4a O 48/15 – Zahnersatzeinfärbung (1)

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2514

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 12. Mai 2016, Az. 4a O 48/15

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis insgesamt zu 2 Jahren, zu unterlassen,

a) Metallionen-Lösungen oder Metallkomplex-Lösungen,

und/oder

b) Dentalkeramiken, wobei die Keramiken transluzent sind,

Dritten, die zur Nutzung der Lehre des EP 1 153 XXX nicht berechtigt sind, für ein Verfahren zum Einfärben von Dentalkeramiken anzubieten oder zu liefern,

wobei das Verfahren umfasst:

Einfärben der Dentalkeramiken nach Ziffer I. 1. b) im porösen oder saugfähigen Zustand, wobei die Lösungen nach Ziffer I.1. a) verwendet werden;

(Anspruch 1)

sofern in Fällen nach Ziffer I. 1. b) nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ohne Zustimmung der Klägerin im Geltungsbereich des EP 1 153 XXX die Dentalkeramik nicht zur Anwendung des vorbezeichneten Verfahrens verwendet werden darf;

2. der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenen Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.10.2014 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, jeweils unter Vorlage von Kopien von Rechnungen oder Lieferscheinen, sollten Rechnungen nicht existieren;

wobei den Beklagten gestattet wird, geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb auskunftspflichtiger Daten zu schwärzen,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums, der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot angemeldet waren;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren auf geschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei den Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Empfänger eines Angebotes in der Auskunft enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 17.10.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1) 50 % und der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) jeweils 25 %.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 500.000,- vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen mittelbarer Verletzung des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 153 XXX (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung einer Schadenersatzpflicht dem Grund nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Patents DE 199 04 XXX C5, das seinerseits am 04.02.1999 angemeldet wurde, zur Eintragung in das Register angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 17.09.2014 veröffentlicht. Die Beklagte zu 1) erhob am 15.06.2015 gegen das Klagepatent, dessen deutscher Teil in Kraft steht, Einspruch beim Europäischen Patentamt. Eine Einspruchsentscheidung steht noch aus.

Die ursprüngliche Inhaberin des Klagepatents war die A AG, die mit Verschmelzungsvertrag vom 13.09.2011 auf die Klägerin überging.

Das in deutscher Sprache angemeldete Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Einfärbung von Dentalkeramiken mittels ionischer oder komplexhaltiger Lösungen. Der Hautanspruch des Klagepatents ist wie folgt gefasst:

„Verfahren zum Einfärben von Dentalkeramiken

im porösen oder saugfähigen Zustand,

dadurch gekennzeichnet, dass die Keramiken transluzent sind

und zum Einfärben Metallionen-Lösungen oder Metallkomplex-Lösungen verwendet werden.“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Klagepatents sowie hinsichtlich der lediglich in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten abhängigen Unteransprüche wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K 2) verwiesen.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) sind, bietet Dentalkeramiken in Form von Rohlingen für keramischen Zahnersatz und Lösungen zum Färben dieser an. Die Beklagte zu 1) wurde mit Vertrag vom 20.04.2015 auf die B XX, C GmbH verschmolzen, die ihre Firma sodann auf diejenige der Beklagten zu 1) („D GmbH“) änderte.

Die Beklagte zu 1) bietet unter anderem Rohlinge zur Herstellung von Dentalkeramiken namens „E“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform E) und namens „EX2 translucent“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform EX2; soweit der Vortrag sich einheitlich auf die angegriffene Ausführungsform E und diejenige EX2 bezieht, wird von angegriffener Ausführungsform I gesprochen) an, die aus vorgesintertem, mit Yttriumoxid stabilisiertem Zirkondioxid bestehen (vgl. Seite 4 des Produktskatalogs der Beklagten zu 1), Anlage K 16). Daneben weisen die angegriffenen Ausführungsformen I auch einen geringen Anteil (< 0,5 %) Aluminiumoxid auf (vgl. Seite 4 und Seite 7 des Produktkatalogs der Beklagten, Anlage K 16). Die angegriffene Ausführungsform EX2 zeigt gegenüber der angegriffenen Ausführungsform E lediglich eine gesteigerte Transluzens. Die Abnehmer des angegriffenen Rohlings stellen aus diesem die an die jeweilige Patientensituation angepasste dentale Restauration her.

Die Beklagte zu 1) bewirbt außerdem auf ihrer Internetseite mit der Adresse „www.D.de“ eine Färbelösung zur Einfärbung der Zahnkeramiken mit der Bezeichnung „E F“- Lösungen (angegriffene Ausführungsform II-classic) und mit der Bezeichnung „EX2 G“- Lösungen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform EX2 G; soweit der Vortrag sich einheitlich auf die angegriffene Ausführungsform II-classic und diejenige II-ZX2 bezieht, wird von angegriffenen Ausführungsformen II gesprochen). Die angegriffenen Ausführungsformen II sind jeweils in unterschiedlicher Farbintensität erhältlich. Wegen des die angegriffenen Ausführungsformen II betreffenden Internetauftritts wird auf den als Anlage K 13 vorgelegten screenshot Bezug genommen.

