2 U 92/03 – Implantate für Osteosynthesearbeiten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 471

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. Januar 2005, Az. 2 U 92/03

Vorinstanz: 4 O 103/97

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. September2003 verkündete Urteil der 4 b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Der Klägerin werden auch die Kosten des Berufungsrechtszuges auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung eines Betrages in Höhe von € 20.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 153.387,56 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin macht als Lizenznehmerin an dem deutschen Patent 40 26 777 (Klagepatent 1, Anlage K 1) und an dem europäischen Patent 0 472 017 (Klagepatent 2, Anlage K 6) aufgrund einer Ermächtigung des eingetragenen Inhabers der Klagepatente, Prof. Dr. I, und aus abgetretenem Recht im eigenen Namen Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung wegen Verletzung dieser Klagepatente geltend und begehrt überdies die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Entschädigung und Schadenersatz.

Das Klagepatent 1 beruht auf einer Anmeldung vom 24. August 1990, die am 5. März 1992 offengelegt worden ist. Die Erteilung des Klagepatents 1 wurde am 16. Juli 1992 veröffentlicht. – Das Klagepatent 2 beruht auf einer die Priorität des Klagepatents 1 vom 24. August 1990 in Anspruch nehmenden Anmeldung vom 31. Juli 1991, die am 26. Februar 1992 offengelegt worden ist. Die Erteilung des Klagepatents 2 wurde am 21. September 1994 im Patentblatt veröffentlicht.

Nach Erhebung der vorliegenden Verletzungsklage im April 1997 hat die Beklagte Nichtigkeitsklage betreffend die Klagepatente erhoben (vgl. Anlage B 2), mit der sie die Patentansprüche 1, 2, 5 und 7 der beiden Klagepatente angegriffen hat. Der eingetragene Patentinhaber ist der Teilnichtigkeitsklage entgegengetreten und hat die Klagepatente hilfsweise in anderer Fassung verteidigt. Durch Urteil vom 12. Januar 1999 hat das Bundespatentgericht der Teilnichtigkeitsklage in vollem Umfang stattgegeben, woraufhin das Landgericht die Verhandlung in diesem Verletzungsrechtsstreit durch Beschluss vom 16. August 1999 (Bl. 102 GA) bis zur rechtskräftigen Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens ausgesetzt hat. Auf die Berufung des eingetragenen Inhabers der Klagepatente ist nach vorheriger Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. med. habil. Dr. -Ing. Q, Leiter des Labors für Biomechanik und Experimentelle Orthopädie im […] durch Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 12. November 2002 das Urteil des Bundespatentgerichts vom 12. Januar 1999 abgeändert und die (Nichtigkeits-) Klage abgewiesen worden (vgl. Anlage K 16). Die Klägerin hat danach mit Schriftsatz vom 20. Januar 2003 das vorliegende Verletzungsverfahren wieder aufgenommen.

Die Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente, von denen das Klagepatent 1 nach der Feststellung des Bundesgerichtshofes durch die Erteilung des Klagepatents 2 gemäß Art. II § 8 IntPatÜG wirkungslos geworden ist (vgl. Anlage K 16 Seite 7), lauten wie folgt :

„Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten, von denen jeder ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß das Gewinde auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Körper gleiche Steigung (h) besitzt.“
(Patentanspruch 1 des Klagepatents 1)

„Satz zylindrischer Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß trotz unterschiedlicher Außendurchmeser (d) der Schraube das Gewinde jeder Schraube gleiche Steigung (h) besitzt, wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, daß bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt.“
(Patentanspruch 1 des Klagepatents 2)

Die beiden Klagepatentschriften veranschaulichen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der nachstehend wiedergegebenen Figur.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt Titanimplantate (WSI) für Osteosynthesearbeiten. Sie bietet einzeln, mit jeweils gesonderter Artikelnummer Pedikelschrauben in unterschiedlichen Längen mit Durchmessern von 5, 6 und 7 mm und Revision- und Sacralschrauben mit einem Durchmesser von 8 mm an, wobei sie inzwischen dazu übergegangen ist, die Schrauben mit verschiedenfarbigen Schraubenköpfen zur Unterscheidung des Durchmessers anzubieten (vgl. Anlage K 5 und K 19). Entsprechend der nachstehenden, der Anlage K 5 Seite 6 entnommenen Darstellung werden die Schrauben mit den unterschiedlichen Durchmessern für folgende Zwecke angeboten:

Außerdem bietet die Beklagte für ihre Pedikelschrauben Kassetten an, die auf der Seite 15 des Katalogs gemäß Anlage K 15 – wie aus der folgenden Abbildung ersichtlich – beworben werden.

Die von den Beklagten angebotenen Schrauben verfügen über Gewinde mit gleicher Steigung, ohne dass darauf in den Katalogen und der Werbung für diese Schrauben hingewiesen wird.

Die Klägerin sieht in Herstellung und Vertrieb der vorbezeichneten Schrauben eine unmittelbare, hilfsweise eine mittelbare Verletzung der Klagepatente.

