4a O 297/08 – Wundverband

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1349

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. März 2010, Az. 4a O 297/08

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der jeweiligen Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Wundverbände mit einem perforierten Trägermaterial und einer Schicht von wasserabweisendem Silikongel, die an der Wundoberfläche anliegt, wenn der Verband getragen wird,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wenn
– das Trägermaterial luft- und flüssigkeitsundurchlässig oder in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig ist und
– das Trägermaterial mit Silikongel an nur einer seiner Seiten beschichtet ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 28.06.1997 entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 28.06.1997 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen mit

aa) Liefermengen, -zeiten und -preisen,
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote mit

aa) Angebotsmengen, -zeiten und -preisen,
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,

d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

wobei die unter a) und d) genannten Angaben durch Vorlage der Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen oder Liefer- oder Zollpapiere zu belegen sind,

wobei den Beklagten jeweils vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die jeweilige Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

IV. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die sich in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. auf eigene Kosten zu vernichten oder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben.

V. Die Beklagten werden verurteilt, die vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten, seit dem 29.04.2006 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen

zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und

endgültig zu entfernen, indem die Beklagten diese Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen.

VI. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VII. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 10 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 90 %.

VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500.000,00 EUR, für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die jeweilige Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 633 XXX B1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen in Anspruch. Die Klägerin – vormals firmierend unter A – ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 30.03.1993 unter Inanspruchnahme einer schwedischen Priorität vom 30.03.1992 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 28.05.1997 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte zu 1) reichte beim Bundespatentgericht mit Klageschrift vom 06.05.2009 Nichtigkeitsklage ein mit dem Antrag, das Klagepatent für nichtig zu erklären. Über die Nichtigkeitsklage ist bislang nicht entschieden worden.

Das Klagepatent bezieht sich auf ein Verfahren und eine Anordnung zum Herstellen von Wundverbänden sowie auf einen mit diesem Verfahren hergestellten Wundverband. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 6 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:

6. Wundverband, mit einem perforierten Trägermaterial (2) und einer Schicht von wasserabweisendem Silikongel (3), die an der Wundoberfläche anliegt, wenn der Verband getragen wird,
dadurch gekennzeichnet, dass das Trägermaterial luft- und flüssigkeitsundurchlässig ist, oder in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig ist; und dass das Trägermaterial mit Silikongel an nur einer seiner Seiten beschichtet ist.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 1 zeigt – neben einer Anordnung zum Herstellen eines Wundverbandes – eine schematische Perspektivansicht eines erfindungsgemäßen Wundverbandes. Dessen Schnittansicht entlang der Linien II-II ist in der Figur 2 zu sehen. Die Schnittansicht einer weiteren Ausführungsform ist in Figur 3 abgebildet.

Die Beklagten gehören zur B, die Medizingeräte und Produkte zum Wundmanagement entwickelt und vermarktet. Die Beklagte zu 1) ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der B. Beide Beklagten vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland einen Wundverband unter der Bezeichnung „C“ beziehungsweise „C D“ (angegriffene Ausführungsform). Letzterer ist speziell für Anwendungen an der Ferse geeignet. Die angegriffene Ausführungsform wird von den Beklagten in verschiedenen Größen und Varianten angeboten, von denen sich Muster als Anlagen K 6 und K 7 bei der Akte befinden. Ein Wundverband des Typs „C“ ist nachstehend abgebildet.

Als Hersteller wird auf der Verpackung des Musters die Beklagte zu 2) benannt, im Beipackzettel werden beide Beklagten als Hersteller bezeichnet. Unstreitig stellen die Beklagten die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht im Inland her. In ihrem Internetauftritt werben die Beklagten mit dem dreilagigen Aufbau des angegriffenen Wundverbands, dessen untere Schicht durch eine perforierte Wundkontaktfolie mit einem vollflächig aufgetragenen hypoallergenen Kleber gebildet wird. Im Produktkatalog der Beklagten zu 1) wird die angegriffene Ausführungsform als Wundverband aus Polyurethanschaum beschrieben, der eine Silikon-Gel-Beschichtung aufweist.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere sei das aus Polyurethan bestehende Trägermaterial luft- und flüssigkeitsundurchlässig, da dieses Material auch in der Klagepatentschrift als Trägermaterial genannt werde.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen,