Während die angegriffene Ausführungsform II-classic zur Einfärbung der angegriffenen Ausführungsform E beworben wird (vgl. screenshot Anlage K 14a), ist die angegriffene Ausführungsform II-ZX2 nach der Werbung der Beklagten zu 1) zur Einfärbung der angegriffenen Ausführungsform EX2 vorgesehen (vgl. screenshot Anlage K 15a). Die Beklagte zu 1) weist im Zusammenhang mit den Produktbeschreibungen für die angegriffenen Ausführungsformen II auch jeweils auf die Bestellmöglichkeit derselben hin.

In der Verarbeitungsanleitung für die angegriffene Ausführungsform II-classic, die den Produkten beigefügt ist, heißt es unter anderem wie folgt:

„E color – Liquid von Zirkonoxid
Ist ein flüssiges dentalkeramisches Hilfsmittel für die komplette oder partielle Einfärbung von allen „E“ Gerüstkonstruktionen.

[…]

Das „E F Liquid ist optimiert für die Anwendung mit unserem E Zirkonoxid. Eine problemlose Anwendung für Rohlinge anderer Hersteller kann unsereseits aufgrund eventuell abweichender Gefüge-eigenschaften nicht garantiert werden.“

Die Verarbeitungsanleitung für die angegriffene Ausführungsform II-ZX2, die den Produkten beigefügt ist, hat unter anderem folgenden Inhalt:

„EX2 G ist eine spezielle Färbelösung zur Individualisierung vollanatomischer Konstruktionen oder für die partielle bzw. komplette Einfärbung von Gerüstkonstruktionen aus EX2 translucent Zirkonoxid.

[…]

Eine problemlose Anwendung in Kombination mit Zirkonoxid-Rohlingen anderer Hersteller kann nicht garantiert werden.“
Wegen des weiteren Inhalts der Verarbeitungsanleitungen, die die Beklagte zu 1) über ihre Internetseite jeweils zum Download bereithält, wird auf diese (Anlage K 14b und Anlage K 15b) verwiesen.

Die Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsformen II stellt sich wie folgt dar (vgl. auch Seite 1 der jeweiligen Sicherheitsdatenblätter, Anlage K 14c und Anlage K 15c):

Einzelstoff Gehalt in Gew.-%
Wasser 10 – 80
Eisen(III) Chlorid 0 – 20
Erbium(III) Chlorid 0 – 20

Die Herstellung der Zahnkeramik unter Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen I und II stellt sich wie folgt dar:

Aus dem angegriffenen Rohling, der noch ungesintert ist, wird zunächst – etwa durch Fräsen – eine Konstruktion herausgetrennt. Die Konstruktion wird sodann geglättet und gesäubert (vgl. Seite 3 der Verarbeitungsanleitungen, Anlage K 14b bzw. Anlage K 15b). Im Anschluss daran wird diese entweder in die ausgewählte Färbelösung eingetaucht oder mit dieser bemalt (vgl. Seite 6 Anlage K 14b und Seiten 7 – 11 Anlage K 15b). Nach einem Trocknungsvorgang (vgl. Seite 7 Anlage K 14b bzw. Seite 12 Anlage K 15b) erfolgt die Sinterung der Keramik (vgl. Seite 8 Anlage K 14b bzw. Seite 13 Anlage K 15b).

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten zu 1) erstmals im November 2011 die angegriffene Ausführungsform II und untersuchte diese mittels der Röntgenfluoreszenzanalyse auf ihre Zusammensetzung.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der patentgemäßen Lehre mittelbar Gebrauch machen.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen.
Hinsichtlich der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüchen wird auf die Klageschrift vom 24.02.2015 (Bl. 4 – 6 ff. GA) sowie das Protokoll zur Sitzung vom 14.04.2016 (Bl. 89 GA) Bezug genommen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagepatent erhobenen Einspruchs auszusetzen.
Die Beklagten behaupten, die von der Klägerin zur Bestimmung der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform II angewendete Röntgenfluoreszenzanalyse sei ungeeignet.

Sie sind außerdem der Auffassung, bei den angegriffenen Ausführungsformen I handele es sich um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse im Sinne von § 10 Abs. 2 PatG, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, die vom Verbot der mittelbaren Patentverletzung ausgeschlossen sind.

Die Beklagten sind weiter der Auffassung, dass das Verfahren hilfsweise bis zur Entscheidung im Verfahren über den am 15.06.2015 eingelegten Einspruch auszusetzen sei, da sich das Klagepatent hier als nicht rechtsbeständig erweisen werde.