Die Beklagten bestreiten den Verletzungsvorwurf.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angegriffenen Schrauben machten weder unmittelbar noch mittelbar von der technischen Lehre der Klagepatente Gebrauch. Sie verwirklichten nicht das jeweilige Merkmal 1 der Patentansprüche 1, wonach die zylindrischen Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern in einem Satz vorzuliegen haben. Die angegriffenen Schrauben würden weder als Satz im erfindungsgemäßen Sinn angeboten noch vertrieben. Sie würden vielmehr jeweils als ein eigener Verkaufsgegenstand angeboten und vertrieben.- Der Angebotsempfänger müsse – nicht anders als bei einem Sortiment – selbst die Auswahl treffen, welche Schrauben er in welcher Stückzahl und gegebenenfalls Zusammenstellung er erwerben wolle. Dass die Beklagte zu 1) zu den Schrauben Sortierkassetten anbiete, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Angebotsempfänger müssten sich zu den Kassetten die Schrauben selbst aussuchen und ihnen werde kein Satz mit der erfindungsgemäßen Zweckbestimmung vorgegeben. Soweit schließlich im Katalog Revisionsschrauben mit einem Durchmesser von 8 mm angeboten würden, stellten diese in Verbindung mit einer Pedikelschraube schon deshalb keinen erfindungsgemäßen Satz dar, weil nach dem Verständnis des Fachmannes zu einem Satz nicht nur ein Paar von zwei Einzelteilen, sondern mindestens drei Einzelteile gehörten. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer der Beklagten aufgrund ihrer Fachkunde davon ausgingen, dass es sich bei den angebotenen Schrauben unterschiedlichen Durchmessers – trotz der Einzelartikelbezeichnungen – jeweils um Sätze im erfindungsgemäßen Sinne handele. Vielmehr hätte es hierzu des ausdrücklichen Hinweises in den Katalogen der Beklagten zu 1) bedurft, dass die Schrauben unterschiedlichen Durchmessers und gleicher Länge zur Erreichung des Erfindungsziels aufeinander abgestimmt seien ( u.a. weil die Gewinde gleiche Steigung aufwiesen). An einem solchen Hinweis fehle es jedoch in den Katalogen der Beklagten zu 1). Im Gegenteil ergebe sich aus den Katalogen, dass die unterschiedlichen Durchmesser der Schrauben ganz anderen Zwecken dienen sollten. Im übrigen rechtfertige das Vorbringen der Klägerin auch nicht die Feststellung, dass das angegriffene Schraubensortiment der Beklagten zu 1) im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG von den Abnehmern und Angebotsempfängern dazu bestimmt werde, in erfindungsgemäßen Sätzen verwendet zu werden, und dies den Beklagten bekannt oder für sie aufgrund der Umstände offensichtlich sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es .

Die Klägerin macht mit ihrer Berufung geltend, die Klagepatente schützten eine Vorrichtung, bei der es sich um einen „Satz von Schrauben“ handele. Wenn (mindestens 3) Knochenschrauben mit unterschiedlichen Durchmessern die gleiche Steigung eines Gewindes aufwiesen und dadurch geeignet seien, in einen durch eine andere Knochenschraube vorgebildeten Knochenkanal eingeschraubt zu werden, liege ein „Satz von Schrauben“ im Sinne der Erfindung vor, ganz gleich, in welcher Weise diese Schrauben auf dem Markt angeboten würden, und ganz gleich auch, wie sie verwendet würden. Wer solche Knochenschrauben wie die Beklagte zu 1) herstelle, verletze dadurch bereits die Rechte aus den Klagepatenten. – Im übrigen mache sie hilfsweise geltend, dass ein „Satz“ von Schrauben im erfindungsgemäßen Sinne mit den von den Beklagten hergestellten, angebotenen und vertriebenen Schrauben auch dann gegeben sei, wenn man das Verständnis des Landgerichts von dem Begriff „Satz“ zugrundelege. Dem Angebotsempfänger, also dem Chirurgen, der operativ Wirbelsäulenstabilisierungssysteme einsetze, sei das Problem der Wahl der richtigen Schraubengröße bekannt und er wisse, dass es dazu kommen könne, dass er eine Schraube auswechseln müsse, weil die zunächst verwendete Schraube zu klein sei oder sich später gelockert habe. Auch wenn diese Situation unerwünscht sei, komme sie in der Praxis durchaus vor. Der angesprochene Fachmann entnehme nun der Werbung der Beklagten, dass die von der Beklagten mit gleicher Schraubenlänge, aber unterschiedlichen Durchmessern angebotenen Schrauben variabel verwendet werden und gegeneinander ausgetauscht werden könnten, um dieses Problem zu bewältigen. Dies ergebe sich zusätzlich daraus, dass die verschiedenen Schrauben für jeden Durchmesser eine unterschiedliche Farbe aufwiesen. Dass in dem Katalog der Beklagten nicht der Begriff „Satz“ verwendet werde, sei rechtlich nicht von Bedeutung. Entscheidend komme es auf das technisch-funktionale Verständnis des Begriffs „Satz“ an. Der Umstand, dass den verschiedenen Schraubendurchmessern im Katalog der Beklagten unterschiedliche Bereiche der Wirbelsäule zugeordnet würden, stehe diesem Verständnis ebenfalls nicht entgegen, zumal bei den Patienten der jeweilige Bereich unterschiedlich groß sei und daher unterschiedlich große Schrauben erfordere. Einem Fachmann sei es daher bekannt, dass die Schraubendurchmesser nicht auf einen bestimmten Anwendungsbereich beschränkt seien, sondern die jeweiligen Verhältnisse bei dem individuellen Patienten die Größe der Schraube und deren Durchmesser bestimmten. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 1) Sortierkassetten für ihre Schrauben anbiete, entnehme der Angebotsempfänger, dass ein technisch aufeinander abgestimmtes System, also ein „Satz“ von Schrauben, angeboten werde.

