2 U 80/04 – Beschneiden von mehrlagigen Druckprodukten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 468

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. Oktober 2005, Az. 2 U 80/04

[Beachten Sie bitte den Berichtigungsbeschluss!]

I.
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 19. August 2004 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts E abgeändert.
Die einstweilige Verfügung vom 11. Mai 2004 wird hinsichtlich des Ausspruches zu I.1. aufgehoben; insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die im ersten Rechtszug bis zum Erlass des Urteils vom 19. August 2004 (einschließlich) entstandenen Kosten werden den Parteien zu je ½ auferlegt.
III.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 250.000 €.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin u.a. des europäischen Patents 0 367 xxx (i.f.: Verfügungspatent), das auf einer am 29. September 1989 unter Inanspruchnahme einer schweizerischen Priorität vom 31. Oktober 1988 eingegangenen und am 9. Mai 1990 offengelegten Anmeldung beruht. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 17. März 1993.
Anspruch 1 (von 20 Ansprüchen) des Verfügungspatents in seiner erteilten Fassung lautete:
Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante (4) zueinander in Anlage gebracht werden,
dadurch gekennzeichnet,
dass der erste Messerteil und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (5, 14, 15, 16, 18, 19) vorbeigeführt werden, um mit diesem in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante beschnitten wird.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1a, 1b, 2 und 11 aus der Verfügungspatentschrift zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung:

Auf eine Nichtigkeitsklage der Mü. M. I AG hin hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 23. März 2005 den deutschen Teil des Verfügungspatents dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es die Patentansprüche 1 und 9 neu gefasst hat. Danach lautet Anspruch 1 des Verfügungspatents wie folgt:
Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt sowie mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante (4) zueinander in Anlage gebracht werden,
dadurch gekennzeichnet,
dass je ein erster Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an je einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (14, 15, 18, 19) für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt vorbeigeführt werden, und dass ein erster Messerteil für den Oberkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest in Förderrichtung getrennt von den Messerteilen für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt gelagerten Messerteil (16, 24) für den Oberkantenschnitt vorbeigeführt werden, um mit diesen jeweils in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt entlang drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten wird.
Gegen das genannte Urteil des Bundespatentgerichts vom 23. März 2005 hat die Mü. M. I AG Berufung zum Bundesgerichtshof eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Außerdem hat die Antragsgegnerin dieses Verfahrens inzwischen ihrerseits Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Verfügungspatents erhoben, über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat.
Die Antragsgegnerin stellte auf der Düsseldorfer Messe „drupa“ im Mai 2004 eine Maschine mit der Bezeichnung „N“ zum dreiseitigen Beschneiden von Druckprodukten aus.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht:
Die angegriffene Maschine der Antragsgegnerin übe sowohl das durch das Verfügungspatent 0 367 xxx geschützte Verfahren als auch ein weiteres Verfahren aus, das zu ihren – der Antragstellerin – Gunsten durch das europäische Patent 0 481 xxx geschützt sei; die Antragsgegnerin verletze daher beide – rechtsbeständigen – Patente.
Die Antragstellerin hat am 11. Mai 2004 einen Beschluss des Landgerichts erwirkt, mit welchem dieses der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel u.a. (Ausspruch zu I.1.) untersagt hat,
im räumlichen Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 367 xxx Vorrichtungen zur Durchführung eines Verfahrens anzubieten oder zu liefern oder ein Verfahren zu gebrauchen,
wenn dieses folgendes umfasst:
Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten in einem Durchlaufprozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten gemeinsam mindestens ein erster Messerteil zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil und das zugehörige Druckprodukt mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante zueinander in Anlage gebracht werden, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Messerteil und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil vorbeigeführt werden, um mit diesem im Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante beschnitten wird.

