4a O 372/06 – Schneidwerkzeuge für endoskopische Geräte III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 644

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Dezember 2007, Az. 4a O 372/06

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
Vorrichtungen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den vorgenannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen Handstückes einführbar ist, und einer Einrasteinrichtung mit einem federnden Element, das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche des chirurgischen Handstückes innerhalb der Bohrung verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei der Körper als Nabe eines chirurgischen Instrumentes ausgestaltet ist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element, das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes erstreckt, einem inneren Element, welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element rotierbar ist, und einer Antriebswelle, die mit dem inneren Element zwecks Rotieren desselben verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass das federnde Element einen einseitig befestigten Arm umfasst und die Einrasteinrichtung weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm angebracht ist,
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 09.04.2000 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnugnen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I.1. genannten Vorrichtungen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-, Lieferscheine und Rechnungen vorzulegen haben, und
wobei den Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr und der A & B Inc., Memphis, Tennessee, USA, durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 09.04.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 EUR. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, un bedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Eu ropäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Spar- kasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 0 866 xxx B1 (Klagepatent) sowie dem parallelen deutschen Gebrauchsmuster 296 23 xxx (Klagegebrauchsmuster) und als Abtretungsempfängerin die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Das Klagepatent wurde am 31.10.1996 unter Inanspruchnahme zweier US-Prioritäten vom 31.10.1995 und vom 10.04.1996 angemeldet und die Anmeldung am 30.09.1998 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 14.01.2004 und die deutsche Übersetzung der Patentschrift am 02.12.2004 veröffentlicht. Die Ansprüche 1 und 13 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, haben in der veröffentlichten deutschen Übersetzung der ursprünglich erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Vorrichtung mit
einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110) eines chirurgischen Handstückes (100) einführbar ist und
einer Einrasteinrichtung (310) mit einem federnden Element (315), das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur (330) aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche (620) des chirurgischen Handstückes (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei
das federnde Element einen einseitig befestigten Arm (315) umfasst und
die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil (325) aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm (315) angebracht ist.
13. Nabe (329) eines chirurgischen Instrumentes (300), die die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 aufweist und ferner versehen ist mit
einem äußeren Element (370), das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes (370) erstreckt,
einem inneren Element (375), welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element (375) innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar ist und
einer Antriebswelle (350), die mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren desselben verbunden ist.

Die Ansprüche 1 und 13 aus dem parallelen Klagegebrauchsmuster, das am 31.10.1996 angemeldet, am 03.02.2000 eingetragen, am 09.03.2000 im Patentblatt bekannt gemacht wurde und am 31.10.2006 durch Zeitablauf erloschen ist, haben denselben Wortlaut.

Gegen das Klagepatent wurde Einspruch beim Europäischen Patentamt (EPA) erhoben. Daraufhin hat die Einspruchsabteilung des EPA mit Entscheidung vom 04.12.2006 das Klagepatent mit einer geänderten Beschreibung und mit einem gegenüber dem erteilten Patenanspruch 1 geänderten Patentanspruch 1, der nunmehr die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 13 enthält, aufrechterhalten. Wegen der geänderten Patentbeschreibung und des geänderten Patentanspruchs 1 wird auf die Anlage K12 Bezug genommen. Sowohl die Klägerin als auch die Einspruchsführerin haben gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt. Der Wortlaut des geänderten Klagepatentanspruchs 1 lautet:
1. Vorrichtung mit
einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110) eines chirurgischen Handstückes (100) einführbar ist und
einer Einrasteinrichtung (310) mit einem federnden Element (315), das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur (330) aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche (620) des chirurgischen Handstückes (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff bringbar ist,
wobei der Körper als Nabe (329) eines chirurgischen Instrumentes ausgestaltet ist und ferner versehen ist mit
einem äußeren Element (370), das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes (370) erstreckt,
einem inneren Element (375), welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element (375) innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar ist, und
einer Antriebswelle (350), die mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren desselben verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass das federnde Element einen einseitig befestigten Arm (315) umfasst und die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil (325) aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm (315) angebracht ist.

Nachfolgend abgebildet sind schematische Darstellungen erfindungsgemäßer Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt eine perspektivische Ansicht eines Handstücks, an dem ein chirurgisches Instrument im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre, wie es in Figur 6A dargestellt ist, angebracht werden kann. Die Figuren 6A und 6B zeigen perspektivisch Nabe und Antriebswelle eines chirurgischen Instruments und Figur 6C die entsprechende Seitenansicht. Die Figur 7B zeigt im Schnitt die Verbindung von einem Handstück nach Figur 1 und einer Nabe und Antriebswelle nach den Figuren 6A bis 6C. Die Figuren 8A bis 8D zeigen den Einrastmechanismus im Detail. Wegen der weiteren Abbildungen aus den Klagepatent- und Gebrauchsmusterschriften wird auf die Anlagen K4 und K5 Bezug genommen.