Die Klägerin beantragt,

I.
die Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 5. September 2003 zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,– , ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Sätze zylindrischer Schrauben für Osteosynthesearbeiten mit unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen trotz unterschiedlicher Außendurchmesser der Schrauben das Gewinde jeder Schraube gleiche Steigung besitzt, wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, dass bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt;

2.
ihr Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 26. März 1992 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen (Schraubenabmessungen) sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen (Schraubenabmessungen) sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger;
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
wobei die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt sei und vom Beklagten zu 2) sämtliche Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 16. August 1992 zu machen seien;

II.
festzustellen,

1.
dass die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, ihr für die in I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 26. März 1992 bis zum 15. August 1992 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2.
dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, allen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit seit dem 16. August 1992 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. September 2003 zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Sie führen aus, ein „Satz“ im Sinne des Klagepatents setze nicht nur das Vorliegen mehrerer Schrauben mit unterschiedlichen Durchmessern und gleicher Gewindesteigung im Sinne der Merkmalsgruppe 2 (Merkmalsanalyse nach Anlage K 20) voraus, sondern auch, dass die Schrauben „zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammengefügt“ worden seien. Die Klagepatente hätten damit einen mit Verwendungspatenten zumindest vergleichbaren Charakter. Ein Eingriff in das Patent könne daher nur angenommen werden, wenn entweder der Anwender (z. B. der Chirurg) die Schrauben zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammenfüge oder aber der Hersteller oder Vertreiber derartiger Schrauben diese für die Verwendung zu dem erfindungsgemäßen Zweck gewissermaßen „sinnfällig herrichte“. Sie, die Beklagten, hätten die Schrauben nicht für die Verwendung zu dem von den Klagepatenten angestrebten Zweck sinnfällig hergerichtet. Ihren Vertriebs- und Angebotshandlungen einschließlich der Werbung lasse sich derartiges nicht entnehmen. Auch der Anwender, also der Chirurg oder Orthopäde, werde die Schrauben nicht zu dem von den Klagepatenten verfolgten Zweck funktionsbestimmt zusammenfügen. Vielmehr werde er von vornherein die aus seiner Sicht optimal passenden Schrauben wählen. Er erkenne von sich aus überhaupt nicht das zum Gegenstand der Klagepatente gemachte Problem, dass beim Einsatz einer Knochenschraube mit größerem Durchmesser nur dann eine stabile Verbindung entstehen könne, wenn die Knochenschraube ein Gewinde mit gleicher Steigung besitze, und dass bei Verwendung einer Schraube mit abweichender Gewindesteigung das vorgeschnittene Gewinde zerstört werde. Verfehlt sei auch der Hinweis der Klägerin auf die WSI-Kassetten. Insoweit habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass diese Kassetten nichts daran änderten, dass der Angebotsempfänger zu den Kassetten Schrauben selbst aussuchen müsse und ihm insoweit kein Satz mit der erfindungsgemäßen Zweckbestimmung vorgegeben werde. – Im übrigen verwirklichten die angegriffenen Schrauben auch nicht die Merkmalsgruppe 3 (vgl. Merkmalsanalyse nach Anlage K 20), da der Außendurchmesser der Schrauben sich nicht durch derart kleine Beträge unterscheide, dass ein Verletzen vorher vorhandener Gewindegänge nicht eintrete, wenn aufeinanderfolgende Schrauben verwendet würden. Der Außendurchmesser der von ihnen angebotenen Schrauben ändere sich in Schritten von jeweils 1 mm. Der Sprung um einen Millimeter überfordere im praktischen Einsatz jedoch die Elastizität des Knochens. Da die Spongiosa, also das Innere des Knochens, ein schwammartiges Gewebe sei, welches der Schraube nur einen geringen Halt gebe, versuche der Operateur den Schraubendurchmesser so zu wählen, dass die Schrauben den zur Verfügung stehenden Knochenhohlraum möglichst ausfüllten, damit sie einen festen Sitz fänden. Kein Operateur komme auf die Idee, aus freien Stücken eine Schraube kleineren Durchmessers einzusetzen, wenn er anhand des Röntgenbildes sehe, dass er eine Schraube größeren Durchmessers verwenden könne. Demgemäß könne eine Schraube der angegriffenen Ausführungsform, die richtig so ausgewählt worden sei, dass sie voll bzw. weitestgehend den Knochenhohlraum ausfülle, nicht durch eine Schraube größeren Durchmessers ersetzt werden, da hierdurch der Knochen gesprengt werde. – Schließlich sei die technische Lehre der Klagepatente auch nicht verwirklicht, weil es sich bei den angegriffenen Schrauben nicht um „zylindrische“ Schrauben handele, sondern um Schrauben mit einem „konischen“ Körper. Unstreitig sei der Kern der Schrauben konisch. Eine konische Ausgestaltung des Kerns laufe dem Ziel des Klagepatents zuwider, vorher vorhandene Gewindegänge nicht zu verletzen. – Im übrigen beriefen sie sich auch in der Berufungsinstanz auf das bereits in der ersten Instanz geltend gemachte private Vorbenutzungsrecht. Die Beklagte zu 1) habe bereits seit 1987 Wirbelsäulenschrauben hergestellt und geliefert, die bei unterschiedlichem Außendurchmesser gleiche Steigung aufwiesen (vgl. Anlage B 1 „Steinmann“-Nägel mit einem Durchmesser von 6,35 mm bzw. Kerndurchmesser von 5,15 mm und einem Durchmesser von 4 mm).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die mit der Klage angegriffenen Gegenstände machen von der technischen Lehre der Klageschutzrechte schon deshalb keinen Gebrauch, weil es sich dabei nicht um „Sätze zylindrischer Körper bzw. Schrauben“ im Sinn der Klageschutzrechte handelt.

1.
Während die Erfindung nach dem Klagepatent 1 sich nach der einleitenden Beschreibung der Klagepatentschrift 1 auf einen Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten bezieht, von denen jeder ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweist (vgl. Sp. 1, Z. 3 – 5 in Verb. mit Sp. 3, Z. 27 – 30), bezieht sich die Erfindung nach dem Klagepatent 2 nach der einleitenden Beschreibung der Klagepatentschrift 2 auf einen Satz zylindrischer Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen (Sp. 1, Z. 3 -6 in Verb. mit Sp. 4, Z. 26 – 29).

