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und eingewendet:

Entgegen der Lehre des Klagepatents weise der angegriffene Eimer keine abreißbaren Kunststoffstege auf, welche die als Werkzeug zum Lösen des Deckels dienende Lasche mit mindestens einer gegenüberliegenden Stirnkante des Befestigungsflansches verbänden. Solche Abreißstege fänden sich dort nur zwischen der Lasche und dem sie umgebenden Sicherungshebel, der nicht Teil des Befestigungsflansches sei. Eine solche Ausgestaltung sei auch nicht durch das Klagepatent nahegelegt, wie sich nicht zuletzt daraus ergebe, dass das deutsche Patent- und Markenamt in Kenntnis des Klagepatents auf den angegriffenen Eimer das oben genannte Patent erteilt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 15. Mai 2003 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgt, während die Beklagte um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen, wobei sich die Klägerin hilfsweise darauf beruft, der angegriffene Eimer mache von der Lehre des Klagepatents zum Teil mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Im Übrigen rügt sie, das Landgericht habe seine Hinweispflicht (§ 139 ZPO) verletzt, indem es erstmals in der mündlichen Verhandlung, auf die hin das angefochtene Urteil ergangen sei, Bedenken gegen die Annahme einer äquivalenten Verletzung des Klagepatents geäußert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil die Beklagte mit dem angegriffenen Kunststoffeimer das Klagepatent nicht verletzt.

1.

Ein Verfahrensfehler des Landgerichts – Verstoß gegen die aus § 139 ZPO folgende Hinweispflicht – liegt nicht vor.

Wie auch die Klägerin einräumt, hat das Landgericht in der (abschließenden) mündlichen Verhandlung vom 22. April 2003 darauf hingewiesen, dass und warum seiner Ansicht nach Bedenken gegen die Bejahung einer äquivalenten Benutzung der Lehre des Klagepatents durch die Beklagte bestünden. Angesichts dessen, dass die Beklagte bereits auf den S. 10 bis 13 ihrer Klageerwiderung vom 7. Februar 2003 (Bl. 56 – 59 GA) umfangreich zur Frage der Äquivalenz Stellung genommen (und diese verneint) hatte, konnte ein die Frage der Äquivalenz betreffender Hinweis des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin nicht überraschend kommen. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vorbringen bereits in der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2003 umfassend zu den vom Landgericht geäußerten Bedenken Stellung genommen – der von ihr nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 7. Mai 2003 (Bl. 79 – 81 GA) hat nach ihrem Vortrag auf S. 16 der Berufungsbegründung (Bl. 136 GA) die Darlegungen aus der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2003 lediglich zusammengefasst -, war also durchaus in der Lage, alsbald auf den Hinweis des Gerichts zu reagieren.

Im Übrigen hatte die Klägerin im Laufe des Berufungsverfahrens ausreichend Gelegenheit, sich mit den Bedenken des Landgerichts gegen eine äquivalente Benutzung der Lehre des Klagepatents durch den angegriffenen Eimer auseinanderzusetzen, ohne dass sie – wie noch auszuführen sein wird – diese Bedenken entkräftet hätte.

2.

Das Klagepatent betrifft ein insbesondere als Eimer oder dergleichen ausgebildetes topfförmiges Gefäß mit einem Deckel, dessen Rand mit einem am Gefäßrand angeformten und nach außen hin vorstehenden Befestigungsflansch rastend verbindbar ist, wobei in der Raststellung des Deckels eine an dessen umlaufenden Rand angeformte, nach innen vorstehende Leiste satt und dichtend um die Außenkante des Befestigungsflansches herumgreift und an dem Gefäßrand mindestens ein Werkzeug zum Lösen des Deckels angeordnet ist.

Die Klagepatentschrift weist darauf hin, bei derartigen Gefäßen könne der Deckel, wenn er an seinem unteren Rand erfasst werde, von dem Rand des Gefäßes abgezogen und damit von diesem gelöst werden. Dabei bestünden zwei konträre Bedingungen: Einerseits solle sich der Deckel bei einem noch vertretbaren manuellen Kraftaufwand vom Eimerrand lösen lassen, andererseits solle aber auch ein ausreichend guter Verschluss des Gefäßes durch den Deckel gewährleistet sein.

Nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift (Spalte 1, Zeile 14 f.) ist ein Gefäß der oben genannten Art aus der EP-A-243 545 (Anlage B 3) bekannt. Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 bis 3 aus dieser Patentanmeldung zeigen ein Ausführungsbeispiel des dort beschriebenen Eimers:

Wie sich aus diesen Figuren ergibt, weist der dort dargestellte Eimer (1) im oberen Bereich seines Randes einen nach außen vorstehenden Befestigungsflansch (5) auf, über den ein unterer Bereich des Deckelrandes (8) einrasten kann, so dass der Deckel den Eimer dicht verschließt. In der Raststellung liegt der untere Teil des Deckelrandes satt auf einer vorstehenden Leiste (4) auf, die an den Eimer angeformt ist.

