4a O 12/15 – Lithiumsilicatmaterials

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2505

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 31. Mai 2016, Az. 4a O 12/15

I. Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

1. ein Lithiumsilicatmaterial in Form eines Lithiumsilicatrohlings, der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem:

(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,

(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,

(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und

(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase zu erhalten,

in der Bundesrepublik Deutschland sinnfällig zur Herstellung einer dentalen Restauration herzurichten, bei der der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bilden, und/oder ein derart sinnfällig hergerichtetes Lithiumsilicatmaterial in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer l. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2013 begangen hat, und unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen – im Hinblick auf die Angaben nach lit. b) und lit. c) unter Vorlage von Belegen (in Kopie), nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen –, unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Domain, der Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagnen,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben zu lit. f) nur für die Zeit seit dem 09.02.2014 zu machen sind;

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

– wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, bei der Belegvorlage geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten zu schwärzen;

3. die vorstehend zu Ziffer l. 1. bezeichneten, seit dem 09.01.2014 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 103 36 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;

4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/ oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer l. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 08.02.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 09.02.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00. Daneben ist das Urteil hinsichtlich der Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I. 2. des Tenors) auch gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00; weiterhin ist der Kostenpunkt gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


T a t b e s t a n d

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Deutschen Patents DE 103 36 XXX (im folgenden: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen und Vernichtung patentverletzender Gegenstände sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, eine angemessene Entschädigung zu zahlen und Schadensersatz zu leisten, in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 07.08.2003 angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 17.03.2005. Die Erteilung des Klagepatents wurde in seiner ursprünglichen Fassung am 09.01.2014 veröffentlicht.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials“ Der Hauptanspruch des Klagepatents ist in seiner ursprünglichen Fassung wie folgt gefasst:

„Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials

in Form eines Lithiumsilicatrohlings,

der Lithiumsilicat als eine Hauptkristallphase enthält,

zur Herstellung einer dentalen Restauration.“

Wegen der lediglich in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten, abhängigen Unteransprüche des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift in ihrer ursprünglichen Fassung (Anlage rop A1) Bezug genommen.

Das Klagepatent steht in Kraft. Auf einen von der Beklagten am 08.04.2014 gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch hielt die Einspruchsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes (im Folgenden DPMA) das Patent auf einen Hilfsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 04.11.2015, Az.: 103 62 913.9, (Anlage rop A 18) eingeschränkt aufrecht. Die Einspruchsabteilung erachtete es als erforderlich, dass nur solche Lithiumsilicatrohlinge der technischen Lehre unterfallen, die in einem bestimmten Verfahren (und zwar dem im Folgenden mit den Verfahrensschritten (a) – (d) beschriebenen Verfahren), herstellbar sind (vgl. Seite 7 des Beschlusses vom 04.11.2015, Anlage rop A 18). Unter dem Aspekt der fehlenden Neuheit im Verhältnis zu der Entgegenhaltung DE 197 50 XXX A1 (Anlage B 9; D1 im Einspruchsverfahren; im Folgenden: DE ‘XXX) erachtete die Einspruchsabteilung den Zusatz „aber kein La2O3“ in dem Verfahrensschritt (a) für notwendig (vgl. Seite 9, 1. Abs. des Beschlusses v. 04.11.2015, Anlage rop A 18). In diesem Zusammenhang erklärte die Klägerin, dass die technische Lehre des Klagepatents Lanthanoxid (La2O3) nicht benötige, weshalb darauf verzichtet werden könnte und formulierte einen Hilfsantrag, der den Passus „aber kein La2O3“ enthielt. Vor diesem Hintergrund gaben die Parteien in der Anhörung am 04.11.2015 zu Protokoll (Anlage B 21):

„Die Patentinhaberin führt aus, dass gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2c vom 04.11.2015 die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthält und daraus folgt, dass der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält.
Dieser Formulierung wird von beiden Seiten zugestimmt.“

Die aufrechterhaltene Fassung des Hauptanspruchs 1 lautet wie folgt (im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgenommene Änderungen werden in Form von Unter-/ Durchstreichungen verdeutlicht):

„Verwendung eines Lithiumsiliatmaterials

in Form eines Lithiumsilicatrohlings,

der Lithiumsilicat als eine Hauptkristallphase enthält,

zur Herstellung einer dentalen Restauration,

wobei der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bilden, und wobei

der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem:

(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,

(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,

(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind,

(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten.“

Wegen der Änderung der Unteransprüche wird auf die Niederschrift über die öffentliche Anhörung im Einspruchsverfahren (Anlage rop A 17) Bezug genommen, die die geänderte Patentschrift als Anlage enthält.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte erhoben gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des DPMA Beschwerde. Wegen des Beschwerdevorbringens wird auf die jeweiligen Beschwerdeschriftsätze (Anlagen B 18 und B 19) Bezug genommen. Eine Entscheidung über die Beschwerden steht noch aus.

Die Beklagte stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Produkte für Zahnärzte und -techniker, unter anderem das Produkt „A“, wobei es sich um einen Lithiumsilicat-Glaskeramik-Rohling zur Herstellung dentaler Restaurationen (insbesondere Inlays, Onlays, Teilkronen, Veneers, Kronen im Front- und Seitenzahnbereich sowie Einzelzahnversorgungen im Front- und Seitenzahnbereich auf Implantat-Abutments) handelt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform ist in insgesamt acht verschiedenen Farben und jeweils zwei verschiedenen Transluzenzstufen (T = Translucent und HT= High Translucent) erhältlich. In Abhängigkeit zur Farb-Transluzenz-Kombination werden die Produkte wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich bezeichnet:

Die Bestellung der angegriffenen Ausführungsform kann über den Webshop der Beklagten unter der Adresse https://B.com erfolgen (vgl. Screenshot, Anlage rop A12). Weiter können dort auch die zur computergesteuerten Bearbeitung der angegriffenen Ausführungsform hin zur dentalen Restauration erforderlichen CAD/CAM-Materialien erworben werden (vgl. Screenshot, Anlage rop A 13).

Die chemische Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform ist wie folgt:
Daneben enthalten sowohl das Ausgangsmaterial der angegriffenen Ausführungsform als auch die angegriffene Ausführungsform selbst Lanthanoxid (La2O3). Dieses ist in Form von Verunreinigungen in dem Ausgangsmaterial CeO2 mit einem Anteil von < 0,05 Gew.-% enthalten, was zu einer Menge von Lanthanoxid in der angegriffenen Ausführungsform mit einem Anteil von < 0,001 Gew.-% führt.