Beide Klagepatentschriften erläutern die dem Gegenstand ihrer Patentansprüche 1 zugrundeliegende Überlegung am Beispiel eines Knochenschrauben- und/oder Gewindebohrersatzes für Osteosynthesearbeiten (vgl. Anlage K 1 Sp. 1, Z. 12 -15 bzw. Anlage K 6 Sp. 1, Z. 30 – 33). Osteosynthese bezeichnet für den hier durch die Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmann, einen mit der Herstellung und Entwicklung von Implantaten, insbesondere von Knochenschrauben wie Pedikelschrauben, befassten Fachhochschulingenieur, der über medizinische Kenntnisse verfügt und bezüglich der spezifischen medizinischen Probleme mit einem Chirurgen, Unfallchirurgen oder Orthopäden in engen Kontakt steht (vgl. auch Anlage K 16 S. 12 unten/13 oben), ein operatives Verfahren zur schnellstmöglichen Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit einer frakturierten Extremität, die frühfunktionelle, schmerzfreie Übungsbehandlung ermöglicht (vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch).

Wie in beiden Beschreibungen eingangs ausgeführt, werden Knochenschrauben meist in Kombination mit Platten- und Stabsystemen angewandt, um Knochen und Knochenteile in einer bestimmten Stellung und Ausrichtung zueinander zu fixieren. Die Klagepatentschriften beschreiben zunächst die herkömmliche, z. B. aus der US-PS 4 943 292 (Anlage K 3) bekannte Osteosynthese an Röhrenknochen, bei der eine mit Löchern versehene Platte mittels Knochenschrauben, die durch diese Löcher hindurchgreifen, am Knochen fixiert wird. Die Ruhigstellung der Knochen oder Knochenteile erfolgt durch Anpressen an die Platte mittels der Schrauben. Die Knochenschrauben werden verankert in Bohrkanälen, in die mit Gewindebohrern ein Gewinde eingeschnitten worden ist. Die Schraubenköpfe der Knochenschrauben finden auf der dem Knochen gegenüberliegenden Seite in den angeschrägten Schraubenlöchern ein Widerlager. Den größten Teil des Halts finden die Knochenschrauben dabei in der kortikalen Knochenrinde, während in der Spongiosa und in der Markhöhle kein wesentlicher Widerhalt zu erreichen ist. Die im Knochen verankerten Knochenschrauben werden in ihrem Verlauf im Knochen praktisch nur auf Zug beansprucht. Findet die verwendete Schraube nicht richtig Halt, so werden – wie die Klagepatentschriften ausführen – herkömmlicherweise Schraubenmuttern an der plattenabseitigen Knochenseite auf eine längere Schraube aufgedreht, um so eine gewisse Stabilität zu erreichen (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 21 – 50 und Anlage K 6, Sp. 1, Z. 39 – Sp. 2, Z. 11).

Gegenüber dieser herkömmlichen Osteosynthese am Röhrenknochen bezeichnen die Klagepatentschriften das Verplattungsverfahren an der Wirbelsäule als problematischer. Anders als bei normalen Röhrenknochen lassen die anatomischen Verhältnisse hier die Fixierung eines Knochens an einer Knochenplatte in der Regel nur durch eine einzige Knochenschraube zu. Die für eine knöcherne Konsolidierung erforderliche Ruhigstellung ist dadurch erschwert, dass nahezu das ganze Körpergewicht auf dieser fixierenden Schraube lastet. Während bei Röhrenknochen die Schraube immer in zwei Knochenrinden verankert wird, werden bei der Wirbelsäulenfixation die Schrauben durch die engen Knochenverbindungen zwischen dem vorn liegenden Wirbelkörper und dem hinten liegen Wirbelbogen eingedreht. Diese Knochenbrücken – Bogenwurzeln oder Pedikel genannt – haben im sagittalen Schnitt die Form einer Zwirnspule, wobei nur im mittleren, d.h. im engen Abschnitt, eine gute, direkte Kraftübertragung auf die zentral verlaufenden und nur hier mit der Knochenrinde tangentialen Kontakt aufnehmenden Schrauben erfolgen kann (vgl. Anlage K 1, Sp. Z. 65- Sp. 2, Z. 8 und Anlage K 6, Sp. 2, Z. 12 – 38).

Nach dem Inhalt der Klagepatentschriften ist die Dimension der zu wählenden Gewindebohrer und Knochenschrauben in jedem Fall unbekannt (Anlage K 1, Sp. 2, Z. 15 – 20 und Anlage K 6, Sp. 2, Z. 47 – 52). Eine stabile Verankerung einer Knochenschraube setzt aber eine auf den gegebenen Durchmesser des Knochenkanals abgestimmte Dimensionierung des Gewindebohrers und vor allem des Gewindepins voraus (Anlage K 1, Sp. 2, Z. 27 – 30 und Anlage K 6, Sp. 3, Z. 1 – 6). Unterdimensionierungen beinhalten die Gefahr der Instabilität der Knochenschraubenverbindung und des Implantatabbruchs. Überdimensionierungen der Implantate können leicht neurologische Komplikationen bis zu Querschnittslähmungen nach sich ziehen, da unmittelbar neben den Pedikeln die Nervenwurzeln und das Rückenmark liegen (vgl. Anlage K 1, Sp. 2, Z.30 – 35 und Anlage K 6, Sp. 3, Z. 6 – 11).

Den Klagepatenten liegt die Aufgabe zugrunde, Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen es möglich ist, den Querdurchmesser des Knochenkanals zu bestimmen und trotz mehrmaliger Anwendung das Gewinde nicht zu beschädigen (vgl. Anlage K 1, Sp. 2, Z. 36 – 40) bzw. eine Schraubenkonstruktion zu schaffen, die bei ausgelockertem Gewinde bei gleicher Gewindecharakteristik einen neuen Festsitz schafft, und einen Gewindebohrer zu schaffen, der ein neues Gewinde nachschneidet bei optimaler Verankerung der einzusetzenden Schraube (Anlage K 6, Sp. 3, Z. 12 -18).

