4b O 120/14 – Handover Verbesserungsverfahren

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2496

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 19. Januar 2016, Az. 4b O 120/14

I. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt,

der Klägerin in Form einer geordneten Aufstellung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 01.04.2011 mobile Endgeräte zur Verwendung beim Transport von Messinformationen von einem ersten Kommunikationssystem an ein zweites Kommunikationssystem angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken besessen hat,

die ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das zweite Kommunikationssystem; ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem Schwellenmesswert; und ein Mittel zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten auf einem Steuerkanal an einen Knoten im zweiten Kommunikationssystem, falls der mindestens eine der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten einen vorbestimmten Schwellenmesswert übersteigt, umfassen, wobei das zweite Kommunikationssystem ein GSM umfasst,

unter Angabe

a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und –preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei die Beklagte zu 2. die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen muss, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegt;

wobei der Beklagten zu 2. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2. dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Telefonaktiebolaget LM A durch die vom 01.04.2011 bis zum 10.02.2013, der B LLC durch die vom 11.02.2013 bis zum 12.02.2013, der C LLC durch die vom 13.02.2013 bis zum 26.02.2014 und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I. bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden sind und noch entstehen werden.

III. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Klägerin zu 75 % und der Beklagten zu 2) zu 25 % auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 50 %. Die Kosten der Streithilfe werden der Streithelferin zu 70 % und der Beklagten zu 2) zu 30 % auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 €, und für die Beklagten sowie die Streithelferin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 2. wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 230 XXX B1 (Anlagen EIP C1, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage EIP C1a; im Folgenden: Klagepatent) auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Das Klagepatent wurde ursprünglich von der Streithelferin am 20.10.2000 unter Inanspruchnahme einer amerikanischen Priorität vom 17.11.1999 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 14.08.2002 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung erfolgte am 12.11.2008. Die Klägerin ist seit dem 07.03.2014 eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Das Patent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Unter dem 17.12.2014 wurde bezüglich des deutschen Teils des Klagepatents Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht eingelegt. Über die Nichtigkeitsklage ist noch nicht entschieden worden.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Verbesserung von Handovern zwischen Mobilkommunikationssystemen. Die Klägerin macht eine Kombination der erteilten Ansprüche 9 und 11 geltend. Die Patentansprüche 9 und 11 lauten in der deutschen Übersetzung:

„9.
Mobiles Endgerät zur Verwendung beim Transport von Messinformationen von einem ersten Kommunikationssystem an ein zweites Kommunikationssystem,

gekennzeichnet durch:

ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das zweite Kommunikationssystem;
ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem Schwellenmesswert; und
ein Mittel zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten auf einem Steuerkanal an einen Knoten im zweiten Kommunikationssystem, falls der mindestens eine der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten einen vorbestimmten Schwellenwert übersteigt.

11.
Mobiles Endgerät nach Anspruch 9, worin das zweite Kommunikationssystem ein GSM umfasst.“

Bezüglich des Wortlauts der in Form von „und/oder wenn“ –Anträgen, die vorliegend als „insbesondere, wenn“-Anträge aufzufassen sind, geltend gemachten Klagepatentansprüche 12 bis 16 wird auf die Anlage EIP C1a verwiesen.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 1 zeigt ein vereinfachtes Blockdiagramm, das verwendet werden kann, um eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung darzustellen. Figur 2 zeigt ein Flussdiagramm eines beispielhaften Verfahrens, das eine bevorzugte Ausführungsform der erfindungsgemäßen Lehre verwenden kann.
Die Streithelferin besitzt eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie. Am 10.01.2013 schloss sie mit der B LLC („E Sub“), der C Inc. („UP“), deren Tochtergesellschaften C E Inc. („UP Sub1“) und C D LLC („UP Sub 2“) sowie der C LLC („Q“) das sogenannte Master Sales Agreement („MSA“), das die weitere Verwertung eines Teils ihrer Patente zum Gegenstand hat. Betroffen war ein Patentportfolio, das über 2000 Patente umfasste. Hinsichtlich der Regelungen des MSA im Einzelnen wird auf den in Auszügen von den Parteien zur Akte gereichten Vertragstext Bezug genommen.

Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die E Sub, UP, UP Sub 1 und UP Sub 2 sind sämtlich Gesellschaften, die nach dem Recht des Staates Delaware gegründet wurden. Die Q wurde nach dem Recht des Staates Nevada gegründet. Die Klägerin wurde nach irischem Recht gegründet. Sie gehört zur C Gruppe und ist mit der Verwaltung und Lizensierung von Patenten befasst. Sie ist dem MSA nachträglich beigetreten.

Im MSA findet sich in Ziffer 6.14 unter anderem die Regelung, dass die Q die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Dieser Verpflichtung ist die Q durch Erklärung vom 14.06.2013 nachgekommen. In einer weiteren Vereinbarung vom 13.02.2013 (Patent Sale and Grant-Back Licence Agreement – „PSA“) findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der Q, bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Dies wurde bei der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin umgesetzt und die Klägerin gab am 6.3.2014 gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Verpflichtungserklärung ab.

In Umsetzung des MSA schlossen dessen Vertragsparteien in der Folgezeit drei Übertragungsverträge, deren Wirksamkeit zwischen den Parteien im Streit steht. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen an („License Proposal“). Hierin ist unter anderem eine Lizenzgebühr von 0,75 USD pro Mobilfunkendgerät vorgesehen. Die Beklagten unterbreiteten der Klägerin ein Gegenangebot. Zu dem Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Klägerin kam es nicht.

Die Beklagten gehören zur F-Gruppe, die im Bereich Telekommunikation sowohl auf dem Markt für Netzwerktechnik als auch für Mobiltelefone tätig ist. Die Beklagte zu 2) bewirbt und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Mobiltelefone wie das „F G LTE“ (angegriffene Ausführungsform), die mit dem 2G- und 3G-Standard kompatibel sind. 2G und 3G bezeichnen Mobilfunkstandards der 2. und 3. Generation, die auch als GSM- und UMTS-Standard bezeichnet werden.

Bei GSM (Global System for Mobile Communications) handelt es sich um einen von der ETSI geschaffenen Mobilfunkstandard. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche technische Spezifikation des Standards ist die TS 145 008 ab der Version 5.2.22. Der GSM-Standard beschreibt das Verfahren des digitalen Zellenkommunikationssystems (Digital cellular telecommunications system) und Funksubsystem-Verbindungssteuerungen (Radio subsystem link control). Die angegriffene Ausführungsform genügt den Anforderungen dieser technischen Spezifikation.

[nicht veröffentlichte Passage]

Die Klägerin behauptet, die Streithelferin habe durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 (nachfolgend ÜV I) einen Teil ihres Patentportfolios – darunter das Klagepatent – auf die B LLC übertragen. Der Vertrag sei auf Seiten der Streithelferin von den Damen H und J, auf Seiten der B LLC von Herrn K für die L unterschrieben worden. Sämtliche Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Für die Damen H und J ergebe sich dies aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Die L sei ausweislich des Limited Liability Company Agreement of B LLC die Geschäftsführerin der B LLC gewesen. Diese wiederum habe Herrn K zur Vertretung bevollmächtigt. Die Vollmacht sei von Frau H und Herrn M unterzeichnet worden. Beide seien ausweislich der Registrierungsurkunde der L Mitglieder des Vorstandes und gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Die Vertretungsregelungen seien nach schwedischem Recht wirksam. Hierzu verweist die Klägerin auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten der Rechtsanwälte N und O. Einer besonderen Form habe der Vertrag nicht bedurft. Im Übrigen sei die Schriftform aber auch gewahrt.

Am 13.02.2013 habe die B LLC die von der Streithelferin erlangten Patente – darunter das Klagepatent – auf die Q weiter übertragen (nachfolgend ÜV II). Der Vertrag sei auf Seiten der B LLC von Herrn K unterzeichnet worden, der aus den vorgenannten Gründen Vertretungsmacht für die L, diese wiederum für die B LLC gehabt habe. Für die Q habe den Übertragungsvertrag Herr P unterzeichnet. Dieser sei CEO der UP. Das ergebe sich aus Pressemitteilungen und Proxy Statements. Die UP wiederum sei Geschäftsführerin der D. Diese sei gemeinsam mit der UP E Inc. Gesellschafterin der Q, nachdem die D durch Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 die Anteile der UP an der Q übernommen habe. Das Interest Assignment Agreement habe auf beiden Seiten Herr P unterzeichnet. Seine Vertretungsbefugnis ergebe sich aus seiner Position als CEO der UP. Die Geschäftsführung der Q sei durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 auf die D übertragen worden. Auch diese Vereinbarung habe Herr P auf beiden Seiten unterzeichnet, wobei er als CEO der UP über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt habe. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Delaware sämtlich zulässig. Die Klägerin verweist insofern auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten des Herrn Professor R. Auch im Übrigen begegne der Übertragungsvertrag nach dem Recht des Staates Delaware keinen Bedenken. Infolge dieses Vertrages habe die Q am 03.09.2013 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 24.10.2013 antragsgemäß erfolgt sei.

Am 27.02.2014 habe die Q die Patente – darunter das Klagepatent – auf die Klägerin weiter übertragen (nachfolgend: ÜV III). Die Vereinbarung sei auf Seiten der Q von Herrn S, auf Seiten der Klägerin von Herrn T unterzeichnet worden. Herr S sei CFO der UP und durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 bevollmächtigt worden, die Q bei der Ausführung des MSA zu vertreten. Im Übrigen ergebe sich die Vertretungsbefugnis des Herrn S für die Q auch aus einem Board Meeting der UP vom 10.01.2013. Herr T sei im Rahmen des Board Meetings der Klägerin am 27.02.2014 zum Managing Director ernannt worden und als solcher zur Vertretung der Klägerin befugt. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Nevada zulässig. Dies werde durch das von ihr eingeholte Privatgutachten der Kanzlei U bestätigt. Auch im Übrigen begegne der ÜV III nach dem Recht des Staates Nevada keinen Bedenken. Die Klägerin habe am 07.03.2014 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 03.07.2014 erfolgt sei.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Mobiltelefone, die ein Handover von einer GSM-Zelle an eine UMTS-Zelle gemäß dem GSM-Standard unterstützten, verwirklichten zwangsläufig die Lehre des Klagepatents. Unter anderem weise die angegriffene Ausführungsform ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem UMTS-Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das GSM-Kommunikationssystem auf.

Der Zweck der Umwandlung der UMTS-Messinformationen bestehe darin, diese Informationen als Teil eines bereits existierenden GSM-Messberichts an eine zu einem GSM-Kommunikationssystem gehörende Basisstation zu transportieren. Für den Fachmann sei daher ersichtlich, dass die UMTS-Messdaten in Form der Ec/lo beziehungsweise RSCP-Werte in das im GSM-Telekommunikationssystem verwendete Berichtsformat eines RXLEV-Wertes umgewandelt werden sollten, so dass die UMTS-Messinformationen das Format von GSM-Messinformationen aufweisen und somit als Bestandteil eines GSM-typischen Messberichts an eine GSM-Basisstation übertragen werden können. Bereits in dem standardgemäßen Mapping sei daher ein Umwandeln im Sinne des Klagepatents zu sehen. Dabei werde ein RXLEV-Wert im GSM-System standardgemäß erreicht, indem zu den RSCP-Werten aus dem UMTS-System ein OFFSET von 5 dBm addiert werde. Eine inhaltliche Vergleichbarkeit der umgewandelten Messwerte des ersten Kommunikationssystems mit anderen Messwerten werde von dem Klagepatent hingegen nicht vorausgesetzt. Selbst wenn eine inhaltliche Vergleichbarkeit jedoch verlangt werde, verletze die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent. Denn aus den Ausführungen in dem zweiten Spiegelstrich des letzten Absatzes der Ziffer 8.4.8.1. des GSM-Standards ergebe sich, dass nicht nur eine Formatänderung stattfinde, sondern umgewandelte Messwerte erhalten würden, die mit anderen Messwerten vergleichbar seien und auch verglichen würden.

Der in dem Klagepatent bezeichnete Schwellenmesswert werde nur deshalb derart bezeichnet, weil ein Vergleich des Schwellenwerts mit einem Messwert vorgenommen werden solle. Der Klagepatentschrift lasse sich insofern nicht entnehmen, dass das Vorbestimmen des Schwellenmesswerts anhand anderer Messungen zu erfolgen habe. Für den Fachmann sei vielmehr erkennbar, dass es sich nur lohne, einen GSM-Messwert durch einen UMTS-Messwert zu ersetzen, wenn der UMTS-Messwert von signifikanter Stärke und die dazugehörige UMTS-Basisstation somit ein potenzieller Handoverkandidat sei. Nach dem GSM-Standard würden daher nur diejenigen Zellen berichtet, die Messwerte aufweisen, die nach der Umwandlung in RXLEV höher seien, als die vom Parameter „XXX_REPORTING_THRESHOLD“ (Bl. 1004 d.A.) definierten Schwellenwerte.

Die Klägerin hat die Klage ursprünglich auch auf den Anspruch 1 des Klagepatents gestützt sowie einen Antrag auf Urteilsveröffentlichung angekündigt und den Auskunfts- sowie Schadensersatzanspruch für die Zeit vor dem 01.04.2011 geltend gemacht. Nach Rücknahme dieser Anträge sowie Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 1. beantragt sie nunmehr,

I. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihr in Form einer geordneten Aufstellung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie – die Beklagte zu 2. – seit dem 01.04.2011 mobile Endgeräte zur Verwendung beim Transport von Messinformationen von einem ersten Kommunikationssystem an ein zweites Kommunikationssystem angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken besessen hat,

die ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das zweite Kommunikationssystem; ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem Schwellenmesswert; und ein Mittel zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten auf einem Steuerkanal an einen Knoten im zweiten Kommunikationssystem, falls der mindestens eine der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten einen vorbestimmten Schwellenmesswert übersteigt, wobei das zweite Kommunikationssystem ein GSM umfasst,

(Anspruch 9 des EP 1 230 XXX B1)

insbesondere, wenn

die Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten eine Vielzahl von Ec/Io-Werten umfasst;

(Unteranspruch 12 des EP 1 230 XXX B1)

und/oder wenn

die Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten eine Vielzahl von RSCP (Received Signal Code Power)-Werten umfasst;

(Unteranspruch 13 des EP 1 230 XXX B1)

und/oder wenn

die Vielzahl von mit dem zweiten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten eine Vielzahl von Signalstärkewerten umfasst;

(Unteranspruch 14 des EP 1 230 XXX B1)

und/oder wenn

der Steuerkanal einen Steuerkanal umfasst, der in einer „non-Stealing“ Betriebsweise betriebsfähig ist;

(Unteranspruch 15 des EP 1 230 XXX B1)

und/oder wenn

der Steuerkanal einen SACCH (Slow Associated Control Channel) umfasst;

(Unteranspruch 16 des EP 1 230 XXX B1)

unter Angabe

a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagte zu 2. die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen muss, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegt;

wobei der Beklagten zu 2. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt ihr -der Klägerin – einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2. dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, ihr – der Klägerin – auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

II. festzustellen, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Telefonaktiebolaget LM A vom 01. April 2011 bis zum 10. Februar 2013, der B LLC vom 11. Februar 2013 bis zum 12. Februar 2013, der C LLC vom 13. Februar 2013 bis zum 26. Februar 2014 und ihr – der Klägerin – seit dem 27. Februar 2014 durch die unter Ziffer I. bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Beklagte zu 2. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise
das Verfahren auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die mit Schriftsatz vom 16.03.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin beantragt,

der Beklagten zu 2. die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.

Die Beklagte zu 2. bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Die zum ausländischen Recht vorgelegten Privatgutachten seien schon deshalb unbrauchbar, weil der Verweis auf Normen teilweise gänzlich fehle, die zitierten Normen und Entscheidungen nicht beigefügt seien und unklar sei, welche Unterlagen den Gutachtern vorgelegen hätten.

Die Registereintragung der Klägerin begründe keine Indizwirkung für die materiell-rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags sei die B LLC zwischenzeitlich Inhaberin des Klagepatents gewesen; diese sei hingegen nicht im Patentregister eingetragen gewesen. Auch im Übrigen weise der Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Patentübertragungen Unschlüssigkeiten auf. Insofern sei der Erfahrungssatz, das die Registerlage regelmäßig die materielle Rechtslage widergebe, erschüttert.

Im Übrigen ist die Beklagte zu 2. der Auffassung, die Streithelferin habe bei der Umsetzung des MSA sowohl gegen die Vorschriften der Fusionskontrolle (§§ 35-42 GWB) als auch gegen das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101, 102 AEUV) verstoßen.

Bei der mit dem MSA vereinbarten Transaktion handele es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von § 37 GWB, der beim Bundeskartellamt hätte angemeldet werden müssen. Dies ist – insoweit unstreitig – nicht geschehen.

Die Übertragung des Patentportfolios von der A Unternehmensgruppe an die UP Unternehmensgruppe stelle einen Vermögenserwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB dar. Denn bei den übertragenen Patenten handele es sich um einen wesentlichen Teil des Vermögens von A. Sie seien die wesentliche Grundlage für die Stellung von A auf dem relevanten Markt. Ihre Übertragung sei geeignet, die Marktstellung von A auf UP zu übertragen. Insofern stelle jedes SEP einen selbständigen, relevanten Produktmarkt dar, auf dem der Patentinhaber Lizenzen zur Nutzung seiner geschützten Technologie durch Lizenznehmer vergebe. Jedes der nach dem MSA zu übertragenden Patente habe A eine marktbeherrschende Stellung und einen Marktanteil von 100% auf jedem der relevanten Märkte für die Lizensierung der einzelnen SEPs verschafft. Durch die Übertragung der Patente habe UP in die Monopolstellung von A eintreten sollen.

Zudem hätten A und UP durch den MSA die gemeinsame Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 b) GWB über Q erlangt. Denn A und UP hätten bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe von Q gehabt. Dies ergebe sich aus Ziffer 6.1 (y) des MSA, wonach Q nicht ohne die Zustimmung von A jemand anderen als die D zum Geschäftsführer bestimmen dürfe. Weitere Vetorechte in den Ziffern 6.1 (a) bis (z) würden den bestimmenden Einfluss von A auf Q verstärken.

Die Umsatzschwellen des § 35 GWB seien überschritten. Der weltweite Umsatz allein von A habe im Jahr 2012 etwa 26,17 Mrd. EUR betragen (vgl. Anlage ROKH-NT-C4). Davon entfalle ein Betrag von mehr als 25 Mio. EUR auf Deutschland (vgl. Anlage ROKH-NT-C5-C7). Mit den übertragenen Patenten seien im Jahr 2012 Umsatzerlöse in Deutschland in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt worden. Hierbei seien auch die Patente zu berücksichtigen, die noch nicht abgetreten worden seien, nach dem MSA aber in den nächsten Jahren abgetreten werden sollen (vgl. Ziffer 6.3 des MSA). Das MSA belege, dass die Vertragsparteien selbst den Wert der von der Vereinbarung umfassten Patente auf mindestens 1,05 Milliarden USD geschätzt hätten (vgl. Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA). Der tatsächliche Wert sei sogar höher. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die übertragenen Patente in bis zu acht Jahren ab Übertragung auslaufen würden und dass der deutsche Mobilfunkmarkt etwa fünf Prozent des weltweiten Marktes ausmache, werde deutlich, dass mit der Lizensierung des übertragenden Patentportfolios im Jahr 2012 in Deutschland ein Umsatz von mindestens 6,56 Mio. USD erzielt worden sei (5 % von 1,05 Milliarden USD geteilt durch 8 Jahre). Dies entspreche einem Betrag von 5,1 Mio. EUR. Ähnliches ergebe sich auch unter Berücksichtigung des „License Proposal“ der Klägerin. Hiernach sei pro Mobilfunkendgerät ein Betrag von 0,75 USD zu zahlen. Im Jahr 2012 seien nach den von der Streithelferin vorgelegten Marktstudien in Deutschland 30,4 Mio. Endgeräte abgesetzt worden. Hieraus würden sich Lizenzeinnahmen im Jahr 2012 von 22,8 Mio. USD errechnen. Der Klägerin obliege insofern eine sekundäre Beweislast, da der Beklagten zu 2. mangels Kenntnis der konkreten Umsatzzahlen der Streithelferin näherer Vortrag nicht möglich sei.

Im Übrigen stelle das MSA eine wettbewerbswidrige Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV dar.

A und UP hätten bezweckt, durch die Aufspaltung des Patentportfolios die ETSI-Regeln zu umgehen und die Lizenzeinnahmen auf ein oberhalb von FRAND liegendes („Supra-FRAND“) Niveau anzuheben. Dies werde durch die künstliche Schaffung eines zusätzlichen Handelspartners erreicht, der zudem als reine Patentverwertungsgesellschaft nicht durch die Notwendigkeit, Kreuzlizenzen an standardessentiellen Patenten anderer Wettbewerber zu nehmen, eingeschränkt sei. Hierdurch entstehe ein Verhandlungsungleichgewicht zu Gunsten von A und UP, das zu höheren Lizenzgebühren am Markt führen werde.

Zudem sehe das MSA in Ziffer 3.4 wettbewerbswidrige Mindestlizenzgebühren vor und enthalte daher eine unzulässige Preisbindung. Für die Übertragung der Patente sei – insoweit unstreitig – nicht etwa ein fester Kaufpreis vereinbart worden, sondern der „Kaufpreis“ sei gemäß Ziffer 3.2 des MSA als Anteil an den Bruttolizenzeinnahmen von Q zu zahlen. Dabei werde durch die einzelnen Regelungen des MSA erheblicher Druck auf Q ausgeübt, die zu vereinbarenden Lizenzen möglichst zu maximieren. Dies ergebe sich zum einen aus Ziffer 3.4., wonach Q verpflichtet sei, von seinen Lizenznehmern bestimmte Mindestlizenzgebühren (sog. Applicable Royalty Rate) zu verlangen. Andernfalls werde eine Strafzahlung fällig. Eine solche werde nach den Ziffern 3.3 und 8.13 (c) des MSA auch fällig, wenn Q ohne Zustimmung von A seine Kontrollstrukturen ändere. Die Drohung mit einer erheblichen Zahlungsverpflichtung begründe für Q einen Anreiz, bei potenziellen Lizenznehmern die höchstmöglichen Lizenzgebühren zu erzielen. Q sei dadurch massiv in seiner Preissetzungsfreiheit beschränkt. Hierin liege eine „Kernbeschränkung“, die ungeachtet der Tatsache, ob sie in horizontalen oder vertikalen Vereinbarungen enthalten sei, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle.

Desweiteren bewirke das MSA einen unzulässigen Informationsaustausch, zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin. Diese seien Wettbewerber in der Vergabe von Lizenzen. Das MSA gewähre der Nebenintervenientin Einblicke in wesentliche, auch wettbewerblich sensible Geschäftsvorfälle der Klägerin, die die Nebenintervenientin dazu ausnutzen könne, ihr eigenes Marktverhalten entsprechend anzupassen.

Aufgrund des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV sei das MSA gemäß Art. 102 Abs. 2 AEUV insgesamt nichtig. Die Unwirksamkeit des MSA erstrecke sich auch auf die nachfolgenden Vollzughandlungen – d.h. die Übertragungsverträge – da diese unmittelbar mit der Beschränkung des Wettbewerbs verbunden seien. Die in Ziffer 8.9 des MSA enthaltene salvatorische Klausel stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Beschränkung der Preisgestaltung könne vernünftigerweise nicht vom MSA im Übrigen getrennt werden; das MSA wäre ohne die Art. 101 AEUV verletzenden Bestimmungen nicht geschlossen und vollzogen worden.

Das MSA und sein Vollzug würden zudem gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Die Streithelferin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ihr Patentportfolio künstlich aufgespalten habe. Dies habe der Umgehung der FRAND-Verpflichtung gedient mit dem Ziel, die Lizenzeinnahmen auf ein über FRAND liegendes Niveau anzuheben. Rechtsfolge sei die Nichtigkeit des MSA und der Übertragungsverträge gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 102 AEUV.

Die Beklagte zu 2. ist weiter der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze nicht das Klagepatent. In der angegriffenen Ausführungsform erfolge keine Umwandlung von UMTS-Downlink-Messwerten in Downlink-Messwerte für das GSM-Kommunikationssystem. Nach dem GSM-Standard würden die UMTS-Messwerte lediglich in das gleiche Berichtsformat wie die GSM-Messwerte gebracht. Dies sei nach der klagepatentgemäßen Lehre nicht ausreichend. Denn auf dieser Basis sei eine Vergleichbarkeit der Werte nicht zu erzielen. Das Klagepatent sehe vor diesem Hintergrund eine inhaltliche Umwandlung zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Messwerte vor. Ziel der Umwandlung sei es, dass die GSM-Basisstation auch die UMTS-Messinformationen nutzen könne, um eine Handover-Entscheidung zu treffen. Nach dem GSM-Standard würden die UMTS-Messinformationen aber gerade anstelle von RXLEV-Werten übertragen. Das Mapping von UMTS-Messwerten und GSM-Messwerten erfolge dabei streng voneinander getrennt. Eine Korrelierung erfolge nicht. Auch aus dem zweiten Spiegelstrich in Unterabschnitt 8.4.8.1 des streitgegenständlichen Standards ergebe sich eine qualitative Vergleichbarkeit der Berichtswerte für UMTS- und GSM-Zellen nicht. Ein Zellenvergleich finde für jede RAT beziehungsweise jeden Modus gesondert statt.

Bei der angegriffenen Ausführungsform fehle es überdies auch an einem Schwellenmesswert. Hierbei könne es sich nicht um einen festgesetzten Wert handeln, sondern dieser müsse auf vorherigen Messungen beruhen. Hinsichtlich des Parameters FDD_REPORTING_THRESHOLD fehle es indes an einer Vorbestimmung. Der GSM-Standard sehe keinen Vergleich der UMTS-Werte mit einem GSM-Schwellenmesswert vor. Bei dem Parameter FDD_REPORTING_THRESHOLD handele es sich vielmehr um einen UMTS-Vergleichswert. Dem Erfordernis der vorherigen Umwandlung sei aber gerade zu entnehmen, dass der Schwellenmesswert ein Messwert des zweiten Kommunikationssystems sein müsse. Anderenfalls könne ein Vergleich der umgewandelten Messwerte mit dem Schwellenmesswert nicht sinnvoll stattfinden. Schließlich lege das Klagepatent fest, dass ein umgewandelter Wert immer dann gesendet werden solle, wenn dieser den Schwellenmesswert überschreite. Demgegenüber würden Berichtswerte nach dem Standard nur dann berichtet, wenn die Parameter FDD_REPORTING_THRESHOLDund FDD_REPORTING_THRESHOLD_2 überschritten würden.