Die Herstellung des Lithiumsilicatkeramik-Rohlings vollzieht sich in zwei Stufen. Nach der ersten Stufe, der sog. Formgebung, wird der Block, der im Glaszustand vorliegt, thermisch behandelt (zweite Stufe), so dass eine Keimbildung ermöglicht wird. Nach der initialen Keimbildung entstehen erste Kristalle, die zunehmend wachsen, so dass das Glas keramische Eigenschaften erhält. Die dritte Stufe wird bei dem Anwender nach Herstellung der dentalen Restauration durch diesen vollzogen, indem der Block durch eine finale Kristallisation in einer dentalen Brenneinheit seine endgültigen ästhetischen und physikalischen Eigenschaften erhält. Diese letzte Wärmebehandlung erfolgt bei einer Temperatur von 700° bis 950° Grad über eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. Die drei beschriebenen Stufen lassen sich in einem schematischen Temperatur-/ Zeitverlauf wie folgt darstellen:
Aus dem nach Durchführung der zweiten Stufe vorliegenden Block wird mittels computergesteuerter maschineller Bearbeitung durch Schleifen in einer CAM-Einheit die Restauration herausgearbeitet. Die Blöcke sehen zur Herstellung einer dentalen Restauration durch maschinelle Bearbeitung eine Halterung vor, mittels derer sie in einer Bearbeitungsmaschine befestigt werden können. Wegen des genauen Bearbeitungsprozesses von dem Block hin zu der Restauration wird auf Verarbeitungsanleitung (Anlage rop A 7) Bezug genommen, die die Beklagte auf ihrer Internetseite mit der Adresse http://www.C.com zum Download bereithält, sowie auf die Kurzanleitung, die der angegriffenen Ausführungsform beigefügt ist (Anlage rop A 10), verwiesen.

Die Klägerin, die der Auffassung ist, die Beklagte mache von der geschützten Lehre wortsinngemäß Gebrauch, behauptet unter Bezugnahme auf in ihrem Auftrag durchgeführte Untersuchungen unterschiedlicher Chargen der angegriffenen Ausführungsform würden stets einen Gehalt von Lithiummetasilicat, der jedenfalls über 20 Vol.-% liege, zeigen.

Die im Rahmen des Einspruchsverfahrens abgeänderte Fassung des Anspruchs 1, wonach kein Lanthanoxid enthalten sein dürfe, sei so zu verstehen, dass La2O3 nicht in einer Menge enthalten sein dürfe, die eine technische Wirkung hinsichtlich der visuell wahrnehmbaren Farbe erziele. Unschädlich sei hingegen, wenn Lanthanoxid als Folge der üblichen Unreinheit von Stoffen in einer gewissen Menge als Nebenbestandteil in dem Ausgangsmaterial enthalten sei. Spurenmengen von < 0,001 Gew.-% seien ungeeignet, einen Effekt auf die visuell wahrnehmbare Farbe des dentalen Produkts auszuüben. Lanthanoxid dürfe patentgemäß nicht absichtlich zum Ausgangsglas hinzugefügt werden. Der bei der angegriffenen Ausführungsform gemessene Anteil von Lanthanoxid beruhe nur auf Verunreinigungen und sei ohne technischen Effekt.

Die Klägerin hat zunächst die im Folgenden genannten Anträge Ziff. I. 2. – II. sowie den nunmehr lediglich noch als Hilfsantrag gestellten Antrag Ziff. I. 1b geltend gemacht. Nach der Einspruchsentscheidung des DPMA vom 04.11.2015 hat die Klägerin ihre Klage dahingehend geändert, dass sie ihr Klagebegehren in der Hauptsache auf die beschränkt aufrecht erhaltene Anspruchsfassung und lediglich hilfsweise auf die ursprüngliche Anspruchsfassung stützt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

Ziff. I. 1a – II. wie erkannt;

I. 1b. hilfsweise,

ein Lithiumsilicatmaterial in Form eines Lithiumsilicatrohlings, der Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration in der Bundesrepublik Deutschland sinnfällig herzurichten und/ oder ein derart sinnfällig hergerichtetes Lithiumsilicatrnaterial in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

Hinsichtlich der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.02.2016 Bezug genommen (Bl. 161 ff. GA).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:

den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 04.11.2015 eingelegten Beschwerden auszusetzen;

weiter hilfsweise:

I. der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

II. der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte, die der Klageänderung widerspricht, hält diese für unzulässig.

Der auf der Grundlage der geänderten Anspruchsfassung in dem Einspruchsverfahren gestellte Antrag sei auch im Übrigen unzulässig. Denn die Klägerin habe durch Verschieben von Merkmalen Änderungen an dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenden Anspruch vorgenommen, die so durch den Beschluss vom 04.11.2015 nicht gedeckt seien. Das neu aufgenommene Merkmal AH2.2 (bzw. 1.2.2 in der Systematik der Beklagten)

„der durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bilden“

gehöre nicht zur Verwendungsbestimmung, sondern zu den räumlich-körperlichen Merkmalen des beanspruchten Rohlings.

Selbst wenn dies die Zulässigkeit des Klageantrags nicht berühre, so werde durch die aktuelle Fassung eine dritte Version eines Patentanspruchs geltend gemacht, die weder der erteilten noch der aufrechterhaltenen Fassung entspreche, und deren Rechtsbestand nicht gesichert sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletzte die patentgemäße Lehre weder in der Ursprungsfassung noch in der Fassung, die sie durch das Einspruchsverfahren erhalten habe.

Das Ausgangsglas, aus dem die Schmelze hergestellt wird, müsse – entsprechend der Patentbeschreibung – die Komponenten (SiO2, Li2O, K2O, Al2O3) und das Keimbildungsmittel P2O5 in einer konkreten, nämlich der im Folgenden dargestellten, Zusammensetzung aufweisen:

Der Fachmann verstehe das Merkmal „kein Lanthanoxid“ so, dass Lanthanoxid allenfalls in einem technisch unvermeidbaren Umfang in einer patentgemäßen Ausführungsform enthalten sein dürfe. Bei Seltenen Erden (wie Ceroxid) sei eine Reinheit von 6N (entspricht einer Verunreinigung von 0,0001 %) ohne weiteres kommerziell erhältlich. Technisch erzielbar sei sogar eine Reinheit von 8N. Auf eine hieraus resultierende, unvermeidbare Verunreinigung mit Lanthanoxid sei das Klagepatent mit dem Merkmal „kein Lanthanoxid“ beschränkt. Bei der angegriffenen Ausführungsform liege bei Zugrundelegung der Werte der Klägerin der Lanthanoxidanteil um den Faktor 270 höher als bei Verwendung von Ceroxid mit einer Reinheit von 6N.

Weiterhin könne der Fachmann aus der Klagepatentschrift (in der geänderten Fassung) nicht erkennen, ab wann Lanthanoxid kein technischer Effekt zukomme, wobei er aufgrund des ihm bekannten Stands der Technik wisse, dass auch bereits geringe Mengen von Lanthanoxid eine technische Wirkung erzielen können.

Es verstoße weiter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, dass die Klägerin geltend macht, der Passus des Patentanspruchs, wonach „kein Lanthanoxid“ eingesetzt werden dürfe, sei dahingehend zu verstehen, dass Lanthan/ Lanthanoxid nicht bewusst eingesetzt werden, wohl aber als Teil der Verunreinigung der Ausgangskomponenten vorhanden sein dürfe. Damit verstoße sie gegen ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus gefolgt werden kann, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält (vgl. Protokoll zur mündlichen Anhörung v. 04.11.2015, Seite 3, Anlage rop A 17).

Letztlich verwirkliche die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent in der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung auch deshalb nicht, weil es sich bei dem Lithiumsilicatrohling nach der beschränkten Fassung lediglich um ein Zwischenprodukt handele, welches die Verarbeitungsstufe der Herstellung einer gewünschten Geometrie in Form einer dentalen Restauration noch nicht durchlaufen habe, obwohl dies nunmehr von dem beschränkt aufrecht erhaltenen Anspruch erfindungsgemäß verlangt werde.