Zur Lösung der zuvor an erster Stelle genannten Aufgabe schlägt das Klagepatent 1 im Patentanspruch 1 einen Gegenstand vor, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:

1. Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten, von denen

2. jeder (Körper) ein Gewinde aufweist, welches

3. in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformt ist.

4. Das Gewinde besitzt,
a) auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Kör-
per
b) die gleiche Steigung (h).

Die Merkmale 1 bis 3 bilden den Oberbegriff, während die Merkmalsgruppe 4 das Kennzeichen darstellt.

Für die zuvor an zweiter Stelle genannte und in der Klagepatentschrift 2 formulierte Aufgabenstellung wird durch den Patentanspruch 1 des Klagepatents 2 ein Gegenstand vorgeschlagen, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:

1. Satz zylindrischer Schrauben mit

2. unterschiedlichen Außendurchmessern, wobei die

3. Schrauben ein Gewinde aufweisen, welches

4. in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformt ist.

5. Das Gewinde jeder Schraube besitzt,
a) trotz unterschiedlicher Außendurchmesser (d) der Schraube
b) gleiche Steigung (h),

6. wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, dass bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt.

Hier bilden die Merkmale 1 bis 4 den Oberbegriff, während das Kennzeichen durch die Merkmale 5 und 6 gebildet wird.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents 2 „beschränkt“ sich nicht auf zylindrische Körper für Osteosynthesearbeiten, sondern beansprucht allgemein einen Satz zylindrischer Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern und führt dazu in der Beschreibung aus, dass diese bei Osteosynthesearbeiten und in Holz, Kunststoff oder weichen Metallen einsetzbar sind (vgl. Anlage K 6 Sp. 3, Z. 21 – 23).

Zu den Vorteilen der Lösung nach der Klagepatentschrift 1 heißt es in Anlage K 1, Sp. 2, Z. 43 ff., dass mit ihr ein Satz von Gewindebohrern und dazu passenden Knochenschrauben geschaffen werde, wobei aber die Gewinde der Gewindebohrer und der Knochenschrauben bzw. mit Gewinde versehenen Knochenpins unabhängig von ihren Außendurchmessern so gestaltet seien, dass sie gleiche Steigung aufwiesen. Somit sei es möglich, mit einem Satz von Gewindebohrern zu arbeiten, die sich durch kleine Beträge des Außendurchmessers unterschieden, die ein solche Gewindeausstaltung aufwiesen, dass bei Anwendung des nächstgrößeren Gewindebohrers eine Beschädigung des durch den vorher eingesetzten Gewindebohrer geschnittenen Gewindes nicht erfolge. Nunmehr sei es möglich, bei Handhabung des Gewindebohrers den Widerstand abzutasten, der sich dem Gewindebohrer stelle, so dass von Hand abgetastet werden könne, wann sich die äußeren Gewindegänge in der kortikalen Knochenrinde befänden. Das Gewinde werde also so lange eingeschnitten, bis eine feste Verankerung in der Pedikel-Kortikalis erreicht werde. Dann erfolge das Eindrehen einer zu diesem Querschnitt passenden Knochenschraube. Beim Auslockern einer Schraube könne dann mit dem Gewindebohrersatz ein neues, einen festen Halt verschaffendes Gewinde nachgeschnitten werden und eine im Durchmesser größere Schraube eingesetzt werden. Entscheidend bei diesem Vorgang sei, dass durch das mehrmalige Anwenden von Gewindebohrern das Gewinde nicht beschädigt werde.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents 1 enthält nicht ausdrücklich das Merk- mal 6 des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2. Der angesprochene Durchschnittsfachmann versteht angesichts der Beschreibung in Sp. 2, Z. 49 – 55 jedoch die „zylindrischen Körper für Osteosynthesearbeiten“ des Patentanspruches 1 des Klagepatents 1, die Teil des erfindungsgemäßen „Satzes“ sind, als entsprechend dem Merkmal 6 des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2 ausgestaltet.

Ein Indiz dafür, dass der Fachmann dies so sieht, stellt auch die Feststellung im Urteil des BGH gemäß Anlage K 16 S. 7 dar, dass das Klagepatent 1 durch die Erteilung des Klagepatents 2 gemäß Art. II § 8 IntPatÜG wirkungslos geworden sei, was nicht der Fall wäre, wenn mit ihm, dem Klagepatent 1, nicht dieselbe Erfindung geschützt würde wie mit dem Klagepatent 2 als dem europäischen Patent.

Ähnlich wie die Klagepatentschrift 1 beschreibt die Klagepatentschrift 2 in Sp. 3, Z. 24 – 57 die Vorteile der Erfindung gemäß dem Klagepatent 2.

Beide Klagepatentschriften erläutern die Erfindung an Hand eines Ausführungsbeispiels, welches mit drei, unterschiedliche Außendurchmesser aufweisenden Schraubenteilen arbeitet (vgl. Anlage K 1 Sp. 3, Z. 5 -23 in Verb. mit der einzigen Zeichnung sowie Anlage K 6 Sp. 4, Z. 3 -22 in Verb. mit der einzigen Zeichnung), wobei das Ausführungsbeispiel keine Angaben dazu macht, in welchem Umfang die unterschiedlichen Außendurchmesser differieren. In den bevorzugte Ausführungsformen betreffenden Unteransprüchen 4 und 8 der beiden Klagepatente finden sich allerdings Angaben zu den Differenzen zwischen einzelnen zylindrischen Körpern bzw. zylindrischen Schrauben. So heißt es im Anspruch 4 des Klagepatents 1, dass der Satz zylindrischer Körper nach Anspruch 1 oder 2 dadurch gekennzeichnet sei, dass der Außendurchmesser der unterschiedlichen zylindrischen Körper um jeweils 0,05 mm differiere. Patentanspruch 8 spricht in Bezug auf zylindrische Körper nach Anspruch 6 davon, dass die Außen- und Kerndurchmesser der Knochenschrauben 0,05 bis 0,2 mm über dem Außen- und Kerndurchmesser der entsprechenden Gewindebohrer lägen. Patentansprüche 4 und 10 des Klagepatents 2 enthalten für einen Satz zylindrischer Schrauben entsprechende Angaben.