Die A & B, Inc. war während der gesamten Schutzdauer eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters. Sie ist auch eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Seit dem 25. Mai 2004 ist die Klägerin Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an beiden Schutzrechten. Mit Vereinbarung vom 13.11.2006 trat die A & B, Inc. der Klägerin alle Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft, Schadensersatz und Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ab, die durch die Herstellung und den Vertrieb von Schneidwerkzeugen für endoskopische Geräte durch die Beklagte zu 1) in Deutschland vor dem Abschluss des Lizenzvertrages zwischen der Klägerin und der A & B, Inc. im Mai 2005 entstanden sind.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, vertreibt chirurgische Schneidwerkzeuge, die auch als Klingen für „Shaver-Systeme“ und nachfolgend als angegriffene Ausführungsform bezeichnet werden. Die beiden nachstehenden Abbildungen zeigen ein Muster einer angegriffenen Ausführungsform und eine schematische Darstellung ihrer Einrasteinrichtung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.02.2006 forderte die Klägerin die Beklagten auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen, Rechnung zu legen und die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Daraufhin verpflichtete sich die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin mit Erklärung vom 03.03.2006, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 20.000,00 EUR zu unterlassen, Vorrichtungen anzubieten, in den Verkehr zu bringen, oder zu den vorgenannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die mit dem von der Firma A & B GmbH vertriebenen Antriebsgerät kompatibel sind und im Übrigen der Anspruchskombination der Ansprüche 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters und des ursprünglichen Klagepatents entsprechen. Wegen des genauen Inhalts der Verpflichtungserklärung wird auf die Kopie derselben (Anlage K8) Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2006 wies die Klägerin die Beklagten darauf hin, dass die von der Beklagten zu 1) abgegebene Verpflichtungserklärung unzureichend sei. Sie setzte ohne Erfolg eine Nachfrist.

Die Klägerin ist der Ansicht, durch die von der Beklagten zu 1) vertriebenen Schneidwerkzeuge werde das Klagepatent in wortsinngemäßer Weise verletzt.

Die Klägerin beantragt,

– wie erkannt –

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent EP 0 866 xxx (96937892.6) eingelegten Einspruch vom 13. Oktober 2004 (Az. 0 866 xxx / T 0413/07 – 3202) auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagten meinen, die geltend gemachte Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters sei nicht schutzfähig, da der Gegenstand der technischen Lehre weder neu sei, noch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Aus diesem Grund werde sich auch das Klagepatent nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA nicht als rechtsbeständig erweisen. Im Übrigen mache die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre der beiden geltend gemachten Schutzrechte keinen Gebrauch. Ein erfindungsgemäßes „federndes Element“ sei nicht vorhanden, sondern lediglich ein federbeaufschlagtes Verriegelungselement. Zudem sei dieses Element entgegen der technischen Lehre der beiden Schutzrechte nicht einstückig mit dem Körper der angegriffenen Ausführungsform verbunden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft und Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG und §§ 24 Abs. 2, 24b GebrMG, § 242 BGB. Die Klägerin ist aktivlegitimiert (I.). Die geltend gemachte Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters ist schutzfähig (III.). Zudem wird die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 in seiner geänderten Fassung und die Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters durch die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß verwirklicht (IV.), so dass die Klägerin Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft und Schadensersatz verlangen kann (V.). Einer Aussetzung der Verhandlung bedurfte es hingegen nicht (VI.).

I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist zwar weder als Inhaberin des Klagepatents noch des Gebrauchsmusters im Register eingetragen. Sie ist aber seit dem 25.05.2004 Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an beiden Schutzrechten und kann als solche die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch nehmen. Zudem trat die A & B, Inc. der Klägerin mit Vereinbarung vom 13.11.2006 ihre Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft und Schadensersatz gegen die Beklagten aus der Herstellung und dem Vertrieb von Schneidwerkzeugen für endoskopische Geräte durch die Beklagte zu 1) ab.

II.
Das Klagegebrauchsmuster und das Klagepatent schützen in der Anspruchskombination 1 und 13 bzw. in dem geänderten Klagepatentanspruch 1 eine Vorrichtung an einem chirurgischen Instrument, mit der das in ein Handstück eingesetzte Instrument manipuliert werden kann.

In der Beschreibung beider Klageschutzrechte wird zum Stand der Technik ausgeführt, dass ein chirurgisches Gerät üblicherweise in eine Bohrung des Handgriffs eingesetzt ist. Es befindet sich dort in Eingriff aufgrund des Zusammenwirkens von federbeaufschlagten Kugelsperren in der Bohrung mit einer Nut um den Umfang des chirurgischen Gerätes.
Bekannt war auch die Verwendung von Adaptern, um den Gebrauch chirurgischer Geräte, die nicht zur Benutzung für ein bestimmtes Handstück ausgestaltet waren, mit eben solchen Handstücken zu ermöglichen. Die Klageschutzrechte benennen insofern beispielhaft das US-Patent 4 705 038, das ein mit einem Motor versehenes Handstück für den Betrieb eines Satzes von unterschiedlichen chirurgischen Geräten zum Gegenstand hatte. Das System wies Adapter auf, die es ermöglichten, chirurgische Geräte mit unterschiedlich großen Naben in Verbindung mit einem einzigen Handstück zu benutzen.
Das Klagepatent kritisiert daran, dass das Verbinden und Lösen der Nabe und des Instrumentes von dem Handstück während endoskopischer Operationen ermüdend und zeitaufwändig ist. Ein Benutzer muss das Handstück in einer Hand halten und die Nabe so ausrichten, dass der an ihrer Außenseite angebrachte Keil in den korrespondierenden Schlitz in der Bohrung des Handstückes eingesetzt werden kann.