Die von ihr, der Beklagten, im Rahmen des Einspruchsverfahrens eingelegte Beschwerde werde zudem zu einem vollständigen Widerruf des Klagepatents führen.

Im Erteilungsverfahren berücksichtigter Stand der Technik, unter anderem auch die Entgegenhaltung DE ‘XXX, sei auch im Rahmen der erstinstanzlichen Entscheidung fehlerhaft ausgelegt worden. Bei dem von der Klägerin vertretenen weiten Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ würden sich jedenfalls Abgrenzungsprobleme zur DE ‘XXX ergeben.

Die Klägerin ist der Auffassung, für eine Aussetzung der Verhandlung bestehe keine Veranlassung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 31.03.2016 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat Erfolg.

I.
Die Klage ist zulässig.

Sofern die Klägerin sich in der Hauptsache nunmehr auf die beschränkt aufrechterhaltene Fassung des Klagepatents stützt, ist dies jedenfalls sachdienlich im Sinne von § 263, 2. Alt. ZPO. Würde man die Einbeziehung der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung des Klagepatents nicht zulassen, wäre die Klägerin darauf verwiesen, einen weiteren, neuen Rechtsstreit anhängig zu machen, in dem dann Großteile des bisher eingeführten Prozessstoffes gegenständlich wären.

Die auf die beschränkte Anspruchsfassung gestützten Anträge stellen sich auch nicht deshalb als unzulässig dar, weil die Klägerin durch Verschieben von Merkmalen Änderungen an dem aufrechterhaltenen Anspruch vornimmt. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen unter Ziff. II., 2., lit. a), cc) verwiesen.
II.
Die Klage ist auch begründet.

Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB, § 33 Abs. 1 PatG zu.

1.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Lithiumsilicatrohlings, der einfach durch maschinelle Verarbeitung geformt und anschließend zu geformten Produkten mit hoher Festigkeit umgewandelt werden kann.

Das Klagepatent beschreibt einleitend einen gestiegenen Bedarf an Materialien, die mit Hilfe computergesteuerter Fräsmaschinen zu dentalen restaurativen Produkten, wie beispielsweise Kronen, Inlays und Brücken verarbeitet werden können (Abs. [0002] der Klagepatentschrift in der Fassung, die sie durch das Einspruchsverfahren erhalten hat, Anlage B 39; im Folgenden: KPS-EV). Ein so verwendbares Material muss neben optischen Eigenschaften, die das Aussehen der natürlichen Zähne imitieren (Transluzenz, Färbung), weitere Eigenschaften aufweisen, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Während es im Rahmen des Herstellungsprozesses eine relativ niedrige Festigkeit zeigen sollte, um eine einfache und schnelle Verarbeitung ohne übermäßige Abnutzung der Werkzeuge zu ermöglichen (Abs. [0005] KPS-EV), ist nach Abschluss der Herstellungsarbeiten eine möglichst hohe Festigkeit und chemische Beständigkeit wünschenswert. Die dentalen restaurativen Produkte können erst dadurch die Funktion des natürlichen Zahnmaterials übernehmen, wobei die genannten Eigenschaften über eine lange Zeitspanne aufrechterhalten werden sollen; und zwar auch dann, wenn sie permanent in Kontakt mit Flüssigkeiten in der Mundhöhle sind (Abs. [0004] KPS-EV).

Aus dem in der Klagepatentschrift in Bezug genommenen Stand der Technik sind Materialien für eine CAD/CAM-Verarbeitung bekannt, die das Klagepatent jedoch als für eine leichte maschinelle Verarbeitung nachteilig beschreibt (Abs. [0005] KPS-EV).

Hierzu gehören Lithiumdisilicat-Glaskeramiken wie sie in der DE ‘XXX offenbart werden. Sie weisen eine kristalline Lithiumdisilicatphase auf und erhalten dadurch eine hohe Festigkeit und Zähigkeit. Die maschinelle Verarbeitung des Materials nimmt jedoch eine sehr lange Dauer in Anspruch und führt zu einer sehr hohen Abnutzung des Werkzeugs (Abs. [0007] KPS-EV). Des Weiteren zeigen die maschinell verarbeiteten Restaurationen eine nur geringe Kantenfestigkeit, das heißt es sind Teile der Restauration, die eine nur geringe Dicke im Bereich von wenigen 1/10 mm haben, instabil (Abs. [0007] KPS-EV).

Das Klagepatent nimmt weitere Dokumente aus dem Stand der Technik in Bezug, die sich zu den Kristallphasen von Lithiummetasilicat und Lithiumdisilicat verhalten. So hätten Untersuchungen von Borom gezeigt, dass eine Lithiumdisilicat-Glaskeramik zunächst in unterschiedlichen Mengen als metastabile Lithiummetasilicatphase kristallisieren kann, und eine solche Glaskeramik mit Lithiummetasilicat als Hauptphase eine im Vergleich zu einer Glaskeramik, die lediglich eine Lithiumdisilicatphase enthält, verringerte Festigkeit zeige (Abs. [0010] KPS-EV). Es fehle jedoch bisher an einer systematischen Erforschung, weshalb bei einigen Zusammensetzungen die beschriebene metastabile Lithiummetasilicatphase entstehe und andere Zusammensetzungen lediglich in Form der Disilicatphase kristallisieren und eine Metasilicatphase nicht vorhanden sei.

Das Klagepatent diskutiert neben Lithiumdisilicat-Glaskeramiken auch andere Materialien, aus denen mittels maschineller Verarbeitung Restaurationen hergestellt werden. So seien aus der EP-B-774 993 und der EP-B-817 597 keramische Materialien auf der Basis von Al2O3 oder ZrO2 bekannt. Diese werden zunächst in einem ungesinterten Zustand verarbeitet und anschließend gesintert, um die Festigkeit des Materials zu erhöhen (Abs. [0008] KPS-EV). Als im Zusammenhang mit diesem Material nachteilig beschreibt das Klagepatent die Tatsache, dass das keramische Material im Rahmen des Sinterprozesses eine Schrumpfung von bis zu 50 % bezogen auf das Volumen (bzw. bis zu 30 % linearer Schrumpfung) durchläuft. Die Materialien lassen deshalb die Herstellung einer Restauration mit einer exakten Dimension, wie sie beispielsweise bei mehrgliedrigen Brücken erforderlich ist, nicht zu (Abs. [0008] KPS-EV).

Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent als seine Aufgabe (technisches Problem), ein Material bereitzustellen, das mit Hilfe computergestützter Fräs- und Schleifverfahren geformt und anschließend zu hochfesten Dentalprodukten umgewandelt werden kann, die eine hohe chemische Beständigkeit und ausgezeichnete optische Eigenschaften besitzen und eine drastisch reduzierte Schrumpfung während der abschließenden Umwandlung zeigen (Abs. [0011] KPS-EV).

Diese Aufgabe soll nach dem Klagepatent mit Hilfe des Anspruchs 1 gelöst werden, der in der Fassung, die er im Rahmen des Einspruchsverfahrens erhalten hat, wie folgt dargestellt werden kann:

Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials

AH1 in Form eines Lithiumsilicatrohlings

AH2.1 der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei

AH2.2 der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bilden, und wobei

AH2.3 der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem:

(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,

(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,

(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, oder

(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase zu erhalten.