Angesichts des Streits der Parteien darüber, wie der durch die Klagepatentschriften angesprochene Durchschnittsfachmann die Lehren der Patentansprüche 1 versteht, bedarf dies insbesondere im Hinblick auf das Merkmal „Satz“ in den jeweiligen Merkmalen 1 näherer Erörterung. Die Parteien gehen dabei übereinstimmend zu Recht davon aus, dass der Fachmann dieses Merkmal so versteht, wie dies der Bundesgerichtshof nach sachverständiger Beratung auf Seite 13 des Urteils vom 12. November 2002 (Anlage K 16) definiert hat.

Danach versteht der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann unter „Satz“ nicht eine Mehrheit von Einzelgegenständen, die in beliebiger Weise zu einem Gebinde zusammengestellt sind. Vielmehr entnimmt der Fachmann dem Begriff „Satz“ , dass es sich um eine Zusammenfassung unter technischen Gesichtspunkten handelt, bei der gleichartige Gegenstände unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Ausmaßes zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammengefügt sind. Dabei sieht er in der funktionalen Abstimmung das entscheidende Kriterium. Etwa im Handel angebotene Einzelteile versteht er dagegen, auch wenn es sich um eine Mehrzahl handelt, ohne eine solche Abstimmung ebensowenig als „Satz“ wie ein Sortiment, das nach anderen als funktionalen Gesichtspunkten, etwa solchen eines vermuteten Bedarfs des Kunden oder anderen verkaufsorientierten Gesichtspunkten, im Handel zusammengestellt ist. Dabei gehören nach dem Verständnis des Fachmanns zu einem „Satz“ min-destens drei Einzelteile, ein Paar von zwei Einzelteilen ist dagegen noch kein „Satz“.

Es muß sich demnach bei einem „Satz“ um eine Mehrheit, nämlich mindestens drei gleichartige Gegenstände handeln, die unterschiedliche, aber aufeinander abgestimmte Ausmaße haben. Dies und der Umstand, dass diese Gegenstände in beliebiger Weise zu einem Gebinde zusammengestellt sind bzw. sich zu einem Gebinde zusammenstellen lassen, reicht jedoch noch nicht aus, um bereits das Vorliegen eines erfindungsgemäßen „Satzes“ zu begründen, sondern sie müssen sich unter technischen Gesichtpunkten als eine „Zusammenfassung“ darstellen, die „zu einem Zweck funktionsbestimmt“ vorgenommen worden ist, wobei entsprechend der Lehre des Merkmals 6 des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2 – dieses Merkmal bestimmt, wie oben dargelegt, auch den Gegenstand des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2 mit – die „Zusammenfassung“ der zylindrischen Körper bzw. zylindrischen Schrauben dem erfindungsgemäßen Zweck dient, ein Anwenden der im Satz zusammengefassten (zusammengefügten) „aufeinanderfolgenden Schrauben“ zu erlauben, und zwar so, dass ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt.

Die dargestellte Zweckangabe ist dabei nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil Vorrichtungspatente in der Regel nicht auf den Schutz für die in der Patentschrift genannten Zwecke beschränkt sind (vgl. BGH, GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen; Benkard/Ullmann, PatG, 9. Aufl., § 14 Rdn 41 m.w.N.). Vielmehr umschreibt der Patentanspruch – auch mit dem Merkmal 6 des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2 – eine bestimmte funktionale Abstimmung, die einen wesentlichen Bestandteil der Erfindung bildet (vgl. auch BGH, GRUR 1987, 794, 795 re. Sp. – Antivirusmittel), die nur realisiert werden kann, wenn dieses Merkmal gleichsam einen räumlich-körperlichen Niederschlag in einer bestimmten Ausgestaltung findet. Der Bundesgerichtshof spricht in seiner Entscheidung vom 12. November 2002 (Anlage K 16) von „Zusammenfassung“ bzw. „Zusammenfügung“.

Dieses bedeutet etwa in Bezug auf die Herstellung eines „Satzes“ im Sinne der Erfindung: Anspruch 1 der Klagepatente wird nicht schon dann verwirklicht, wenn eine Vielzahl Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern, aber gleicher Gewindesteigung hergestellt wird. – Um eine Benutzung der Lehre der Patentansprüche schon bei der Herstellung annehmen zu können, muss eine solche funktionsbestimmte Zusammenfassung bzw. Zusammenfügung hinzukommen, die aus der Sicht des Fachmannes objektiv den Zweck erkennen läßt, zu dem die Zusammenfassung erfolgt ist. Irgendwelche Zusammenstellungen in einem Gebinde genügen nicht, wie auch den Ausführungen des Bundesgerichtshofes a.a.O. (Anlage K 16, S. 13) zu entnehmen ist. So reicht es nicht, wenn etwa Schrauben unterschiedlichen Durchmessers und gleicher Gewindesteigung nach von den Vorgaben der Patentansprüche abweichenden Kriterien in Gebinden zusammengestellt werden, etwa nach ihrer Länge und ihrem Einsatzort. Auch wenn ein Chirurg, so er die Lehre der Klagepatente kennt, in solchen Gebinden Schrauben finden könnte, die er nach Maßgabe der patentgemäßen Lehre dem Gebinde entnehmen, zusammenstellen und verwenden könnte, stellen solche Gebinde keinen „Satz“ im Sinne der Klagepatente dar.