So werde das Klagepatent von der Entgegenhaltung DE 37 51 344 B2 (im Folgenden: ´344; Anlage B 3; D2 im Einspruchsverfahren) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Zudem werde die technische Lehre des Klagepatents in naheliegender Weise offenbart durch eine Kombination der Entgegenhaltung ‘344 jeweils mit den Entgegenhaltungen DE 196 19 168 C1 (im Folgenden: ‘168; Anlage B 5; D4 im Einspruchsverfahren), DE 196 19 165 C1 (im Folgenden: ‘165; Anlage B 6; D5 im Einspruchsverfahren), DE-OS 212 304 (im Folgenden: ‘304; Anlage B 7; D6 im Einspruchsverfahren), DE 43 20 072 C1 (im Folgenden: ‘072; Anlage B 8; D7 im Einspruchsverfahren), DE 196 25 236 A 1 (im Folgenden: ‘236; Anlage B 9; D8 im Einspruchsverfahren), WO 97/49650 A1 (im Folgenden: WO ‘650; Anlage B 10; D9 im Einspruchsverfahren), DE 42 07 179 A1 (im Folgenden: ‘179; Anlage B 11; D10 im Einspruchsverfahren) oder GB 421,872 A (im Folgenden: GB ‘872; Anlage B 12; D11 im Einspruchsverfahren). Auch eine Kombination der beiden zuletzt genannten Entgegenhaltungen jeweils mit den Entgegenhaltungen WO 96/29951 A2 (im Folgenden: WO ‘951; Anlage B 13; D12 im Einspruchsverfahren) oder EP 0 8 24 897 A2 (im Folgenden: EP ‘897; Anlage B 14; D13 im Einspruchsverfahren) und eine Kombination der Entgegenhaltung ‘167 (D4) mit der Entgegenhaltung ‘304 (D6) würden der erfinderischen Tätigkeit entgegenstehen.

Außerdem sei die Erfindung in dem Klagepatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass sie ein Fachmann ausführen könne. Es fehle insbesondere an Hinweisen auf geeignete Färbelösungskonzentrationen und auf die erforderliche Ausgangsopazität der einzufärbenden Keramiken. Auch könne der Fachmann der Lehre keine Angaben dazu entnehmen, wie eine bestimmte Färbelösungsart in Abhängigkeit von einer bestimmten Ausgangsopazität und Färbelösungskonzentration die Augsgangsopazität beeinflusse. Sie, die Beklagten, hätten im Rahmen von Versuchen keine eindeutigen Ergebnisse erzielen können.

Schließlich erblicken die Beklagten einen weiteren Anhaltspunkt für die Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klagepatents auch darin, dass das Patent DE 199 04 XXX, dessen Priorität das Klagepatent in Anspruch nimmt, in einem ähnlich breiten Umfang erteilt worden sei, im Rahmen des Einspruchsverfahrens jedoch nur sehr beschränkt aufrechterhalten worden ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, für eine Aussetzung des Verfahrens bestehe keine Veranlassung. Die Entgegenhaltung ´344 (D2) nehme die technische Lehre des Klagepatents nicht vorweg, weil dort keine dieser entsprechende Dentalkeramik eingefärbt werde, sondern auf eine mit Glas infiltrierte Dentalkeramik färbende Schichten aufgebracht werden würde. Um eine natürliche Zahnfarbe herbeizuführen, lehre die Entgegenhaltung das Auftragen von mehreren Emailleschichten, mithin gerade den Stand der Technik, der nach dem Klagepatent (Abs. [0009], [0010] des Klagepatents; nachfolgend ohne weitere Angabe zitiert) als nachteilig empfunden werde. Auch offenbare die Entgegenhaltung nicht, dass die Metalloxide bzw. Metalle, die dem Glas zugesetzt werden, in der Form einer Metallionen-Lösung bzw. Metallkomplex-Lösung vorliegen würden.

Die technische Lehre des Klagepatents sei auf der Grundlage des Inhalts der Patentschrift auch ausführbar.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 14.04.2016 (Bl. 89 f. GA) Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1, 2, 140b Abs. 1, 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

Die Beklagten sind deshalb antragsgemäß zu verurteilen, eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit des Einspruchsverfahrens gem. § 148 ZPO kam nicht in Betracht, da nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass das Einspruchsverfahren zur Vernichtung des Klagepatents führt.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Einfärben von Dentalkeramiken mittels einer aus Metallionen bzw. -komplexen bestehenden wässrigen oder alkoholischen Lösung.

In dem Stand der Technik sind der Einleitung des Klagepatents zu Folge Keramiken, insbesondere Aluminium- und Zirkonoxidkeramiken, als Material für die Erstellung von hochwertigem Zahnersatz bekannt, weil sie sich dafür aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften besonders eignen (Abs. [0002]).

Der in der Einleitung des Klagepatents beschriebene Stand der Technik nimmt weiter auf die EP 0 329 565 A1 Bezug, in der eine Halterung (Klammer) aus Sinterkeramik offenbart wird. Die Basis der Klammer bildet teilweise stabilisiertes Zirkoniumoxid, wobei die Klammer nicht porös ist. Nach dem Sintervorgang erhält sie ein Aussehen, das deutlich demjenigen von Zähnen entspricht. Auch eine entsprechende Durchsichtigkeit wird durch die Zugabe von Übergangsmetalloxiden erzeugt (Abs. [0003]).