wobei der Antrag zu I. (entspricht der Tenorierung zu Ziffer I.) und die darauf rückbezogenen Anträge zusätzlich die Handlung des „Herstellens“ der Wundverbände umfasst,

wobei der Antrag zu III. (entspricht der Tenorierung zu Ziffer III.) zusätzlich die Angabe der Herstellungsmengen und -zeiten umfasst und

wobei der Antrag zu IV. (entspricht der Tenorierung zu Ziffer IV.) auch die Verurteilung der Beklagten zu 2) umfasst.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Entscheidung in dem gegen das Klagepatent anhängigen Nichtigkeitsverfahren auszusetzen,

hilfsweise ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleitung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagten sind der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt, weil das Trägermaterial nicht luft- und flüssigkeitsundurchlässig sei, jedenfalls aber in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen nicht nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig sei. Dies gehe aus den von ihnen – den Beklagten – durchgeführten Messungen hervor, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlagen VP 7 und VP 8 nebst Übersetzung). Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren auch nicht als rechtsbeständig erweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz dem Grunde nach, Vernichtung (nur Beklagte zu 1)), Rückruf aus den Vertriebswegen, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch, so dass die Klage in der Sache weitgehend Erfolg hat. Die geltend gemachten Ansprüche bestehen jedoch nicht, soweit die Klägerin die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform angreift und von der Beklagten zu 2) die Vernichtung der beanstandeten Wundverbände verlangt. Eine Aussetzung der Verhandlung ist nicht veranlasst.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 6 einen Wundverband.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass im Stand der Technik ein Wundverband aus den Patentanmeldungen EP-A-0 261 XXX und EP-A-251 810 bekannt sei. Bei dem Wundverband nach der EP-A-0 261 XXX sei das Trägermaterial vollkommen von dem Silikongel eingeschlossen, obwohl Öffnungen durch den Verband verblieben. Beim Herstellen eines derartigen Wundverbandes werde das Trägermaterial in eine Mischung der Komponenten getaucht, die, sobald ausgehärtet, das wasserabweisende Silikongel bildeten. Das Trägermaterial werde dann zu einem Aushärt-Ofen befördert, in dem das Trägermaterial ausgehärtet werde. Um sicherzustellen, dass das Silikongel gleichmäßig auf beiden Seiten des Trägermaterials verteilt ist und die Perforationen nicht mit Gel zugesetzt werden, werde das Trägermaterial zu dem Ofen in einem relativ komplizierten Pfad geführt. In der Klagepatentschrift wird als nachteilig kritisiert, dass diese bekannte Methode nicht für hohe Produktionsraten geeignet sei.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, ein Verfahren bereitzustellen, das es solchen Wundverbänden ermöglicht, in einer hohen Produktionsrate und in einer einfachen und zuverlässigen Art hergestellt zu werden.

Die Erfindung betrifft laut Klagepatentschrift neben dem Verfahren zur Herstellung von Wundverbänden auch Vorrichtungen zur Durchführung dieses Verfahrens (Patentansprüche 4 und 5) und einen entsprechenden Wundverband (Patentansprüche 6 bis 10). Die Klägerin macht vorliegend den Klagepatentanspruch 6 geltend, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

Wundverband,
1. mit einem Trägermaterial (2),
1.1 das Trägermaterial (2) ist perforiert,
1.2 das Trägermaterial (2) ist luft- und flüssigkeitsundurchlässig oder in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig,
1.3 das Trägermaterial (2) ist an nur einer seiner Seiten mit Silikongel beschichtet,
2. mit einer Schicht von Silikongel (3),
2.1 das Silikongel ist wasserabweisend,
2.2 die Schicht von Silikongel (3) liegt an der Wundoberfläche an, wenn der Verband getragen wird.

