2 U 49/15 – Prothetischer Stent I

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2458

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Januar 2016, Az. 2 U 49/15

Vorinstanz: 4c O 34/15

 

A.

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 1. Oktober 2015 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

 

  1. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,

 

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR  – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Verfügungsbeklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,

 

ballonexpandierbare Stents, die einen Hauptkörper umfassen, wobei der Hauptkörper eine im Allgemeinen zylindrische Form und eine Zylinderachse besitzt und der Hauptkörper, wenn der Stent ungespreizt ist, mehrere spreizbare helikale Segmente umfasst, wobei der Hauptkörper darüber hinaus mehrere zylindrische Elemente umfasst, die kollineare Zylinderachsen aufweisen, wobei die zylindrischen Elemente des Hauptkörpers einander benachbart sind und durch helikale Segmente aneinander befestigt sind, wobei jedes zylindrische Element des Hauptkörpers einen Umfang besitzt, der mit jenem eines benachbarten zylindrischen Elements im Wesentlichen übereinstimmt und mehrere spreizbare Umfangssegmente umfasst, die zwischen aufeinanderfolgenden Verbindungselementen positioniert sind, die besagtes zylindrisches Element mit einem benachbarten zylindrischen Element verbinden, wobei die Umfangssegmente durch Teilbereiche der helikalen Segmente miteinander verbunden sind, um die zylindrischen Elemente zu bilden, wobei die mehreren Umfangssegmente eine Mehrheit des Umfangs jedes
zylindrischen Elements umfassen,

 

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

 

bei denen

 

die zylindrischen Elemente erste Umfangssegmente enthalten, die sich mit zweiten Umfangssegmenten abwechseln,

 

die besagten zweiten Umfangssegmente einer im Allgemeinen S-förmigen Struktur ähneln und drei lineare Teilbereiche aufweisen, welche miteinander durch zwei gebogene Teilbereiche verbunden sind,

 

die besagten ersten Umfangssegmente fünf lineare Teilbereiche aufweisen, welche miteinander durch vier gebogene Teilbereiche verbunden sind,

 

benachbarte zylindrische Elemente miteinander durch zwei Verbindungselemente verbunden sind,

 

die zweiten Umfangssegmente von benachbarten zylindrischen Elementen durch Verbindungselemente miteinander verbunden sind und so eines von zwei ersten spreizbaren helikalen Segmenten bilden,

 

die ersten Umfangssegmente von benachbarten zylindrischen Elementen durch Verbindungselemente miteinander verbunden sind und so eines von zwei zweiten spreizbaren helikalen Segmenten bilden,

 

die besagten ersten spreizbaren helikalen Segmente im Allgemeinen parallel zueinander und 180 Grad voneinander entfernt verlaufen,

 

die besagten zweiten spreizbaren helikalen Segmente im Allgemeinen parallel zueinander und 180 Grad voneinander entfernt verlaufen,

 

die ersten Umfangssegmente lineare Teilbereiche und gebogene Teilbereiche umfassen, die die linearen Teilbereiche miteinander verbinden, um ein sich wiederholendes Muster zu bilden und

 

bei denen die zweiten helikalen Segmente die ersten helikalen Segmente in gemeinsamen Verbindungselementen kreuzen;

 

2.

der Verfügungsklägerin unverzüglich, nämlich binnen vier Wochen ab Verkündung dieses Urteils, darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Verfügungsbeklagte) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 20. Oktober 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe

 

  1. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

 

  1. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

 

  1. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

 

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

 

3.

die in Deutschland in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Verfügungsklägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs zum Zwecke der Verwahrung auf ihre Kosten herauszugeben.

 

  1. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

 

II.

Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 500.000,00 EUR leistet.

 

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und – in Abänderung der landgerichtlichen Wertfestsetzung – der Streitwert für den ersten Rechtszug werden auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

 

 

 

 

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

B.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig und zum Teil begründet. Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte im nunmehr zuerkannten Umfang ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Unterlassungsanspruch nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 9 Satz 2 Nr. 1 PatG zu. Denn die Verfügungsbeklagte macht mit den angegriffenen Stents „B“ und „C“ von der technischen Lehre des Verfügungspatents (dem deutschen Teil des europäischen Patents EP 1 341 AAA) wortsinngemäß Gebrauch. Neben dem deshalb gegebenen Verfügungsanspruch besteht auch ein Verfügungsgrund. Insbesondere Bestehen entgegen der Auffassung der Beklagten keine durchgreifenden Bedenken an der zeitlichen Dringlichkeit der Angelegenheit. Zur Sicherung des ihr zustehenden Vernichtungsanspruchs nach § 140a PatG kann die Verfügungsklägerin ferner von der Verfügungsbeklagten verlangen, dass diese die in Deutschland in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen Verletzungsgegenstände an einen Gerichtsvollzieher herausgibt. Außerdem steht der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte ein Auskunftsanspruch zu, den sie ebenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, 3 und 7 PatG. Der weitergehende Verfügungsantrag hat hingegen keinen Erfolg. Ein im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzbarer Beseitigungsanspruch steht der Verfügungsklägerin nicht zu.

 

I.

Das Verfügungspatent betrifft einen Stent.

 

Wie die Verfügungspatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, sind Stents prothetische Vorrichtungen, die in das Lumen eines Gefäßes im Körperinneren implantiert werden, um die Gefäßwand zu stützen. Die strukturelle Verstärkung durch Stents ist insbesondere bei angioplastischen Verfahren wichtig (Anlage AR I-4, Abs. [0002]; die nachfolgenden Bezugnahmen beziehen sich jeweils auf die von der Verfügungsklägerin vorgelegte deutsche Übersetzung der geänderten Verfügungspatentschrift). Üblicherweise werden Stents in ein Gefäßsystem implantiert, um Gefäße zu stabilisieren, die teilweise verstopft, kollabierend, geschwächt oder ungewöhnlich erweitert sind. Ganz allgemein können Stents in jedem physiologischen Kanal oder Gang verwendet werden, z.B. in Arterien, Venen, Gallengängen, Harnwegen, dem Verdauungstrakt oder dem Urogenitalsystem. Sie sind sowohl bei Menschen als auch bei Tieren verwendbar (Abs. [0002]).

 

Es gibt zwei übliche Arten von Stents, nämlich zum einen selbstexpandierende Stents und zum anderen ballonexpandierbare Stents. Selbstexpandierende Stents expandieren automatisch, sobald sie freigegeben werden, und nehmen einen eingesetzten, expandierten Zustand an. Ballonexpandierbare Stents werden mit Hilfe eines aufblasbaren Ballonkatheters expandiert. Der Ballon wird aufgeblasen, um den Stent plastisch zu verformen. Solche ballonexpandierbaren Stents werden implantiert, indem der Stent im nicht expandierten oder zusammengepressten Zustand auf einem Ballonsegment eines Katheters befestigt wird. Der Katheter wird nach der Anbringung des zusammengepressten Stents durch eine Öffnung in einer Gefäßwand eingeführt und durch das Gefäß bewegt, bis er sich an der Stelle des Gefäßes befindet, die behandelt werden muss. Dort wird der Stent durch Aufblasen des Ballonkatheters gegen die Innenwand des Gefäßes expandiert. Durch das Aufblasen des Ballons wird der Stent insbesondere plastisch so verformt, dass der Durchmesser des Stents vergrößert wird und in einem vergrößerten Zustand verbleibt. In einigen Fällen kann das Gefäß selbst, in das der Stent implantiert wird, durch den Stent erweitert werden, wenn dieser expandiert wird (Abs. [0003]). Nach dem Expandieren des Stents wird der Ballon wieder entleert. Anschließend werden der Ballon und der Katheter entfernt, so dass nur der ausgedehnte Stent im Körper zurückbleibt. Die Erfindung nach dem Verfügungspatent bezieht sich nach der im Einspruchsverfahren erfolgten Beschränkung des Patentanspruchs auf diese zweite Art von Stents.

 

Als Beispiel für einen ballonexpandierbaren Stent benennt die Verfügungspatentschrift den Palmaz-Schatz-Stent, der im „Handbook of Coronary Stents“ von Patrick W. Serruys et al. (Martin Dunitz, LTD 1998) gezeigt ist. Dieser bekannte Stent umfasst nach den Angaben der Verfügungspatentschrift eine Anzahl fortlaufend geschlitzter Rohre, die mittels einer Brücke oder mehrerer Brücken wechselseitig verbunden sind. Das Verfügungspatent kritisiert hieran als nachteilig, dass dieser Stent – wie andere Stents auch – gewissen Einschränkungen unterliegt (Abs. [0004]). Konkret beanstandet das Verfügungspatent die geringe Gleichmäßigkeit des Stent-Ge­fäß-Verhältnisses (Abs. [0004]), womit der Grad gemeint ist, in dem die Gefäßwand durch den expandierten Stent stabilisiert (gestützt) wird (Abs. [0004]), also das Verhältnis von Stent-Material zum Gefäßgewebe. Nach den Angaben der Verfügungs­patentschrift sollte dieses Verhältnis auf der Länge des Stents möglichst gleichmäßig sein (Abs. [0004]). Da der Palmaz-Schatz-Stent aus einer oder mehreren Brücken besteht, die die geschlitzten Röhren miteinander verbinden, gibt es bei diesem Stent eine Reihe von freien Bereichen, sobald dieser entfaltet ist (vgl. Abs. [0004]). Diese freien Bereiche führen bei dem bekannten Stent zu einem nicht gleichförmigen Gefäß-Stent-Verhältnis entlang des Gefäßes. Darüber hinaus bemängelt die Verfügungspatentschrift, dass der Palmaz-Schatz-Stent eine vergleichsweise hohen Steifigkeit sowohl im zusammengepressten als auch im expandierten Zustand sowie – als Folge davon – eine eingeschränkte Flexibilität aufweist, die das Einführen und Platzieren des Stents in engen Gefäßen erschwert (Abs. [0004]).

 

Als weiteren Stand der Technik erwähnt das Verfügungspatent die EP-A 0 884 AAB (Anlage AR I-5; deutsche Übersetzung [DE 698 28 AAC T2] Anlage AR I-6), die nach den Ausführungen der Verfügungspatentschrift einen expandierbaren Stent offenbart, der einen Hauptkörper mit einer im Allgemeinen zylindrischen Achse aufweist, wobei der Hauptkörper im nicht expandierten Zustand eine Vielzahl von expan­dier­baren helikalen Segmenten enthält (Anlage AR I-4, Abs. [0004]).

 

Ein konkretes zu lösendes Problem wird in der Beschreibung des Verfügungspatents nicht ausdrücklich formuliert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das von einer Schutzrechtslehre gelöste Problem danach, was die Erfindung objektiv leistet, was wiederum durch Auslegung der Patentansprüche, ggf. unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen, zu ermitteln ist (BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung; GRUR 2011, 607, 608 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel III; GRUR 2012, 1122, 1123 – Palettenbehälter III; GRUR 2012, 1130 – Leflunomid). Vor dem Hintergrund der in der Einleitung der Verfügungspatentbeschreibung an dem bekannten Palmaz-Schatz-Stent geübten Kritik ergibt sich hier als das dem Verfügungspatent zugrunde liegende Problem, einen verbesserten Stent zur Verfügung zu stellen, der im expandierten Zustand ein relativ gleichmäßiges Stent-Gefäß-Verhältnis hat und der gleichzeitig nicht so starr und nicht nur so begrenzt flexibel wie der Palmaz-Schatz-Stent ist (Abs. [0004], [0006]; vgl. auch Technische Beschwerdekammer [nachfolgend: TB], Entscheidung vom 13.05.2015, Anlage AR 9a, S. 34 Rn. 5.1).

 

Zur Lösung dieses Problems schlägt der Verfügungspatentanspruch in seiner im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (Anlage AR 9; deutsche Übersetzung Anlage AR 9a) aufrechterhaltenen Fassung einen Stent mit folgenden Merkmalen vor:

 

  1. Ballonexpandierbarer Stent.

 

  1. Der Stent umfasst einen Hauptkörper (11), der

 

  • eine im Allgemeinen zylindrische Form und eine Zylinderachse (5) besitzt,

 

  • mehrere spreizbare helikale Segmente (30, 40) umfasst, wenn der Stent ungespreizt ist.

 

  1. Der Hauptkörper (11) umfasst darüber hinaus mehrere zylindrische Elemente (100).

 

  • Die zylindrischen Elemente (100) weisen kollineare Zylinderachsen auf.

 

  • Die zylindrischen Elemente (100) des Hauptkörpers sind einander benachbart.

 

  • Die zylindrischen Elemente (100) sind durch helikale Segmente (30, 40) aneinander befestigt.

 

  • Jedes zylindrische Element (100) des Hauptkörpers (11) besitzt einen Umfang (110), der mit jenem eines benachbarten zylindrischen Elements (100) im Wesentlichen übereinstimmt.

 

  • Jedes zylindrische Element (100) umfasst mehrere spreizbare Umfangssegmente (50, 60).

 

  • Die mehreren spreizbaren Umfangssegmente (50, 60) sind zwischen aufeinanderfolgenden Verbindungselementen (250) positioniert, die besagtes zylindrisches Element (100) mit einem benachbarten zylindrischen Element (100) verbinden.

 

  • Die Umfangssegmente (50, 60) sind durch Abschnitte der helikalen Segmente (30, 40) miteinander verbunden, um die zylindrischen Elemente (100) zu bilden.

 

  • Die mehreren Umfangssegmente (50, 60) umfassen eine Mehrheit des Umfangs (110) jedes zylindrischen Elements (100).

 

  • Die zylindrischen Elemente (100) enthalten erste Umfangssegmente (50), die sich mit zweiten Umfangssegmenten (60) abwechseln.

 

  • Die besagten zweiten Umfangssegmente (60) ähneln einer im Allgemeinen S-förmigen Struktur und weisen drei lineare Teilbereiche (412) auf, welche miteinander durch zwei gebogene Teilbereiche (414) verbunden sind.

 

  • Die besagten ersten Umfangssegmente (50) weisen fünf lineare Teilbereiche(320) auf, welche miteinander durch vier gebogene Teilbereiche (328) verbunden sind.

 

  • Benachbarte zylindrische Elemente (100) sind miteinander durch zwei Verbindungselemente (250) verbunden.

 

  • Die zweiten Umfangssegmente (60) von benachbarten zylindrischen Elementen (100) sind durch Verbindungselemente (250) miteinander verbunden und bilden so eines von zwei ersten spreizbaren helikalen Segmenten (30, 40).

 

  • Die ersten Umfangssegmente (50) von benachbarten zylindrischen Elementen (100) sind durch Verbindungselemente (250) miteinander verbunden und bilden so eines von zwei zweiten spreizbaren helikalen Segmenten (200, 210).

 

  • Die besagten ersten spreizbaren helikalen Segmente (30, 40) verlaufen im Allgemeinen parallel zueinander und 180 Grad voneinander entfernt.

 

  • Die besagten zweiten spreizbaren helikalen Segmente (200, 210) verlaufen im Allgemeinen parallel zueinander und 180 Grad voneinander entfernt.

 

  • Die gebogenen Teilbereiche (328) der ersten Umfangssegmente (50) verbinden die linearen Teilbereiche (320) miteinander, um ein sich wiederholendes Muster zu bilden.

 

  • Die zweiten helikalen Segmente (200, 210) kreuzen die ersten helikalen Segmente (30, 40) in gemeinsamen Verbindungselementen (250).

 

Die erfindungsgemäße Struktur des Hauptkörpers des Stents zeichnet sich dadurch aus, dass die Segmente, aus denen die Helices gebildet sind, zugleich die Segmente sind, aus denen die zylindrischen Elemente gebildet werden. Außerdem verbinden die Verbindungselemente zum einen die zylindrischen Elementen miteinander und sind diese zum anderen Teil der helikalen Struktur.