AH3 zur Herstellung einer dentalen Restauration

2.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 (Merkmale AH2.1 – AH2.3) einer Auslegung.

Gem. § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind (§ 14 Satz 2 PatG). Dabei ist bei der für die Bestimmung des Schutzbereichs gebotenen Auslegung des Patentanspruchs nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv für den von dem Klagepatent angesprochenen Fachmann aus dem Patent ergeben (BGH, GRUR 1975, 422 (424) – Streckwalze), zu ermitteln ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen (BGH, GRUR 2007, 410 (413) – Kettenradanordnung). Bei der nach dieser Maßgabe vorzunehmenden Auslegung ist vorliegend – wovon auch die Einspruchsabteilung ausgegangen ist (vgl. Beschluss vom 04.11.2015, Anlage rop A18) – die Sicht eines berufserfahrenen Diplomingenieurs der Fachrichtung Werkstofftechnik mit langjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Optimierung von Dentalmaterial maßgeblich.

a)
Das Klagepatent schützt die Verwendung eines bestimmten Materials, Lithiumsilicat, zur Herstellung einer dentalen Restauration. Ein solcher Verwendungsanspruch stellt eine besondere Form des Verfahrensanspruchs dar, der auf die Anwendung eines neuen oder schon bekannten Erzeugnisses/ Stoffes für einen bestimmte Zweck gerichtet ist (Kühnen, in: Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, 2016, Kap. A., Rn. 281).

Das Lithiumsilicatmaterial, dessen Verwendung zur Herstellung einer dentalen Restauration geschützt ist (Merkmal AH3), ist erstens durch die Erzeugnisansprüche der Merkmale AH1 („Form eines Lithiumsilicatrohlings“) und AH2.1 („der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält“) charakterisiert. Des Weiteren kennzeichnet den patentgemäßen Anspruch, dass das in Form eines Rohlings vorliegende Lithiumsilicatmaterial durch das in der Merkmalsgruppe AH2.3 beschriebene Verfahren hergestellt wird (sog. „product-by-process-Merkmale“). Wird – wie vorliegend durch die Merkmalsgruppe AH2.3 – ein Erzeugnis im Patentanspruch durch das Verfahren seiner Herstellung gekennzeichnet (vorliegend „Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar […]“), wird der Schutzbereich des Patents dadurch nicht unmittelbar beschränkt. Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit sich gerade aus dem angegebenen Herstellungsweg Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (BGH, GRUR 2001, 1129 (1133) – zipfelfreies Stahlband).

Diese Grundsätze berücksichtigend ergibt sich aus der Sicht des Fachmannes das folgende Verständnis von der patentgemäßen Lehre:

aa)
Das in der Merkmalsgruppe AH2.3 dargestellte Verfahren sieht unter (a) vor, dass die Herstellung des Rohlings durch eine Schmelze erfolgt, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten enthält, jedoch kein La2O3.

(1)
Nach dem Verständnis des Fachmannes trifft der Patentanspruch keine Aussage darüber, in welcher prozentualen chemischen Zusammensetzung und in welchem Verhältnis zueinander die Anfangskomponenten als Hauptkomponenten in dem Ausgangsglas enthalten sein müssen. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs, insbesondere mit den Merkmalen AH2.1 und AH2.3 (c), entnimmt der Fachmann der Angabe der näher bezeichneten Anfangskomponenten lediglich, dass diese in einer Menge vorhanden sein müssen, die die Keimbildung für die spätere Ausbildung der Lithiummetasilicatkristalle zulässt.

Auch bei Berücksichtigung der Patentbeschreibung ergibt sich das Erfordernis einer konkreten (im Sinne einer nach Gew.-% bezifferbaren) Menge der in dem Patentanspruch näher genannten Anfangskomponenten bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung nicht. Der Fachmann entnimmt der Patentbeschreibung aus Abs. [0011] KPS-EV den erfindungswesentlichen Gedanken, ein Material zu schaffen, das maschinell leicht verarbeitet werden kann und sich gleichzeitig für eine dentale Restauration eignet. Dies kann aus der Sicht des Fachmannes unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Patentbeschreibung auch durch ein Ausgangsglas erfolgen, das die einzelnen Komponenten in Mengen enthält, die von den beschriebenen Ausführungsbeispielen abweichen. Die Patentbeschreibung gibt zwar eine bevorzugte, konkrete chemische Zusammensetzung der Anfangskomponenten an (Abs. [0016] KPS-EV, vgl. auch Abs. [0014]). Dabei handelt es sich jedoch um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, auf das die Erfindung nicht reduziert werden darf (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Wie sich aus der weiteren Beschreibung des Ausführungsbeispiels zudem ergibt, lässt das Klagepatent selbst zu, dass eine Abweichung der in Abs. [0016] KPS-EV genannten Mengen vorgenommen wird. In Abs. [0017] KPS-EV heißt es:

„Die Passage „…unabhängig voneinander…“ bedeutet, dass zumindest eine der bevorzugten Mengen gewählt ist und dass es demzufolge nicht notwendig ist, dass alle Komponenten in den bevorzugten Mengen vorhanden sind.“

Eine weitere (sich von der Zusammensetzung der Anfangskomponenten des bevorzugten Ausführungsbeispiels unterscheidende) Zusammensetzung der Anfangskomponenten ist in Abs. [0014] KPS-EV erwähnt, wobei es sich aber ebenfalls um ein Ausführungsbeispiel handelt.

Schließlich veranlasst auch Abs. [0013] KPS-EV zu keiner einschränkenden Auslegung. Sofern dort ausgeführt ist, dass nur die Verwendung „eines Ausgangsglases mit sehr spezieller Zusammensetzung“ eine patentgemäße Glaskeramik liefert, so entnimmt der Fachmann dem Passus nicht, dass sich die Spezialität der Zusammensetzung neben den Hauptkomponenten als solchen weiter auch durch eine konkrete mengenmäßige Zusammensetzung kennzeichnet.

(2)
Soweit Merkmal AH2.3 (a) weiter verlangt, dass die Schmelze des Ausgangsglases kein Lanthanoxid enthält, erfordert dies weder die absolute Reinheit des Ausgangsglases von diesem Stoff noch die Reduzierung des Lanthanoxidanteils auf das technisch Unvermeidliche. Vielmehr darf Lanthanoxid nicht mit einem Anteil vorhanden sein, bei dem es einen technischen Effekt haben könnte. Verunreinigungen ohne erfindungsrelevanten technischen Effekt stehen der Merkmalsverwirklichung demgegenüber nicht entgegen.

Aus dem grammatikalische Aufbau des Merkmals AH2.3 (a) ergibt sich kein zwingendes Verständnis dahingehend, dass lediglich im Zusammenhang mit den Komponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 von Hauptkomponenten die Rede ist, wohingegen der Anschluss des Passus „aber kein La2O3“ sich auf einen Ausschluss von Lanthanoxid schlechthin, auch als Nebenbestandteil, bezieht. Die Grammatik des Anspruchs lässt vielmehr auch eine Deutung zu, anhand derer „aber kein La2O3“ als eine auf „als Hauptkomponenten“ zurückbezogene Ergänzung zu verstehen ist. Mit anderen Worten lässt sich der Anspruchswortlaut dahingehend verstehen, dass Lanthanoxid nur als Hauptkomponente ausgeschlossen wird.