Die Klagepatentschrift (Spalte 1, Zeilen 27 bis 35) hebt hervor, bei dem genannten Eimer sei am Rande des Deckels eine als Daumenvorsprung ausgestaltete Handhabe (in den Figuren mit der Bezugszahl 18 bezeichnet), angeformt, mit deren Hilfe der Deckel über den vorstehenden Rastrand (5) des Gefäßes hinweg– und dann vom Gefäß abgehoben werden könne. Die Klagepatentschrift kritisiert hieran, etwas derartiges sei nur dann möglich, wenn der Deckel in eine ganz bestimmte Position gedreht werde, nämlich eine solche, in der sich die Daumenhandhabe im Bereich der Aussparung (19) des Befestigungsflansches befinde.

Nachfolgend erwähnt die Klagepatentschrift noch weitere, aus den US-Patentschriften 3 753 512 und 3 763 508 bekannte Eimer mit Deckel und weist darüber hinaus darauf hin, aus der GB 2 235 920 A sowie dem deutschen Gebrauchsmuster 88 11 108 seien Gefäße mit Deckel bekannt, die einen sogenannten Originalitätsverschluss aufwiesen, d. h. ein Teil, das beim erstmaligen Öffnen des Deckels abgebrochen werden müsse und dann erkennen lasse, dass der Deckel schon einmal geöffnet worden sei.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es anschließend (Spalte 1, Zeile 56, bis Spalte 2, Zeile 5) als Aufgabe der Erfindung, bei einem Gefäß der zuvor angegebenen Gattung in jeder beliebigen Position des Deckels zum Eimerrand sowohl einen intensiven Verschluss zwischen dem Eimerrand und dem Deckel zu gewährleisten und ein leichtes Abheben des Deckels vom Eimerrand zu ermöglichen als auch auf einfache und leichte Weise einen Originalitätsverschluss am Gefäß vorzusehen.

Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß Anspruch 1 des Klagepatents gelöst werden durch eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

1. Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer (1), mit einem Deckel (6).

2. An dem Gefäßrand (3) ist

a)

ein Befestigungsflansch (4) oder dergleichen angeformt, der nach außen hin vorsteht,

b)

sowie mindestens ein Werkzeug (14) zum Lösen des Deckels (6).

3. Am umlaufenden Rand (5) des Deckels (6) ist eine Leiste (13) angeformt, die nach innen vorsteht.

4. In der Raststellung des Deckels (6) umgreift die Leiste (13) satt und dichtend die Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4).

5. Als Werkzeug zum Lösen des Deckels (6) ist eine Lasche (14) vorgesehen, die am Gefäßrand (3) angelenkt ist.

6. Die Lasche (14) hebt durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Gefäß (1) nahen Sperrstellung nach außen den Deckelrand (5) in diesem Bereich nach außen über die Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4) hinweg in eine freigebende Lösestellung an.

7. Die mit der Leiste (13) zusammenhängende Wirkfläche (Außenseite 21) der Lasche (14) ist in deren Sperrstellung vom Drehpunkt (Filmscharnier 15) der Lasche (14) fort von der Längsachse des Gefäßes (1) beabstandet.

8. Das Gefäß (1) besitzt einen Originalitätsverschluss.

9. Der Originalitätsverschluss wird gebildet aus dünnwandigen, leicht abreißbaren Kunststoffstegen (27) oder einem durchgehenden Kunststofffilm.

10. Die Kunststoffstege (27) bzw. der Kunststofffilm verbinden

a)

mindestens eine der beiden Kanten (25) der Lasche (14), die den jeweils benachbarten Stirnkanten (26) der beiden Enden des Befestigungsflansches (4) gegenüberstehen,

b)

mit dem zugehörigen Flanschende (26) des Befestigungsflansches (4).

Angesichts des Streites der Parteien bedarf das Merkmal 10 der obigen Merkmalsgliederung näherer Erörterung.

Nach diesem Merkmal sollen die – abreißbaren – Kunststoffstege oder der durchgehende Kunststofffilm, die/der gemäß Merkmal 9 den Originalitätsverschluss bilden/bildet, mindestens eine der beiden Kanten der Lasche mit dem dieser benachbarten Flanschende des Befestigungsflansches verbinden.

Der Befestigungsflansch weist erfindungsgemäß – vgl. die Merkmale 2. a) und 4. – folgende Eigenschaften auf: Er ist

– am Gefäßrand angeformt,

– steht nach außen hin vor

– und besitzt eine Außenkante, die so beschaffen ist, dass sie in der Raststellung des Deckels von der an diesen gemäß Merkmal 3 angeformten Leiste satt und dichtend umgriffen werden kann.

