4c O 56/16 – Nicht-invasiver Pränaltest

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2611

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 20. Dezember 2016, Az. 4c O 56/16

Leitsätze (nichtamtlich):

1. Der Fachmann entnimmt dem Begriff der Diagnose die Bestimmung eines Zustandes. Dabei setzt der Begriff keine hundertprozentige Sicherheit bei der Bestimmung des Zustandes voraus. Denn weder der allgemeine Sprachgebrauch noch das Verständnis des Verfügungspatentes setzen im Rahmen einer Diagnose einen hundertprozentigen Nachweis voraus.

2. Nach dem medizinischen Verständnis ist eine Diagnose die Feststellung oder Bestimmung einer körperlichen oder psychischen Krankheit. Eine Diagnose entsteht durch die zusammenfassende Beurteilung einzelner Befunde wie beispielsweise Beschwerden, Krankheitszeichen oder typischer Gruppen von Symptomen. Eine solche zusammenfassende Beurteilung einzelner Befunde führt auch nur zu einer Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Andere Ursachen werden hierdurch nicht ausgeschlossen.

I. Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 13. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die weiteren Kosten des Verfahrens tragen die Verfügungsbeklagten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die weitere Vollziehung der einstweiligen Verfügung wird von einer Sicherheitsleistung der Verfügungsklägerin in Höhe von EUR 500.000,00 abhängig gemacht. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, un-bedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 994 XXX B2 (nachfolgend Verfügungspatent, Anlage rop 2, deutsche Übersetzung Anlage rop 2a) auf Unterlassung in Anspruch. Die Anmeldung des Verfügungspatentes, welches die Priorität vom 4. März 1997 aus der GB 970 4X XX in Anspruch nimmt, erfolgte am 4. März 1998 als internationale Patentanmeldung PCT/GB1998/000XXX. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 11. September 1998 unter der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 1998/039XXX. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents durch das Europäische Patentamt (nachfolgend EPA) wurde am 14. Mai 2003 im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht.

Gegen die Erteilung des Verfügungspatentes ist Einspruch erhoben worden. Die Einspruchsabteilung des EPA hat das Verfügungspatent in geändertem Umfang aufrechterhalten (Anlage rop 4, 4a). Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde von der Technischen Beschwerdekammer bestätigt (Anlage rop 5, 5a). Die neue europäische Patentschrift wurde am 6. Juni 2012 veröffentlicht.

Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents ist die Verfügungsklägerin. Das Verfügungspatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Das in englischer Sprache erteilte Verfügungspatent hat eine nicht-invasive pränatale Diagnose zum Gegenstand. Die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 18 des Verfügungspatents haben in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

„A detection method performed on a maternal serum or plasma sample from a pregnant female, which method comprises detecting the presence of a nucleic acid of foetal origin in the sample, wherein said nucleic acid is a paternally inherited sequence which is not possessed by said pregnant female.“ (Patentanspruch 1)

„A method of performing a prenatal diagnosis, which method comprises:

(i) Providing a maternal blood sample;
(ii) separating the sample into a cellular and a non-cellular fraction;
(iii) detecting the presence of a nucleic acid of foreign origin in the non-cellular fraction using the method of any one of claims 1 to 17; and
(iv) providing a diagnosis based on the presence and/or quantity and/or sequence of the foetal nucleic acid.“ (Patentanspruch 18)

In deutscher Übersetzung lauten die Patentansprüche 1 und 18 folgendermaßen:

„Detektionsverfahren, vorgenommen an einer maternalen Serum- oder Plasmaprobe von einer schwangeren Frau, welches Verfahren das Nachweisen des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe umfasst, wobei die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt.“ (Patentanspruch 1)

„Verfahren zum Durchführen einer pränatalen Diagnose, welches Verfahren umfasst:

(i) Bereitstellen einer maternalen Blutprobe;
(ii) Auftrennen der Probe in eine zelluläre und eine nicht-zelluläre Fraktion;
(iii) Detektieren des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der nicht-zellulären Fraktion unter Anwendung des Verfahrens nach jedem der Ansprüche 1 bis 17; und
(iv) Stellen einer Diagnose auf der Basis des Vorhandenseins und/oder der Menge und/oder der Sequenz der fötalen Nukleinsäure.“ (Patentanspruch 18)

Die Verfügungsklägerin hat der A, Inc. eine Lizenz an dem Verfügungspatent eingeräumt. Diese Lizenz betrifft nicht-invasive Pränataltests für den Nachweis von Chromosomenstörungen des Fötus anhand zellfreier DNA aus dem Blut der Mutter. A leistet der Verfügungsklägerin Lizenzzahlungen, die sich nach dem Erfolg der nicht-invasiven Pränataltests berechnen. A, Inc. bietet auf dem Gebiet nicht-invasiver Pränataltests das B-Verfahren an, das den Nachweis von Chromosomenstörungen des Fötus anhand von zellfreier DNA, die aus dem Blut der Mutter gewonnen wurde, ermöglicht. In Deutschland werden nicht-invasive Pränataltests, die auf dem B-Verfahren beruhen, durch Kooperationspartner unter der Marke C vermarktet.

Die Verfügungsbeklagten wenden einen nicht-invasiven Pränataltest unter der Bezeichnung D (nachfolgend angegriffene Ausführungsform) in Laboren an, welche die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2), deren Geschäftsführer die Verfügungsbeklagten zu 3) und 4) sind, betreiben. Die angegriffene Ausführungsform ist ein nichtinvasiver Pränataltest (NIPT) für die Risikobestimmung von Chromosomenstörungen des Fötus anhand der Analyse von zellfreier DNA (cfDNA), die aus dem Blut der Mutter stammt. Er erfasst das Risiko für die Trisomien 21, 18 und 13 sowie die Monosomie X (Turner-Syndrom). Weiterhin kann die angegriffene Ausführungsform zur Bestimmung des Geschlechts des Fötus eingesetzt werden. Der Test kann ab der 10. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Nachfolgend wiedergegeben wird Seite 2 aus einem Informationsblatt mit der Bezeichnung „E“ (Anlage rop 10), welches auf der Website der F Holding AG, der Holdinggesellschaft der Verfügungsbeklagten heruntergeladen werden kann.

Der Ablauf des Testverfahrens ist nachfolgend schematisch wiedergegeben und wurde von der Verfügungsklägerin erstellt.

Für das angegriffene Verfahren werden maternale Blutproben durch einen Gynäkologen entnommen und in die Labore der Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) versandt. Im Labor wird das Plasma vom Blut abgetrennt und die zellfreie DNA aus dem Plasma extrahiert. Der Nachweis der untersuchten Anomalien erfolgt mittels einer zielgerichteten Analyse der zellfreien DNA durch G-Assay (XXX). Die konkrete Durchführung des Verfahrens kann der Publikation von Sparks et al., Noninvasive prenatal detection and selective analysis of cell free DNA obtained from maternal blood: evaluation for trisomy 21 and trisomy 18, in American Journal of Obstetrics and Gynecology 2012, 206:319,e1-9 (Anlage AG 1, deutsche Übersetzung Anlage rop AG 1a, nachfolgend Sparks et al.) entnommen werden.