Der Zusatz „aber kein Lanthanoxid“ wurde im Zuge des Einspruchsverfahrens in den Anspruchswortlaut aufgenommen. Vor diesem Hintergrund sind vorliegend neben dem Anspruch selbst, der Beschreibung und der Zeichnungen (§ 14 S. 1 PatG) auch die Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses des DPMA (Anlage rop A 18) bei der Auslegung heranzuziehen. Wenn ein Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren abgeändert wurde, treten die die Abweichung von der ursprünglichen Anspruchsfassung behandelnden Entscheidungsgründe an die Stelle der ursprünglichen Beschreibung. Die Entscheidungsgründe des Rechtsbestandsverfahrens sind insoweit bei der Auslegung wie die Patentbeschreibung zu berücksichtigen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl., 2016, Kap. A., Rn. 68 m. w. N.).

Aus Abschnitt [0013] KPS-EV, der offenbart, dass sich überraschenderweise gezeigt hat, dass es durch die Verwendung eines Ausgangsglases mit speziellen Komponenten und eines speziellen Verfahrens möglich ist, Rohlinge mit Lithiummetasilicatphasen herzustellen, die noch kein Lithiumdisilicat aufweisen, folgt für den Fachmann, dass die in dem nachfolgenden Abschnitt genannten speziellen Anfangskomponenten, die auch im Patentanspruch aufgeführt werden, zur Herstellung dieser Lithiummetasilicatphasen notwendig sind. Sämtliche genannten Materialien sind mithin für den Fachmann wesentlich, um den erfindungsgemäßen Zweck zu erreichen. Soweit der Anspruchswortlaut also ein Weglassen von Lanthanoxid als Anfangskomponente fordert, schließt der Fachmann unter technisch-funktionaler Betrachtungsweise, dass nach der Lehre des Klagepatents kein Lanthanoxid als erfindungswesentliche Komponente, also mit einer technischen Funktion, der Schmelze beigefügt wird.

Den Umkehrschluss, dass damit überhaupt kein Lanthanoxid in der Schmelze enthalten sein darf, zieht der Fachmann allerdings nicht. Aus funktionaler Betrachtung ist es unschädlich, wenn Lanthanoxid in Spuren, z.B. durch Verunreinigungen, und ohne die Bewirkung einer Veränderung des Ausgangsglases enthalten ist. Das gilt umso mehr als nach den beschriebenen Ausführungsbeispielen, wie sie auch in die beschränkt aufrechterhaltenen Fassung Eingang gefunden haben (Abs. [0016], [0031] KPS-EV und Tabelle III, Bsp. 3 KPS-EV), CeO2 als Ausgangsmaterial eingesetzt werden kann und dieses nach dem unstreitigen Parteivortrag nicht völlig frei von Lanthanoxid erhältlich ist – was dem Fachmann auch bekannt sein wird. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist für die Lehre des Klagepatents ein äußerst geringer Lanthanoxidanteil als Folge der Verunreinigung von CeO² unschädlich. Zwar mag die Vorgabe „kein Lanthanoxid“ dazu führen, dass die Verwendung von CeO² mit einem hohen Anteil an Lanthanoxid aus der Lehre des Klagepatents herausführt. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn der Anteil des Lanthanoxids einen Wert erreicht, bei dem ein für die Lehre des Klagepatents relevanter technischer Effekt eintritt. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Klagepatent dem Fachmann aufgibt, bei der Wahl von CeO² als Ausgangsstoff diesen Stoff zwingend in der höchsten (ggf. nur kommerziell erhältlichen) Reinheitsklasse zu verwenden. Vielmehr finden sich im Klagepatent keine direkten Vorgaben für die Reinheit des CeO².

Der Fachmann gewinnt auch daraus, dass das Klagepatent – wie die Beklagte unter Bezugnahme auf den Abschnitt [0021] KPS-EV vorträgt – „die Null kennt“ kein anderes Verständnis. Denn aus dem bloßen Umstand, dass – in anderem Zusammenhang – ein Konzentrationsintervall, beginnend mit 0 Gew-% genannt ist, zieht der Fachmann keine zwingenden Rückschlüsse auf die Bedeutung des Merkmals „kein Lanthanoxid“. Zudem könnte an dieser Stelle ein Anteil von 0,01 % gerundet ohne weiteres als Null zu verstehen sein.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die in der DE ‘XXX genannten Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 24 – B 28) vorträgt, der Fachmann deute die Angabe „kein“, „keinerlei“ und „frei von“ als (absolut) „Null“, so sind vorliegend schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Fachmann die Lehre des Klagepatents im Lichte dieser Druckschriften versteht. Das gilt insbesondere deshalb, als ihm die DE ‘XXX gerade als Stand der Technik präsentiert wird, von dem sich das Klagepatent abzugrenzen sucht (Abs. [0007] KPS-EV). Vor diesem Hintergrund verbleibt es dabei, dass das fachmännische Verständnis anhand der Beschreibung des Schutzrechts selbst zu ermitteln ist (BGH, GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube; GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2015, Az. I-15 U 25/14, S. 15), wobei die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH GRUR 99, 909 (912) – Spannschraube).

Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten, das allgemeine Fachwissen des Fachmannes bestimmende Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 29 – B 31). Danach sei der Fachmann, so die Beklagte, gewohnt, dass ihm auch kleinste Mengen bei Zusammensetzungen angegeben werden würden, so dass er dies auch hinsichtlich der vorliegend geschützten Lehre erwarten würde. Dass der Fachmann bei seinem Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ im Rahmen des Klagepatents von den vorgelegten Druckschriften ausgeht, erscheint bereits deshalb fernliegend, weil die technische Wirkung, die dem Lanthanoxid darin jeweils zugeschrieben wird, sich von derjenigen unterscheiden, die ihr nach der Klagepatentschrift zukommt. Während Metalloxiden nach Abs. [0015] KPS-EV, die nach der Ursprungsfassung der Klagepatentschrift auch in Form von Lanthanoxid vorliegen konnten (Abs. [0016] KPS), die Funktion zukommt, die Farbe des endgültigen dentalen Produkts so zu gestalten, dass es zu der natürlichen Zahnfarbe des jeweiligen Patienten passt (Abs. [0019] KPS-EV), soll Lanthanoxid nach den vorgelegten Druckschriften entweder eine Wirkung im Hinblick auf die Entglasung (WO 03/022763 A2, S. 3, letzt. Abs., Anlage B 29 und EP 0 742 578 A2, S. 4, Z. 8, Anlage B 30) oder auf den Brechungsindex, die Dispersion und die Oberflächenspannung (EP 0 738 243 B1, S. 3, Z. 58 – S. 4, Z. 2, Anlage B 31) entfalten.

Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum Anspruchswortlaut. Zwar ist eine Auslegung unterhalb des Sinngehalts des Wortlauts der Patentansprüche nicht zulässig. Die Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf also nicht zu einer sachlichen Einengung oder inhaltlichen Erweiterung des durch seinen Wortlaut festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Gerade Zahlen- und Maßangaben, zu denen auch die Verwendung des Begriffes „kein“ zu zählen ist, sind im Regelfall eng an ihrem wörtlichen Sinngehalt auszulegen. Im Regelfall bestimmt eine abschließende Zahlenangabe den Gegenstand des Patentanspruchs abschließend (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, Kap. A., Rn. 150). Allerdings geht der Fachmann bei einem funktionsorientierten Verständnis, wie es auch bei Zahlen- und Maßgaben geboten ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.04.2007, Az.: I-2 U 4/06, Rn. 75, zitiert nach juris), – wie bereits ausgeführt – gerade nicht davon aus, dass er die Anwesenheit von Lanthanoxid vollständig vermeiden muss.