II.

Eine einstweilige Verfügung kommt – bei gesichertem Rechtsbestand des Verfügungs­patents (dazu später) – nur in Betracht, wenn sich die Frage der Patentbenutzung ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht statthaft ist (§§ 294 Abs. 2, 920 Abs. 2, 936 ZPO), so klar zugunsten der Verfügungsklägerin beantworten lässt, dass eine Fehlentscheidung, die in einem späteren Hauptsacheverfahren zu revidieren wäre, praktisch ausge­schlos­sen ist. Die erforderliche Über­zeugungs­bildung muss dem Gericht daher allein aufgrund der Schlüssigkeit des Sachvortrages der Verfügungsklägerin sowie der von ihr präsentierten Privatgutachten als präsenten Beweismitteln möglich sein. Das ist hier der Fall.

 

1.

Hinsichtlich der Patentbenutzung sind zwischen den Parteien zwei Problemkreise streitig. Zum einen geht es darum, wie die für die ersten und die zweiten Umfangssegmente aufgestellte Forderung zu verstehen ist, mittels zwei bzw. vier gebogenen Teilbereichen drei bzw. fünf „lineare“ Teilbereiche zu verbinden. Konkret streiten die Parteien darüber, ob mit dem Begriff „linear“ eine mathematisch/geometrisch exakte Gerade gemeint ist oder ob es nur darauf ankommt, dass der betreffende Teilbereich in dem Sinne eine insgesamt linienförmige Erscheinung hat, dass er sich beim Expandieren bzw. Kollabieren des Stents wesentlich weniger biegt als die gebogenen Teilbereiche. Zum anderen ist kontrovers, wie die Anweisung des Patentanspruchs zu verstehen ist, die linearen Teilbereiche der ersten Umfangssegmente mit den gebogenen Teilbereichen so zu verbinden, dass „ein sich wiederholendes Muster“ gebildet wird. Während die Verfügungsklägerin der Auffassung ist, dass sich das Wiederholungsmuster nur über den vollständigen radialen Umfang eines zylindrischen Elements einstellen muss, ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass die Musterwiederholung innerhalb des einzelnen ersten Umfangssegments stattzufinden hat.

 

Im Hinblick auf den bestehenden Streit der Parteien bedürfen die Merkmale 3.6.1, 3.6.2 und 3.7 der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung näherer Erläuterung:

 

  1. a)
    Auch wenn in der Verfügungspatentschrift ausdrücklich nur zwei Stents als vorbekannter Stand der Technik gewürdigt werden (Palmaz-Schatz-Stent, EP 0 884 AAB), ist dem Durchschnittsfachmann geläufig, dass am Prioritätstag (11.12.2000) eine große Vielzahl von expandierbaren Stents vorbekannt war, die sich maßgeblich durch ihre äußere Gestaltung voneinander unterschieden haben. Gegenstand der variierenden konstruktiven Ansätze waren nicht neue Materialien, sondern ganz vordringlich eine jeweils andersartige Form der den Stent bildenden Streben und Schlaufen. Auf das Verfügungspatent trifft dasselbe zu, weil mit den Merkmalen des Patentanspruchs ein ganz bestimmter Verlauf von Schlaufen und deren gegenseitige Verbindung in radialer und vertikaler (helikaler) Richtung beansprucht wird, die zusammen eine spezielle Struktur des Stents ergeben, die nach dem Ergebnis des Einspruchsbeschwerdeverfahrens so im Stand der Technik noch nicht bekannt gewesen ist. Vor die Klammer gezogen lässt sich deshalb feststellen, dass das Verfügungspatent eine „Geome­trie-Erfindung“ zum Gegenstand hat, nämlich eine technische Lehre, die die Geometrie ihrer Bestandteile beschreibt, um vorteilhafte Wirkungen des beanspruchten Stents hervorzurufen. Kurz gesagt ist also das Lösungsmittel der Erfindung die Geometrie, während die durch die geometrischen Anweisungen erzielten Vorteile sich in verbesserten Stent-Eigenschaften niederschlagen. Der im Bereich der Geometrie liegende Lösungsansatz des Verfügungspatents ist bei der Auslegung seiner Einzelmerkmale im Blick zu behalten.

 

  1. b)
    Die Merkmale 3.6.1 und 3.6.2 befassen sich mit den ersten und den zweiten Umfangssegmenten des Stents.

 

aa)

Die ersten Umfangssegmente (50) werden im Merkmal 3.6.2 beschrieben. Sie umfassen

 

  • fünf lineare Teilbereiche (320) und
  • zwei gebogene Teilbereiche (328), wobei
  • die linearen Teilbereiche (320) durch die gebogenen Teilbereiche (328) miteinander verbunden sind.

 

Bei dem in den Figuren 1 bis 5 gezeigten Ausführungsbeispiel, das die Erfindung beispielhaft erläutert, sind die so beschriebenen ersten Umfangssegmente (50) in der aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 ersichtlichen Weise ausgebildet:

 

 

 

In der besonderen Patentbeschreibung heißt es hierzu in Absatz [0017]:

 

„Bei der in den Abbildungen 1 bis 5 gezeigten Ausführungsform enthalten erste umlaufende Elemente 50 lineare Teilbereiche 320 und gekrümmte Teilbereiche 328, die die linearen Teilbereiche 320 miteinander verbinden und so ein sich wiederholendes Muster bilden. In einigen, aber nicht allen Ausführungsformen kann der lineare Teilbereich 320 parallel zu der zylindrischen Achse des Stents verlaufen. Das erste umlaufende Segment 50 hat eine Amplitude 350 und eine Periode 380. Bei einem Beispiel kann die Amplitude zwischen 0,5 mm und 2,0 mm und die Periode zwischen 0,5 mm und 2,0 mm liegen und bei einigen Ausführungsformen ist die Amplitude kleiner als die Periode. Abhängig von der Gesamtgestaltung des Stents und den Leistungsanforderungen können abweichende Amplitude und Perioden verwendet werden.“

 

Der maßgebliche Patentanspruch verlangt indes keine bestimmte Amplitude (350) und/oder Periode (380) des ersten Umfangssegments und macht auch keine Vorgaben zu deren Beziehung (vgl. auch TB, Anlage AR 9a, S. 27 Ziff. 3.2.2). Vorgaben zur Ausrichtung der linearen Teilbereiche werden ebenfalls nicht gemacht (vgl. auch TB, Anlage AR 9a, S. 27 Ziff. 3.). Die linearen Teilbereiche des ersten Umfangssegments müssen daher nicht zwingend parallel zur zylindrischen Achse des Stents verlaufen. Der Patentanspruch lässt vielmehr auch eine anderweitige Ausrichtung der linearen Teilbereiche zu. Schließlich ergibt sich aus dem Merkmal 3.6.1 auch nicht, dass die linearen Teilbereiche des ersten Umfangssegments parallel zueinander verlaufen müssen.

 

  1. bb)
    Merkmal 3.6.1 beschreibt die zweiten Umfangselemente (60) dahin, dass sie

 

  • einer im Allgemeinen S-förmigen Struktur ähneln,
  • drei lineare Teilbereiche und
  • zwei gebogene Teilbereiche aufweisen, wobei
  • die linearen Teilbereiche durch die gebogenen Teilbereiche miteinander verbunden sind.

 

Ein Ausführungsbeispiel eines solchen zweiten Umfangsegments (60) ist in der nachfolgend eingeblendeten Figur 6 der Verfügungspatentschrift gezeigt:

 

 

Im Absatz [0018] der Patentbeschreibung heißt es hierzu:

 

„… In der in Abb. 6 gezeigten Ausführungsform enthält das zweite umlaufende Element 60 lineare Teilbereiche 412 und gekrümmte Teilbereiche 414 mit einer Filamentbreite 407 und ähnelt im Allgemeinen einer S-förmigen Struktur. Darüber hinaus kann das zweite umlaufende Segment 60 einen winkelförmigen Teilbereich 417 aufweisen, der an einem dem gekrümmten Teilbereich gegenüberliegenden Ende an den linearen Teilbereich 412 angehängt ist. Der winkelförmige Teilbereich kann so ausgerichtet sein, dass ein Winkel zu der zylindrischen Achse des Stents 5 gebildet wird, der zwischen 0 und 45 Grad liegt. Bei mindestens einem Beispiel liegt der gewünschte Winkel α bei ca.10 Grad. In einigen Ausführungsformen liegt der lineare Teilbereich 412 des zweiten umlaufenden Elements 60 in einem Winkel Ω zu der zylindrischen Achse des Stents, wobei Ω vorzugsweise zwischen 0 und 45 Grad liegt. Bei einer zweidimensionalen Ansicht wie in Abb. 2 können die linearen Teilbereiche 412 bei einigen Ausführungsformen einen Winkel Ω zu der zylindrischen Achse des Stents bilden. Bei einigen Beispielen kann Ω ungefähr dem helikalen Winkel der ersten helikalen Segmente 30 und 40 entsprechen. Bei einer Ausführungsform können die zweiten umlaufenden Elemente 60 eine Amplitude 300 (s. Abb. 3, 4 und 6) zwischen 0,5 mm und 2,0 mm haben und eine Periode zwischen 0,5 mm und 2,0 mm. Andere Bandbreiten können abhängig von der jeweiligen Stentgröße und dem jeweiligen Design verwendet werden. …“

 

Ebenso wie das Merkmal 3.6.2 schreibt auch das Merkmal 3.6.1 eine bestimmte Amplitude und/oder Periode nicht vor. Des Weiteren macht auch dieses Merkmal keine Vorgaben zur Ausrichtung der linearen Teilbereiche. Schließlich fordert auch das Merkmal 3.6.1 keine Parallelität der linearen Teilbereiche. Diese müssen anspruchsgemäß nur so angeordnet und durch die gebogenen Teilbereiche miteinander verbunden sein, dass das aus den drei linearen und den zwei gebogenen Teilbereichen bestehende zweite Umfangssegment einer im Allgemeinen S-förmigen Struktur ähnelt.

 

  1. cc)
    Was die von den Merkmalen 3.6.1 und 3.6.2 jeweils geforderten „linearen Teilbereiche“ („linear portions“) der Umfangssegmente anbelangt, wird der Inhalt des Begriffs „linear“ in der Verfügungspatentschrift an keiner Stelle definiert oder näher erläutert. Er ist deshalb anhand der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache auszulegen.

 

Der Sinngehalt eines Merkmals ist mit Blick darauf zu ermitteln, was mit dem Merkmal aus der Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll (BGH, GRUR 2015, 868, 870 – Polymerschaum II; GRUR 2015, 1095, 1096 –Bitdatenreduktion). Dabei können der allgemeine wie auch der übliche fachliche Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Mit Rücksicht darauf, dass Begriffe in einer Patentbeschreibung abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch benutzt werden können, ist letztlich aber der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgeblich. Für einen Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch ist umso weniger Raum, je mehr der Inhalt der Patentschrift auf ein abweichendes Verständnis hindeutet (BGH, GRUR 1999, 911 f. – Spannschraube; GRUR 2015, 868, 870 – Polymerschaum II; GRUR 2015, 1095, 1096 – Bitdatenreduktion).

 

(1)

Wie sich aus den von der Verfügungsklägerin im Berufungsrechtszug vorgelegten Auszügen aus englischen Wörterbüchern ergibt, kann der englische Begriff „linear“ im geometrischen Kontext mehrere Bedeutungen haben. „Linear“ ist mit drei Bedeutungsinhalten nachgewiesen:

 

–      ähnelnd einer Linie (linienförmig),

–      sehr schmal im Verhältnis zu seiner Länge,

–      gerade.

 

Während die beiden ersten Alternativen keine Aussage zum (gekrümmten oder ungekrümmten) Verlauf der Linie machen, beschränkt die letztgenannte Alternative die Aussage auf Geraden im geometrischen Sinne. Angesichts der mehrdeutigen Verwendung des Wortes „linear“ führt der Rückgriff auf das allgemeine Sprachverständnis vorliegend nicht weiter.

 

Dass der Begriff „linear“ am Prioritätstag des Verfügungspatents auf dem hier in Rede stehenden Technikgebiet allgemein nur mit einer bestimmten Bedeutung verwendet worden ist, haben die Parteien weder schlüssig dargetan noch glaubhaft gemacht. Soweit der Privatgutachter der Verfügungsklägerin D ausführt, dass ein Designer von Stents Begriffe wie „linear“ etc. ohne gegenteilige Hinweise nie so verstehen würde, dass sie die Bedeutung von mathematisch genauer Geometrie hätten, solche Begriffe vielmehr benutzt würden, um sich einer Struktur zu nähern (Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 8), reicht diese Erklärung zur Glaubhaftmachung eines entsprechenden allgemeinen Fachverständnisses nicht aus. Denn hierbei kann es sich auch bloß um eine rein subjektive Einschätzung des Privatgutachters der Verfügungsklägerin handeln. Soweit die Verfügungsklägerin außerdem darauf hinweist, dass die Verfügungsbeklagte den Begriff „linear“ in eigenen Patentanmeldungen nicht in der Bedeutung „gerade“, sondern in einer breiteren Bedeutung verwendet, ist auch hiermit ein entsprechendes allgemeines Fachverständnis am Prioritätstag des Verfügungspatents nicht glaubhaft gemacht. Zwar ist zutreffend, dass der Begriff „linear“ in den drei von der Verfügungsklägerin benannten US-Patentanmeldungen (US 2012/0165AAD; US 2013/0023AAE; US 2008/0281AAF) nach der jeweiligen Patentbeschreibung auch gekrümmte Teilbereiche bzw. Elemente umfasst. So heißt es z.B. in der US 2012/0165AAD, dass der dortige „lineare Teilbereich S“ („linear portion S“) ein gerader Teilbereich oder gekrümmter Teilbereich ist. Die in Bezug genommenen Patentanmeldungen sind allerdings allesamt erst deutlich nach dem Prioritätstag des Verfügungspatents eingereicht worden, wobei es sich auch nur um Anmeldungen ein- und desselben Anmelders handelt. Schon aus diesem Grunde vermögen diese Druckschriften nichts über ein entsprechendes Fachverständnis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt auszusagen. Außerdem wird in den betreffenden Patentanmeldungen jeweils in der Beschreibung erläutert, was diese unter „linear“ verstehen. Dass der Begriff „linear“ auf dem in Rede stehenden Technikgebiet allgemein mit dieser Bedeutung verwandt wird, lässt sich daraus nicht herleiten. Umgekehrt folgt aus dem Verweis in dem von der Verfügungsbeklagten zuletzt vorgelegten Privatgutachten (Gutachten F, S. 6 f.) auf lediglich eine einzige Druckschrift (WO 97/40AAG A1) nicht, dass der Begriff „linear“ im Zusammenhang mit Stents stets in der Bedeutung „gerade“ verwandt wird, zumal nicht einmal dargetan ist, dass der Begriff in der betreffenden Druckschrift in diesem Sinne definiert ist.

 

(2)

Ohnehin entscheidet für die Auslegung eines Patentanspruchs der der Patentschrift eigene Sprachgebrauch, der mit dem allgemeinen Begriffsverständnis auf dem einschlägigen Technikgebiet übereinstimmen, von diesem aber ebenso gut abweichen kann. Es ist daher zu ermitteln, was das Verfügungspatent unter „linear“ versteht.

