4a O 92/14 – Erdbaugitter

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2465

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 8. Dezember 2015, Az. 4a O 92/14

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

a) gitterförmige Konstruktionen, die durch das Ausdehnen und zweiachsige Ausrichten eines Kunststoff-Ausgangsmaterials, das mit einer Anordnung von Löchern bereitgestellt war, hergestellt ist, wobei die gitterförmige Konstruktion umfasst einen ersten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen, die sich unter einem spitzen Winkel zu einer ersten Richtung (MD) erstrecken, einen zweiten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen, die sich unter einem spitzen Winkel zu der ersten Richtung (MD) und, wie betrachtet in eine zweite Richtung (TD) rechtwinklig zu der ersten Richtung (MD) erstrecken, wobei alternierende abgewinkelte Stränge der zwei Sätze um im Wesentlichen gleiche oder entgegengesetzte Winkel zu der ersten Richtung (MD) abgewinkelt sind, wobei sich weitere im Wesentlichen gerade ausgerichtete Strange, die sich in die zweite Richtung (TD) erstrecken, und Abzweigstellen, die jeweils vier der abgewinkelten ausgerichteten Stränge und zwei der weiteren ausgerichteten Stränge miteinander verbinden,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken einzuführen,

wobei die gitterförmige Konstruktion ein Erdbaugitter ist und wobei an im Wesentlichen jeder Abzweigstelle die Gabelung zwischen jedem Paar angrenzender Stränge in die Richtung ausgerichtet ist, die um die Gabelung herum verläuft, wodurch es eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum und zu der Kante des angrenzenden Strangs gibt;

b) Erdbaugitter, die dazu geeignet sind, in einem Verfahren zum Verstärken eines partikulären Materials, umfassend das Einbetten eines Erdbaugitters nach oben a) in dem partikulären Material, verwendet zu werden,

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;

c) Erdbaugitter zur Verwendung in einer Geoengineering-Ausbildung, umfassend eine Masse von partikulärem Material, das durch das Einbetten darin eines Erdbaugitters nach oben a) verstärkt wird,

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die gemäß Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 23.06.2007 begangen hat, und zwar unter Angabe

(a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
(b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen;
(c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, bei Internetwerbung der Domains, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume der Werbeaktionen;
(d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei für die Angaben zu Ziff. I 2 a) Lieferscheine oder Rechnungen in Kopie vorzulegen sind,

und wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, die ihr durch die gemäß Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 23.06.2007 entstanden ist oder/und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, in Bezug auf den Tenor zu I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 EUR, in Bezug auf den Tenor zu I.2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR und in Bezug auf den Tenor zu III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

V. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 594 XXX B1 (Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunftserteilung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde in englischer Sprache unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27.06.2002 am 27.06.2003 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 08.01.2004 und die der Erteilung am 23.05.2007. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.

Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Erfindung betrifft Erdbaugitter. Anspruch 6 des Klagepatents lautet:
„Gitterförmige Konstruktion (10), die durch das Ausdehnen und zweiachsige Ausrichten eines Kunststoff-Ausgangsmaterials (1, 21), das mit einer Anordnung von Löchern (2, 22) bereitgestellt war, hergestellt ist, wobei die gitterförmige Konstruktion (10) einen ersten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich unter einem spitzen Winkel zu einer ersten Richtung (MD) erstrecken, einen zweiten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich unter einem spitzen Winkel zu der ersten Richtung (MD) und, wie betrachtet in eine zweite Richtung (TD) rechtwinklig zu der ersten Richtung (MD) erstrecken, wobei alternierende abgewinkelte Stränge (6, 26) der zwei Sätze um im Wesentlichen gleiche oder entgegengesetzte Winkel zu der ersten Richtung (MD) abgewinkelt sind, wobei sich weitere im Wesentlichen gerade ausgerichtete Strange (9, 30), die sich in die zweite Richtung (TD) erstrecken, und Abzweigstellen (11, 31), die jeweils vier der abgewinkelten ausgerichteten Stränge (6, 26) und zwei der weiteren ausgerichteten Stränge (9, 30) miteinander verbinden, umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die gitterförmige Konstruktion ein Erdbaugitter (7) ist und dass an im Wesentlichen jeder Abzweigstelle (11, 31) die Gabelung zwischen jedem Paar angrenzender Stränge in die Richtung ausgerichtet ist, die um die Gabelung herum verläuft, wodurch es eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum und zu der Kante des angrenzenden Strangs gibt.“