Die Klageschutzrechte beschreiben es vor diesem Hintergrund als Aufgabe, das Manipulieren von chirurgischen Handstücken und darin eingesetzter Instrumente so leicht und problemfrei wie möglich zu machen. Dies soll durch die Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters beziehungsweise durch den geänderten Anspruch 1 des Klagepatents geschehen, der folgende Merkmale aufweist:

1. Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110) eines chirurgischen Handstückes einführbar ist
2. die Vorrichtung weist eine Einrasteinrichtung (310) auf
a) die Einrasteinrichtung besitzt
aa) ein federndes Element (315)
bb) ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil (325)
b) das federnde Element (315)
aa) ist mit dem Körper verbunden
bb) weist eine Einrastklinken-Struktur (330) auf und
cc) umfasst einen einseitig befestigten Arm (315)
c) die Einrastklinkenstruktur ist so ausgebildet, dass sie mit einer Fläche (620) des chirurgischen Handstückes (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff bringbar ist
d) das manipulierbare Freigabeteil ist an dem einseitig befestigten Arm (315) angebracht;
3. der Körper ist als Nabe (329) eines chirurgischen Instrumentes ausgestaltet
a) die Nabe ist versehen mit
aa) einem äußeren Element (370),
bb) einem inneren Element (375) und
cc) einer Antriebswelle (350);
b) das äußere Element (370)
aa) ist mit dem Körper verbunden und
bb) erstreckt sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes (370);
c) das innere Element (375)
aa) weist an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden auf,
bb) ist innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und
cc) ist gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar;
d) die Antriebswelle (350) ist mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren desselben verbunden;

Die Beschreibungen beider Schutzrechte sehen den Vorteil der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik darin, dass der Körper der Vorrichtung in und außer Eingriff mit dem chirurgischen Handstück gebracht werden kann, ohne dass das Handstück manipuliert werden muss. Daher benötigt das Handstück, das selbst nicht Gegenstand der Erfindung ist, keine bewegbaren Teile für den Eingriff mit chirurgischen Geräten.

III.
Das Klagegebrauchsmuster entfaltete bis zum Zeitpunkt seiner Löschung Gebrauchsmusterschutz im Sinne von § 11 GebrMG. Ein Anspruch auf Löschung im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG bestand nicht.

1. Der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Anspruchskombination hat als neu im Sinne von §§ 1, 3 Abs. 1 GebrMG zu gelten. Er wurde nicht durch die Druckschriften, welche bereits Gegenstand des Prüfungsverfahrens zum Klagepatent waren (K6, B9-B13) oder in dem gegen das Klagepatent gerichteten Einspruchsverfahren vor dem EPA (B3-B8; B20-B27) vorgelegt wurden, vorweggenommen.

a) Bei der in der Klagegebrauchsmusterschrift zitierten US-A-4.705.038 (Anlage K6) handelt es sich um den nächstkommenden Stand der Technik. In dem gegen das Klagepatent gerichteten Einspruch hat die Einspruchsabteilung des EPA in seiner Entscheidung vom 04.12.2006 ausgeführt, der ursprüngliche Klagepatentanspruch 1 unterscheide sich von der US-4.705.038 dadurch, dass diese keinen einseitig angebrachten Arm aufweise und dass die Einrastklinkenstruktur keinen vom Benutzer auslösbaren Freigabeteil habe, der auf dem einseitig angebrachten Arm angeordnet sei. Dies gilt im Hinblick auf die Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters in gleicher Weise, da die Merkmale 2b) cc) und 2d) in der Entgegenhaltung K6 nicht genannt werden. Vielmehr wird die Verriegelung von Handstück und chirurgischem Instrument wie folgt beschrieben: Das Handstück und das chirurgische Instrument sollen so ausgerichtet werden, dass jeweils der Keil („key“) am Handstück und der Schlitz („slot“) am Instrument zu sehen sind. Das chirurgische Instrument soll dann in das Handstück geschoben werden, so dass der Keil („key“) in den Schlitz („slot“) gelangt. Das Instrument soll schließlich in das Handstück gedrückt werden, bis ein „Klicken“ zu hören ist (Spalte 4 Zeilen 7 ff der Anlage K6). Diese Beschreibung enthält keinen Hinweis auf einen einseitig befestigen Arm mit einem vom Benutzer zu betätigenden Freigabeteil. Um das chirurgische Gerät vom Handstück trennen zu können, ist vielmehr der Keil selbst herunterzudrücken und das Gerät vom Handstück zu ziehen (Spalte 4 Zeilen 8-11 der Anlage K6). Ob dafür ein einseitig befestigter Arm mit einem manipulierbaren Freigabeteil erforderlich ist, wird nicht offenbart. Aus diesem Grund wird der Gegenstand der Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters auch nicht durch die EP 0 189 xxx B1 (Anlage B8) neuheitsschädlich vorweggenommen, die mit der K6 nahezu identisch ist und ebenfalls keinen Hinweis auf die Merkmale 2b) cc) und 2d) enthält.

b) Die Patentschrift US-A-3.072.938 (Anlage B3) betrifft eine elektrisch angetriebene Zahnbürste und insbesondere eine verbesserte Anordnung zum lösbaren Befestigen einer Zahnbürste an einer elektrisch betriebenen Einheit. Es ist unmittelbar erkennbar, dass die Merkmalsgruppen 1 und 3 der obigen Merkmalsanalyse nicht offenbart sind. Es fehlt an einer Nabe eines chirurgischen Instruments, dessen äußeres Element sich bis zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung erstreckt und dessen inneres Element an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist.

c) Die übrigen im Laufe des Einspruchsverfahrens vorgelegten Druckschriften, Werbeschriften und Bedienungsanweisungen nahmen den Gegenstand des Klagegebrauchsmusters im Sinne der geltend gemachten Anspruchskombination ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg. Diese Entgegenhaltungen (B4 bis B7, B9 bis B13, B20 bis B27) sind noch weiter vom Stand der Technik entfernt als die Anlagen K6 bzw. B8 und die Anlage B3. Die jeweiligen Merkmale der Klagepatentansprüche werden nicht neuheitsschädlich offenbart.