 

Zieht der angesprochene Fachmann hierzu die gezeichneten Ausführungsbeispiele der Erfindung heran, so erkennt er, dass diese bei einzelnen Darstellungen (vgl. Figuren 5 und 6) allenfalls im direkten Anschlussbereich zwischen dem gekrümmten und dem linearen Abschnitt einen Übergang zeigen, der das alleräußerste Ende des im Übrigen vollkommen gerade verlaufenden Abschnitts (320) als der Krümmungsrichtung folgend gebogen erscheinen lässt. Bei diesen Figuren handelt es sich allerdings um bloße Prinzip­dar­stellungen, denen der Durchschnittsfachmann außer dem Prinzip der Erfindung keine weiteren technischen Details entnehmen wird. Denn schematische Darstellungen, wie sie üblicherweise in Patentschriften zu finden sind, offenbaren in der Regel nur das Prinzip der beanspruchten Vorrichtung, nicht aber exakte Abmessungen (BGH, GRUR 2012, 1242, 1243 – Steckverbindung; GRUR 2015, 365, 367 – Zwangsmischer; BGH, Urteil vom 20.03.2014 – X ZR 128/12, BeckRS 2014, 10780 Rn. 31). Selbst wenn die zeichnerische Darstellung ernst genommen wird, folgt daraus deshalb nur, dass solchermaßen Abweichungen von der Geraden, wie sie in den Figuren 5 und 6 gezeigt sind, gestattet sind, aber nicht, dass der lineare Teilbereich auch darüber hinaus in seinem sonstigen Verlauf von der Geraden abweichen darf.

 

Der Sinngehalt der in Rede stehenden Anspruchsmerkmale kann daher nur danach ermittelt werden, was mit den „linearen Teilbereichen“ im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Es stellt sich mithin die Frage, welcher technische Erfolg bei der Nacharbeitung des Patentanspruchs damit verbunden ist, dass die Umfangssegmente neben „gebogenen“ Teilbereichen bestimmter Anzahl auch „lineare“ Teilbereiche bestimmter Anzahl aufweisen.

 

Wie auch der eigene Privatgutachter der Verfügungsklägerin E (Anlage AR 10a, Rn. 14) einräumt, gibt die Patentbeschreibung keine explizite Erklärung dafür, aus welchem Grund lineare Teilbereiche vorgesehen sind, die sich mit gebogenen Teilbereichen abwechseln. Der Fachmann erkennt jedoch unter Anwendung seines Fachwissens, was mit den beiden Teilbereichen bezweckt ist.

 

In Bezug auf die ersten Umfangssegmente heißt es in Absatz [0015] der Verfügungspatentschrift (Unterstreichung hinzugefügt):

 

„Das erste umlaufende Segment 50 ist ein expandiertes Segment, das aus einer Vielzahl von Segmenten besteht, die miteinander verbunden sind und so ein sich wiederholendes Muster bilden. Das Muster, wie das in den Abbildungen 1 bis 3 gezeigte Beispiel, kann ein sich wiederholendes Muster sein, das eine Rechteckwellenform mit geschwungenen Wellenkämmen und -tälern ähnelt. Andere sich wiederholende Muster können verwendet werden, die es dem Segment ermöglichen, sich auszudehnen, wenn eine Radialkraft vom Inneren auf den Stent wirkt, oder radial zu kollabieren, wenn von außen eine Kraft auf den Stent einwirkt.“

 

Daraus ergibt sich, dass es das Muster dem Umfangssegment ermöglichen soll, sich auszudehnen und zu kollabieren, wenn eine Radialkraft auf den Stent einwirkt. Das Segment, und dadurch der Stent, soll sich also durch die Struktur radial expandieren oder zusammenziehen können (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 18). Expandieren soll der Stent, sobald er an der richtigen Stelle im Gefäß positioniert ist und ein Ballon aufgeblassen wird. Die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen, soll der Stent haben, damit er im Zustand „wie hergestellt“ durch Kompression zu einem kleineren Durchmesser zusammengedrückt („gecrimpt“) werden kann (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II, Ziff. 15).

 

Den im Patentanspruch beschriebenen Segmenten ist – wie ausgeführt – gemein, dass sie mehrere lineare Teilbereiche aufweisen, die durch gebogene Teilbereiche miteinander verbunden sind. Wenn ein solches Muster sich ausdehnt oder zusammenzieht, geschieht dies durch eine Deformierung (Verformung) der gebogenen Teilbereiche, wodurch bewirkt wird, dass die linearen Teilbereiche, die sie verbinden, voneinander weggedreht werden (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 19; Gutachten E, Anlage AR 10a, Rn. 15; vgl. insoweit auch Gutachten F, S. 9 Ziff. 6). Den linearen Teilbereichen kommt dabei die Funktion zu, den Durchmesser des Stents während der Expansion durch Rotieren benachbarter linearer Teilbereiche in entgegengesetzte Richtungen zu vergrößern, indem die lineare Form mehr in die Umfangsrichtung gebracht wird (Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 19; vgl. auch Gutachten E, Anlage AR 10a, Rn. 15). Um eine solche Rotation der linearen Teilbereiche zu ermöglichen, benötigt das Umfangssegment Elemente, die als Gelenke zwischen den linearen Teilbereichen fungieren (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 17). Als solche Gelenke dienen die gebogenen Teilbereiche, die die linearen Teilbereiche miteinander verbinden. Wenn der Stent zusammengepresst oder expandiert wird, verformen sich diese gebogenen Teilbereiche plastisch. Sie werden enger oder weiter, d.h. sie „schließen“ oder „öffnen“ sich (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 17. sowie Ziff. 15-16). Werden die gebogenen Teilbereiche beim Zusammenpressen des Stents „geschlossen“, richten sich die linearen Teilbereiche so aus, dass der Umfang schmaler dimensioniert ist. Bei der Expansion des Stents werden die gebogenen Teilbereiche hingegen aufgeweitet. Dadurch rotieren die benachbarten linearen Teilbereiche in entgegengesetzte Richtungen, wodurch der Durchmesser des Stents vergrößert wird; ihre längliche Dimension sorgt für einen größeren Umfang (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 16). Die linearen Teilbereiche der Umfangssegmente können damit zusammengefaltet werden, um den Gesamtumfang des Stents zu reduzieren, und sie können auseinanderbewegt werden, um den Gesamtumfang zu vergrößern (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 20; Gutachten der Vries, Anlage AR 10a, Rn. 15).

 

Wie die Verfügungsklägerin plausibel und überzeugend erläutert hat, geht es vor diesem Hintergrund schlicht darum, die sich auseinander- und zusammenfaltenden linearen Streben im kollabierten Zustand möglichst eng beieinander liegen zu haben, um den mittels eines Katheters vorzuschiebenden Stent möglichst klein werden zu lassen, und die linearen Streben im expandierten Zustand über den Umfang möglichst günstig zu positionieren, um den betreffenden Gefäßbereich optimal abzustützen. Unter diesem Gesichtspunkt spielt es keine Rolle, ob die sich zusammenfaltenden oder auseinander­spreizenden Streben exakt gerade verlaufen oder eine leicht gebogene Form haben (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 20 und 22; Gutachten E, Anlage AR 10a, Rn. 15). Sie müssen nur lang und schmal genug sein, dass sie mittels der als Gelenke fungierenden gebogenen Teilbereiche gut zusammengefaltet und wieder entfaltet werden können.

 

Zwar führt der Privatgutachter der Verfügungsbeklagten F in seinem Gutachten (S. 7 f.) aus, dass eine Strebe mit gekrümmten Abschnitten dazu führe, dass der Stent im gecrimpten Zustand mehr Platz einnehme als ein entsprechender Stent mit einer geraden Strebe. Ferner führt er aus (S. 9 f.), dass sich dadurch auch die Biegung an den Gelenken beim Expandieren des Stents verändere. Ein Stent mit einer Strebe aus gekrümmten Abschnitten könne innerhalb einer gewissen Materialbelastungsschwelle auf einen größeren Durchmesser expandiert werden als ein entsprechender Stent mit gerader Strebe. Die diesbezüglichen Darlegungen leiden jedoch bereits daran, dass hier die angegriffenen Ausführungsformen mit einem Ausführungsbeispiel ohne Zusatzabschnitte (417), wie sie patentgemäß zugelassen sind (dazu sogleich), verglichen werden. Darüber hinaus ist der Verfügungspatentschrift nicht zu entnehmen, dass es ihr darum geht, die sich auseinander- und zusammenfaltenden linearen Streben im kollabierten Zustand so eng beieinander liegen sollen,  dass sich ein kleinstmöglicher Stentdurchmesser ergibt. Vorgaben in Bezug auf den Durchmesser oder die Kompaktheit des Stents werden weder im Patentanspruch noch in der Patentbeschreibung aufgestellt. Die Verfügungspatentschrift befasst sich hiermit überhaupt nicht, weshalb es auch unerheblich ist, dass ein Stent mit einer leicht gebogenen Form möglicherweise auf einen geringfügig größeren Durchmesser expandiert werden kann als ein entsprechender Stent mit einer exakt geraden Strebe. Das Verfügungspatent hat es sich – wie ausgeführt – zur Aufgabe gemacht, den bekannten Palmaz-Schatz-Stent so zu verbessern, dass das Stent-Gefäß-Verhältnis im expandierten Zustand des Stents vergleich­mäßigt wird und der Stent außerdem weniger starr und flexibler ist. Für die Lösung dieses technischen Problems kommt es nicht darauf an, ob die linearen Teilbereiche geometrisch gerade sind. Die angestrebten Stenteigenschaften erfordern es nämlich nicht, dass die linearen Teilbereiche exakt gerade verlaufen (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 12).

 

Bei den linearen Teilbereichen muss es sich daher nur um längliche schmale Abschnitte handeln. Diese müssen nicht notwendig exakt gerade sein, sondern können zur Erfüllung ihrer Aufgabe auch eine leichte Krümmung aufweisen.

 

Dem steht nicht entgegen, dass das Verfügungspatent für die Umfangssegmente einerseits „gebogene“ und andererseits „lineare“ Teilbereiche vorsieht. Da die vorgenommene terminologische Unterscheidung ansonsten sinnlos wäre, kann zwar mit „gebogen“ und „linear“ nicht dieselbe geometrische Form gemeint sein, sondern müssen die Begriffe „gebogen“ und „linear“ jeweils Unterschiedliches aussagen. Was im Sinne des Patentanspruchs „gebogen“ ist, kann nicht im Sinne des Patentanspruchs „linear“ sein. „Gebogene“ Abschnitte haben eine Krümmung. Wie groß oder klein der Krümmungsradius der gebogenen Teilbereiche ist, legt der Patentanspruch seinem Wortlaut nach nicht näher fest. Ausgewiesen ist damit an sich – vorbehaltlich der weiterhin geforderten S-Form (zweite Umfangssegmente) bzw. des Wiederholungsmusters (erste Umfangssegment) – die gesamte denkbare Krümmungsbandbreite, von ganz flach bis extrem stark gebogen. Dem Fachmann ist jedoch klar, dass die gebogenen Teilbereiche zur Erfüllung ihrer oben beschriebenen Gelenkfunktion eine solche Krümmung aufweisen müssen, dass sie die angestrebte Rotation der linearen Teilbereiche bewirken können. Demgegenüber dürfen die linearen Teilbereich ihrerseits nicht so gekrümmt sein, dass sie als Gelenk fungieren können, und sie dürfen selbstverständlich auch nicht so gekrümmt sein, dass ihre Form nicht mehr als „länglich“ angesehen werden kann (vgl. auch Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 25). Dadurch unterscheiden sie sich von den gebogenen Teilbereichen.

 

Der hier vertretenen Auslegung, nach der die linearen Teilbereiche nicht notwendig exakt gerade sein müssen, kann nicht entgegengehalten werden, dass die auslegungsbedürftigen Anspruchsmerkmale zum kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs gehören, was an sich bedeutet, dass mit ihnen (zwar nicht allein, aber doch auch) das technische Problem der Erfindung gelöst wird. Dieses Problem besteht hier nicht allgemein darin, den Stent expandierbar zu machen, sondern es geht dahin, den bekannten Palmaz-Schatz-Stent so zu verbessern, dass das Stent-Gefäß-Verhältnis im expandierten Zustand des Stents vergleich­mäßigt wird und der Stent außerdem flexibler ist. Wie bereits ausgeführt, kommt es für die angestrebte vorteilhafte Beeinflussung des Stent-Gefäß-Verhältnisses und der Flexibilität des Stents jedoch nicht darauf an, ob die linearen Teilbereiche exakt gerade sind. Ein solcher Zusammenhang ist der Verfügungspatentbeschreibung auch nicht zu entnehmen. Diese hebt an keiner Stelle hervor, dass es für die Belange der Erfindung darauf ankommt, dass die linearen Teilbereiche „gerade“ sind, und sie betont auch nicht, dass die genaue Form oder Geometrie der linearen Teilbereiche für die Belange der Erfindung entscheidend ist.

 

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten steht dem gefundenen Auslegungsergebnis auch nicht entgegen, dass der Patentanspruch hinsichtlich der geforderten Linearität der betreffenden Teilbereiche keine Abschwächungen bzw. Relativierungen enthält, wohingegen er in Bezug auf die geforderte S-Form der zweiten Umfangssegmente ausdrücklich ein Muster ausreichen lässt, das einer „im Allgemeinen“ S-förmigen Struktur „ähnelt“ (Merkmal 3.6.1), und wohingegen er in Bezug auf die ersten und zweiten helikalen Segmente jeweils nur verlangt, dass diese „im Allgemeinen“ parallel zueinander verlaufen (Merkmale 3.6.6 und 3.6.7). Aus dem Fehlen einer derartigen Abschwächung oder Relativierung in Bezug auf die in Rede stehenden Teilbereiche der Umfangssegmente lässt sich schon deshalb nichts herleiten, weil der Patentanspruch von „linearen Teilbereichen“ – und nicht von „geraden Teilbereichen“ –  spricht und der Begriff „linear“ eben nicht nur die Bedeutung „gerade“ hat.

 

Bei den linearen Teilbereichen muss es sich damit nur um längliche Abschnitte handeln. Diese müssen nicht notwendig exakt gerade sein, sondern können in ihrem Verlauf auch leicht gekrümmt sein. Eine Auslegung des Patentanspruchs dahin, dass die linearen Teilbereiche zwingend exakt gerade sein müssen, würde dem technischen Gehalt der patentierten Erfindung nicht gerecht werden. Denn in der Patentschrift gebrauchte Begriffe sind funktionsorientiert so auszulegen, wie es die technische Funktion verlangt, die das betreffende Merkmal im Zusammenwirken mit der übrigen technischen Lehre des Patentanspruchs bei der Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe zu erfüllen hat. So ist es namentlich verfehlt, für die Deutung des Patentanspruchs an einem Begriffsverständnis zu haften, wenn dieses zu einer Differenzierung zwischen vom Anspruch erfassten und außerhalb des Patentanspruchs liegenden Ausführungsformen führt, die angesichts des technischen Inhalts der Erfindung unangebracht ist (vgl. BGH, Mitt. 2016, 17 – Luftkappensystem). Genau darauf läuft die gegenteilige Auslegung der Verfügungsbeklagten jedoch hinaus.