Anspruch 40 lautet:
„Verfahren zum Verstärken eines partikulären Materials, umfassend das Einbetten des Erdbaugitters nach einem der Ansprüche 1 bis 14 oder eines Erdbaugitters, das durch das Verfahren nach einem der Ansprüche 15 bis 39 hergestellt wird, in einem partikulären Material.“

Anspruch 41 lautet:
„Geoengineering-Ausbildung, umfassend eine Masse von partikulärem Material, das durch das Einbetten dann eines Erdbaugitters nach einem der Ansprüche 1 bis 14 oder eines Erdbaugitters, das durch das Verfahren nach einem der Ansprüche 15 bis 39 hergestellt worden ist, verstärkt wird.“

Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren 1 und 4 zeigen nach der Kla-gepatentbeschreibung Ausführungsbeispiele der Erfindung. Figur 1 zeigt einen Grundriss eines Abschnitts eines Ausgangsmaterials:

Figur 4 zeigt einen Grundriss eines patentgemäßen zweiachsigen Erdbaugitters, welches aus dem Ausgangsmaterial von Figur 1 hergestellt wurde:

Die Beklagte hat am 09.01.2015 Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhoben. Nachdem sie eine angeordnete Prozesskostensicherheit nicht ordnungsgemäß hinterlegte, hat das Bundespatentgericht mit Beschluss vom 22.09.2015 (Anlage K11) festgestellt, dass die Nichtigkeitsklage als zurückgenommen gilt. Mit Schreiben vom 12.10.2015 hat das BPatG der Beklagten die Vergabe eines Aktenzeichens für eine am 09.10.2015 erhobene Nichtigkeitsklage mitgeteilt.

Die Klägerin ist ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen, welches unter anderem Erdbaugitter herstellt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine in China sitzende und auf dem deutschen Markt tätige Wettbewerberin der Klägerin.

Die Beklagte vertreibt in Deutschland über ihren Internetauftritt gitterförmige Konstruktionen unter der Bezeichnung „A B“ (nachfolgend angegriffene Ausführungsform), die die auf der folgenden, eingeblendeten Fotografie und der darunter eingeblendeten Grafik erkennbare Geometrie aufweisen:
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Der Klagepatentanspruch 6 schreibe schon nach seinem Wortlaut nicht vor, dass von jeder Abzweigstelle nicht mehr und nicht weniger als sechs Stränge abzweigten. Sie behauptet, bei den angegriffenen Ausführungsformen sei die Gabelung zwischen jedem Paar angrenzender Stränge in die Richtung ausgerichtet, die um die Gabelung herum verlaufe.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie die Namen und Anschriftend er Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist

hilfsweise,

die Entscheidung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage vom 24.02.2015 auszusetzen.

Sie meint, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Der Klagepatentanspruch 6 gebe zwingend vor, dass genau 6 Stränge durch die Abzweigstellen verbunden würden. Aber selbst wenn man die Anzahl der Stränge als Mindestanzahl betrachten würde, wäre das Merkmal nicht verwirklicht, da der Patentanspruch vorschreibe, dass jede der Abzweigstellen mindestens 6 Stränge aufweise. Die angegriffene Ausführungsform verfüge jedoch auch über Abzweigstellen im Sinne des Klagepatents, die lediglich 4 Stränge miteinander verbinden.

Das Klagepatent sei mangels Neuheit in Bezug auf die Druckschrift US 4,536,XXX (NK5) nicht rechtsbeständig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 15.10.2015 (Bl. 108 f. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre der Klagepatente wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft Erdbaugitter.

Ein Erdbaugitter ist nach der einleitenden Beschreibung des Klagepatents ein Gitter, dessen Hauptzweck es ist, den Boden zu verfestigen oder zu verstärken. Es weist offene Maschen auf, in welche Bodenpartikel eingreifen können. Erdbaugitter können durch Ausrichten eines Kunststoff-Ausgangsmaterials hergestellt werden. Ein Erdbaugitter ist aus Strängen aufgebaut, die an Stäben miteinander verbunden sind, die in der Querrichtung TD durch das Erdbaugitter verlaufen, oder die an Abzweigstellen miteinander verbunden sind.

