2 U 41/08 – Tintenflüssigkeitsbehälter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1068

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. März 2009, Az. 2 U 41/08

Vorinstanz: 4b O 16/03
Rechtsmittelinstanz: 2 U 2/04
Restitutionsklage 2: 2 U 152/09
Restitutionsklage 3: 2 U 129/10

I. Die Restitutionsklagen werden abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.

III. Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

I.

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 879 XXX, zu dessen Benennungsstaaten u.a. die Bundesrepublik Deutschland gehört und das einen Flüssigkeitsbehälter für Tintenstrahldrucker betrifft. Patentanspruch 1 des in englischer Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents lautet in seiner erteilten Fassung (in deutscher Übersetzung) wie folgt:

„Flüssigkeitsbehälter für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät, der dazu in der Lage ist, von einem Tintenstrahlkopf zu verwendendende Flüssigkeit zu enthalten, wobei der Flüssigkeitsbehälter an einem Halter abnehmbar montagefähig ist, der den Tintenstrahlkopf hat, wobei der Flüssigkeitsbehälter folgendes aufweist:

einen Hauptkörper zum Aufbewahren einer Flüssigkeit;

eine Zuführungsöffnung zum Zuführen der Flüssigkeit zu dem Tintenstrahlkopf, wobei die Zuführungsöffnung in einem Abschnitt angeordnet ist, der den Boden des Behälters im Betrieb bildet;

einen ersten Eingriffsabschnitt, der an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen ist und daran angepasst ist, dass er mit seinem ersten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt, um den Flüssigkeitsbehälter während der Montage drehbar zu halten;

und ein Stützelement, das durch den Flüssigkeitsbehälter elastisch gestützt ist und sich von einer zweiten Seite, die zu der ersten Seite entgegengesetzt ist, erstreckt und einen zweiten Eingriffsabschnitt an einer Außenseite von ihm hat, die von der zweiten Seite des Hauptkörpers weggewandt ist, und zu einer Bewegung von der zweiten Seite weg und zu der zweiten Seite hin in der Lage ist, wobei der zweite Eingriffsabschnitt daran angepasst ist, dass er mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt, wobei die Zuführungsöffnung zwischen dem ersten Eingriffsabschnitt und dem zweiten Eingriffsabschnitt angeordnet ist.“

Mit Urteil vom 20.01.2003 hat das Landgericht Düsseldorf (4b O 16/03) die zum A-Konzern gehörenden Klägerinnen im Hinblick auf die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen 16 Tintenpatronen wegen wortsinngemäßer Verletzung des Klagepatents zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung, zur Entschädigung und zum Schadenersatz verurteilt.

Durch – rechtskräftiges – Urteil vom 17.11.2005 (I-2 U 2/04) hat der Senat die Berufung der Klägerinnen gegen das landgerichtliche Erkenntnis mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Urteilsausspruch statt „Stützelement“ „Schnapp- und Halteelement“ heißt. Grund hierfür war, dass Patentanspruch 1 in einem von der Klägerin zu 1) betriebenen Einspruchsverfahren durch Entscheidung des Europäischen Patentamtes vom 22.04.2005 entsprechend geändert worden war.

Gegen die Einspruchsentscheidung haben sowohl die Klägerin zu 1) als auch die Beklagte Beschwerde eingelegt. An der mündlichen Verhandlung vor der Technischen Beschwerdekammer, die am 29.02.2008 stattgefunden hat, haben neben den jetzigen anwaltlichen Vertretern der Klägerinnen (Rechtsanwalt Dr. B, Patentanwalt Dr. C), welche die Klägerinnen im Übrigen auch in den vorausgegangenen Patentverletzungsverfahren vertreten haben, Herr Dr. Christian D teilgenommen, der nach der eigenen Einlassung der Klägerinnen (Schriftsatz vom 23.10.2008) der zuständige Mitarbeiter der A Hardcopy (International) AG in der Schweiz ist. Am Ende der Beschwerdeverhandlung hat die Technische Beschwerdekammer folgende Entscheidung verkündet:

1. Die Einspruchsentscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Anweisung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

– Patentansprüche 1 bis 25 gemäß dem während der Beschwerdeverhandlung überreichten 4. Hilfsantrag,

– Beschreibung S. 3 in der mit Schriftsatz vom 29.01.2008 überreichten Fassung sowie den S. 2 sowie 4 bis 23 gemäß der erteilten Fassung,

– Zeichnungen gemäß der erteilten Fassung.