[nicht veröffentlichte Passage]

Im Übrigen stehe der Durchsetzung der mit der Klage verfolgten Ansprüche der Lizenzeinwand aus Art. 102 AEUV entgegen. Die Beklagte zu 2. würde sich in ernsthaften Verhandlungen mit der Klägerin über eine Lizenz am Klagepatent befinden. Zu diesem Zweck hätten mehrfach Treffen stattgefunden und es sei detailliert die mögliche Gestaltung eines solchen Lizenzvertrags diskutiert worden. Soweit die Klägerin öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen anbiete („License Proposal“), enthalte das Angebot nicht die erforderlichen Grundlagen zur Berechnung der Lizenzgebühr und stelle zudem eine Diskriminierung der Beklagten zu 2. dar, weil nicht berücksichtigt werde, dass diese bereits in der Vergangenheit über eine Lizenz verfügt hätte. Sie – die Beklagte zu 2. – hätte der Klägerin ein Gegenangebot unterbreitet, das FRAND-Bedingungen entspreche. Aufgrund vertraglicher Geheimhaltungsverpflichtungen könnten hierzu allerdings keine näheren Angaben gemacht werden.

Jedenfalls sei das Verfahren auszusetzen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit werde die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage Erfolg haben. Die patentgemäße Lehre werde durch die US 5,978,679, die TSGR 2 #(99)e61, die TR 101 176 v. 1.1.1 (Anlage ROKH C9, C9a) sowie die Tdoc SMG 2 1145/99 neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Klägerin und die Streithelferin treten den kartellrechtlichen Einwänden der Beklagten zu 2. entgegen.

Die Nebenintervenientin behauptet, für ihr umfangreiches Patentportfolio auf dem Markt keine angemessenen Lizenzgebühren mehr habe erzielen können. Dies sei der Grund für den Abschluss des MSA gewesen. Es sei ihr legitimes Ziel gewesen, durch die Aufspaltung des Portfolios einen faireren Ausgleich für die von ihr geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu erlangen. Diese sei immens. Sie investiere jährlich etwa 4 Milliarden USD in diesen Bereich und beschäftige dort mehr als 25.000 Mitarbeiter. Ein großer Teil der Aktivitäten sei dabei der Entwicklung von offenen Mobilfunkstandards gewidmet. Etwa 40 % des weltweiten mobilen Datenverkehrs verlaufe durch Netzwerke, die von ihr bereitgestellt würden. Als Ergebnis ihrer umfangreichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit halte sie mittlerweile ein Portfolio von über 37.000 erteilten Patenten. Hinzu komme die jährliche Erteilung von weiteren etwa 2.000 Patenten. Eine Vielzahl dieser Patente sei wesentlich für die bedeutenden Standards, die von modernen Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt würden. Sie habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen seien ein notwendiger Anreiz, um weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Dabei setze sie – die Streithelferin – sich vehement für die Implementierung der FRAND-Prinzipien ein. Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu der Einhaltung und Umsetzung der FRAND-Prinzipien habe auch beim Abschluss des MSA eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige sich an verschiedenen Stellen des Vertrages, etwa in den Ziffern 6.1 (x), 6.7 (a), 6.7 (b), 6.12, 6.14 (a), 6.14 (b). Auch im PSA sei in Ziffer 5.4 eine entsprechende Regelung getroffen worden.

Immer mehr potenzielle Lizenznehmer würden demgegenüber die Möglichkeit des „Hold-out“ nutzen, d.h. die geschützte Technologie ohne bestehenden Lizenzvertrag nutzen und darauf warten, vom Patentinhaber verklagt zu werden. Dies geschehe in dem Wissen, dass solche Verfahren nur Patent für Patent und Land für Land durchgeführt werden könnten und entsprechend lange Zeit benötigten. An ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen seien diese Marktteilnehmer nicht interessiert.

Das MSA verstoße nicht gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften. Es sei schon kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt.

Die übertragenen Patente würden keinen wesentlichen Vermögensteil darstellen. Denn der Erwerb des Patentportfolios sei nicht geeignet gewesen, eine vorhandene Marktstellung auf Q zu übertragen. Vielmehr müsse Q bzw. die Klägerin sich ihre Marktstellung von Grund auf selbst erarbeiten. Die Übernahme bestehender Lizenzverträge an den übertragenen Patenten sei – insoweit unstreitig – gerade nicht Gegenstand des MSA gewesen. Q habe vielmehr „nackte“ Vermögenswerte und gerade keinen Geschäftsbereich erworben.

Auch ein Kontrollerwerb über Q sei nicht gegeben. Hintergrund der beanstandeten Regelungen sei es gewesen, den Kaufpreis zu sichern und zugleich sicherzustellen, dass sich Q bzw. deren Rechtsnachfolger an die FRAND-Verpflichtung halte. Ein Einfluss auf das Wettbewerbspotential von Q sei weder bezweckt gewesen noch durch das MSA erreicht worden.

Im Übrigen seien die Umsatzschwellen des § 35 GWB nicht überschritten. Für die Annahme, die Umsätze von Q in Deutschland im Jahr 2012 hätten 5 Millionen Euro überschritten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.

Nur hilfsweise weist die Streithelferin außerdem darauf hin, dass ein Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht die Unwirksamkeit der Patentübertragungen zur Folge hätte. § 41 Abs. 1 S. 2 GWB beschränke die Nichtigkeitsfolge vielmehr auf dasjenige Rechtsgeschäft, das gegen das Vollzugsverbot verstoße. Im Übrigen bleibe das MSA und erst Recht die nachfolgenden Patentübertragungen wirksam.

Das MSA enthalte auch keine unzulässige Preisbindung. Die Vereinbarung einer „Applicable Royalty Rate“ stelle nicht die Festlegung einer Mindestlizenzgebühr dar, sondern sei lediglich Hilfsmittel, um die Zahlung eines angemessenen Kaufpreises für die übertragenen Patente sicherzustellen. Die Klägerin sei frei, mit ihren potentiellen Lizenznehmern jedwede Lizenzgebühr auszuhandeln. Dabei sei sie allein kaufmännischen Erwägungen unterworfen. Der Anreiz für die Klägerin, die „Applicable Royalty Rate“ nicht zu unterschreiten, sei vergleichbar mit dem Anreiz für jeden Großhändler, bei einem Weiterverkauf der Waren nicht deren Einkaufspreis zu unterschreiten. Hierin liege keine kartellrechtswidrige Preisfestsetzung.

Schließlich verstoße das MSA nicht gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV. Es sei – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – keineswegs Sinn und Zweck des MSA gewesen, die Lizenzgebühren auf ein über FRAND liegendes Niveau zu erhöhen. Vielmehr hätten sowohl Q als auch die Klägerin – insoweit unstreitig – entsprechend den Regelungen im MSA und PSA eigene FRAND-Erklärungen abgegeben, um sicherzustellen, dass die FRAND-Prinzipien eingehalten würden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Patentverwertungsgesellschaft handele, könne keinen Unterschied machen. Ein Recht auf einen bestimmten Lizenzgeber gewähre das Kartellrecht nicht.

Der Kartellrechtseinwand der Beklagten zu 2. könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der Klage keine Unterlassung, sondern ausschließlich Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht werde. Auf diese Ansprüche finde Art. 102 AEUV keine Anwendung. Insofern sei auch keine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf eine angemessene Lizenzgebühr gerechtfertigt. Die Beklagte zu 2. hätte nämlich gerade kein annahmefähiges Angebot abgegeben, geschweige denn Sicherheit geleistet.

Mit Zwischenurteil vom 29.07.2014 hat die Kammer den Antrag der Beklagten zu 2. auf Leistung der Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Zeugen H, M, V, J, P, S, W und K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen. Die Akten 4b O 49/14, 4b O 51/14, 4b O 52/14, 4b O 122/14, 4b O 123/14, 4b O 154/14, 4b O 156/14 und 4b O 157/14 wurden beigezogen und waren ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.
Die Klägerin ist zur Geltendmachung der mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung aktiv legitimiert.

1.
Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1781; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18737). Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; vgl. auch Pitz, GRUR 2010, 688, 689). Soweit allerdings – wie im Streitfall – Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, stehen diese nur dem jeweils materiell berechtigten Patentrechtsinhaber zu.

Für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, kommt dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zu (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren). Nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird, wobei jeder Nachweis erkennen lassen muss, dass der bisherige Schutzrechtsinhaber mit dem Übergang der daraus folgenden Rechte auf den neuen Inhaber einverstanden ist. Gemäß § 28 Abs. 2 DPMAV muss der bisherige Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreiben oder der Rechtsnachfolger muss eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegen. Dies begründet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft, solange nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich sind oder vom Gegner aufgezeigt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt.

2.
Die Klägerin ist seit dem 27.02.2014 materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents. Hierfür spricht die durch ihre Eintragung im Patentregister begründete Vermutung, die durch die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt wird.

Der Indizwirkung des Registers steht im Grundsatz nicht entgegen, dass ein Zwischenerwerber in der von der Klägerin vorgetragenen Übertragungskette, nämlich die B LLC, nicht im Patentregister eingetragen war. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des LG Mannheim, wonach die Nichteintragung eines Zwischenerwerbers im Patentregister generell unbeachtlich sein soll (vgl.: LG Mannheim, Urteil vom 10.03.2015 – Aktenzeichen 2 O 103/14, BeckRS 2015, 15918), im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin zur Übertragungskette vorgetragenen Details – im Hinblick auf den nichteingetragenen Zwischenerwerb der B LLC – aber jedenfalls nicht aus, die Vermutungswirkung des Patentregisters zu erschüttern. Denn die Übertragungskette war nach dem Vortrag der Klägerin zwischen sämtlichen Parteien von vornherein abgestimmt und die B LLC gerade einmal für einen Zeitraum von zwei Tagen materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents. Die Eintragung der B LLC, die von vornherein nur als Zwischenerwerberin fungieren sollte, wäre reine Förmelei gewesen. Insofern genügt die Eintragung der Q im Patentregister, um dessen Indizwirkung zu erhalten.

Die durch das Patentregister begründete Vermutung hinsichtlich der Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent wird bestätigt durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Zeugenvernehmung. Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Streithelferin das Klagepatent durch Patentübertragungsvertrag vom 11.02.2013 an die B LLC übertragen hat (nachfolgend: ÜV I), die es dann durch Übertragungsvertrag vom 13.02.2013 an die Q weiter übertragen hat (nachfolgend: ÜV II), die schließlich durch Vertrag vom 27.02.2014 die Übertragung an die Klägerin vorgenommen hat (nachfolgend: ÜV III). Im Einzelnen:

a) Grundsätze
Für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung des Patents gilt das Schutzlandprinzip (lex loci protectionis). Dieses ist zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staates heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.). Entsprechend ist vorliegend, da der deutsche Teil eines europäischen Patents im Streit steht, die Wirksamkeit der vorgetragenen Patentübertragungen nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass von den Übertragungsverträgen zugleich weitere ausländische Schutzrechte umfasst waren (vgl.: OLG München, GRUR-RR 2006, 130).

aa)
Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben kann die Übertragung eines Patents im deutschen Recht durch schlichte Übereinkunft zwischen dem bisherigen Inhaber und dem in Aussicht genommenen Patenterwerber erfolgen. Der Einhaltung einer besonderen Form bedarf es nicht, weil Art. 72 EPÜ ein Schriftformerfordernis ausdrücklich und abschließend nur für europäische Patentanmeldungen aufstellt (LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347, 350 – Medizinisches Instrument). Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung eines Patents in einem Vertrag mit der Übertragung von Patentanmeldungen vorgenommen wird. Denn die insoweit nach Art. 72 EPÜ bei Nichteinhaltung der Schriftform normierte Nichtigkeit für die Übertragung der Patentanmeldungen erfasst nicht den – unter Umständen mündlich oder konkludent zustande gekommenen – Gesamtvertrag (vgl.: OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2011, Az.: 2 W 58/11, BeckRS 2011, 27019).

Die Formvorschrift des Art. 72 EPÜ betrifft ausschließlich die Übertragung der formalen, aus einer europäischen Patentanmeldung resultierenden Rechtsposition (Recht aus der Patentanmeldung), um aus Gründen der Rechtsklarheit für das EPA aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar zu machen, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung – etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen – wirksam zustande gekommen ist. Mit ihr soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, GRUR 1992, 692, 693 – Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem EPA (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ).

Für ein einmal erteiltes Patent sind diese Grundsätze ohne Relevanz. Dieses kann ohne besondere Formerfordernisse übertragen werden. Der Wille hierzu kann sich auch aus einem Vertragswerk ergeben, das zugleich die Übertragung von Patentanmeldungen erfasst. Um in einem solchen Fall die Gesamtnichtigkeit des Vertragswerkes annehmen zu können, bedarf es der expliziten Vereinbarung der Vertragsparteien darüber, dass die Wirksamkeit der Patentübertragungen abhängig sein soll von der Wirksamkeit der Übertragungen der Patentanmeldungen (vgl. hierzu: BGH, NJW 1993, 69 ff. – Magazinbildwerfer). Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt.

bb)
Ob ein bestimmter über das Klagepatent abgeschlossener Vertrag dessen materielle Übertragung zum Gegenstand hat, ist im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung ist nach denjenigen gesetzlichen Regeln vorzunehmen, die das Vertragsstatut vorgibt. Haben für die Parteien des Übertragungsvertrages Bevollmächtigte gehandelt, entscheidet das Vertragsstatut auch darüber, ob die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung gegeben sind. Wird nach erfolgter, ggf. ausländischem Vertragsrecht folgender Auslegung und Beurteilung der Vertretungsverhältnisse eine den Geschäftsherrn bindende Übertragungsabsprache bejaht, entscheidet deutsches Recht darüber, ob die verabredete Patentübertragung den Anforderungen an ein solches Verfügungsgeschäft genügt (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.).

b) Übertragungsvertrag Streithelferin – B LLC

Die Klägerin hat schlüssig dargetan und bewiesen, dass die Streithelferin das Klagepatent als Teil eines Portfolios mit Vertrag vom 11.02.2013 an die B LLC (E-Sub) übertragen hat.

aa)
Die Klägerin hat die Übertragungsvereinbarung zwischen der Streithelferin und der B LLC vom 11.02.2013 mit Schriftsatz vom 17.11.2015 im Original vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV I übereinstimmt, heißt nicht, dass die darin enthaltene Vereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Zeugen H, J und K haben übereinstimmend ausgesagt, dass sowohl das Original als auch die Kopie ihre Unterschriften aufweisen und die Unterschiede auf den Unterschriftsseiten daher rühren können, dass sie den Vertrag mehrfach unterzeichnet haben. Die Zeugen haben zudem gegenseitig ihre Unterschriften verifiziert.

Die Unterzeichnung des Vertrages kam nach übereinstimmender Aussage der drei Zeugen in Schweden zu Stande und zwar im Rahmen eines Leadership-Meetings, das am 7. Februar 2013 am Hauptsitz von A in der Nähe von Stockholm stattfand. Aus Anlass dieses Leadership-Meetings befand sich auch der Zeuge K zu diesem Zeitpunkt in Schweden. Die Zeugen stimmten darin überein, dass die Unterschriften von dem In-House Anwalt der Streithelferin, Herrn Sven X, gesammelt wurden, da es sich bei dem ÜV I um einen internen Vorgang innerhalb der A Unternehmensgruppe gehandelt habe.

Zugleich wiesen alle drei Zeugen darauf hin, dass der ÜV I nur ein Teil einer größeren Transaktion gewesen sei und die spätere Übertragung der Patente an die C Unternehmensgruppe vorbereitet habe. Die Zeugin J schilderte detailliert, wie üblicherweise die Unterzeichnung von Verträgen bei transkontinentalen Vereinbarungen ablaufe. Die Dokumente würden per e-mail ausgetauscht, wobei im Regelfall der Vertragstext und die Unterschriftsseite als separate pdf-Dokumente verschickt würden. Die Unterschriftsseite werde ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und zurückgesandt. Die beauftragte Anwaltskanzlei sammele die Unterschriftsseiten, füge diese mit dem Vertragstext zusammen und stelle sicher, dass die korrekten Anlagen beiliegen. Mittlerweile werde häufig vereinbart, dass die pdf-Dokumente als Originale gelten sollen, weshalb auf die Originale nicht mehr so viel Wert gelegt werde. Die Üblichkeit dieses Vorgehens wurde von den Zeugen H und M dem Grunde nach bestätigt. Der Zeuge W ergänzte dies im Rahmen seiner Vernehmung dahingehend, dass die beteiligten Kanzleien die Unterschriftsseiten austauschen und deren Erhalt bestätigen würden.

Die Zeugen H, J und K haben weiter übereinstimmend ausgesagt, dass vorliegend die Gesamttransaktion von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei Y begleitet worden sei, die die Verträge ausgearbeitet, bei sich gesammelt und sichergestellt habe, dass alles ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen sei. Für den ÜV I habe, da sämtliche der unterzeichnenden Personen in Schweden gewesen seien, Herr X die Unterschriften gesammelt. Der Umstand, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei Y vorbereitet wurden, erklärt, warum der ÜV I verschiedene Papierformate aufweist. Denn europäische und amerikanische Formate unterscheiden sich geringfügig und es erscheint vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen durchaus möglich, dass einzelne Seiten in den USA und andere in Schweden ausgedruckt wurden.

Soweit es im Rahmen der Unterzeichnung des ÜV I eine Änderung im Vertragsinhalt gegeben hat, an die sich die Zeugen im einzelnen nicht mehr erinnern konnten, stimmten sie sämtlich darin überein, dass es sich allenfalls um ein Detail gehandelt habe, um dass sich die Rechts- bzw. Patentabteilung gekümmert habe. Die drei vorgenannten Zeugen waren sich bei der Unterzeichnung des Vertrages darüber im Klaren, dass mit dem ihnen zur Unterschrift vorgelegten Vertrag eine Reihe von Patenten der Streithelferin auf deren hundertprozentige Tochtergesellschaft, die B LLC, übertragen werden sollten. Dass die Zeugen hierbei nicht im Einzelnen wussten, welche Patente – insbesondere mit welchen Patentnummern – übertragen werden sollten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Insofern haben sich alle drei Zeugen in der konkreten Ausgestaltung des Vertrages auf ihre Anwälte verlassen; ihr Vertragsbindungswille bezog sich auf die grundsätzliche Übertragung von Patenten von der Streithelferin auf die B LLC, wobei die Details durch die hierfür bevollmächtigten Anwälte geregelt werden sollten. Dass sich die Kenntnis und damit der Wille der Zeugen nicht auf jedes Detail des Vertrages bezog, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. Dies entspricht vielmehr der üblichen Arbeitsteilung innerhalb größerer Unternehmen. Die eingeschalteten Anwälte handelten als Vertreter der Unterzeichnenden. Dies gilt auch für den gegenseitigen Empfang der Willenserklärungen.

bb)
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV I die Übertragung des Klagepatents von der Streithelferin an die B LLC umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV I übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Patent im Register geändert wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte. Schließlich zeigt auch die Stellung von A als Streithelferin der Klägerin in diesem Rechtsstreit, dass der Wille des Vorstandes von A dahin ging, das Klagepatent an die B LLC und von dieser an den C Unternehmenskonzern zu übertragen. Dieser Wille des Vorstandes wurde durch die den ÜV I unterzeichnenden Personen ausgeführt. Insofern konnte die Zeugin J bestätigen, dass Patente aus dem Bereich des Mobilfunks betreffend 2G, 3G und 4G ausgewählt wurden.

cc)
Die Übertragung des Klagepatents unterlag nicht dem Schriftformerfordernis des Art. 72 EPÜ (s.o. unter Ziffer 2. a) aa). Ungeachtet dessen ist dieses im vorliegenden Fall aber auch gewahrt, weil der ÜV I in seinem Anhang A das Klagepatent bezeichnet, den Willen zu dessen Übertragung wiedergibt und die Unterschrift der beiden Vertragsparteien trägt. Für die Einhaltung der Schriftform des Art. 72 EPÜ ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Unterschrift auf jeder Seite eines mehrseitigen Dokuments steht. Erforderlich ist nur, dass der auf mehreren Seiten stehende Text den Willen der unterzeichnenden Personen darstellt und entsprechend von der Unterschrift gedeckt ist (Fitzner/Lutz/Bodewig/Heinrich, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, Art. 72 EPÜ Rn 6). Dies kann nicht nur durch eine Unterschrift/Paraphierung auf jeder Seite des Vertrages oder eine Heftung oder ähnlich feste Verbindung der einzelnen Vertragsseiten deutlich gemacht werden, sondern auch mittels einer Beweiserhebung – etwa durch die Vernehmung von Zeugen – geklärt werden. Die Vernehmung der Zeugen H, J und K hat bestätigt, dass der vorgelegte ÜV I den Willen der Vertragsparteien richtig wiedergibt und die Unterschriften von den bezeichneten Personen tatsächlich geleistet wurden. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen H, J, K, M und W davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste jedem der Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.

dd)
Soweit die Existenz der B LLC bestritten wird, sieht die Kammer hierfür keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 in Kopie das Limited Liability Company Agreement of B LLC vom 11.12.2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die B LLC durch ihre Gesellschafter, die Z und die A1, gegründet wurde. Dass zu diesem Dokument kein Original vorgelegt werden konnte, bedeutet nicht, dass die B LLC in Wirklichkeit nicht existiert.

Vielmehr haben die Zeugen H und M bestätigt, das Limited Liability Company Agreement of B LLC vom 11.12.2012 für die L unterzeichnet zu haben. Dass sie an den Vertragsinhalt im Einzelnen keine Erinnerung mehr hatten, ist unschädlich. Die Zeugin H konnte sich jedenfalls daran erinnern, dass die B LLC eigens zur Durchführung der Patentübertragung von der Streithelferin auf die C Unternehmensgruppe gegründet wurde. Auch der Zeuge M konnte dies bestätigen, wobei er sich zu erinnern meinte, dass die B LLC gegründet worden sei, weil die Streithelferin keine eigenständige Niederlassung in den USA haben wollte. Beide Zeugen konnten mit Sicherheit bestätigen, dass das vorgelegte Agreement of B LLC ihre Unterschrift trägt. Der Zeuge M hatte sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokuments, da er zu dem Zeitpunkt, als seine Unterschrift angefordert wurde, krank war, und erst zwei Tage später wieder im Büro war, um das Dokument zu unterzeichnen. Seine zeitliche Angabe „vor Weihnachten 2012“ stimmt überein mit dem in dem Agreement angegebenen Datum, dem 11.12.2012. Soweit er das Dokument erst einige Tage nach dem 11.12.2012 unterzeichnet haben sollte, ist dies für die rechtswirksame Gründung der B LLC unerheblich. Die Zeichnungsbefugnis der Zeugen H und M ergibt sich aus der Gründungsurkunde der L. Beide Zeugen konnten bestätigen, im Dezember 2012 für die L zeichnungsbefugt gewesen zu sein. Der Zeuge M hat dies dahingehend konkretisiert, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam zeichnungsbefugt gewesen seien. Desweiteren konnte er bestätigen, dass die Vertretungsverhältnisse bei der L über längere Zeit gleich geblieben sind. Die Zeugen H und M, beides Vorstandsmitglieder der L, waren daher für die Unterzeichnung des Limited Liability Company Agreement of B LLC im Dezember 2012 gemeinsam zeichnungsbefugt.

Für die AB Z hat die Zeugin V den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Auch sie hat ihre Unterschrift – und die Unterschriften der Zeugen H und M – eindeutig erkannt. Ihre Vertretungsbefugnis für die AB Z ergibt sich aus deren Registrierungszertifikat. Insofern hat die Zeugin V bestätigt, im Dezember 2012 Vorstandsmitglied der AB Z und für diese allein zeichnungsberechtigt gewesen zu sein.

Die Kammer sieht – auch wenn die Zeugen nicht mit den Details des Limited Liability Company Agreement of B LLC vertraut waren – vor diesem Hintergrund keinerlei Anlass, die Existenz der B LLC ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Dokumentennummern nicht auf allen Seiten des vorgelegten Agreements übereinstimmen. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei Y vorbereitet wurden und einen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Unternehmen durchlaufen haben. Die Unterschriftenseite weist einen eindeutigen Bezug zu dem übrigen Teil des Agreements auf, da sie einen Verweis auf das LLC Agreement enthält und die Gesellschaften aufführt, die auch auf der ersten Seite des Vertrages genannt werden.

ee)
Die Zeuginnen H und J verfügten bei der Unterzeichnung des ÜV I für die Streithelferin über die hierzu erforderliche Vertretungsmacht. Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die Vertretungsbefugnis der Zeuginnen H und J ergibt sich aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Darin sind die Zeuginnen H und J als besonders autorisierte Personen („specially authorized signatories“) aufgeführt. Unter dem Punkt „signatory power“ ist die Vertretungsmacht für die Streithelferin dergestalt geregelt, dass Frau H die Streithelferin gemeinsam mit Frau J vertreten kann. Dies haben die Zeuginnen so auch im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt. Die Zeugin H hat ergänzend ausgeführt, bereits seit etwa zehn Jahren für die Streithelferin zeichnungsbefugt zu sein.

Ausweislich der Stellungnahme der schwedischen Rechtsanwälte N und O aus der Kanzlei B1 vom 28.07.2015 ist eine solche Regelung nach schwedischem Recht möglich (s. S. 14-16 des Gutachtens). Hiernach wird eine schwedische Gesellschaft nach dem Aktiengesetz grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten. Es ist allerdings möglich, die Vertretungsmacht auf einzelne „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ zu übertragen. Die Befugnisse eines solchen Sonderunterzeichners entsprechen denjenigen des Vorstands. Diese Grundsätze belegen die Rechtsanwälte N und O durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des schwedischen Aktiengesetzes. Konkrete Einwände gegen die Ausführungen der beiden Anwälte tragen die Beklagten nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Zeuginnen H und J nach schwedische Recht über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfügten, um den ÜV I zu unterzeichnen.

ff)
Die B LLC wurde beim Abschluss des ÜV I wirksam durch die L, diese wiederum durch Herrn K, vertreten.