Das Klagepatent erkennt einleitend weiterhin das bei dem Einsatz von Keramiken im Dentalbereich bestehende gesteigerte Bedürfnis eines möglichst natürlichen Aussehens im Hinblick auf Transluzenz und Farbgebung (Abs. [0004]). Vor dem Hintergrund, dass der im Stand der Technik bekannte künstliche Zahnersatz üblicherweise aus einem Gerüst und einer Verblendung hergestellt ist (Abs. [0005]), ist es für ein natürliches Erscheinungsbild erforderlich, dass die Zahnfarbe und die Transluzenz über diese mehreren Schichten hinweg simuliert werden (Abs. [0007]). Dabei wird ein natürliches Erscheinungsbild nach der Beschreibung des Klagepatents bestmöglich mit einer möglichst hohen freien Weglänge z = x + y + m des einfallenden Lichtes durch die Schicht (x) der Verblendkeramik und die Schicht (m) der Gerüstkeramik und ggf. einer Zwischenschicht (y) erzielt (Abs. [0008]).

An diesem in Bezug genommenen Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass eine nur oberflächliche individuelle Einfärbung des Grundgerüstes mit nur geringen ästhetischen Gestaltungsmöglichkeiten gegeben ist (Abs. [0006]). So müsse zur Veränderung des Grundfarbtons der Gerüstkeramik üblicherweise auf Zwischenschichten, beispielsweise sog. Opaquer-Liner, zurückgegriffen werden, die keine oder eine nur stark verringerte Transluzenz aufweisen würden, wodurch die freie Weglänge des Lichtes um die Dicke der Gerüstkeramik (m) und der Zwischenschicht (y) auf z = x verringert werde (Abs. [0009]). Hinzukomme, dass die Zwischenschicht in mehreren Arbeitsgängen auf das Gerüst aufgebracht und abschließend im Ofen gebrannt werden müsse, was zu einem großen Zeit- und Kostenaufwand führe (Abs. [0010], [0011]).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent das technische Problem zu Grunde, ein System zur Einfärbung von keramischem Zahnersatz zu entwickeln, das eine optimale Ästhetik bei minimalem Arbeitsaufwand und bei minimierten Kosten bewirkt (Abs. [0012]).

Diese Aufgabe soll durch ein Verfahren gelöst werden, das wie folgt beschrieben werden kann:

1. Verfahren zum Einfärben

1.1 von Dentalkeramiken
1.2 mit Metallionen-Lösungen oder Metallkomplex-Lösungen.

2. Die Dentalkeramik:

2.1 Sie werden im porösen oder saugfähigen Zustand eingefärbt.
2.2 Sie sind transluzent.

II.
Die Beklagte zu 1) verletzt den Klagepatentanspruch 1 dadurch mittelbar, dass sie die angegriffene Keramik und die angegriffene Lösung zum Einfärben dieser Keramik innerhalb der Bundesrepublik Deutschland anbietet und an Zahnlabore und Zahntechniker liefert, die ihrerseits zur Anwendung des durch das Klagepatent geschützten Verfahrens nicht berechtigt sind (§ 10 Abs. 1 PatG).

Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindungen berechtigten Personen, Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1.
Die angegriffenen Dentalkeramiken und Färbelösungen stellen Mittel im Sinne der genannten Vorschrift dar, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, und die zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland objektiv geeignet sind.

a)
Sowohl bei den angegriffenen Dentalkeramiken als auch bei den angegriffenen Färbemitteln handelt es sich um wesentliche Elemente im Sinne des § 10 PatG.
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758 (761) – Flügelradzähler). Da der Patentanspruch maßgeblich für den Umfang der geschützten Lehre ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung (a. a. O.), soweit sie nicht ausnahmsweise zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Im Zusammenhang mit einem Verfahrensanspruch bedeutet dies, dass eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, sich regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (BGB, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). Aber auch ein im Anspruch nicht genanntes Mittel ist wesentlich, wenn es geeignet ist, mit einem wesentlichen, nämlich im Patentanspruch erwähnten Erfindungselement so funktional zusammenzuwirken, dass es zu einer Verwirklichung des Erfindungsgedankens kommt (BGH, 2004, 758 (760 f.) – Flügelradzähler).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffenen Keramikrohlingen zur Herstellung von Dentalkeramiken durch die Abnehmer genutzt werden (Merkmal 1.1), mithin mit einem wesentlichen Element der Erfindung funktional zur Verwirklichung des Erfindungsgedankens zusammenwirken.