Unter I.2. desselben Beschlusses hat das Landgericht weitere, auf das europäische Patent 0 481 xxx gestützte Verbote gegen die Antragsgegnerin erlassen.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Ausspruch zu I. 1. der einstweiligen Verfügung Widerspruch erhoben und geltend gemacht:
Die angegriffene Vorrichtung übe nicht das durch das Verfügungspatent 0 367 xxx geschützte Verfahren aus; im übrigen sei das genannte Verfügungspatent angesichts des Standes der Technik an seinem Prioritätstage nicht rechtsbeständig und werde daher auf die erhobene Nichtigkeitsklage hin für nichtig erklärt werden.
Die Antragstellerin hat um Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung gebeten und ist dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegengetreten.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 11. Mai 2004 hinsichtlich ihres Ausspruches zu I.1. aufrechterhalten. Auf das Urteil vom 19. August 2004 wird Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich des Ausspruches zu I.1. und nach Zurückweisung des auf den Erlass dieses Ausspruches gerichteten Antrages weiterverfolgt, während die Antragstellerin um Zurückweisung des Rechtsmittels mit der Maßgabe bittet, dass Ziffer I.1. der einstweiligen Verfügung wie folgt formuliert werden möge:
Im räumlichen Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 367 xxx Vorrichtungen zur Durchführung eines Verfahrens anzubieten oder zu liefern oder ein Verfahren zu gebR.chen,
wenn dieses folgendes umfasst:
Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten gemeinsam mindestens ein erster Messerteil zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil und das zugehörige Druckprodukt mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante zueinander in Anlage gebracht werden, dadurch gekennzeichnet, dass je ein erster Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an je einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt vorbeigeführt werden, und dass ein erster Messerteil für den Oberkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest in Förderrichtung getrennt von den Messerteilen für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt gelagerten Messerteil für den Oberkantenschnitt vorbeigeführt werden, um mit diesem jeweils in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt entlang drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten wird.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen, wobei die Antragsgegnerin zusätzlich geltend macht, auch mit den eingeschränkten Ansprüchen 1 und 9 werde sich das Verfügungspatent als nicht rechtsbeständig erweisen, weil seine M durch die vom Bundespatentgericht noch nicht berücksichtigte DD-PS 112 xxx neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber nahegelegt sei.
Die Antragstellerin tritt dem entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.
Die Berufung ist nicht begründet.
Unabhängig von der Frage, ob die angegriffene Maschine der Antragsgegnerin ein Verfahren ausübt, das alle Merkmale des Anspruches 1 des Verfügungspatents verwirklicht, kann die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung (Ausspruch zu I.1.) jedenfalls deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil der Rechtsbestand des Verfügungspatents zu unsicher ist und es deshalb an einem Verfügungsgrund fehlt (vgl. dazu Busse/Keukenschrijver, PatG, § 143 Rdnr. 328; Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl., § 139 Rdnr. 153 b; Schulte/Kühnen, PatG, 7. Aufl., § 139 Rdnr. 301 und 303).