Der erfindungsgemäße Wundverband besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten, zum einen aus einem Trägermaterial und zum anderen aus Silikongel, mit dem (genau) eine der Seiten des Trägermaterials beschichtet ist. Das Trägermaterial soll nach der Lehre des Klagepatentanspruchs perforiert, im Übrigen aber luft- und flüssigkeitsundurchlässig sein, jedenfalls aber in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen nur geringfügig Luft und Flüssigkeit durchlassen. Die Perforationen dienen dazu, dass abgesonderte Wundflüssigkeit durch den auf der Wunde aufliegenden Wundverband hindurchtreten und auf der anderen Seite absorbiert werden kann (vgl. S. 6, letzter Absatz; Textstellen ohne Bezugsangabe beziehen sich auf die Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage K 2). Die allenfalls nur geringe Durchlässigkeit des Trägermaterials für Luft und Flüssigkeiten gewinnt ihre Funktion aufgrund des in der Klagepatentschrift beschriebenen Herstellungsverfahrens für den Wundverband.

Das Klagepatent schlägt zur Herstellung des erfindungsgemäßen Wundverbandes vor, zunächst das perforierte Trägermaterial mit der Silikonmischung zu beschichten, die vor dem Aushärten die Konsistenz einer dicken, viskosen Flüssigkeit aufweist. Danach wird kalte Luft auf die untere Seite des Trägermaterials geblasen und bläst die Silikonmischung in die Bereiche über die Perforationen weg, um durchdringende Löcher in der Silikonmischung vorzusehen. Anschließend wird heiße Luft auf die untere Seite des Trägermaterials geblasen, um die Silikonmischung auszuhärten (S. 2 dritter Absatz; S. 4 letzter Absatz bis S. 5 erster Absatz). Die Funktion der Luftundurchlässigkeit beziehungsweise der nur geringfügigen Luftdurchlässigkeit des Trägermaterials besteht daher darin zu verhindern, dass die Silikonmischung während des Herstellungsprozesses vom Trägermaterial weggeblasen wird (S. 5 dritter Absatz). Die allenfalls geringfügige Durchlässigkeit für Flüssigkeiten soll verhindern, dass die zu Beginn des Herstellungsverfahrens dick-viskose Silikonmischung vor dem Aushärten in das Trägermaterial diffundiert und hindurchfließt (S. 5 dritter Absatz).

Vor diesem Hintergrund kann ein Trägermaterial als geringfügig flüssigkeitsdurchlässig im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs angesehen werden, wenn die Silikonmischung nicht durch das Trägermaterial hindurchfließen kann. Ebenso führt der Umstand, dass ein Trägermaterial luftdurchlässig ist, nicht aus der Lehre des Klagepatentanspruchs heraus, wenn die Durchlässigkeit so geringfügig ist, dass die Silikonmischung während des in der Klagepatentschrift beschriebenen Herstellungsprozesses nicht vom Trägermaterial geblasen wird. Als geeignete Trägermaterialien werden in der Beschreibung des Klagepatents relativ weiche Kunststoffbahnen sowie Polyethylen, Polyamid, Polyurethan, Silikonfolien und dergleichen vorgeschlagen (S. 5 letzter Absatz).

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten, der Klagepatentanspruch sei insofern eindeutig, als dass der Fachmann aufgrund des Wortlauts des Klagepatentanspruchs ein klares Verständnis vom Begriff „luft- und flüssigkeitsundurchlässig“ habe, wonach das Trägermaterial weder Luft noch Flüssigkeit durchlassen dürfe. Dieses negative Merkmal dürfe nicht im Wege der Auslegung auf die Durchlässigkeit für eine Silikonmischung begrenzt und dadurch der Erfindungsgegenstand erweitert werden. Diese Auffassung greift jedoch nicht durch. Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Inhalt bedeutet nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ. Danach dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube m.w.N.).