 

Dafür, dass der Fachmann den Begriff „linear“ vorliegend nicht im Sinne von „gerade“ versteht, spricht indiziell auch, dass der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Verfügungspatents im Einspruchsbeschwerdeverfahren die WO 00/30AAH A1 (D3) entgegengehalten worden ist, auf die sich die Konzernmutter der Verfügungsbeklagten auch im nunmehr anhängigen Nichtigkeitsverfahren stützt (B11 = NK 14). Die nachfolgend wiedergegebene Figur 9 zeigt den in dieser Schrift offenbarten Stent:

 

Die linearen Teilbereiche der Segmente dieses bekannten Stents sind ersichtlich nicht exakt gerade, sondern weisen in ihrem Verlauf leichte Krümmungen auf. Im Einspruchs(beschwerde)verfahren ist – soweit ersichtlich – von keiner Seite geltend gemacht worden, dass es bei diesem Stand der Technik an „linearen“ Teilbereichen fehlt. Dies hat auch weder die Einspruchsabteilung noch die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in Erwägung gezogen, die sich beide ausführlich mit der WO 00/30AAH A1 befasst haben.

 

Die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Privatgutachten geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

 

Der Privatgutachter Dr. G vertritt in seinem Gutachten (Anlage B 25a, S. 6) zwar die Auffassung, dass es sich bei einem linearen Teilbereich um eine Verbindung mit gerader Linie handele. Das folgert er jedoch allein aus dem Umstand, dass die Patentschrift zwischen einem gebogenen und einem linearen Teilbereich unterscheidet. Da der Begriff „gebogen“ die Abweichung von einer geraden Linie beschreibe, müsse ein „linearer“ Teilbereich eine Verbindung mit einer geraden Linie sein (Anlage B 25a, S. 6). Auf die Funktion der beiden Teilbereiche im Rahmen der Erfindung geht der Privatgutachter der Verfügungsbeklagten nicht ein. Er ist im Übrigen auch Maschinenbauer und offenbar nicht mit der Entwicklung und/oder Herstellung von Stents vertraut.

 

Der Privatgutachter Dr. H weist in seinem Gutachten (Anlage B 28, S. viii) lediglich darauf hin, dass die Verfügungspatentschrift an keiner Stelle einen Vergleich zwischen Biegungen bei gebogenen und linearen Elementen anstelle, weshalb es seiner Auffassung nach eine „spezifische und zweckbestimmte“ Auslegung des Begriffs „linear“ zu geben „scheint“. Ein in der Patentschrift gebrauchter Begriffe ist jedoch – wie ausgeführt – grundsätzlich funktionsorientiert so auszulegen, wie es die technische Funktion verlangt, die das betreffende Merkmal im Zusammenwirken mit der übrigen technischen Lehre des Patentanspruchs bei der Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe zu erfüllen hat. Soweit der Privatgutachter der Verfügungsbeklagten ferner ausführt, dass sich ein nicht gerades Element nach den eigenen Erläuterungen des Privatgutachters der Verfügungsklägerin unter dem Einfluss von Verformungskräften anders verhalten werde als ein gerades, nicht gebogenes Element, mag sich eine Strebe mit einem leicht gebogenen Verlauf tatsächlich etwas anders verhalten als eine gerade Strebe (vgl. dazu bereits oben). Das ist für die Zwecke der Erfindung jedoch unerheblich, solange die oben beschriebene Funktion der linearen Teilbereiche hierdurch nicht beeinträchtigt wird, wenn sie mit den als Gelenke fungierenden gebogenen Teilbereichen verbunden sind, und solange die von dem Stent zu leistende Gefäßunterstützung erreicht wird (vgl. Gutachten D, Anlage AR 33a, Abschn. II Ziff. 22), wie dies offensichtlich auch bei den angegriffenen Stents der Verfügungsbeklagten der Fall ist.

 

Zu dem Gutachten F ist oben bereits Stellung genommen worden. Dieses berücksichtigt insbesondere die nachfolgend noch angesprochenen Zusatzabschnitte nicht.

 

(3)
Jedenfalls schließt es das Verfügungspatent nicht aus, dass zwischen dem linearen Teilbereich und dem gebogenen Teilbereich ein weiterer (z.B. abgewinkelter) Abschnitt vorgesehen ist.

 

Die ersten und die zweiten Umfangssegmente sind im Patentanspruch dahingehend beschrieben, dass sie gebogene und lineare Teilbereiche „aufweisen“. Nach der üblichen Formulierungspraxis lässt dies die Möglichkeit zu, außer den besagten gebogenen und linearen Abschnitten noch weitere Bestandteile vorzusehen. Da es lediglich darauf ankommt, dass die Umfangssegmente auch gebogene und lineare Teilbereiche besitzen, könnte es – rein sprachlich betrachtet – sogar zulässig sein, die Umfangssegmente in erheblichem Umfang mit anderweitigen, ganz anders ausgeformten Abschnitten auszustatten, so dass die gebogenen und linearen Teilbereiche prozentual in die Unterzahl geraten. Es ist allerdings offensichtlich, dass hierdurch das Spreizverhalten des Stents nachhaltig verändert würde, ggf. sogar so weit, dass die angestrebten Vorteile der Erfindung sich überhaupt nicht mehr einstellen. Unter technischen Gesichtspunkten ist deshalb die Annahme gerechtfertigt, dass die Umfangssegmente nicht nur irgendwie „auch“, sondern „maßgeblich“ durch die im Patentanspruch erwähnten gebogenen und linearen Teilbereiche gebildet werden sollen. Dazu zwingt auch der Umstand, dass die linearen Teilbereiche durch die gebogenen Teilbereiche miteinander verbunden sein sollen, wovon nur die Rede sein kann, wenn die gebogenen und die linearen Abschnitte die wesentlichen Bestandteile des Umfangssegments bilden.

 

Ausnahmen sind allerdings anzuerkennen, weil die Figuren 6 und 14 der Verfügungspatentschrift und der korrespondierende Beschreibungstext (Abs. [0018], [0026]) Ausführungsformen betreffen, die außer den linearen Teilbereichen (412) und den gekrümmten Teilbereichen (414) einen zusätzlichen winkelförmigen Teilbereich (417) haben, der an einen linearen Teilbereich angehängt ist. Abgesehen davon, dass der betreffende Zusatzabschnitt (417) bevorzugt an dem dem gebogenen Teilbereich entfernten Ende des linearen Abschnitts angeschlossen ist und einen Winkel zwischen 0 und 45° zur Zylinderachse des Stents einnimmt (Abs. [0018]) sowie einen Abstand (499) zum linearen Teilbereich einnehmen kann, der zwischen 0,002 und 0,020 Zoll liegt (Abs. [0026]), gibt die durch die Einspruchsbeschwerdeentscheidung geänderte Verfügungspatentschrift über den Sinn und Zweck des gezeigten Zusatzabschnitts (417) keine näheren Auskünfte. In Anbetracht der Anspruchsformulierung („umfassen“) und der Ausführungsbeispiele nach den Figuren 6 und 14 lässt sich daher sicher feststellen, dass sich zwischen dem linearen Teilbereich und dem gebogenen Teilbereich grundsätzlich ein weiterer (z.B. abgewinkelter) Abschnitt befinden darf, wobei dieser keine bestimmte Funktion erfüllen muss. Soweit die Verfügungsklägerin auf die Erläuterungen in Absatz [0028] der ursprünglichen B1-Schrift verweist, steht dies dem nicht entgegen. Denn die in Bezug genommenen Passagen sind unstreitig im Einspruchsbeschwerdeverfahren aus der Patentschrift gestrichen worden und damit nicht mehr – jedenfalls nicht mehr schutzbereichsbegründend – bei der Auslegung des Patentanspruchs zu berücksichtigen. Für die Auslegung des Patentanspruchs ist nunmehr allein die im Einspruchsbeschwerdeverfahren geänderte Patentbeschreibung maßgeblich. Dass dem Fachmann die im ursprünglichen Absatz [0028] erläuterten Zusammenhänge allgemein bekannt sind und er den Sinn und Zweck der abgewinkelten Zusatzabschnitte auch ohne Erläuterung so versteht, wie dies im Absatz [0028] der ursprünglichen B1-Schrift dargetan ist, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Verfügungsbeklagte hat derartiges im Verhandlungstermin auch auf entsprechende Nachfrage nicht geltend gemacht.

 

Ohne Erfolg macht die Verfügungsbeklagte ferner geltend, dass die gebogenen und linearen Teilbereiche intakt bleiben müssen. Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen. Der Einfügung eines Zusatzabschnittes zwischen dem als Gelenk fungierenden gebogenen Teilbereich und dem linearen Abschnitt, steht dies – wie die Figuren 6 und 14 der Verfügungspatentschrift verdeutlichen – jedoch nicht entgegen. Denn trotz der Zusatzausstattung verbleiben in diesem Fall ein intakter gebogener Teilbereich und ein intakter linearer Teilbereich.

 

So sicher sich deshalb in Anbetracht der Anspruchsformulierung und der Ausführungsbeispiele nach den Figuren 6 und 14 feststellen lässt, dass sich zwischen dem linearen Teilbereich und dem gebogenen Teilbereich ein weiterer Abschnitt befinden darf, so klar liegt allerdings auch auf der Hand, dass eine Zusatzausstattung nicht uferlos möglich sein kann, was sich schon daraus ergibt, dass die Umfangssegmente „maßgeblich“ durch die im Patentanspruch erwähnten gebogenen und linearen Teilbereiche gebildet werden. Mit Blick auf die angegriffenen Ausführungsformen bedarf es im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, in welchem Ausmaß genau derartige Zusatzabschnitte möglich und zulässig sind. Der angesprochene Fachmann wird mangels gegenteiliger Anhaltspunkte jedenfalls Streben mit einem zwischen dem gebogenen Teilbereich und dem linearen Teilbereich vorgesehenen Zusatzabschnitt als patentgemäß ansehen, bei denen der lineare Teilbereich deutlich länger ist als der Zusatzabschnitt.

 

Dass Zusatzabschnitte in der Patentbeschreibung ausdrücklich nur für die zweiten Umfangssegmente beschrieben sind, bedeutet nicht, dass sie als fakultative Bestandteile der ersten Umfangssegmente nicht infrage kommen. Angesichts des grundsätzlich identischen Aufbaus beider Sorten von Umfangssegmenten (gebogene Teilbereiche, lineare Teilbereiche, S-Form bzw. Wiederholungsmuster) ist das Gegenteil der Fall.

 

c)

Was das zwischen den Parteien ferner streitige Merkmal 3.7 anbelangt, gibt dieses vor, dass die gebogenen Teilbereiche (328) der ersten Umfangssegmente (50) die linearen Teilbereiche (320) miteinander verbinden, um ein „sich wiederholendes Muster“ zu bilden. In Bezug auf die ersten Umfangssegmente begnügt sich der Patentanspruch insoweit nicht mit der Anweisung, dass jeweils fünf lineare Teilbereiche durch vier gebogene Teilbereiche miteinander verbunden sind. Der Anspruch gibt darüber hinaus auch vor, wie die Verbindung zwischen gebogenen und linearen Stentabschnitten zur Bildung eines ersten Umfangssegments erfolgen soll, nämlich so, dass ein sich wiederholendes Muster entsteht. Da die vorzunehmende Maßnahme (= Ursache) in einer Verbindung der Einzelabschnitte ein- und desselben ersten Umfangssegments besteht, versteht es sich, dass auch die durch diese Maßnahme hervorgerufene Wirkung, nämlich die Entstehung eines sich wiederholenden Musters, auf eben dieses eine, nämliche Umfangssegment zu lesen ist. Letzteres gilt umso mehr, als der Patentanspruch für jedes zylindrische Element mehrere erste Umfangssegmente vorsieht, es hierbei aber nicht ausschließt, die mehreren ersten Umfangssegmente des zylindrischen Elements im Rahmen der Anspruchsmerkmale abweichend voneinander auszugestalten, indem z.B. für jedes einzelne Umfangssegment gebogene Teilbereiche anderer Krümmung verwendet werden. Unter solchen Umständen ist nicht ersichtlich, wie die zwischen den gebogenen und den linearen Teilbereichen des einen Umfangssegments vorgenommene Verbindung zu einem Muster führen kann, das sich in dem anderen Umfangssegment wiederholt.

 

Das hiesige Verständnis steht den Erwägungen der Technischen Beschwerdekammer in der Einspruchsbeschwerdeentscheidung (Anlage AR 9a, S. 33 Rn. 4.5) nicht entgegen. Als Wiederholungsmuster wird dort ein Muster verstanden, das durch bestimmte „Unterelemente in Wiederholung“ gebildet ist. Es sind dies die fünf linearen Teilbereiche, die mithilfe der vier gebogenen Teilbereiche zu einem ersten Umfangssegment zusammengefügt sind.

 

Auch Abs. [0015] der Patentbeschreibung steht dem gefundenen Resultat nicht entgegen, sondern bestätigt dieses ganz im Gegenteil. Am angegebenen Ort heißt es:

 

„Das erste umlaufende Segment 50 ist ein expandiertes Segment, das aus einer Vielzahl von Segmenten besteht, die miteinander verbunden sind und so ein sich wiederholendes Muster bilden. Das Muster, wie das in den Abbildungen 1 bis 3 gezeigte Beispiel, kann ein sich wiederholendes Muster sein, das eine Rechteckwellenform mit geschwungenen Wellenkämmen und -tälern ähnelt. Andere sich wiederholende Muster können verwendet werden, die es dem Segment ermöglichen, sich auszudehnen, wenn eine Radialkraft vom Inneren auf den Stent wirkt, oder radial zu kollabieren, wenn von außen eine Kraft auf den Stent einwirkt.“

 

Satz 1 dieser Textstelle befasst sich eindeutig mit einem singulären ersten Um-fangssegment und gibt der Sache nach lediglich das entsprechende An-spruchsmerkmal wieder. Ein sich wiederholendes Rechteckwellenmuster mit geschwungenen Wellenkämmen und Wellentälern, wie in den Figuren 1 bis 3 dargestellt, ist problemlos schon innerhalb eines einzigen Umfangssegments zu erkennen, und zwar mit zwei Wellenkämmen und zwei Wellentälern. Nichts an dem zitierten Text zwingt zu der Annahme, dass mit dem Wiederholungsmuster nicht die Geometrie des einzelnen Umfangssegments gemeint sein könnte, sondern eine Musterwiederholung, die sich erst über den Gesamtumfang des mehrere erste Umfangssegmente umfassenden zylindrischen Elements einstellt.

 

In technischer Hinsicht mag zutreffen, dass die Ausgestaltung der ersten und zweiten Umfangssegmente einen wesentlichen Beitrag zu einem verbesserten (sic.: gleichmäßigen) Stent-Gefäß-Verhältnis liefert. Mit Blick auf die zweiten Umfangssegmente dürfte hierfür die Zusammenfügung der drei linearen und zwei gebogenen Teilabschnitte zu einer „S-Form“ verantwortlich sein. Das Abstellen auf ein Wiederholungsmuster kam bei den zweiten Umfangssegmenten nicht infrage, weil die Zahl der linearen (drei) und gebogenen (zwei) Teilbereiche offensichtlich nicht genügt, um innerhalb des Segments ein sich wiederholendes Muster hervorzubringen. In Bezug auf die ersten Umfangssegmente fehlt es an einer der „S-Form“ gleichartigen Vorgabe im Patentanspruch, allerdings ist auch hier die Aneinanderreihung der fünf linearen und vier gebogenen Teilabschnitte nicht in das freie Belieben des Fachmanns gestellt, sondern beschränkend konkretisiert. An die Stelle der „S- Form“ des zweiten Umfangssegments tritt bei den ersten Umfangssegmenten das Wiederholungsmuster, nämlich die Anweisung, die gebogenen und linearen Abschnitte als Bausteine des einzelnen Umfangssegments so in Wiederholung zu kombinieren, dass sich ein Muster ergibt. Wie die Figurendarstellungen des Verfügungspatents veranschaulichen, entsteht auch hierbei eine Struktur, die zu einer prinzipiell gleichmäßigen Abstützung der Gefäßwand führt.