Bei den angegriffenen Lösungsmitteln handelt es sich um Metallionen- oder Metallkomplex-Lösungen im Sinne des Merkmals 1.2 des Klagepatents. Dies folgt aus den von der Klägerin mit den Anlage K 14c und K 15c vorgelegten Sicherheitsdatenblättern, deren Inhalt die Beklagten nicht entgegengetreten sind. Danach handelt es sich bei den Verletzungsformen um Lösungen auf Wasserbasis, die Metallionen in Form von Eisen(III)-Chlorid und Erbium(III)-Chlorid enthalten.
Sofern die Beklagten in diesem Zusammenhang bestreiten, dass die Untersuchungen der Klägerin geeignet sind, die Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsformen I zu ermitteln, so ist dies vorliegend unerheblich. Die Untersuchungen der Klägerin erfolgten vor dem Hintergrund einer Verletzungsprüfung im Hinblick auf das deutsche Patent, DE 199 04 XXX C5, dessen Priorität das Klagepatent in Anspruch nimmt. Denn die patentgemäße Lehre dieses Schutzrechts, welches die Klägerin in dem Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 4a O 22/15 verteidigt, beansprucht den Schutz einer bestimmten Konzentration (in Gew-%) der Metallionen- bzw. Metallkomplexlösung. Darauf kommt es jedoch bei dem vorliegenden Klagepatent nicht an, weshalb sich eine Verletzung bereits auf der Grundlage der außergerichtlichen (Werbe)Aussagen der Beklagten zu ihren Produkten ergeben.

b)
Die angegriffenen Ausführungsformen I und II sind auch objektiv geeignet, um für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Eine objektive Eignung zur Benutzung der Erfindung liegt vor, wenn beide angegriffenen Ausführungsformen in eine Gestaltung gebracht werden können, in der sie im Zusammenhang mit weiteren Elementen von allen Merkmalen des unter Patentschutz stehenden Gegenstandes Gebrauch machen und damit eine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 PatG verwirklichen (vgl. BGH, GRUR 2005, 848 (850) – Antriebsscheibenaufzug).

Es steht außer Streit, dass das Einfärben der hergestellten Keramiken mittels des angegriffenen Lösungsmittels in einem Zustand erfolgt, in dem die Dentalkeramik saugfähig ist (Merkmal 2.1), wofür auch die Tatsache spricht, dass die Einfärbung ausweislich der Verarbeitungsanleitung der angegriffenen Ausführungsformen II vor der Sinterung erfolgt (Anlage K 14b, Seite 6 – 8 und Anlage K 15b ,Seiten 7 – 13). Die Klägerin trägt weiter unbestritten vor, dass die Dentalkeramiken auch transluzent sind, wofür auch die Bezeichnung der angegriffenen Ausführungsform II-ZX2 („EX2 translucent“) spricht. Aus dem Fehlen des Zusatzes im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform II-classic lässt sich auch nicht schließen, dass die hiermit hergestellten Keramiken nicht transluzent sind. Denn die angegriffenen Ausführungsform II-ZX2 erweist sich nach der Produktbeschreibung (Seite 1 Anlage K 15a) gegenüber der angegriffenen Ausführungsform II-classic als lediglich hochtransluzent, zeigt mithin eine gesteigerte Durchlässigkeit.

2.
Die angegriffenen Ausführungsformen werden auch in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung in Deutschland angeboten und vertrieben.

Die Beklagte bewirbt die angegriffenen Ausführungsformen I und II unter anderem auf ihrer in deutscher Sprache abgefassten Internetseite, bietet diese mithin an. Auch eine Lieferung der Verletzungsformen erfolgt – wie bereits die Testbestellungen der Klägerin aus November 2011 und August 2014 erkennen lassen – auf entsprechende Bestellung des Anwenders.

Dass sämtliche der von der Beklagten zu 1) belieferten Kunden berechtigt wären, die patentierte Erfindung zu benutzen, ist nicht ersichtlich. Dies würde gem. § 9 Nr. 3 PatG die Zustimmung der Klägerin als Patentinhaberin voraussetzen, wobei es den Beklagten obliegt, diese darzutun und ggf. zu beweisen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, 2016, Kap. A., Rn. 328).

Sofern die Beklagten im Zusammenhang mit den angegriffenen Rohlingen vortragen, dass diese an Dentallabore geliefert werden würden, die zum Färben von der Klägerin vertriebene Färbelösungen einsetzten, bzw. Färbemittel von Unternehmen, denen die Klägerin eine Lizenz eingeräumt habe, geht aus dem Vortrag schon nicht hervor, dass ein Vertrieb ausschließlich an solche Kunden erfolgt. Aufgrund Hinweise in den Verarbeitungsanleitungen (Anlage K 14b und Anlage K 15b), wonach eine problemlose Anwendung der Färbelösung nur bei einer Verwendung im Zusammenhang mit den angegriffenen, von der Beklagten zu 1) angebotenen und vertriebenen Rohlinge garantiert werden kann, ist ein Vertrieb der Rohlinge an Kunden, die allein Färbelösungen der Klägerin bzw. von dieser lizensierter Unternehmen einsetzen, aber auch unwahrscheinlich. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich weiter auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin den Dentallaboren und Zahntechnikern den Einsatz des Verfahrens auch in dem Fall gestattet, in dem diese die Dentalkeramiken und/ oder die Lösungen nicht von ihr beziehen. Die Klägerin trägt hingegen gerade vor, dass dies nicht der Fall ist.