2. Die technische Lehre aus den in Kombination geltend gemachten Klagegebrauchsmusteransprüchen 1 und 13 beruht auf einem erfinderischen Schritt gegenüber dem von der Beklagten vorgebrachten Stand der Technik.

a) Der dem Klagegebrauchsmuster nächstkommende Stand der Technik findet sich in der US 4.705.038 (Anlage K6) beziehungsweise in der fast gleichlautenden EP 0 189 xxx B1 (Anlage B8), die ein motorbetriebenes chirurgisches System zum Gegenstand haben. Die beiden Druckschriften enthalten in ihrer Beschreibung unter anderem Ausführungen zu einer Verbindung von chirurgischem Instrument und Handstück mittels eines key-slot-Systems (Spalte 4 Zeilen 3 ff der Anlage K6 und Spalte 4 Zeile 8 ff der Anlage B8), ohne dass aber eine Einrasteinrichtung mit einem einseitig angebrachten Arm am federnden Element und ein vom Benutzer betätigbares, am einseitig angebrachten Arm angeordnetes Freigabeteil (Merkmale 2b) cc) und 2d) der Merkmalsanalyse) beschrieben wird.
Die erfindungsgemäße Einrasteinrichtung wird auch nicht durch die US 3.072.938 (Anlage B3) nahegelegt. Vielmehr bedurfte es eines erfinderischen Schritts, um von diesen beiden Druckschriften (Anlage K6 bzw. B8 und Anlage B3) zu der durch die Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters geschützten Lehre zu gelangen. Dabei sind an den erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 GebrMG keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die für den Patentschutz erforderliche „erfinderische Tätigkeit“ (BGH GRUR 2006, 842 – Demonstrationsschrank). Diese hat die Einspruchsabteilung des EPA in ihrer Entscheidung vom 04.12.2006 für das parallele Klagepatent, soweit es in der Kombination der ursprünglich erteilten Ansprüche 1 und 13 aufrechterhalten worden ist, bejaht.
Die Kammer schließt sich der von der sachkundig besetzten Einspruchsabteilung des EPA vertretenen Auffassung an, dass es einer erfinderischen Tätigkeit und damit eines erfinderischen Schritts bedurfte, um von den vorgenannten Entgegenhaltungen zum Gegenstand der Gebrauchsmusteransprüche 1 und 13 zu gelangen. Die Einspruchsabteilung des EPA hat zu der aus der US 3.072.938 (Anlage B3) bekannten elektrischen Zahnbürste ausgeführt, dass das dort vorhandene federnde Einrastelement („resilient cantilever member“ – Spalte 2 Zeilen 22 ff der Anlage B3) das sich bewegende Instrument (die Zahnbürste) mit einem motorbetriebenen Element in einem Handstück verbindet. Daraus folgert das EPA in seiner Entscheidung vom 04.12.2006, dass das Aufgreifen dieser Idee es dem Fachmann – im vorliegenden Fall einem Diplom-Ingenieur mit der Fachrichtung Medizintechnik und Kenntnissen im Maschinenbau – lediglich nahe legt, die von der elektrischen Zahnbürste bekannte Einrastklinke für die Drehverbindung zwischen dem proximalen Ende des inneren Elements und der Antriebswelle des Handstücks zu verwenden, nicht aber zur Abänderung der Anordnung aus Keil und Schlitz („key“ und „slot“) zwischen dem drehfesten rohrartigen Körper (12, 14 oder 16) und dem Handstück (10) aus der US 4.705.038 (Anlage K6) bzw. EP 0 189 xxx B1 (Anlage B8). Diese Wertung ist in sich nachvollziehbar und wurde bereits in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19.04.2007 (Anlage K15) nicht in Frage gestellt. Denn die in der US 3.072.938 (Anlage B3) offenbarte Verbindung dient in der Tat dazu, die im Handstück erzeugte rotatorische Bewegung auf den Zahnbürstenkopf zu übertragen. Für den Fachmann ist es nicht naheliegend, eine solche Verbindung für ein chirurgisches Instrument vorzusehen, das gerade auch gegen die Rotation eines mit der Antriebswelle verbundenen inneren Elements drehfest festgelegt werden soll.

b) Zu den weiteren im Einspruchsverfahren vorgelegten Druckschriften (Anlagen B4 bis B7) hat die Einspruchsabteilung zutreffend bemerkt, dass diese von einem Fachmann zur Gestaltung eines motorbetriebenen chirurgischen Systems, wie es in der US 4.705.038 (Anlage K6) beziehungsweise in der fast gleichlautenden EP 0 189 xxx B1 (Anlage B8) offenbart worden ist, nicht herangezogen würden. Denn jene Druckschriften beziehen sich auf die lösbare Verbindung von Kopf und Handgriff einer Zahnbürste (Anlage B4) und von Haushaltsgeräten mit einem entsprechenden Griff (Anlagen B5 bis B7).