Das G-Assay ist ein Analyseverfahren, welches bestimmte Fragmente zellfreier DNA analysiert. Hierzu werden Bereiche (Loci) der Chromosomen X, 13, 18 und 21 sowie von Referenzchromosomen amplifiziert. Aus dem relativen Mengenverhältnis der für die Chromosomen X, 13 18, und 21 sowie die Referenzchromosomen amplifizierten Loci kann auf die Wahrscheinlichkeit einer Aneuploidie geschlossen werden, da z.B. im Fall der Trisomie 21 die Menge der entsprechenden Loci relativ zu den Referenzchromosomen wegen des zusätzlichen Chromosoms 21 erhöht ist. Um den Chromosomenanteil zu bestimmen, werden Assays gegen 576 nicht-polymorphe Loci auf jedem von den Chromosomen designt, wobei jeder Assay aus drei Locus-spezifischen Oligonukleotiden besteht. Weiterhin werden bestimmte SNPs (Single Nucleotide Polymorphism) auf den Chromosomen 1 bis 12 analysiert.

Im G-Assay findet eine Vermehrung von Nukleinsäuren der Probe statt. Hierzu werden Oligonukleotide eingesetzt, die nicht für eine bestimmte Nukleinsäure spezifisch sind. Sie enthalten jeweils eine künstliche Sequenz, die für die spätere Detektion verwendet wird. Die Detektion in der angegriffenen Ausführungsform findet in einem Microarray statt. Hierzu werden aus den G-Produkten zunächst sämtliche ursprünglich genomischen Sequenzen abgespalten und aus dem Reaktionsgemisch entfernt. Die verbleibenden Oligonukleotide werden mit dem Microarray in Kontakt gebracht und ihre Anwesenheit an vorbestimmten Stellen des Microarray über die Stärke eines an sie gebundenen Signals detektiert. Die Signalverteilung auf dem Microarray dient als Grundlage für die Berechnung mittels des H-Algorithmus. Mit diesem werden die Signalstärken der Signalverteilung auf dem Microarray zueinander in Relation gesetzt und aus dieser Verteilung ein Risiko ermittelt. Nachfolgend wiedergegeben ist ein von den Verfügungsbeklagten ausgehändigtes Befundergebnis (Anlage AG 2).
Nachdem die Verfügungsklägerin Kenntnis von einer Pressemitteilung vom 5. September 2016 (Anlage rop 1) erlangt hat, in welcher berichtet wurde, dass die Verfügungsbeklagten die Ausführung der angegriffenen Ausführungsform in ihren Laboren in Deutschland anbieten und durchführen, beantragte die Verfügungsklägerin mit Antragsschrift vom 5. Oktober 2016 den Erlass einstweiliger Maßnahmen. Unter dem 22. Juli 2016 hinterlegten u.a. die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) eine Schutzschrift, mit welcher die Verfügungsbeklagten Einwendungen gegen die zeitliche Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung erhoben und einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden der Antragstellerin sowie ihrer Lizenznehmerin in Abrede stellten.

Die Kammer untersagte den Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 5. Oktober 2016,

1. Detektionsverfahren, vorgenommen an einer maternalen Serum- oder Plasmaprobe von einer schwangeren Frau, welches Verfahren das Nachweisen des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe umfasst, wobei die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt,

in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden;

2. Verfahren zum Durchführen einer pränatalen Diagnose, welches Verfah-ren umfasst:

(i) Bereitstellen einer maternalen Blutprobe;
(ii) Auftrennen der Probe in eine zelluläre und eine nicht-zelluläre Fraktion;
(iii) Detektieren des Vorhandenseines einer Nukleinsäure von fötalem Ur-sprung in der nicht-zellulären Fraktion unter Anwendung eines Verfah-rens, vorgenommen an einer maternalen Serum- oder Plasmaprobe von einer schwangeren Frau, welches Verfahren das Nachweisen des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe umfasst, wobei die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt; und

(iv) Stellen einer Diagnose auf der Basis des Vorhandenseins und/oder der Menge und/oder der Sequenz der fötalen Nukleinsäure,

in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden.

Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 legten die Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss der Kammer Widerspruch ein und beantragten gleichzeitig die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss – notfalls gegen Sicherheitsleistung – einzustellen, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss – notfalls gegen Sicherheitsleistung – hinsichtlich aller maternalen Blutproben einstweilen einzustellen, die den Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) bis zum 17. Oktober 2016 bereits abgegeben und/oder zur Untersuchung zur Verfügung gestellt worden sind. Mit Beschluss der Kammer vom 17. Oktober 2016 stellte die Kammer die Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Rahmen des Hilfsantrages ein, im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass sowohl ein Verfügungsanspruch wie ein Verfügungsgrund vorliegen würden.

Ein Verfügungsanspruch liege vor, da die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Verfügungspatent unmittelbaren Gebrauch mache. Die angegriffene Ausführungsform stelle ein Detektionsverfahren dar, mit welchem eine Nukleinsäure fötalen Ursprungs in einer maternalen Serum- oder Plasmaprobe nachgewiesen werden kann, wobei die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist.

Ein Verfügungsgrund liege vor. Der Rechtsbestand sei hinreichend gesichert. Die Einspruchsbeschwerdekammer habe mit Entscheidung vom 13. Dezember 2011 die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. Dezember 2006 bestätigt. Auch bestehe die zeitliche Dringlichkeit. Die Verfügungsklägerin habe erst mit der Pressemitteilung vom 5. September 2016 sichere Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsbeklagten gehabt. Die erforderliche Interessenabwägung müsse zu ihren Gunsten ergehen, da die angegriffene Ausführungsform in einen preislichen Wettbewerb mit der durch die Lizenznehmerin der Verfügungsklägerin angewandten Ausführung trete.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

den Beschluss der Kammer vom 5. Oktober 2016 aufrechtzuerhalten und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung den Antrag auf Leistung von Prozesskostensicherheit zurückgenommen haben,

die einstweilige Verfügung vom 5. Oktober 2016 aufzuheben und den Antrag der Verfügungsklägerin vom 5. Oktober 2016 zurückzuweisen.

Sie meint, es fehle sowohl an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs, als auch eines Verfügungsgrundes. Ein Verfügungsanspruch liege nicht vor, da die angegriffene Ausführungsform von den Patentansprüchen 1 und 18 keinen Gebrauch mache. Die angegriffene Ausführungsform habe weder ein Detektionsverfahren zum Gegenstand noch werde eine Nukleinsäure fötalen Ursprungs nachgewiesen. Gleiches gelte für den Nachweis einer väterlicherseits vererbten Sequenz. Da eine vorherige Genotypisierung bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erfolge, könne keine Nukleinsäure nachgewiesen werden, welche eine väterlicherseits vererbte Sequenz sei. Es werde auch keine Nukleinsäure nachgewiesen, da die Detektion lediglich darauf beruhe, die in den Vermehrungsprodukten nach Abspaltung aller aus der Porbe stammenden Sequenzen, d.h. die aus den G Oligonukleotiden stammenden künstlichen Sequenzen zu detektieren. Insoweit werde daher nicht die fötale Nukleinsäure detektiert, sondern ein durch Amplifikation entstandener Chromosomen-Index, d.h. ein synthetischer Marker. Überdies stelle das angegriffene Verfahren keine Diagnose zur Verfügung, da mittels des angegriffenen Testverfahrens eine Risikoeinstufung auf Basis des H-Algorithmus erfolge. Es werde daher lediglich eine Wahrscheinlichkeit ermittelt.