Ein an den Gefäßrand angeformtes und nach außen vorstehendes Teil kann daher nicht als Befestigungsflansch im Sinne des Klagepatents angesehen werden, wenn es nicht auch die dritte soeben genannte Eigenschaft aufweist, weil es in einem solchen Fall nämlich nicht mehr an der Befestigung des Deckels mitwirken kann.

3.

Von der vorstehend erläuterten Lehre des Klagepatents macht der angegriffene Eimer keinen Gebrauch, weil bei ihm das Merkmal 10 weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht ist.

Bei ihm wird der Originalitätsverschluss durch abreißbare Kunststoffstege gebildet, die die beiden seitlichen Kanten der Lasche nicht, wie es dem Wortsinn des Merkmals 10 entspräche, mit mindestens einer benachbarten Stirnkante des Befestigungsflansches verbinden, sondern mit den beiden Seitenschenkeln des die Lasche umgebenden Sicherungshebels. Diese beiden Seitenschenkel weisen in ihren oberen Bereichen eine Kontur auf, die zwar an sich derjenigen des Befestigungsflansches (in der den angegriffenen Eimer zeigenden Patentschrift gemäß Anlage B 8 mit der Bezugszahl 14 bezeichnet) und des oberen Bereiches der Lasche (in der genannten Patentschrift mit der Bezugszahl 22 bezeichnet) weitgehend entspricht, sich aber insoweit von ihr unterscheidet, als sie keine Außenkante besitzt, die in ihrer Form der bei den beiden anderen Teilen vorhandenen Außenkante entspräche und deshalb ebenso wie diese in der Raststellung des Deckels von der an letzterem angeformten Leiste, und zwar „satt und dichtend“, umgriffen werden könnte. Wie die Betrachtung des als Anlage K 6 überreichten angegriffenen Eimers eindeutig ergibt, haben die beiden Seitenschenkel des Sicherungshebels keine solche Außenkante, und auch in Figur 3 der Patentschrift gemäß Anlage B 8 ist der Eimer ebenso wie die Anlage K 6 dargestellt.

Die Seitenschenkel des Sicherungshebels können daher nicht als Teile des Befestigungsflansches im Sinne des Klagepatents angesehen werden, mit dem gemäß Merkmal 10 der obigen Merkmalsgliederung mindestens eine Kante der Lasche über abreißbare Kunststoffstege oder dergleichen verbunden sein müsste.

Die Kanten der Lasche sind bei der angegriffenen Ausführungsform nicht etwa mittelbar mit den Stirnkanten des Befestigungsflansches über die abreißbaren Kunststoffstege verbunden. Das wäre nämlich nur dann der Fall, wenn die – über die Kunststoffstege mit den Kanten der Lasche verbundenen – Seitenschenkel des Sicherungshebels ihrerseits über abreißbare Stege oder dergleichen mit mindestens einer der Stirnkanten des Befestigungsflansches verbunden wären, was sie aber nicht sind, und zwar weder bei dem Eimer gemäß Anlage K 6 noch nach der Darstellung in der Patentschrift der Beklagten – ganz abgesehen davon, dass allein der Inhalt einer Patentschrift nicht die konkrete Gefahr begründen könnte, der Inhaber dieser Patentschrift werde die dort beschriebenen Gegenstände auch genau so herstellen oder vertreiben.

Das Merkmal 10 ist bei der angegriffenen Ausführungsform aber nicht nur – wie ausgeführt – nicht wortsinngemäß, sondern auch nicht äquivalent verwirklicht.

Unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz ist die Benutzung einer patentgemäßen Lehre dann zu bejahen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte. Dabei erfordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereiches bildet, welche sich an den Patentansprüchen auszurichten hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. etwa GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 523, 524 – Custodiol I; GRUR 2002, 527, 529 – Custodiol II).

Demnach ist es, um eine Benutzung der Lehre eines Patents unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz bejahen zu können, nicht nur erforderlich, dass die vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführungsform das der Erfindung zugrundeliegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und dass der Durchschnittsfachmann mit den Fachkenntnissen des Prioritätstages des Patents ohne erfinderische Bemühungen in der Lage war, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden, sondern darüber hinaus auch, dass die vom Fachmann dafür anzustellenden Überlegungen derart am Sinngehalt der in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführungsform mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGH, a. a. O.).

Zwar weist der angegriffene Eimer einen Originalitätsverschluss auf, der ebenso wie bei der patentgemäßen Lösung dann, wenn die Kunststoffstege an der Lasche unbeschädigt sind, den Schluss zulässt, der Eimer sei noch nicht geöffnet worden, so dass die gegenüber dem Wortsinn des Klagepatents abgewandelte angegriffene Ausführungsform der patentgemäßen Lösung gleichwirkend ist.