 

Eine andere Frage ist, ob es für die Zwecke der Erfindung auf eine hundert-prozentige Übereinstimmung der sich wiederholenden Unterelemente ankommt, so dass jedes der in einem ersten Umfangssegment verwendeten linearen Teilbereiche exakt allen anderen linearen Teilbereichen desselben Umfangssegments und jeder in einem ersten Umfangssegment verwendete gebogene Teilbereich allen anderen gebogenen Teilbereichen desselben Umfangssegments entsprechen muss. Letztere Frage ist zu verneinen, weil der Verfügungspatentschrift für eine solche Einschränkung nichts zu entnehmen ist. Der angesprochene Fachmann geht deshalb davon aus, dass gewisse Formtoleranzen hinnehmbar sind, solange sie das Entstehen eines einheitlichen Musters im Umfangssegment, wie z.B. Rechteckwellenform mit zwei Wellenkämmen und zwei Wellentälern bei ungefähr gleichem Krümmungsradius, nicht verhindern. Auch die technische Funktion eines einheitlichen Stent-Gefäß-Verhältnisses wird durch solche geringfügigen Varianten nicht beeinträchtigt.

 

Für die Richtigkeit dieses Verständnisses spricht auch, dass es sich bei dem in Merkmal 3.7 angesprochenen Wiederholungsmuster der ersten Umfangssegmente um das Pendant zu der S-Form der zweiten Umfangssegmente handelt. Was letzteres Muster anbelangt, verlangt der Patentanspruch nicht die Einhaltung einer strengen S-Form, sondern nur ein Muster, das einer im Allgemeinen S-förmigen Struktur ähnelt (Merkmal 3.6.1). Im Hinblick darauf, dass bei dem ersten Umfangssegment an die Stelle der „S-Form“ das „Wiederholungsmuster“ tritt, erschließt sich dem angesprochenen Fachmann, dass es auch bei dem ersten Umfangssegment schwerlich auf eine hundertprozentige Übereinstimmung der sich wiederholenden Unterelemente ankommen kann. Dem steht nicht entgegen, dass das Merkmal 3.7 keine dem Merkmal 3.6.1 vergleichbare Relativierung bzw. Abschwächung enthält. Einer solchen Bedarf es in Merkmal 3.7 nicht, weil der Begriff „Wiederholungsmuster“ schon für sich eine inhaltlich großzügigere Deutung zulässt als die Angabe „S-Form“.

 


  1. Hiervon ausgehend machen beide angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß Gebrauch.

 

  1. a)
    Die angegriffenen Stents entsprechen den Anforderungen der Merkmale 3.6.1 und 3.6.2.

 

aa)

Hinsichtlich der Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform „B“ kann auf die von Verfügungsklägerin in zweiter Instanz vorgelegten Fotografien abgestellt werden, gegen die die Verfügungsbeklagte keine Einwände erhoben hat. Diese mit einem SEM-Mikroskop angefertigten Fotos, von denen nachstehend eines eingeblendet wird, zeigen unstreitig einen B-Stent des Typs I im gecrimpten Zustand:

 

 

 

Die ersten Umfangssegmente und die zweiten Umfangssegmente der angegriffenen Ausführungsform „B“  haben danach die aus den nachfolgend eingeblendeten Abbildungen ersichtliche Struktur, wobei in diesen Abbildungen zur besseren Verdeutlichung das erste Umfangssegment grün und das zweite Umfangssegment gelb eingefärbt ist:

 

 

 

bb)

Die geforderte Linearität ist jeweils gegeben, und zwar aus zwei Gründen:

 

Auf ihrer gesamten Längserstreckung haben die zwischen den gebogenen Teilbereichen vorgesehenen mittleren Streben der ersten Umfangssegmente zwar keinen exakt geraden Verlauf, weil sich am jeweiligen Ende zwei kurze abgewinkelte bzw. gekrümmte Teilabschnitte befinden. Es werden hierdurch jedoch keine Gelenke gebildet und über die Gesamtstrecke betrachtet ergibt sich ein lediglich geringfügig gekrümmter Verlauf, der ohne weiteres als „linear“ bezeichnet werden kann.

 

Wollte man dem nicht folgen, gilt jedenfalls Folgendes: Die mittlere Strebe der ersten Umfangssegmente setzt sich aus drei Abschnitten zusammen, die abgewinkelt aneinander angeschlossen sind. Die beiden äußeren, jeweils an einen gebogenen Teilbereich angreifenden Abschnitte sind deutlich kürzer als der mittlere, schräg gestellte Abschnitt, welcher ersichtlich über eine längere Strecke gerade verläuft; darüber hinaus haben die äußeren Abschnitte auch im Vergleich zueinander eine unterschiedliche Länge. Berücksichtigt man die Größenverhältnisse, kann der mittlere, längste Abschnitt der Mittelstrebe ohne weiteres als linearer Teilbereich der ersten Umfangssegmente aufgefasst werden. Denn er erstreckt sich gerade zwischen gebogenen Teilbereichen. Die einzelnen an den jeweiligen Enden zwischengeschalteten kürzeren Abschnitte können als zusätzliche winkelförmige Teilbereiche (417) angesehen werden, wie sie in den Figuren 6 und 14 der Verfügungspatentschrift gezeigt und in den Absätzen [0018] und [0026] der Patentbeschreibung mit Worten erläutert sind. Die Figurendarstellungen des Verfügungspatents machen insofern deutlich, dass die Zusatzabschnitte eine durchaus nennenswerte Erstreckung haben können. Selbst wenn der längere der beiden äußeren Endbereiche der Mittelstrebe eine größere Ausdehnung als in den Figuren der Verfügungspatentschrift gezeichnet haben mag, handelt es sich immer noch um einen untergeordneten Längenabschnitt, der nichts daran ändert, dass der Mittelbereich der Strebe die deutlich größte Ausdehnung besitzt.

 

Für die dreiteilige Strebe der zweiten Umfangssegmente gilt sinngemäß dasselbe.

 

  1. cc)
    Entsprechendes gilt für die angegriffene Ausführungsform „C“. Diese weist unstreitig die gleiche Grundstruktur wie der „B“-Stent auf. Letztere Ausführungsform ist nur zusätzlich mit einem Wirkstoff beschichtet, wohingegen der
    „C“-Stent eine solche – für die patentrechtliche Beurteilung unerhebliche – Be­schichtung nicht aufweist. Das oben Gesagte gilt deshalb auch für die angegriffene Ausführungsform „C“.

 

dd)

Die von der Verfügungsbeklagten in erster Instanz im Übrigen angesprochenen Gesichtspunkte stehen einer Verwirklichung der Merkmale 3.6.1 und 3.6.2 nicht entgegen.

 

b)

Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen auch das Merkmal 3.7 wortsinngemäß.

 

Die geringfügig andersartige Ausgestaltung der mittleren Strebe der ersten Umfangssegmente führt zwar zu einer gewissen Uneinheitlichkeit des Erscheinungsbildes; in weitgehender Übereinstimmung mit den Ausführungsbeispielen des Verfügungspatents entstehen jedoch mäandrierende Schlaufen, die sich als Rechteckwellenform mit zwei Wellenkämmen und zwei Wellentälern ansprechen lassen. Dies reicht für ein sich wiederholendes Muster aus, nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass das Stent-Gefäß-Verhältnis durch die angesprochene Variation der mittleren linearen Strebe kein durchgreifend anderes ist. Die bestreitenden Darlegungen der Verfügungsbeklagten (vgl. insb. Schutzschrift, S. 16 [Bl. 58 GA]) leiden daran, dass hier die angegriffenen Ausführungsformen mit dem Ausführungsbeispiel nach Figur 3 der Verfügungspatentschrift verglichen werden, während es tatsächlich darauf ankommt, dasjenige Aufspreizverhalten zum Vergleich heranzuziehen, das sich bei einer noch wortsinngemäßen Ausgestaltung nach dem Vorbild der Figur 6 einstellt. Aber selbst für einen Verlauf entsprechend Figur 3 belegen die vergleichenden Darstellungen der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 03.08.2015 (bei den Anlagen der Beklagten; S. 21; insgesamt gerade Stentabschnitte versus abgewinkelte Stentabschnitte) anschaulich, dass sich beim Expandieren des Stents praktisch gleich große Zellen ergeben, so dass das Maß der Abstützung für die Gefäßwand in beiden Fällen praktisch dasselbe ist.

 

  1. c)
    Dass die angegriffenen Ausführungsformen die übrigen Anspruchsmerkmale verwirklichen, steht zwischen den Parteien – zu Recht – außer Streit und bedarf daher keiner weiteren Begründung.

 

III.

Die Verfügungsbeklagte ist passivlegitimiert.

 

Die Verfügungsbeklagte ist unstreitig Betreiberin der auf Europa und damit auch auf Deutschland ausgerichteten Website „J-europe.com“. Auf dieser Website wird – wie die Verfügungsbeklagte im Verhandlungstermin nicht mehr in Abrede gestellt hat – u.a. die angegriffene Ausführungsform „B“ dargestellt und beworben.  Außerdem wird die Verfügungsbeklagte auf dieser Website in den Rubriken „K“ und „J L Units“ aufgeführt wird (Anlage AR 5), wozu auch passt, dass sie sich selbst in der auch von ihr eingereichten Schutzschrift als „europäische Zentrale“ bezeichnet hat. In diesem Zusammenhang hat die Verfügungsbeklagte überdies eingeräumt, dass die Verfügungsbeklagten, mithin auch sie selbst, die angegriffenen Ausführungsformen „vertreiben (vgl. Schutzschrift, Seite 5 [Bl. 47 GA]). Bereits dies rechtfertigt den Schluss, dass die Verfügungsbeklagte in ihrer Eigenschaft als „europäische Zentrale“ des J-Konzerns an dessen Vertriebsaktivitäten maßgeblich beteiligt ist. Aus den von der Verfügungsbeklagten als Anlage B 21 (deutsche Übersetzung Anlage B 21a) überreichten eidesstattlichen Versicherung ergibt sich zudem, dass seit 2010 Informationen über die angegriffene Ausführungsform „C“ auf der Website „J-europe.com“ präsentiert worden sind. Damit ist auch diese angegriffene Ausführungsform von der Verfügungsbeklagten im Internet beworben und in schutzrechtsverletzender Weise angeboten worden. Zwar ist das Internetangebot in englischer Sprache abgefasst. Die in Rede stehende Website ist aber auf Europa und damit auch auf Deutschland ausgerichtet. Der wirtschaftlich relevante Bezug zum Inland ergibt sich daraus, dass in Deutschland bekanntermaßen potentielle Abnehmer der beworbenen Stents ansässig sind, so dass offensichtlich ist, dass mit der Werbung auch diese Kreise angesprochen werden sollen. Diese verstehen das in englischer Sprache abgefasste Angebot, weil die englische Sprache auf dem Gebiet der Medizintechnik gebräuchlich ist. Darüber hinaus ergibt sich der erforderliche Inlandsbezug daraus, dass auf der Website in der Rubrik „J Euro Offices“ auch die in Deutschland geschäftsansässige, von der Verfügungsklägerin gesondert in Anspruch genommene J Deutschland GmbH aufgeführt wird (vgl. Anlage AR 5), so dass sich Interessenten aus Deutschland, die die auf der Website beworbenen Stents erwerben wollen, ggf. auch unmittelbar an diese wenden können.

 

Dass die Verfügungsklägerin als „europäische Zentrale“ des J-Konzerns an den Vertriebsaktivitäten in Deutschland (mit-)täterschaftlich mitwirkt, ergibt sich schließlich auch daraus, dass die angegriffenen Stents nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten im Verhandlungstermin aus Japan an Krankenhäuser in Deutschland geliefert werden, wo sie in sog. Consignment-Lagern in der Weise vorrätig gehalten werden, dass ein Eigentumsübergang von der hiesigen Verfügungsbeklagten auf das Krankenhaus erst mit der Entnahme des Stents aus dem Lager erfolgt und die Verfügungsbeklagte Zugriff auf das Lager hat. Eigentümerin und Mitbesitzerin, jedenfalls aber mittelbare Besitzerin, der an die Krankenhäuser gelieferten Stents ist danach bis zu deren Entnahme aus dem Lager die Verfügungsbeklagte.

 

Da die Verfügungsbeklagte damit entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat, kann die Verfügungsklägerin sie nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung in Anspruch nehmen; als ausschließliche Lizenznehmerin an dem Gegenstand des Verfügungspatents gehört sie zu den Verletzten im Sinne der letztgenannten Bestimmung.

 

IV.

Der Unterlassungsanspruch kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden; der hierzu notwendige Verfügungsgrund liegt vor. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung wiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin, ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen, schwerer als das Interesse der Verfügungsbeklagten, die angegriffenen Ausführungsformen weiterhin in Deutschland anzubieten und zu vertreiben.

 


  1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. InstGE 9, 140 = GRUR-RR 2008, 329 – Olanzapin; InstGE 12, 114 = Mitt. 2011, 193 – Harnkatheter; GRUR-RR 2011, 81 = Mitt. 2012, 178 – Gleitsattel-Scheibenbremse; Urteil vom 20.01.2011– I-2 U 92/10, juris; Urteil vom 24.11.2011 – I-2 U 55/10, juris und Mitt. 2012, 413 [LS]; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12, juris; Mitt. 2012, 415 – Adapter für Tintenpatrone; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. – Flurpitin-Maleat; Urteil vom 07.11.2013 – I-2 U 94/12, juris und GRUR-RR 2014, 240 [LS]), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungspatents im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers (Verfügungsklägers) zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist.

 

In Patentverletzungsstreitigkeiten ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes besonders sorgfältig zu prüfen. Gerade hier ergeben sich regelmäßig besondere Schwierigkeiten daraus, die Schutzfähigkeit bzw. Rechtsbeständigkeit des Antragsschutzrechtes innerhalb kurzer Zeit und ohne eine dem Verfahren der Hauptsache entsprechende schriftsätzliche Vorbereitung sachgerecht zu beurteilen. Die eingeschränkten Möglichkeiten treffen besonders den Antragsgegner. Während dem Antragsteller, der sich zwar beschleunigt um eine Durchsetzung seiner Rechte bemühen muss, um die zeitliche Dringlichkeit nicht zu beseitigen, auch unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO regelmäßig ausreichend Zeit bleibt, den Rechtsbestand des Schutzrechtes vor dem Einreichen eines Verfügungsantrages sorgfältig zu prüfen, sieht sich der Antragsgegner auch im Falle einer vorherigen mündlichen Verhandlung nach der Zustellung des Verfügungsantrags regelmäßig erheblichem Zeitdruck ausgesetzt, um in der verhältnismäßig kurzen Zeit bis zum Verhandlungstermin seine Verteidigung aufzubauen. Ergeht eine Unterlassungsverfügung, greift sie darüber hinaus meist in sehr einschneidender Weise in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners ein und führt während ihrer Bestandsdauer zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs (Senat, InstGE 9, 140, 145 – Olanzapin; InstGE 112, 114, 118 f. – Harnkatheter).