Ein Verfügungsgrund liege nicht vor, da der Rechtsbestand nicht hinreichend gesichert sei. Die Entgegenhaltung Kazakov et al.: Extrazelluläre DNA im Blut schwangerer Frauen, Zytologie, Vol. 37, Nr. 3, 1995, Seite 232 (Anlage AG 15) offenbare den Gegenstand der Erfindung nach dem Verfügungspatent in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, so dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehle. Auch sei die Erfindung nicht ausreichend offenbart. Letztlich werde auch das Prioritätsrecht nicht wirksam in Anspruch genommen.

Darüber hinaus habe die Verfügungsklägerin nicht deutlich gemacht, dass sie ein Interesse an der Durchsetzung der behaupteten rechte im Eilverfahren habe. Sie habe durch ihre Lizenznehmerin A seit Januar 2016 Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Ausführungsform. A habe – was zwischen den Parteien unstreitig ist – die F Holdung AG mit Schreiben vom 28. Januar 2016 (Anlage AG 26) angeschrieben und deutlich gemacht, dass A davon ausgehe, dass die F Holding AG den von I gelieferten J-Test anzubieten. Desweiteren seien im Laufe des Jahres 2016 zahlreiche Präsentation erfolgt, mit welchen die Verfügungsklägerin weitere Kenntnisse hätte erlangen können. So sei am 9. Juni 2016 auf einer Fachtagung zum Thema Nichtinvasives Pränatalscreening die Einführung der angegriffenen Ausführungsform mitgeteilt worden. Auch am 18. Juni 2016 habe ein öffentlicher D-Vortrag stattgefunden. Tatsächlich würden die Verfügungsbeklagten den Test seit Juni 2016 anbieten und seit Juli 2016 seien die ersten Proben im Labor untersucht worden. Hiervon habe die Verfügungsklägerin Kenntnis gehabt. Jedenfalls wäre ihr diese Kenntnis bei Beachtung ihrer Marktbeobachtungspflicht nicht verborgen geblieben. So sei auch auf den Internetseiten gynäkologischer Praxen die Durchführung der angegriffenen Ausführungsform bereits im Juli 2016 angekündigt worden (Anlage AG 40). Auch habe auf der Homepage der F Holding seit Juli 2016 ein Anforderungsschein zur angegriffenen Ausführungsform zum Download bereitgestanden, der von Ärzten bereits heruntergeladen werden konnte (Anlage AG 41).
Es bestehe auch kein überwiegendes Interesse der Verfügungsklägerin für den Erlass der einstweiligen Verfügung. Die Preisgestaltung der angegriffenen Ausführungsform sei gerechtfertigt, da sie nach transparenten Grundsätzen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben getroffen worden sei. Insofern seien im Rahmen der gebotenen analogen Anwendung entsprechende Ziffern aus dem Gebührenverzeichnis herangezogen worden, welche für eine entsprechende Heranziehung geeignet seien. Auch seien öffentliche Belange zu berücksichtigen, da eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit drohe. Bei dem angegriffenen Verfahren handele es sich um ein hochsensibles Verfahren aus dem Bereich der pränatalen Diagnostik. Der Wegfall würde für viele Patienten eine nicht hinzunehmende Belastung darstellen.

Letztlich sei das angerufene Gericht für die Verfügungsbeklagten zu 2) und 4) örtlich nicht zuständig. Der Verfügungsbeklagte zu 4) habe seit August 2016 seinen Hauptwohnsitz in K und besaß lediglich bis November 2016 einen Nebenwohnsitz in L. Das Luganer Übereinkommen finde daher keine Anwendung mehr. Hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 2) sei das Gericht örtlich nicht zuständig, da diese ihren Sitz in M habe und damit im Gerichtsbezirk des Landgerichts N.

Die Verfügungsklägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten ist zulässig, aber unbegründet.

I.
Das angerufene Gericht ist hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 2) und 4) örtlich zuständig.

Die durch eidesstattliche Versicherung vom 16. November 2016 (Anlage AG 33) glaubhaft gemachte Verlegung des Wohnsitzes des Verfügungsbeklagten zu 4) nach O, hat gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO außer Betracht zu bleiben. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bestimmt die Fortdauer der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit sowie der internationalen Zuständigkeit. Das angerufene Gericht war und ist nach Art. 6 Nr. 1 LugÜ zuständig, da der Verfügungsbeklagte zu 4) in L nach eigenem Vorbringen einen Wohnsitz hatte. Entsprechend wurde ihm der Beschluss der Kammer vom 5. Oktober 2016 dort auch zugestellt (Bl. 302 d.A.). Überdies ist der Verfügungsbeklagte zu 4) als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) mit Wohnsitz in L im Handelsregister eingetragen. Eine Änderung hinsichtlich des Wohnsitzes des Verfügungsbeklagten zu 4) im Handelsregister erfolgte bisher nicht.

Entsprechend ist die Kammer nach Art. 6 Nr. 1 LugÜ auch hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 2) zuständig. Art. 6 Nr. 1 LugÜ besagt, dass mehrere Personen zusammen vor dem Gericht des Ortes verklagt werden können, an dem einer der Beklagten – hier die Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) – ihren Wohnsitz haben, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Eine solch enge Beziehung besteht vorliegend zweifelsohne.
II.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten Ansprüche auf Unterlassung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG.

1.
Das Verfügungspatent betrifft pränatale Detektionsverfahren unter Anwendung nicht-invasiver Techniken. Insbesondere betrifft sie die Pränataldiagnostik durch Detektieren fötaler Nukleinsäuren im Serum oder Plasma einer maternalen Blutprobe.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Verfügungspatent aus, dass die herkömmlichen pränatalen Screening-Methoden zum Nachweis fötaler Abnormalitäten und zur Geschlechtsbestimmung üblicherweise fötale Proben verwenden, die mittels invasiver Techniken wie der Fruchtblasenpunktion und Chorionzotten-Probenentnahme erhalten werden. Diese Techniken erfordern jedoch, so das Verfügungspatent, Behutsamkeit in der Handhabung und bergen einen gewissen Grad an Risiko für die Mutter und die Schwangerschaft.

Das Verfügungspatent führt weiter aus, dass Techniken zur Vorhersage von Abnormalitäten beim Fötus und möglichen Komplikationen während der Schwangerschaft entwickelt wurden, bei denen maternale Blut- und Serumproben verwendet werden. Zu drei häufig verwendeten Markern zählen Alpha-Fötoprotein (AFP – von fötalem Ursprung), humanes Choriongonadotropin (hCG) und Östriol, zum Screening auf Down-Syndrom und Neuralrohrdefekte. Maternales Serum wird derzeit außerdem zum biochemischen Screening auf chromosomale Aneuploidie und Neuralrohrdefekte eingesetzt. Der Übertritt kernhaltiger Zellen zwischen der Mutter und dem Fötus ist heutzutage ein wohl erkanntes Phänomen. Mit der Ausnutzung der Fötuszellen im maternalen Blut für die nicht-invasive Pränataldiagonstik wird das mit herkömmlichen invasiven Techniken verbundene Risiko vermieden. Das Verfügungspatent nimmt Bezug auf die WO 91/08304 und führt aus, dass die pränatale genetische Bestimmung unter Ausnutzung der aus Fötuszellen im mütterlichen Blut erhaltenen fötalen DNA beschrieben wird. Bei der Anreicherung und Isolierung von Fötuszellen für die Analyse wurden beträchtliche Fortschritte gemacht. Diese Techniken sind allerdings zeitaufwendig und erfordern teure Apparaturen.