Sie ist aber, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, dieser Lösung nicht gleichwertig, weil der Durchschnittsfachmann sie jedenfalls nicht aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der im Klagepatent unter Schutz gestellten Lehre orientierten. Diese Lehre geht dahin, durch die den Originalitätsverschluss bildenden Kunststoffstege die Lasche mit mindestens einer Stirnkante des benachbarten Befestigungsflansches zu verbinden, so dass sie aufgrund dieser Verbindung bei einer Schwenkbewegung der Lasche (gegenüber dem feststehenden Befestigungsflansch) zerstört werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform verbinden dagegen die Kunststoffstege die Lasche nicht mit dem – feststehenden – Befestigungsflansch, sondern mit dem – ebenso wie die Lasche schwenkbeweglichen – Sicherungshebel. Zum Zwecke der Öffnung des Deckels lassen sich beide Teile gemeinsam hochschwenken, so dass dabei an sich ein Abreißen der Kunststoffstege nicht zu erwarten wäre. Ein solches Abreißen tritt bei der angegriffenen Ausführungsform nur deshalb ein, weil die Schwenkachse des Sicherungshebels – vom Deckelrand aus gesehen – tiefer liegt als diejenige der Lasche, so dass dann, wenn man beide Teile gemeinsam verschwenkt, die Kunststoffstege abgeschert werden. Das ist eine ganz andere Lösung als die des Klagepatents, die daher durch dieses auch nicht nahegelegt wird.

Wie das Landgericht mit Recht hervorgehoben hat, ist ein Indiz dafür, dass die Lehre des Klagepatents eine Ausgestaltung wie bei der angegriffenen Ausführungsform nicht nahelegt, u. a. der Umstand, dass das deutsche Patent- und Markenamt auf den angegriffenen Eimer, der sich von dem durch das Klagepatent geschützten Gefäß nur durch die erwähnte abweichende Ausgestaltung des Originalitätsverschlusses unterscheidet, in Kenntnis des – am Tage der Anmeldung des Patents der Beklagten zum Stand der Technik gehörenden – Klagepatents das Patent gemäß Anlage B 8 erteilt hat.

Zwar steht eine solche Patentierung, worauf die Klägerin an sich zutreffend hinweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. z. B. GRUR 1991, 436, 440 – Befestigungsvorrichtung II; GRUR 1999, 977, 981 – Räumschild) der Annahme einer äquivalenten Verletzung des (älteren) Patents nicht in jedem Falle entgegen, nämlich dann nicht, wenn die angegriffene Ausführungsform in ihrer konkreten Ausgestaltung lediglich als (auch erfinderische) Fortentwicklung einer allgemeineren, unter den Schutzbereich des älteren Patents fallenden äquivalenten Ausführung anzusehen ist. Etwas derartiges setzt aber voraus, dass die konkrete (angegriffene) Ausführungsform mit einem allgemeineren Begriffsmerkmal umschrieben werden kann, das seinerseits gegenüber einer dem Wortlaut des älteren Patents entsprechenden Ausbildung als äquivalent und naheliegend anzusehen ist.

Wie hier ein solches Begriffsmerkmal, das sowohl die angegriffene Ausführungsform als auch die Lösung nach dem Klagepatent erfassen würde, formuliert werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die Formulierung, welche die Klägerin auf S. 9 oben ihres Schriftsatzes vom 29. November 2004 (Bl. 210 GA) insoweit vorgeschlagen hat, genügt dem genannten Erfordernis jedenfalls nicht:

Eine „indirekte Verbindung von Kunststoffstegen zwischen der Lasche und dem Befestigungsflansch, nämlich über den Sicherungshebel“, liegt bei dem angegriffenen Eimer gerade nicht vor, weil es – wie oben ausgeführt – an einer „Verbindung“ (über Stege oder ähnliche Mittel) zwischen den Seitenschenkeln des Sicherungshebels und den Stirnkanten des Befestigungsflansches fehlt. Die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Lösung, abreißbare Kunststoffstege nur zwischen den beiden verschwenkbaren Teilen, nämlich der Lasche und dem Sicherungshebel, vorzusehen, nicht aber auch den Befestigungsflansch in diese Verbindung irgendwie mit einzubeziehen, vielmehr ein Abreißen der Kunststoffstege bei einem – auch gemeinsamen – Verschwenken der Lasche und des Sicherungshebels dadurch zu erreichen, dass die Schwenkachsen der beiden Teile in verschiedenen Ebenen liegen, hat mit einer „indirekten Verbindung zwischen der Lasche und dem Befestigungsflansch“ nichts zu tun.

4.

Hat daher das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen, so war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 Dr. R3