3.
Die angegriffenen Ausführungsformen I und II sind von den Verwendern auch gerade zur Benutzung der geschützten Lehre in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt.

In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Mal auf die Passagen in den Verarbeitungsanleitungen (Anlage K 14b und Anlage K 15b) zu verweisen, denen zu folge eine problemlose Anwendung des angegriffenen Lösungsmittels nur bei einer Kombination mit dem angegriffenen Rohling garantiert wird. Umgekehrt befindet sich auch in der Verarbeitungsanleitung für den angegriffenen Rohling (in Form der angegriffenen Ausführungsform II-ZX2) die Empfehlung, diesen nur mit den angegriffenen Lösungen zu färben (vgl. Anlage B 1, Seite 2, rechte Spalte, Ziff. 5.).

Darauf, ob ein gezielter Hinweis darauf erfolgt, dass die Abnehmer beim Einfärben der angegriffenen Keramik mit dem angegriffenen Färbemittel von dem durch das Klagepatent geschützten Verfahren Gebrauch machen, kommt es nicht an.

4.
Aufgrund der unter Ziff. 3. aufgezeigten Hinweise ist die Verwendung der angegriffenen Rohlinge und Färbelösungen durch die Anwender in patentverletzender Art und Weise jedenfalls auch offensichtlich. Denn obwohl auch eine Kombination der angegriffenen Ausführungsformen jeweils mit einer andere Dentalkeramik oder einem anderen Färbemittel möglich ist, wird dem Anwender aus seiner Sicht gerade eine Kombination der angegriffenen Ausführungsformen empfohlen. Es ist auch davon auszugehen, dass sich der Anwender an den Verarbeitungsanleitungen und den darin beschriebenen Voraussetzungen für ein möglichst gutes Ergebnis bei dem Einfärbevorgang orientieren wird. Denn er wird annehmen, dass der Lieferant des Produktes mit diesem in besonderer Weise vertraut ist.

5.
Die Beklagten berufen sich schließlich auch ohne Erfolg darauf, dass es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um allgemein erhältliche Erzeugnisse im Sinne des § 10 Abs. 2 PatG handelt, was zur Zulässigkeit der Vornahme der streitgegenständlichen Handlungen führen würde.

Dem steht vorliegend bereits entgegen, dass die Beklagte zu 1) die Abnehmer bewusst dazu veranlasst, eine gemäß § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG verbotene Handlung zu begehen (so auch LG Düsseldorf, Urt. v. 06.10.2011, Az.: 4a O 124/10, Seite 25, Anlage K 4).

III.
Da die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent verletzen, stehen der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagten zu.

1.
Die Beklagten sind gem. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung des Anbietens und des Lieferns sowohl der angegriffen Zirkonblöcke als auch der Färbelösung verpflichtet.

Im Hinblick auf die angegriffenen Rohlingen hat die Klägerin zu Recht ein Unterlassen nur insoweit gefordert, wie es an einem Hinweis darauf fehlt, dass diese ohne Zustimmung der Klägerin nicht innerhalb des Geltungsbereichs des Klagepatents zur Anwendung gelangen dürfen. Im Hinblick auf die angegriffene Färbelösung kann die Klägerhin hingegen ein Schlechthin-Verbot geltend machen.

Im Falle einer mittelbaren Patentverletzung kann der Verletzte eine unbedingte Unterlassungsverurteilung nur insoweit erwirken, wie das angebotene oder gelieferte Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll ausschließlich in patentverletzender Art und Weise genutzt werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.07.2003, Az.: 2 U 124/01, Rn. 81 – Antriebsschraubenaufzug, zitiert nach juris).

Es ist unstreitig, dass die angegriffenen Blöcke auch in nicht patentverletzender Art und Weise technisch und wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können. Im Hinblick auf die angegriffene Färbelösung, die ausschließlich zur Einfärbung der angegriffenen Dentalkeramiken beworben werden, ist dies hingegen nicht ersichtlich oder von den – insoweit mit einer sekundären Darlegungslast belasteten Beklagten (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, 2016, Kap. A., Rn. 345) – vorgetragen.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) haften für ein Unterlassen jedenfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Die festgestellten Handlungen sprechen jedenfalls dagegen, dass der Beklagte zu 2) und zu 3) die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft hinreichend überwacht und für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge getragen haben.

2.
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadensersatz zu leisten (§ 139 Abs. 2 PatG). Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die mittelbare Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die Beklagten zu 2) und zu 3) haften als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ebenfalls persönlich, weil sie kraft ihrer Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen haben. Dabei ist im Falle der schuldhaften Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft grundsätzlich davon auszugehen, dass dies auf dem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht (BGH, GRUR 2016, 257 – Glasfasern II).

Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung auch das erforderliche rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Entstehung eines Schadens auf Seiten der Klägerin ist hinreichend wahrscheinlich. Eine Bezifferung dieses Schadens ist ihr nicht möglich, weil sie ohne Verschulden über die Informationen, die sie mit dem Klageantrag Ziff. I. 2. begehrt, in Unkenntnis ist.