Die klagepatentgemäße Erfindung betrifft Erdbaugitter, die durch einachsige oder zweiachsige Ausrichtung eines mit Löchern versehenen Kunststoffplattenausgangsmaterials geformt werden. Die Löcher formen, wie das Klagepatent zum technischen Hintergrund ausführt, im Produkt Maschen. In einem einachsigen Erdbaugitter dieses Typs sind Querstäbe durch Stränge miteinander verbunden. Zweiachsige Erdbaugitter dieses Typs weisen ausgerichtete Stränge und Abzweigstellen auf, an welchen sich die Stränge treffen, wobei im Wesentlichen jeder Strang an jedem Ende mit solch einer Abzweigstelle verbunden ist, wodurch Sätze paralleler Zugglieder durch das Erdbaugitter verlaufen können und wobei jedes Zugglied aus einer Aufeinanderfolge im Wesentlichen ausgerichteter Strange und jeweiligen Abzweigstellen geformt ist, die die Stränge miteinander verbinden.

Bei dem Verfahren zur Herstellung der Erdbaugitter wird ein mit Löchern versehenes Kunststoffplattenausgangsmaterial verwendet. Um ein einachsiges Erdbaugitter zu formen, wird eine Streckung durchgeführt. Hierdurch werden die strangbildenden Zonen zwischen benachbarten Löchern ausgestreckt und aus solchen Zonen werden ausgerichtete Stränge geformt. Eine weitere Streckung kann in eine Richtung rechtwinklig zur ersten Streckung durchgeführt werden, um andere strangbildende Zonen zwischen anderen benachbarten Löchern auszustrecken und aus diesen letzteren Zonen ausgerichtete Stränge zu formen, wodurch Zonen, die zwischen Lochgruppen liegen, Abzweigstellen formen, die die ausgerichteten Stränge miteinander verbinden. Hierdurch wird ein zweiachsiges Erdbaugitter geformt.

Die Klagepatentschrift benennt als Stand der Technik die Druckschriften US 4 374 798 und US 5 053 264, welche einachsige und zweiachsige Gitterstrukturen des allgemeinen Typs offenbaren. An diesen Erdbaugittern kritisiert das Klagepatent, dass diese Gitterstrukturen in der diagonalen Richtung keine große Stabilität aufweisen, da die Gitterstrukturen wegen der Parallelogrammverformung der Gitterstruktur ohne großen Kraftaufwand in der diagonalen Richtung gestreckt werden können. Auch wenn die früheren Erdbaugitter (zweiachsig) eine hohe Festigkeit und Steifigkeit in der Längs- und Querrichtung aufweisen, hat sich gezeigt, dass die Belastung zum Beispiel durch ein schweres berädertes Fahrzeug auf das Erdbaugitter radiale Belastungen anlegt, d. h. Belastungen, die von der Belastungszone in alle Richtungen ausstrahlen.

Das Klagepatent sieht es als wünschenswert an, mehr Festigkeit in anderen Richtungen als Längsrichtung MD und Querrichtung TD anzulegen, ohne die Festigkeit der Gitterstruktur in mindestens einer der Richtungen MD und TD zu sehr zu verringern. Es nennt als Stand der Technik die Druckschrift US-A-3 386 876, in welcher der Oberbegriff der Klagepatentansprüche offenbart ist und welche das Klagepatent als besonders geeignet für eine leichte Stützstruktur betrachtet.

Vor diesem Hintergrund nennt das Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem), mindestens einen Nachteil des Stands der Technik zu überwinden bzw. zu verbessern oder eine sinnvolle Alternative bereitzustellen.

Zur Lösung dieser Aufgabe ist in Patentanspruch 6 des Klagepatents ein mit den folgenden Merkmalen vorgesehen:

1.
Gitterförmige Konstruktion (10), die durch das Ausdehnen und zweiachsige Ausrichten eines Kunststoff-Ausgangsmaterials (1, 21), das mit einer Anordnung von Löchern (2, 22) bereitgestellt war, hergestellt ist.