Das Sitzungsprotokoll vom 19.03.2008, dem der 4. Hilfsantrag beigeheftet war, wurde dem Patentanwalt der Klägerinnen am 20.03.2008 zugestellt, die schriftlichen Entscheidungsgründe folgten am 30.04.2008.

Durch die Einspruchsbeschwerdeentscheidung hat Patentanspruch 1 des Klagepatents folgende – in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegebene – eingeschränkte Fassung erhalten (wobei die zusätzlich aufgenommenen Merkmale durch Unterstreichen hervorgehoben sind):

1. Flüssigkeitsbehälter für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät.

2. Der Flüssigkeitsbehälter

a) ist dazu in der Lage, von einem Tintenstrahlkopf zu verwendende Flüssigkeit zu enthalten,

b) ist an einem Halter abnehmbar montagefähig, wobei der Halter den Tintenstrahlkopf hat,

c) weist einen Hauptkörper zum Aufbewahren einer Flüssigkeit auf,

d) weist eine Zuführöffnung zum Zuführen der Flüssigkeit zu dem Tintenstrahlkopf auf, wobei die Zuführöffnung in einem Abschnitt angeordnet ist, der den Boden des Behälters im Betrieb bildet,

e) weist einen Belüftungsabschnitt für eine Fluidverbindung mit der Umgebung auf,

f) weist einen ersten Eingriffsabschnitt in Form eines hakenförmigen Vorsprungs auf,

g) weist ein Schnapp- und Halteelement auf.

3. Der erste Eingriffsabschnitt

a) ist an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen,

b) ist daran angepasst, dass er mit einem ersten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt, um den Flüssigkeitsbehälter während der Montage drehbar zu halten.

4. Das Schnapp- und Halteelement in der Form eines Verriegelungshebels

a) ist durch den Flüssigkeitsbehälter elastisch gestützt,

b) erstreckt sich von einer zweiten Seite (des Hauptkörpers), die zu der ersten Seite (des Hauptkörpers) entgegengesetzt ist,

c) hat einen zweiten Eingriffsabschnitt in der Form eines Verriegelungshakens an einer Außenseite von sich, die von der zweiten Seite des Hauptkörpers weggewandt ist,

d) ist zu einer Bewegung von der zweiten Seite (des Hauptkörpers) weg und zu der zweiten Seite (des Hauptkörpers) hin in der Lage.

5. Der zweite Eingriffsabschnitt ist daran angepasst, dass er mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt zur Stützung des Flüssigkeitsbehälters, in dem die Elastizität des Schnapp- und Halteelements den Flüssigkeitsbehälter stützt und anhebt, während der zweite Eingriffsabschnitt gelöst wird.

6. Die Zuführöffnung ist zwischen dem ersten Eingriffsabschnitt und dem zweiten Eingriffsabschnitt angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 23.06.2008 hat die Klägerin zu 1) gemäß Art. 112a EPÜ einen Überprüfungsantrag an die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes gerichtet, mit dem sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Technische Beschwerdekammer geltend macht. Eine Entscheidung hierzu steht derzeit noch aus.

Mit ihren bei Gericht am 29.05.2008 eingegangenen Restitutionsklagen machen die Klägerinnen geltend, dass die in dem Verfahren 4b O 16/03 LG Düsseldorf (I-2 U 2/04 OLG Düsseldorf) streitgegenständlichen Tintenpatronen der eingeschränkten Fassung von Patentanspruch 1 des Klagepatentes nicht mehr unterfallen und dass deswegen die eingangs genannten Verletzungsurteile aufzuheben sind. Im Einzelnen führen die Klägerinnen aus, dass es an einem ersten Eingriffsabschnitt fehle, der die „Form eines hakenförmigen Vorsprungs“ aufweist. Ebenso wenig gebe es einen zweiten Eingriffsabschnitt „in Form eines Verriegelungshakens“. Schließlich sei der zweite Eingriffsabschnitt auch nicht daran angepasst, mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff zu gelangen, „um den Flüssigkeitsbehälter zu stützen, indem die Elastizität des Schnapp- und Halteelements den Flüssigkeitsbehälter stützt und anhebt, während der Zeit der Eingriffsabschnitt gelöst wird“.