c) Die bereits in der Klagepatent- und Klagegebrauchsmusterschrift erwähnten DE 33 41 876 C2 (Anlage B3), US 5.217.478 (Anlage B4), US 5.507.774 (Anlage B11), US 4.895.570 (Anlage B12) und US 5.492.527 (Anlage B13) legen es ebenfalls nicht nahe, eine Einrasteinrichtung mit einem manipulierbaren Freigabeteil und einem federnden Element mit einem einseitig befestigten Arm zu versehen, an dem das vom Benutzer manipulierbare Freigabeteil angebracht ist. Gleiches gilt für die weiteren Anlagen B20 bis B27. Auch diese enthalten keine Anregungen, aus denen der Fachmann eine Einrasteinrichtung im Sinne der Merkmalsgruppe 2 in naheliegender Weise herleiten würde. Denn diesen Entgegenhaltungen ist kein Hinweis auf die Merkmale 2b) cc) und 2d) zu entnehmen.

d) Schließlich hat die Einspruchsabteilung des EPA in ihrer Entscheidung vom 04.12.2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht deutlich wird, warum der Fachmann allein aufgrund seines Fachwissens zu der von der Anspruchskombination 1 und 13 beschriebenen Vorrichtung gelangen soll, wenn der nächst liegende Stand der Technik durch die US 3.072.938 beschrieben wird. Es ist nicht nachvollziehbar, was den Fachmann hätte veranlassen sollen, die aus der US 4.705.038 bzw. EP 0 189 xxx bekannte Verriegelungsvorrichtung mit dem in Merkmal 2b) cc) beschriebenen einseitig befestigten Arm und einem daran angebrachten manipulierbaren Freigabeteil im Sinne von Merkmal 2d) zu versehen.

e) Die Beklagten wenden dagegen ein, die Entscheidung der Einspruchabteilung sei widersprüchlich, weil die Entgegenhaltung der US 3.072.938 zunächst dazu geführt habe, den erfinderischen Schritt für die Lehre des ursprünglich erteilten Klagepatentanspruchs 1 zu verneinen, dann aber auf die Schutzfähigkeit des unter Einbeziehung des Unteranspruchs 13 geänderten Klagepatentanspruchs 1 keine Auswirkungen mehr gehabt habe.
Dieser Einwand greift nicht durch. Die bloße Verbindung von Körper und Handstück (Anspruch 1 des ursprünglich erteilten Klagepatents bzw. des eingetragenen Klagegebrauchsmusters) mittels einer Einrasteinrichtung war durch die US 3.072.938 nahe gelegt und ein erfinderischer Schritt daher zu verneinen. Diese Argumentation ist aber auf die nunmehr von der Klägerin geltend gemachte Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters nicht übertragbar und war auch ausweislich der Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich des geänderten Klagepatentanspruchs 1 bereits nicht mehr tragfähig. Wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung ausgeführt hat, würde der Fachmann lediglich in Betracht ziehen, die aus der US 3.072.938 bekannte Klinke zur Verbindung der Antriebswelle im Handstück mit dem inneren Element des chirurgischen Instruments zu verbinden, weil funktional das bewegliche Teil der US 3.072.938 – also der Zahnbürste – dem inneren Element im Sinne des Klagegebrauchsmusters entspricht. Dies sind die beweglichen Teile, die es mit dem elektrischen Antrieb im Handgriff zu verbinden gilt.

f) Die Beklagten tragen weiterhin vor, dass vor der Anmeldung des Klagepatents und damit auch vor dem für das Klagegebrauchsmuster maßgeblichen Anmeldetag Vorrichtungen bekannt gewesen seien, die Einrasteinrichtungen mit federnden Elementen enthielten. (Bl. 43 ff der Akte). So habe die Firma C einen Trokar mit einem federbeaufschlagten Rastmechanismus seit den frühen 90er Jahren verkauft. Seit Mitte der 80er Jahre habe die Firma D ein chirurgisches Instrument vertrieben, das über einen Handgriff verfügt habe, bei dem eine federbeaufschlagte Achse zum Einsatz gekommen sei. Sei der runde Auslöser niedergedrückt worden, habe man das Fingerteil aus dem Handgriff nehmen können. Die Firma F hingegen habe einen federbeaufschlagten Rastmechanismus benutzt, um ein Lichtleitkabel mit einer Optik – einem chirurgischen Instrument – zu verbinden. Schließlich habe die Firma E Medizintechnik GmbH am 12.04.1994 einen IST Trokar an einen Kunden geliefert, der über einen Handgriff mit einem federbeaufschlagten Freigabeteil verfügt habe.
Diese Einwendungen greifen nicht durch. Teilweise ist bereits nicht dargelegt, ab welchem genauen Zeitpunkt die Werkzeuge beworben, geliefert oder genutzt wurden (z.B. Firma C und Firma F). Es kann daher nicht beurteilt werden, ob diese mit Rast- oder Verriegelungsmechanismen versehenen Instrumente zum vorbekannten Stand der Technik gehörten. Aber auch sonst ist nicht dargelegt, dass diese Instrumente mit Verriegelungselementen oder Rasteinrichtungen ausgestattet waren, die ein federndes Element mit einem einseitigen Arm und einem daran befestigten, manipulierbaren Freigabeteil aufwiesen. Wie bereits dargestellt, waren federbeaufschlagte Verriegelungsmechanismen aus dem vorbekannten Stand der Technik durchaus bekannt. Dies waren die in den Beschreibungen der Klageschutzrechte erwähnten Kugelsperren und auch der aus Keil und Schlitz bestehende Verriegelungsmechanismus aus der US 4.705.038 (Anlage K6) bzw. EP 0 189 xxx (Anlage B8). Aus dem Stand der Technik erhielt der Fachmann aber keinen Hinweis, die Einrasteinrichtung mit einem federnden Element zu versehen, das (a) einen einseitig befestigten Arm mit (b) einem daran angebrachten, manipulierbaren Freigabeteil aufweist. Dass der Fachmann diesen Hinweis aufgrund der Kenntnis von Instrumenten, wie sie von den Beklagten angeführt werden, erhalten konnte, ist nicht dargelegt. Für keines dieser Instrumente ist eine Einrasteinrichtung im Sinne der Merkmalsgruppe 2 dargelegt worden.