2.
Die gitterförmige Konstruktion (10) umfasst

a)
einen ersten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich unter einem spitzen Winkel zu einer ersten Richtung (MD) erstrecken,

b)
einen zweiten Satz von im Wesentlichen geraden ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich unter einem spitzen Winkel zu der ersten Richtung (MD) und, wie betrachtet in eine zweite Richtung (TD) rechtwinklig zu der ersten Richtung (MD) erstrecken, wobei alternierende abgewinkelte Stränge (6, 26) der zwei Sätze um im Wesentlichen gleiche oder entgegengesetzte Winkel zu der ersten Richtung (MD) abgewinkelt sind,

c)
weitere im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge (9 ,30), die sich in die zweite Richtung (TD) erstrecken,

d)
und Abzweigstellen (11, 31), die jeweils vier der abgewinkelten ausgerichteten Stränge (6, 26) und zwei der weiteren ausgerichteten Stränge (9, 30) miteinander verbinden.

Dadurch gekennzeichnet:

3.
Die gitterförmige Konstruktion ist ein Erdbaugitter (7).

4.
An im Wesentlichen jeder Abzweigstelle (11, 31) ist die Gabelung zwischen jedem Paar angrenzender Stränge in die Richtung ausgerichtet, die um die Gabelung herum verläuft, wodurch es eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum und zu der Kante des angrenzenden Strangs gibt.
II.
Davon ausgehend macht die angegriffene Ausführungsform unmittelbar und wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

1.
Zu Recht ist die Beklagte der Auffassung der Klägerin in Bezug auf die Verwirklichung der Merkmale 1, 2a) bis c) und 3 nicht entgegengetreten.

2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten weist die angegriffene Ausführungsform Abzweigstellen im Sinne von Merkmal 2d) auf.

Was der Fachmann unter dem Begriff „Abzweigstellen“ versteht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist vorrangig der Anspruchswortlaut heranzuziehen, erst danach ist auf die Beschreibung abzustellen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rn 8 ff.).

Nach dem Anspruchswortlaut handelt es sich bei Abzweigstellen im Sinne dieses Merkmals um die Stellen innerhalb der Gitterkonstruktion, die 4 der abgewinkelten Stränge im Sinne der Merkmale 2a) und b) und 2 der in Merkmal 2c) genannten geraden Stränge miteinander verbinden.

a)
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Angabe zur Stranganzahl (4+2) nicht um eine Höchstgrenze.

Auch bei Zahlen- und Maßangaben kommt es darauf an, wie die Angabe bei Hinzuziehung von Beschreibung und Zeichnungen im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs aus fachlicher Sicht zu verstehen ist (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). Fehlen aus fachlicher Sicht gegenteilige Anhaltspunkte, wird solchen Angaben aber regelmäßig ein höherer Grad an Eindeutigkeit und Klarheit beigemessen, so dass im Regelfall eine Zahlenangabe den Gegenstand des Patentanspruchs insoweit abschließend bestimmt (BGH, aaO). Die Auslegung des Anspruchs dahingehend, dass der angegebene Wert genau einzuhalten sei, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn es sich um einen kritischen Wert handelt (BGH, aaO).

Aus fachmännischer Sicht handelt es sich bei der Zahlenangabe bzgl. der zu verbindenden Stränge nach der Lehre des Klagepatents nicht um eine kritische Höchstangabe.

Dabei trifft der Wortlaut des Anspruchs keine eindeutige Aussage. Zwar bezieht sich der breit auszulegende Begriff „umfassen“ nicht auf die Ausformung der Abzweigstellen. Vielmehr verwendet der Anspruchswortlaut in Bezug auf die Stränge an den Abzweigstellen die Formulierung „miteinander verbinden“/“interconnecting“. Aber auch der Begriff „verbinden“ kann nicht eindeutig dahingehend verstanden werden, dass an der Verbindung nicht noch weitere Konstruktionsmerkmale beteiligt sein dürfen. Vielmehr kann er sowohl in der einen als auch in der anderen Weise verstanden werden.