Bei der B LLC handelt es sich um eine nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründete Gesellschaft. Auf eine solche Gesellschaft findet der Delaware Limited Liability Company Act (DLLCA) Anwendung. Gemäß § 18-402 DLLCA sind bei einer LLC nach dem Recht des Staates Delaware grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die Geschäftsführung kann jedoch durch ein sog. Operating Agreement auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen werden. In einem solchen Fall bezeichnet man die Gesellschaft auch als eine „Manager Managed LLC“. Dies wird beschrieben in dem Handbuch „Drafting Delaware Limited Liability Company Agreements: Forms and Practise Manuel“ des US-Rechtsanwaltes John M. Cunningham, 3. Auflage 2014. Aus § 18-101 (10) und § 18-101 (12) DLLCA ergibt sich zudem, dass Geschäftsführer nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein kann. Bestätigt wird dies durch die Stellungnahme des Herrn Professor R (s. das Gutachten vom 23.07.2015, S. 2, vorletzter Absatz).

Gemäß Ziffer 5 des „Limited Liability Company Agreement of B LLC“ handelt es sich bei der B LLC um eine Manager Managed LLC, deren Geschäftsführer die L ist. In dieser Ziffer findet sich weiter die Regelung, dass der Geschäftsführer berechtigt ist, alle Handlungen vorzunehmen, die für Vertragsschlüsse und deren Durchführung notwendig sind. Außerdem sollte die L berechtigt sein, jegliche Verantwortung oder Berechtigung an einen leitenden Mitarbeiter, Angestellten oder Beauftragten zu delegieren. Hierin liegt die Gestattung zur Erteilung von Untervollmachten. Dies ist nach schwedischem Recht möglich. Ausweislich der Stellungnahme der Rechtsanwälte N und O (Gutachten vom 28.07.2015, S. 14) können Aktiengesellschaften nach schwedischem Recht neben dem Vorstand und dem Geschäftsführer durch „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ oder besonders bevollmächtigte Personen vertreten werden.

Von dieser Möglichkeit hat die L durch Erteilung der Vollmacht vom 11.02.2013 Gebrauch gemacht. Die Vollmachtsurkunde hat die Klägerin im Original zur Akte gereicht. Die zuvor eingereichte Kopie stimmt mit dem Original überein. Unterschrieben ist die Vollmacht von den Zeugen H und M. Diese gehören ausweislich der Registrierungsurkunde der L dem Vorstand der Gesellschaft an und verfügen gemeinsam über die erforderliche Vertretungsmacht für die L (s.o.). In ihrer Vernehmung haben sie bestätigt, die entsprechende Vollmacht für Herrn K und Herrn C1 ausgestellt zu haben. Dabei hatte der Zeuge M aufgrund eines Scherzes zwischen ihm und Herrn X sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokumentes. Er wusste außerdem noch, dass Herr C1 und Herr K aus bestimmten Gründen bevollmächtigt wurden. Insbesondere an Herrn C1 konnte er sich als besonders zuverlässigen Mitarbeiter erinnern.

Die Vollmacht gewährt den Herren K und C1 jeweils Einzelvertretungsmacht für sämtliche Vereinbarungen und Erklärungen, die die B LLC in Bezug auf die Durchführung des Master Sales Agreement zu schließen bzw. abzugeben hat. Entsprechend hatte Herr K die erforderliche Vertretungsmacht, um die B LLC bei der Übertragung des Klagepatents wirksam vertreten zu können.

Sofern Herr K den ÜV I bereits vor dem „effektive date“ am 11.02.2013 unterzeichnet hat, wofür seine Aussage spricht, den Vertrag am 07.02.2013 im Rahmen des Leadership-Meetings in Schweden unterschrieben zu haben, deutet die Aussage der Zeugin H darauf hin, dass auch die Vollmacht einige Tage vor dem 11.02.2013 unterzeichnet und dann vorgehalten wurde. Denn die Zeugin H hat ausgesagt, dass alle Dokumente zur selben Zeit vorbereitet worden seien. Selbst wenn aber die Vollmacht tatsächlich erst nach dem 11.02.2013 unterzeichnet worden wäre, wäre dies unschädlich, da jedenfalls zum „effective date“ und damit zum Inkrafttreten des ÜV I die erforderliche Vollmacht vorlag. Dies ist ausreichend, um eine wirksame Stellvertretung anzunehmen.

gg)
Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen H, J, K und M anzuzweifeln. Ihre Aussagen erscheinen der Kammer glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen sind und die Zeugen sich erkennbar bemüht haben, kenntlich zu machen, an welchen Punkten sie über eine konkrete Erinnerung verfügen und hinsichtlich welcher Umstände sie sich unsicher sind. Der Vergleich der Aussagen der Zeuginnen H und J ließ dabei erkennen, dass die Detailkenntnis bei der Zeugin J, die als Leiterin der Rechtsabteilung mit den Vorgängen im Einzelnen näher befasst war als die Zeugin H, ausgeprägter war, was der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte und darauf hindeutet, dass die Zeugen sich im Vorfeld nicht detailliert abgesprochen haben. Die Zeugin H hat im Rahmen ihrer Vernehmung wiederholt darauf hingewiesen, mit den Details der Transaktion nicht vertraut gewesen zu sein, hatte aber durchaus Kenntnis von der Gesamtkonzeption der Transaktion. Der Zeuge M hat der Kammer den Eindruck vermittelt, sehr genau zu arbeiten und seine Unterschrift keinesfalls unbedacht zu leisten. Entsprechend hatte er teilweise eine sehr genaue Erinnerung an die Umstände der Unterzeichnung. Dies gilt auch für den Zeugen K, der sich noch daran erinnern konnte, seine Unterschriften in einer Pause eines am 7.2.2013 im Hauptquartier von A abgehaltenen Leadership-Meetings geleistet zu haben. Insofern stimmt seine Aussage mit der der Zeugin J überein.

Soweit die Zeugen im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Streithelferin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer nicht zu erkennen.

c) Übertragungsvertrag B LLC – C LLC

Die Klägerin hat schlüssig dargelegt und bewiesen, dass die B LLC das Klagepatent mit Vertrag vom 13.02.2013 an die Q abgetreten hat.

aa)
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV II vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV II übereinstimmt, ist insofern unschädlich, als die Unterzeichner des Vertrages im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt haben, eine Vereinbarung mit dem wiedergegebenen Inhalt abgeschlossen zu haben. Beide Zeugen haben ihre Unterschrift verifiziert.

Soweit sich die Unterschrift des Herrn K auf dem als Original zur Akte gereichten ÜV II von der Unterschrift auf der Kopie unterscheidet, kann dies seine Ursache darin haben, dass die Verträge ggf. zweifach unterzeichnet wurden. Dies ist nach den Aussagen der Zeugen durchaus nicht unüblich. Auch der Zeuge P hielt dies für denkbar und hat bestätigt, üblicherweise bei derartigen Verträgen zwei Exemplare zu unterzeichnen. Der Zeuge K hatte hieran zwar keine konkrete Erinnerung mehr, wusste aber noch, „viele“ Unterschriften geleistet zu haben. Soweit der Vertrag unterschiedliche Papierformate aufweist, lässt sich dies wiederum damit erklären, dass ggf. einzelne Seiten in den USA auf dem dort gängigen Papierformat und einzelne Seiten in Schweden auf dem dort üblichen Papierformat ausgedruckt wurden.

Der Zeuge P hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die Verträge von der amerikanischen Kanzlei D1 ausgehandelt worden seien. Diese Kanzlei sei im Rahmen der Transaktion vorbereitend rechtsberatend tätig geworden und habe dann ganz konkret die Transaktion begleitet, indem sie die Verträge ausgearbeitet und die Unterzeichnung koordiniert habe. Er selbst habe die Verträge zur Unterschrift von D1 vorgelegt bekommen. Dabei habe ein enger Austausch mit dem Zeugen W stattgefunden, der die Transaktion als In-House Anwalt begleitet habe und insofern über Detailkenntnisse verfügte. Dies wurde von dem Zeugen W so bestätigt. Der Zeuge P erklärte weiter, er sei nicht für die rechtlichen Details zuständig gewesen. Er habe vielmehr das Unternehmensziel festgelegt, das dann von den Anwälten konkret umgesetzt worden sei. Die Gegenseite, d.h. A, sei bei der Transaktion von der Kanzlei Y vertreten worden. Über diese beiden Kanzleien seien die Verträge ausgetauscht worden.

Dies hat der Zeuge K im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Auch er hat ausgesagt, über die wesentlichen Grundzüge der Transaktion informiert gewesen zu sein, die Details aber seinen Anwälten überlassen zu haben. Dies sei zum einen Herr X als In-House Anwalt, zum anderen die Kanzlei Y als externer Berater gewesen.

Beide Zeugen konnten sich zwar an die Details des ÜV II nicht erinnern, wussten aber, dass es um eine strukturierte Übertragung von A-Patenten aus dem Bereich Mobilfunk auf die Q ging. Dass sie hierbei keine Kenntnis von den konkreten Patenten, insbesondere den einzelnen Patentnummern, hatten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Denn die Details haben beide Zeugen ihren Anwälten überlassen, die als ihre Vertreter gehandelt haben und in dieser Eigenschaft auch die Willenserklärung der Gegenseite entgegennehmen konnten.

bb)
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der ÜV II die Übertragung des Klagepatents von der B LLC auf die Q umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV II übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Q als Inhaberin im Patentregister eingetragen wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte.

cc)
Die Übertragung des Klagepatents bedurfte nicht der Schriftform des Art. 72 EPÜ. Ungeachtet dessen erfüllt der ÜV II die Anforderungen der vorgenannten Vorschrift, weil er in seinem Anhang A das Klagepatent bezeichnet, den Willen zu dessen Übertragung wiedergibt und die Unterschrift der beiden Vertragsparteien trägt. Die Vernehmung der Zeugen Kund P hat bestätigt, dass der vorgelegte ÜV II den Willen der Vertragsparteien richtig wiedergibt und die Unterschriften von den bezeichneten Personen tatsächlich geleistet wurden. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.

dd)
Hinsichtlich der wirksamen Vertretung der B LLC durch Herrn K wird auf die Ausführungen zum ÜV I verwiesen, die im Rahmen des ÜV II entsprechend gelten.

ee)
Die Q ist im Rahmen des ÜV II wirksam von dem Zeugen P vertreten worden. Der Zeuge P hat ausgesagt, im Februar 2013 President und Chief Executive Officer der Q und Chief Executive Officer der UP Inc. gewesen zu sein. Diese Aussage haben die Zeugen S und W im Rahmen ihrer Vernehmung gestützt.

Die Position des Zeugen P als CEO der UP Inc. wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Proxy Statements der C Inc. vom 27.09.2012 und 01.10.2013 und eine Pressemitteilung der C Inc. vom 19.02.2013 bestätigt. Das Protokoll des Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013 enthält den Beschluss des Vorstandes der UP Inc. zur Umsetzung des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. In diesem Zusammenhang wurde der Zeuge P als CEO der UP Inc. autorisiert, für die UP Inc. und deren Tochtergesellschaften die „transaction documents“ zu unterzeichnen. Die Zeugen P, S und W haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass das Board Meeting der UP Inc. am 10.01.2013 stattgefunden hat und dort die vorstehend bezeichneten Entscheidungen getroffen wurden. Ausweislich Seite 1 des Protokolls waren die Zeugen P und S bei dem „Meeting of the board of directors of C Inc.“ anwesend.

In Umsetzung der im Rahmen des Board Meetings getroffenen Vorstandsbeschlüsse wurde der Zeuge P durch das Amended And Restated Operating Agreement der Q vom 13.02.2013 zum „Initial Officer“ der Q ernannt (Ziffer 6.(b)) und im Anhang 1 als „President and Chief Executive Officer“ der Q bezeichnet. Unterzeichnet ist dieses Agreement von dem Zeugen P sowohl für die D als auch für die UP E Inc., jeweils in seiner Funktion als CEO für beide Gesellschaften. Die D und die UP E Inc. waren die Gesellschafter der Q, wobei es sich in beiden Fällen um hundertprozentige Tochtergesellschaften der UP Inc. handelt. Die UP Holdings Inc. verfügte ausweislich des „Written Consent in Lieu Of A Special Meeting Of Stockholders Of C Holdings Inc.“ vom 07.10.2011 über nur einen Director, nämlich Herrn Michael P, der daher für die Gesellschaft allein vertretungsbefugt war. Die Geschäftsführung der Q wurde der D übertragen (vgl. Ziffern 1.(k) und 6.(a) des Amended And Restated Operating Agreement). Dies ist nach dem Recht des US-Staates Nevada möglich. Maßgeblich ist insofern der Nevada Limited Liability Company Act. In Ziffer 86 der Nevada Revised Statutes (NRS) ist die Vertretung einer nach dem Recht des US-Staates Nevada gegründeten LLC im Einzelnen geregelt. NRS 86.291 bestimmt, dass die LLC durch ihre Gesellschafter oder ihre Manager vertreten werden kann. Die Q wurde ursprünglich als member managed LLC gegründet. Am 12.02.2013 wurden die „Articles of Organisation“ allerdings dahingehend geändert, dass die Q manager managed wurde. Als Manager kann auch eine juristische Person eingesetzt werden, wie im vorliegenden Fall die D (vgl. hierzu das Gutachten des US-Anwalts Michael E1 vom 09.11.2015, S. 2).

Die D hat die Gesellschaftsanteile an der Q durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 von der UP Inc. erworben. Eine solche Anteilsübertragung ist nach NRS 86.351 möglich. Manager der D war wiederum die UP Inc. (vgl. § 7 des Company Agreement der C D LLC vom 09.01.2013). Unterzeichnet wurde das Interest Assignment Agreement auf beiden Seiten von dem Zeugen P, jeweils in seiner Funktion als Chief Executive Officer. Dies ist nach dem maßgeblichen Recht des US-Staates Delaware zulässig (vgl. das Gutachten des Herrn Prof. R vom 13.11.2015, S. 3-4). Gleiches gilt im Übrigen auch für das Recht des US-Staates Nevada (vgl. das Gutachten des US-Rechtsanwaltes E1 vom 09.11.2015, S. 2-3).

Die Echtheit sämtlicher vorgenannten Unterschriften hat der Zeuge P im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Die Existenz des Amended And Restated Operating Agreements der Q konnte im Übrigen auch der Zeuge S bestätigen, da er dieses Dokument nach seiner Aussage im Rahmen der Verträge, die Gegenstand der gesamten Transaktion waren, gesehen hat. Er hat hierzu weiter ausgesagt, dass diese Vereinbarung für A von besonderer Bedeutung gewesen sei, da sie die rechtliche Struktur wiedergebe, die A als Insolvenzsicherheit dienen sollte. Der Zeuge W hat dies ergänzend dahingehend erläutert, dass es A gerade darauf angekommen sei, die D als Geschäftsführer der Q einzusetzen. Die D habe 5 % der Anteile an Q gehalten, die UP E Inc. 95 % der Anteile.

Vor diesem Hintergrund steht die Vertretungsbefugnis des Zeugen P im Rahmen des ÜV II zur Überzeugung der Kammer fest.

ff)
Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen P, S und K zu zweifeln. Soweit Herr P noch als Chairman bei der UP Inc. tätig ist, handelt es sich lediglich um eine beratende Tätigkeit für die Erfinder, die in der Vorgängergesellschaft der UP Inc. gearbeitet und dort Erfindungen getätigt haben. Der Zeuge S steht in keinem Arbeitsverhältnis mehr zur UP. Dass er noch Anteile an dieser hält, reicht für sich genommen nicht aus, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.

Die Aussagen der Zeugen P, S und K sind glaubhaft. Sie stimmen in ihrem Inhalt grundsätzlich überein. Wesentliche Widersprüche konnte die Kammer nicht feststellen. Der Zeuge P hat an diversen Stellen in seiner Vernehmung zu verstehen gegeben, dass er in die Details der Transaktion nicht involviert war. Er hat aber überzeugend ein Bild von dem Gesamtkonzept der Transaktion gezeichnet, das mit der Aussage des Zeugen K übereinstimmt.

Soweit die Zeugen P, S und K im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Klägerin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer auch hier nicht zu erkennen.

Soweit die Kammer in den vorstehenden Ausführungen Bezug genommen hat auf Aussagen des Zeugen W, hat sie hierbei berücksichtigt, dass dieser offenbar in einer sehr engen Beziehung zu den anwaltlichen Vertretern der Klägerin steht und sich mit diesen schon im Vorfeld dieses Rechtsstreits detailliert über die streitgegenständlichen Vorgänge ausgetauscht bzw. ihnen Informationen und Unterlagen verschafft hat. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, hat aber im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage berücksichtigt, dass bei ihm ein gewisses Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits vorhanden sein mag bzw. gewisse Bestandteile seiner Aussage von den Interessen der Klägerin beeinflusst waren. Die Kammer hat die Aussage des Zeugen W daher lediglich insoweit herangezogen, wie sie geeignet war, die Aussagen anderer Zeugen zu bestätigen.

d) Übertragungsvertrag C LLC – Klägerin
Schließlich hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass die Q das Klagepatent mit Vertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin abgetreten hat.

aa)
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV III vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin eingereichten Exemplar des ÜV III übereinstimmt, beeinträchtigt zwar den Beweiswert der als Original vorgelegten Urkunde, das Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem im ÜV III festgehaltenen Inhalt steht aber zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Der Zeuge S hat, nachdem ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung das von der Klägerin als Original eingereichte Exemplar des ÜV III vorgehalten worden ist, nicht nur die Echtheit seiner eigenen Unterschrift, sondern auch die des Herrn T bestätigt. Hierzu hat er ausgesagt, mit der Unterschrift des Herrn T vertraut zu sein und diese zu erkennen. Dass der Zeuge S sich an Ort und Zeit seiner Unterschriftsleistung nicht mehr genau erinnern konnte, unterstreicht nur die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, hindert aber nicht die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses. Der Zeuge konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, den gesamten Vertrag gelesen zu haben, wobei ihm auch eine Liste mit Patenten vorgelegt wurde. Hierzu wusste er noch, dass er Herrn W gefragt hat, ob er diese Liste durcharbeiten müsse. Dass er sich an die Details dieser Liste – etwa ob sie in schwarz-weiß oder Farbe gedruckt war – nicht mehr erinnern konnte, ist unschädlich. Der Zeuge hatte jedenfalls eine klare Vorstellung davon, dass mit dem zu unterzeichnenden Vertrag ein Patentportfolio von der Q auf die Klägerin übertragen werden sollte. Der Zeuge wusste auch, dass aufgrund steuerlicher Gesichtspunkte gerade die europäischen und koreanischen Patente auf die Klägerin übertragen werden sollten. Dies hat auch der Zeuge W so bestätigt. Soweit in diesem Rechtsstreit zwei Versionen des ÜV III vorgelegt wurden, hielt der Zeuge S es nicht für ausgeschlossen, den Vertrag zweimal unterzeichnet zu haben. Hierdurch lassen sich Unterschiede in den vorgelegten Unterschriftsseiten erklären. Der Zeuge S hat weiter ausgesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrages von dem Zeugen W koordiniert wurde, zugleich aber für die Transaktion auch die Rechtsanwaltskanzlei D1 beauftragt war. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen P. Insofern ist den Zeugenaussagen auch zu entnehmen, dass die hinzugezogenen Anwälte bevollmächtigt waren, die Willenserklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten und entgegenzunehmen. Der Zeuge W hat zudem ausgesagt, dass beide Vertragsparteien eine elektronische Version der Unterschriftenseite der jeweils anderen Partei erhalten hätten. Insofern ist von einem wirksamen Zugang der Willenserklärungen bei der jeweils anderen Vertragspartei auszugehen.

bb)
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV III die Abtretung des Klagepatents von der Q an die Klägerin umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV III übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört unter anderem das Klagepatent. Der Vertrag ist damit hinreichend bestimmt. Die fehlende feste Verbindung der einzelnen Seiten des Vertrages und die fehlende Paraphierung der Seiten erschweren zwar die Feststellung, mit welchem Inhalt der Vertrag im Einzelnen geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht von dem ÜV III umfasst sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in der vorgelegten Liste von Patenten enthalten und es handelt sich um ein europäisches Patent. Eben die europäischen Patente sollten nach der Aussage des Zeugen S Gegenstand der Übertragung sein. Zudem kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Klagepatent – mit Zustimmung der Q – im Patentregister geändert wurde und die Klägerin nunmehr als Inhaberin des Klagepatents im Register genannt ist, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass der Wille der Vertragsparteien dahin ging, das Klagepatent mit dem ÜV III von der Q auf die Klägerin zu übertragen.

cc)
Die Übertragung des Klagepatents bedurfte nicht der Schriftform des Art. 72 EPÜ. Ungeachtet dessen erfüllt der ÜV III die Anforderungen der vorgenannten Vorschrift, weil er in seinem Anhang A das Klagepatent bezeichnet, den Willen zu dessen Übertragung wiedergibt und die Unterschrift der beiden Vertragsparteien trägt. Die Vernehmung des Zeugen S hat bestätigt, dass der vorgelegte ÜV III den Willen der Vertragsparteien richtig wiedergibt und die Unterschriften von den bezeichneten Personen tatsächlich geleistet wurden. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.

dd)
Die Q wurde bei der Unterzeichnung des ÜV III wirksam von dem Zeugen S vertreten. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt, zum damaligen Zeitpunkt Chief Financial Officer der UP Inc. und der Q gewesen zu sein. Dies wird bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Protokoll eines Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013, in dem der Zeuge S als CFO der UP Inc. benannt ist. Darüber hinaus hat auch der Zeuge P angegeben, dass der Zeuge S in den Jahren 2013 und 2014 CFO der UP Inc. und der Q gewesen sei. Entsprechend findet sich in dem Amended And Restated Operating Agreement der Q vom 13.02.2013 im Anhang 1 der Name des Zeugen S. Gemäß Ziffer 6.(b) des Agreements in Verbindung mit dem Anhang 1 wurde er zum „Initial Officer“ der Q ernannt, wobei ihm ausweislich des Anhangs 1 die Funktion des CFO zukam. Gemäß Ziffer 6. (b) des Agreements verfügte der Zeuge S damit über die entsprechende Befugnis, die Q im Rahmen des ÜV III zu vertreten.

ee)
Die Klägerin wurde beim Abschluss des ÜV III wirksam durch Herrn T vertreten. Die Klägerin ist im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Der Vorstand der Klägerin bestand im Jahr 2014 aus den beiden Vorstandsmitgliedern Herrn S und Herrn T. Dass Herr T bereits am 27.02.2014 – dem Tag des Inkrafttretens des ÜV III – „Managing Director“ der Klägerin und damit für diese vertretungsberechtigt war, ergibt sich aus dem Protokoll des Board Meetings der Klägerin vom 27.02.2014. Ausweislich dieses Protokolls wurde Herrn T die Vollmacht erteilt, alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung der Patentübertragungen im Rahmen des MSA zu unterzeichnen. Die Zeugen S und W haben bestätigt, dass ein entsprechendes Board Meeting der Klägerin stattgefunden hat und dort die vorgenannte Entscheidung getroffen wurde. Dass es zwei unterschiedliche Versionen des Protokolls gibt, erklärte der Zeuge S nachvollziehbar damit, dass das Protokoll von seiner Assistentin während der Telefonkonferenz angefertigt worden sei. Die hinzugezogenen irischen Anwälte hätten dann darum gebeten, das Protokoll mehr aus der Sicht der in Irland ansässigen Klägerin zu fertigen. Dies sei so umgesetzt worden und er habe das Protokoll dann nochmals unterzeichnet. Diese Aussage passt zu den in den beiden Protokollversionen angegebenen Daten und der Änderung der im Kopf angegebenen Anschrift in Reno in die Anschrift der Klägerin in Irland. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Board Meeting der Klägerin tatsächlich am 27.02.2014 stattgefunden hat und darin Herr T die erforderliche Vertretungsmacht erhielt, den ÜV III zu unterzeichnen.

ff)
Die Aussage des Zeugen S ist glaubhaft. Sie weist keine erkennbaren Widersprüche auf und der Zeuge hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, an welche Details er keine konkrete Erinnerung mehr hat. Auf der anderen Seite hatte er ein sehr genaues Bild von den Gesamtumständen der Transaktion, das mit den Aussagen der anderen Zeugen übereinstimmt. Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung Aussagen des Zeugen W herangezogen hat, gilt das zum ÜV II Gesagte entsprechend.

3.
Die von der Klägerin im Wege der Abtretung geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 27.02.2014 unterliegen nicht der Indizwirkung des Patentregisters. Denn über etwaige Abtretungen solcher Ansprüche sagt das Patentregister grundsätzlich nichts aus. Eine Indizwirkung könnte allenfalls insofern bestehen, als dass derjenige, der berechtigt das Patent übertragen durfte, auch berechtigt war, die in der Vergangenheit liegenden Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche abzutreten. Ob eine solche Indizwirkung angenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass das Klagepatent wie von der Klägerin vorgetragen am 11.02.2013 von der Streithelferin auf die B LLC, am 13.02.2013 von dieser auf die Q und am 27.04.2014 von dieser schließlich auf die Klägerin übertragen wurde und dabei jeweils die in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche mit abgetreten wurden. Hinsichtlich der Wirksamkeit der einzelnen Übertragungsverträge wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 2. verwiesen.

Die Übertragungsverträge umfassen neben der Abtretung des Patents jeweils auch die Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen.

a)
So heißt es in Ziffer 1 (D) des ÜV I, dass die Übertragung das Recht umfasst, hinsichtlich vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Verletzungen der Patente Schadensersatz oder andere Formen der Entschädigung einzuklagen und zu erhalten. Die B LLC soll in allen Angelegenheiten, die die übertragenen Patente betreffen, vollständig und uneingeschränkt an die Stelle der Streithelferin treten. Dies ist dahingehend auszulegen, dass der ÜV I neben der Abtretung des Klagepatents selbst auch eine Abtretung der in diesem Rechtsstreit streitgegenständlichen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche der Streithelferin an die B LLC enthält.