IV.
1. Zwischen den Parteien ist streitig, inwiefern die angegriffene Ausführungsform eine Einrasteinrichtung mit einem federnden Element aufweist. Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform weise keine Einrasteinrichtung mit einem federnden Element auf, das mit dem Körper verbunden ist (Merkmale 2a) aa) und 2b) aa) der Merkmalsanalyse) und einen einseitig befestigten Arm umfasst (Merkmal 2b) cc) der Merkmalsanalyse).

a) Der Patentanspruch in der von der Einspruchsabteilung geänderten Fassung und die von der Klägerin geltend gemachte Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters machen zum federnden Element der Einrasteinrichtung nur folgende Aussagen:

a) Es ist mit dem Körper (Nabe) verbunden, Merkmal 2b) aa)
b) Es weist eine im Merkmal 2c) näher beschriebene Einrastklinkenstruktur auf, Merkmal 2b) bb).
c) Es umfasst einen einseitig befestigten Arm, auf dem ein vom Benutzer manipulierbares Freigabeteil angeordnet ist, Merkmal 2b) cc).

Über die Art und Weise, wie das federnde Element mit dem Körper (Nabe) verbunden ist, sagt Anspruch 1 nichts aus, auch nicht darüber, wie die Befestigung des Arms gestaltet ist, den das federnde Element „umfasst“. Es wird lediglich verlangt, dass die Befestigung des Arms „einseitig“ erfolgen soll. Dies gibt dem Fachmann den Hinweis, dass der Arm einerseits festliegen muss und auf der nicht befestigten Seite so beweglich sein muss, dass das Element die Funktionen erfüllen kann, die ihm aufgrund der Einrastklinkenstruktur und der Anbringung des Freigabeteils zugeschrieben werden. Einer materialeinheitlichen Verbindung oder Befestigung mit dem Körper oder gar einer einstückigen Gestaltung von federndem Element und Körper bedarf es dafür nicht. Wie die Verbindung mit dem Körper konstruktiv umgesetzt wird, bleibt dem Fachmann überlassen. Diese Auslegung wird durch die Unteransprüche 10 bis 12 der beiden Schutzrechte bestätigt. Denn dort wird eine materialeinheitliche, einstückige Gestaltung des Körpers einschließlich des federnden Elements aus einem geeigneten Kunststoff vorgeschlagen. Der Fachmann ist daran aber nicht gebunden, sondern kann die Verbindung auch anders herstellen. Die Unteransprüche 10 bis 12 sind insofern lediglich ein konstruktiver Vorschlag.

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Begriff „federndes Element“ nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass lediglich ein von sich aus federndes Element, nicht aber ein federbeaufschlagtes oder federgelagertes Element der technischen Lehre der beiden Klageschutzrechte entspricht. Die Bezeichnung eines Elements als „federnd“ wird vom Durchschnittsfachmann zunächst nur als Hinweis auf eine Funktion oder Wirkung eines Elements verstanden. Ein Element wird als „federnd“ bezeichnet, wenn es – durch welche Maßnahmen auch immer – dazu befähigt wird, bei einer Belastung nachzugeben und danach – d.h. nachdem die Belastung aufgehört hat – in die alte Lage zurückzukehren. Da aber jede Patent- und Gebrauchsmusterschrift ihr eigenes Lexikon darstellt, könnte es allenfalls sein, dass der Begriff „federndes Element“ im Rahmen der Klageschutzrechte in einer vom allgemeinen Begriffsverständnis abweichenden Bedeutung verwendet wird. Dies ist aber hier nicht der Fall.
Die maßgebliche englische Fassung der Klagepatentanspruchs 1 verwendet zwar den Begriff „resilient member“. Dies darf aber nicht einschränkend im Sinne einer bloßen Materialelastizität verstanden werden. Die deutsche Übersetzung mit „federndes Element“, die auch von der Anspruchskombination des Klagegebrauchsmusters verwendet wird, ist durchaus zutreffend. Der Beschreibung der Klageschutzrechte entnimmt der Durchschnittsfachmann keinen Hinweis in der Richtung, dass die erfindungsgemäße Lösung darauf Wert legt, die Wirkungen des federnden Elements durch ganz bestimmte Maßnahmen zu erreichen, etwa dergestalt, dass das Element ganz oder teilweise aus einem federnd-elastischem Material bestehen soll.
Lediglich den einleitenden Bemerkungen der Klageschutzrechte kann der Durchschnittsfachmann entnehmen, dass die im Stand der Technik bekannten federbeaufschlagten Kugelsperren abgelehnt werden. Der Grund liegt allerdings nicht im Prinzip der Federbeaufschlagung als solcher, sondern in der mangelhaften Handhabbarkeit der vorbekannten, mit federbeaufschlagten Kugelsperren arbeitenden chirurgischen Systeme, wie auch die Klagepatentschrift und die Gebrauchsmusterbeschreibung klarstellen (Absatz 1 letzter Satz der Anlage K5 bzw. S. 1, Z. 21 ff der Anlage K4). Nach dem bisherigen Stand der Technik bestand ein Bedürfnis, das Manipulieren von chirurgischen Handstücken und darin befindlichen Instrumenten so leicht und problemfrei wie möglich zu machen (Absatz 5 der Anlage K5 bzw. S. 2, Z. 1 ff der Anlage K4). Hingegen weisen die Ansprüche und Beschreibungen der Klageschutzrechte an keiner Stelle darauf hin, dass ein Element mit Federbeaufschlagung im Vergleich zu einem aus federnd-elastischem Material gebildeten einstückigen Element deswegen nachteilig sein kann, weil es zum Beispiel aufwändiger und teurer in der Herstellung ist.