Das Verfügungspatent erläutert weiter zum Hintergrund der Erfindung, dass in letzter Zeit ein Interesse an der Verwendung von aus Plasma oder Serum stammender DNA für die Molekulardiagnostik bestand. Insbesondere wurde gezeigt, dass die Tumor-DNA durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im Plasma oder Serum einiger Patienten nachgewiesen werden kann. Die GB 2 299 166, auf welche Bezug genommen wird, beschreibt eine nicht-invasive Krebsdiagnostik von K-Ras- und N-Ras-Genmutationen unter Anwendung von auf PCR basierenden Techniken.

Es wurde nun entdeckt, so die Verfügungspatentschrift, dass fötale DNA in maternalen Serum- oder Plasmaproben nachweisbar ist. Dies stellt einen überraschenden und unerwarteten Befund dar; bei dem maternalen Plasma handelt es sich um eben jenes Material, das von den Forschern, die die nicht-invasive Pränataldiagnostik unter Verwendung der Fötuszellen im maternalen Blut untersuchen, routinemäßig weggeschüttet wird. Die Nachweisrate liegt bei Verwendung von Serum oder Plasma viel höher als bei kernhaltiger Blutzell-DNA, die aus einem vergleichbaren Volumen an Vollblut extrahiert wurde, was nahelegt, dass eine Anreicherung der fötalen DNA im maternalen Plasma und Serum vorliegt. Tatsächlich wurde die Konzentration der fötalen DNA im maternalen Plasma, ausgedrückt in Prozent der Gesamt-DNA, mit von 0,39 % (der im Frühstadium der Schwangerschaft gemessenen niedrigsten Konzentration) bis sogar 11,4 % (in der späten Schwangerschaft) gemessen, im Vergleich zu Verhältnissen von generell um 0,001 % bis zu lediglich 0,025 % für zelluläre Fraktionen. Weiterhin stellt das Verfügungspatent fest, dass die fötale DNA kein Artefakt des Gerinnungsprozesses ist.

Die Erfindung nach dem Verfügungspatent hat es sich nunmehr zur Aufgabe gemacht, ohne dies ausdrücklich zu formulieren, ein alternatives nicht-invasives Detektionsverfahren zur pränatalen Diagnose zur Verfügung zu stellen.

Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Detektionsverfahren gemäß dem Patentanspruch 1, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1.1 Detektionsverfahren, vorgenommen an einer maternalen Serum- oder Plasmaprobe von einer schwangeren Frau,
1.2 welches Verfahren das Nachweisen des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe umfasst,
1.3 wobei die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die Frau nicht besitzt.

Patentanspruch 18 weist demgegenüber die Merkmale auf:

18.0 Verfahren zum Durchführen einer pränatalen Diagnose, welches Verfahren umfasst:
18.1 (i) Bereitstellen einer maternalen Blutprobe
18.2 (ii) Auftrennen der Probe in eine zelluläre und eine nicht-zelluläre Fraktion;
18.3 (iii) Detektieren des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der nicht-zellulären Fraktion unter Anwendung des Verfahrens nach jedem der Ansprüche 1 bis 17; und
18.4 (iv) Stellen einer Diagnose auf der Basis des Vorhandenseins und/oder der Menge und/oder der Sequenz der fötalen Nukleinsäure.

Die Erfindung nach dem Verfügungspatent stellt danach ein Detektionsverfahren zur Verfügung mit welchem fötale Nukleinsäure im Plasma oder Serum nachgewiesen werden kann gegenüber dem im Stand der Technik bekannten Nachweis des Vohandenseins von fötaler DNA in sonstigen Blutfraktionen.

2.
Die Verfügungsklägerin hat zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform die vorgenannten Patentansprüche 1 und 18 des Verfügungspatentes benutzt. Dies gilt auch für die zwischen den Parteien im Streit stehenden Merkmale 1, 2 und 3 des Patentanspruchs 1 sowie die eine Diagnose betreffenden Merkmale 18.0 und 18.4 des Patentanspruchs 18.

a)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1, wonach das Verfahren das Nachweisen des Vorhandenseins einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe umfasst.

Der Fachmann entnimmt dem Merkmal, dass dieses nicht auf eine bestimmte Art und Weise des Nachweises des Vorhandenseins einer Nukleinsäure beschränkt ist. Denn eine bestimmte Form des Nachweises wird im Anspruch nicht genannt. Entsprechend erkennt er, dass es für den Nachweis einer Nukleinsäure nicht darauf ankommt, ob die in der Probe vorhandene konkrete Nukleinsäure detektiert wird oder ein Vermehrungsprodukte derselben, welche ggfs. mittels synthetischer Marker nachgewiesen wird.

Ein entsprechendes Verständnis ergibt sich für den Fachmann anhand der Beschreibung der Erfindung in der Verfügungspatentschrift. Insoweit wird in Abs. [0015] der Verfügungspatentschrift ausgeführt:

„Normalerweise wird eine Amplifikation der fötalen DNA-Sequenz in der Probe vorgenommen. Dazu können standardmäßige Nukleinsäure-Amplifikations-systeme einschließlich der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), der Ligase-Kettenreaktion, der Nukleinsäuresequenz-bezogenen Amplifikation (NASBA), verzweigter DNA-Methoden usw. eingesetzt werden. Bevorzugte Amplifikationsmethoden beziehen die PCR ein. (….)“

Das Verfügungspatent macht damit deutlich, dass ein Nachweis einer Nukleinsäure auch dann vorliegt, wenn diese mittels Amplifikationsverfahren vermehrt wird, mit der Folge, dass nicht mehr die originäre Nukleinsäure nachgewiesen wird, sondern vielmehr ein Vermehrungsprodukt derselben. Denn auf Basis der in der Probe vorhandenen DNA-Moleküle werden Vermehrungsprodukte in einer solchen Anzahl erzeugt, dass ein Nachweis möglich wird. Entsprechend wird die Amplifikation durch PCR in den Unteransprüchen 4 und 5 des Verfügungspatentes unter Schutz gestellt.

Zu einem entsprechenden Verständnis gelangt der Fachmann auch bei technisch-funktionaler Betrachtung des Merkmals. Denn dem Fachmann ist ohne weiteres einsichtig, dass ein Nachweis einer singulären Nukleinsäure in einer Probe nur unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich ist.

Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolgt der Nachweis gemäß dem nachfolgend wiedergegebenen Schema, welches die Verfügungsklägerin erstellt hat:

Die Vermehrungsprodukte werden in einem mehrstufigen Verfahren erzeugt, das unter anderem auch eine Amplifikation im Wege der PCR umfasst. In einem ersten Schritt werden zellfreie DNA-Fragmente aus einer maternalen Blutprobe mit einem singulären Nukleotid-Polymorphismus (SNP) mit G-Oligos hybridisiert. Im zweiten Schritt erfolgt eine Verknüpfung der hybridisierten G-Oligos mittels einer Ligase. In einem dritten Schritt werden die Ligationsprodukte herausgelöst und anschließend amplifiziert (Schritt 4). Dieses Produkt wird dann im Array nachgewiesen. Dementsprechend erfolgt bei der angegriffenen Ausführungsform zwar kein Nachweis des zellfreien DNA-Fragmentes selbst, sondern vielmehr des Ligationsproduktes. Das Ligationsprodukt stellt indes das Spiegelbild der entsprechenden Ausgangsnukleinsäure dar. Denn die G-Oligos sind nur dann in der Lage mit den Ausgangs-DNA-Fragmenten zu hybridisieren und im Anschluss hieran mit einer Ligase verknüpft zu werden, wenn die entsprechende Basenpaarung (A-T und G-C) vorliegt. Die Detektion der Vermehrungsprodukte auf dem Array dient damit dem Nachweis des Vorhandenseins der Nukleinsäure in der Probe.

b)
Mit der angegriffenen Ausführungsform wird auch das Merkmal 3 des Patentanspruchs 1, welches besagt, dass die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt, verwirklicht. Mittels des Merkmals 3, welches im Zusammenhang mit Merkmal 2 steht, soll das Vorhandensein einer Nukleinsäure von fötalem Ursprung in der Probe erfasst werden und zwar dahingehend, dass die Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt.

Der Anspruch gibt seinem Wortlaut nach weder einen konkreten Weg zum Nachweis der entsprechenden Sequenz väterlichen Ursprungs vor noch besagt er, dass die väterlicherseits vererbte Sequenz vor der Durchführung des erfindungsgemäßen Detektionsverfahrens bekannt sein muss. Der Anspruch bestimmt lediglich, dass die nachzuweisende Nukleinsäure eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist. Die Art des Nachweises und der Zeitpunkt stellt der Anspruch daher in das Belieben des Fachmannes.

Zu einem anderen Verständnis gelangt der Fachmann auch nicht durch die Beschreibung der Erfindung in der Verfügungspatentschrift. Dem Fachmann wird zwar durch die Beschreibung in der Verfügungspatentschrift bewusst, dass konkret offenbarte Anwendungen in Abs. [0017] die vorherige Genotypisierung des Vaters und ggfs. der Mutter erfordern, da ein Allel zum Nachweis ausgewählt wird, welches im Vater vorhanden, in der Mutter jedoch abwesend ist. Bei der Bestimmung des fötalen Rhesus-D-Status, Hämoglobinopathien und paternal vererbten Polymorphismen oder Mutationen setzt die Beschreibung daher eine vorherige Genotypisierung des Vaters und der Mutter voraus. Dies wird zwar für die ersten beiden Varianten nicht ausdrücklich beschrieben. Der Fachmann ist jedoch bemüht, in der Erfindung beschriebene Beispiele unter den Anspruch zu fassen. Denn die Patentansprüche und der sie erläuternde Beschreibungstext bilden prinzipiell eine zusammengehörige Einheit, die der Durchschnittsfachmann auch als sinnvolles Ganzes so zu interpretieren sucht, dass sich Widersprüche nicht ergeben (BGH, GRUR 2016, 361 – Fugenband; BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2008, 887 – Momentanpol II; BGH, GRUR 2009, 653 Straßenbaumaschine). In der Patentbeschreibung erwähnte Ausführungsformen müssen deshalb Veranlassung geben, danach zu fragen, ob nicht eine Auslegung der Merkmale des Hauptanspruchs in Betracht kommt, bei der sämtliche als erfindungsgemäß beschriebenen Varianten auch vom Anspruchswortlaut umfasst werden. Der Fachmann wird daher, diese Grundsätze berücksichtigend, auch bei diesen beiden Varianten von einer vorherigen Genotypisierung ausgehen, was im Ergebnis zwischen den Parteien unstreitig ist.

Gleiches gilt indes nicht für die Geschlechtsbestimmung, welche im Beispiel 1 des Verfügungspatentes beschrieben wird. Bei dieser erfolgt der Nachweis im Wege des PCR-Assays, indem eine DNA Amplifikation unter Verwendung der Primer Y1.7 und Y1.8 erfolgt, die zur Amplifikation einer einzigen Kopie der Y-Sequenz (DYS14) ausgelegt waren. Diese Sequenz befindet sich nur auf dem Y-Chromosom und bindet entsprechend nur Y-spezifische Fötussequenz, womit ein Geschlechtsnachweis erfolgen kann. Erfolgt keine Bindung, ist der Fötus nicht männlich.

Diese Unterschiede in den Blick nehmend erkennt der Fachmann, dass eine vorherige Genotypisierung der biologischen Eltern vom Anspruch nicht vorausgesetzt wird. Denn so wie ihm Sequenzen des Y-Chromosoms bekannt waren, welche nicht spezifisch für ein einzelnes menschliches Individuum sind, war ihm zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatentes auch bekannt, dass die menschliche DNA in weiten Teil identisch ist. Entsprechend waren ihm auch SNPs bekannt, welche eine spezifische Untersuchung der im Blut vorhandenen DNA-Fragmente ermöglichen. Denn die Kenntnis von SNPs ermöglicht den Einsatz spezifischer Primer, welche eingesetzt werden können, um spezifische Bereiche einer Nukleinsäure zu detektieren.

Die in Abs. [0017] aufgeführten Anwendungsgebiete der Erfindung sind daher nicht geeignet, den Anspruch 1 des Verfügungspatentes dahingehend einzuschränken, dass eine vorherige Genotypisierung erfolgen muss, um bestimmen zu können, dass eine Sequenz väterlicherseits vererbt wurde. Der Anspruch stellt vielmehr eine Verallgemeinerung dieser Ausführungsformen dar und überlässt dem Fachmann die Art und Weise des Nachweises von paternal vererbten Sequenzen. Dies mag, wie der Fachmann erkennt, über den Einsatz spezifischer Primer erfolgen können wie bei der Geschlechtsbestimmung, was dort aus dem Umstand folgt, dass die Nukleinsäuresequenz des Y-Chromosoms in weiten Teilen in menschlichen Individuen übereinstimmt. Dies mag auch mittels der Verwendung bekannter SNPs erfolgen können, welche es dem Fachmann ermöglichen spezifische Bereiche des menschlichen Genoms über bekannten SNPs zu untersuchen. Dies kann indes auch wie bei der angegriffenen Ausführungsform erfolgen, bei der ein väterlicherseits vererbtes SNP-Allel des Fötus dadurch nachgewiesen wird, dass eine große Anzahl von SNPs gescreent wird. Dadurch wird sichergestellt, dass in der untersuchten Probe eine ausreichende Anzahl von informativen SNPs, d.h. von SNPs mit Allelen, die im Vater vorhanden, in der Mutter jedoch abwesend sind, nachgewiesen werden. Der Nachweis, dass es sich um eine solche Allele handelt, erfolgt hier nicht vorab, sondern während der Durchführung des Verfahrens, was für die Frage der Verwirklichung des Merkmals unschädlich ist, da der Anspruch – wie ausgeführt – dem Fachmann die Art und Weise des Nachweises überlässt, ein Nachweis während der Durchführung des Verfahrens daher ohne weiteres erfolgen kann.