Unter Berücksichtigung der Aufgabe des Klagepatents erkennt der Fachmann, dass es sich bei der Zahlenangabe nicht um einen kritischen Wert im Sinne einer Höchstgrenze handelt. Das Klagepatent sieht es in Abschnitt [0006] als wünschenswert an, mehr Festigkeit in anderen Richtungen als MD oder TD zu erreichen, ohne die Festigkeit der Gitterstrukturen in mindestens einer der Richtungen MD oder TD zu sehr zu verringern. Diese Ausgabe löst das Klagepatent, indem es an den Abzweigstellen Stränge vorsieht, die in andere Richtungen als die vorgenannten abzweigen und dadurch die Kraft in mehr Richtungen verteilen. Aus Sicht des Fachmanns ist das Vorsehen von mehr als sechs Strängen an einer Abzweigstelle als unkritisch anzusehen, da dadurch die Festigkeit in andere Richtungen als TD und MD im Vergleich zu einer Verbindung von sechs Strängen nicht eingeschränkt wird und die Festigkeit in Richtung TD bzw. MD durch das Vorsehen zweier weiterer Stränge sogar erhöht wird.

Dies steht im Einklang mit der allgemeinen Beschreibung des Klagepatents. In Abschnitt [0011], welcher die allgemeine Beschreibung der Erfindung betrifft und welcher nach seinem Einleitungssatz auch Erdbaugitter im Sinne von Patentanspruch 6 beschreibt, heißt es:
„[…] wohingegen das erfindungsgemäße Erdbaugitter über mehr Wege verfügt, um die Last aus dem Belastungsbereich wegzutragen (eine Verbindungsstelle für mindestens 6 Stränge).“

Dieser ausdrücklichen Angabe in der allgemeinen Beschreibung misst der Fachmann eine erhebliche Bedeutung bei der Bestimmung des Anspruchsumfangs zu.

Einen weiteren Beleg für die vorgennannte Auslegung liefert Unteranspruch 7, welcher eine gitterförmige Konstruktion nach Anspruch 6 offenbart, wobei es keine ausgerichteten Stränge gibt, welche sich im Wesentlichen in die erste Richtung MD erstrecken. Die Bedeutung des Unteranspruchs liegt aus fachmännischer Sicht darin, dass die zwei Sätze von Strängen gemäß den Merkmalen 2a) und 2b) sich gerade nicht im Wesentlichen in der Richtung MD, sondern in einem spitzen Winkel hierzu erstrecken sollen. Stränge in Richtung MD sollen ausgeschlossen sein. Im Umkehrschluss heißt dies, dass der im Vergleich zum Unteranspruch weitere Hauptanspruch 6 das Vorsehen solcher Stränge in Richtung MD nicht ausschließt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus Unteranspruch 17, welcher ein Herstellungsverfahren für gitterförmige Konstruktionen nach Anspruch 6 offenbart, keine einschränkende Auslegung des Hauptanspruchs. Zwar offenbart Unteranspruch 17 ein Verfahren zur Herstellung einer gitterförmigen Konstruktion, bei welcher die Abzweigstellen 6 Stränge miteinander verbinden. Allerdings kann allein hieraus nicht geschlossen werden, dass Unteranspruch 17 das einzig mögliche Herstellungsverfahren für Erdbaugitter im Sinne von Hauptanspruch 6 offenbart. Vielmehr kann Unteranspruch 17 ohne weiteres eine speziellere Lehre beanspruchen als der übergeordnete Anspruch 6.

Ebenso wenig greift im Ergebnis die Argumentation durch, dass sich die einschränkende Auslegung des Anspruchs aus der Verwendung des Begriffs „jeweils“ im Anspruchswortlaut ergebe. Zum einen ist nicht der allgemeine Sprachgebrauch eines Begriffs maßgeblich, sondern dessen Auslegung im Gesamtzusammenhang der beanspruchten Lehre. Die Patentschrift bildet hierbei gleichsam ihr eigenes Lexikon, so dass die allgemeine Bedeutung des Begriffs „jeweils“ bzw. „each“ in der nach Art. 70 EPÜ maßgeblichen englischen Fassung nicht erheblich ist (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Zum anderen lässt schon der allgemeine Sprachgebrauch keine eindeutige Lesart zu. Denn ob es sich um eine abschließende Aufzählung handeln soll, wird aus dem auf das Substantiv „junction“ bezogenen Begriff „each“ nicht eindeutig ersichtlich.