c) Dass die Federbeaufschlagung als solche nicht als nachteilig angesehen wird, entnimmt der Durchschnittsfachmann überdies auch der Beschreibung der Figuren 11 A und 11 B (Absatz 75 der Anlage K5 bzw. S. 27 Zeilen 34 ff der Anlage K4), wonach ein Einrastmechanismus auch mit einem federbeaufschlagten Schieber versehen sein kann. Für den Fachmann ist zwar offensichtlich, dass dieses Beispiel keine unter den Anspruch 1 fallende Konstruktion ist, weil bereits ein einseitig befestigter Arm fehlt. Diesem Teil der Beschreibung ist aber zu entnehmen, dass die Beaufschlagung mit Hilfe einer Feder durchaus eine Maßnahme darstellen kann, um die erfindungsgemäß angestrebten Wirkungen eines federnden Elementes zu erzielen. Dagegen kann seitens der Beklagten nicht eingewandt werden, Inhalt und Bedeutung der Figuren 11 A und 11 B seien unklar. Der Fachmann, der sich mit der Verrastung von Körper (Nabe) und Handstück beschäftigt, erkennt unschwer, dass der Schieber (1100) den Bereich (1105) der Nabe (1110) umfasst (Figur 11 A und 11 B). Dabei wird er durch die zwischen Nabe (1110) und Schieber (1100) befindliche Feder (1115) von der Nabe weggedrückt, allerdings sorgen die an den Flanken des Schiebers befindlichen Vorsprünge für eine formschlüssige Verbindung mit der Nabe. Es ist ohne weiteres denkbar, dass eine Verrastung mit dem Handstück dadurch erfolgt, dass der auf dem Schieber befindliche Fortsatz in eine Aussparung in der Bohrung des Handstücks greift. Einsetzen und Auslösen der Nabe würden dann dadurch erfolgen, dass der Aufsatz des Schiebers entgegen der Federkraft radial zur Nabenmitte gedrückt wird.
In jedem Fall wird der Durchschnittsfachmann mit Blick auf die Figuren 11 A und 11 B und die zugehörige Beschreibung annehmen, dass die Begriffe „federndes Element“ bzw. „resilient member“ im Sinne eines verallgemeinernden Oberbegriffes gemeint sind und dass „federbeaufschlagte“ bzw. „spring-loaded“ Vorrichtungsteile spezielle Ausführungen „federnder Elemente“ im Sinne der hier geltend gemachten Ansprüche aus den Klageschutzrechten darstellen können. Dementsprechend findet sich der Begriff „spring-loaded“ bzw. „federbeaufschlagt“ auch in keinem der Unteransprüche mehr.

d) Der Einwand der Beklagten greift nicht durch, die Klageschutzrechte würden bewusst unterschiedliche Begriffe verwenden, nämlich „Federbeaufschlagung“ aus dem Stand der Technik und in Abgrenzung dazu „federndes Element“ als Begriff der erfindungsgemäßen Lehre. Denn die Klagepatentschrift erläutert in Absatz 2 (Anlage K5) die Merkmale des Oberbegriffs des Klagepatentanspruchs und nimmt dabei auch Bezug auf das federnde Element („resilient member“). Unmittelbar im Anschluss daran heißt es, eine solche Vorrichtung sei aus der US 4.705.038 bekannt (Absatz 3 der Anlage K5). Diese beschreibt aber die Verrastung mittels Keil („key“) und Schlitz („slot“), so dass dem Fachmann unmittelbar klar wird, dass der Keil so gelagert und ausgestaltet sein muss, dass er federnd nachgeben kann.

e) Nach alledem hat der Durchschnittsfachmann genügend Anlass, den Begriff „federndes Element“ in seiner allgemeinen Bedeutung zu verstehen und nicht nur eingeschränkt in Richtung einer Materialelastizität. Etwas anderes ergibt sich auch nicht zwingend aus den in den Druckschriften der Klageschutzrechte abgebildeten Figuren 6A bis 6C und 8A bis 8D. Diese beziehen sich lediglich auf bevorzugte Ausführungsformen, vermögen es aber nicht, zu einer einschränkenden Auslegung der technischen Lehre der Klageschutzrechte zu führen.