Die Klägerinnen beantragen,

1.
das Senatsurteil vom 17.11.2005 (I-2 U 2/04) sowie das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20.11.2003 (4b O 16/03) aufzuheben und die Verletzungsklagen abzuweisen;

2.
hilfsweise,

a)
das Verfahren bis zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer über den Antrag gemäß Art. 112a EPÜ auszusetzen,

b)
ihnen Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Restitutionsklagen mangels Einhaltung der in § 586 ZPO vorgesehenen Monatsfrist für unzulässig. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass die in den vorausgegangenen Verletzungsprozessen behandelten Tintenpatronen der Klägerinnen auch von der eingeschränkten Fassung des Klagepatents Gebrauch machen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Restitutionsklagen sind unzulässig.

1.
In Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (Benkard,
PatG GebrMG, 10. Aufl., § 139 PatG Rdnr. 149; Busse, PatG, 6. Aufl., § 143 PatG Rdnr. 389; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 21 Rdnr. 124; Mes, PatG, 2. Aufl., § 21 PatG Rdnr. 56; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 916 f.) entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Urteil vom 11.05.2006 – I-2 U 86/05), dass die nachträgliche Vernichtung des Klagepatents in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verletzungsverfahrens rechtfertigt, wobei in dem wieder aufgenommenen Verfahren das verurteilende Erkenntnis aufzuheben und die Verletzungsklage – mangels anspruchsbegründenden Klagepatents – abzuweisen ist. Dies gilt nicht nur im Falle einer Komplettvernichtung des der Verletzungsklage zugrunde liegenden Patents, sondern gleichermaßen dann, wenn das Klagepatent bestandskräftig derart eingeschränkt wird, dass die verurteilten Ausführungsformen vom Schutzbereich des Klagepatents nicht mehr erfasst sind.

2.
Für die Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens steht dem Verletzungsbeklagten allerdings nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung. Gemäß § 586 Abs. 1, 2 ZPO ist die Restitutionsklage vor Ablauf einer Notfrist von 1 Monat zu erheben, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des abzuändernden Urteils. Bedingung für den Fristbeginn ist mithin zweierlei, nämlich zum Ersten die bestandskräftige (Komplett- oder Teil-)Vernichtung des Klagepatents und zum Zweiten die Kenntnis des Verletzungsbeklagten hiervon.

Vorliegend ist die Monatsfrist nicht gewahrt, weil sie für beide Klägerinnen am 29.02.2008 zu laufen begonnen hat und somit bei Erhebung der Restitutionsklagen am 29.05.2008 längst abgelaufen war.

a)
Ergeht die das Klagepatent betreffende Vernichtungsentscheidung letztinstanzlich und ist sie deshalb nicht mehr angreifbar, tritt Rechtskraft bereits mit dem Wirksamwerden des betreffenden Erkenntnisses ein. Soweit die Entscheidung verkündet wird, bestimmt sich die Rechtskraft dabei nach dem Verkündungsdatum, und nicht nach dem Tag der späteren Zustellung der schriftlich abgesetzten Gründe (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 287). Von einer letztinstanzlichen Sachentscheidung ist auch dann auszugehen, wenn die Technische Beschwerdekammer – wie dies vorliegend geschehen ist – die Sache zwar an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen hat, dies allerdings mit der Anordnung geschieht, das Patent in geändertem Umfang mit genau bestimmten Ansprüchen, einer ganz bestimmten Beschreibung und bestimmten Zeichnungen aufrecht zu erhalten (Benkard, EPÜ, Art. 111 Rdnr. 52; Singer/Stauder, EPÜ, 4. Aufl., Art. 111 Rdnrn. 6, 9, 27). Denn die mit der Bindungswirkung des Art. 111 Abs. 2 Satz 1 EPÜ versehene endgültige Entscheidung darüber, mit welchem – genau festgelegten – Inhalt sich das Schutzrecht als bestandskräftig erweist und seine gesetzlichen Ausschließlichkeitswirkungen entfaltet, ist unter solchen Umständen bereits von der Beschwerdekammer getroffen, welche der Einspruchsabteilung mit der Zurückverweisung keinerlei eigenen Prüfungs- und Entscheidungsspielraum mehr überlassen, sondern sie ausschließlich für rein administrative Maßnahmen herangezogen hat, die bei der Aufrechterhaltung eines Patents mit geändertem Inhalt zu beachten sind (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 287).