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung der hier vorgenommenen Auslegung weiterhin entgegengehalten, dass der streitgegenständliche Erzeugnisanspruch unter Rückgriff auf das ebenfalls mit dem Klagepatent geschützte Herstellungsverfahren ausgelegt werde, obwohl es sich bei dem Wundverband um ein Erzeugnis handele, dessen Herstellung abgeschlossen sei und für den die Luft- und Flüssigkeitsundurchlässigkeit keine Bedeutung habe. Der Begriff „Luft- und Flüssigkeitsundurchlässigkeit“ sei mit Blick auf die Beschreibung des Klagepatents (dort S. 6 letzter Absatz) vielmehr so zu verstehen, dass die nicht mit Silikongel beschichtete Seite des Trägermaterials eine gleichmäßige und glatte Oberfläche aufweisen müsse, um eine geringe Klebebindung zu irgendeiner getrockneten Wundflüssigkeit aufzuweisen, die beim Tragen des Verbandes durch die Perforation abgesondert worden sein könnte. Auch dieser Auffassung kann aufgrund der vorstehend wiedergegebenen Auslegungsgrundsätze nicht gefolgt werden. Die Wortwahl in der von den Beklagten zur Begründung ihrer Ansicht herangezogenen Beschreibung des Klagepatents (S. 6 letzter Abs.), die Seite des Trägermaterials habe „vorzugsweise“ eine gleichmäßige und glatte Oberfläche mit geringer Klebebindung, weist diese Textstelle als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt jedoch regelmäßig keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung m.w.N.). Abgesehen davon hat eine gleichmäßige und glatte Gestaltung der Oberfläche des Trägermaterials nichts mit der Frage zu tun, ob das Trägermaterial selbst luft- und flüssigkeitsundurchlässig ist. Dass die Auslegung des Begriffs der Luft- und Flüssigkeitsundurchlässigkeit unter Rückgriff auf die Merkmale des in der Klagepatentschrift beschriebenen Herstellungsverfahrens erfolgt, ist unschädlich. Bei einem Erzeugnisanspruch, wie er vorliegend geltend gemacht wird, wird Schutz für eine durch bestimmte räumlich-körperliche Gestaltungsmerkmale gekennzeichnete Vorrichtung oder Sache beansprucht. Ob insofern die erfindungswesentlichen Gestaltungsmerkmale – hier die allenfalls geringfügige Luft- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit – für den späteren Gebrauch des Erzeugnisses von Bedeutung sind, ist unbeachtlich. Gleiches gilt für die Frage, ob die Eigenschaften für ein – gegebenenfalls gar nicht angewandtes – Herstellungsverfahren erforderlich sind. Maßgeblich ist, was nach der Auslegung des Klagepatentanspruchs unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen unter den erfindungsgemäßen Gestaltungsmerkmalen zu verstehen ist. Insofern können auch die Eigenschaften des in der Klagepatentschrift vorgeschlagenen Herstellungsverfahrens zur Klärung der Bedeutung des Begriffs „luft- und flüssigkeitsundurchlässig“ beitragen.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch. Dies ist zwischen den Parteien zu recht unstreitig, soweit nicht die Luft- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit des Trägermaterials in Frage steht (Merkmal 1.2). Aber auch das Merkmal 1.2 des Klagepatentanspruchs wird wortsinngemäß verwirklicht, weil die angegriffene Ausführungsform ein Trägermaterial aufweist, das in seinen zwischen den Perforationen liegenden Teilen allenfalls geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig ist, wie es von der Lehre des Klagepatentanspruchs nach der vorstehend vorgenommenen Auslegung verlangt wird.

Das als „E“ oder „F“ bezeichnete Trägermaterial der angegriffenen Ausführungsform besteht zu 95 % aus Polyurethan und zu 5 % aus Verarbeitungshilfsmitteln. In der Beschreibung des Klagepatents wird eine weiche Kunststoffbahn aus Polyurethan als geeignetes Trägermaterial und insofern als im Sinne des Klagepatentanspruchs geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig angesehen. Davon ausgehend ist es grundsätzlich Sache der Beklagten zu widerlegen, weshalb trotz Verwendung des in der Klagepatentschrift als bevorzugt genannten Trägermaterials die erfindungsgemäßen Eigenschaften in der Form einer nur geringfügigen Luft- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erzielt werden. Dem genügt der Vortrag der Beklagten nicht.