2. Vor diesem Hintergrund macht die angegriffene Ausführungsform von der erfindungsgemäßen Lehre des eingeschränkt aufrechterhaltenen Klagepatentanspruchs 1 und der Anspruchskombination 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch.

a) Wie auf den Anlagen K10 und K11 zu erkennen und zwischen den Parteien auch unstreitig ist, handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen Handstücks einführbar ist. Diese Vorrichtung weist auch eine in der schematischen Darstellung der Anlage K11 deutlich sichtbare Einrasteinrichtung auf. Diese besitzt ein „federndes Element“ im Sinne der soeben erläuterten technische Lehre der Klageschutzrechte. Das federnde Element ist mit dem Körper verbunden, weist eine Einrastklinkenstruktur auf und umfasst einen einseitig befestigten Arm. Denn der aus der Anlage K11 ersichtlich Arm ist lediglich an einem Ende mittels eines Splints mit dem Körper der Vorrichtung verbunden. Im Übrigen ist der Arm auf einer Spiralfeder gelagert. An der anderen Seite des Arms befindet sich eine Rastklinke. Wird die Nabe in die Bohrung des Handgriffs eingesetzt, wird dieses „federnde Element“ zunächst radial ausgelenkt und kehrt dann aus der Auslenkung in die Ausgangsposition zurück, so dass die Klinke mit der Fläche innerhalb der Bohrung des chirurgischen Handstücks verriegelnd in Einsatz kommt. Die Verrastung kann gelöst werden, indem der Arm durch Druck auf seinen oben befindlichen Aufsatz entgegen der Federkraft radial ausgelenkt und damit die Klinke außerhalb der Verriegelungsposition mit der Fläche innerhalb der Bohrung des Handstücks gebracht wird. Der Aufsatz auf dem federnd gelagerten Arm stellt das vom Benutzer manipulierbare Freigabeteil dar. Daher ist die Merkmalsgruppe 2 dem Wortsinne nach verwirklicht, da es weder eine materialeinheitliche (einstückige) Verbindung des federnden Elements mit dem Körper voraussetzt, noch eine Federbeaufschlagung („spring-loaded“) des Elements ausschließt.

b) Schließlich wird durch die angegriffene Ausführungsform auch die Merkmalsgruppe 3 wortsinngemäß verwirklicht. Dies ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Aus den Anlage K10 und K11 ist ersichtlich, dass der Körper der angegriffenen Ausführungsform als Nabe eines chirurgischen Instruments ausgestaltet ist, wobei die Nabe gemäß den Merkmalen 3a) bis 3d) mit einem äußeren Element, einem inneren Element und einer Antriebswelle versehen ist.

V.
1. Die Beklagten sind der Klägern im zuerkannten Umfang zur Unterlassung verpflichtet, weil sie den Gegenstand des Klagepatents – auch hinsichtlich des nur eingeschränkt geltend gemachten Schutzumfangs – rechtswidrig benutzt haben, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die Beklagte zu 2) hat als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) diese zu ihrem patentverletzenden Verhalten bestimmt. Die Beklagte zu 1) muss sich dieses Verhalten ihrer Geschäftsführerin in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zurechnen lassen. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird bereits durch die Patentverletzung selbst begründet. Sie ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) nicht durch die Abgabe der Verpflichtungserklärung vom 03.03.2006 entfallen, da es sich nicht um eine bedingungslose, vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung handelte. Vielmehr hat die Beklagte zu 1) ihre Unterlassungsverpflichtung dahingehend eingeschränkt, solche Vorrichtungen nicht anzubieten, in den Verkehr zu bringen, oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die mit dem von der Klägerin vertriebenen Antriebsgerät kompatibel sind. Die Beklagte zu 1) ist aber unabhängig von der Kompatibilität von angegriffener Ausführungsform und Antriebsgerät zur Unterlassung verpflichtet.

2. Weiterhin kann die Klägerin von den Beklagten dem Grunde nach Schadensersatz verlangen, Art. 64 EPÜ i.V.m. 139 Abs. 2 PatG und § 24 Abs. 2 GebrMG. Denn als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patent- bzw. Gebrauchsmusterverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Dabei werden Schadensersatzansprüche für Handlungen seit dem 09.04.2000 (also vor der Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents am 14.01.2004) durch die Benutzung der aus dem Klagegebrauchsmuster bekannten technischen Lehre begründet, da die Registereintragung des Klagegebrauchsmusters am 09.03.2000 veröffentlicht wurde und die Beklagten nach einer Prüfungs- und Überlegungsfrist von einem Monat die schutzrechtsverletzenden Handlungen hätten einstellen können. Für den Zeitraum nach dem Erlöschen des Klagegebrauchsmusters (also ab dem 01.11.2006) werden Schadensersatzansprüche dem Grunde nach durch die Benutzung des Gegenstands des Klagepatents begründet.
Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, und überdies der Schaden von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagten Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b PatG, § 24b GebrMG und § 242 BGB. Denn sie ist auf die entsprechenden Angaben angewiesen, da sie über diese Angaben ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet werden.

VI.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO kam nicht in Betracht. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 04.12.2006 mag zwar für die Entscheidung dieses Rechtsstreits vorgreiflich sein. Da aber das Klagepatent auf den Einspruch hin von der Einspruchsabteilung des EPA dahingehend aufrecht erhalten wurde, dass der Unteranspruch 13 in den Patentanspruch 1 einbezogen wurde, und da die Klägerin nur im Rahmen dieses Schutzumfangs Ansprüche gegen die Beklagten geltend macht, besteht für den Einspruch gegen das Klagepatent nur noch eine sehr geringe Erfolgswahrscheinlichkeit, die eine Aussetzung nicht zu rechtfertigen vermag. Dies gilt auch im Hinblick auf die obigen Ausführungen unter II. zur Schutzfähigkeit der in Kombination geltend gemachten Klagegebrauchsmusteransprüche.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 200.000,00 EUR.