1.
Das Verfügungspatent betrifft ein Verfahren zum Beschneiden von mehrlagigen Druckprodukten, die bei der industriellen Fließfertigung in der Regel in der Form eines sogenannten Schuppenstromes von der Rotationspresse weggefördert werden und die dann auf mindestens einer, meist jedoch auf drei Seiten beschnitten werden müssen.
Die Verfügungspatentschrift nennt verschiedene bekannte Schneidvorrichtungen, und zwar zunächst eine solche, bei der die in Form eines Schuppenstromes anfallenden Papierbögen auf einem ebenen Förderband gegen ein oder mehrere rotierende Schneidmesser transportiert und von diesen seitlich beschnitten werden. Sie kritisiert an dieser Vorrichtung, es sei schwierig und aufwendig, die einzelnen Produkte im Schuppenstrom genau auszurichten; der bei einem Schuppenstrom entstehende HohlR.m zwischen den einzelnen Produkten und der Unterlage führe vor allem bei dickerem Schneidgut zu einem Einreißen der Schneidkanten, insbesondere der ersten Blätter, und zu unregelmäßigen Schneidspuren. Wenn die Produkte nicht nur auf den zur Förderrichtung parallelen Seiten beschnitten werden sollten, müsse der Schuppenstrom um 90 % umgelenkt oder müssten die Druckprodukte einzeln gedreht werden, was einer optimalen räumlichen Anordnung der G-Straße entgegenstehe und technisch aufwendig sei.
Zur Vermeidung dieser Nachteile sei von der Anmelderin des Verfügungspatents bereits eine Lösung vorgeschlagen worden, bei der die Druckprodukte in einem rotierenden Zellenrad, dessen einzelne Zellen jeweils ein Druckprodukt aufnähmen, einzeln beschnitten würden, und zwar von über gemeinsame Steuerkurven betätigbaren beweglichen Messern und mit diesen zusammenwirkenden Gegenmessern. An dieser Vorrichtung kritisiert die Verfügungspatentschrift, sie sei verhältnismäßig kompliziert in der Konstruktion und dementsprechend aufwendig im Unterhalt.
Sie hebt im übrigen hervor, bei keinem der bekannten Schneidverfahren für dynamische Hochleistungsprozesse würden solche Schnittqualitäten erzielt wie in statischen oder alternierenden Verarbeitungsprozessen.
Die Verfügungspatentschrift bezeichnet es dann als Aufgabe der Erfindung, ausgehend von der zuletzt genannten Vorrichtung der Patentanmelderin ein zuverlässiges und präzises Verfahren sowie eine einfache, wartungsfreundliche und kostengünstige Vorrichtung zu schaffen, mit welchen ein hochqualitatives Beschneiden von mehrlagigen Druckprodukten in einem kontinuierlichen Durchlaufprozess ermöglicht werde.
Das so bezeichnete technische Problem soll nach den Ausführungen der Verfügungspatentschrift dadurch gelöst werden, dass die herkömmliche Einheit von einander paarweise und fest zugeordneten Messern und Gegenmessern aufgelöst und die beiden Messer unabhängig voneinander angeordnet und bewegt würden, wobei der eine Messerteil relativ zum Schneidgut fest sei und die beiden Messerteile jeweils nur vorübergehend in einen definierten Schneideingriff gebracht würden.
Anspruch 1 des Verfügungspatents in der Fassung, die er durch das Urteil des Bundespatentgerichts vom 23. März 2005 erhalten hat, lässt sich wie folgt merkmalsmäßig aufgliedern

1.
Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlaufprozess.
2.
Jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam wird mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet.
3.
Der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) werden
a) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt sowie

b) entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante zueinander
in Anlage gebracht.
– Oberbegriff –
4.
Es werden
a) je ein erster Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkanten-
schnitt und
b) das dazugehörige Druckprodukt
vorbeigeführt an
c) je einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (14, 15, 18, 19)
für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt,
um mit diesen jeweils in Schneideingriff gebracht zu werden.
5.
Es werden
a) ein erster Messerteil für den Oberkantenschnitt und

b) das dazugehörige Druckprodukt

vorbeigeführt an

c) einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil für den Ober-
kantenschnitt,

um mit diesem in Schneideingriff gebracht zu werden.
6.
Der zweite ortsfest gelagerte Messerteil (16, 24) für den Oberkantenschnitt ist in Förderrichtung getrennt von den Messerteilen für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt gelagert.
7.
Das Druckprodukt wird so entlang drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten.
– kennzeichnender Teil –