Diese Auslegung des ÜV I entspricht schwedischem Recht. Dieses lässt die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ohne weiteres zu. Das erläutern die Rechtsanwälte N und O in ihrer Stellungnahme nachvollziehbar und unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung (Gutachten vom 28.07.2015, S. 8, 17). Wenn aber Schadensersatzansprüche aus der Verletzung eines Patentes abgetreten werden, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche mit umfasst sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.

b)
Ziffer 1 (D) des ÜV II entspricht der entsprechenden Regelung im ÜV I. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Nachdem die Q im Hinblick auf die übertragenen Patente vollständig in die Rechtsposition der B LLC eintreten soll, ist der Vertrag dahingehend auszulegen, dass die B LLC der Q nicht nur ihre eigenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche, sondern auch die der Streithelferin abgetreten hat.

Die Anwendung des Rechts des Staates Delaware führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist nach dem Recht des Staates Delaware möglich. Dies erläutert Herr Professor R in seiner Stellungnahme unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit nachvollziehbar und unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung (Gutachten vom 23.07.2015, S. 14). Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.

c)
Ziffer 1 (D) des ÜV III entspricht den entsprechenden Regelungen in den Übertragungsverträgen I und II. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Nachdem die Klägerin im Hinblick auf die übertragenen Patente vollständig in die Rechtsposition der Q eintreten soll, ist der Vertrag dahingehend auszulegen, dass die Q der Klägerin nicht nur ihre eigenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche, sondern auch die der Streithelferin und der B LLC abgetreten hat.

Die Anwendung des Rechts des Staates Nevada führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist ausweislich der Stellungnahme der Kanzlei U (Gutachten vom 28.07.2015, S. 6) nach dem Recht des Staates Nevada möglich. Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.

Die Beklagte zu 2. hat gegen das dargelegte Verständnis des ausländischen Rechts keine substantiierten Einwände erhoben.

4.
Soweit nach dem Vorstehenden festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vorgetragenen Abtretungen des Klagepatents und der dieses betreffenden Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche rechtswirksam erfolgt sind, stehen dem kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.

Das MSA bzw. die nachfolgenden Patentübertragungen verstoßen weder gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften (§§ 35-43 GWB) noch kann eine Unwirksamkeit der Patentübertragungen infolge eines kartellrechtlich verbotenen Eingriffs in den Wettbewerb im Sinne der Art. 101, 102 AEUV angenommen werden.

Das europäische Kartellrecht findet in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung und ist Bestandteil der in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – geltenden Rechtsordnungen. Das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht finden nebeneinander Anwendung, wobei in Kollisionsfällen dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang zukommt (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, Einführung Rn 102 ff.).

a) Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften, §§ 35-43 GWB

Zusammenschlüsse, die entgegen einer nach § 39 GWB bestehenden Verpflichtung nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GWB (schwebend) unwirksam. Dies setzt voraus, dass die Transaktion erstens einen Zusammenschluss nach § 37 GWB beinhaltet, zweitens die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschreiten und drittens der Zusammenschluss Inlandswirkung hat, § 130 Abs. 2 GWB. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht festgestellt werden.

Es kann dahinstehen, ob die Übertragung des Patentportfolios der Streithelferin an den UP Unternehmenskonzern nach Maßgabe des MSA einen Vermögenserwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt oder ob die insbesondere in Artikel 6 des MSA enthaltenen Regelungen einen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründen. Denn ungeachtet dessen hat die Beklagte zu 2. jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen überschritten werden.

§ 35 Abs. 1 GWB verlangt für das Bestehen einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (kumulativ) die folgenden Umsatzerlöse:
– Weltweite Umsatzerlöse aller beteiligten Unternehmen von insgesamt mehr als 500 Mio. EUR
– Umsatzerlöse mindestens eines beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR (erste Inlandsumsatzschwelle)
– Umsatzerlöse mindestens eines anderen beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 5 Mio. EUR (zweite Inlandsumsatzschwelle)

Als Beteiligte im Sinne des § 35 Abs. 1 GWB sind diejenigen Unternehmen zu identifizieren, zwischen denen der Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 GWB erfolgt. Dies sind diejenigen Unternehmen, zwischen denen nach dem Vollzug eine relevante Unternehmensverbindung im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB besteht, welche vorher noch nicht bestanden hat. Konkret lässt sich diese Frage nur nach Klärung der jeweils verwirklichten Zusammenschlusstatbestände im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB beantworten (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 50). Nach § 36 Abs. 2 GWB gilt hierbei eine Verbundbetrachtung. Materiell zusammenschlussbeteiligt ist immer die gesamte Unternehmensgruppe, welcher der unmittelbar zusammenschlussbeteiligte Rechtsträger angehört (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 51).

aa)
Zusammenschlussbeteiligt sind beim Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB neben dem Erwerber (hier: Q) der Veräußerer (hier die Streithelferin) bzw. das übertragene Vermögen. Der Streit, ob auf Seiten des Veräußerers der Veräußerer selbst oder das übertragene Vermögen als Beteiligter anzusehen ist, hat aufgrund der Regelung des § 38 Abs. 5 S. 1 GWB keine praktischen Auswirkungen. Im Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist auf der Seite des Veräußerers stets nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf den veräußerten Vermögensteil entfällt (vgl. zum Streitstand: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 68).

Dass der Umsatz von Q bzw. der UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland über 25 Mio. EUR betrug, behauptet die Beklagte zu 2. selbst nicht. Aber auch hinsichtlich der übertragenen Patente behauptet die Beklagte zu 2. lediglich Umsätze von über 5 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2012. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB jedenfalls an Sachvortrag zu der Überschreitung der ersten Inlandsumsatzschwelle.

bb)
Beteiligt an einem Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch den Erwerb von (Mit-)Kontrolle sind immer alle Unternehmen, die nach Durchführung des Vorhabens durch Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB miteinander in Verbindung stehen. Das sind das gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen und alle künftig mitkontrollierenden Unternehmen (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 235), im vorliegenden Fall also Q, UP Inc. und die Streithelferin. Die Beklagte zu 2. hat nicht vorgetragen, dass Q, UP Inc. oder auch die gesamte UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt hätten. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls an der Überschreitung der zweiten Inlandsumsatzschwelle.

cc)
Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die beiden vorgenannten Zusammenschlusstatbestände nebeneinander erfüllt wären, und damit im Rahmen eines einheitlichen Zusammenschlusses den Kreis der beteiligten Personen auf die Streithelferin, den UP Unternehmensverbund (einschließlich Q) sowie die übertragenen Patente erweitern wollte, reicht der Vortrag der Beklagten zu 2. nicht aus, um das Überschreiten der zweiten Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR zu begründen. Soweit die Beklagte zu 2. versucht, aus einem im MSA angenommenen Wert der übertragenen Patente von mindestens 1,05 Milliarden USD auf angebliche Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland rückzurechnen, geht dies schon vom Ansatz her fehl, weil Anlass für den Abschluss des MSA nach Auskunft der Streithelferin gerade der Umstand war, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten zuvor keine dem Wert der übertragenen Patente entsprechenden Lizenzeinnahmen erzielen konnte. Jedenfalls ihre Einschätzung des Werts der übertragenen Patente – die im MSA zum Ausdruck kommt – dürfte daher nicht mit den im Jahr 2012 mit diesen Patenten erzielten Lizenzeinnahmen korrespondieren. Es steht nicht einmal fest, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten im Geschäftsjahr 2012 überhaupt irgendwelche Lizenzeinnahmen in Deutschland erzielt hat. Diese sollten vielmehr nach dem Willen der Vertragsparteien des MSA gerade durch UP generiert werden. Insofern sind auch etwaige Anhaltspunkte im MSA, mit welchen Lizenzeinnahmen die Vertragsparteien ggf. in der Zukunft rechneten, nicht aussagekräftig im Hinblick auf die tatsächlich im Geschäftsjahr 2012 von der Streithelferin erzielten Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland. Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Stellungnahme der Streithelferin gegenüber der United States Securities and Exchange Commission abstellt, betrifft diese das gesamte Patentportfolio der Streithelferin weltweit. Eine Aussage gerade im Hinblick auf die übertragenen Patente und die mit diesen in Deutschland erzielten Umsätze kann ihr nicht entnommen werden.

dd)
Soweit die Beklagte zu 2. meint, die Klägerin bzw. die Streithelferin treffe im Rahmen des § 35 GWB eine sekundäre Darlegungslast, folgt die Kammer dem nicht. Das Behaupten des Überschreitens der Umsatzschwellen durch die Beklagten erfolgt ins Blaue hinein; konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Vor diesem Hintergrund ist kein Anlass ersichtlich, der Klägerin, noch weniger der Streithelferin, eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, die letztlich der Ausforschung des Sachverhalts durch die Beklagte zu 2. dienen würde.

Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht den Interessen Dritter dienen. § 41 Abs. 1 GWB soll vielmehr ein geordnetes Fusionskontrollverfahren sicherstellen. Er gilt für alle tatbestandsmäßigen Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen des § 35 erfüllen, unabhängig von deren materiellrechtlicher Bewertung. Auch freizugebende Zusammenschlüsse unterliegen (zunächst) dem Vollzugsverbot. Daher kann sich kein Wettbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter darauf berufen, dass § 41 GWB ihn vor den wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses schützen soll (vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 41 Rn 74 m.w.N.). Soweit in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt andere Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten gelten sollten – die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des BGH vom 14.10.2008 in der Streitsache „Faber/Basalt“ (NJW 2009, 1611) – hat dies jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Die erkennende Kammer ist nicht dazu berufen, das Fusionskontrollverfahren durchzuführen, sondern hat nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen über das Bestehen oder die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages bzw. einer Übertragung von Patenten zu entscheiden. Diesbezüglich trifft die Beklagte zu 2. die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihr behauptete Unwirksamkeit des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. Dem hat sie nicht genügt.

b) Art. 101 AEUV (§ 1 GWB)

Ohne Erfolg wendet die Beklagte zu 2. ein, das MSA und die diese Vereinbarung vollziehenden Abtretungsvereinbarungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 1 GWB) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV.

Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt – ebenso wie § 1 GWB – eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Ferner kann die Kommission die Absicht der Parteien in ihrer Prüfung berücksichtigen, selbst wenn dieser Aspekt für die Entscheidung, ob eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nicht ausschlaggebend ist. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 25)

Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Es muss also zumindest wahrscheinlich sein, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 26)

Eine Vereinbarung hat dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine tatsächliche oder wahrscheinliche spürbare negative Auswirkung auf mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (zum Beispiel Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt, Innovation) hat. Vereinbarungen können solche Auswirkungen haben, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten spürbar verringern. Die Vereinbarung muss die Parteien – entweder durch in der Vereinbarung festgelegte Pflichten, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, oder durch Einflussnahme auf das Marktverhalten mindestens einer Partei durch Veränderung ihrer Anreize – in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 27).

Das MSA (und seine Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen der „A Assigned Patents“) verfolgt weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, noch kommen ihm wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen in dem vorbeschriebenen Sinne zu.

aa)
Dies gilt zunächst einmal im Hinblick darauf, dass die Streithelferin ihr Portfolio standardessentieller Patente aufgeteilt und einen Teil dieses Portfolios an die Klägerin veräußert hat.

Die Streithelferin hält nach ihrem eigenen (unbestrittenen) Vortrag eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie, das über 37.000 Patente umfasst. Mit der Veräußerung eines Teils ihres Patentportfolios verfolgte sie den Zweck, einen faireren Ausgleich für die veräußerten Patente zu erlangen, um die vorangegangenen Kosten für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Diese Kosten sind immens; die A-Gruppe beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung und investiert jährlich etwa 5 Milliarden USD in diesen Bereich. In der Folge werden jährlich etwa 2.000 neue Patente erteilt. Ein Großteil der von der Streithelferin gehaltenen Patente ist essentiell für die bedeutenden Standards, die von Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt werden. Sie hat daher in der Vergangenheit bereits eine große Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Das Patentrecht dient insbesondere der Förderung solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, indem die daraus resultierenden Erfindungen unter entsprechenden rechtlichen Schutz gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht der Streithelferin, für ihre Patente einen angemessenen Ausgleich zu erlangen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Grundsätzlich ist der Patentinhaber frei, seine – auch standardessentiellen – Patente zu verwerten, ggf. also auch an Dritte zu veräußern und zu übertragen (so auch schon: OLG Karlsruhe, MMR 2011, 469, 471). Ein generelles Veräußerungsverbot für standardessentielle Patente lässt sich über kartellrechtliche Vorschriften nicht rechtfertigen. Es besteht auch grundsätzlich keine Verpflichtung des Patentinhabers, eine bestehende Lizensierungspraxis aufrecht zu erhalten. Beschränkt wird der Inhaber eines Patents, das Gegenstand eines von einer Standardisierungsorganisation vereinbarten Standards ist, in seiner Lizensierungspraxis unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten durch die von ihm abgegebene Selbstverpflichtungserklärung, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu gewähren.

Die Kammer vermag – entgegen dem anderslautenden Vortrag der Beklagten zu 2. – im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass es bezweckt war, durch die Aufteilung des Patentportfolios der Streithelferin am Markt überhöhte, insbesondere über einen FRAND-Maßstab hinausgehende Lizenzgebühren durchzusetzen oder die Beklagten gegenüber anderen Marktteilnehmern zu diskriminieren.

Die den Patentübertragungen zugrundeliegenden Verträge, das Master Sale Agreement vom 10.01.2013 („MSA“) und das Patent Sale and Grant-Back License Agreement vom 13.02.2013 („PSA“), enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die die Überleitung der FRAND-Verpflichtung von der Streithelferin auf die Q bzw. von der Q auf die Klägerin sicherstellen sollen. Gemäß Ziffer 6.7 des MSA sollten die Patente der Streithelferin einschließlich der bestehenden Lizensierungsverpflichtungen, unter anderem der Verpflichtungen, die bei der ETSI eingereicht wurden, übertragen werden. In Ziffer 6.14 des MSA heißt es entsprechend, dass die Q die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Gemäß Ziffer 6.1 (x) des MSA ist Q die Geltendmachung von Ansprüchen aus den zu übertragenden Patenten, die über FRAND-Bedingungen hinausgehen, untersagt. In Klausel 6.1 (b) des MSA wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehenden Belastungen die Möglichkeiten des Erwerbers einschränken können, die zu übertragenden Patente zu verwerten. Im PSA findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der Q, bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Um sicherzustellen, dass die Klägerin in gleicher Weise verpflichtet ist wie Q, ist die Klägerin dem MSA beigetreten.

Entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtungen gaben sowohl die Q unter dem 14.06.2013 als auch die Klägerin unter dem 6.3.2014 eigene FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI ab. Hiernach sind sowohl die Q als auch die Klägerin (jeweils einschließlich der mit diesen verbundenen Unternehmen) unwiderruflich dazu verpflichtet, Lizenzen an ihren essentiellen Patenten zu Bedingungen einzuräumen, die mit Art. 6.1 der ETSI IPR Richtlinien in Einklang stehen, d.h. „fair, reasonable and non-discriminatory“ sind.

Dass die FRAND-Erklärung der Klägerin dabei nicht die Verpflichtung umfasst, die bisherige, von der Streithelferin konkret umgesetzte Lizensierungspraxis weiterzuführen, ist unschädlich. Art. 101 AEUV schützt nicht etwa eine bestimmte Lizensierungspraxis, sondern den Zugang zu dem durch den Standard geregelten Produktmarkt zu FRAND-Bedingungen. Der Grundsatz der „Nicht-Diskriminierung“ verlangt dabei von dem Patentinhaber nur, die in einer vergleichbaren Position befindlichen Lizenznehmer gleich zu behandeln, nicht aber, auf die Dauer allen Lizenznehmern exakt dieselben Lizenzbedingungen anzubieten (vgl. hierzu auch schon: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass). Befinden sich die Lizenznehmer in einer unterschiedlichen Ausgangsposition, etwa aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung und Übertragung der lizensierten Patente, können durchaus unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Anwendung kommen, ohne dass dies zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lizensierung zu FRAND-Bedingungen bedeuten würde. Dies ergibt sich praktisch schon daraus, dass ggf. ein anderes Portfolio lizensiert wird. Kartellrechtlich bedenklich ist eine solche Lizensierung zu unterschiedlichen Bedingungen erst dann, wenn die Bedingungen sich nicht mehr im fairen und angemessenen Bereich bewegen und die zwischen den einzelnen Lizenznehmern vorgenommenen Unterschiede zu einer wesentlichen Störung des Wettbewerbs führen.

Was im einzelnen FRAND ist, ist objektiv zu bewerten. Dabei ist unter anderem auch der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Herstellung und Vermarktung eines standardkonformen Produkts ggf. Lizenzen bei mehreren Patentinhabern eingeholt werden müssen. FRAND ist dabei die einzelne Lizenzgebühr nur dann, wenn sie insgesamt – d.h. mit den ggf. zusätzlich erforderlichen Lizenzen zusammen – nicht zu einer unangemessen hohen Belastung des Lizenznehmers führt (vgl. hierzu auch Müller, GRUR 2012, 686, 689).

Soweit die Streithelferin mit dem MSA und den diesen vollziehenden Patentübertragungen die Hoffnung verbindet, durch eine Aufgliederung ihres umfangreichen Patentportfolios in Teil-Portfolios mit unterschiedlichen Patentinhabern höhere, nach ihrem Empfinden angemessene Lizenzgebühren erzielen zu können, wird dies nur dann der Fall sein, wenn die bislang für ihre Patente gezahlten Lizenzgebühren sich unterhalb oder am unteren Rand einer FRAND-Lizenzgebühr bewegten. Die Anhebung der Gebühren auf ein Niveau, das (zumindest mittleren) FRAND-Kriterien entspricht, ist aber nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, zumal die Parteien des MSA nicht die Möglichkeit haben, die Lizenzgebühren einseitig festzusetzen. Diese müssen vielmehr mit den potentiellen Lizenznehmern ausgehandelt werden. Soweit die Streithelferin bzw. die Klägerin sich durch die Umsetzung des MSA in diesem Zusammenhang eine bessere Verhandlungsposition versprechen, ist dies durchaus legitim. Die Kammer vermag hierin weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck zu erkennen, noch hält sie es für wahrscheinlich, dass die Vereinbarung spürbar negative Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt hat. Im Hinblick auf die Auswirkungen am Markt hat die Kammer dabei in ihre Überlegungen auch den Umstand eingestellt, dass ausweislich des „license proposal“ der Klägerin Lizenzgebühren von um die 0,75 USD pro Mobilfunkgerät im Raum stehen. In Anbetracht der handelsüblichen Preise für Mobilfunkgeräte ist dies, selbst im niedrigpreisigen Segment, lediglich ein geringer Anteil an den Gesamtkosten. Dass potentielle Lizenznehmer, die den GSM-Standard nutzen möchten, die Lizenzgebühren nunmehr mit (mindestens) zwei Inhabern standardessentieller Patente aushandeln müssen und jedenfalls einer der Patentinhaber – nämlich die Klägerin – eine reine Patentverwertungsgesellschaft darstellt, mag zwar die Lizenzverhandlungen am Markt für die Lizenznehmer etwas erschweren, zumal es jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nicht möglich sein dürfte, Kreuzlizenzen zu vereinbaren, dies führt aber so lange nicht zu einem kartellrechtlich bedeutsamen Verhandlungsungleichgewicht, wie die insgesamt für die Nutzung des GSM-Standards geforderten Lizenzgebühren FRAND bleiben. Hierzu haben sich sowohl die Streithelferin als auch die Klägerin gegenüber der ETSI verpflichtet. Darüber hinaus steht den Beklagten weder das Recht auf einen bestimmten Patentinhaber und damit Verhandlungspartner, noch das Recht auf die Zusammenfassung für den GSM-Standard essentieller Patente in einem Portfolio oder die Beibehaltung einer bestimmten Lizensierungspraxis zu.

bb)
Das MSA enthält – entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2. – auch keine unzulässige Preisbindung. Insbesondere verstößt Ziffer 3.4 des MSA nicht gegen Art. 101 AEUV.

Ziffer 3.4 des MSA lautet:
„Calculation Adjustment; Royalty Rate
(a) If Q enters into any license, release, covenant not to sue or assert or other agreement with a third party between Closing and … thereafter that gives or purports to give such third party and/or its Affiliates rights to A Assigned Patents (or any other Patents assigned to Q by E Sub or any of its Affiliates) owned or controlled by Q that, at the time that Q enters into such agreement, is known by Q to include at least one Defined Patent to design, manufacture, have made, sell, import or otherwise use Specified Products and if and only if such license, release, covenant or agreement provides for a Royalty Rate for the sales of such Specified Products that is less than the Applicable Royalty Rate for such sales (each such license, release, covenant or agreement, a „Specified Mobile License“), the amounts to be included in Gross Revenues for any fiscal quarter from any Specified Mobile Licenses for purposes of calculating Quarterly Payment under this Agreement for such fiscal quarter shall be the amounts Q would have received had the Royalty Rate in such Specified Mobile Licenses been the Applicable Royalty Rate.”

Die vorgenannte Regelung des MSA enthält zwar die Vereinbarung einer sog. „Applicable Royalty Rate“, hierin liegt aber keine unzulässige Preisbindung. Q wird durch das MSA nicht verpflichtet, die „Applicable Royalty Rate“ von ihren Lizenznehmern zu verlangen. Vielmehr ist Q in ihrer Preisgestaltung im Verhältnis zu ihren Lizenznehmern frei. Ziffer 3.4 stellt lediglich eine Kaufpreisregelung im Verhältnis zur Streithelferin bzw. deren Tochtergesellschaft, der B LLC, dar.

Die Parteien des MSA haben für den Verkauf der „A Assigned Patents“ keinen festen Kaufpreis vereinbart. Vielmehr wird der Kaufpreis gemäß Ziffer 3.1 des MSA von Q in vierteljährlichen Zahlungen an die B LLC geleistet. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich ausweislich Ziffer 3.2 des MSA anhand eines festgelegten Prozentsatzes der von Q im vorhergehenden Quartal erzielten Einkünfte („Gross Revenue“). Mit anderen Worten erhält die B LLC als Gegenwert für die Übertragung der Patente einen Anteil an den von Q erzielten Lizenzeinnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch Ziffer 6.1 (aa) des MSA zu sehen, wonach Q mit ihren Lizenznehmern ohne die Zustimmung der Streithelferin keine Gebührenstruktur vereinbaren darf, die nicht an einen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Lizenznehmers aus Verkäufen der „Specified Products“ anknüpft. So soll sichergestellt werden, dass A bzw. die B LLC ihren Anteil an den Lizenzeinnahmen erhält. Die Regelungen in den Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA dienen dazu, den Kaufpreis für den Fall abzusichern, dass Q ihre vertraglichen Pflichten aus dem MSA verletzt (sog. „trigger events“) oder ein Kontrollwechsel („change of control“) stattfindet.

Um sicherzustellen, dass die „Kaufpreiszahlung“ an die B LLC einen bestimmten Wert erreicht, sieht Ziffer 3.4 des MSA die Festlegung einer „Applicable Royalty Rate“ vor. Wird diese beim Abschluss eines Lizenzvertrages von Q unterschritten, ist der an die B LLC abzuführende Anteil an den Lizenzeinnahmen (hypothetisch) auf der Grundlage der Applicable Royalty Rate zu berechnen. Dabei stellt der abgeschlossene Lizenzvertrag – auch bei Unterschreiten der Applicable Royalty Rate für die Q nicht notwendigerweise ein Verlustgeschäft dar. Denn an die B LLC abzuführen ist nicht die gesamte Applicable Royalty Rate, sondern nur der jeweils nach Ziffer 3.2 des MSA geschuldete Prozentsatz. Liegt dieser bei 20 %, tritt ein rechnerischer Verlust bei der Q erst dann ein, wenn der tatsächlich vereinbarte Lizenzsatz weniger als 1/5 der Applicable Royalty Rate beträgt. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der eines Zwischenhändlers, der selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Waren über dem Einkaufspreis weiter zu verkaufen und hierbei den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Das Ziel der Gewinnmaximierung ist dabei dem Wirtschafsleben immanent. Die Regelungen des MSA gehen über diese Zielsetzung nicht hinaus.

Dabei sind sowohl Q als auch die Klägerin gebunden durch ihre FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI. Die Q bzw. die Klägerin kann weder die Lizensierung standardessentieller Patente als solches verweigern, noch steht ihr die Option offen, von ihren Lizenznehmern überhöhte, nämlich über FRAND-Lizenzsätze hinausgehende Lizenzgebühren zu verlangen. Auch dies hat sie im Rahmen ihrer kaufmännischen Überlegungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Lizenzvertrag auf der Basis eines bestimmten Lizenzsatzes abgeschlossen werden soll. Insofern liegt das Risiko, dass der im Einzelfall als FRAND zu bewertende Lizenzsatz unter der Applicable Royalty Rate liegt, allein bei der Q bzw. der Klägerin. Wenn dies nämlich der Fall sein sollte, ist Q bzw. die Klägerin aufgrund des MSA (vgl. etwa Ziffer 6.14) und der von ihr abgegebenen FRAND-Erklärung dennoch verpflichtet, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren und die damit verbundenen Gewinneinbußen hinzunehmen. Eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der Applicable Royalty Rate abzuschließen, besteht demgegenüber gerade nicht.