Soweit die Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente „zylindrische“ Körper bzw. Schrauben voraussetzen, sieht der angesprochene Durchschnittsfachmann darin nicht Körper bzw. Schrauben, die im streng geometrischen Sinn eine Zylinderform haben, also Körper, die die Kreisränder von zwei senkrecht oder auch schräg
übereinander stehenden Kreisen gleicher Größe miteinander verbinden. Vielmehr werden damit, wie die Patentansprüche 5 der Klagepatente deutlich machen, auch Körper bzw. Schrauben erfasst, bei denen der Durchmesser der ersten Gewindegänge kleiner ist als der Durchmesser späterer Gewindegänge, so dass sich eine Konusform ergibt.

Schließlich ist noch auf das Merkmal 6 des Patentanspruches 1 des Klagepatents 2 , welches aber – wie bereits ausgeführt – auch für den erfindungsgemäßen „Satz“ des Patentanspruches 1 des Klagepatents 1 zu gelten hat, einzugehen, wonach der erfindungsgemäße „Satz“ von Körpern für Osteosynthesearbeiten bzw. von Schrauben so sein soll, dass sich der Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden soll, dass bei Anwenden aufeinanderfolgender Körper bzw. Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt. Der Anspruch stellt also auf die Außendurchmesser der Schrauben bzw. Körper und nicht auf andere Parameter ab, die sich durch derart kleine Beträge unterscheiden sollen, dass ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt, dabei wird in Unteranspruch 4 für eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung eine Differenz von 0,05 mm für die Außendurchmesser der verschiedenen Körper bzw. Schrauben des Satzes gelehrt, während der Anspruch 1 das absolute Maß der Differenz zwischen den Außendurchmessern offen läßt, jedoch besagt, dass diese Differenz der Außendurchmesser so sein solle, dass es zu keiner Verletzung der vorher vorhandenen Gewindegänge komme. Der Fachmann soll also dadurch, dass er die Körper bzw. Schrauben mit Außendurchmessern gestaltet, die sich durch kleine Beträge unterscheiden, dafür sorgen, dass es nicht zu einem Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge kommt.

2.
Von der sich so darstellenden technischen Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente wird mit den angegriffenen Handlungen der Beklagten, die sich auf die nachfolgend abgebildeten Schrauben beziehen, wobei die Abbildungen dem Katalog gemäß Anlage K 5 S. 11 und dem Katalog gemäß Anlage K 19 S. 14 entnommen sind, kein Gebrauch gemacht.

Mit der bloßen Herstellung dieser zuvor abgebildeten Schrauben werden, wie sich aus den obigen Ausführungen unter Ziffer II.1. ergibt, keine erfindungsgemäßen „Sätze“ von Schrauben hergestellt, sondern einzelne Schrauben mit Durchmessern von 5, 6, 7 und 8 mm in unterschiedlichen Längen und gleicher Gewindesteigung. Eine im Sinne der Patentansprüche 1 der Klagepatente funktionsbestimmte Zusammenfassung bzw. Zusammenfügung dieser Schrauben, die aus der Sicht des Fachmannes objektiv den Zweck erkennen läßt, zu dem die Zusammenfassung bzw. Zusammenfügung erfolgt ist, ist nicht vorgenommen worden. Die bloße Möglichkeit, dass ein Chirurg oder dergl., so er die Lehre der Klagepatente kennt, aus solchen Schrauben eine Auswahl von Schrauben treffen könnte, die es ihm dann ermöglichen würde, mit den Schrauben so zu verfahren wie mit einem erfindungsgemäßen Satz von Schrauben, macht die Herstellung dieser Schrauben noch nicht zur Herstellung erfindungsgemäßer Sätze von Schrauben.

Die Beklagten haben mit dem Angebot und dem Vertrieb der oben abgebildeten und angegriffenen Schrauben aber auch keine erfindungsgemäßen Sätze von Schrauben angeboten und vertrieben. Dies ist im angefochtenen Urteil des Landgerichts im einzelnen mit zutreffender Begründung dargelegt worden. Dabei ist das Landgericht, wie die obigen Ausführungen zu Ziffer II. 1. zeigen, zu Recht davon ausgegangen, dass nur dann von dem Angebot und dem Vertrieb erfindungsgemäßer Sätze von Schrauben gesprochen werden kann, wenn die Schrauben nicht lediglich als Schraubensortiment, aus dem man nach Bedarf auswählen kann, sondern als funktionell aufeinander abgestimmte Einheit von Schrauben zur Erzielung des in den Klagepatenten niedergelegten technischen Ziels angeboten und vertrieben werden. Schrauben, die eine gleiche Gewindesteigung aufweisen und sich durch so kleine Beträge des Außendurchmessers unterscheiden, dass es bei der Verwendung der nächstgrößeren Schraube zu keiner Beschädigung des durch die vorher eingesetzte Schraube erzielten Gewindes kommt, hätten also zu dem vorgenannten Zwecke in einem Satz zusammengefasst bzw. zusammengefügt angeboten und vertrieben werden müssen.

Davon kann jedoch bei den Angebots- und Vertriebshandlungen der Beklagten keine Rede sein. Jede Schraube wird von den Beklagten vielmehr als ein eigenständiger Verkaufsgegenstand angeboten und vertrieben. Auf der oben wiedergegebenen Seite 11 des Katalogs nach Anlage K 5 sind zum einen die Pedikelschrauben von 5 bis 7 mm Durchmesser und Längen von 30 bis 50 mm gemeinsam dargestellt und zum anderen die Revision- und Sacralschrauben mit einem Durchmesser von 8 mm in Längen von 35 bis 50 mm, doch jeder Pedikelschraube und jeder Sacral- und Revisonschraube ist eine eigenständige Artikelnummer zugeordnet. Der Angebotsempfänger muss aus diesem Sortiment von Pedikel – und Revision- und Sacralschrauben die Auswahl treffen, welche Schrauben er in welcher Stückzahl und Zusammenstellung erwerben will. Dass besonderer Angebotsgestand bzw. eine eigenständige Verkaufeinheit Sätze von Schrauben im Sinne einer Zusammenfassung von mehreren Schrauben, nämlich von zumindest drei Schrauben mit unterschiedlichen Durchmessern sein sollen, um den oben dargestellten erfindungsgemäßen Zweck zu erfüllen, ist, worauf bereits das Landgericht völlig zutreffend verwiesen hat, nicht ersichtlich.