2.
Ob diese Lösung patentfähig ist, d.h. ob sie gegenüber dem Stand der Technik am Prioritätstage des Verfügungspatents nicht nur neu war, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte (Art. 52 Abs. 1 EPÜ) – letzteres wäre nicht der Fall, wenn sich die genannte Lösung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hätte, vgl. Art. 56 EPÜ -, erscheint dem Senat zweifelhaft.
Das mit sachkundigen Mitgliedern besetzte Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 23. März 2005 angenommen, das im erteilen Anspruch 1 beschriebene Verfahren und die im erteilten Anspruch 9 beschriebene Vorrichtung – die im wesentlichen die in der Beschreibung des Verfügungspatents als „grundsätzlich neuen Weg“ hervorgehobene Auflösung der Einheit Messer/Gegenmesser und eine Arbeitsweise betrafen, bei welcher ein Messerteil ortsfest gelagert (wenn auch nicht notwendig unbeweglich) sein und der andere zusammen mit den Druckprodukten zum Zwecke des Schneidens an diesem vorbeigeführt werden sollte – seien am Prioritätstage des Verfügungspatentes nicht mehr neu gewesen, da ein solches Verfahren und eine solche Vorrichtung bereits in der DE-OS 34 #### (von der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren als Anlage Ag 6 überreicht) gezeigt seien. Bei der dort beschriebenen Vorrichtung werden die Druckprodukte („Signaturen“) gleichzeitig auf drei Seiten beschnitten.
Das Bundespatentgericht hat die – im Nichtigkeitsverfahren mit einem Hilfsantrag geltend gemachten – Ansprüche 1 und 9 des Verfügungspatents in der jetzigen Fassung deshalb für patentfähig gehalten, weil die DE-OS 34 #### ein Verfahren und eine Vorrichtung, bei denen der sogenannte Vorder- und Hinterkantenschnitt einerseits sowie der sogenannte Oberkantenschnitt andererseits getrennt voneinander vorgenommen würden, weder offenbarten noch nahelegten; die genannte Druckschrift bezeichne es nämlich ausdrücklich als vorteilhaft, wenn „sämtliche zu trimmenden Ränder der Signatur gleichzeitig beschnitten“ würden.
In seinem Urteil vom 23. März 2005 ist das Bundespatentgericht auf die DD-PS 112 xxx (Anlage N 5 zu der als Anlage Ag 18 vorgelegten Nichtigkeitsklage der Antragsgegnerin dieses Verfahrens vom 13. April 2005) nicht eingegangen, weil diese Druckschrift bis zu dem genannten Urteil des Bundespatentgerichts dem Verfügungspatent noch nicht entgegengehalten worden war.
Nachstehend werden die Figuren 1 und 2 dieser Druckschrift wiedergegeben, wobei die linke Seite der Figur 2 eine Ausgestaltung zeigt, bei der die Druckprodukte durch eine aus zwei Messerteilen (13 und 43) bestehende Einrichtung geschnitten werden. Die rechte – hier nicht interessierende – Seite der Figur 2 zeigt eine andere Ausgestaltung, bei der ein (einziges) Messer (13) gegen eine Schneidleiste (44) schneidet.