b)
Eine Verwirklichung des Merkmals 2d) scheidet nicht deshalb aus, weil neben den Abzweigstellen mit 8 Strängen noch weitere Verbindungspunkte in der angegriffenen Gitterkonstruktion vorhanden sind, an welchen sich die gerade ausgerichteten Stränge, die sich zum einen in Richtung TD und zum anderen in Richtung MD erstrecken, kreuzen.

Schon nach seinem Anspruchswortlaut ist die klagepatentgemäße Vorrichtung durch die Verwendung des Begriffs „umfassen“ nicht auf die im Anspruch ausdrücklich genannten Bestandteile beschränkt. Soweit in einem Anspruch der Begriff „umfassen“ bzw. „comprising“ gewählt wird, ist für den Fachmann ersichtlich, dass neben den im Anspruch ausdrücklich genannten Komponenten auch noch Raum für weitere bauliche Elemente bleibt. Dies deckt sich mit dem Sinngehalt von Abschnitt [0086] des Klagepatents, in welchem es heißt, dass, außer, wenn es der Kontext eindeutig anderes erfordert, das Wort „umfassen“ in der Beschreibung und in den Ansprüchen in einem einschließenden und nicht in einem ausschließenden oder erschöpfenden Sinne verwendet wird, also im Sinne von „einschließlich, aber nicht darauf beschränkt“.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordern es weder die Berücksichtigung des Stands der Technik noch die klagepatentgemäße Aufgabe, den Anspruch einschränkend dahingehend auszulegen, dass neben den Abzweigstellen im Sinne von Merkmal 2 nicht noch weitere Punkte mit einer Verbindung von 4 Strängen vorhanden sein dürfen.

Das Klagepatent beschreibt als Nachteil von Erdbaugittern im Stand der Technik, die lediglich Abzweigstellen mit vier Strängen aufweisen, dass diese in diagonaler Richtung keine große Stabilität aufweisen, da die Gitterstrukturen wegen der Parallelogrammverformung der Gitterstruktur ohne großen Kraftaufwand in der diagonalen Richtung gestreckt werden können. Diese Gefahr des Verziehens ist bei der angegriffenen Ausführungsform trotz des Vorsehens weiterer Punkte mit 4 Strängen nicht größer als bei patentgemäßen Gittern ohne die zusätzlichen Verbindungspunkte. Denn bei der angegriffenen Ausführungsform wird eine hohe diagonale Stabilität wie in dem patentgemäßen Ausführungsbeispiel nach Figur 4 der Klagepatentschrift dadurch erreicht, dass die gitterförmige Struktur nicht aus Rechtecken, sondern aus Dreiecken gebildet wird. Hierdurch wird der Möglichkeit einer diagonalen Streckung entgegengewirkt.

Aber auch unter Berücksichtigung der technischen Funktion der zusätzlichen Stränge, die nach Abschnitt [0011] unter anderem darin besteht, dass erfindungsgemäße Erdbaugitter über mehr Wege verfügen, um die Last aus dem Belastungsbereich wegzutragen, läuft das zusätzliche Vorsehen weiterer Punkte mit 4 Strängen der klagepatentgemäßen Lehre nicht entgegen. Wie in der nachfolgenden Grafik schematisch dargestellt, verfügen die angegriffenen Ausführungsformen auch an den verbindungspunkten mit nur 4 Stellen über mehr als 4 Wege, um die Last vom Punkt wegzutragen:

Mithin macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmalsgruppe 2 des Klagepatentanspruchs 6 wortsinngemäß Gebrauch. Sie verfügt jedenfalls auch über Abzweigstellen die mindestens 6 Stränge miteinander verbinden.

3.
Merkmalsgruppe 4, wonach an im Wesentlichen jeder Abzweigstelle die Gabelung zwischen jedem Paar angrenzender Strange in die Richtung ausgerichtet ist, die um die Gabelung herum verläuft, wodurch es eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum und zu der Kante des angrenzenden Strangs gibt, ist durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.

