4a O 134/14 – Prozesskosten bei Anerkenntnis

Düsseldorfer Entscheidungs Nr.: 2517 

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 28. April 2016, Az. 4a O 134/14    

I. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

II. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

III. Der Streitwert wird auf 400.000,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d

Der Kläger nahm die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 677 XXX auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Die Beklagte hat sämtliche geltend gemachten Ansprüche des Klägers innerhalb der Klageerwiderungsfrist anerkannt und Rechnung gelegt. Sie gibt an, das streitgegenständliche Produkt in zwei Fällen an deutsche Abnehmer verkauft und auf der Messe „A“ 2014 ausgestellt zu haben. Zwei Monate nach der Messe sei der Vertrieb eingestellt worden. Sie gibt einen erzielten Gewinn von 884,40 EUR an.

Eine vorprozessuale Abmahnung seitens des Klägers erfolgte nicht.

Der Kläger gab den Streitwert in seiner Klage mit 500.000,00 EUR an.

Der Kläger ist der Auffassung, eine vorprozessuale Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da die Beklagte das Klagepatent kannte, jedenfalls hätte kennen müssen, also jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt habe.

Der Streitwert sei nunmehr auf 250.000,00 EUR festzusetzen, da die wirtschaftliche Bedeutung der Auseinandersetzung angesichts der Rechnungslegung der Beklagten ersichtlich gering sei.

Die Kammer hat am 18.12.2015 ein den Klageanträgen entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil erlassen.

Der Kläger beantragt nunmehr,
die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,
die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.

Sie ist der Auffassung, die vorgebrachten Erwägungen des Klägers rechtfertigten nicht die Entbehrlichkeit einer vorprozessualen Abmahnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger nach § 93 ZPO aufzuerlegen. Hiernach fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, soweit der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Beklagte hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Veranlassung zur Klage hat der Beklagte gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (Hengst in Zöller, ZPO,31.Auflage, § 93 Rn 3). Im Gewerblichen Rechtsschutz muss der Verletzte in der Regel vor Erhebung der Unterlassungsklage den Verletzenden abmahnen und dieser muss die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigern, um eine solche Klageveranlassung auszulösen (Grabinski/Zülch in Benkard, PatG,11. Auflage, § 139 Rn 163a). Dies ist hier nicht erfolgt. Die Beklagte wurde weder abgemahnt noch vor dem Prozess in irgendeiner anderen Form durch den Kläger auf die Verletzung aufmerksam gemacht.

Umstände, die eine vorherige Abmahnung unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht vorgetragen. Ob eine Abmahnung entbehrlich ist, beurteilt sich nicht nach der Prognose, inwieweit sie tatsächlich erfolgsversprechend sein kann, sondern entscheidend ist vielmehr, ob aus der Sicht des Klägers oder Antragstellers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im betreffenden Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, eine Verwarnung des Verletzenden bei Anlegung eines objektiven Maßstabes für ihn unzumutbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juni 1988 – 2 W 96/88). Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn entweder die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berücksichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht mehr hinnehmbar ist, etwa um besonderen Schaden von dem Kläger abzuwenden, oder sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, der Verletzende baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zu Nutze machen, um mindestens eine Zeitlang ungestört die Verletzungshandlungen begehen zu können und sich gegebenenfalls nach damit erzieltem wirtschaftlichem Erfolg unter Übernahme vergleichsweise niedriger Abmahnkosten zu unterwerfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2002 – 2 W 10/02 – Turbolader II).

Selbst wenn man von einer Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten in Bezug auf das Klagepatent ausginge, folgt allein aus diesem Umstand noch keine Unzumutbarkeit. Es bestanden für den Kläger weiterhin erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Reaktion der Beklagten auf eine Abmahnung. Der Kläger durfte nicht davon ausgehen, dass die Abmahnung in keinem Fall Aussicht auf Erfolg haben werde.
Das Anerkenntnis der Beklagten erfolgte ebenfalls „sofortig“ im Sinne des § 93 ZPO. Zwar erfolgte hier bereits eine Verteidigungsanzeige. Diese ist allerdings unschädlich, soweit, wie hier geschehen, diese keinen Klageabweisungsantrag beinhaltet und das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist erfolgt (vgl. Hengst in Zöller, ZPO, § 93 Rn 4 m.w.N.).

II.
Der Streitwert war auf 400.000,00 EUR festzusetzen.

Der Streitwert ist vom Gericht gemäß § 51 Abs. 1 GKG nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung ankommt (§ 40 GKG). Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterlassungsanspruch, ist entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten patentverletzenden Verhaltens rechnen muss. Die Streitwertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für den oder die bereits vorliegenden, die Wiederholungsgefahr begründenden Verstöße besteht, sondern dahin geht, den Kläger vor künftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Das Interesse an der Rechtsverfolgung richtet sich demgemäß weniger nach dem mit der begangenen Zuwiderhandlung verbundenen wirtschaftlichen Schaden der Partei; ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage außerdem Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.04.2010, Az. 2 W 10/10). Der Streitwertangabe des Klägers kommt für die Festsetzung regelmäßig besonderes Gewicht bei, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe ersichtlich zu niedrig oder offensichtlich überhöht ist. In der Regel ist es deswegen geboten, den Kläger an seiner eigenen Streitwertangabe festzuhalten, die er bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat. Eine Herabsetzung des Streitwertes kommt im Regelfall jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Antrag hierzu erst gestellt wird, nachdem ein voraussichtliches Unterliegen des Klägers absehbar ist oder sogar feststeht (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.04.2010, Az. 2 W 10/10).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint ein Streitwert von 400.000,00 EUR angemessen.

Der Kläger hatte den Streitwert ursprünglich unter Berücksichtigung der Restlaufzeit des Klagepatents, seines eigenen wirtschaftlichen Interesses und der Angebotshandlung der Beklagten mit 500.000,00 EUR angesetzt. Diese Umstände haben sich nicht verändert. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass das Ausmaß der schädigenden Handlung der Beklagten in der Vergangenheit laut ihrer Auskunftserteilung sehr gering war. Insoweit handelt es sich allerdings um einen untergeordneten Aspekt, der nicht in dem von Klägerseite vorgetragenen Maße Einfluss auf die Streitwerthöhe hat. Die von der Kammer vorgenommene Reduzierung des Streitwerts trägt dem geringen Schaden hinreichend Rechnung.

III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.