Eine solche Auslegung deckt sich schließlich auch mit dem Inhalt der Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses. Hier heißt es auf Seite 10, unten (Anlage rop A 18), dass die Entgegenhaltung DE ‘XXX im Gegensatz zu dem Klagepatent ausschließlich Rezepturen offenbare, die Lanthanoxid als eine Anfangskomponente enthalten und es daher als erfindungswesentliche Komponente verstehen. Mithin ist im Umkehrschluss das Vorhandensein von Lanthanoxid als nicht erfindungswesentliche Komponente unschädlich.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin im Einspruchsverfahren zunächst versucht hatte, die Formulierung „im Wesentlichen frei von“ in den Anspruchswortlaut aufnehmen zu lassen, angesichts des drohenden Widerrufs wegen fehlender Neuheit in Bezug gegenüber der Entgegenhaltung DE ‘XXX ihren Antrag aber weiter beschränken musste. Äußerungen des Anmelders/Inhabers dürfen grundsätzlich, da nicht explizit vom Gesetz als Auslegungsmaterial erwähnt, nicht zur Auslegung des Patents herangezogen werden. Sie können allerdings unter Umständen als Indiz für die Ansicht des Fachmanns herangezogen werden (Kühnen, Hb. der Patentverl., 8. Aufl. A 67). Allerdings spielt es für die Auslegung des Patentanspruchs grundsätzlich keine Rolle, was für ein Gegenstand patentfähig gewesen wäre (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2015, I-2 U 74/14 – S. 15 f.). Es ist mithin für die Frage der Verletzung unerheblich, ob eine Auslegung, bei welcher Spuren von Lanthanoxid in der Schmelze unter den Patentanspruch fielen, zu einer Neuheitsschädlichkeit der Entgegenhaltung DE ‘XXX führt oder nicht.

bb)
Die Durchführung dieses in der Merkmalsgruppe AH2.3 beschriebenen Verfahrens führt zu einem Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase (Merkmal AH2.1). Gerade dadurch erhält der Rohling nach der patentgemäßen Lehre eine – gegenüber den im Stand der Technik bekannten Lithiumdisilcatkeramiken – niedrigere Festigkeit, die wiederum Voraussetzung für eine gute maschinelle Verarbeitung oder eine solche durch Heißpressen ist (Abs. [0013] KPS-EV). Daraus folgt bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung, dass die Menge an Lithiummetasilicatkristallen so groß sein muss, dass diese Eigenschaften gerade vorhanden sind, wobei der geschützten Lehre mengenmäßige Vorgaben nicht zu entnehmen sind. Das Material ermöglicht zudem eine – außerhalb des Schutzbereichs des Patents liegende – Weiterbearbeitung durch eine dritte Wärmebehandlung, bei der das Lithiummetasilicat zu Lithiumdisilicat umgewandelt wird. Dabei handelt es sich um das für eine dentale Restauration, die einer Bearbeitung nicht mehr bedarf, wünschenswerte Material, da dieses nach der Patentbeschreibung hervorragende mechanische und optische Eigenschaften hat und eine sehr gute chemische Stabilität (Abs. [0013] KPS-EV).

cc)
Aus dem Merkmal AH2.2. geht aus Sicht des Fachmannes hervor, dass der Lithiumsilicatrohling durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer dentalen Restauration verarbeitet wird.

Orientiert an der Formulierung des Patentanspruchs (beschränkte Fassung) entnimmt der Fachmann dem Merkmal eine Konkretisierung der Verwendungsbestimmung derart, dass das Lithiumsilicatmaterial erfindungsgemäß nicht nur zur Herstellung irgendeiner dentalen Restauration verwendet werden können soll, sondern gerade zu einer bestimmten Art und Weise der Herstellung der dentalen Restauration, nämlich mittels maschineller Verarbeitung oder durch Heißpressen.

Von einem – allein sprachlich geprägten – Verständnis, wonach der Fachmann dem Merkmal AH2.2 entnimmt, dass sich den in der Merkmalsgruppe AH2.3 beschriebenen Verfahrensschritten ein weiterer Schritt, nämlich die Umformung zur dentalen Restauration, anschließt, ist hingegen nicht auszugehen. Zwar mag die Verwendung des Verbs „geformt wird“ auch ein Verständnis rechtfertigen, wonach die Herstellung der dentalen Restauration erfindungsgemäß bereits vollzogen wird, und hätte die Wendung „geformt werden kann“ dem Verständnis einer Konkretisierung des Verwendungszwecks besser Rechnung getragen. Ein Verständnis, wonach auch die dentale Restauration anzufertigen ist, steht jedoch bereits der Formulierung des Patentanspruchs entgegen, wonach die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in der Form eines Lithiumsilicatrohlings [Hervorhebung diesseits] geschützt sein soll. Jedenfalls aber in einer Gesamtschau mit der Patentbeschreibung offenbart sich dem Fachmann, dass die Herstellung der dentalen Restauration kein Teil der patentgemäßen Lehre darstellt. Denn die technische Lösung („Zurverfügungstellen eines Materials welches vor allem einfach mit Hilfe computergestützter Fräs- und Schleifverfahren geformt werden kann“, Abs. [0011) KPS-EV) wird bereits durch die Herstellung des Lithiumsilicatrohlings mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase erreicht.

Eine weitere Stütze für ein solches Verständnis entnimmt der Fachmann dem Verhältnis von Haupt- und Unteransprüchen, insbesondere dem Unteranspruch18 (beschränkte Fassung, vgl. Anlage rop A17), der lautet:

„18. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, bei der ein Lithiumsilicatmaterial durch Heißpressen zu der gewünschten Geometrie geformt wird, um die dentale Restauration zu bilden.“

Diesem Unteranspruch würde bei dem von der Beklagten angenommenen Verständnis, wonach der Rohling bereits nach dem Hauptanspruch erfindungsgemäß durch Heißpressen zu formen ist, kein eigener Bedeutungsgehalt innewohnen. Er würde sich vielmehr als im Verhältnis zu dem Hauptanspruch redundant darstellen, denn eine „Verarbeitung des Lithiumsilicatmaterials durch Heißpressen“ wäre dann bereits von dem Schutzbereich des Hauptanspruchs erfasst und bedürfte keines zusätzlichen Unteranspruchs.

3.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wie sie sich nach der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung darstellt, wortsinngemäß Gebrauch.

a)
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Lithiummetasilicatmaterial in der Form eines Rohlings, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei der Lithiummetasilicatphase um die einzige Kristallphase des angegriffenen Produkts handelt, und diese in einer Menge vorhanden ist, die eine gute Verarbeitung der angegriffenen Ausführungsform hin zu einer dentalen Restauration ermöglicht.

b)
Die angegriffene Ausführungsform ist auch durch die „product-by-process-Merkmale“ (Merkmalsgruppe AH2.3) zur Entstehung gelangt. Dies führt zugleich dazu, dass sie auch diejenigen Eigenschaften aufweist, die durch das patentgemäße Verfahren gerade als erfindungswesentlicher Vorteil beschrieben werden.