Ein anderes Verständnis kann auch nicht der Verwendung des Begriffes Sequenz entnommen werden. Die Verfügungsbeklagten meinen insoweit, dass eine konkrete vorbekannte Sequenz nachgewiesen werden müsse, was eine vorherige Genotypisierung voraussetze. Ein solches Verständnis kann dem Anspruch nicht entnommen werden. Denn das Merkmal, dass die nachzuweisende Nukleinsäure von fötalem Ursprung eine väterlicherseits vererbte Sequenz ist, welche die schwangere Frau nicht besitzt, macht dem Fachmann lediglich deutlich, dass die nachzuweisende Nukleinsäure eine Abfolge von Nukleotiden (= Sequenz) umfasst, die in der DNA des Vaters vorhanden ist, während sie in der DNA der Mutter nicht identisch vorhanden ist. Mehr Inhalt kann dem Merkmal nicht entnommen werden, insbesondere nicht, dass es sich um eine konkrete, vorher bekannte Sequenz handeln muss.

Mit der angegriffenen Ausführungsform werden bei der Ermittlung des Anteils an fötaler DNA in der Probe Nukleinsäuren nachgewiesen, die eine väterlicherseits vererbte Sequenz, also eine Abfolge von Nukleotiden sind, welche die schwangere Frau nicht besitzt. Gleiches gilt für die Geschlechtsbestimmung durch Nachweis von Nukleinsäuren aus dem Y-Chromosom, welches die Mutter naturgemäß nicht besitzt. Bei der angegriffenen Ausführungsform werden die SNPs nicht als einzelne Nukleotide nachgewiesen, sondern als Bestandteil einer Abfolge von Nukleotiden. Für jeden SNP-Allel wird die Probe mit dem G Assay auf das Vorhandensein zweier unterschiedlicher Nukleinsäuren getestet, die sich nur an dem SNP-Locus unterscheiden. Es werden damit informative Loci identifiziert und damit ein SNP-Allel als vom Vater stammend nachgewiesen. SNPs eignen sich für diesen Nachweis, gerade, weil es sich um geerbte bzw. vererbbare Variationen handelt.

Es wird zur Ermittlung der in der maternalen Probe vorhandenen SNP-Allele die Probe für jeden getesteten SNP-Locus auf das Vorhandensein der entsprechenden Nukleinsäuren in beiden Varianten gescreent, wie sich der in der mündlichen Verhandlung von der Verfügungsklägerin überreichten schematischen Darstellung des polymorphen G-Array: SNP Allel A und SNP Allel B entnehmen lässt und welche vorstehend wiedergegeben wurde. Wenn die Mutter im Hinblick auf das betreffende SNP homozygot ist, während der Fötus heterozygot ist, wird die Nukleinsäure, die das in der Mutter-DNA vorhandene SNP-Allel aufweist, in sehr großer Quantität nachgewiesen, während die Nukleinsäure, die das nur in der Fötus-DNA vorkommende SNP-Allel aufweist, nur in einer kleinen, mit dem Anteil fötaler DNA korrelierenden Quantität nachgewiesen.

Der Nachweis entsprechender informativer Loci kann auch der Veröffentlichung von Sparks et al. entnommen werden, welche auf Seite 319.e3, mittlere Spalte, 3. Absatz (Anlage rop AG 1a) ausführt:

„Analyse polymorpher Loci auf fetale Fraktion
Als aussagekräftige polymorphe Loci wurden als diejenigen Loci definiert, an denen sich die fetalen Allele von den maternalen unterscheiden. Da G 99% allel-spezifisch ist, konnten aussagekräftige Loci ohne weiteres ermittelt werden, und zwar immer dann wenn der fetale Anteil der Allele eines Locus zwischen 1 und 20 % gemessen wurde. Mit Hilfe der binomischen Verteilung wurde eine maximale Wahrscheinlichkeit geschätzt, wodurch die wahrscheinlichste fetale Fraktion aufgrund von Messungen mehrerer aussagekräftiger Loci bestimmt werden konnte. Die Ergebnisse korrelieren gut (R20,99) mit dem von P und Kollegen präsentierten Ansatz des gewichteten Durchschnitts.30“

Mit dem bildgebenden Verfahren wird also der relative fötale Anteil eines fötalen, nur vom Vater vererbten SNP-Allels bestimmt.

Soweit die Verfügungsbeklagten geltend machen, es würden keine paternalen Sequenzen ermittelt, sondern lediglich eine Minoritätenfraktion, mag die Ermittlung der Minoritätenfraktion das Ziel sein. Wie Sparks et al. jedoch aufzeigen, was von den Verfügungsbeklagten nicht in Abrede gestellt wird, werden als informative Loci solche angesehen, bei denen sich die Allele unterscheiden. Da mittels des G Assays und des bildgebenden Verfahrens jedoch die Mengenverteilung bekannt ist, ergibt sich bei einem geringeren Anteil ohne weiteres, dass es sich um den fötalen Anteil handelt, welche wiederum paternal vererbt sein muss, da die Mutter dieses Allel nicht aufweist. Dabei mag die Bestimmung der fötalen Komponente im Rahmen des sich an das G Assay anschließenden H Algorithmus lediglich eine Teilkomponente sein. Dies steht einer Verwirklichung des Anspruchs nicht entgegen, da das erfindungsgemäße Verfahren den Nachweis des Vorhandenseins einer Nukleinsäure fötalen Ursprungs lediglich umfassen muss.

Soweit die Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang weiter darauf verweisen, dass es sich insoweit auch um eine spontane Mutation handeln könnte, hat die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen, dass im menschlichen Genom statistisch eine spontane Mutation alle 30 Millionen Basen auftritt.

Sollte jedoch in einem Fall eine solche Mutation einmal gemessen werden, ist die Untersuchung informativer Loci nicht auf diese eine Mutation beschränkt. Vielmehr werden, wie Sparks et al. ausführen (Anlage rop AG 1a, Seite 319.e2, linke Spalte, letzter Absatz) zur Bewertung des Anteils der Chromosomen Tests an 576 nicht polymorphen Loci vorgenommen, von denen jeder aus 3 locus-spezifischen Oligonukleotiden besteht. Zur Analyse der fetalen Fraktion wurden Tests an einer Gruppe von 192 Loci mit SNP auf den Chromosomen 1 – 12 entwickelt, wobei 2 mittlere Oligos, die sich nur um eine Base unterscheiden, verwendet werden, um jeden SNP abzufragen. Handelt es sich daher lediglich an einem SNP um eine spontane Mutation würde lediglich in diesem einen Fall die väterlich vererbte Sequenz nicht nachgewiesen, jedoch bei allen weiteren Analysen.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten wird auch bei der Geschlechtsbestimmung mit der angegriffenen Ausführungsform eine väterlicherseits vererbte Sequenz nachgewiesen. Bei den Nukleinsäuren des Y-Chromosoms ist bereits vor der Durchführung der angegriffenen Ausführungsform bekannt, dass es sich um derartige Nukleinsäuren handelt. Denn das Y-Chromosom und damit auch die Nukleinsäuren des Y-Chromosoms kommen nur im männlichen Genom vor. Dabei mögen verschiedene Loci auf dem Chromosom nachgewiesen werden. Nichtsdestotrotz werden bei der Ermittlung des fötalen Anteils bei der Geschlechtsbestimmung durch den Nachweis von Nukleinsäuren des Y-Chromosoms jeweils Nukleinsäuren von fötalem Ursprung nachgewiesen, die eine väterlicherseits vererbte Sequenz sind, welche die schwangere Frau nicht besitzt.

c)
Entsprechend dem bereits vorstehend erläuterten Verständnis handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform auch um ein Detektionsverfahren. Denn dieses setzt keinen konkreten Nachweis einer Nukleinsäure bzw. Sequenz voraus, sondern vielmehr erfolgt eine Ermittlung eines Zustands, der konkret oder weniger konkret mit Blick auf paternal vererbte Sequenzen ermittelt wird.

d)
Die angegriffene Ausführungsform beinhaltet darüber hinaus ein Verfahren zum Durchführen einer pränatalen Diagnose des Patentanspruchs 18.