Soweit die Beklagten bestreiten, dass das für die angegriffene Ausführungsform verwendete Trägermaterial nicht nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig sei, greift dies nicht durch. Die vom Pira International Institut in Großbritannien durchgeführten Messungen, deren Ergebnisse von den Beklagten als Anlage VP 7 vorgelegt worden sind, vermögen die Behauptung der Beklagten nicht zu stützen. Denn die Versuche bezogen sich auf die Sauerstoffdurchlässigkeit des Trägermaterials F, nicht aber auf dessen Luftdurchlässigkeit, worauf auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat. Es ist nicht dargelegt, inwiefern die Erkenntnisse über eine Sauerstoffdurchlässigkeit des Trägermaterials auf die Luftdurchlässigkeit übertragbar sind. Aus diesem Grund tragen auch die von den Beklagten zu 1) zur Wasserdampf- und Wasserdurchlässigkeit des Trägermaterials durchgeführten Versuche (Anlage VP 8) nichts zur Beantwortung der Frage bei, ob das Trägermaterial der angegriffenen Ausführungsform die erfindungsgemäßen Anforderungen an die Luft- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit erfüllt. Denn zu recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Versuche zur Wasserdampfpermeabilität keine Aussagen über eine allenfalls geringfügige Luft- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit des Trägermaterials zulassen. Ähnliches gilt für die Wasserdurchlässigkeit des Trägermaterials. Das Messergebnis, dass das Material F im Durchschnitt Wasser im Umfang von 626 g/m²/24h und damit bis zu 20 mal mehr Wasser als die Vergleichsproben durchlässt, sagt noch nichts darüber aus, ob das Trägermaterial entgegen der Lehre des Klagepatentanspruchs mehr als nur geringfügig flüssigkeitsdurchlässig ist. Nach der vorstehend vorgenommenen Auslegung ist ein Trägermaterial dann noch als nur geringfügig flüssigkeitsdurchlässig im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs anzusehen, wenn eine dick-viskose Silikonmischung nicht durch das Trägermaterial hindurchfließen kann. Es ist nicht dargelegt, wie mittels der Wasserdurchlässigkeit des Trägermaterials eine Aussage über die Flüssigkeitsdurchlässigkeit im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs getroffen werden kann. Es ist vielmehr aufgrund der Beschreibung des Klagepatents davon auszugehen, dass eine Folie aus Polyurethan grundsätzlich ein erfindungsgemäßes Trägermaterial darstellt, das allenfalls geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig ist.

Abgesehen davon sagen die Messergebnisse für sich genommen ohne die Darlegung von Permeabilitätswerten eines erfindungsgemäßen Trägermaterials nichts aus. Die Beklagten haben den Werten für die von ihnen verwendete „F“-Folie zwar die Versuchsergebnisse für andere Materialien gegenüber gestellt. Zutreffend hat die Klägerin aber in Zweifel gezogen, ob es sich bei einem schwarzen Silikonverpackungsband um ein vergleichbares Trägermaterial für einen Wundverband handelt. Gleiches gilt auch für den aus einem Polyesterkern, Polypropylenschichten und einem Silikontrennsystem bestehenden Liner für die Extrusion von Polyurethanfolien, für die als Liner zum Auftragen von Kleber für Laborprüfungen verwendete Polypropylenfolie und für das aus Aluminiumfolienbahn mit Papier und Polymerfolie bestehende Beutelmaterial für Verpackungen (vgl. S. 2 Anlage VP 8 bzw. VP 8Ü).

III.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt. Die Klägerin kann jedoch nicht die Unterlassung der weiteren Herstellung der angegriffenen Ausführungsform verlangen, da sie selbst vorgetragen hat, dass die Beklagten die angegriffene Ausführungsform zwar herstellen, dies allerdings – soweit bekannt – nicht im Inland tun. Dass die Beklagten auf der Packung und in der Packungsbeilage als Hersteller benannt sind, genügt nicht.

2. Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagten die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.

3. Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die ihr zustehende Entschädigung und den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Allerdings kann die Klägerin von den Beklagten nicht die geforderte Auskunft zu den Herstellungsmengen und -zeiten verlangen, weil nicht dargelegt ist, dass sie die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland herstellen. Die Klägerin ist im Übrigen auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4. Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 139 Abs. 1 PatG liegen vor. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1) nicht in Abrede gestellt, zumindest im Besitz des beanstandeten Aufbausystems zu sein. Dies liegt bereits deswegen nahe, da diese Beklagte ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und die angegriffene Ausführungsform hier vertreibt. Das gilt hingegen nicht für die in Großbritannien ansässige Beklagte zu 2), für die nicht dargelegt ist, dass sie im Inland Besitz an der angegriffenen Ausführungsform hat.

5. Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückruf des beanstandeten Wundverbands aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG, da die Beklagten mit der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzen, ohne dazu berechtigt zu sein. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG. Der Anspruch bezieht sich jedoch nur auf Gegenstände, die seit dem 29.04.2006 in den Verkehr gelangt sind, da die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) erst zu diesem Zeitpunkt in nationales Recht umgesetzt werde musste und seitdem ein Anspruch aus §§ 139 Abs. 1 PatG, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Durchsetzungsrichtlinie auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen bestand.

IV.
Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung zumindest bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) besteht keine hinreichende Veranlassung.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden Verletzungsrechtsstreits.

1. Die von den Beklagten als neuheitsschädlich entgegengehaltene europäische Patentschrift 0 251 810 B2 (Anlage VP 4, in deutscher Übersetzung Anlage VP 4Ü, in der Nichtigkeitsklage als VP 3 bzw. VP 3Ü bezeichnet) steht einer Aussetzung der mündlichen Verhandlung entgegen, weil sie im Erteilungsverfahren berücksichtigt wurde und daher geprüften Stand der Technik darstellt. Darüber hinaus bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass in der Entgegenhaltung EP 0 251 810 B2 kein Wundverband offenbart ist, der ein allenfalls geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässiges Trägermaterial aufweist, das an nur einer Seite mit Silikongel beschichtet ist. Die Beklagten haben zwar darauf hingewiesen, dass in der Entgegenhaltung eine Ausführungsform beschrieben wird, die eine oder mehrere Schicht(en) eines Trägermaterials umfasst, das auf der einen Fläche mit einem klebenden Silikongel und auf der anderen Fläche mit einem nicht klebenden Silikon-Elastomer beschichtet ist (S. 8 letzter Absatz bis S. 9 erster Absatz der Anlage VP 4Ü). Es bestehen aber durchgreifende Zweifel, ob diese Ausführungsform eines Verbandes ein luft- und flüssigkeitsundurchlässiges Trägermaterial im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs aufweist. Die Textstelle verweist für das Trägermaterial zunächst „auf das oben beschriebene durchlöcherte Material“ (S. 9 Z. 1 der Anlage VP 4Ü), im weiteren Verlauf der Beschreibung der Ausführungsform wird jedoch dargestellt, dass „diese Art von Verband durch Beschichten einer Gazeschicht“ mit den entsprechenden Silikonschichten gebildet werden könne (S. 9 Z. 6 f der Anlage VP 4Ü). Eine Gazeschicht wird man kaum als nur geringfügig luft- und flüssigkeitsdurchlässig ansehen können. Soweit die Beklagten darauf verweisen, dass die Beschreibung der Ausführungsform in der Entgegenhaltung mit dem „oben beschriebenen durchlöcherten Material“ unter anderem auf einen durchlöcherte Kunststofffilm Bezug nehme (S. 8 Abs. 2 Z. 2 der Anlage VP 4Ü), steht dem die Überlegung entgegen, dass ein Kunststofffilm keine Beschichtung mit einem nicht-klebenden Silikon-Elastomer benötigt, um mit der Kleidung des Trägers des Wundverbands in Berührung kommen zu können, und die Entgegenhaltung ausdrücklich die Gazeschicht als Trägermaterial für die beschriebene Ausführungsform benennt. Jedenfalls nach den vorgenannten Aussetzungsgrundsätzen besteht daher keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Nichtigkeitsklage.