„Ausgerichtet“ bedeutet nach Abschnitt [0016] molekular orientiert, wobei, wenn auf einen ausgerichteten Strang Bezug genommen wird, die bevorzugte Orientierungsrichtung allgemein die Längsrichtung des Strangs ist. In Bezug auf die Gabelungen der Abzweigstellen bedeutet dies, dass die Kunststoffmoleküle durch die Streckung und Dehnung der Folie während des Herstellungsprozesses im Gitter derart angeordnet werden, dass sie in einer Linie von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum zur Kante des nächsten Strangs verlaufen. Aus fachmännischer Sicht ist durch dieses Merkmal ein Teil des Herstellungsverfahrens gleichsam in den Vorrichtungsanspruch gelangt.

Das Bestreiten der Beklagten in ihrer Duplik in Bezug auf die anspruchsgemäße molekulare Ausrichtung ist im Ergebnis unbeachtlich. Ihr Verstoß gegen ihre sekundäre Darlegungslast führt dazu, dass die Behauptung der Klägerin, wonach bei der angegriffenen Ausführungsform an im Wesentlichen jeder Abzweigstelle die Gabelung anspruchsgemäß ausgerichtet ist, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt (vgl. Benkard, PatG, 11. Auflage, § 139 Rn 116). Zwar darf pauschaler Vortrag der beweisbelasteten Partei pauschal bestritten werden, substantiierter Vortrag muss aber mit gleicher Substantiierung bestritten werden (Benkard, aaO). Hier hat die Klägerin bereits in der Klageschrift durch Vorlage der grafischen Darstellungen in Anlage K4 substantiiert zum Herstellungsprozess der angegriffenen Ausführungsform und zu deren zweiachsiger Ausrichtung vorgetragen. Wie oben ausgeführt, erfolgt durch die zweiachsige Streckung des Ausgangsmaterials die Ausrichtung der Moleküle entlang der Gabelungen der Abzweigstellen. Im weiteren Prozessverlauf hat die Klägerin diesen Vortrag um die Vorlage von Elektronenmikroskop-Aufnahmen ergänzt, aus welchen die Ausbildung einer streifenartigen Struktur an den Gabelungen einer Abzweigstelle erkennbar ist. Aus den in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite vorgelegten Aufnahmen ist erkennbar, dass es sich um eine Abzweigstelle mit 8 Strängen handelt. Die Beklagte hat demgegenüber nicht substantiiert dargelegt, aus welchem Grund die molekulare Struktur der angegriffenen Ausführungsform trotz eines patentgemäßen Herstellungsprozesses mit zweifacher Streckung des Ausgangsmaterials von der Makrostruktur, also der mit bloßem Auge erkennbaren in einem runden Bogen ohne Riefen oder Kanten verlaufenden Gabelung der Abzweigstellen, abweichen sollte. Ihr pauschaler Vortrag, auf den Elektronenmikroskopaufnahmen sei die molekulare Struktur nicht erkennbar, ist nicht hinreichend substantiiert.

III.
Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht.

Durch das Anbieten der angegriffenen Ausführungsform unter werbender Herausstellung des Zwecks der Bodenstabilisierung ist die Beklagte ebenfalls zur Unterlassung nach § 10 Abs. 1 PatG wegen mittelbarer Patentverletzung verpflichtet. Hiernach besteht ein Unterlassungsanspruch bzgl. des Angebots und der Lieferung von Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, wenn es unter anderem auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein wesentliches Element der Erfindung bezogen auf die Ansprüche 40 und 41 des Klagepatents. Denn sie ist sowohl geeignet zum Verstärken eines partikulären Materials als auch zur Erstelllung einer Geoengineering-Ausbildung. Durch die werbende Herausstellung des Verwendungszwecks ist der Beklagten diese Wesentlichkeit auch bewusst. Dadurch, dass die einzige kommerzielle Verwendung der angegriffenen Ausführungsform im Verstärken von partikulärem Material besteht, ist die Geeignetheit und Bestimmung der angegriffenen Erdbaugitter, zur Benutzung der jeweiligen Erfindung gemäß Anspruch 40 und 41 des Klagepatents verwendet zu werden, offensichtlich.

a)
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.

b)
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten ((Art. 64 EPÜ i. V. m.) § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverlet-zung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

c)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf seine nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az.: I-2 U 42/09).