 

Das alles bedeutet aber nicht, dass eine einstweilige Verfügung wegen Patentverletzung generell nicht oder nur in ganz besonders seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Derartige Restriktionen widersprächen Art. 50 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 (BGBl. II. Seite 1730), welcher die gerichtliche Anordnung einstweiliger Maßnahmen zur Verhinderung der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums oder zur Sicherung einschlägiger Beweise ausdrücklich vorsieht. Eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung verlangt allerdings in der Regel, dass die Rechtsbeständigkeit des Antragsschutzrechts hinlänglich gesichert ist (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 112, 114, 119 – Harnkatheter). Zweifel an der grundsätzlich zu respektierenden Schutzfähigkeit des Verfügungspatents können das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ausschließen. Die Einschätzung der Rechtsbeständigkeit muss das Verletzungsgericht in eigener Verantwortung vornehmen (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Es kann sich also nicht kurzerhand auf den Erteilungsakt verlassen, sondern hat selbständig zu klären, ob angesichts des Sachvortrages des Antragsgegners ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Verfügungspatent ggf. keinen Bestand haben wird. Seine Vernichtung muss als Folge der Einwendungen des Antragsgegners aus Sicht des Verletzungsgerichts nicht zwingend und sie muss auch nicht überwiegend wahrscheinlich, aber aufgrund einer in sich schlüssigen, vertretbaren und letztlich nicht von der Hand zu weisenden Argumentation des Antragsgegners möglich sein, um einem Verfügungsantrag den Erfolg versagen zu können (Senat, InstGE 112, 114, 119 – Harnkatheter).

 

Grundsätzlich kann von einem hinreichenden Rechtsbestand nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 112, 114, 121 – Harnkatheter). Um ein Verfügungspatent für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats daher grundsätzlich einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen.

 

Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, grundsätzlich von einem hinreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 41/11; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12, juris). Mit dem Gebot eines effektiven vorläufigen Rechtsschutzes in Patentsachen (Art. 50 Abs. 1 TRIPS, Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a) Enforcement-RL) wäre es nicht zu vereinbaren, wenn das Verletzungsgericht, bevor es einstweilige Maßnahmen anordnet, stets den rechtskräftigen Abschluss des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abwarten würde. Vielmehr hat es die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft. Das gilt ganz besonders für Entscheidungen einer Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes, denen ein besonderes Vertrauen hinsichtlich ihrer sachlichen Richtigkeit und Verlässlichkeit zukommt.

 

Grund, eine ergangene Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben. Allein der Umstand, dass Ent­gegen­haltungen präsentiert werden, die als solche noch nicht im Rechtsbestandsverfahren gewürdigt worden sind, ist allerdings belanglos; maßgeblich ist, ob sie einen Stand der Technik repräsentieren, der näher an der Erfindung liegt als der bereits fachkundig geprüfte. Demgegenüber ist es nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 41/11; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12).

 


  1. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents hier als hinreichend gesichert anzusehen.

 

Vorliegend war der Konzern der Verfügungsbeklagten sowohl am Einspruchs- als auch am Einspruchsbeschwerdeverfahren beteiligt. Im Nichtigkeitsverfahren wird ausschließlich mangelnde Erfindungshöhe reklamiert, wobei mit D1 bis D4, D6 und D7 insgesamt sechs neue Druckschriften eingeführt werden, für die nicht ersichtlich ist, warum sie nicht schon zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gemacht worden sind. Das ist umso erstaunlicher, als es sich um übliche und damit in den geläufigen Datenbanken prinzipiell leicht auffindbare Patentdokumente handelt und der angegriffene Konzern zu einem bedeutenden und weltweit agierenden Konkurrenten auf dem Gebiet der Stent-Technologie gehört, was einen entsprechenden Überblick über den Stand der Technik und professionelle Recherchemöglichkeiten und –erfahrungen erwarten lässt. Ungeachtet dessen werden 11 Kombinationsmöglichkeiten behauptet, die zum Gegenstand des Patentanspruchs führen sollen (D1, D1 + D2, D1 + D8, D3 + D4, D6 + D7, D6 + D8, D11 + D13, D8 + D7, D8 + D9, D8 + D14, D12). Die Beliebigkeit der Kombination lässt den Verdacht einer rein rückschauenden Rekonstruktion der Erfindung aufkommen, die selbstverständlich unzulässig ist. Zweifellos werden sich in der Vielzahl vorbekannter Stent-Geometrien alle Einzelmerkmale des Patentanspruchs irgendwo nachweisen und wiederfinden lassen. Beim Naheliegen geht es jedoch darum, dass der Fachmann ohne Kenntnis des Verfügungspatents einen nachvollziehbaren Anlass dafür gehabt hat, eine bestimmte Ausgangs-Geometrie (die noch nicht vollständig dem Verfügungspatent entsprochen hat) mit einem oder mehreren bestimmten Einzelmerkmal(en) einer anderen vorbekannten Stent-Geometrie zu der Merkmalskombination des Verfügungspatents zu verbinden. Hierbei ist zu bedenken, dass jedes Stent-Design im Zweifel ein in sich geschlossenes Gestaltungskonzept mit bestimmtem Wirkungsprofil darstellt, in das sich nicht ohne weiteres einzelne Design-Elemente eines anderen Gestaltungskonzepts sinnvoll unterbringen lassen. Wegen der bereits vorliegenden fachkundigen Beschwerdekammerentscheidung ist in diesem Zusammenhang – worauf der Senat im Termin hingewiesen hat – von der Verfügungsbeklagten konkret aufzuzeigen, welche der neuen Entgegenhaltungen der Merkmalskombination des Verfügungspatents weitgehender entsprechen soll als diejenigen Druckschriften, die in der Beschwerdeentscheidung erörtert worden sind. Dies hat die Verfügungsbeklagte nicht aufgezeigt und dies vermag der Senat auch nicht zu erkennen:

 

  • D1 (Figur 8) zeigt streng symmetrisch aufgebaute Umfangselemente; jeder umlaufende Stentring hat von Verbindungsstelle zu Verbindungsstelle jeweils eine gleiche Anzahl gerader und gebogener Abschnitte, nämlich zwei gerade und zwei gebogene. Dieses Konzept weicht grundlegend von dem asymmetrischen Aufbau des Verfügungspatents (3 + 2 und 5 + 4) ab.

 

  • Dasselbe trifft – soweit ersichtlich – auf D6 (Figur 2) zu.

 

  • D2 (Figur 8) offenbart zwar asymmetrische Umfangselemente, allerdings wechseln sich von Verbindungsstelle zu Verbindungsstelle Elemente mit zwei geraden und einem gebogenen Abschnitt und solche mit vier geraden und drei gebogenen Abschnitten ab. Welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die Zahl der Streben auf 3/2 und 5/4 zu erhöhen, ist nicht ersichtlich.

 

  • Der Stent nach D3 (Figur 2) besitzt Umfangssegmente, die zwischen benachbarten Verbindungsstellen drei gerade und zwei gebogene Abschnitte aufweisen. Zwischen solchen Segmenten befindet sich jedoch eine einzelne gerade Strebe, die an ihren jeweiligen Enden die Anbindung des betreffenden Stentrings an die – oben und unten – angrenzenden weiteren Stentringe herstellt. Die Expansion in vertikaler Richtung wird durch besondere, in sich gebogene Verbindungsstreben gewährleistet, die sich beim Aufspreizen auseinanderfalten. Das alles hat mit der Lehre des Verfügungspatents nicht das Geringste zu tun.

 

  • Der Stent nach D4 (Figur 8) hat Stentringe zwar unterschiedliche, aber völlig anders konzipierte Umfangselementen. Es wechseln sich Seg-mente aus fünf geraden und vier gebogenen Abschnitten mit Einzelstreben ab, die dazwischengeschaltet sind und oben wie unten den Anschluss an die benachbarten Stentringe herbeiführen.

 

Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist unter diesen Umständen als hinreichend gesichert anzusehen.

 

3.

Die Verletzungsfrage ist – wie ausgeführt –  ebenfalls eindeutig zu Gunsten der Verfügungsklägerin zu beantworten. Ist sowohl die Frage der Patentbenutzung als auch die des Bestands des Verfügungspatents im Ergebnis eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beurteilen, überwiegen grundsätzlich seine Interessen gegenüber denjenigen des Verfügungsbeklagten.

 

Die von der Verfügungsbeklagten angeführten Umstände stehen der Bejahung des Verfügungsgrundes nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Verfügungsbeklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie in Deutschland lediglich einen Marktanteil von 1,9 % habe. Wollte man diesem Umstand Bedeutung beimessen, wäre ein Patentinhaber von vornherein daran gehindert, sein Schutzrecht auch gegen „kleinere Marktteilnehmer“ im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen, was mit dem Gebot eines effektiven vorläufigen Rechtsschutzes in Patentsachen und dem Charakter eines Patents als Monopolrecht nicht zu vereinbaren wäre. Abgesehen davon kann auch ein Marktanteil eines Patentverletzers von nur 2 % beim  Patentinhaber bzw. Lizenznehmer zu durchaus erheblichen Umsatzverlusten führen.

 

Den Interessen der Verfügungsbeklagten kann in hinreichender Weise – wie geschehen – wirksam durch die Anordnung einer angemessenen Sicherheitsleistung begegnet werden, von deren Erbringung die Vollziehung der einstweiligen Verfügung abhängig ist (§ 938 ZPO). Eine derartige Anordnung ist in der Regel schon deshalb sinnvoll und geboten, weil damit gewährleistet wird, dass der Unterlassungsausspruch nicht unter geringeren Bedingungen (nämlich ohne Sicherheitsleistung) vollstreckbar ist, als er es bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil (welches gemäß § 709 ZPO stets nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist) wäre. Von einer Sicherheitsleistung kann im Allgemeinen nur abgesehen werden, wenn der Antragsteller entweder zu ihr nicht in der Lage ist oder weil eine Sicherheitsleistung in der Kürze der Zeit nicht beizubringen ist, wofür hier nichts dargetan oder ersichtlich ist.

 


  1. Die zeitliche Dringlichkeit lässt sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ebenfalls nicht verneinen.

 

  1. a)
    Der Dringlichkeit einer einstweiligen Unterlassungsverfügung in Patentsachen steht es nicht entgegen, dass der Patentinhaber vor Anbringung seines Verfügungsantrages zunächst die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung abwartet, wenn der Rechtsbestand des Verfügungspatents streitig ist und ein vor der aufrechterhaltenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung eingereichtes Verfügungsbegehren mutmaßlich keine Erfolgsaussicht hat (LG Düsseldorf, InstGE 9, 110 – Dosierinhalator; Senat, InstGE 10, 124 – Inhalator). Das gilt schon deshalb, weil der Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung – wie ausgeführt – grundsätzlich erst nach Abschluss eines solchen zweiseitigen Rechtsbestandsverfahrens in Betracht kommt. Es ist deswegen unschädlich, wenn der Patentinhaber zunächst (sic: vor der Einspruchsentscheidung) bereits eine Hauptsacheklage erhebt und erst während des laufenden Prozesses (sic: nach Vorliegen der ihm günstigen Einspruchsentscheidung) einen Verfügungsantrag anbringt und über beide Anliegen in demselben Termin verhandelt wird (Senat, InstGE 10, 124 – Inhalator). Unter Umständen kann es gerechtfertigt sein, die schriftlichen Entscheidungsgründe abzuwarten (Senat, InstGE 10, 124 – Inhalator), ggf. ist sogar das Abwarten der Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsentscheidung hinzunehmen, nachdem das laufende Rechtsbestandsverfahren erstinstanzlich zugunsten des Schutzrechtsinhabers ausgegangen ist. Das Vorliegen einer erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung stellt insoweit nur eine prinzipielle Minimalbedingung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung dar, aber nicht zugleich auch eine Maximalbedingung für die Verfolgung einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Grund für das Abwarten des weiteren Gangs des Rechtsbestandsverfahrens besteht z.B. dann, wenn berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der zugunsten des Patentinhabers getroffenen und vom Gegner angefochtenen Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsentscheidung bestehen, so dass mit deren Kassation gerechnet werden muss. Die Ungewissheit kann auf neuen Rechtsbestandseinwendungen (z.B. weiteren, der Erfindung näher liegenden Druckschriften des Standes der Technik) beruhen, sie kann sich bei unverändertem Sach- und Streitstand aber auch daraus ergeben, dass die Beurteilung der Rechtsbestandsangriffe objektiv uneindeutig ist oder die erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung das richtige Ergebnis schlicht verfehlt. Die Befugnis zum Abwarten besteht unter solchen Umständen selbst dann, wenn der Verfügungskläger auf der Grundlage der erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung einen Wettbewerber im vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch genommen hat, von einer entsprechenden Rechtsverfolgung aber gegenüber anderen Patentbenutzern absieht, deren Existenz ihm erst bekannt geworden ist, nachdem die möglicherweise erfolgversprechenden Angriffe gegen die erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung aufgekommen sind. Der Vorwurf nachlässiger Rechtsverfolgung wegen des Abwartens der im Rechtsbestandsverfahren ausstehenden Rechtsmittelentscheidung ist bei einer solchen Sachlage regelmäßig schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Weg zu den Gerichten erst beschritten werden muss, wenn der Verfügungskläger alle Vorkehrungen getroffen hat, die einen sicheren Prozesserfolg versprechen. Es ist ihm deshalb gerade nicht zuzumuten, gestützt auf eine ihm zwar günstige, sachlich aber mit guten Gründen angreifbare erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung ein Verfügungsverfahren anzustrengen. Selbst wenn die im Voraus nicht kalkulierbare Chance besteht, dass sein Verfügungsbegehren Erfolg hat, besteht unter solchen Umständen mit gleicher Wahrscheinlichkeit aber auch die Möglichkeit, dass das Verletzungsgericht seine eigene Prüfungspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit der ergangenen Rechtsbestandsentscheidung betont und wegen durchgreifender Bedenken am Rechtsbestand den Erlass einer einstweiligen Verfügung versagt. Und selbst wenn der Verfügungsantrag Erfolg hat, muss die erwirkte Unterlassungsverfügung wegen § 929 Abs. 2 ZPO vollstreckt werden, was eine Garantiehaftung nach § 945 ZPO nach sich zieht. Derartiges ist dem Patentinhaber nur zumutbar, wenn er berechtigterweise auf den sicheren Bestand der erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung vertrauen kann.

 

Die aufgezeigte Ungewissheit des Verfahrensausgangs macht es mindestens aus Kostengründen, nach Lage des Falles aber ggf. auch aus strategischen Erwägungen heraus sachgerecht und vernünftig, den Verletzungsangriff zurückzustellen, bis der Rechtsbestand des Schutzrechts so weit geklärt ist, dass ein Erfolg des Verfügungsbegehrens sicher absehbar ist. Dringlichkeitsbedenken sind bei allem umso weniger angebracht, wenn es im Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsverfahren tatsächlich zu einer weiteren Einschränkung des Verfügungspatents kommt, so dass sich die Befürchtungen des Antragstellers auch objektiv als berechtigt erweisen. Ganz besonders gilt dies, wenn die weitere Beschränkung ein Merkmal betrifft, das in der Benutzung durch die angegriffenen Ausführungsformen ernstlich streitig ist.

 

Jede andere Handhabung hätte zur Konsequenz, dass der Patentinhaber (und zwar jeder) gezwungen wäre, einen Verfügungsantrag bereits auf der Grundlage einer erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung zu stellen, so dass das für Rechtsbestandsfragen originär unzuständige Verletzungsgericht gehalten wäre, sich anstelle der fachkundigen Rechtsmittelinstanz mit den Einwendungen gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung auseinanderzusetzen. Das ist jedenfalls in komplexen und in der Beurteilung nicht eindeutigen Fällen weder sinnvoll noch wünschenswert.