Selbst wenn man aber – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine unzulässige Preisbindung annehmen wollte, hätte diese jedenfalls nicht die Unwirksamkeit des gesamten MSA, schon gar nicht der hier allein in Rede stehenden Verträge über die Übertragung des Klagepatents zur Folge. Gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV sind nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Vereinbarungen, nicht also ohne weiteres das komplette Vertragswerk, nichtig. Der Umfang der unmittelbar aus Art. 101 Abs. 2 AEUV folgenden Nichtigkeit ergibt sich aus dem Verbotszweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Nichtig sind diejenigen Vertragsabreden, die entweder unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen oder von der verbotswidrigen Vereinbarung nicht zu trennen sind oder dem verbotswidrigen Vertragsinhalt dienen (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 21). Über die Frage, inwiefern sich einzelne, kartellrechtswidrige Klauseln vom übrigen Vertrag trennen lassen, entscheidet nicht die zivilrechtliche Ausgewogenheit des Vertrags in seiner Gesamtheit, sondern allein der Zweck des Kartellverbots (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 22). Soweit also infolge einer unzulässigen Preisfestsetzung Ziffer 3.4 (a) des MSA, ggf. zusammen mit Ziffer 6.1, nichtig sein sollte, hätte dies – jedenfalls im Hinblick auf Art. 101 Abs. 2 AEUV – auf den übrigen Vertrag keine Auswirkungen, da sich die vorgenannten Regelungen ohne weiteres von dem Vertragsinhalt im Übrigen trennen lassen.

Inwieweit die Teilnichtigkeit ggf. doch den gesamten Vertrag erfasst, ist in einem zweiten Schritt nach nationalem Recht zu prüfen, in diesem Fall nach dem Recht des Staates Delaware (vgl. Ziffer 8.4 des MSA). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass nach dem Recht des Staates Delaware die Nichtigkeit einer oder mehrerer Vertragsklauseln nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (vgl. hierzu auch: Capital Bakers, Inc. / Leahy, 20. Del. Ch. 407, 411-12, 178 A. 648, 650 (1935)). Die Absicht der Parteien, eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Zweifel zu vermeiden, kann durch eine salvatorische Klausel ausgedrückt werden. Dies ist im MSA in Ziffer 8.9 geschehen. Hiernach soll die Nichtigkeit einer Bestimmung den Rest des Vertrages nicht berühren. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, in einem solchen Fall eine Ersatzbestimmung zu suchen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es dem Willen der Parteien des MSA entsprach, die hier in Rede stehenden Patentübertragungen wirksam vorzunehmen. Für den Fall, dass Ziffer 3.4 tatsächlich eine unzulässige Preisbindung darstellen sollte, hätten die Vertragsparteien eine andere Regelung gefunden, um den der Streithelferin zustehenden Kaufpreis abzusichern und das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der übertragenen Patente angemessen zwischen ihnen zu verteilen. Es sind vielfältige Kaufpreisregelungen denkbar, die der Q bzw. der Klägerin den erforderlichen Handlungsspielraum in den Lizenzvertragsverhandlungen mit Dritten lassen, zugleich aber sicherstellen, dass die Streithelferin für die Veräußerung und Übertragung ihrer Patente einen angemessenen Gegenwert erhält. Insofern mag die Sicherung des Kaufpreises zwar ein wesentliches Interesse der Streithelferin gewesen sein, dies konnte aber nicht allein durch die in Ziffer 3.4 des MSA getroffene Regelung erreicht werden, sondern es ist durchaus vorstellbar, dass die Vertragsparteien eine dem Zweck der Regelung ebenfalls entsprechende Ersatzbestimmung gefunden hätten.

cc)
Soweit die Beklagte zu 2. schließlich im Rahmen des Art. 101 AEUV einen unzulässigen Informationsaustausch zwischen der B LLC und der Q bzw. der Klägerin geltend macht, bleiben ihre Ausführungen unsubstantiiert und genügen nicht, um eine Unwirksamkeit nach Art. 101 AEUV zu begründen. Insbesondere geht der Vorwurf, die Streithelferin könne in Kenntnis der von der Klägerin vereinbarten Lizenzsätze ebenfalls höhere Lizenzgebühren verlangen, ins Leere, soweit Patente betroffen sind, die für denselben Standard relevant sind. Denn hier müsste unter FRAND-Gesichtspunkten ohnehin offengelegt werden, welche Lizenzsätze mit welchem Lizenzgeber vereinbart wurden, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob die insgesamt für das betreffende Produkt geschuldeten Lizenzgebühren sich noch im Rahmen von FRAND halten oder ggf. aufgrund ihrer Summierung zu reduzieren sind.

c) Art. 102 AEUV, § 19 GWB i.V.m. § 134 BGB

Die Regelungen des MSA und deren Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen des Klagepatents einschließlich damit verbundener Rechte stellen keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.

Zwar vermittelt das Klagepatent der Klägerin auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung, die infolge der technischen Bedeutung des Klagepatents auch auf den nachgelagerten Produktmarkt durchschlägt (s. ausführlicher unten zum Lizenzeinwand), die im MSA festgehaltene Vereinbarung zwischen der Streithelferin, ihrer Tochtergesellschaft und dem C Konzern stellt sich aber nicht als missbräuchlich dar. Insbesondere liegt weder ein Ausbeutungs- noch ein Behinderungsmissbrauch vor. Wie bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV erläutert, ist das Ziel, die Lizenzeinnahmen aus den übertragenen Patenten zu steigern, jedenfalls so lange nicht wettbewerbsbeschränkend und damit im Rahmen des Art. 102 AEUV auch nicht missbräuchlich, wie die Klägerin sich an ihre Verpflichtung hält, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Auf die Argumentation im Rahmen des Art. 101 AEUV wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Weitere Aspekte, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sieht die Kammer nicht, inwiefern durch das MSA die technische Entwicklung beschränkt werden sollte, nachdem die Möglichkeit der Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist.

II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Verbesserung des Handovers zwischen Mobilkommunikationssystemen.

In der Klagepatentschrift wird einleitend ausgeführt, dass das Global System for Mobile Communications (GSM) seit einer Reihe von Jahren ein aktuelles digitales Time Division Multiple Access (TDMA)-Mobilkommunikationssystem ist. Ein Nachfolger von GSM und anderen vorhandenen digitalen Systemen sei das sogenannte Mobiltelefonsystem der 3. Generation oder Universal Mobile Communication System (UMTS), das gerade entwickelt werde. Um eine globale Abdeckung für UMTS-Endbenutzer anbieten zu können, werde es möglich sein, Weiterleitungen zwischen UMTS- und GSM-Netzwerken durchzuführen. Auf diese Weise würden die GSM-Netzwerke in der Lage sein, Abdeckung in den Gebieten zur Verfügung zu stellen, in denen es keine Abdeckung durch das UMTS-Netzwerk gebe. Es sei dann möglich, in dem Fall, wenn eine Mobilstation (MS) einen Anruf in einer Region aufbaue, in der keine Abdeckung für UMTS-Nutzer zur Verfügung stehe, dieser Anruf in einem GSM-Netzwerk aufgebaut werde. Auch werde es möglich sein, eine Weiterleitung zurück zu einem UMTS-Netzwerk durchzuführen, sobald sich die MS in eine Region bewege, in der das UMTS-Netzwerk Abdeckung zur Verfügung stelle. Das Klagepatent hebt insoweit hervor, dass auf diese Weise eine bestehende MS-Verbindung weiterhin aufrechterhalten werde. Diese Weiterleitungsfähigkeit sei sehr wichtig für die Sprachverbindungen und sogar noch wichtiger für Online-Datenverbindungen.

Das Klagepatent erläutert weiterhin, ein grundlegendes Problem, das in Bezug auf die Durchführung von Weiterleitungen zwischen GSM- und UMTS-Netzwerken gelöst werden müsse, sei das Festlegen der Art und Weise wie die UMTS-Messinformation von einer MS an den GSM Base Station Controller (BSC) transportiert werden solle. Insoweit führt das Klagepatent aus, dass bis dahin der GSM- (European Telecommunications Standards Institute oder ETSI) Standard keine ungenutzte Signalkapazität auf dem Up-Link (UL) im aktiven Modus zur Verfügung stelle. Daher müsse der Transport von UMTS-Messinformation von einer MS zum GSM BSC zu Lasten anderer Informationen durchgeführt werden.

Die Klagepatentschrift verweist darauf, ein Lösungsvorschlag für das Problem der Festlegung, wie die UMTS-Messinformation von einer MS zu einem GSM BSC zur Weiterleitung transportiert werden solle, sei es, die Messinformation vom UMTS-Teil der MS auf dem GSM Fast Associated Control Channel (FACCH) zu senden. Jedoch bestehe ein signifikantes Problem bei der Verwendung des FACCH zum Senden von UMTS-Messinformation von einer MS an einen GSM BSC während einer Weiterleitung darin, dass der FACCH in einer stehlenden Betriebsweise arbeite, wobei ein 20 ms Sprachsegment durch Signalinformation ausgetauscht werde, die für die Übergabe benötigt werde. Das bedeute, dass während GSM-Weiterleitungen bestimmte Sprachrahmen für Signalinformationen anstatt für Sprachinformation verwendet würden. Folglich würden bei Weiterleitungen von GSM an UMTS, die auf einem GSM FACCH übermittelte Messungen verwenden, einige der Sprachrahmen dazu verwendet werden, um die UMTS-Messinformation von der MS an den GSM BSC zu übermitteln, was die Qualität der übertragenen Sprachinformation stark reduzieren würde.

Davon ausgehend liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde dieses Weiterleitungsproblem und andere damit zusammenhängende Probleme zu lösen.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in den erteilten Ansprüchen 9 und 11, die von der Klägerin in Kombination geltend gemacht werden, ein mobiles Endgerät mit folgenden Merkmalen vor:

1. Mobiles Endgerät zur Verwendung beim Transport von Messinformation

1.1. von einem ersten Kommunikationssystem

1.2. an ein zweites Kommunikationssystem, das ein GSM umfasst

aufweisend

2. ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das zweite Kommunikationssystem;

3. ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem Schwellenmesswert; und

4. ein Mittel zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten

4.1. auf einem Steuerkanal

4.2. an einen Knoten im zweiten Kommunikationssystem

4.3. falls der mindestens eine der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten einen vorbestimmten Schwellenmesswert übersteigt.

Das Klagepatent sieht die mit der patentgemäßen Lehre verbundenen Vorteile darin, dass die Messinformation effektiv zwischen verschiedenen Kommunikationssystemen übertragen werden kann, ohne dass die Qualität der Sprachinformation, die übertragen wird, beeinträchtigt wird (vgl. Absatz [0006] der Anlage EIP C1a).
Darüber hinaus liege ein weiterer Vorteil der Erfindung darin, dass ein Handover zwischen unterschiedlichen Arten von Mobilkommunikationssystemen effektiv durchgeführt werden könne (Abs. [0007] der Anlage EIP C1a). Überdies sei es vorteilhaft, dass die Abdeckung für ein UMTS-Netzwerk durch die Verwendung von GSM-Netzwerkabdeckung erweitert werden könne (vgl. Absatz [0008] der Anlage EIP C1a).

III.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale 2, 3, 4 und 4.3 des Klagepatentanspruchs 9 der näheren Erläuterung.

1.
Nach dem Wortlaut des Anspruchs 9 schützt das Klagepatent ein mobiles Endgerät mit einem Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für ein Kommunikationssystem, das ein GSM umfasst (nachfolgend vereinfacht als GSM-Kommunikationssystem bezeichnet).

a)
Begrifflich ist unter einem Messwert herkömmlich der Wert einer Messgröße zu verstehen, der von einem Messgerät oder einer Messeinrichtung geliefert wird, wobei der spezielle Wert der Messgröße durch einen Zahlenwert und die zugehörige Einheit ausgedrückt wird. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Klagepatent werden im Rahmen der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels für das GSM-Kommunikationssystem die Signalstärke (dBm) und Qualität (Bit Error Rate oder BER) einer Zelle ebenso als Messwerte angesehen wie die Code-Energy-to-Interference Ratio (Ec/Io) oder Received Signal Code Power (RSCP) im UMTS-Kommunikationssystem (Abs. [0014] der Anlage EIP C1a). Der Klagepatentanspruch ist indes weder auf diese Messwerte noch auf originär durch eine Messeinrichtung ermittelte Messergebnisse beschränkt. Vielmehr werden von dem im Klagepatentanspruch verwendeten Begriff der Downlink-Messwerte auch solche Werte umfasst, die aus den originären Messergebnissen abgeleitet sind, eine Aussage über die Qualität der Downlink-Signalübertragung, wie sie in den originären Messergebnissen zum Ausdruck kommt, ermöglichen und einen Vergleich mit einem Schwellenmesswert im Sinne des Merkmals 3 zulassen. Insbesondere werden von den Messwerten im Sinne des Klagepatents vereinfachte oder zusammenfassende Darstellungen von Messergebnissen umfasst, die mittels eines Messberichts übertragen werden können.

Aus der Verwendung des Begriffs „Messwert“ im Klagepatentanspruch kann nicht abgeleitet werden, dass es sich ausschließlich um originäre Messergebnisse handeln muss. Denn das Klagepatent unterscheidet nicht eindeutig zwischen den Begriffen „Messinformationen“ und „Messwerten“ („measurement information“ und „measurement value“). In der Beschreibung des Ausführungsbeispiels werden einerseits Messinformationen gemessen und gespeichert (Abs. [0015] der Anlage EIP C1a). Aufgrund der Messung können diese Messinformationen als originäre Messergebnisse verstanden werden. Ebenso werden die im UMTS-System ermittelten Messinformationen umgewandelt (Abs. [0014] und [0015] der Anlage EIP C1a), stellen also Messwerte im Sinne des Klagepatentanspruchs dar. Andererseits wird der Begriff der Messwerte auch für solche Werte verwendet, die mit einem Messbericht des GSM-Typs auf dem SACCH an einen GSM BSC berichtet werden. Dem Fachmann war aufgrund seines Fachwissens der im Prioritätszeitpunkt maßgebende GSM-Standard jedoch bekannt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig: Als maßgeblicher Fachmann ist hier ein Systemingenieur im Telekommunikationssektor anzusehen, welcher sich mit der Planung und Implementierung des Funknetzes mobiler Telekommunikationssysteme befasst und Erfahrungen mit Handover-Vorgängen hat. Er verfügt über Kenntnisse bezüglich der Grundzüge des im Prioritätszeitpukt geltenden GSM-Standards 05.08 v6.3.0, darunter vor allem die wesentlichen Vorgaben für die Signalstärkemessungen, die Messberichte und die nachfolgende Handover-Entscheidung. Er weiß daher auch, dass Messergebnisse im GSM-Standard durch 6 Bit lange Werte vereinfacht dargestellt und berichtet werden.

Auch bei der gebotenen funktionalen Betrachtung besteht kein Bedürfnis, den Begriff der Messwerte im Klagepatentanspruch auf originäre Messergebnisse zu beschränken. Die Messwerte dienen dazu, eine Aussage über die Qualität der Signalübertragung treffen zu können, damit beispielsweise eine Handoverentscheidung vorbereitet werden kann. Da es sich um „Downlink-Messwerte“ handeln muss, ist die Signalübertragung von einem Knoten zu einem mobilen Endgerät in dem ersten beziehungsweise zweiten Kommunikationssystem betroffen. Die Vielzahl der Messwerte repräsentiert dabei eine Anzahl von Zellen, die von verschiedenen Knoten versorgt werden. Die Messwerte versetzen das mobile Endgerät in die Lage, durch einen Vergleich mit einem Schwellenmesswert die qualitativ besseren Zellen an den Knoten zu berichten (Merkmalsgruppe 4). Insofern müssen die Messwerte geeignet sein, mit einem Schwellenmesswert verglichen zu werden. Im Übrigen geht das Klagepatent davon aus, dass die Messwerte des ersten Kommunikationssystems und die des zweiten Kommunikationssystems (jedenfalls vor der Umwandlung im Sinne des Merkmals 2) nicht unbedingt unmittelbar vergleichbar sind (vgl. auch Abs. [0014]). Nach alledem kommt es aber nicht darauf an, dass es sich bei den Messwerten um die originären Messergebnisse eines Messgerätes oder einer Messeinrichtung handelt. Die mit den Messwerten verbundenen technischen Funktionen können ohne weiteres auch mit aus den originären Messergebnissen abgeleiteten Werten erfüllt werden, solange sie nur die soeben dargestellten Funktionen erfüllen.

b)
Der Klagepatentanspruch verlangt weiter, dass Mittel vorhanden sind, mit denen die Downlink-Messwerte des ersten Kommunikationssystems in Downlink-Messwerte für das zweite Kommunikationssystem umgewandelt werden können.

Das Klagepatent enthält keine allgemeine Definition, was unter dem Begriff „Umwandeln“ nach der patentgemäßen Lehre zu verstehen ist. Das Umwandeln von Messwerten wird in der Klagepatentschrift lediglich im Rahmen der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels thematisiert. Demnach muss eine UMTS-Messinformation in ein passendes GSM-Messformat umgewandelt werden, damit eine MS UMTS-Messinformationen an einen GSM BSC – zum Beispiel für eine Weiterleitung – übertragen kann (Abs. [0014] der Anlage EIP C1a). Hintergrund dafür, dass nicht einfach die UMTS-Messinformationen ohne vorherige Umwandlung übertragen werden können, ist der Umstand, dass sich – so die Beschreibung des Klagepatents – die berichtete UMTS-Messinformation von der typischen GSM-Messinformation unterscheidet (Abs. [0013] der Anlage EIP C1a). Während eine MS in einem GSM-Kommunikationssystem typischerweise die Signalstärke und Qualität der eigenen Zelle und die Signalstärke auf den Trägern des Broadcast Control Channels der benachbarten Zelle misst, werden in einem UMTS-Kommunikationssystem von der MS stattdessen die Code-Energy-to-Interference Ratio (Ec/Io) oder die Received Signal Code Power (RSCP) der UMTS-Zelle gemessen (Abs. [0014] der Anlage EIP C1a).

Die Funktion, die dem Umwandeln im Sinne des Merkmals 2 des Klagepatentanspruchs für die Lehre des Klagepatents zukommt, besteht darin, Messwerte, die im ersten Kommunikationssystem gewonnen wurden, so aufzubereiten, dass sie grundsätzlich ohne weitere Bearbeitung mit Messwerten des zweiten Kommunikationssystems vergleichbar sind und dadurch Grundlage beispielsweise für eine Weiterleitungsentscheidung sein können. Nur durch ein solches Umwandeln der Messwerte wird das dem Klagepatent zugrundeliegende technische Problem tatsächlich gelöst. Hingegen genügt es nicht, wenn die Messwerte des ersten Kommunikationssystems lediglich in eine Bit-Darstellung gebracht werden, die es erlaubt, sie in einem Messbericht des zweiten Kommunikationssystems an einen Knoten zu übertragen. Dies mag vielleicht rein sprachlich noch vom Begriff „Umwandeln“ umfasst sein. Bei einem solchen Verständnis bleibt der Fachmann jedoch nicht stehen. Denn bei der Auslegung eines europäischen Patents ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bestimmung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dabei sind Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte). Es kommt danach nicht entscheidend darauf an, was in der Klagepatentschrift – subjektiv – als Aufgabe der Erfindung angegeben ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung); maßgeblich ist vielmehr die objektive Problemstellung, für deren Ermittlung zu klären ist, welche – nicht nur bevorzugten, sondern zwingenden – Vorteile mit dem Merkmal erzielt und welche Nachteile des vorbekannten Standes der Technik – nicht nur bevorzugt, sondern zwingend – mit dem Merkmal beseitigt werden sollen. Beide – die Vor- und die Nachteile – sind dem (allgemeinen) Beschreibungstext der Patentschrift zu entnehmen. Wegen des Vorrangs des Patentanspruchs gegenüber der (bloß erläuternden) Beschreibung ist die Aufgabe allerdings nach dem zu entwickeln, was die Erfindung angesichts der in den Anspruch aufgenommenen Merkmale tatsächlich leistet (vgl. BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung).

Der Fachmann entnimmt den Ausführungen in der Klagepatentschrift, dass mit der Lehre des Klagepatents das Problem gelöst werden soll, wie für die Weiterleitung von Verbindungen zwischen GSM- und UMTS-Netzwerken UMTS-Messinformationen von einer MS an den GSM BSC transportiert werden sollen, ohne dass dies zu Lasten anderer Informationen erfolgt (Absatz [0003] der Anlage EIP 1a). Der Vorschlag aus dem Stand der Technik, die Messinformationen über den FACCH (= „Fast Associated Control Channel“) zu übertragen, löst dieses Problem nicht, da dieser Steuerkanal in einer „stehlenden Betriebsweise“ arbeitet, also zu Lasten von Sprachinformationen (vgl. Absatz [0004] der Anlage EIP C1a). Das Klagepatent schlägt daher im Rahmen der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels (vgl. Absatz [0011] der Anlage EIP C1a) vor, die Messinformation auf einem Steuerkanal zu übermitteln, der in einer non-stealing Betriebsweise arbeiten kann, vorzugsweise auf dem im GSM-System bekannten Steuerkanal SACCH (= „Slow Associated Control Channel“). Allerdings ist die patentgemäße Lehre des Klagepatentanspruchs nicht auf die Übertragung von Messwerten auf einem in einer non-stealing Betriebsweise arbeitenden Kanal oder auf dem SACCH gerichtet. Derartige Lösungen sind zwar von dem Klagepatentanspruch 9 umfasst, welcher indes nicht hierauf beschränkt ist und damit weiter zu verstehen ist als die Unteransprüche 7 und 8 beziehungsweise 15 und 16, welche auf die Verwendung eines Steuerkanals in „non-stealing-Betriebsweise“ beziehungsweise einen SACCH begrenzt sind.

Der Fachmann erkennt aber auch, dass sich die Lösung des in der Klagepatentschrift genannten technischen Problems nicht allein darin erschöpft, die Messinformationen des ersten Kommunikationssystem in eine für das zweite Kommunikationssystem protokollgerechte Bit-Darstellung zu bringen, um sie an den Knoten des zweiten Kommunikationssystems übertragen zu können. Denn ein solcher Transport war auch im Stand der Technik bereits ohne weiteres möglich. Im Klagepatent wird beispielsweise ausgeführt, dass im Stand der Technik die Übertragung von UMTS-Messinformationen im GSM-Kommunikationssystem auf dem FACCH bekannt war (Abs. [0004] der Anlage EIP C1a). Auch eine solche Übertragung setzt eine entsprechende Bit-Darstellung der originären Messwerte und ihre Einbettung in ein Protokoll voraus, damit die Messinformationen vom BSC empfangen und weiterverarbeitet – und sei es nur weitergeleitet – werden können. Darüber hinaus war dem Fachmann aus dem Stand der Technik grundsätzlich bekannt, dass Messwerte im Rahmen eines Mappings protokollgerecht dargestellt werden können und damit auch zur Übertragung in fremden Protokollen aufbereitet werden können. Schon der im Prioritätszeitpunkt geltende GSM-Standard 05.08. V6.3.0. sah beispielsweise ein Mapping von Signalstärkewerten auf 6 Bits vor.

Aus alledem ist für den Fachmann ersichtlich, dass das Umwandeln im Sinne des Klagepatents mehr leisten muss, als lediglich eine Übertragung in einem zweiten Kommunikationssystem zu ermöglichen. Es ist vielmehr die Übertragung auf einem in einer non-stealing Betriebsweise arbeitenden Kanal des zweiten Kommunikationssystems, die besondere Anforderungen an die Umwandlung der Messwerte des ersten Kommunikationssystems stellt. Dabei ergibt sich aus der Verwendung eines in einer non-stealing Betriebsweise arbeitenden Kanals, dass die Übertragung von Messwerten des ersten Kommunikationssystems nunmehr zwar nicht mehr zu Lasten der Sprachinformation erfolgt, aber natürlich Signalinformationen des zweiten Kommunikationssystems, die sonst auf dem non-stealing Kanal übertragen werden, durch die Messinformation des zweiten Kommunikationssystems ersetzt werden. Andernfalls würde sich die Übertragung von Messinformationen des ersten Kommunikationssystems als völlig unproblematisch darstellen, weil sie – ebenso wie im Stand der Technik über den FACCH – nunmehr auf einem beliebigen non-stealing Kanal, der gerade freie Übertragungskapazität bietet, übertragen werden könnten. Genau dies ist beispielsweise der Fall, wenn UMTS-Messinformationen an einen GSM BSC in den Messberichten auf dem SACCH übertragen werden (vgl. Abs. [0013] der Anlage EIP C1a). Die UMTS-Messinformationen nehmen in dem Messbericht den Platz originärer GSM-Messwerte ein. Darin besteht aber das eigentliche, der Verwendung eines in einer non-stealing Betriebsweise arbeitenden Kanals zugrundeliegende Problem, dass nämlich der BSC des GSM-Kommunikationssystems – wenn nicht weitere Maßnahmen getroffen werden – die in dem Messbericht auf dem SACCH übertragenen UMTS-Messinformationen als GSM-Messwerte auffasst und gegebenenfalls als solche zur Grundlage von Weiterleitungsentscheidungen macht. Da die Messwerte des UMTS- und GSM-Telekommunikationssystems wie in der Klagepatentschrift beschrieben (vgl. Abs. [0014] der Anlage EIP C1a), nicht miteinander vergleichbar sind, kann es hierdurch unter Umständen zu Verbindungsabbrüchen kommen, weil eine Weiterleitungsentscheidung von einem GSM-Netz in ein UMTS-Netz fehlerhaft getroffen oder unterlassen wurde.

Dass sich dieses technische Problem in anderen Kommunikationssystemen unter Umständen gar nicht stellt, weil ein dort in einer non-stealing Betriebsweise arbeitender Kanal freie Übertragungskapazitäten besitzt und keine für originäre Messinformationen des zweiten Kommunikationssystems vorgesehenen Plätze durch Messwerte des ersten Kommunikationssystems belegt werden, ist unbeachtlich. Denn die Würdigung des Standes der Technik, der damit verbundenen Nachteile und die Darstellung des technischen Problems erfolgen in der Klagepatentschrift ausschließlich aufgrund des Bedürfnisses, Weiterleitungen zwischen dem GSM- und dem UMTS-Netzwerk durchführen zu können. Das technische Problem stellt sich überhaupt erst deshalb, weil UMTS-Messinformationen nicht auf dem FACCH des GSM-Systems übertragen werden sollen. Auch eine allgemeine Beschreibung der Erfindung, der gegebenenfalls ein anderes Verständnis der technischen Lehre entnommen werden könnte, ist nicht vorhanden.