3.
Der Klägerin stehen gem. § 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB auch Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in dem begehrten Umfang zu, damit sie in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangte Auskunft auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.

IV.
Die Entscheidung über den Rechtsbestand ist zwar vorgreiflich, indes sieht die Kammer im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung keine hinreichenden Gründe, das Verfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten).

Orientiert an diesem Maßstab ist eine Vernichtung des Klagepatents vorliegend nicht zu erwarten.

1.
Es ist insbesondere nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Klagepatents wegen fehlenden Patentierbarkeit gem. Artt. 101 Abs. 1 Satz 1, 100 lit. a), 54 ff. EPÜ vernichtet werden wird.

a)
Die technische Lehre des Klagepatents wird in der Entgegenhaltung D2 nicht offensichtlich und unmittelbar neuheitsschädlich offenbart.

Eine Entgegenhaltung ist nur dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart (BGH, GRUR 2009, Rn. 25 – Olanzapin). Dabei beschränkt sich die technische Lehre bei Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildung entnehmen kann (a. a. O.).

Die Entgegenhaltung ´344 offenbart jedenfalls nicht eindeutig und unmittelbar ein Verfahren zum Einfärben einer Dentalkeramik (im Sinne des Merkmals 1.1) mittels einer Metallionen- oder Metallkomplex-Lösung (im Sinne des Merkmals 1.2).

Gegenstand der D2 ist ein Verfahren zur Herstellung von Zahnprothesen aus Keramik, wobei patentgemäß auf das Gipsmodell eines Zahns eine Aufschlämmung aufgebracht wird, die aus einer wässrigen Suspension von Metalloxidpartikeln besteht (Anlage B3, Seite 2, letzter Abs.). Nach einer leichten Sinterung dieses hergestellten Unterbaus wird das Zahnmodell mit geschmolzenem Glas gefüllt, das sich dann in allen offenen Poren des Unterbaus absetzt (Anlage B 3, Seite 3, 1. Abs.), und den Hohlraum zwischen den einzelnen Metalloxidpartikeln schließt (Anlage B 3, Seite 3, 3. Abs. und Seite 8, letzter Abs.). Dadurch soll eine imprägnierende Wirkung entstehen (Anlage B 3, Seite 8, 2. Abs.). Dem Glas selbst kann dabei ebenfalls eine Menge an Metalloxiden oder Metallen beigefügt sein, um der Prothese eine Färbung zu verleihen (Anlage B 3, Seite 8, 2. Abs.). Daneben beschreibt die D2 jedoch, den imprägnierten Unterbau mit einer oder mehreren Emailleschichten mit unterschiedlichen optischen Eigenschaften und unterschiedlicher Färbung zu überziehen, um ein möglichst natürliches Aussehen der Prothese zu erhalten (Anlage B 3, Seite 9, Abs. 2).

Auf dieser Grundlage offenbart die Lehre der D2 einen keramischen Unterbau sowie ein Glas mit bestimmten Eigenschaften, beispielsweise auch färbenden. Die Keramik wird mit dem (gefärbten) Glas beschichtet, um die Hohlräume des Unterbaus aufzufüllen. Die Entgegenhaltung spricht insoweit von einer „vollständigen Überlappung der beiden kontinuierlichen Netze, von denen eines aus […] Metalloxidpartikeln in fester Phase und das andere aus dem Glas besteht“ (Anlage B 3, Seite 3, vorletzter Abs.). Danach kann der Lehre der D2 nicht entnommen werden, dass die das Glas färbenden Partikel außer durch das in den Poren abgesetzte Glas in die Keramik durch Austausch von Ionen eindringen, mithin dieses im Sinne des Klagepatents färben. Ein anderer Offenbarungsgehalt ergibt sich auch nicht daraus, dass der Unterbau und das Glaspulver nach dem Inhalt der Entgegenhaltung erhitzt werden (Anlage B 3, Seite 8, vorletzter Abs.). Denn es wird auch als Ergebnis dieses Vorgangs lediglich ein Besetzen der Gesamtheit des Porennetzes des Unterbaus durch das Glas beschrieben (a. a. O.), nicht hingegen eine gegenseitige Durchdringung.

Die nicht fachkundige Kammer hat weiter auch Zweifel daran, dass aus dem Enthaltensein von Metalloxiden oder Metallen in dem Glas ohne weiteres auf das Vorliegen einer Metallionen- oder Metallkomplex-Lösung geschlossen werden kann. Auf der Grundlage der Beschreibung auf Seite 2, 3. Abs. der Entgegenhaltung (Anlage B 3) – die sich allerdings auf die in der Aufschlämmung enthaltenen Metalloxidpartikel bezieht – erscheint auch möglich, dass die Metalloxide als Suspension, mithin in ungelöstem Zustand als feste Partikel, vorliegen.

b)
Das Vorbringen der Beklagten lässt es auch nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen, dass das Klagepatent unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Erfindungshöhe widerrufen wird.