 

Umgekehrt fehlt die Dringlichkeit nicht per se deshalb, weil der Antragsteller ausschließlich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vorgeht und nicht beizeiten eine parallele Hauptsacheklage anhängig macht. Selbst in einer Situation, in der er bei Beantragung der einstweiligen Verfügung bereits im Besitz eines Hauptsachetitels sein könnte, sofern er alsbald nach Entdeckung der Verletzungshandlungen (während des noch laufenden Rechtsbestandsverfahrens) Klage zur Hauptsache erhoben hätte, kann ihm nicht entgegen gehalten werden, ihm sei die Rechtsverfolgung nicht dringlich. Die gegenteilige Argumentation des Verletzers läuft auf das inakzeptable Ergebnis hinaus, dass ihm allein deshalb, weil er nicht schon (längst) einen Hauptsachetitel gegen sich hat, auch weiterhin gestattet bleiben muss, seine eindeutig patentverletzenden Handlungen weiterhin fortsetzen zu können. Abgesehen davon kann es gute Gründe geben, auch vor Erhebung einer Hauptsacheklage den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten. Ist der Bestand des Verfügungspatents ernstlich zweifelhaft, wird jeder vernünftige Kläger schon wegen der ansonsten bestehenden Schadenersatzpflicht davon absehen, einen erstrittenen Hauptsachetitel zu vollstrecken. Dann aber ist es ebenfalls vernünftig, davon abzusehen, sich einen solchen (in der Folge ohnehin nicht zu vollstreckenden) Titel durch Hauptsacheklage zu beschaffen. In jedem Fall kann ein derartiges kostenbewusstes Taktieren nicht als nachlässige Rechtsverfolgung ausgelegt werden, die nach außen dokumentiert, dass es dem Anspruchsteller mit seinen Ansprüchen nicht eilig ist.

 

b)

Hiervon ausgehend steht es der Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin, nachdem sie im Sommer 2014 Kenntnis von der  angegriffenen Ausführungsform „B“ erlangt hat, vor Stellung ihres Verfügungsantrages zunächst den Ausgang des laufenden Einspruchsbeschwerdeverfahrens abgewartet hat.

 

Dafür, dass es vorliegend trotz der (beschränkten) Aufrechterhaltung des Verfügungspatents in erster Instanz durch die Einspruchsabteilung gute Gründe gab, vor Anbringung des Verfügungsantrages zunächst die Einspruchsbeschwerdeentscheidung abzuwarten, spricht schon die Tatsache, dass das Verfügungspatent im Einspruchsbeschwerdeverfahren in geänderter Fassung aufrechterhalten worden ist. Der Patentanspruch 1 des Verfügungspatents ist gegenüber der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung weiter eingeschränkt worden. Neu hinzugekommen sind zwei Merkmale, nämlich die Merkmale 3.7 und 3.8, von denen das das „Wiederholungsmuster“ betreffende Merkmal 3.7 auch verletzungsrelevant ist. Schon aus diesem Grunde ist hier der Vorwurf nachlässiger Rechtsverfolgung wegen des Abwartens der im Einspruchsverfahren ausstehenden Beschwerdeentscheidung nicht gerechtfertigt. Allein die später im Rechtsbestandsverfahren ergangene Entscheidung der Beschwerdekammer belegt vielmehr, dass es hier gute Gründe gab, vor Einreichung eines Verfügungsantrages zunächst erst noch den Ausgang des Einspruchsbeschwerdeverfahrens abzuwarten.

 

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verfügungsklägerin nach Erlass der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung vom 11.02.2013 bereits am 18.02.2013 einen auf das Verfügungspatent gestützten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die M GmbH sowie die M Corporation gestellt hat, auf welchen das Landgericht diese Wettbewerber durch Urteil vom 30.04.2013 (Az. 4b O 12/13) im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. zur Unterlassung verurteilt hat. Zum Zeitpunkt der Stellung dieses Verfügungsantrages hatte die Verfügungsklägerin vom Vertrieb der hier angegriffenen Ausführungsformen durch die Verfügungsbeklagte noch keine Kenntnis. Die angegriffene Ausführungsform „B“ wurde unstreitig ohnehin erst im Juni 2014 auf dem deutschen Markt eingeführt. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts hatte die Verfügungsklägerin erst im Juli 2015 umfassende Kenntnis von der Ausgestaltung dieses Stents. Von der angegriffenen Ausführungsform „C“ hatte sie keine frühere Kenntnis. Die Verfügungsklägerin hat dargetan und glaubhaft gemacht, dass sie von der Existenz dieser Ausführungsform erst im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens Kenntnis erlangt hat. Den Verfügungsantrag gegen die M GmbH und die M Corporation reichte die Verfügungsklägerin damit mehr als zwei Jahre vor Kenntniserlangung von der Benutzung des Verfügungspatents durch die hiesige Verfügungsbeklagte ein. Zum Zeitpunkt der Anbringung dieses Verfügungsantrages, den die Verfügungsklägerin nur wenige Tage nach dem Erlass der Einspruchsentscheidung einreichte, war noch nicht abzusehen, ob die Einsprechenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 11.02.2013 Beschwerde einlegen würden. Auch lagen, als das Landgericht am 26.03.2013 über den gegen M gerichteten Verfügungsantrag verhandelte, die schriftlichen Gründe der Einspruchsentscheidung erst wenige Tage vor, was eine eingehende Überprüfung der Entscheidung und Stellungnahme seitens der von der Verfügungsklägerin im damaligen Verfügungsverfahren in Anspruch genommenen M GmbH und M Corporation, wenn nicht sogar unmöglich machte, so doch ganz erheblich erschwerte. Die M GmbH begründete ihre Beschwerde im Einspruchsverfahren unstreitig erst mit Schriftsatz 17.05.2013; die Konzernmutter der Verfügungsbeklagten reichte ihre Beschwerdebegründung erst am 26.06.2013 ein. Die betreffenden Schriftsätze umfassten unstreitig über 70 Seiten. Die dort im Einzelnen vorgebrachten Argumente konnte das Landgericht bei seiner Entscheidung über den damaligen Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin naturgemäß noch nicht berücksichtigen.

 

Im Sommer 2014 war die Situation eine völlig andere. Die Konzernmutter der Verfügungsbeklagten und M hatten gegen die Einspruchsentscheidung jeweils Beschwerde eingelegt und diese auch begründet, wobei sie ihre Argumente gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents vertieft und ergänzt hatten. Auch hatten die M GmbH und die M Corporation gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.04.2013 (Az. 4b O 12/13) Berufung eingelegt, wobei in dem seinerzeit vor dem Senat geführten Berufungsverfahren (Az. I-2 U 18/13) auch intensiv über den Rechtsbestand des Verfügungspatents gestritten wurde.

 

Es ist auch durchaus nachvollziehbar, dass die Verfügungsklägerin hier zunächst von der Rechtsverfolgung wegen des so genannten poisonous divisional-Angriffs im Einspruchsbeschwerdeverfahren abgesehen hat, welcher ggf. – wenn die zuständige Beschwerdekammer eine wirksame Inanspruchnahme der Priorität verneint hätte und den in der Entscheidung T 1496/11 aufgestellten Rechtsgrundsätzen gefolgt wäre – zum Widerruf des Verfügungspatents hätte führen können. Eine solche Gefahr bestand hier. Immerhin hatte bereits die Einspruchsabteilung die Relevanz der erst spät ins Einspruchsverfahren eingeführten EP 2 311 AAJ (D 18), bei der es sich um die Teilanmeldung zum Verfügungspatent handelt, bejaht (Anlage B 10a, S. 9 Ziff. 3.1.1) und sich mit der Frage befasst, ob das Verfügungspatent die Priorität der US 254 AAK wirksam in Anspruch nehmen kann (Anlage B 10a, S. 9 Ziff. 3.1.2). Außerdem wies die Einspruchsabteilung darauf hin, dass eine Untersuchung der Frage, ob die Unteransprüche des Verfügungspatents die Priorität zu Recht in Anspruch nehmen, die Aussicht darauf, das Einspruchsverfahren mit dem Tag der mündlichen Verhandlung abzuschließen, ernsthaft gefährdet hätte (Anlage B 10a, S. 5 Ziff. 1). Die Verfügungsklägerin durfte hieraus den Schluss ziehen, dass die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent bei einem erfolgreichen Angriff auf die Priorität wohl widerrufen hätte. Hinsichtlich des aufrechterhaltenen Patentanspruchs kam die Einspruchsabteilung zwar zu dem Ergebnis, dass dieser die Priorität wirksam in Anspruch nehmen könne, so dass die EP 2 311 AAJ kein Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ sei. In ihrer Entscheidung führte sie hierzu aus, dass der Gegenstand des aufrechterhaltenen Patentanspruchs in Figur 2a sowie in einer Beschreibungsstelle der US 254 AAK offenbart sei (Anlage B 10a, S. 9 Ziff. 3.1.2). Gegen das von der Einspruchsabteilung gefundene, nur sehr kurz begründete Ergebnis bestanden aber insbesondere im Hinblick auf das bislang im Patentanspruch nicht enthaltene Merkmal 3.8 Bedenken. Dieses Merkmal hatte im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren unstreitig noch keine Rolle gespielt. Schon deshalb hatte der „poisonous divisional“-Angriff in der Beschwerdeinstanz eine ganz andere Qualität als in erster Instanz. Die Konzernmutter der Verfügungsbeklagten hat im Einspruchs(beschwerde)verfahren ohnehin erstmals in ihrer Beschwerdebegründung vom 26.06.2013 eingewandt, dass das Verfügungspatent die Priorität zu Unrecht in Anspruch nehme, und sich auf den „poisonous divisional“-Angriff gestützt. Die Einsprechende M hatte dieses Thema zwar bereits in erster Instanz in ihrem Schriftsatz vom 10.01.2013 aufgegriffen, wobei ihre diesbezüglichen Ausführungen – soweit ersichtlich – allerdings gerade einmal eine Seite umfassten. In ihrer Beschwerdebegründung vom 13.05.2013 befasste sich die Einsprechende M mit diesem Einwand unstreitig ausführlicher als zuvor, wobei sie erstmals konkret bezogen auf den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Patentanspruch schriftsätzlich vortrug. Die Argumentation der Einsprechenden veranlasste die Verfügungsklägerin bzw. die Patentinhaberin im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens sogar dazu, ein umfangreiches Rechtsgutachten zu dieser Frage einzuholen. Soweit die Verfügungsbeklagte die diesbezüglichen Ausführungen der Verfügungsklägerin als verspätet rügt, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, dass sie hiermit bestreiten will, dass dieses Gutachten in Auftrag gegeben worden und am 10.04.2015 erstattet worden ist. Ob die zuständige Beschwerdekammer der Entscheidung T 1496/11 folgen würde, ließ sich im Sommer 2014 nicht voraussehen. Ausgeschlossen war dies nicht, weshalb die Verfügungsklägerin diese Möglichkeit bei ihrem Vorgehen gegen die Verfügungsbeklagte in den Blick nehmen musste. Unter den gegebenen Umständen durfte sie es trotz der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung als zweifelhaft ansehen, ob das anzurufende Verletzungsgericht den Rechtsbestand des Verfügungspatents als hinreichend gesichert ansehen würde und einem Verfügungsantrag gegen die Verfügungsbeklagte entsprechen würde.

 

Für Bedenken hinsichtlich der Dringlichkeit besteht hier letztlich umso weniger Anlass, als die Verfügungsbeklagte explizit geltend macht, die Einspruchsbeschwerdeentscheidung sei offensichtlich fehlerhaft, und ihre Konzernmutter aus diesem Grund den deutschen Teil des Verfügungspatents mit einer Nichtigkeitsklage angreift. Wenn schon jetzt ein ausreichender Rechtsbestand in Abrede gestellt wird, hat er mit der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung erst recht nicht vorgelegen.

 

V.

1.

Der Verfügungsbeklagten ist daher der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen. Von einer Aufnahme der Bezeichnungen der angegriffenen Stents in den Unterlassungsausspruch gemäß dem insbesondere-Antrag der Verfügungsklägerin hat der Senat entsprechend seiner üblichen Tenorierungspraxis abgesehen, weil hierfür kein Bedarf besteht.

 

2.

Ferner besteht auch ein Verwahrungsanspruch zur Sicherung des der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte zustehenden Vernichtungsanspruchs nach § 140a Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ.

 

Zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs kann im Einzelfall eine Verwahrung patentverletzender Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher angeordnet werden (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. G Rn. 32). Vorliegend steht der Verfügungsklägerin ein Vernichtungsanspruch nach § 140a Abs. 1 PatG zu. Denn die Verfügungsbeklagte ist – wie bereits ausgeführt – unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens Eigentümerin und auch Mitbesitzerin, jedenfalls aber mittelbare Besitzerin der an die Krankenhäuser gelieferten Stents bis zu deren Entnahme aus dem Lager durch die Krankenhäuser. Zur Sicherung ihres Vernichtungsanspruchs steht der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Verwahrungsanspruch zu. Gründe, die im Streitfall gegen eine solche Maßnahme sprechen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ist die von der Verfügungsklägerin begehrte Anordnung auch verhältnismäßig, da lediglich Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher verlangt wird.

 

VI.

Die Verfügungsklägerin kann die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung auch auf Auskunftserteilung über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Stents in Anspruch nehmen, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 140b Abs. 1, 3 und 7 PatG. Die Voraussetzungen eines im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren Anspruchs auf Drittauskunft liegen hier vor.

 


  1. Nach § 140b Abs. 1 PatG kann derjenige, der entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt, von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft nach § 140b Abs. 7 PatG im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 ZPO angeordnet werden. Die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung setzt hiernach eine „offensichtliche Rechtsverletzung“ voraus. Liegt eine solche vor, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache, zugelassen (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 8. Aufl., Kap. D Rn. 438).

 


  1. Die „offensichtliche Rechtsverletzung“ ist gegeben, wenn in Bezug auf das auskunftspflichtige Erzeugnis sowohl die tatsächlichen Umstände als auch die rechtliche Beurteilung so eindeutig sind, dass eine Patentverletzung bereits jetzt in einem solchen Maße feststeht, dass eine Fehlentscheidung (oder eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens) und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Anspruchsgegners kaum möglich erscheint (vgl. BT-Drs. 11/4792, S. 32, li. Sp.; OLG Hamburg, InstGE 8, 11 – Transglutaminase; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 140b Rn. 20; Busse/Kaess, PatG, 7. Aufl., § 140b Rn. 7; Mes, PatG/GebrMG, 4. Aufl., § 140b Rn. 47; vgl. ferner Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 386). So verhält es sich hier. Die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen steht in tatsächlicher Hinsicht fest. Dass die angegriffenen Stents die streitigen Anspruchsmerkmale verwirklichen, kann der Senat bereits jetzt – ohne sachverständige Hilfe – abschließend beurteilen. Dass die Verfügungsbeklagte passivlegitimiert ist, steht ebenfalls fest. Schließlich ist auch der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert. Denn das Verfügungspatent hat nicht nur ein erstinstanzliches Einspruchsverfahren, sondern auch ein Beschwerdeverfahren durchlaufen, und zwar unter Beteiligung des Konzerns der Verfügungsbeklagten. Die bloße (nie auszuschließende) Möglichkeit, dass das Verfügungspatent doch auf die nunmehr anhängige Nichtigkeitsklage vernichtet werden könnte, steht der Annahme einer offensichtlichen Rechtsverletzung nicht entgegen (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 386; Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Aufl., § 140b Rn. 14; Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 140b Rn. 20).

 

3.

Die Inanspruchnahme der Verfügungsbeklagten ist nicht unverhältnismäßig. Indem § 140b Abs. 4 PatG vorsieht, dass die Auskunftsansprüche ausgeschlossen sind, wenn die Inanspruchnahme des Verletzers „im Einzelfall“ unverhältnismäßig ist, macht das Gesetz klar, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung die Regelmaßnahme darstellt und dass von ihr nur unter besonderen Umständen abgesehen werden soll, die den Entscheidungsfall von der typischen Sachverhaltsgestaltung unterscheiden, für die § 140b PatG die Pflicht zur Auskunftserteilung anordnet (Senat, InstGE 12, 210 – Gleitsattelscheibenbremse). Derartige Umstände sind hier weder dargetan noch ersichtlich.