Im Hinblick auf die Merkmale AH2.3(b) – AH2.3(d) ist dies zwischen den Parteien unstreitig, die angegriffene Ausführungsform verwirklicht jedoch auch die übrigen Verfahrensschritte der Merkmalsgruppe AH2.3.

Eine Verwirklichung des Merkmals AH2.3(a) scheidet nicht deshalb aus, weil die Anfangskomponenten darin nicht in der konkreten, von Abschnitt [0014] KPS-EV vorgesehenen Menge enthalten sind. Denn auf diese konkrete mengenmäßige Zusammensetzung ist die patentgemäße Lehre nicht beschränkt. Es führt auch nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents, wie er durch das das Merkmals AH2.3(a) gebildet wird, heraus, dass in dem Ausgangsglas der angegriffenen Ausführungsform sowie in der angegriffenen Ausführungsform selbst Lanthanoxid in einer Menge von < 0,001 Gew-% in Form einer Verunreinigung von CeO2 enthalten ist. Dass einer solchen Menge von Lanthanoxid, die unter einem Hundertstel der in der Ursprungsfassung des Klagepatents genannten Menge von 0,1 Gew.-% Lanthanoxid zurückbleibt, im Rahmen der angegriffenen Ausführungsform eine technische, insbesondere eine den Rohling färbende, Wirkung zukommt, ist von den Beklagten, die in Kenntnis der Funktionsweise der von ihr angebotenen angegriffenen Ausführungsform ist, nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus den in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Spuren von Lanthanoxid ein für die technische Lehre in irgendeiner Weise relevanter technischer Effekt ergibt.

c)
Der Lithiumsilicatrohling eignet sich auch als Verwendung für eine dentale Restauration, die mittels maschineller Verarbeitung oder durch Heißpressen geformt wird.

Darauf, ob die angegriffene Ausführungsform auch bereits eine geformte Dentalrestauration ist – wie nicht – kommt es bei einem Verständnis, dass die dentale Restauration mittels maschineller Verarbeitung oder durch Heißpressen als Bestandteil der Verwendungsbestimmung versteht, nicht an.

4.
Es liegt auch eine Verletzungshandlung der Beklagten im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG vor.

Ein Verwendungsanspruch untersagt einem unberechtigten Dritten – wie jeder Verfahrensanspruch – gem. § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG zunächst, den im Anspruch definierten Gegenstand entsprechend der geschützten Verwendung zu benutzen. Darüber hinaus erfasst der Schutzbereich eines Verwendungspatents jedoch auch der Verwendung vorgelagerte Handlungen, mit denen der Stoff oder die Sache zu der geschützten Verwendung sinnfällig hergerichtet wird (Kühnen, Hbd. der Patentverletzung, 8. Auflage, 2016, Kap. A., Rn. 281).

Eine sinnfällige Herrichtung ist gegeben, wenn der betreffende Gegenstand/ der Stoff in erkennbarer Weise auf den Verwendungszweck ausgerichtet wird, so dass für den Abnehmer, vorliegend den Anwender der angegriffenen Ausführungsform, ersichtlich ist, dass der Gegenstand in der patentgemäßen Weise eingesetzt werden soll, und verlässlich zu erwarten ist, dass es im Anschluss an die getroffene Herrichtungsmaßnahme zu der unter Patentschutz stehenden Verwendung der Sache kommt (Scharen, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 9, Rn. 50). Es muss sich um eine ausdrücklich und spezifisch auf die geschützte Verwendung ausgerichtete Herrichtung handeln (a. a. O.).

Diese Voraussetzungen für die Annahme einer sinnfälligen Herrichtung sowie die Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit der sinnfällig hergerichteten Sache liegen hier vor.

Denn die Rohlinge werden von der Beklagten allein zu dem Zweck der Herstellung einer dentalen Restauration angeboten. Darauf deuten bereits die beschriebenen Eigenschaften (Festigkeit, Kantenstabilität, Säurebeständigkeit) hin.

Die bestimmungsgemäße Verwendung (Glaskeramik zur Herstellung dentaler Restaurationen mittels maschinengesteuerter Verfahren) lässt sich der Verarbeitungsanleitung für die angegriffene Ausführungsform (Anlage rop A 7) entnehmen. Dort heißt es auf Seite 4 zum Anwendungsbereich: „A“ ist eine zirkondioxidverstärkte Lithiumsilicat-Glaskeramik für die dentale CAD/ CAM-Anwendung zur Herstellung von Inlays, Onlays, Teilkronen, Kronen im Front- und Seitenzahnbereich sowie Einzelzahnversorgungen im Front- und Seitenzahnbereich auf Implantat-Abutments.“ Auf den Seiten 13 ff. der Verarbeitungsanleitung werden sodann unter dem Oberpunkt „Präparationsrichtlinien“ für unterschiedliche dentale Restaurationen Verarbeitungshinweise zur Mindestschichtenstärke gegeben. Auf Seite 18 (1. Abbildung) der Verarbeitungsanleitung werden eine fertig geschliffene Restauration sowie ihre weitere Verarbeitung bis hin zum Einsatz dargestellt.

Auch aus der Produktinformation zu der streitgegenständlichen Ausführungsform lässt sich entnehmen, dass diese ausschließlich computergesteuert verarbeitet wird. Darin (Seite 9, Anlage rop A 8) findet der Anwender Informationen zur maschinellen Formgebung („A kann mit dem CEREC- bzw. inLAB MC XL-System der Firma D ab der Softwareversion ≥ V 4.2 verarbeitet werden.“). Eine ähnliche Angabe ist der Kurzinformation der angegriffenen Ausführungsform, Stand 07/13 (Anlage rop A 10, 1. Seite, linke Spalte) zu entnehmen. Aus den Unterlagen ist im Übrigen weder erkennbar, noch wird vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform auch durch nicht maschinelle Verfahren bearbeitet werden kann. Auch in der Verarbeitungsanleitung heißt es: „Nach Auswahl des Blocks wird dieser mit der vorhandenen CAM-Einheit geschliffen.“ (Seite 18, oben, Anlage rop A 7). Des Weiteren sind die Blöcke der angegriffenen Ausführungsform mit einem Halter versehen (vgl. Abbildung Anlage rop A 9 und Titelseite Anlage rop A 7), der ausschließlich für die maschinelle Verarbeitung benötigt wird.

5.
Der Klägerin ist es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Verletzung ihres Klagepatents zu berufen.

Grundsätzlich sind Äußerungen des Patentinhabers für die Auslegung nicht zu berücksichtigen. Wenn aber der Patentinhaber schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat, kann dies unter Umständen einen Einwand aus § 242 BGB auslösen (BGH, NJW 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II). Der Einwand aus § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (venire contra factum proprium) kann erfolgreich erhoben werden, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren und diese dann im Verletzungsverfahren angreift, soweit seine Erklärung Grundlage für die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentanmelders vertrauen durfte (BGH, NJW 1997, 3377 – Weichvorrichtung II). Dabei reicht nicht jede, als bloße Meinungsäußerung mitgeteilte schutzbereichsbeschränkende Erklärung des Klägers. Erforderlich ist vielmehr eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen (BGH, a.a.O.; Hervorhebungen diesseits).