Der Fachmann entnimmt dem Begriff der Diagnose die Bestimmung eines Zustandes. Dabei setzt der Begriff keine hundertprozentige Sicherheit bei der Bestimmung des Zustandes voraus. Denn weder der allgemeine Sprachgebrauch noch das Verständnis des Verfügungspatentes setzen im Rahmen einer Diagnose einen hundertprozentigen Nachweis voraus. Nach dem medizinischen Verständnis ist eine Diagnose die Feststellung oder Bestimmung einer körperlichen oder psychischen Krankheit. Eine Diagnose entsteht durch die zusammenfassende Beurteilung einzelner Befunde wie beispielsweise Beschwerden, Krankheitszeichen oder typischer Gruppen von Symptomen. Eine solche zusammenfassende Beurteilung einzelner Befunde führt auch nur zu einer Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Andere Ursachen werden hierdurch nicht ausgeschlossen.

Auch das Verfügungspatent setzt keine hundertprozentige Sicherheit voraus. In Abs. [0008] des Verfügungspatentes wird der Begriff der Pränataldiagnostik wie folgt beschrieben.

„Der Begriff „Pränataldiagnostik“ wie hierin verwendet, deckt die Bestimmung jeglichen maternalen oder fötalen Zustands oder Charakteristikums ab, welcher entweder zur fötalen DNA selbst oder zur Menge oder Qualität der fötalen DNA im maternalen Serum oder Plasma in Bezug steht. Dies umfasst die Geschlechtsbestimmung und den Nachweis fötaler Abnormalitäten, welche z.B. chromosomale Aneuploidien oder einfache Mutationen sein können. Ebenfalls umfasst sind die Detektion und Überwachung Schwangerschaftsbezogener Zustände, wie etwa einer Präklampsie, welche zu über- oder unterdurchschnittlichen Mengen an fötaler DNA im maternalen Serum oder Plasma führen. Die beim Verfahren gemäß der Erfindung nachgewiesene Nukleinsäure kann von anderer Art als DNA, z.B. mRNA, sein.“

Die pränatale Diagnose umfasst daher insbesondere die Bestimmung jeglichen fötalen Zustands oder Charakteristikums, welcher entweder zur totalen DNA selbst oder zur Menge oder Qualität der fötalen DNA im maternalen Serum oder Plasma in Bezug steht, wie beispielsweise die Geschlechtsbestimmung oder die Detektion chromosomaler Aneuploidien.

In Abs. [0021] des Verfügungspatentes wird weiter deutlich gemacht, dass pränatale Screening-Programme ein Anwendungsgebiet der erfindungsgemäßen Nukleinsäure-basierten Diagnosemethoden bezeichnet. In Abs. [0018] wird speziell das Downsyndrom-Screening als Unterfall einer nicht-invasiven Pränataldiagnose-Methode genannt.

Für den Fachmann ergibt sich insbesondere aus der Formulierung des Screenings zur Detektion von fötalen Abnormalitäten im Zusammenhang mit herkömmlichen pränatalen Screening-Methoden, dass die Detektion von chromosomalen Aneuploidien und damit die pränatale Diagnose nicht im Sinne einer absoluten Feststellung eines fötalen Zustands oder Charakteristikums durch einen Arzt zu verstehen ist. Vielmehr umfasst der Begriff der Diagnose auch die Bestimmung mit einer Genauigkeit die unter der absoluten Gewissheit liegt.

In diesem Verständnis wird der Fachmann unterstützt, wenn er das Beispiel 1 des Verfügungspatentes in den Blick nimmt. Beispiel 1 beschriebt die Geschlechtsbestimmung von Föten anhand des Nachweises einer für das Y-Chromosom spezifischen Sequenz im maternalen Plasma und Serum im Vergleich zu dem Nachweis der Sequenz aus der zellularen Phase des maternalen Blutes. Von den 43 getesteten Föten waren 30 männliche Föten und 13 weibliche Föten. Von den 30 mit männlichen Föten schwangeren Frauen wurden Y-positive Signale bei 24 Plasmaproben und 21 % bei Serumproben detektiert, mithin wurde keine absolute Sicherheit ermittelt. Daher wird der Fachmann mit Blick auf das Beispiel unter einer Diagnose verstehen, dass es ausreicht, wenn die Bestimmung mit einer Genauigkeit erfolgt, die unterhalb absoluter Gewissheit liegt. Denn der Fachmann entnimmt diesem Beispiel, dass das erfindungsgemäße Verfahren einen Parameter aufweist, der mit einer Genauigkeit der Methode einhergeht. Die Genauigkeit ist nicht stets 100 %, so dass als Ergebnis der Methode nur eine Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Da das Verfügungspatent zwischen der Bestimmung des Geschlechts und der Bestimmung von Aneuploidien nicht unterscheidet, gilt diese Genauigkeit auch für die Bestimmung von Aneuploidien.

Dementsprechend beinhaltet die angegriffene Ausführungsform ein Verfahren zum Durchführen einer pränatalen Diagnose bzw. ein Stellen einer Diagnose. Mit dem Verfahren wird das Risiko einer Trisomie bestimmt, was die Tabelle mit der Bezeichnung „Klinische Daten“ in Anlage AG 2, welche im Tatbestand wiedergegeben wurde, zeigt. Über den H Algorithmus wird eine Diagnose auf Basis des Vorhandenseins und der Menge der fötalen Nukleinsäure gestellt. Insoweit kann auch Bezug genommen werden auf die Veröffentlichung von Juneau et al., „Microarray-Based Cell-Free DNA Analysis Improves Noninvasive Prenatal Testing“, Fetal Diagn Ther 2014;36:282-286 (Anlage rop 11, 11a):

„Datenanalyse
Ein zuvor veröffentlichter Algorithmus, die für die fetale Fraktion optimierte Trisomie-Risikobewertung (H), wurde zur Errechnung von Risiko-Scores verwendet [4, 14]. Proben mit Risiko-Scores von 1 % oder mehr wurden als „hohes Risiko“ eingestuft, solche mit Risiko-Scores unter 1 % als „niedriges Risiko“. Mit G-Analysen nicht polymorpher Sequenzbereiche auf den Chromosomen 13, 18 und 21 wurde der Anteil der Chromosomen bestimmt und das Trisomierisiko bewertet. Mit G-Analysen polymorpher Sequenzbereiche wurde die fetale Fraktion bestimmt.“

Dass die Verfügungsbeklagten in geschäftlichen Unterlagen und der Werbung darauf hinweisen, dass es sich bei dem Test nicht um ein Diagnoseverfahren handelt, steht einer Verwirklichung des Merkmals nicht entgegen. Dabei mag es sich um ihr Verständnis handeln. Dies steht einem anderen Begriffsverständnis des Verfügungspatentes indes nicht entgegen.

