2 U 114/08 – Staubsaugerfilterbeutel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1062

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Februar 2009, Az. 2 U 114/08

Vorinstanz: 4a O 197/08

I. Die Berufung gegen das am 25.09.2008 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 1.250.000 € festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Antragstellerin, mit der sie ihr Unterlassungsbegehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes weiter verfolgt, ist zulässig. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, weil auch nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen vor dem Senat (§ 286 Abs. 1 ZPO) nicht glaubhaft gemacht ist, dass die streitbefangenen Staubsaugerfilterbeutel „A“ von der technischen Lehre des der Antragstellerin zustehenden europäischen Patents 1 787 XXX Gebrauch machen.

1.
Das Verfügungspatent betrifft einen Staubsaugerfilterbeutel, der sich gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik über eine erhöhte Standzeit (d.h. Nutzungsdauer) bei sehr guten Filtrationseigenschaften auszeichnet und der zu diesem Zweck mit den nachfolgend gegliedert wiedergegebenen Konstruktionsmerkmalen versehen ist:

(1) Staubsaugerfilterbeutel (1) mit

(a) einer Einlassöffnung (3) und
(b) einer Ablenkeinrichtung (2).

(2) Die Ablenkeinrichtung (2) ist

(a) im Bereich der Einlassöffnung (3) angeordnet;
(b) im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt.

(3) Die Ablenkeinrichtung (2) ist derart ausgebildet, dass ein durch die Einlassöffnung (3) eintretender Luftstrom ablenkbar ist.

(4) Die Ablenkeinrichtung (3) ist ferner ausgebildet

(a) zum Aufteilen des Luftstroms
(b) in wenigstens zwei Teilströme,
(c) wobei die Teilströme unterschiedliche Strömungsrichtungen haben.

Die nachfolgend eingeblendete Abbildung (Figur 1 der Verfügungspatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Der beschriebenen Ausbildung des Filterbeutels schreibt die Verfügungspatentschrift mehrere Vorteile zu: Zunächst – so heißt es im Absatz [0015] – bewirke die Ablenkeinrichtung, dass die im eingesaugten Luftstrom mitgeführten Schmutzpartikel nicht ungehindert und mit großer Geschwindigkeit auf die der Einlassöffnung gegenüberliegende Beutelwand prallen und diese zerstören. Die Zahl der Partikel pro Teilchenstrom sei im Vergleich mit dem eintretenden Luftstrom reduziert, was die Belastung der Beutelwände durch die einzelnen Teilströme verringere (Absatz [0018]). Die erfindungsgemäße Aufteilung des Luftstroms in Teilströme unterschiedlicher Strömungsrichtung habe ferner zur Folge, dass sich der durch die eingesaugten Schmutzpartikel im Beutelinneren bildende Filterkuchen gleichmäßiger verteile als dies bei herkömmlichen Staubsaugerfilterbeuteln der Fall sei. Überraschend habe sich herausgestellt, dass der besagte Filterkuchen erheblich zum Filtrationsverhalten des Filterbeutels beitrage (Absätze [0014], [0018].

2.
Das Vorbringen der Antragstellerin erlaubt nicht die tatrichterliche Feststellung, dass das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Trenn- oder Zwischenvlies dazu führt, dass der durch die Einlassöffnung eintretende Luftstrom in mindestens zwei Teilströme aufteilt wird, die unterschiedliche Strömungsrichtungen aufweisen. Angesichts des von der Antragstellerin angestrebten (die Hauptsache vorwegnehmenden) Unterlassungsgebotes wäre hierzu erforderlich, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Nachweise einen derartig eindeutigen Beweiswert hätten, dass für den Fall eines sich anschließenden Hauptsacheverfahrens keine andere technische Beurteilung ernsthaft in Betracht kommen könnte. Eine solche Überzeugung hat der Senat nicht gewinnen können.

Das gilt selbst dann, wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass sich die Strömungsverhältnisse so verhalten, wie sich dies aus dem als Anlage PBP 32 vorgelegten Gutachten des Fraunhofer-Instituts Techno- und Wirtschaftsmathematik vom 13.10.2008 ergibt. Danach treten jeweils 9,9 l/sek. durch die beiden Verbindungsöffnungen aus, die durch das Zwischenvlies gebildet werden, wobei sich der Strömungsverlauf so verhalten mag, wie er in der nachstehend eingeblendeten Abbildung des Privatgutachtens dargestellt ist.