Die Lösung des technischen Problems besteht darin, dass die mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierten Messwerte in solche für das zweite Kommunikationssystem umgewandelt werden (Merkmal 2). Durch die Umwandlung müssen qualitativ andere, mit den Messwerten des zweiten Kommunikationssystems vergleichbare Werte entstehen. Die Vergleichbarkeit führt dazu, dass die umgewandelten Messwerte von dem Knoten des zweiten Kommunikationssystems grundsätzlich ohne weitere Verarbeitung auch als Messwerte des zweiten Kommunikationssystems behandelt und insbesondere zur Grundlage einer Weiterleitungsentscheidung gemacht werden können. Genau dieses Verständnis vom Begriff der Umwandlung liegt auch dem einzigen Ausführungsbeispiel zugrunde, was bereits für sich genommen die Annahme rechtfertigt, dass es den eigentlichen Erfindungsgedanken des Patents wiedergibt (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 10.02.2005 – I-2 U 155/00).

Soweit das Klagepatent im Rahmen des Ausführungsbeispiels auf die Notwendigkeit einer Umwandlung der UMTS-Messinformationen in ein GSM-Messformat hinweist (Abs. [0013] der Anlage EIP C1a), betrifft die Umwandlung nicht lediglich die Darstellung eines UMTS-Messwertes in eine für einen GSM-Messbericht geeignete Bit-Darstellung. Davon ist in der zitierten Textstelle keine Rede. Vielmehr geht es um eine qualitative Umwandlung der UMTS-Messwerte, so dass sie inhaltlich mit den GSM-Messwerten vergleichbar sind. Denn die Notwendigkeit der Umwandlung ergibt sich nicht allein aus der Übertragung der UMTS-Messwerte auf einem Kanal im GSM-Kommunikationssystem, sondern gerade aus der mangelnden inhaltlichen Vergleichbarkeit der UMTS- und GSM-Messinformationen (vgl. Abs. [0014] der Anlage EIP C1a). Dies ergibt sich auch aus der weiteren Darstellung des Ausführungsbeispiels, wonach die umgewandelten UMTS-Signalstärkewerte nunmehr mit den originären GSM-Signalstärkewerten verglichen werden können (Abs. [0016] der Anlage EIP C1a). Ebenso ist es möglich, die auf dieselbe Art und Weise in GSM-Signalstärkewerte umgewandelten UMTS-Messwerte mit einem vorbestimmten Signalstärke-Schwellenwert zu vergleichen.

Dabei erfordert die Umwandlung im Sinne des Klagepatenanspruchs 9 jedoch nicht, dass die Messwerte des ersten Kommunikationssystems so umgerechnet werden, dass sie im Ergebnis exakt den physikalischen Eigenschaften von Messwerten des zweiten Kommunikationssystems entsprechen. Vielmehr ist es zur Lösung des technischen Problems erforderlich, aber auch ausreichend, wenn der Knoten aufgrund der Umwandlung eine Kategorisierung dahingehend vornehmen kann, dass er bessere von schlechteren Zellen unterscheiden kann. Denn letztlich kommt der erfindungsgemäßen Lehre die Bedeutung zu, eine Weiterleitungsentscheidung vorzubereiten, die gegebenenfalls eine Weiterleitung von dem einem in das andere Kommunikationssystem zum Ergebnis hat. Dafür ist die Vergleichbarkeit der Signalqualität von Zellen aus verschiedenen Telekommunikationssystemen essentiell. Das Klagepatent benennt in Absatz [0001] gerade das Ziel, eine Verbesserung der Durchführung von Weiterleitungsentscheidungen zwischen unterschiedlichen Mobilkommunikationssystemen bereitzustellen. Dafür genügt es aber, wenn überhaupt eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Messwerte hergestellt wird, die eine Weiterleitungsentscheidung ermöglicht.

2.
Gemäß Merkmal 3 soll das patentgeschützte mobile Endgerät weiterhin ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem Schwellenmesswert aufweisen.

Für die Frage, was das Klagepatent unter der Begrifflichkeit „Schwellenmesswert“ versteht, ist auf das Verständnis des Durchschnittsfachmanns abzustellen. Dieser vermag dem Klagepatent selbst keine konkrete Definition zum Begriff des Schwellenmesswerts zu entnehmen. Denn abgesehen von der Bezeichnung in den Patentansprüchen 1 und 9 befasst sich das Klagepatent in der Beschreibung nicht mit diesem Begriff, sondern bezeichnet in Absatz [0016] lediglich den Begriff des „Schwellenwerts“. Der Klagepatentschrift ist in dem Beschreibungsteil mithin an keiner Stelle eine Differenzierung zwischen dem Schwellenmesswert aus Patentanspruch 9 und dem Schwellenwert dergestalt zu entnehmen, dass es sich hierbei um zwei voneinander zu unterscheidende Werte beziehungsweise Begrifflichkeiten handeln muss.

Aus der Systematik des Klagepatents ergibt sich weiterhin, dass die Begrifflichkeit „Schwellenmesswert“ durch die nachfolgende Merkmalsgruppe 4 näher charakterisiert wird: Es handelt sich um einen vorbestimmten Schwellenmesswert („predetermined threshold measurement value“). Zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten kommt es nur dann, wenn mindestens einer der umgewandelten Downlink-Messwerte einen vorbestimmten Schwellenmesswert übersteigt.

Das Klagepatent unterscheidet im Rahmen der Erläuterung eines Ausführungsbeispiels zwischen dem Vergleich mit einem Schwellenwert und einem Vergleich mit einem Satz von gespeicherten GSM-Signalstärkewerten (vgl. Anlage EIP C1a, Abs. [0016]). Dabei setzt der Klagepatentanspruch 9 gerade den Vergleich mit einem vorbestimmten Schwellenmesswert voraus, also einem solchen, der bereits vor dem Vergleich mit den umgewandelten Downlink-Messwerten festgelegt worden ist. Insofern handelt es sich bei einem vorbestimmten Schwellenmesswert um eine zuvor festgelegte absolute Größe in Abgrenzung zu gegebenenfalls auch zu berichtenden Messwerten, die nur einen relativen Vergleich zulassen. Dafür, dass der Schwellenmesswert auf einer aktiven Messung möglicherweise sogar in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vergleich beruhen muss, finden sich weder in dem Patentanspruch noch in dem Beschreibungsteil Anhaltspunkte. Auch ist weder dem Klagepatentanspruch 9 noch dem Beschreibungsteil zu entnehmen, dass der umgewandelte Messwert mit einem spezifischen Messwert des zweiten Kommunikationssystems verglichen werden muss.

Der Fachmann erkennt, dass das Klagepatent nur erfordert, dass ein vorab feststehender Wert vorhanden ist, mit dem die umgewandelten UMTS-Messwerte verglichen werden können, um festzustellen, ob diese dazu geeignet sind, berichtet zu werden. Die Klagepatentschrift lässt hingegen offen, wie, wann und durch wen der konkrete Schwellenmesswert ermittelt wurde.

Eingangs führt die Klagepatentschrift aus, dass es Aufgabe der Erfindung sei, die Messinformation effektiv zwischen verschiedenen Kommunikationssystemen zu übertragen, ohne dass die Qualität der Sprachinformation, die übertragen wird, beeinträchtigt wird (vgl. Anlage EIP C1a, Absatz [0006]). Dazu dient gerade auch der Vergleich der umgewandelten Downlink-Messwerte mit mindestens einem Schwellenmesswert. Aus der Systematik des Patents folgt insoweit, dass der Vergleich dazu dient, bestimmte Messergebnisse herauszufiltern und nur solche – den Schwellenmesswert überschreitende Downlink-Messwerte – an einen Knoten des zweiten Kommunikationssystems weiterzuleiten. Funktional kommt dem Vergleich damit die Bedeutung zu, nur die bestgeeignetsten Zellen zum Zwecke des Treffens einer Weiterleitungs-Entscheidung zu ermitteln. Dieses fachmännische Verständnis wird auch durch die Figur 1 des Klagepatents gestützt. In Absatz [0012] erfährt der Fachmann, dass der BSC die eingehenden Messinformationen bewertet und auf dieser Grundlage die Weiterleitungsentscheidung trifft. Der Fachmann erkennt, dass der BSC aufgrund der Auswertung entscheidet, welche in Betracht kommende Nachbarzelle unter Berücksichtigung der ihr übermittelten Daten am besten für ein Handover geeignet ist. Diese Funktion des Schwellenmesswertes erfordert nicht, dass der Schwellenmesswert auf Messungen beruht.

3.
Der Streit der Parteien bezüglich der Merkmale 4 und 4.3 ist auf das unterschiedliche Verständnis im Hinblick auf den Begriff des Downlink-Messwerts zurückzuführen, so dass diesbezüglich auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer III. 1. der Begründung dieser Entscheidung verwiesen werden kann.

IV.
Durch das Angebot der angegriffenen Ausführungsform macht die Beklagte zu 2. von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 9 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein mobiles Endgerät, das zur Verwendung beim Transport von Messinformationen von einem ersten Kommunikationssystem an ein zweites Kommunikationssystem, das ein GSM umfasst geeignet ist (Merkmal 1). Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.
Die angegriffene Ausführungsform weist auch ein Mittel zum Umwandeln einer Vielzahl von mit einem ersten Kommunikationssystem assoziierten Downlink-Messwerten in eine Vielzahl von Downlink-Messwerten für das zweite Kommunikationssystem auf (Merkmal 2).

a)
Gemäß dem GSM-Standard nimmt die Mobilstation (MS) Signalmessungen sowohl von Zellen, die mit GSM als Funkzugangstechnologie (RAT) arbeiten (Ziff. 8 und 8.1.2 des GSM-Standards), als auch von solchen, die mit anderen Funkzugangstechnologien – darunter UMTS – arbeiten (Ziff. 8 und 8.1.5. des GSM-Standards), vor. Die Funkzugangstechnologien UMTS und GSM sind als erstes Kommunikationssystem (UMTS) und als zweites Kommunikationssystem (GSM) im Sinne des Merkmals 2 anzusehen.

b)
Die angegriffene Ausführungsform misst in UMTS-Zellen die Werte Ec/lo und RSCP auf dem Kanal CPICH (Ziff. 8.1.5.1 des GSM-Standards). Der Bereich, in dem Messwerte für RSCP erfasst werden können, beginnt bei Werten unterhalb -116 dBm und endet bei Werten oberhalb -52 dBm (vgl. Ziff. 8.1.5.1 des GSM-Standards und über den Verweis auch Ziff. 9.1.3.1 des UMTS-Standards 3GPP TS 25.133 V11.8.0). Diese ursprünglich von der MS erfassten RSCP Messwerte stellen mit dem ersten Kommunikationssystem assoziierte Downlink-Messwerte im Sinne des Merkmals 2 dar. Es handelt sich um Messwerte der Funkzugangstechnologie UMTS, die anhand von Signalen von der BS zur MS, also Downlink, ermittelt wurden.

c)
Die ursprünglichen RSCP-Messwerte der UMTS-Zellen werden gemäß den Vorgaben des GSM-Standards durch 6-Bit lange Werte dargestellt und in Messberichten an die BS berichtet. Das Mapping der RSCP-Messwerte sieht wie folgt aus (Ziff. 8.1.5.1 des GSM-Standards):

RSCP < -115 dBm  berichteter Wert: 0
-115 dBm ≤ RSCP < -114 dBm  berichteter Wert: 1
-114 dBm ≤ RSCP < -113 dBm  berichteter Wert: 2
(…)
-54 dBm ≤ RSCP < -53 dBm  berichteter Wert: 62
-53 dBm ≤ RSCP  berichteter Wert: 63

Dieses Mapping der RSCP-Messwerte stellt das Umwandeln der Messwerte des ersten Kommunikationssystems in Messwerte für das zweite Kommunikationssystem im Sinne der Lehre des Klagepatents dar. Denn die gemappten Werte entsprechen genau den aus der Messung der Signalstärke von GSM-Zellen gewonnenen Messwerten, die an die BS berichtet werden. Es handelt sich dabei um 6-Bit lange RXLEV-Werte von 0 bis 63, wobei RXLEV für die Signalstärke des Downlink-Signals steht (vgl. Ziff. 8.1.4 des GSM-Standards).

Diese 6-Bit langen RXLEV-Werte stellen Messwerte im Sinne des Klagepatentanspruchs dar. Dass es sich dabei nicht um die ursprünglich aufgrund einer Messung der Signalstärke einer GSM-Zelle sich ergebenden Messwerte handelt, ist nach zutreffender Auslegung des Klagepatentanspruchs unbeachtlich. Die 6-Bit langen RXLEV-Werte sind aus den originären Messwerten einer GSM-Zelle abgeleitet und lassen eine Aussage über die Qualität der Downlink-Signalübertragung, wie sie in den originären Messergebnissen zum Ausdruck kommt, zu. Denn die 6-Bit langen RXLEV-Werte gehen aus einem Mapping der originär ermittelten Messwerte der Signalstärke einer GSM-Zelle hervor. Die GSM-Zelle misst die Signalstärke im Bereich von unterhalb -110 dBm bis oberhalb -48 dBm. Das Mapping erfolgt wie nachstehend wiedergegeben (vgl. Ziff. 8.1.4 des GSM-Standards):

signal level < -110 dBm  RXLEV 0
-110 dBm ≤ signal level ≤ -109 dBm  RXLEV 1
-109 dBm ≤ signal level ≤ -108 dBm  RXLEV 2
(…)
-49 dBm ≤ signal level ≤ -48 dBm  RXLEV 62
-48 dBm ≤ signal level  RXLEV 63

Dabei geben die RXLEV Werte von 0 bis 63 die Qualität der Signalübertragung von den schwächsten Zellen bis zu den stärksten Zellen in aufsteigender Reihenfolge wieder. In einem begrenzten Umfang lassen die 6-Bit langen RXLEV-Werte auch einen Rückschluss auf die ursprünglich gemessene Signalstärke zu. Beispielsweise steht für den berichteten RXLEV-Wert 1 fest, dass der ursprüngliche Messwert im Bereich von -110 bis -109 dBm lag. Im Hinblick auf die Messgenauigkeit (vgl. Ziff. 8.1.2 des GSM-Standards) ist diese Unschärfe in jeder Hinsicht unbeachtlich. Ebenso unbeachtlich ist, dass Messwerte unterhalb von -110 dBm und oberhalb von -48 dBm auf 0 bzw. 63 abgebildet werden. Dies macht vielmehr deutlich, dass eine weitere Differenzierung zwischen den Signalstärken der einzelnen Zellen für die Zwecke des GSM-Standards nicht weiter erforderlich ist. Zellen mit einer Signalstärke unterhalb von -110 dBm sind gleichermaßen schwach und kommen für ein Handover am wenigsten in Betracht. Umgekehrt genügen Zellen mit einer Signalstärke oberhalb von -48 dBm den Übertragungsanforderungen in jeder Hinsicht, so dass es einer weiteren Differenzierung nicht bedarf.

Durch das Mapping der RSCP-Werte auf 6-Bit lange Berichtswerte entstehen im Ergebnis Messwerte für das GSM-System. Denn die berichteten RSCP-Werte sind infolge des Mappings unmittelbar mit den RXLEV-Werten von 0 bis 63 vergleichbar, wobei die Qualität der Signalübertragung aufsteigend von 0 bis 63 wiedergegeben wird. Dass unter Umständen der RSCP-Wert nicht exakt in einen RXLEV-Wert umgerechnet wird, ist nach zutreffender Auslegung unbeachtlich. Ist ein berichteter RSCP-Wert für eine UMTS-Zelle größer als ein RXLEV-Wert für eine GSM-Zelle, kann der Vergleich dieser Werte ohne weitere Umrechnungen jedenfalls als Grundlage für die Entscheidung dienen, eine Weiterleitung zu der entsprechenden UMTS-Zelle vorzunehmen, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Signalübertragung dieser UMTS-Zelle qualitativ besser ist als die Signalübertragung der gemessenen GSM-Zelle. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, in dem der RXLEV-Wert höher als der berichtete RSCP-Wert ist. Die berichteten RSCP-Werte können von der BS wie RXLEV-Werte behandelt werden. Dementsprechend sieht der GSM-Standard auch vor, dass die berichteten RSCP-Werte die RXLEV-Werte im Messbericht ersetzen (vgl. Ziff. 8.1.5.1 des GSM-Standards).

Letztlich steckt hinter dem standardgemäßen Mapping der RSCP-Werte auf die 6-Bit langen Berichtswerte nichts anderes als die in der Klagepatentschrift angegebene Formel zur Umwandlung von UMTS-Messwerten in GSM-Messwerte. Nach der Beschreibung des Klagepatents können die UMTS-Messwerte nach folgender Gleichung umgewandelt werden:
RXLEV = RSCP + OFFSET (RSCP),
wobei RXLEV für die GSM-Signalstärkemessungen in dBm, RSCP für die UMTS-Signalstärkemessungen in dBm und OFFSET für OFFSET-Werte steht, die in Bezug auf RSCP konstant oder variabel sein können (Abs. [0015] der Anlage EIP C1a). Wird im Fall des GSM-Standards zu den RSCP-Messwerten ein konstanter OFFSET von 5 dBm addiert, entspricht das Mapping genau dem Mapping der Signalstärkemesswerte im GSM-System (allenfalls mit Ausnahme der Intervallgrenzen, die aber zu vernachlässigen sind). Dies wird aus nachstehender Tabelle deutlich.
Bereits dies belegt, dass auch nach dem GSM-Standard die ursprünglichen RSCP-Messwerte in GSM-Messwerte umgewandelt werden und zwar genau so, wie es auch das Klagepatent vorsieht. Dass im gleichen Zuge ein Mapping auf 6-Bit lange Berichtswerte erfolgt und die Vergleichbarkeit erst anhand dieser Berichtswerte seinen Ausdruck im GSM-Standard findet, ist unbeachtlich.

Die vorstehende Tabelle zeigt auch, dass ein- und derselbe Messwert als RSCP-Messwert anders gemappt wird als der Signalstärkemesswert einer GSM-Zelle, zum Beispiel -110 dBm auf 6 (UMTS) bzw. 1 (GSM). Dies korrespondiert mit den Überlegungen zum zuvor dargestellten „OFFSET“. Eine solche Festlegung der Mapping-Werte für die ursprünglichen RSCP-Messwerte kann jedoch nicht zufällig erfolgt sein, sondern ist nur vor dem Hintergrund, RSCP- und Signalstärke-Messwerte bis zu einem gewissen Grad vergleichen zu können, verständlich. Dies ergibt sich auch im Hinblick auf die Vorgaben des UMTS-Standards 3GPP TS 25.133 V11.8.0 (nachfolgend UMTS-Standard) zum Mapping der RSCP-Werte. Dass nach dem UMTS-Standard das Mapping der originären RSCP-Messwerte – jedenfalls was das Mapping im Bereich von -115 bis -53 dBm angeht – in gleicher Weise erfolgt (vgl. Ziff. 9.1.1.3 des UMTS-Standards 3GPP TS 25.133 V11.8.0), spricht nicht gegen eine Vergleichbarkeit der berichteten RSCP-Werte mit den RXLEV-Werten. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn das Mapping nach dem UMTS-Standard beginnt nicht mit dem Wert 0, sondern mit dem Wert -5 für Werte unterhalb von -120 dBm. Nach dem GSM-Standard werden alle diese RSCP-Werte bis -115 auf 0 abgebildet. Ein ähnliches Bild ergibt sich für RSCP-Werte oberhalb von -53 dBm, für die nach dem UMTS-Standard weiter bis -91 (für RSCP-Werte bis -25 dBm) differenziert wird, während der GSM-Standard sie auf den Wert 63 abbildet. Diese Ausrichtung der Mapping-Werte im Verhältnis zu den RSCP-Werten macht die Signalqualität von UMTS-Zellen mit RSCP-Werten im Bereich von -115 dBm bis -53 dBm mit der von GSM-Zellen vergleichbar. Dass nach dem GSM-Standard zwischen stärkeren (> -53 dBm) bzw. schwächeren (< -115 dBm) UMTS-Zellen nicht differenziert werden kann, nimmt der Standard hin. Sie werden pauschal als stärkste bzw. schwächste Zellen eingeordnet. Insofern kann aber auch in der BS vom Berichtswert 0 bzw. 63 nicht mehr auf den diesem Berichtswert zugrundeliegenden ursprünglichen Messwert rückgeschlossen werden, so dass auch in dieser Hinsicht keine weitere Differenzierung möglich ist. Entscheidend ist aber, dass im Bereich dazwischen durch die Berichtswerte eine Rangfolge der Zellenqualität aufgestellt wird, die für das GSM- und UMTS-Kommunikationssystem gleichermaßen gilt und Grundlage einer Weiterleitungsentscheidung sein kann. Insofern sind die UMTS- und GSM-Berichtswerte miteinander vergleichbar.

Aus dem GSM-Standard ergibt sich darüber hinaus, dass die berichteten RSCP- und RXLEV-Werte tatsächlich miteinander verglichen werden. Unter Ziffer 8.4.8.1 regelt der Standard, mit welcher Priorität Messwerte verschiedener Kommunikationssysteme an die GSM-BS berichtet werden sollen. In einen Messbericht sollen demnach zunächst die Messwerte von GSM-Zellen auf demselben Frequenzband aufgenommen werden (Stufe 1), danach die Messwerte von GSM-Zellen auf anderen Frequenzbändern (Stufe 2) und dann die Messwerte von Zellen anderer Funkzugangstechnologien (darunter UMTS) (Stufe 3), soweit alle diese Messwerte einen bestimmten, für ihre Gruppe geltenden Schwellenwert überschreiten (XXX_REPORTING_THRESHOLD). Erst danach werden alle verbleibenden Messwerte von GSM-Zellen und Zellen anderer Funkzugangstechnologien in den Messbericht aufgenommen (Stufe 4). Für jede Prioritätsstufe wird in Ziffer 8.4.8.1 im letzten Spiegelstrich angeordnet, dass – wenn der Messbericht nicht für alle gültigen Zellen einer Stufe Platz bietet – die Zellen berichtet werden sollen, die die höchste Summe aus dem zu berichtenden Wert („reported value“) und einem für jede Funkzugangstechnologie gültigen Parameter XXX_REPORTING_OFFSET haben. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der OFFSET-Parameter von den jeweiligen Mobilfunkanbietern festgesetzt werden kann, um bestimmte Funkzugangstechnologien (aus ggf. rein kaufmännischen Erwägungen) priorisieren zu können. Standardmäßig ist der OFFSET-Parameter auf 0 gesetzt (vgl. Tabelle 2 in Ziff. 9 des GSM-Standards), so dass in der Standardeinstellung gemäß dem letzten Spiegelstrich von Ziff. 8.4.8.1 der höchste Berichtswert in den Messbericht aufgenommen werden soll. Für die vierte Prioritätsstufe bedeutet das aber, dass die Berichtswerte für Zellen verschiedener Funkzugangstechnologien miteinander verglichen werden müssen. Demnach sieht der GSM-Standard in bestimmten Fällen vor, dass etwa für Messwerte von GSM- und UMTS-Zellen der RSCP-Berichtswert mit dem RXLEV-Berichtswert verglichen wird.

Dass tatsächlich nur ein Vergleich mit RSCP-Berichtswerten stattfindet und der Standard eine Vergleichbarkeit von RSCP- und RXLEV-Berichtswerten voraussetzt, ergibt sich auch daraus, dass die Berichtspriorität der vierten Prioritätsstufe bei UMTS-Zellen ausschließlich auf RSCP-Werten basieren soll, nicht aber auf Ec/Io. (Nr. 4 a.E. unter Ziff. 8.4.8.1 des GSM-Standards). Hierin kommt eine Vorrangstellung der RSCP-Berichtswerte zum Ausdruck, welche ihre Grundlage letztlich in der Vergleichbarkeit mit den RXLEV-Werten hat. Denn das Mapping der Ec/Io-Messwerte, wie es in Ziffer 8.1.5.1 des GSM-Standards vorgegeben ist, führt anders als das Mapping der RSCP-Messwerte nicht zu mit den RXLEV-Werten vergleichbaren Berichtswerten. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, weil das Mapping der Ec/Io-Messwerte nur auf Werte von 0 bis 49 erfolgt. Die besten Signalwerte einer UMTS-Zelle liegen demnach – bezogen auf Ec/Io-Messwerte – bei 49. Bei einem Vergleich der RXLEV-Werte mit den gemappten Ec/Io-Messwerten würden daher Zellen, die von ihrer Signalstärke im oberen Drittel anzusiedeln wären (RXLEV > 49) immer als qualitativ besser eingestuft als die UMTS-Zellen, deren Mapping-Werte für Ec/Io-Messwerte die 49 nicht übersteigen.

Soweit eingewandt wird, der zweite Spiegelstrich in Ziffer 8.4.8.1 des GSM-Standards belege keine Vergleichbarkeit der RSCP- und RXLEV-Berichtswerte, sondern laufe letztlich auf eine willkürlich gewählte Reihenfolge von Messwerten, wie sie beispielsweise für eine alphabetische Reihenfolge typisch ist, hinaus, bietet der GSM-Standard für ein solches Verständnis keine Anhaltspunkte. Im Rahmen der Berichtspriorität trifft der Standard vielmehr bestimmte Anordnungen, die auch einen technischen Sinn haben, weil sie Grundlage für eine Weiterleitungsentscheidung sind. Die willkürliche Auswahl von Messwerten führte stattdessen dazu, dass unter Umständen Weiterleitungen zu Zellen erfolgen, obwohl andere Zellen mit besserer Signalqualität zur Verfügung stehen. Im Übrigen hätte der GSM-Standard dann die Auswahl der zu berichtenden Messwerte optional gestalten oder den Mobilfunkunternehmen überlassen. Diese haben jedoch nur im Rahmen des OFFSET-Parameters die Möglichkeit, auf die Berichts-Priorität Einfluss zu nehmen.