Nach dieser Maßgabe sind die in dem Einspruchsverfahren das Stammpatent betreffende protokollierte oder von der Beklagten vorgetragenen Äußerungen der Klägerin nicht geeignet, einen solchen Vertrauenstatbestand zu schaffen.

Die Klägerin gab die Erklärung in dem Einspruchsverfahren, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus folge, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthalte, bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (BGH, NJW 1997, 3377 (3378)) zur Abgrenzung von dem neuheitsschädlichen Stand der Technik, wie er sich aus Sicht der Einspruchsabteilung insbesondere nach der DE ‘XXX darstellte, ab. Eine Aussage, mit welcher gerade die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Klagepatents bzw. des Stammpatents herausgenommen werden sollte, geht daraus nicht hervor. Die Klägerin leitete das Merkmal „kein Lanthanoxid“ nicht etwa aus der angegriffenen Ausführungsform her, sondern verknüpfte dieses mit der geschützten Lehre, indem sie ausführte, die Ausgangsschmelze gemäß des Anspruchs 1 komme ohne Lanthanoxid aus, benötige dies mithin nicht, um eine technische Wirkung zu entfalten. Dass die Beklagte die Erklärung vor dem Hintergrund des laufenden Verletzungsverfahrens auch auf die angegriffene Ausführungsform bezogen haben mag, reicht zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes gerade nicht aus. Es ist vielmehr ohne konkrete, gegenteilige Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass ein Patentinhaber versucht, trotz der Einschränkung des Patentanspruchs einen laufenden Verletzungsprozess erfolgreich fortzuführen.

Gegen einen Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten spricht zudem, dass diese im Verletzungsverfahren – vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren – selbst vorgetragen hatte, die angegriffene Ausführungsform enthalte „kein Lanthanoxid“. Zwar erfolgte dies im Kontext der von der Beklagten in Frage gestellten Richtigkeit der klägerischen Messungen. Jedoch musste die Beklagte damit rechnen, dass die Klägerin die Auffassung vertreten würde, der gemessene Anteil von Lantanoxid falle noch unter das Merkmal „kein Lanthanoxid“.

6.
Die Feststellung der Verletzung rechtfertigen die von der Klägerin mit ihren Anträgen begehrten Rechtsfolgen.

a)
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 139 Abs. 1 Satz 1, 10 PatG zu.

Nach dem Schutzbereich, den ein Verwendungspatent gewährt, sind Dritten bereits solche Handlungen verboten, bei denen das Erzeugnis objektiv auf die geschützte Verwendung ausgerichtet wird (Scharen, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 9, Rn. 50). Der Patentinhaber ist weiter auch dadurch geschützt, dass die zu Verwendung gelangende Substanz, die sinnfällig hergerichtet ist, im Inland angeboten, in den Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wird (a. a. O.).

b)
Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche stehen der Klägerin in dem begehrten Umfang gem. § 140b Abs. 1, 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu, damit sie in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangte Auskunft auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.

c)
Der Rückrufanspruch ergibt sich aus § 140a Abs. 3 Satz 2 PatG.

Nach § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG kann derjenige, der entgegen §§ 9 bis 13 PatG eine patentierte Erfindung nutzt, von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Gem. Satz 2 erstreckt sich der Anspruch auch auf unmittelbare Verfahrenserzeugnisse im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG.

Tatsachen, aus denen sich die Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung ergibt (§ 140a Abs. 4 PatG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

d)
Der Vernichtungsanspruch folgt aus § 140a Abs. 1 Satz 2 PatG.

Nach § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG kann derjenige, der eine patentierte Erfindung entgegen den §§ 9 bis 13 PatG nutzt, auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden.

Die Voraussetzung des Anspruchs liegen hier vor.

Der Vernichtungsanspruch bezieht sich vorliegend auf die angegriffene Ausführungsform als unmittelbarem Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Diese sind ausweislich § 140a Abs. 1 Satz 2 PatG ausdrücklich von dem Vernichtungsanspruch erfasst.

Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass die Beklagte im Besitz und Eigentum der angegriffenen Ausführungsform ist.

Auch im Zusammenhang mit dem Vernichtungsanspruch sind keine die Unverhältnismäßigkeit begründenden Tatsachen erkennbar, § 140a Abs. 4 PatG.

e)
Die Beklagte hat der Klägerin gem. § 139 Abs. 2 PatG auch Schadensersatz ab dem 09.01.2014 zu leisten.

Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) erkennen können.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

f)
Sofern die Klägerin für den Zeitraum zwischen dem 01.01.2013 und dem 09.01.2014 die Feststellung einer Entschädigungspflicht dem Grunde nach begehrt, folgt diese aus § 33 Abs. 1 PatG.

7.
Die Entscheidung über den Rechtsbestand ist zwar vorgreiflich, indes sieht die Kammer im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung keine hinreichenden Gründe, das Verfahren gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des DPMA vom 04.11.2015 eingelegten Beschwerden auszusetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten). Wird der Klageantrag im Verletzungsverfahren auf eine gegenüber der erteilten Fassung beschränkte Anspruchsfassung gestützt, so ist diese Fassung für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines parallelen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich, wenn sich der Patentinhaber auch in einem Haupt- oder Hilfsantrag in dem Nichtigkeitsverfahren entsprechend verteidigt (Grabinski/ Zülch, in: Benkard, PatG, Kommentar 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 107).

Orientiert an diesem Maßstab kam eine Aussetzung des Verfahrens vorliegend nicht in Betracht. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am 31.03.2016 erklärt, die vorliegend in der Hauptsache geltend gemachten Patentanspruchsfassung (d.h. den vom DPMA aufrechterhaltenen Patentanspruch) auch in dem Einspruchsbeschwerdeverfahren zumindest hilfsweise zu verteidigen. Vor dem Hintergrund, dass die vorliegend geltend gemachte beschränkte Anspruchsfassung von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten worden ist, kann es nicht als hinreichend wahrscheinlich erachtet werden, dass das Patent in dem hier geltend gemachten Umfang widerrufen wird.

Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Entscheidung der Einspruchsabteilung offensichtlich fehlerhaft ist. Eine unzulässige Erweiterung durch die Aufnahme der neu hinzugefügten Merkmale lässt sich nicht feststellen

Insbesondere erweist sich die Entgegenhaltung DE ‘XXX auch bei Zugrundelegen des Verständnisses der patentgemäßen Lehre im Rahmen der Verletzungsdiskussion (zu der erforderlichen Übereinstimmung vgl. BGH, GRUR 2010, 858, 859 [13] m. w. N. – Crimpwerkzeug III) nicht als neuheitsschädlich, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 3 PatG. Denn in der DE ‘XXX ist Lanthanoxid in einer Menge von 0,1 Gew-% vorhanden. Diesem Stoff kommt eine technische Wirkung zu, in dem er dort als für die Temperaturbeständigkeit erfindungswesentlicher Vorteil beschrieben wird (DE ‘XXX, S. 4, Z. 59 – 61, Anlage B 9). Ein solcher Anteil fällt aber – wie oben erörtert – nicht mehr unter das hinzugefügte Merkmal „kein Lanthanoxid“.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Beklagten musste nicht gestattet werden, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Diese hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die Vollstreckung des hiesigen Urteils ein nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO entstehen würde.

IV.
Die Kammer hat davon abgesehen, die mündliche Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2016 wiederzueröffnen.
V.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.