IV.
Die Verhandlung ist nicht bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, § 148 ZPO.

1.
Angesichts dessen, dass mangels ordnungsgemäßer Hinterlegung der Prozesskostensicherheit die von der Beklagten zunächst erhobene Nichtigkeitsklage kraft Gesetzes nach § 81 Abs. 6 S. 3 PatG als zurückgenommen gilt (wie auch deklaratorisch mit Beschluss vom 22.09.2015, Anlage K11, durch das BPatG festgestellt), existiert kein rechtshängiges Verfahren, welches einer Entscheidung der Kammer vorgreiflich sein könnte im Sinne von § 148 ZPO. Jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im hiesigen Verfahren ist die erneut erhobene Nichtigkeitsklage der Klägerin durch das BPatG nicht zugestellt worden, so dass bis dahin keine Rechtshängigkeit eingetreten ist.

2.
Darüber hinaus wäre selbst bei einem üblichen Aussetzungsmaßstab das Verfahren nicht auszusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizu-messen, die dem Gesetz fremd ist. Eine Aussetzung ist vielmehr grundsätzlich erst dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (vgl. BGH, Az.: X ZR 61/13, Beschluss v. 16.09.2014 – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen. Bei einer verspäteten Erhebung der Nichtigkeitsklage gilt ein noch strengerer Maßstab. Denn dem Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens kommt ein umso höheres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist (BGH, Beschluss v. 28.09.2011, Az. X ZR 68/10 – Klimaschrank). Dem steht eine Verzögerung des Nichtigkeitsverfahrens durch nicht ordnungsmäße Verfahrensführung wie in diesem Fall gleich. Denn die Interessen des Verletzungsklägers sind hiervon in gleicher Weise betroffen. Es ist mithin eine große Wahrscheinlichkeit der Klagepatentvernichtung festzustellen.

3.
Die Kammer kann nicht feststellen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das BPatG das Klagepatent mangels Neuheit auf Grund der Druckschrift US 4,536,XXX, vorgelegt als Anlage NK5, widerrufen wird.

Es fehlt an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung der klagepatentgemäßen Abzweigstellen, die mindestens 6 Stränge miteinander verbinden. Zwar sind in Figur 11 der Klagepatentschrift gestreckte Abzweigstellen offenbart. In der entsprechenden Beschreibungsstelle in Abschnitt [0084] heißt es hierzu, dass die Abzweigstellen in Richtung TD gestreckt wurden und jede Abzweigstelle zwei dickere und eine dünnere Zone aufweist. Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt der Fachmann hieraus allerdings nicht, dass es ausreicht, wenn zwei Abzweigstellen durch einen Strang miteinander verbunden sind. Denn die Abzweigstellen sollen lediglich eine „dünnere Zone“ aufweisen, von einem Verbindungsstrang ist weder in der Beschreibung die Rede noch findet sich ein solcher in der Figur 11. Abzweigstellen müssen demnach nach der Lehre des Klagepatents von Strängen räumlich-körperlich abgrenzbar sein.

Bei der Figur 3c der NK5 fehlt es an der Offenbarung einer solchen räumlich-körperlich abgrenzbare Abzweigstelle. Bei der von der Beklagten in der nachfolgend eingeblendeten, gespiegelten Figur 3 handschriftlich umrandeten Stelle handelt es sich um drei räumlich körperlich abgrenzbare Abzweigstellen, die durch Stränge miteinander verbunden sind:
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Dies folgt ebenfalls aus der Beschreibung der NK5. Denn in Spalte 7, vorletzter und letzer Absatz, werden sowohl die in der Figur 3c etwas dickeren Stränge 34 als auch die etwas dünner dargestellten Stränge 33 einheitlich als „strands“ bezeichnet. Jedenfalls kann die technisch nicht fachkundig besetzte Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Fachmann die drei Abzweigstellen und die beiden Stränge ohne Weiteres als eine Abzweigstelle im Sinne des Klagepatents ansehen würde.

V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.