2. Die Entgegenhaltung US 4,921,XXX (VP 5 bzw. in der Nichtigkeitsklage VP 4) entspricht nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) der Patentanmeldung EP 0 261 XXX. Diese wird jedoch in der Klagepatentschrift diskutiert und stellt insofern geprüften Stand der Technik dar, der eine Aussetzung der Verhandlung nicht zu begründen vermag. Abgesehen davon wird in der Entgegenhaltung US 4,921,XXX nicht offenbart, dass das Trägermaterial an nur einer seiner Seiten mit Silikongel beschichtet ist (Merkmal 1.3). Vielmehr soll das Gel so aufgebracht werden, dass alle Bestandteile des Gewebes umschlossen werden („seal around all constituents of the netting“, Sp. 2 Z. 8 f und Z. 30 f der Anlage VP 5 bzw. VP 4). Lediglich eine begrenzte Anzahl von Faserenden darf das Silikongel durchdringen und aus der Oberfläche des Verbands hervorstehen (Sp. 2 Z. 33 ff der Anlage VP 5 bzw. VP 4). Einen Hinweis darauf, dass die Beschichtung nur auf einer Seite des Trägermaterials erfolgen soll, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus der Figur 2 der Entgegenhaltung.

3. Die Lehre des Klagepatentanspruchs ist auch im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der britischen Patentschrift GB 713,XXX (Anlage VP 3, in der Nichtigkeitsklage VP 5 und in deutscher Übersetzung VP 5-NI Ü) neu. Denn diese offenbart nicht, dass für die Beschichtung des Trägermaterials ein Silikongel zu verwenden ist (Merkmal 2). Es wird vielmehr lediglich beschrieben, dass der poröse Träger mit einer Adhäsionsflüssigkeit beschichtet wird, die anschließend unter Luftzufuhr aushärtet (S. 1 Z. 28-45 der Anlage VP 3 bzw. S. 2 der Anlage VP 5-NI Ü). Der Hinweis, dass in den meisten Fällen die flüssige Beschichtung durch eine Mischung eines Adhäsionsmittels mit einem Lösungsmittel zwecks Verteilung des Adhäsionsmittels erfolgen soll, spricht sogar gegen jede Verwendung eines Silikongels (S. 1 Z. 71 ff der Anlage VP 3 bzw. S. 3 der Anlage VP 5-NI Ü).

4. Es kann schließlich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Lehre des Klagepatentanspruchs durch die GB 713,XXX (Anlage VP 3 bzw. VP 5 und VP 5-NI Ü) in Kombination mit der Entgegenhaltung EP 0 251 810 B2 (Anlage VP 4 und VP 4Ü bzw. VP 3 bzw. VP 3Ü) oder der US 4,921,XXX (VP 5 bzw. VP 4) nahegelegt ist. Die Beklagte zu 1) hat nicht erläutert, warum der Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung GB 713,XXX Veranlassung gehabt haben sollte, statt der flüssigen Adhäsionsbeschichtung nunmehr ein Silikongel zu verwenden. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents am 30.03.1992 die gängigsten Klebeschichten für Wundauflagen Klebstoffe auf Acrylbasis gewesen seien, die zudem sehr viel günstiger als die Kosten für Silikongele gewesen seien. Insofern bestehen vernünftige Gründe, um davon auszugehen, dass der Fachmann eben nicht ohne weiteres die aus der GB 713,XXX bekannte flüssige Adhäsionsbeschichtung durch die Verwendung von Silikongel ersetzt, zumal nicht dargelegt ist, dass sich das in der GB 713,XXX beschriebene Beschichtungsverfahren auch für die Beschichtung mit einem Silikongel eignet.

5. Die Ausführungen in der als Anlage VP 6 vorgelegten Mitteilung des amerikanischen Patent- und Markenamtes (USPTO) vom 26.06.2009 zur Stattgabe eines Reexamination-Verfahrens geben keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung über den Aussetzungsantrag. Abgesehen davon, dass Gegenstand des Verfahrens ein anderes Patent in einer anderen Rechtsordnung ist, ist das Verfahren auch noch nicht beendet, so dass bislang nicht feststeht, ob das USPTO die Schutzfähigkeit der angegriffenen Patentansprüche verneint (was für das hiesige Verfahren ohnehin nicht bindend wäre).

V.
Die weiteren nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten rechtfertigen eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von den Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht haben.