Die beiden mit „Qa“ gekennzeichneten Pfeile mögen – wie die Antragstellerin geltend macht – zwei Teilströme sein, die ihre Entstehung dem insoweit als Ablenkeinrichtung wirkenden Zwischenvlies verdanken. Mit den – wegen § 294 Abs. 2 ZPO beschränkten – Mitteln des einstweiligen Verfügungsverfahrens, dem insbesondere eine sachverständige Begutachtung fremd ist, lässt sich jedenfalls nicht mit der gebotenen Gewissheit feststellen, dass die besagten Teilströme i.S.d. Verfügungspatents „unterschiedliche Strömungsrichtungen“ haben. Bedenken ergeben sich für den Senat insofern, als beide Luftströmungen – in einer Draufsicht auf den Filterbeutel betrachtet – zu derselben Seite gerichtet sind und bezogen auf die Einlassöffnung (lediglich) „V-förmig“ auseinander streben. Rein philologisch mag damit dem Erfordernis einer unterschiedlichen Strömungsrichtung Genüge getan sein. Nicht ein rein grammatikalisches Verständnis ist jedoch entscheidend, sondern derjenige technisch verstandene Wortsinn, den der Durchschnittsfachmann vor dem Hintergrund von Aufgabe und Lösung der Erfindung mit dem betreffenden Merkmal des Patentanspruchs verbindet. Es ist deswegen die Frage zu beantworten, ob aus der Sicht des Fachmanns zwei von der Einlassöffnung V-förmig abgehende Teilströme, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform nach den Behauptungen der Antragstellerin vorliegen sollen, geeignet sind, für eine im Vergleich zum vorbekannten Stand der Technik homogenere Verteilung des Filterkuchens an den Innenwänden des Filterbeutels zu sorgen. Mangels eigener technischer Sachkunde des Senats und mangels eigener Untersuchungen der Antragstellerin können insoweit nur diejenigen Messwerte einen Anhaltspunkt liefern, die sich aus dem von der Antragsgegnerin als Anlage AG 11 überreichten TMD-Bericht vom 5.12.2008 ergeben. Wie die nachfolgend eingeblendeten Tabellen 2b und 3b erkennen lassen,

hat sich in Bezug auf einen auch von der Verfügungspatentschrift (Absätze [0070] bis [0073]) herangezogenen Befüllungsgrad des Filterbeutels von 400 g ergeben, dass etwa 60 % des Filterkuchens in der von dem Zwischenvlies sowie der gegenüberliegenden Beuteloberseite gebildeten ersten Kammer und etwa 40 % des Filterkuchens in dem Restbeutel gebildet werden. Berücksichtigt man, dass die (zur Ausbildung eines Filterkuchens geeignete) Beutelinnenseite der ersten Kammer mit 522,50 cm² eine deutlich geringere Ausdehnung hat als die Innenwand des restlichen Beutels (1127,25 cm²), so ergibt sich pro Flächeneinheit eine Verteilung des Filterkuchens zwischen der ersten Kammer und dem Restbeutel im Verhältnis 3:1. Ob trotz dieses „Leistungsgefälles“ – verglichen mit vorbekannten Filterbeuteln – eine homogene Verteilung des Filterkuchens anzunehmen ist, lässt sich für den Senat nicht abschließend beurteilen. Weder die in Figur 4 der Verfügungspatentschrift wiedergegebenen Abbildungen noch der Sachvortrag der Antragstellerin, die keine konkreten Verteilungswerte für den Stand der Technik angegeben hat, bieten einen geeigneten Maßstab. Auch die Verfügungspatentschrift verhält sich nicht genauer dazu, welche Verteilung des Filterkuchens mit dem Stand der Technik erreichbar war und welche graduellen Verbesserungen sich die Verfügungspatentschrift demgegenüber zum Ziel gesetzt hat. Allein deswegen sieht sich der Senat außerstande, der Antragstellerin in ihrer Auffassung zu folgen, dass die beiden durch die Verbindungsöffnungen des Zwischenvlieses hervorgerufenen Teilluftströme solche sind, die im Sinne der Erfindung unterschiedliche Strömungsrichtungen aufweisen.

Vorliegend kommt ein weiteres hinzu: Welche Verteilungswerte sich ergeben würden, wenn die angegriffene Ausführungsform nicht mit zwei nebeneinander liegenden Verbindungsöffnungen versehen wäre, sondern statt dessen einen einzigen durchgehenden Verbindungsschlitz besäße, ist nicht vorgetragen. Es bleibt deshalb die Möglichkeit, dass sich im Falle einer derartigen Abwandlung, die mangels „wenigstens zweier Teilströme“ eindeutig nicht unter das Verfügungspatent fallen würde, dieselbe Filterkuchenbildung in der ersten Kammer und dem Restbeutel ergeben würde, wie sie von der Antragsgegnerin für die angegriffene Ausführungsform festgestellt worden ist. Träfe dies zu, wäre es kaum vertretbar, die beiden V-förmig auseinanderstrebenden Luftströme des streitbefangenen Filterbeutels als Teilströme anzusehen, die erfindungsgemäß mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen versehen sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.