Auch der weitere Einwand, der im letzten Spiegelstrich unter Ziffer 8.4.8.1 angeordnete Vergleich der Messwerte erfolge nur innerhalb derselben Funkzugangstechnologie, greift nicht durch. Denn der zweite Spiegelstrich gilt für jede Prioritätsstufe (erste Zeile vor den Spiegelstrichen in Ziff. 8.4.8.1 des GSM-Standards: „For each of the priority levels above, the following shall apply:“). Ebenso wenig spricht der letzte Satzteil des Spiegelstrichs „für die jeweilige Funkzugangstechnologie/Modus“ (= „for respective radio access technology/mode“) gegen eine Vergleichbarkeit der Messwerte unterschiedlicher Funkzugangstechnologien, denn dieser Satzteil bezieht sich lediglich auf den Parameter XXX_REPORTING_OFFSET. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Standard auch an anderen Stellen trotz Verwendung der Kennzeichnung XXX, wodurch zum Ausdruck kommt, dass verschiedene Funkzugangstechnologien betroffen sein können, nochmals ausdrücklich auf diesen Umstand hinweist (beispielsweise unter Ziffer 8.4.8: „XXX indicates other radio access technology/mode“).

Ebenso wenig kann mit Erfolg eingewandt werden, es erfolge kein Vergleich der gemappten Berichtswerte, sondern der originären Messwerte. Denn im zweiten Spiegelstrich der Ziffer 8.4.8.1 GSM-Standards ist durchweg die Rede vom „berichteten Wert“ („reported value“), der nach dem GSM-Standard anders als der „gemessene Wert“ („measured value“) dem gemappten Berichtswert entspricht (vgl. Ziff. 8.1.5.1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der OFFSET-Parameter in der Tabelle 2 mit der Einheit dB versehen ist (vgl. Tabelle 2 der Ziff. 9 des GSM-Standards). Zum einen ist auch hier nur von den berichteten Werten und nicht von den gemessenen Werten die Rede („reported value“) und zum anderen hat die Klägerin durch die Vorlage des Change Request CR 0494 für den Standard 45.008 Version 9.5.0 belegt, dass es sich bei dem berichteten Wert („reported value“) um einen einheitslosen Wert handelt und daher die Einheit „dB“ auch für den OFFSET-Parameter entfernt werden sollte.

Soweit gegen die Vergleichbarkeit von RSCP- und RXLEV-Berichtswerten der Parameter SCALE herangezogen wird, folgt daraus keine andere rechtliche Bewertung. Die Anwendung eines SCALE-Parameters berührt die Vergleichbarkeit von umgewandelten RSCP-Messwerten und GSM-Messwerten nicht. Der SCALE-Parameter kann die Werte 0 oder +10 annehmen (Tabelle 2 unter Ziff. 9 des GSM-Standards). Bei einem Wert von +10 wird das gesamte Berichtsfenster für die RXLEV-Werte um den SCALE-Wert +10 zugunsten der stärkeren Zellen verschoben (vgl. Ziff. 8.1.4 des GSM-Standards). Beträgt der Wert aber 0, hat dies keine Auswirkungen auf das Mapping und die ursprüngliche Vergleichbarkeit von RSCP- und RXLEV-Berichtswerten. Aber auch wenn der SCALE-Wert +10 beträgt, führt dies lediglich zu einer besseren Differenzierung zwischen einer Vielzahl starker Zellen im Bereich von -48 bis -38 dBm. Die Verschiebung des Berichtsfensters lässt noch immer eine Kategorisierung der berichteten Zellen dahingehend zu, ob es sich um solche mit besserer oder schlechterer Signalqualität handelt, auf die eine Weiterleitungsentscheidung gestützt werden kann.

Schließlich führt auch der Verweis auf Ziffer 10.5.2.20.1 des Standards ETSI TS 144 018 V5.22.0 (2006-05) nicht aus einer Verletzung des Klagepatents heraus. Denn auch hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Vergleichbarkeit der umgewandelten RSCP-Messwerte mit den RXLEV-Werten. Soweit die Beklagte zu 2. zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung darlegen, dass ein Bit (3G-BA-USED) anzeige, ob es sich um einen UMTS-Berichtswert handele, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung kann mit dem 3G-BA-USED-Wert ermittelt werden, ob sich die Zelle in der „Neighbour Cell list“ befindet, so dass eine Identifizierung der Zelle ermöglicht wird. Aussagen in Bezug auf die Vergleichbarkeit der umgewandelten RSCP-Werte mit den RXLEV-Werten ergeben sich hieraus nicht.

Im Ergebnis stellt das Mapping der RSCP-Messwerte eine Umwandlung von UMTS-Messwerten in GSM-Messwerte im Sinne des Klagepatents dar. Dass dieses Mapping durch den GSM-Standard vorgegeben ist und in dem Sinne keine Umrechnung durch die angegriffene Ausführungsform erfolgt, ist unbeachtlich. Ebenso ist es unbeachtlich, wenn die angegriffene Ausführungsform den im zweiten Spiegelstrich unter Ziffer 8.4.8.1 des GSM-Standards angeordneten Vergleich tatsächlich nicht durchführt, belegt diese Textstelle des Standards doch nur, dass eine Vergleichbarkeit von RSCP- und RXLEV-Berichtswerten grundsätzlich gegeben ist. Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, wenn in den Basisstationen tatsächlich kein unmittelbarer Vergleich der RSCP- und RXLEV-Berichtswerte erfolgt, sondern erst nach Anwendung eines Algorithmus, der die berichteten Werte weiter verarbeitet und in den weitere Faktoren und Bewertungen einfließen, eine Weiterleitungsentscheidung getroffen wird. Für die Verwirklichung des Merkmals 2 genügt das Mapping der ursprünglichen RSCP-Messwerte auf die 6-Bit langen Werte von 0 bis 63.

3.
Die angegriffene Ausführungsform weist auch ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit mindestens einem vorbestimmten Schwellenmesswert auf (Merkmal 3).

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits steht außer Streit, dass im Rahmen des Enhanced Measurement Reporting die BS eine Messinformationsnachricht („MEASUREMENT INFORMATION MESSAGE) an die MS sendet, die unter anderem den Parameter XXX_REPORTING_THRESHOLD enthält (Ziff. 8.4.8 des GSM-Standards), der in der Tabelle 2 unter Ziffer 9 des GSM-Standards definiert ist. Demnach kann für jede Funkzugangstechnologie, also auch für GSM und UMTS, ein Wert von 0, 6, … 36 oder ∞ gesetzt werden. Nach den Vorgaben des GSM-Standards berichtet die MS in einem Messbericht in den ersten drei Prioritätsstufen jeweils nur solche Zellen, die den für die jeweilige Funkzugangstechnologie geltenden XXX_REPORTING_THRESHOLD erreichen oder überschreiten (vgl. Ziff. 8.4.8.1 des GSM-Standards). Demnach werden die umgewandelten Downlink-Messwerte mit einem Schwellenmesswert verglichen (Merkmal 3).

Bei dem Parameter XXX_REPORTING_THRESHOLD handelt es sich um einen Schwellenmesswert im Sinne des Klagepatents. Der Einwand, dass der Parameter nicht auf Messungen beruht, vermag nach der vorstehenden Auslegung nichts an einer Verwirklichung des Merkmals 3 des Klagepatentanspruchs 9 zu ändern. Der Parameter bezeichnet auch einen vorbestimmten Schwellenmesswert im Sinne des Klagepatents. Denn für ein „Vorbestimmen“ ist nach zutreffender Auslegung ausreichend, wenn der Schwellenmesswert von dem Netzwerk für den Einzelfall als absoluter Wert vorgegeben wird und nicht ein relativer Vergleich zwischen verschiedenen Messwerten stattfindet.

Tatsächlich werden nach dem GSM-Standard auch die umgewandelten RSCP-Berichtswerte und nicht die ursprünglichen Messwerte des UMTS-Kommunikationssystems mit dem Parameter XXX_REPORTING_THRESHOLD verglichen. Sowohl gemäß Ziffer 8.4.8.1, als auch aus der Tabelle 2 in Ziffer 9 des GSM-Standards ergibt sich, dass mit dem Parameter der berichtete Wert („reported value“) verglichen wird, bei dem es sich nicht um den ursprünglichen Messwert, sondern den gemappten RSCP-Wert handelt. Alles andere wäre auch technisch unsinnig, weil es sich bei den Werten, die der Parameter XXX_REPORTING_THRESHOLD annehmen kann, um positive, einheitslose Werte handelt, während die ursprünglichen Messwerte regelmäßig im negativen Bereich liegen und daher durchweg unterhalb der Berichtsschwelle liegen. Vorstehendes gilt für den Parameter FDD_REPORTING_THRESHOLD_2 gleichermaßen, der Werte von 0 bis 63 annehmen kann und damit genau den Bereich der gemappten Berichtswerte umfasst (zur Bedeutung dieses Parameters sogleich).

Es ist unbeachtlich, dass der RSCP-Berichtswert mit einem für das UMTS-Kommunikationssystem geltenden Berichtsschwellwert verglichen wird, der sich von dem für GSM-Zellen geltenden Berichtsschwellwert unterscheiden kann. Zum einen enthält der Klagepatentanspruch keinerlei Vorgaben über die Reichweite und Gültigkeit des Schwellenmesswertes. Die Auffassung, der in einen Messwert für das zweite Kommunikationssystem umgewandelte Messwert müsse dementsprechend mit einem für das zweite Kommunikationssystem geltenden Schwellenmesswert verglichen werden, lässt sich dem Klagepatentanspruch nicht entnehmen und stellt eine unzulässige Einschränkung der patentgemäßen Lehre auf das in der Klagepatentschrift dargestellte Ausführungsbeispiel (vgl. Abs. [0016] der Anlage EIP C1a) dar. Im Übrigen steht die Anwendung mehrerer Berichtsschwellwerte für verschiedene Funkzugangstechnologien auch nicht der Annahme der Vergleichbarkeit von RSCP- und RXLEV-Berichtswerten entgegen. Denn die Berichtsschwellwerte für GSM und UMTS können den gleichen Wert haben. Darüber hinaus ist die gesamte Messberichterstattung darauf ausgelegt, dass der Netzbetreiber zwischen den verschiedenen Funkzugangstechnologien unterscheiden und Prioritäten setzen kann, wie dies etwa schon für den Parameter XXX_REPORTING_OFFSET gezeigt wurde. Daher werden die Messwerte der verschiedenen Funkzugangstechnologien in jeder Hinsicht isoliert voneinander behandelt. Dazu gehört beispielsweise auch die Festlegung der Anzahl zu berichtender Zellen einer Funkzugangstechnologie (vgl. die Parameter SERVING_BAND_REPORTING, MULTIBAND_REPORTING und XXX_MULTIRAT_REPORTING in Ziff. 8.4.8 sowie Tabelle 2 der Ziffer 9 des GSM-Standards). Insofern ermöglicht auch die Anwendbarkeit verschiedener Schwellenwerte für jede Funkzugangstechnologie eine weitere Differenzierung zwischen den Funkzugangstechnologien, indem beispielsweise durch einen höheren Schwellenwert die zu berichtenden Messwerte auf die stärksten Zellen einer Funkzugangstechnologie beschränkt werden.

4.
Schließlich weist die angegriffene Ausführungsform Mittel zum Senden von mindestens einem der umgewandelten Downlink-Messwerte entsprechend der Merkmale 4.1 bis 4.3 auf (Merkmalsgruppe 4).

Nach Ziffer 8.4.8.2 des GSM-Standards werden die Messberichte von der angegriffenen Ausführungsform im nächsten Nachrichtenblock auf dem Slow Associated Control Channel (SACCH) übertragen. Hierbei handelt es sich unstreitig um einen Steuerkanal (Merkmal 4.1). Die umgewandelten Downlink-Messwerte werden überdies an den BSC des GSM-Kommunikationssystems gesendet und damit an einen Knoten im GSM-Kommunikationssystem (Merkmal 4.2). Zudem werden nur solche umgewandelten RSCP-Messwerte berichtet, die den vorbestimmten Schwellenmesswert überschreiten (Merkmal 4.3). Dies ergibt sich aus Ziffer 8.4.8.1 des GSM-Standards, wonach in den Messbericht unter anderem nur solche Berichtswerte aufgenommen werden sollen, die den Berichtsschwellwert XXX_REPORTING_THRESHOLD erreichen.

Insofern ist es unbeachtlich, dass der umgewandelte RSCP-Berichtswert nicht schon dann an die BS berichtet wird, wenn er den durch XXX_REPORTING_THRESHOLD gesetzten Wert erreicht, sondern erst wenn auch der Ec/Io-Berichtswert den durch FDD_REPORTING_THRESHOLD_2 gesetzten Wert erreicht. Dieser Parameter stellt einen zweiten Berichtsschwellwert dar, mit dem der zweite UMTS-Berichtswert, der nicht berichtet wird, verglichen wird. Für Signale von UMTS-Zellen erfasst die MS sowohl die Werte für RSCP, als auch für Ec/Io. Die MS berichtet der BS aber nur einen dieser (gemappten) Messwerte. Allerdings erfolgt die Aufnahme dieses Wertes in den Messbericht nur dann, wenn sowohl der RSCP-Wert, als auch der Ec/Io-Wert die Berichtsschwellen überschreitet. Dabei gilt für den zu berichtenden Wert der Parameter FDD_REPORTING_THRESHOLD und für den anderen, nicht zu berichtenden Wert der Parameter FDD_REPORTING_THRESHOLD_2 (Nr. 3 in Ziff. 8.4.8.1 sowie Tabelle 2 in Ziff. 9 des GSM-Standards). Der Klagepatentanspruch schließt nicht aus, dass das Senden der umgewandelten Downlink-Messwerte von mehr als einer Bedingung abhängig ist. Wenn also für das Senden des RSCP-Berichtswerts nicht nur das Erreichen des XXX_REPORTING_THRESHOLD erforderlich ist, sondern noch weitere Bedingungen erfüllt sein müssen, führt dies nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus.

[nicht veröffentlichte Passage]

VI.
Aufgrund der unberechtigten Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Beklagte zu 2. ergeben sich folgende Rechtsfolgen.

1.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 2. dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 und 2 PatG.

Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).

Die Beklagte zu 2. hat die streitgegenständliche Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin für das Klagepatent gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar mag die FRAND-Erklärung bei den betroffenen Marktteilnehmern die berechtigte Erwartung hervorrufen, dass ihnen eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt werde, dennoch ist es fahrlässig, ohne den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Nutzung des Patents zu beginnen. Denn erst die Lizenz vermittelt das Recht zur Benutzung. Der FRAND-Erklärung selbst kommt diese Wirkung hingegen nicht zu; sie stellt lediglich die ernstgemeinte Erklärung des Patentinhabers dar, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents potentiellen Benutzern Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen (s. hierzu ausführlicher unten im Rahmen des Zwangslizenzeinwandes unter VII.).

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Schutzrechts durch die Beklagte zu 2.

2.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 2) auch ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit den §§ 140b PatG, 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte zu 2. wird durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. Eine Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus kartellrechtlichen Gründen ist nicht gerechtfertigt (s. ausführlicher sogleich zum Zwangslizenzeinwand unter VII.).

VII.
Die Beklagte zu 2. hält dem Klagebegehren der Klägerin ohne Erfolg den Einwand ihrer (angeblichen) Lizenzwilligkeit entgegen. Weder die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin noch die Art. 101, 102 AEUV hindern die Durchsetzung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung ganz oder auch nur in Teilen. Hierzu im Einzelnen:

1.
Den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung kommt grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu; die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt, Art. 47 der EU-Charta (so auch: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 57). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt. Insofern ist spätestens durch die Entscheidung „Orange-Book-Standard“ geklärt, dass einem Unterlassungsanspruch im Patentverletzungsprozess der Einwand eines kartellrechtlichen Lizenzvertragsanspruches entgegengehalten werden kann (BGH, GRUR 2009, 694 ff.; bestätigt zuletzt durch EuGH, GRUR 2015, 764 ff.).

2.
Die Klägerin ist Inhaberin eines standardessentiellen Patents, für das sie gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI eine FRAND-Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hat. Bei einer solchen de iure-Standardisierung trifft ein Zusammenschluss von Marktteilnehmern – organisiert in einer Standardisierungsorganisation – unter den für die Lösung der Standardisierungsaufgabe infrage kommenden Technologien eine Auswahl und beschließt das Ergebnis dieser Auswahl als Standard. Die Vorteile der de iure-Standardisierung liegen in der Vermeidung eines Ressourcen zehrenden Verdrängungswettkampfes, der Durchsetzung von überlegenen Technologien trotz ggf. geringer Marktmacht des dahinter stehenden Unternehmens, der Erzielung einer weitgehenden Kompatibilität konkurrierender Produkte und der damit verbundenen erleichterten Vergleichbarkeit dieser Produkte für den Verbraucher. Auf der anderen Seite birgt die de iure-Standardisierung auch gewisse Gefahren. Wird etwa die Auswahl der in Frage kommenden Technologien unsachgemäß durchgeführt, so kann dies zu schlechten Ergebnissen führen, weil sich die gewählte Lösung nicht unter Wettbewerbsdruck am Markt durchsetzen muss. Zudem bewirkt die erfolgreiche Standardisierung einer bestimmten technischen Lehre häufig eine Abhängigkeit des betroffenen Produktmarktes. Vor diesem Hintergrund müssen die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der standardbezogenen Patentnutzung kontrolliert werden, mit denen ein Marktteilnehmer die Machtstellung ausnutzt, die ihm aus dem Zusammenspiel eines erfolgreich implementierten Standards mit einem Patent erwächst (vgl. Picht, GRUR Int. 2014, 1 ff.). Zur Kontrolle dienen hier insbesondere die Regelungen in Art. 101 und 102 AEUV.

3.
Der de iure-Standardisierungsvorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 263 ff.). Am Standardisierungsvorgang beteiligt sind „Unternehmen“ im Sinne dieser Norm, nämlich Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art. 101 AEUV ist grundsätzlich weit zu verstehen. Er erfasst die de-iure-Standardisierung schon deswegen, weil sie zu einem nach Ziel und Vorgehen bewusst gleichgerichteten Vorgehen der Standardisierungsteilnehmer führt. Auswirkungen auf den Wettbewerb entstehen dadurch, dass die Standardisierungsteilnehmer zu Gunsten des Standards auf die Entwicklung oder Nutzung alternativer Technologien verzichten und ein gewisser faktischer Zwang entsteht, nach dem Standard herzustellen oder zu arbeiten.

Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt bei der de-iure-Standardisierung dann nicht vor, wenn die Möglichkeit der uneingeschränkten Mitwirkung am Normungsprozess für alle potenziellen Anwender gegeben ist, das Verfahren für die Annahme der betreffenden Norm transparent ist, keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm besteht und Dritten der Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen gewährt wird (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 280; vgl. auch: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage 2014, Rn 639). Letzteres gewährleisten die Standardisierungsorganisationen in der Regel durch die Einholung sogenannter FRAND-Erklärungen, mit der die am Standardisierungsprozess beteiligten Inhaber standardessentieller Patente ihre ernstgemeinte Absicht erklären, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen.

Die am GSM-Standard mitwirkenden Unternehmen haben für ihre standardessentiellen Patente gegenüber der ETSI FRAND-Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben. Der Standardisierungsvorgang als solcher begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken.

4.
Für die Frage, ob der Patentinhaber berechtigt ist, sein (standardessentielles) Patent gerichtlich durchzusetzen, ist Art. 101 AEUV ohne Belang. Denn insofern steht nicht der Vorgang der Standardisierung als solcher, sondern ein (späteres) einseitiges Verhalten des Patentinhabers – die Nichtaufnahme von Lizenzvertragsverhandlungen entsprechend seiner FRAND-Erklärung – im Streit. Soweit in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch ein solches Verhalten des Patentinhabers sei an Art. 101 AEUV zu messen (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 21.11.2014, Az.: 7 O 23/14; so wohl auch: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015, Az.: 2 O 108/14; S. Barthelmeß/N. Gauß, WuV 2010, 626; wohl auch: Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.) überzeugt dies nicht. Art. 101 AEUV verfolgt den Zweck, kartellrechtswidrige Vereinbarungen, d.h. ein wechselseitiges Zusammenwirken von zumindest zwei Parteien, zu unterbinden. Als Rechtsfolge sieht die Norm die Nichtigkeit entsprechender kartellrechtswidriger Vereinbarungen vor. Art. 101 AEUV (i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 GWB) regelt hingegen nicht, dass der Patentinhaber die Durchsetzung eines Patents zu unterlassen hat, solange er nicht entsprechend der FRAND-Erklärung verhandelt.

5.
Die FRAND-Erklärung selbst stellt die ernstgemeinte Erklärung dar, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und nicht diskriminierend) zu erteilen (invitatio ad offerendum). Sie ist deklaratorischer Natur und gibt Dritten damit keinen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (so auch schon: LG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 4b O 273/10). Die am Standardisierungsvorgang beteiligten Unternehmen geben die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung ab, um die kartellrechtliche Unbedenklichkeit der Standardabsprache sicherzustellen. Entsprechend ist ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sie sich soweit verpflichten wollen, wie dies aus kartellrechtlichen Gründen zwingend erforderlich ist. Hierfür ist weder ein bindendes Lizenzvertragsangebot seitens des Patentinhabers noch ein Verzicht auf die Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche gegenüber jedem Lizenzinteressenten erforderlich. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Es entspricht nicht dem Willen der Standardisierungsteilnehmer bzw. etwaiger Rechtsnachfolger, gegenüber jedem Dritten eine rechtliche Verpflichtung dergestalt einzugehen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unabhängig davon, ob das jeweilige in Rede stehende Patent seinem Inhaber überhaupt eine marktbeherrschende Stellung vermittelt und damit in kartellrechtlicher Hinsicht Bedeutung auf dem Markt erlangt hat. Vielmehr gibt der Patentinhaber mit seiner FRAND-Erklärung lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Diese Erklärung stellt damit die deklaratorische Konkretisierung des kraft Kartellrechts ohnehin bestehenden gesetzlichen Abschlusszwangs dar. Eigenständige rechtliche Bedeutung hat sie insoweit, als sie das Pflichtenprogramm des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des Art. 102 AEUV (§§ 19, 20 GWB) mit beeinflusst.

6.
Art. 102 AEUV verlangt neben der marktbeherrschenden Stellung des anspruchstellenden Unternehmens das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.

a)
Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aufgrund ihrer Rechtsposition am Klagepatent. Nicht jedes standardessentielle Patent vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht (vgl. das Urteil der Kammer vom 26.03.2015, Az.: 4b O 140/13; so auch Müller, GRUR 2012, 686). Die Berufung auf eine etwaige fehlende Marktmacht ist auch nicht etwa vor dem Hintergrund der abgegebenen FRAND-Erklärung treuwidrig. Denn mit dieser gibt der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Rahmen des Art. 102 AEUV ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.

Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).

Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „AstraZeneca“ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.

Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).

Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGHZ 160, 321-332 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).

Bei dem in Rede stehenden Verfahren zur Verbesserung des Weiterreichens zwischen unterschiedlichen Mobilfunkkommunikationssystemen handelt es sich um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Mobilfunkgerätes betrifft und dem Standard TS 145 008 ab der Version 5.2.22 unterfällt. Dieser sog. GSM-Standard beschreibt das Verfahren des digitalen Zellenkommunikationssystems (Digital cellular telecommunications system) und Funksubsystem-Verbindungssteuerungen (Radio subsystem link control). Es kann dahinstehen, ob tatsächlich jedes mobile Endgerät am Markt mit der streitgegenständlichen Technologie ausgestattet ist und es keine konkurrenzfähige Alternative am Markt gibt. In seinen Entscheidungen „Standard-Spundfaß“ (BGH, GRUR 2004, 967) und „Orange-Book-Standard“ (BGH, GRUR 2009, 694) ist der BGH zwar davon ausgegangen, dass es für die kartellrechtlich relevante Marktmacht darauf ankommt, ob ein konkretes, dem Standard bzw. der Norm entsprechendes Produkt substituierbar ist, d.h. ein nicht norm- bzw- standardgerechtes Produkt auf dem nachgelagerten Nachfragemarkt überhaupt absetzbar und damit wettbewerbsfähig wäre, auf solche Fälle der Marktzutrittsvoraussetzung eines SEP ist die Annahme einer marktbeherrschenden Bedeutung hingegen nicht beschränkt. Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die streitgegenständliche Technik ist sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Endkunden so wesentlich, dass ohne ihre Nutzung ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für mobile Endgeräte nicht möglich ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten.

b)
Bei der Frage, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen können, muss die Standardessentialität des geltend gemachten Patents Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sein, weil eben jene das Patent für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard entsprechen, unerlässlich macht. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents ist damit in der Lage zu verhindern, dass standardkonforme Produkte seiner Wettbewerber auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben. Hinzu kommt, dass der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – sich durch seine FRAND-Erklärung bereit erklärt hat, Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen zu erteilen. Hierin liegt der grundlegende Unterschied des Streitfalls zu dem Sachverhalt, über den der BGH in seiner Entscheidung „Orange-Book-Standard“ zu befinden hatte (NJW-RR 2009, 1047 ff.). Die dort aufgestellten hohen Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers lassen sich auf Konstellationen, in denen der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr hat der EuGH für einen solchen Fall in seinem Urteil vom 16.07.2015 folgende Grundsätze aufgestellt (GRUR 2015, 764 ff.):

aa)
Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, für das er gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, muss, damit eine Klage auf Unterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche muss er den angeblichen Verletzer zunächst einmal auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 61) und ihm, soweit der Verletzer zur Lizenznahme grundsätzlich bereit ist, ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des Patents zu FRAND-Bedingungen unterbreiten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 63). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 65). Nimmt der Verletzer das Angebot des Patentinhabers nicht an, muss er innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 66). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot ab, muss der Patentverletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 67).

Diese kartellrechtlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den Unterlassungsanspruch, sondern auch für den Rückrufanspruch und den Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände. Denn diese Ansprüche beinhalten im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes, mit dem das Patent verletzt wird, und können deshalb einen Marktausschluss bedeuten (vgl. hierzu etwa: Pressemitteilung der Kommission in Sachen Motorola vom 29.04.2014). Dies kann zu einer Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen führen, die der Lizenznehmer ohne die drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert hätte.

bb)
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2. sind diese Überlegungen nicht ohne weiteres auf den Schadensersatzanspruch zu übertragen. Ein Marktausschluss droht durch die Zuerkennung dieses Anspruchs nicht und auch sonst wird ein wirksamer Wettbewerb durch sie nicht verhindert. Eine Klage auf Schadensersatz für vergangene Benutzungshandlungen, die das standardessentielle Patent verletzen, ist lediglich darauf gerichtet, den SEP-Inhaber für bereits erfolgte Verletzungen seines Patents zu entschädigen. Sie führt weder zum Ausschluss standardkonformer Produkte vom Markt noch dazu, dass ein potentieller Lizenznehmer sich gezwungen sieht, ungünstigen Lizensierungsbedingungen für zukünftige Benutzungen eines SEP zuzustimmen.