Eine Erfindung gilt nach Art. 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Es ist deshalb zu fragen, ob ein über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügender Fachmann, wie er auf dem technischen Gebiet der Erfindung in einschlägig tätigen Unternehmen am Prioritätstag typischerweise mit Entwicklungsaufgaben betraut wurde und dem unterstellt wird, dass ihm der gesamte am Prioritätstag öffentlich zugängliche Stand der Technik bei seiner Entwicklungsarbeit zur Verfügung stand, in der Lage gewesen wäre, den Gegenstand der Erfindung aufzufinden, ohne eine das durchschnittliche Wissen und Können einschließlich etwaiger Routineversuche übersteigende Leistung erbringen zu müssen (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98). Welche Mühe es macht, den Stand der Technik aufzufinden oder heranzuziehen, ist unbeachtlich (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98). Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungsweg nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es daher – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746, 748 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II).

Nach dieser Maßgabe stehen etwaige Kombinationen der in Bezug genommenen Entgegenhaltungen der Annahme einer erfinderischen Tätigkeit nicht entgegen.

aa)
Eine Betrachtung, wonach der Fachmann auf Druckschriften zugreift, die sich nicht mit der Einfärbung von Dentalkeramiken befassen, sondern auf anderen Technikgebieten liegen, erscheint in unzulässiger Weise rückschauend.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Entgegenhaltungen ‘168 (D4), ‘165 (D5), ‘304 (D6), ‘072 (D7), ‘236 (D8) und WO ‘650 (D9), die sich allesamt mit dem Einfärben keramischer Gegenstände mit Farbtönen befassen, die zudem außerhalb des Farbspektrums natürlicher Zähne liegen.

bb)
Die Kammer kann auch nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit feststellen, dass eine Kombination der D2 mit den Entgegenhaltungen ‘179 (D10) und GB ‘872 (D11) aus Sicht des Fachmannes naheliegt.

Aus der D10 und der D11 ist lediglich vorbekannt, einem Keramikpulver färbendes Metalloxid oder eine Lösung eines Metalloxids beizugeben und sodann aus der Mischung einen Keramikrohling herzustellen. Daraus ergibt sich für den Fachmann kein erkennbarer Anlass, die in der Entgegenhaltung D2 zur Herbeiführung eines natürlich Aussehens der Keramik vorgeschlagene Lösung einer Emaillebeschichtung (Anlage B 3, Seite 9, 2. Abs.) durch eine Metallionen- bzw. -komplex-Lösung, wie in den Entgegenhaltungen offenbart, auszutauschen.

cc)
Auch im Hinblick auf eine Kombination der D10 bzw. D11 mit der ‘951 (D12) bzw. der EP ‘897 (D13) lassen sich gute Gründe für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit jedenfalls insoweit finden, als die D12 und die D13 jeweils am Stand der Technik, also dem Aufbringen zusätzlicher Färbeschichten, festhalten (Anlage B 13, Seite 8, Z. 36 – Seite 9, Z.1 und Anlage B 14, Seite 3, Sp. 4, Z. 16 – 19).

2.
Schließlich vermag die technisch nicht fachkundige Kammer auch nicht zu erkennen, dass es der Lehre des Klagepatents an der Ausführbarkeit im Sinne von Art. 83 EPÜ fehlt.

Die Patentbeschreibung enthält jedenfalls hinreichende Angaben und Beispiele, die für eine Ausführbarkeit der Lehre sprechen.

So kann der Fachmann den Absätzen [0014] und [0015] näheres zu dem Lösungsmittel („wässrige oder alkoholische Basis“) sowie Beispiele bevorzugter Salze oder Komplexe entnehmen. Aus dem Absatz [0017] enthält der Fachmann weiter Angaben zu etwaigen bevorzugten Konzentrationsintervallen. Die Patentbeschreibung enthält in den Absätzen [0028] – [0035] weiter Ausführungsbeispiele, bei denen die Transparenz, die Helligkeit, die Rot-Grün- bzw. die Gelb-Blauverschiebung in Abhängigkeit zu ausgewählten Konzentrationen bestimmter Metallionen- bzw. -komplex-Lösungen angegeben sind.

3.
Soweit die Beklagten aus der Einschränkung des Patents DE 199 04 XXX, welches für die Priorität des Klagepatents maßgeblich ist, Anhaltspunkte für die Vernichtung des Klagepatents herleiten, entfaltet dies jedenfalls vorliegend keine indizielle Bedeutung. Aus dem pauschalen Vortrag der Beklagten in diesem Zusammenhang lassen sich keine konkreten Gründe entnehmen, die ihrem Inhalt nach auch für das Klagepatent gelten und deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Einschränkung desselben führen müssen.

V.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 ZPO.

VI.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf 500.000,00 € festgesetzt, wobei auf die Beklagte zu 1) 50 % und auf den Beklagten zu 2) und zu 3) jeweils 25 % entfallen.