Zieht man auch die zuletzt genannte Patentschrift (die am 12. April 1975 ausgegeben worden ist) in Betracht, so erscheint es jedenfalls zweifelhaft, ob die Patentfähigkeit der Erfindung gemäß den jetzigen Ansprüchen 1 und 9 des Verfügungspatents bejaht werden kann.
Die DD-PS 112 xxx zeigt eine Vorrichtung zum Beschneiden von Druckprodukten (1), die kontinuierlich zugeführt und dann zuerst auf zwei Seiten sowie anschließend auf einer dritten Seite beschnitten werden. Dabei werden die Druckprodukte zuerst in einer ersten Schneidstation (3a) zusammen mit ersten Messerteilen (Halter 42 mit daran befestigen Untermessern 43) in den Bereich zweier an Lenkern (14) ortsfest gelagerter zweiter Messerteile (13) geführt, die gleichzeitig eine Schwingbewegung nach unten machen, um so jeweils in Schneideingriff mit den ersten Messerteilen zu gelangen und das Druckprodukt auf zwei Seiten zu beschneiden (nach der Terminologie des Verfügungspatents also einen Vorder- und Hinterkantenschnitt durchzuführen); bei ihrem (kontinuierlichen) Weitertransport gelangen die Druckprodukte anschließend in eine zweite, gleichartig gestaltete Schneidstation (3b), wobei sie im Bereich zwischen den beiden Schneidstationen mit Hilfe eines in einer Steuerkurve (39, 40) geführten Drehhebels (36, 37, 38) um 90° gedreht werden. In der zweiten Schneidstation wird – auf dieselbe Weise wie in der ersten Schneidstation – die dritte Seite der Druckprodukte beschnitten (nach der Terminologie des Verfügungspatents also der Oberkantenschnitt durchgeführt).
Auch wenn man mit der Antragstellerin annehmen will, das von der Vorrichtung nach der DD-PS 112 xxx ausgeführte Verfahren entspreche nicht dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Verfügungspatents in seiner Fassung gemäß dem Urteil des Bundespatentgerichts vom 23. März 2005, weil die zweiten Messerteile (13) erst durch eine Bewegung der Lenker (14) in den Bereich der Druckprodukte gebracht werden müssten und deshalb nicht davon gesprochen werden könne, die ersten Messerteile und die dazugehörigen Druckprodukte würden an „ortsfest gelagerten“ zweiten Messerteilen zur Herstellung des Schneideingriffs „vorbeigeführt“, so wird dem Durchschnittsfachmann durch die genannte Druckschrift doch nahegelegt, nicht nur im Augenblick des Schneidens die Druckprodukte zusammen mit einem ersten Messerteil in den Bereich zweiter Messerteile zu bewegen, sondern auch, den Vorder- und Hintenkantenschnitt einerseits sowie den Oberkantenschnitt andererseits in hintereinanderliegenden, praktisch in gleicher Weise arbeitenden Schneidstationen auszuführen. Wenn ein Durchschnittsfachmann das von der DE-OS 34 #### gelehrte – hinsichtlich der Auflösung der Einheit Messer/Gegenmesser dem Verfahren nach dem Verfügungspatent entsprechende – Verfahren (mit einem gleichzeitigen Beschnitt der Druckprodukte auf drei Seiten) so modifizieren will, dass man auch große N2 von kontinuierlich zugeführten Druckprodukten ordnungsgemäß beschneiden kann, was bei einem gleichzeitigen Beschneiden auf drei Seiten kaum möglich ist, so wird er auch die DD-PS 112 xxx in Betracht ziehen, die ihm die Anregung gibt, zwei hintereinanderliegende Schneidstationen vorzusehen.
Es spricht deshalb viel dafür, dass, wenn nicht der deutsche Teil des Verfügungspatents im weiteren Verlauf eines der beiden anhängigen Nichtigkeitsverfahren vollständig für nichtig erklärt werden wird, jedenfalls seine Ansprüche entsprechend der konkreten Ausgestaltung der in der Verfügungspatentschrift dargestellten Vorrichtungen enger gefasst werden. Ob dann die angegriffene Ausführungsform noch unter die M des Verfügungspatents fiele, ist zur Zeit völlig offen.
Der Senat würde daher, wenn es sich vorliegend um ein Hauptsacheverfahren handeln würde, die Verhandlung gemäß § 148 ZPO aussetzen, bis zumindest eine auch die DD-PS 112 xxx mitberücksichtigende Entscheidung in einem der Nichtigkeitsverfahren gefallen wäre.
Da eine solche Aussetzung mit dem Wesen des Verfahrens der einstweiligen Verfügung als eines Eilverfahrens nicht vereinbar ist, also nicht in Betracht kommt, führen die dargelegten Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents dazu, dass das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu verneinen ist, weil dem Interesse der Antragsgegnerin, nicht aus einem Patent in Anspruch genommen zu werden, das sich später möglicherweise als nicht rechtsbeständig erweisen wird, der Vorzug zu geben ist vor dem Interesse der Antragstellerin, bereits im Eilverfahren ein auf das Verfügungspatent gestütztes Verbot zu erlangen.
Mangels eines Verfügungsgrundes konnte daher die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung, soweit sie auf dem europäischen Patent 0 367 xxx beruhte, nicht aufrechterhalten werden.
3.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die Kosten des ersten Rechtszuges auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war nicht zu treffen, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung einem Rechtsmittel nicht mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und daher ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar ist.

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