 


  1. Der Umfang der Auskunftspflicht ergibt sich aus § 140b Abs. 3 PatG. Die danach anzugebenden Einzeldaten sind im Urteilstenor zu A. I. 2., den der Senat entsprechend seiner üblichen Tenorierungspraxis gefasst hat, aufgeführt. Geschuldet wird auch eine Belegvorlage in Form von Kopien der Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, zum Nachweis der gemachten Angaben, wobei darin enthaltene Daten, die nicht auskunftspflichtig und geheimhaltungsbedürftig sind, geschwärzt werden können.

 

VII.

Der weitergehende Verfügungsantrag hat keinen Erfolg. Ein im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzbarer Beseitigungsanspruch, der für das In-
sowie Ausland und über das reguläre Ende der Patentlaufzeit (12.12.2020) hinaus, nämlich weltweit bis zum 12.12.2021, geltend gemacht wird, steht der Verfügungsklägerin nicht zu.

 

1.

Der Verfügungsantrag zu I.1.b) ist – abgesehen von seinem insbesondere-Teil –
bereits nicht hinreichend bestimmt, worauf die Verfügungsklägerin im Verhandlungs­ter­min hingewiesen worden ist.

 

Der Antrag ist darauf gerichtet, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, von Daten, die auf Handlungen gemäß dem Verbotsantrag zu I.1.a) beruhen und in der Bundesrepublik Deutschland erhoben wurden, vor dem 12. Dezember 2021 kommerziell zu profitieren, insbesondere Daten der Studien „N“ und „O“, insbesondere solche Daten zu verwenden für Anträge und/oder Verhandlungen, die die kommerzielle Verwertung ermöglichen oder fördern sollen, sowie Anträge im Zusammenhang mit der Erlangung einer Marktzulassung oder mit der Aufnahme in ein Verzeichnis von Produkten oder Dienstleistungen, für die Träger von Gesundheitskosten die Kosten übernehmen, und/oder Verhandlungen im Zusammenhang mit Abnehmern oder mit Trägern von Gesundheitskosten über Bedingungen der Veräußerung von patentverletzenden Produkten und/oder indem solche Daten zu Werbezwecken verwendet werden, so wie auf Internetseiten, Messen oder in sonstigem Werbematerial, wobei die Unterlassungspflicht auch umfassen soll, bereits begonnene kommerzielle Nutzungen einzustellen, indem entsprechende Daten aus regulatorischen Anträgen, anderen kommerziellen Antragsunterlagen und/oder Verhandlungen und/oder von jeglicher anderer begonnenen Nutzung zurückgezogen werden, sowie auf Unternehmen desselben Konzepts einzuwirken, an der Einhaltung der Unterlassungspflicht in gleicher Weise mitzuwirken.

 

Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Verbotsantrag im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. nur BGH, GRUR 2016, 88, 89 – Deltamethrin).

 

Danach ist der von der Verfügungsklägerin gestellte Unterlassungsantrag zu I.1.b) nicht hinreichend bestimmt und deshalb unzulässig. Denn es ist unklar, was außer den im Insbesondere-Teil angegebenen Verwertungshandlungen unter „kommerziell zu profitieren“ zu verstehen ist. Außerdem fehlt es an einer Konkretisierung der fraglichen Daten.

 


  1. Was den insbesondere-Teil des Verfügungsantrages zu I.1.b) anbelangt, kann in der Sache von vornherein nur ein Beseitigungsanspruch in Bezug auf die Daten der Studien „N“ und „O“ bestehen. Dass anderweitige Daten betreffend die angegriffenen Ausführungsformen erhoben worden sind, ist weder dargetan noch ersichtlich. In Bezug auf die „O“ kommt ein Unterlassungsanspruch allerdings im Ergebnis ebenfalls nicht in Betracht, weil diese Studie nach dem unwiderlegten Vorbringen der Verfügungsbeklagten nicht (auch) in Deutschland durchgeführt worden ist. Gegenteiliges hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht.

 


  1. Bezüglich der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs ist außerdem für das Inland zu unterscheiden zwischen der Zeit nach Ablauf des Patents und der Zeit während der Patentlaufzeit.

 

  1. a)
    Der Beseitigungsanspruch ist in Rechtsprechung und Literatur bislang ausschließlich im Hinblick auf den Ablauf des Patentschutzes diskutiert worden, wobei folgende Erkenntnisse als gesichert gelten können: Grundsätzlich findet der Unterlassungsanspruch mit dem Erlöschen des Klagepatents sein Ende. Das gilt für jedermann, auch für denjenigen, der während der Patentlaufzeit das Schutzrecht widerrechtlich benutzt hat. Die vorgefallenen Verletzungshandlungen sind mithilfe des im PatG vorgesehenen Anspruchskanons, d.h. insbesondere durch den in § 139 Abs. 2 PatG niedergelegten Schadenersatzanspruch, zu kompensieren; sie haben jedoch nicht zur Folge, dass der Verletzer – gleichsam zur Strafe – nicht an der mit dem Schutzrechtsablauf eintretenden Gemeinfreiheit der patentierten Lehre partizipieren dürfte. Prinzipiell muss dem Regelungsgeflecht der §§ 139 ff. PatG entnommen werden, dass mit den dort zugewiesenen Ansprüchen Patentverletzungshandlungen angemessen (und abschließend) sanktioniert sind. Ein aus allgemein-zivilrechtlichen Vorschriften (§ 1004 BGB) abgeleiteter – zusätzlicher – Beseitigungsanspruch kommt daher nur in Betracht, wenn aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles die durch die Patentverletzung hervorgerufenen Eingriffsfolgen durch einen regulären Schadenersatzanspruch nicht hinreichend ausgeglichen sind, so dass es ein Gebot materieller Gerechtigkeit ist, die überschießenden „Schäden“ des Patentinhabers über eine spezielle Maßnahme der Folgenbeseitigung zu kompensieren. Weil dem so ist und weil immer nur eine solche Maßnahme gerechtfertigt ist, die zur Folgenbeseitigung erforderlich und hinreichend ist, muss der Patentinhaber, der einen Beseitigungsanspruch geltend macht, substantiiert dazu vortragen, dass und welcher Schadenssachverhalt trotz regulären Schadensausgleichs (§ 139 Abs. 2 PatG) in Bezug auf die vorgefallenen Verletzungshandlungen bestehen bleibt und welche konkrete Beseitigungsmaßnahme angesichts dessen erforderlich ist, um diesen Schaden zu beseitigen (LG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2014 – 4c O 113/13).

 

In der Rechtsprechung (BGH, GRUR 1990, 997, 1001 – Ethofumesat) ist dementsprechend anerkannt, dass einem über die Laufzeit des Patents hinaus fortwirkenden Störungszustand, der von während der Laufzeit des Patents begangenen Verletzungshandlungen ausgeht, mit einem Störungsbeseitigungsanspruch analog § 1004 BGB begegnet werden kann, sofern die Gefahr besteht, dass sich dieser Störungszustand auch noch nach dem Ablauf des Patents zum Nachteil des Schutzrechtsinhabers schädlich auf dessen Vermögenslage auswirkt. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich der Beklagte durch patentverletzende Feldversuche Erkenntnisse in Form von Versuchs- und Prüfberichten verschafft, um diese bei der Stellung eines Antrages auf Zulassung seines Pflanzenbehandlungsmittels zu verwerten. Der sich daraus für den Patentinhaber ergebende Störungszustand bestand darin, dass der Beklagte aufgrund der patentverletzenden Versuche in der Lage war, alsbald nach Ablauf des Patents die für die Einfuhr und den Vertrieb des Pflanzenbehandlungsmittels erforderliche behördliche Zulassung zu erlangen und danach sogleich mit dem Mittel auf den Markt zu kommen. Dies wäre ihm nicht möglich gewesen, wenn der Beklagte die Rechte des Patentinhabers aus dem Schutzrecht während dessen Laufzeit respektiert hätte. In diesem Fall hätte der Patentinhaber das Pflanzenbehandlungsmittel auch nach Ablauf des Patents ohne die Konkurrenz des Beklagten jedenfalls so lange allein auf den Markt bringen können, wie der Beklagte Zeit benötigt hätte, um aufgrund von erst nach dem Ablauf des Patents durchzuführenden Feldversuchen die für die Zulassung des Mittels erforderlichen Prüfungsunterlagen in die Hand zu bekommen. Um den fortwirkenden Störungszustand zu beseitigen, hat es der BGH dem Beklagten verwehrt, die patentverletzend gewonnenen Erkenntnisse so lange zur Begründung eines Zulassungsantrages zu verwenden, wie er gebraucht hätte, um sich das betreffende Wissen durch nach dem Auslaufen des Patents begonnene Feldversuche zu verschaffen.

 

Für ein über das Patentende hinauswirkendes Verwertungsverbot besteht im Streitfall schon deshalb kein Anlass, weil das Laufzeitende (Dezember 2020) noch in weiter Ferne liegt und heute niemand zuverlässig vorherzusagen vermag, wie sich die Sachlage in fünf Jahren darstellt und ob dann noch ein Störungszustand besteht, zu dessen Sanktionierung es – über die Rechtsfolgen der §§ 139 ff. PatG hinaus – einer Folgenbeseitigungsmaßnahme bedarf. Jedenfalls besteht jetzt nicht der geringste Anlass, gerichtliche Maßnahmen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes anzuordnen, die erst in geraumer Zukunft wirksam werden; insoweit fehlt es jedenfalls am Verfügungsgrund. Erforderlichenfalls mag im Jahr 2020 anhand der sodann aktuellen Lage ein neuer Antrag bei Gericht eingereicht werden.

 

  1. b)
    Für die Zeit während der Patentlaufzeit besteht grundsätzlich kein Anlass für die Zuerkennung eines Beseitigungsanspruchs. Wenn der Verfügungsbeklagten – wie hier geschehen – Angebot und Vertrieb der streitbefangenen Stents gemäß § 139 Abs. 1 PatG verboten werden, sind ihr jegliche geschäftlichen Verwertungshandlungen untersagt.

 

Der Antrag der Verfügungsklägerin ist deshalb von vornherein sinnlos, soweit er auf eine werbliche Verwendung der Daten auf Messen, im Internet und dergleichen abstellt. Für die Verletzungsprodukte darf überhaupt nicht mehr geworben werden, deswegen selbstverständlich auch nicht unter Bezugnahme auf irgendwelche schutzrechtsverletzend zustande gekommenen Erkenntnisse. Dass die Verfügungsbeklagte die besagten Erkenntnisse im Zusammenhang mit anderen als den streitbefangenen Stents ausbeuten will oder dies droht, ist nicht ersichtlich.

 

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte irgendeinen Vorteil von einer behördlichen Marktzulassung hätte, wenn ihr Angebot und Vertrieb der zugelassenen Produkte untersagt ist. Warum sollte sie deshalb eine laufende Marktzulassung weiterführen, wenn der betreffende Stent überhaupt nicht mehr vertrieben werden darf. Abgesehen davon: Selbst wenn das Zulassungsverfahren fortgesetzt und erfolgreich zum Abschluss gebracht würde, hat die Verfügungsbeklagte davon keinen Vorteil, der jetzt eine zusätzliche Beseitigungsmaßnahme erfordern könnte. Ob das rechtsverletzende Zulassungsverfahren ein Vertriebsverbot für die zugelassenen patentverletzenden Produkte im Anschluss an das Laufzeitende rechtfertigt, mag im Jahr 2020 entschieden werden. Unabhängig davon handelt es sich nach dem eigenen Vortrag der Verfügungsklägerin bei den angegriffenen Ausführungsformen, und zwar auch bei der angegriffenen Ausführungsform „B“, welche zusätzlich mit einem Wirkstoff beschichtet ist, um keine Arzneimittel (i.S.d. AMG), sondern um Medizinprodukte (i.S.d. MPG). Ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren muss daher nicht angestrengt werden. Erforderlich ist vielmehr nur eine CE-Kennzeich­nung. Ein CE-Kennzeichnungsverfahren dürfte aber längst erfolgreich abgeschlossen sein, weil beide angegriffenen Ausführungsformen sich auf dem deutschen Markt befinden. Sie haben damit offenbar bereits die erforderliche CE-Kennzeich­nung erhalten. Was hier ein inländisches Verwertungsverbot ausrichten soll, ist unerfindlich.

 

Ähnliches gilt in Bezug auf die Verwendung der Daten gegenüber Krankenkassen. Die angegriffenen Ausführungsformen mögen derzeit in Deutschland noch nicht allgemein von Krankenkassen erstattet werden. Soweit sich die Verfügungsbeklagte hier um eine Erstattungszusage bemühen sollte, ist wiederum nicht ersichtlich, welchen Vorteil sie von einer entsprechenden Zusage haben sollte, wenn ihr Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen untersagt sind. Warum sollte sie sich also um eine entsprechende Erstattungszusage bemühen? Auch insoweit besteht derzeit kein Bedarf für die Anordnung einer zusätzlichen Beseitigungsmaßnahme im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, zumal fraglich ist, ob die Krankenkassen im Hinblick auf den der Verfügungsbeklagten verbotenen Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen derzeit überhaupt eine Erstattungszusage erteilen würden.

 


  1. Bezogen auf das Ausland kommt ein Beseitigungsanspruch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. Inländische patentverletzende Zulassungsuntersuchungen begründen – entgegen einer älteren Senatsentscheidung (Urteil vom 28.04.1994 – 2 U 128/92) – kein Verwertungsverbot im Ausland. Dies ergibt sich aus der schlichten Überlegung heraus, dass deutsche Verletzungsgerichte zwar die Ausfuhr eines Verletzungsgegenstandes als inländisches Inverkehrbringen sanktionieren können, dass jedoch, wenn sich das Verletzungsprodukt infolge des Exports einmal im Ausland befindet, keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten mehr auf den weiteren ausländischen Verbleib des Produktes bestehen, das folglich ungehindert veräußert und gebraucht werden kann. Wenn dies schon für das schutzrechtsverletzende Produkt selbst so ist, gilt dasselbe erst recht für Erkenntnisse, die unter widerrechtlicher Benutzung des Patents zustande gekommen sind und daher vom Verletzungstatbestand noch weiter entfernt liegen. Die Rechtsausführungen der Verfügungsklägerin im Verhandlungstermin geben zu einer anderweitigen Beurteilung keinen Anlass. Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, die Nutzung der patentverletzenden Zulassungsuntersuchungen im Ausland sei der Grund dafür, dass die Verfügungsbeklagte ihr im Ausland Konkurrenz machen könne, wobei die „Wurzel“ hierfür in der in Deutschland begangenen Patentverletzung liege, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Streitfall unterscheidet sich insoweit nicht maßgeblich von dem Fall, dass der Anspruchsgegner im Inland patentverletzende Erzeugnisse herstellt, es ihm gelingt, diese ins Ausland zu verbringen, und er die Erzeugnisse alsdann dort im Wettbewerb zum Patentinhaber vertreibt. Auch in diesem Fall kann das deutsche Gericht dem Anspruchsgegner die im Ausland erfolgende Benutzung der betreffenden Produkte nicht untersagen, obwohl auch ihnen der „Makel“ einer im Inland begangenen Patentverletzung anhaftet.

 

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

 

Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Entscheidung des Senats ein weiteres Rechtsmittel nicht möglich ist und die Entscheidung aus diesem Grund sofort endgültig vollstreckbar ist.

 

 

 

X                                 Y                                 Z