An dem Eintritt der Rechtskraft mit Verkündigung der Beschwerdekammerentscheidung ändert der von der Klägerin zu 1) gemäß Art. 112a EPÜ bei der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes angebrachte Überprüfungsantrag nichts. Bei ihm handelt es sich nicht um ein reguläres Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der die Rechtskraft der angegriffenen Beschwerdekammerentscheidung nicht hinausschiebt, sondern durchbricht (Singer/Stauder, a.a.O., Art. 112a Rdnr. 5; Schulte, a.a.O., Anhang zu § 73, Art. 112a Rdnr. 4). Dies folgt mit aller Deutlichkeit schon daraus, dass der Überprüfungsantrag gemäß Art. 112a Abs. 3 EPÜ keine aufschiebende Wirkung hat und Abs. 5 Satz 2 anordnet, dass die Große Beschwerdekammer, sofern der Überprüfungsantrag begründet ist, die Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Technischen Beschwerdekammer beschließt. Demgemäß hält auch die Denkschrift zur Revisionsakte (BlPMZ 2007, 406, 415) fest:

„Abs. 3 stellt klar, dass der Überprüfungsantrag ein außerordentlicher Rechtsbehelf ist, dessen bloße Einlegung die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung nicht berührt. Eine stattgebende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer führt dagegen zur Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer und durchbricht deren Rechtskraft mit der Folge, dass das Beschwerdeverfahren nach Maßgabe von Abs. 6 wieder aufgenommen werden muss.“

Bezogen auf den vorliegenden Streitfall ist damit festzustellen, dass die den Restitutionsgrund hervorbringende Teilvernichtungsentscheidung bereits mit ihrer Verkündung am 29.02.2008 rechtskräftig geworden ist.

b)
Zu diesem im Wesentlichen objektiven Kriterium muss für den Fristbeginn hinzu kommen, dass der Restitutionsberechtigte auch in subjektiver Hinsicht Kenntnis von den die Wiederaufnahme rechtfertigenden Umständen, vorliegend also von der bestandskräftigen Teilvernichtung des Klagepatents, hat. Diese Kenntnis muss bei der von dem Verletzungsurteil betroffenen Partei selbst bzw. ihrem gesetzlichen Vertreter vorhanden sein (BGH, MDR 1978, 1015), wobei dem positiven Wissen jeweils das bewusste Verschließen vor der Kenntnisnahme gleich steht (BGH, NJW 1993, 1596; BAG, NZA 2003, 453).

aa)
Ein hinreichendes Wissen von dem Umfang der Teilvernichtung setzt – anders als die Klägerinnen meinen – nicht die Kenntnis der (schriftlich abgefassten) Gründe voraus, welche die Technische Beschwerdekammer bewogen haben, das Klagepatent wie geschehen einzuschränken. Die Begründungserwägungen sind nämlich deshalb nicht relevant, weil durch die Beschwerdeentscheidung nicht nur die Ansprüche geändert worden sind, sondern gleichzeitig auch der zugehörige Beschreibungstext nebst Zeichnungen angepasst wurde. In einer solchen Konstellation bildet ausschließlich die neue Beschreibung das für die Schutzbereichsbestimmung relevante Auslegungsmaterial
(Benkard, PatG GebrMG, a.a.O., § 14 PatG Rdnr. 27). Eine hinreichende Kenntnis vom Schutzbereich der nach der Einspruchsbeschwerdeentscheidung geltenden Fassung des Klagepatents ergibt sich demgemäß bereits aufgrund des Wissens um die am 29.02.2008 verkündete Entscheidungsformel nebst den darin in Bezug genommenen Unterlagen, d.h. dem während der Beschwerdeverhandlung überreichten 4. Hilfsantrag der Beklagten sowie dem von der erteilten Fassung abweichenden Beschreibungstext (S. 3 gemäß Schriftsatz vom 29.01.2008).

bb)
Es mag dahin stehen, wann die Klägerinnen bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst das erforderliche Wissen gehabt haben. Es war aufgrund ihrer Mitwirkung im Einspruchsbeschwerdeverfahren auf jeden Fall bei den anwaltlichen Vertretern der Klägerinnen (Rechtsanwalt Dr. B, Patentanwalt Dr. C) am 29.02.2008 vorhanden, was nach den im Streitfall gegebenen Umständen ausreicht.