Im Gegenteil ergibt sich aus der oben unter Ziffer I. wiedergegebenen Darstellung auf der Seite 6 des Katalogs gemäß Anlage K 5, dass die Schrauben mit den unterschiedlichen Durchmessern jeweils für sich gesehen werden sollen, wobei die Schrauben mit dem Durchmesser von 5 mm für den torakalen Bereich, die mit einem Durchmesser von 6 mm für den lumbalen Bereich, die mit einem Durchmesser von 7 mm für den sacralen Bereich und die mit einem Durchmesser von 8 mm für die Reinstrumentation Verwendung finden sollen. Eine entsprechende, etwas allgemeiner gehaltene „Indikations“- Angabe für die Schrauben findet sich auch auf Seite 2 des Katalogs gemäß Anlage K 19.

Solche „Indikations“-Angaben stellen keine bloße unverbindliche Zweckangabe dar, sondern werden, da die hier in Rede stehenden Schrauben als nicht aktive Implantate dem Medizinproduktegesetz (MPG) in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG unterfallen, von den angesprochenen Verkehrskreisen durchaus ernst genommen. Die angesprochenen Verkehrskreise werden sie daher in der Regel auch nicht außerhalb des „Indikations“-Bereiches zu anderen als den angegebenen Zwecken anwenden. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß gemäß § 2 Abs. 5 MP BetriebV der Anwender die das Medizinprodukt betreffende Gebrauchsinformation zu beachten hat. Die bei Osteosynthesearbeiten zu verwendenden und zu implantierenden Schrauben sind gemäß Regel 8 Anhang IX zu RL 93/42/EWG Produkte der Klasse II b, denen gemäß Anhang I Abschnitt 13 eine Gebrauchsanweisung bzw. Information zur Zweckbestimmung beigefügt werden müssen.

Die zuvor gemachten Ausführungen zur Seite 11 des Katalogs gemäß Anlage K 5 gelten entsprechend auch für die oben wiedergegebene Seite 14 des Katalogs gemäß Anlage K 19. Auch dort sind sämtliche Schrauben mit Einzelartikelnummern versehen. Der Umstand, dass die Schrauben gleichen Durchmessers aber mit unterschiedlichen Längen auf der Abbildung jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst sind und die Zugehörigkeit der einzelnen Schraube zu der jeweiligen Gruppe von Schrauben mit demselben Durchmesser auch durch eine dem jeweiligen Durchmesser zugeordnete Farbkennzeichnung der Schrauben selbst unterstrichen wird, ändert nichts daran, dass die Schrauben als eigenständige Verkaufsgegenstände angeboten und vertrieben werden und nicht als erfindungsgemäße Sätze.

Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten auch nicht dadurch, dass sie neben den hier in Rede stehenden Pedikel-, Revision – und Sacralschrauben auch Kassetten, wie sie auf der Seite 15 des Katalogs gemäß Anlage K 5 abgebildet sind, anbieten und vertreiben, die Pedikel-, Revision- und Sacralschrauben zu erfindungsgemäßen Sätzen zusammenfassen und so anbieten und vertreiben. Das zusätzliche Angebot der Beklagten an Sortierkassetten für die einzelnen Schrauben ändert nichts daran, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer die von ihnen gewünschten Schrauben selbst nach ihren eigenen Kriterien und Wünschen aussuchen müssen und ihnen nicht ein Satz Schrauben mit der erfindungsgemäßen Zweckbestimmung vorgegeben wird, wobei dies selbst dann gilt, wenn sie eine Kassette bestellen mit der Bitte, sie voll mit den Schrauben zu bestücken, die die Kassette aufnehmen kann.

Mit dem Landgericht läßt sich schließlich auch nicht feststellen, dass die Angebotsempfänger und Abnehmer der Beklagten aufgrund ihrer Fachkunde davon ausgehen, dass es sich bei den angebotenen und vertriebenen Schrauben unterschiedlichen Durchmessers – trotz der Einzelartikelbezeichnungen – jeweils um Sätze, also zusammengefasste technische Einheiten zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe handelt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die auf den Seiten 19 und 20 des angefochtenen Urteils insoweit gegebene Begründung des Landgerichts verwiesen, die sich der Senat zu eigen macht und die keiner Ergänzung bedarf.

Nach alledem kann von einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Patentansprüche 1 der Klagepatente durch die mit der Klage angegriffenen Handlungsweisen der Beklagten keine Rede sein.

Auch die Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen nicht vor, da eine Vielzahl von Einzelschrauben unterschiedlichen Durchmessers, aber gleicher Gewindesteigung, aus der der Abnehmer auswählen kann, nicht gleichwirkend und gleichwertig zu einem erfindungsgemäßen Satz von Schrauben ist, also von Schrauben, die bereits im Sinne der hier in Rede stehenden Erfindung funktional aufeinander abgestimmt und zusammengefasst sind.

Das Klagebegehren der Klägerin findet schließlich auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der mittelbaren Patentverletzung keine Grundlage. Dies hat das Landgericht auf Seite 20 des angefochtenen Urteils im einzelnen zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen kann daher verwiesen werden.

3.
Nach alledem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen, so dass die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht ersichtlich ist, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

R1 R2 R4