Entsprechend hält auch der EuGH die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz grundsätzlich für nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 73-76). Der Verletzer eines standardessentiellen Patents ist – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

cc)
Im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach ist eine irgendwie geartete Beschränkung aus Gründen des Kartellrechts nicht geboten. Grundsätzlich stehen dem Patentinhaber für die konkrete Angabe der Höhe des Schadensersatzes gemäß § 139 Abs. 2 PatG drei Berechnungsarten zur Verfügung (vgl. hierzu auch: Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Auflage 2015, § 139 Rn 61). Gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 249 BGB i.V.m. § 252 BGB ist die Berechnung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns nach der Differenzlehre vorgesehen. Seit der Neufassung von § 139 Abs. 2 PatG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (Durchsetzungsgesetz), das am 1.9.2008 in Kraft getreten ist und mit dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt worden ist, werden der Verletzergewinn (§ 139 Abs. 2 S. 2 PatG) und die angemessene Lizenzgebühr (§ 139 Abs. 2 S. 3 PatG) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich im Patentgesetz erwähnt. Die drei Berechnungsarten – entgangener Gewinn, Lizenzanalogie oder Verletzergewinn – stehen nebeneinander. Der Verletzte hat ein Wahlrecht und muss sich für eine der drei Berechnungsarten entscheiden (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Pitz, Patentverletzungsverfahren, 2. Auflage 2010, Teil 4 I. 4. a)). Alle drei Berechnungsmethoden dienen der Berechnung desselben Schadens und stellen damit lediglich Rechenoptionen, nicht aber unterschiedliche Ansprüche dar (Melullis, GRUR Int. 2008, 679 ff.). Die Feststellung, dass ein bestimmter Verletzer dem Patentinhaber nach § 139 PatG Schadensersatz schuldet, die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruches also grundsätzlich gegeben sind, geht der Bestimmung der Höhe dieses Schadens vor. Die Zuerkennung nur einer bestimmten Berechnungsmethode – insbesondere der Lizenzanalogie – kommt nicht in Betracht. Soweit – wie im vorliegenden Fall – lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt ist, entscheidet das Gericht ausschließlich über den Grund des Anspruchs.

Die Höhe des konkreten Schadens hat auf die Frage der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach lediglich dann Einfluss, wenn die Möglichkeit besteht, dass der dem Patentinhaber entstandene Schaden mit Null zu bemessen ist (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff – Standard-Spundfass). Eine solche Freilizenz kommt vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Dass eine solche von der Klägerin geschuldet würde, wird auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.

dd)
Andernfalls kommt lediglich eine Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung auf einen bestimmten Höchstbetrag in Betracht, die allerdings erst im Rahmen des ggf. sich anschließenden Höheverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: Obergericht für Geistiges Eigentum, Japan, GRUR Int. 2015, 144 ff. – Apple v. F II, mit etwas anderem Ansatz).

Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages begründen kann (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2007, 181 – Orange Book). Dieser kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzierung dient der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen. Die Weigerung des Patentinhabers, dem berechtigten Verlangen des Patentverletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, kann kartellrechtswidrig sein und einen eigenen Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber begründen (§ 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber kann in einem solchen Fall für die Zeit nach seiner rechtswidrigen Weigerung keinen vollen Schadensersatz verlangen, sondern ist der Höhe nach beschränkt auf den Betrag einer angemessenen Lizenzgebühr (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass).

Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Patentinhaber für das in Rede stehende standardessentielle Patent eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Insbesondere hat die FRAND-Erklärung nicht die Wirkung, dass der Schadensersatzanspruch von vornherein auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt ist. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn man der FRAND-Erklärung konstitutive Wirkung in dem Sinne beimessen wollte, dass sie jedem Marktteilnehmer einen eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen vermittelt. Dieser Auffassung folgt die Kammer hingegen nicht (s.o.). Vielmehr kann der dem Grunde nach zunächst in voller Höhe bestehende Schadensersatzanspruch des Patentinhabers wegen Patentverletzung nur durch einen Gegenanspruch des Verletzers eingeschränkt werden, § 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB. Die Voraussetzungen eines solchen Gegenanspruchs sind vom Verletzer darzulegen und zu beweisen.

Nachdem Art. 102 AEUV ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers voraussetzt, ist vorrangig auf dessen Verhalten abzustellen, wobei dieses üblicherweise im Wechselspiel mit dem Verhalten des Patentbenutzers zu bewerten ist. Unter welchen Voraussetzungen dem Patentinhaber im Einzelnen bei der Geltendmachung eines Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruchs ein Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist vom EuGH in seinem Urteil vom 16.07.2015 (GRUR 2015, 764 ff.) nicht entschieden worden. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich ausdrücklich nur auf die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sowie der in ihren Wirkungen auf den betroffenen Markt vergleichbaren Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 ff.). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung auf den Markt weitaus geringer. Allein der Umstand, dass die zu leistende Auskunft und Rechnungslegung für den Verletzer ggf. mit hohem Aufwand verbunden ist und/oder seine Geheimhaltungsinteressen berührt, rechtfertigt es nicht, für die Geltendmachung dieser Ansprüche die Anforderungen an die Pflichten des Patentinhabers im Rahmen des Art. 102 AEUV genauso hoch anzusetzen wie bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.

Vielmehr ist mit dem EuGH im Grundsatz davon auszugehen, dass der Verletzer eines standardessentiellen Patents – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet ist, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf (vollen) Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Erst wenn der Patentinhaber sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, verhält er sich missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 53) und der Verletzer schuldet in der Folge nur noch Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.

Soweit der EuGH vom Patentinhaber für den Fall einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und/oder Vernichtung verlangt, dass er den Verletzer vor der Klageerhebung auf die Verletzung hinweist und ihm, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 61-63), beruht dies unter unterem auf der Erwägung, dass mit der Zuerkennung der vorgenannten Ansprüche des Patentinhabers der Marktausschluss des Verletzers mit seinem standardkonformen Produkt mit den damit verbundenen einschneidenden Folgen für den Produktmarkt droht (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 52). Diese Erwägung ist auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nicht übertragbar. Erhebt der Patentinhaber eine Klage zur Geltendmachung dieser Ansprüche, ohne den Verletzer zuvor auf die Verletzung hingewiesen und, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet zu haben, begründet allein dies noch keinen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV. Hinzukommen muss vielmehr ein erkennbar nach außen zutage getretener Wille des Verletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages, dem der Patentinhaber sich treuwidrig verweigert.

ee)
Liegen nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe einer FRAND-Gebühr vor, führt dies in der Folge zu einer inhaltlichen Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches. Denn letzterer hat seinem Zweck nach dem Umfang des Schadensersatzanspruches zu folgen (vgl. hierzu: Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Auflage, § 139 Rn 148).

Die der Vorbereitung des Schadensersatzanspruches dienende Auskunft und Rechnungslegung muss zwar grundsätzlich alle Angaben enthalten, die der Verletzte benötigt, um eine der ihm offen stehenden drei Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn oder entgangener Gewinn) auszuwählen und auf dieser Grundlage die Schadenshöhe zu beziffern (BGH, GRUR 1962, 354, 356 – Furniergitter; BGH, GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, § 139 Rn 236), jedoch unterstehen Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies erfordert eine Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls (BGH, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer). In diesem Sinne mag auch die Äußerung des Generalanwalts Wathelet zu verstehen sein, der in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hat, dass das Gericht über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wachen habe (Schlussanträge des Generalanwaltes F1 vom 20.11.2014 in der Rechtssache C-170/13, dort Ziffer 101).

Dabei ist auf Seiten des Patentinhabers die Bedeutung der verlangten Auskunft für die Darlegung der für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs wesentlichen Umstände in die Abwägung einzustellen; auf Seiten des Verletzers kann insbesondere ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse Bedeutung erlangen (BGH, GRUR 2007, 532 ff. – Meistbegünstigungsvereinbarung). Demgegenüber rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Arbeitsaufwandes bei verschiedenen Schadensberechnungsarten es in aller Regel nicht, den Patentinhaber auf eine für den Verletzer weniger aufwändige Berechnungsart zu verweisen (BGH, GRUR 1982, 723 ff. – Dampffrisierstab).

Liegen die Umstände des Einzelfalls so, dass der Patentinhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte.

Allerdings ist von der Beklagten zu 2. nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Voraussetzungen für einen kartellrechtlichen Anspruch auf Lizensierung zu FRAND-Bedingungen gegeben sind und der Schadensersatzanspruch der Klägerin damit von vornherein auf die Höhe einer FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre. Soweit die Beklagte zu 2. vorträgt, es habe mehrfach Treffen mit der Klägerin gegeben, im Rahmen derer ernsthafte Lizenzvertragsverhandlungen geführt worden seien, bleiben Zeitpunkte, Orte und Inhalte entsprechender Gespräche im Dunkeln. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Bedingungen an. Soweit die Beklagte zu 2. diesbezüglich bemängelt, dass ihre Sonderposition als frühere Lizenznehmerin an den A-Patenten nicht hinreichend berücksichtigt werde, ist dieser Einwand ohne Belang. Denn aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 2. in der Vergangenheit eine Lizenz am Klagepatent (als Teil eines Portfolios) hatte, ergibt sich keine Sonderposition, die es rechtfertigen würde, die Beklagte zu 2. gegenüber anderen Lizenznehmern besser zu stellen. Ebenso wenig ist die Klägerin verpflichtet, die bisherige Lizensierungspraxis von A fortzuführen (s.o.). Warum das Angebot der Klägerin im Übrigen nicht FRAND sein sollte, erläutert die Beklagte zu 2. nicht. Ebenso fehlt es an Ausführungen zum Inhalt und Zeitpunkt des von ihr angeblich abgegebenen Gegenangebotes. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen treuwidrig verweigert und damit ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht hat.

VIII.
Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung in dem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren ist vorliegend nicht veranlasst. Die technische Lehre des in diesem Verfahren geltend gemachten Patentanspruchs stellt sich gegenüber dem Stand der Technik als neu dar, auch dringen die Einwände mangelnder Erfindungshöhe beziehungsweise mangelnder Ausführbarkeit nicht durch.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits steht dabei im Ermessen des Gerichts, wobei dieses summarisch die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage überprüft. Aufgrund der Tatsache, dass die Aussetzung für die Klägerin wegen der langen Verfahrensdauer von Nichtigkeitsklagen einen erheblichen Einschnitt in ihre Rechte bedeutet und außerdem ein Missbrauch vermieden werden soll, kommt eine Aussetzung in der Regel nur dann in Betracht, wenn es hinreichend wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund der Nichtigkeitsklage vernichtet wird (vgl. BGH, GRUR 2014, 1237). Vor allem kommt eine Aussetzung zumeist dann nicht in Betracht, wenn der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren berücksichtigt worden ist (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl. 2014, Rn. 1858).

1.
Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.

a)
Der Standard GSM 05.08 V8.1.0 steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.

Zumindest die Merkmale 3 und 4.3 des Klagepatentanspruchs 9 werden nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Denn die Entgegenhaltung sieht keinen Vergleich mit einem vorbestimmten Schwellenmesswert vor.

Nach Ziffer 8.4.3. der Entgegenhaltung werden die sechs besten Zellen ermittelt und berichtet. Dies setzt einen Vergleich der Messwerte untereinander voraus. Insofern kann der siebtgrößte Messwert indes nicht als vorbestimmter Schwellenmesswert im Sinne des Klagepatents angesehen werden. So unterscheidet das Klagepatent im Rahmen der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels (vgl. Anlage EIP C1a, Absatz [0016]) ausdrücklich zwischen einem Vergleich mit Messwerten untereinander und einem Vergleich mit einem zuvor absolut festgelegten Schwellenwert. Bei dem Vergleich von Messwerten untereinander steht der Vergleichswert jedoch gerade nicht fest, vielmehr ist er davon abhängig, welche Zellen zu diesem Zeitpunkt gemessen werden. Damit handelt es sich nicht um einen vorbestimmten Schwellenmesswert.

b)
Auch unter Berücksichtigung der US 5,659,598 B1 ergibt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass das Klagepatent vernichtet werden wird. Denn das Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 9 wird nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Die Entgegenhaltung verhält sich nicht dazu, dass ein Vergleich der umgewandelten Messwerte mit einem vorbestimmten Schwellenmesswert erfolgt. Soweit die Beklagte zu 2. in diesem Zusammenhang einwenden, der Fachmann entnehme der Druckschrift, dass nur die besten umgewandelten Downlink-Messwerte, also die, die über einem Schwellenmesswert liegen, berichtet werden sollen, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn dies erschließt sich dem Fachmann nicht ohne weiteres aus der Entgegenhaltung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es anerkannt, dass dasjenige, das aus der Sicht des Fachmanns nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist, keiner besonderen Offenbarung bedarf (BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung; BGH, GRUR 2009, 382 -Olanzapin). Dabei muss dies für den Fachmann derart naheliegen, dass es sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließt, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung).

Aus der in Bezug genommenen Entgegenhaltung erschließt sich für den Fachmann nicht ohne weiteres, dass gerade die umgewandelten Downlink-Messwerte mit einem Schwellenmesswert verglichen werden sollen. Es ist vielmehr auch möglich, dass der Fachmann einen Vergleich mit nicht umgewandelten Messwerten in Betracht zieht. Auch ist ein relativer Vergleich der Messwerte untereinander – ohne vorbestimmten Schwellenwert – möglich.

c)
Eine Aussetzung ist auch nicht aufgrund der G1 geboten. Denn im Hinblick auf diese Entgegenhaltung fehlt es an einer Offenbarung der Merkmale 2 und 3 des Klagepatentanspruchs 9. Denn ihr ist nicht zu entnehmen, dass die UMTS-Messwerte gemäß der Lehre des Klagepatents in Messwerte für das GSM-System umgewandelt werden. Auch wird nicht offenbart, dass die UMTS-Messwerte nach ihrer Umwandlung in GSM-Messwerte mit einem Schwellenmesswert verglichen werden.

Soweit insofern eingewandt wird, eine Umwandlung der UMTS Downlink-Messwerte folge aus den Abschnitten 2.5 und 3. der Entgegenhaltung, wonach die vorgeschlagene Lösung möglichst geringe Auswirkungen auf das existierende GSM-Netzwerk haben soll und die Nachricht an die BS einfach in zwei Teile aufgespalten werden soll und auf dem SACCH gesendet werden könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Den zitierten Textstellen ist zwar eine Aufbereitung der originären UMTS-Messwerte dahingehend zu entnehmen, dass diese auch auf dem SACCH an die GSM-BS berichtet werden können, dass hierdurch aber auch eine qualitative Vergleichbarkeit mit den Messwerten des GSM-Kommunikationssystems erreicht wird, ist der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, aus dem Abschnitt 3 ergibt sich, dass die Rangfolge der Messergebnisse von der UE festgelegt werden soll, aber kein direkter Vergleich der GSM- und UMTS-Messwerte erfolgen soll. Die Messergebnisse werden durchweg getrennt behandelt.

Darüber hinaus fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals 3 des Klagepatentanspruchs 9. Die Entgegenhaltung offenbart zwar in Abschnitt 2.1, dass der Messbefehl auch Schwellenwerte für die Messung von UMTS-Zellen und zum Auslösen der Messberichterstattung („triggering the UMTS measurement reporting“) enthalten kann. Dass aber auch ein Vergleich von umgewandelten Messwerten mit dem Schwellenmesswert stattfinden soll, um zu entscheiden, ob Messwerte in den Messbericht aufgenommen werden, lässt sich der Druckschrift nicht entnehmen.

d)
Eine Aussetzung aufgrund mangelnder Neuheit der patentgemäßen Erfindung gegenüber der G1 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn auch bezüglich dieser Entgegenhaltung wird das Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 9 nicht hinreichend offenbart.

Ein Vergleich mit einem Schwellenmesswert findet nach der Entgegenhaltung nicht statt. Auch ergibt sich aus dieser nicht, dass der umgewandelte Messwert Gegenstand des Vergleichs ist. Auf Seite 2 der Entgegenhaltung wird insoweit vielmehr lediglich dargestellt, dass die Downlink-Messwerte miteinander verglichen werden, um die zwei besten Zellen für das nachfolgende Berichten an die Basisstation zu ermitteln. Diesbezüglich wird ergänzend auf die Ausführungen zu der Entgegenhaltung GSM 05.08 V8.1.0 verwiesen.

e)
Die Druckschrift G1 steht dem Klagepatentanspruch 9 ebenfalls nicht neuheitsschädlich entgegen.
Zumindest das Merkmal 2 wird nicht unmittelbar und eindeutig durch die Entgegenhaltung offenbart. Die Entgegenhaltung sieht zwar in Ziffer 2.4 Abschnitt 2 ein Mapping der Messwerte vor, dass hierdurch aber auch eine qualitative Vergleichbarkeit zwischen UMTS- und GSM-Messwerten erreicht wird, ist indes nicht offenbart.

f)
Auch die US 5,978,679 lässt nicht den Schluss zu, das Klagepatent werde mit hinreichender Sicherheit vernichtet. Denn jedenfalls die Merkmale 2 und 3 werden nicht unmittelbar und eindeutig durch die Entgegenhaltung offenbart.

Die Entgegenhaltung offenbart nicht, dass Downlink-Messwerte der Pilotbarken in Downlink-Messwerte des GSM-Systems umgewandelt werden. Soweit die Entgegenhaltung in Spalte 7, Zeilen 16-20 auf die US 5,267,261 verweist, aus welcher in Spalte 24 Zeilen 28-39 folgt, dass jeder Pilotstärkenmesswert in ganzzahligen Werten von 0 bis 63 berichtet werden soll, folgt hieraus nicht, dass hierdurch auch eine qualitative Vergleichbarkeit mit den Messwerten des GSM-Kommunikationssystems erreicht wird.

In der in der Druckschrift offenbarten Lehre wird überdies nicht offenbart, dass ein Mittel zum Vergleichen der umgewandelten Vielzahl von Downlink-Messwerten mit einem Schwellenmesswert vorgesehen ist. Zwar ist der Entgegenhaltung in Spalte 8 Zeilen 32-36 zu entnehmen, dass es nur dann zu einem Senden von Messwerten kommen soll, wenn der Parameter T_ADD überschritten wird, dass der Vergleich mit diesem Schwellenwert anhand der zuvor umgewandelten Werte stattfinden soll, folgt aus der Druckschrift nicht. Danach ist es vielmehr auch möglich, dass ein Vergleich mit den Ursprungswerten stattfindet.

g)
Eine Aussetzung ist schlussendlich auch nicht aufgrund der TR 101 176 v. 1.1.1. (Anlage ROKH C9, C9a) geboten. Denn jedenfalls die Merkmale 3 und 4.3 werden nicht unmittelbar und eindeutig von der Entgegenhaltung offenbart. Die Entgegenhaltung sieht keinen Vergleich von umgewandelten Downlink-Messwerten eines ersten Kommunikationssystems mit einem vorbestimmten Schwellenmesswert vor.

Nach Abschnitt A.3.1.2 der Entgegenhaltung basiert die Entscheidung, den Handover durchzuführen auf einem Vergleich der DECT- und GSM-Verbindungen. Ein vorbestimmter Schwellenmesswert im Sinne des Klagepatents wird damit nicht offenbart. Bei einem Vergleich von Messwerten untereinander steht der Vergleichswert nämlich gerade nicht fest, sondern ist davon abhängig, welche Zellen zu diesem Zeitpunkt gemessen werden.

Der zitierten Textstelle der Entgegenhaltung ist darüber hinaus auch nicht zu entnehmen, dass der Vergleich anhand der umgewandelten Messwerte erfolgen soll.

2.
Die Lehre des Klagepatents ist auch erfinderisch.

Eine Aussetzung scheidet auch unter Berücksichtigung der Tdoc SMG2 1145/99 sowie der Tdoc SNG“ 1273/99 aus. Denn auch auf der Grundlage dieser Entgegenhaltungen ergibt sich nicht, dass die Erfindung des Klagepatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik folgt. Keine der genannten Druckschriften weist das Merkmal in Bezug auf einen Vergleich der umgewandelten Messwerte mit einem Schwellenmesswert auf. Eine mögliche Kombination dieser Dokumente würde es somit nicht ermöglichen, zu der beanspruchten Lösung zu gelangen.

3.
Die weiteren im Nichtigkeitsverfahren diskutierten Druckschriften vermögen ebenfalls keine Aussetzung zu rechtfertigen. Die Parteien haben sie daher im hiesigen Verfahren zu Recht nicht weiter diskutiert.

4.
Die Erfindung ist ausführbar im Sinne des § 34 Abs. 4 PatG.

Danach ist die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Eine Erfindung ist somit ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen, wobei die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein muss, sondern es ausreicht, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl. 2014, § 34 Rn. 338, 349, 350). Nach ständiger Rechtsprechung müssen die insoweit erforderlichen Angaben nicht im Patentanspruch selbst enthalten sein, sondern es ist ausreichend, dass sich diese aus der Patentschrift insgesamt ergeben (vgl. BPatG, Beschluss vom 25.07.2005 – 21 W (pat) 20/03). Eine generalisierende Formulierung in einem Patentanspruch verstößt dann gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebenen Lösung hinaus verallgemeinert (vgl. BGH GRUR 2010, 414 – Thermoplastische Zusammensetzung; GRUR 2013, 272 – Neurale Vorläuferzellen II). Die Erfindung ist aber grundsätzlich bereits dann ausreichend offenbart, wenn sie dem Fachmann mindestens einen Weg zu ihrer Ausführung eindeutig aufzeigt. Das Gebot der deutlichen und vollständigen Offenbarung erfordert es dagegen nicht, dass die Beschreibung Hinweise darauf enthält, wie alle denkbaren Varianten der Komponenten, die unter die funktionelle Definition fallen, zu erzielen sind (vgl. BGH GRUR 2013, 1210 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Erfindung als ausreichend offenbart und damit ausführbar anzusehen. Denn in der Beschreibung des Streitpatents ist die Umwandlung von UMTS-Messwerten zu GSM-Werten ausreichend offenbart. Der Beschreibung der Ausführungsbeispiele ist zu entnehmen, dass die UMTS-Messwerte in ein GSM-Messformat umgewandelt werden sollen. Dabei sollen entweder Ec/lo oder RSCP-Messwerte in ein passendes GSM-Messformat umgewandelt werden (vgl. Anlage EIP C1a, Absätze [0014] und [0017]). Beispielhaft verweist das Klagepatent darauf, dass die UMTS RSCP-Messinformation unter Verwendung der Gleichung:

RXLEV = RSCP + Offset (RSCP),

in eine passende GSM-Signalstärkemessinformation (RXLEV) umgewandelt werden kann. Damit wird dem Fachmann zumindest eine Möglichkeit der Ausführung der klagepatentgemäßen Lehre offenbart. Diese entspricht wie vorstehend ausgeführt auch der Lösung, die der streitgegenständliche GSM-Standard gewählt hat. Dem Fachmann wird es aufgrund einer überschaubaren Anzahl von Versuchen möglich sein, einen OFFSET zu ermitteln, um den sich die physikalischen Signaleigenschaften von Zellen verschiedener Kommunikationssysteme unterscheiden, so dass die verschiedenen Messwerte durch die Addition dieses OFFSETs vergleichbar werden.

IX.
Dem Antrag der Beklagten zu 2. auf Vorlage des MSA war nicht zu entsprechen.

1.
Soweit die Beklagte zu 2. die Vorlage des MSA gemäß § 142 ZPO beantragt, hat sie hiermit keinen Erfolg.

Nach § 142 Absatz 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Dabei muss sich die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung aus schlüssigem Parteivortrag ergeben. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dazu dient, für die vom Gericht begehrte Entscheidung relevante Umstände zu erhellen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 7; BGH, NJW 2014, 3312). Dabei sind im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung insbesondere auch berechtigte Belange des Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 8; BGH, NJW 2007, 2989).

Vor diesem Hintergrund kommt die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA nicht in Betracht. Die Kammer vermag anhand des Vortrags der Beklagten nicht zu erkennen, dass die Vorlage des gesamten MSA – über die bereits zur Akte gereichten Auszüge hinaus – für die Entscheidung von Relevanz ist. Demgegenüber würde die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA dazu führen, dass Inhalte, die bisher nicht über einen eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und die auch nicht öffentlich verbreitet werden sollen, Dritten bekannt werden würden. Die Vorlage des gesamten MSA würde damit schutzwürdige Interessen der Klägerin und/oder der Streithelferin verletzen. Unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien hat die Kammer von einer Anordnung der Vorlage des gesamten MSA abgesehen.

Sofern der Antrag der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er sich auf die Vorlage des gesamten Closing binders bezieht, gilt das zuvor Gesagte erst recht.

2.
Auch eine Vorlagepflicht nach § 423 ZPO besteht nicht.

Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlage der in seinen Händen befindlichen Unterlagen verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat. Ausreichend ist jede Bezugnahme zu Aufklärungszwecken (vgl. Zöller, a.a.O., § 423 Rn. 1). Es genügt aber nicht, wenn der Gegner auf den Urkundeninhalt lediglich zur Ergänzung oder Erläuterung seines Tatsachenvortrags hingewiesen hat (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 423 Rn. 1).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auf den Closing Binder lediglich Bezug genommen, um die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen darzulegen. Eine inhaltliche Bezugnahme dergestalt, dass der Closing Binder zur Aufklärung strittiger Punkte beitragen würde, erfolgte nicht.

X.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
ursprünglich: 2.000.000,00 EUR
ab dem 23.05.2014 (Teilklagerücknahme): 1.600.000,00 EUR
ab dem 11.06.2015 (Klagerücknahme ggü. Beklagte zu 1.) 800.000,00 EUR
ab dem 27.11.2015 (Teilklagerücknahme für Zeit bis 31.03.2011): 500.000,00 EUR