Zwar lässt der BGH für eine Wissenszurechnung keinen Rückgriff auf die materiell-rechtliche Vorschrift des § 166 BGB zu (MDR 1978, 1015). Ebenso wenig genügt für eine Zurechnung, dass sich die dem Anwalt erteilte Prozessvollmacht für den Verletzungsprozess gemäß § 81 Halbsatz 1 ZPO im Außenverhältnis auch auf ein anschließendes Wiederaufnahmeverfahren und die dafür erforderlichen Prozesshandlungen erstreckt (BGHZ 31, 351, 354; BGH, MDR 1978, 1015). Erforderlich ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt zu der Zeit, zu der er Kenntnis von dem Bestehen des Restitutionsgrundes erhält, von der Partei beauftragt war, sie in dieser Beziehung zu vertreten. Mit Blick auf das Wiederaufnahmeverfahren muss eine Vollmacht mithin auch für das Innenverhältnis festgestellt werden.

Nach diesen Grundsätzen ist eine Wissenszurechnung vom BGH (MDR 1978, 1015) bereits für den Fall zugelassen worden, dass die Partei einen zur Erhebung der Restitutionsklage postulationsfähigen Rechtsanwalt beauftragt hat, Strafanzeige zu erstatten, und dieser Auftrag der Vorbereitung des angestrebten Restitutionsverfahrens nach § 580 Nr. 3 ZPO diente. Zur Begründung ist ausgeführt, dass dem besagten Restitutionsgrund gemäß § 581 ZPO ein „Vorschaltverfahren“ vorgelagert ist, weil eine Wiederaufnahme nur dann möglich ist, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung des Zeugen oder Sachverständigen ergangen ist oder wenn die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Wegen der engen Verknüpfung zwischen dem „Vorschaltverfahren“ und der Klagefrist des § 586 ZPO sei es geradezu eine der wichtigsten Pflichten des mit der Erstattung der Strafanzeige beauftragten Rechtsanwaltes, sich mit der Klagefrist zu befassen, seinen Mandanten rechtzeitig vom Ergebnis des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens zu unterrichten und notfalls die in dessen Interesse erforderlichen Schritte zu unternehmen. Denn der Rechtsanwalt wisse, dass sein Mandant das Strafurteil bzw. den das Ermittlungsverfahren einstellenden Bescheid benötige, um seine Restitutionsklage erheben zu können (BGH, MDR 1978, 1015).

Eine unmittelbar vergleichbare Sachlage ist gegeben, wenn nach rechtskräftiger Verurteilung des Verletzungsbeklagten das Rechtsbestandsverfahren noch andauert und der dort tätige Anwalt um die Verurteilung im Verletzungsprozess weiß. Angesichts der bestehenden Bindung des Verletzungsgerichts an den Erteilungsakt hängt die Möglichkeit, das Verletzungsurteil im Restitutionsverfahren zu beseitigen, genauso von der bestandskräftigen Vernichtung des Klagepatents im parallelen Rechtsbestandsverfahren ab, wie die auf § 580 Nr. 3 ZPO gestützte Restitutionsklage davon abhängt, dass die Verantwortlichkeit des Zeugen oder Sachverständigen in einem strafrechtlichen Verfahren rechtskräftig festgestellt wird (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 287). Genauso wie dort ist es deshalb auch hier die selbstverständliche Pflicht des im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren mitwirkenden Anwaltes, den Verletzungsbeklagten unverzüglich über den Ausgang des Rechtsbestandsverfahrens zu unterrichten, der die Restitutionsklage eröffnet. Denn kostspielige Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren werden von einem Verletzungsbeklagten üblicherweise nicht uneigennützig im allgemeinen Interesse geführt mit dem Ziel, die Rolle von schutzunfähigen Patenten zu bereinigen, sondern im eigenen geschäftlichen Interesse mit dem Ziel betrieben, den Vorwurf der Patentverletzung auszuräumen und die darauf beruhenden Ansprüche zu Fall zu bringen. Da dies nach rechtskräftigem Abschluss des Verletzungsverfahrens nur im Wege einer Restitutionsklage möglich ist, hat der Verletzungsbeklagte ein auf der Hand liegendes Interesse daran, über den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens unterrichtet zu werden. Diese Informationspflicht wiederum liefert die rechtliche Grundlage dafür, dem Verletzungsbeklagten die Kenntnis seines Anwalts von der Vernichtungsentscheidung zuzurechnen (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 287).

(1)
Die vorstehenden Überlegungen führen im Hinblick auf die Klägerin zu 1), die selbst das Rechtsbestandsverfahren gegen das Klagepatent (trotz Rechtskraft der Verletzungsurteile) weiter betrieben hat, zu der Feststellung, dass – vermittelt über die für sie tätigen Anwälte – eine Kenntnis vom Restitutionsgrund bereits im Zeitpunkt der Verkündung der Einspruchsbeschwerdeentscheidung am 29.02.2008 anzunehmen ist.

(2)
Im Ergebnis keine andere Beurteilung gilt hinsichtlich der Klägerin zu 2, auch wenn diese selbst nicht am Einspruchsverfahren beteiligt war. Gegen sie hatte die Beklagte nämlich wegen unzureichender Rechnungslegung auf der Grundlage der erstrittenen Verletzungsurteile Zwangsmittelverfahren eingeleitet, die auch derzeit noch andauern. Ferner hatte die Klägerin zu 2) beim Landgericht Düsseldorf Vollstreckungsgegenklage erhoben (4b O 32/07), wobei sie, gestützt auf die vorliegende Restitutionsklage, einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angebracht hatte. In diesem Verfahren wurde die Klägerin zu 2) wiederum von Rechtsanwalt Dr. B vertreten, der die zu demselben Konzern gehörende Klägerin zu 1) im Rechtsbestandsverfahren anwaltlich beraten hat. Wegen der laufenden Vollstreckungsmaßnahmen lag es im evidenten Interesse der Klägerin zu 2), über den Ausgang des Einspruchsbeschwerdeverfahrens informiert zu werden, um gegebenenfalls Einwände gegen die Zwangsmittelanträge der Beklagten in die Hand zu bekommen. Umgekehrt ergab sich daraus für ihren Verfahrensbevollmächtigten (Rechtsanwalt Dr. B) die selbstverständliche Pflicht, die Klägerin zu 2) zu gegebener Zeit entsprechend zu unterrichten. Dieser Sachverhalt rechtfertigt es, dessen Wissen um die Teilvernichtung des Klagepatents auch der Klägerin zu 2) zuzurechnen.

Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht einmal entscheidend an. Selbst wenn eine Wissenszurechnung außer Betracht bleibt, ist die Restitutionsklage der Klägerin zu 2) in jedem Fall deshalb abzuweisen, weil sich eine Einhaltung der Monatsfrist nicht feststellen lässt. Der Senat hat der Klägerin zu 2) mit Beschluss vom 23.10.2008 aufgegeben, im Detail vorzutragen, wann, auf welche Weise und durch wen sie über den Ausgang des Einspruchsbeschwerdeverfahrens informiert worden ist, und den betreffenden Sachverhalt in geeigneter Weise glaubhaft zu machen. Hieraufhin hat die Klägerin zu 2) lediglich eine vom 06.11.2008 datierende Vollmacht vorgelegt, die schon in zeitlicher Hinsicht mit Rücksicht auf die am 29.05.2008 erfolgte Erhebung der Restitutionsklage in ihrem Namen erklärungsbedürftig ist. Darüber hinaus hat sie lediglich pauschal vorgetragen, nach ihrer besten Erinnerung frühestens am 06.05.2008 durch Übersendung der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer an Dr. D Kenntnis erlangt zu haben. Dieser Vortrag ist bereits in der Sache unsubstantiiert; er ist vor allem aber in keiner Weise glaubhaft gemacht.

III.

Anlass für eine Aussetzung des Rechtsstreits besteht nicht. Selbst wenn der Überprüfungsantrag an die Große Beschwerdekammer Erfolg haben sollte, bewirkt dies lediglich, dass das rechtskräftig abgeschlossen gewesene Einspruchsbeschwerdeverfahren wieder aufgenommen wird und eine abermalige Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer ergeht, die gegebenenfalls einen neuen Restitutionssachverhalt mit der ihm eigenen Restitutionsfrist in Gang setzt (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 287). Das laufende Überprüfungsverfahren nach Art. 112a EPÜ rechtfertigt deswegen keine Aussetzung des in Bezug auf die ursprüngliche Einspruchsbeschwerdeentscheidung angestrengten Restitutionsverfahrens, dessen Frist versäumt ist (Kühnen, Festschrift für Reimann, 2009, S. 320).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Dem Vollstreckungsschutzantrag der Klägerinnen ist nicht zu entsprechen (§ 712 ZPO). Es ist nicht dargetan, dass eine Vollstreckung des Urteils den Klägerinnen einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die im Streitfall zu entscheidenden Rechtsfragen können auf der Grundlage bereits vorhandener höchstrichterlicher Judikatur entschieden werden.