3.
Die Verfügungsklägerin hat dementsprechend gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, weil die Verfügungsbeklagte zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland nicht berechtigt ist.
III.
Es besteht auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist in der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentes vom 19. Dezember 2011 (Anlage rop5 und 5a) bestätigt worden und die für den Erlass der einstweiligen Verfügung im Übrigen erforderliche Dringlichkeit ist gegeben. Weiterhin ist die erforderliche Interessensabwägung zu Gunsten der Verfügungsklägerin zu beurteilen.

1.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (InstGE 9, 140 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; bestätigt in: OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 81 – Gleitsattelscheibenbremse II), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungspatents im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (ebenso: OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 – VA-LVD-Fernseher).

Danach ist in Patentverletzungsstreitigkeiten das Vorliegen eines Verfügungsgrundes besonders sorgfältig zu prüfen. Gerade hier ergeben sich regelmäßig besondere Schwierigkeiten daraus, die Schutzfähigkeit bzw. Rechtsbeständigkeit des Antragsschutzrechtes innerhalb kurzer Zeit und ohne eine dem Verfahren der Hauptsache entsprechende schriftsätzliche Vorbereitung sachgerecht zu beurteilen. Die eingeschränkten Möglichkeiten treffen besonders den Antragsgegner. Während dem Antragsteller, der sich zwar beschleunigt um eine Durchsetzung seiner Rechte bemühen muss, um die zeitliche Dringlichkeit nicht zu beseitigen, auch unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO regelmäßig ausreichend Zeit bleibt, den Rechtsbestand des Schutzrechtes vor dem Einreichen eines Verfügungsantrages sorgfältig zu prüfen, sieht sich der Antragsgegner auch im Falle einer vorherigen mündlichen Verhandlung nach der Zustellung des Verfügungsantrags regelmäßig erheblichem Zeitdruck ausgesetzt, um in der verhältnismäßig kurzen Zeit bis zum Verhandlungstermin seine Verteidigung aufzubauen. Ergeht eine Unterlassungsverfügung, greift sie darüber hinaus meist in sehr einschneidender Weise in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners ein und führt während ihrer Bestandsdauer zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 145 – Olanzapin; InstGE 12, 114, 118 f. – Harnkatheterset).

Grundsätzlich kann von einem hinreichenden Rechtsbestand nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114, 121 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2011, 81 – Gleitsattelscheibenbremse II). Um ein Verfügungspatent für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es daher grundsätzlich einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen.

Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (OLG Düsseldorf, Urt. vom 10. November 2011, Az.: I – 2 U 41/11). Das Verletzungsgericht hat – ungeachtet seiner Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (OLG Düsseldorf, InstGE 8, 122 – Medizinisches Instrument; Urt. v. 18. Dezember 2014, Az.: I-2 U 60/14) – grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (OLG Düsseldorf, Urt. vom 10. November 2011, Az.: I – 2 U 41/11). Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urt. vom 6. Dezember 2012 – I – 2 U 46/12). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (OLG Düsseldorf, Urt. vom 10. November 2011 – I-2 U 41/11; Urt. vom 18. Dezember 2014, Az.: I – 2 U 60/14; Urt. vom 19. Februar 2016, Az.: I-2 U 54/15). Solches verbietet sich ganz besonders dann, wenn es sich um eine technisch komplexe Materie (z.B. aus dem Bereich der Chemie oder Elektronik) handelt, in Bezug auf welche die Einsichten und Beurteilungsmöglichkeiten des technisch nicht vorgebildeten Verletzungsgerichts von vornherein limitiert sind. Geht es nicht darum, dass z.B. Passagen einer Entgegenhaltung von der Einspruchsabteilung übersehen und deshalb bei seiner Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind, sondern dreht sich der Streit der Parteien darum, welche technische Information einem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist, sind die Rechtsbestandsinstanzen aufgrund der technischen Vorbildung und der auf dem speziellen Fachgebiet erworbenen beruflichen Erfahrung ihrer Mitglieder eindeutig in der besseren Position, um hierüber ein Urteil abzugeben. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, dass sich das Verletzungsgericht mit (notwendigerweise laienhaften) eigenen Erwägungen über das Votum der technischen Fachleute hinwegsetzt und eine Unterlassungsverfügung verweigert. Anderes kann sich im Einzelfall allenfalls daraus ergeben, dass die einstweilige Verfügung – über den Regelfall hinaus – ganz besonders einschneidende Konsequenzen für den Antragsgegner und/oder die Öffentlichkeit (z.B. für auf den Verletzungsgegenstand angewiesene Patienten) hat, die es im Rahmen der Interessenabwägung ausnahmsweise verbieten, bereits jetzt eine Unterlassungsanordnung zu verfügen, die im weiteren Rechtsbestandsverfahren mit einiger Aussicht auf Erfolg ihre Grundlage verlieren kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2016, Az.: I-2 U 54/15).

Im Streitfall wenden sich die Verfügungsbeklagten gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatentes zwar mit neuen, durch die sachkundig besetzte Technische Beschwerdekammer nicht berücksichtigten Einwendungen. Diese begründen indes keine Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatentes, dessen Rechtsbestand in der Vergangenheit vom Europäischen Patentamt bejaht wurde.

a)
Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung. Entsprechendes vermochten weder die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vom 19. Dezember 2006 (Anlage rop 4 Seite 6) noch die Technische Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 13. Dezember 2011 (Anlage rop 5 Seite 7) festzustellen. Die hiergegen von den Verfügungsbeklagten vorgebrachten Argumente können keine durchgreifenden Zweifel begründen.

Die Verfügungsbeklagten machen in diesem Zusammenhang geltend, dass das Verfügungspatent keinen Weg lehre, wie ohne vorherige Genotypisierung eine konkrete Trisomie nachgewiesen werden könne.

In ihrer Argumentation verkennen die Verfügungsbeklagten, dass für eine ausreichende Offenbarung ein zum Ziel führender Weg ausreichend ist. Die von den Verfügungsbeklagten geforderte Ausführbarkeit der Verfahrensansprüche 1 und 18 über ihre gesamte Breite ist indes nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001, 813 – Taxol; GRUR 2012, 1210 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Zwischen den Parteien unstreitig offenbart das Verfügungspatent mit seinem Beispiel 1, welches auch in dem Prioritätsdokument enthalten ist, einen Weg zur Analyse der fötalen DNA zur Geschlechtsbestimmung, mithin ein Verfahren zur Durchführung einer pränatalen Diagnose gemäß Patentanspruch 18. Im Beispiel 1 wird ein Weg konkret beschrieben, was von den Verfügungsbeklagten auch nicht in Abrede gestellt wird. Sie meinen vielmehr, dass nicht offenbart werde, wie ein Verfahren ohne vorherige Genotypisierung erfolgen könne. Hierauf kommt es indes nach Rechtsprechung des BGH, welche eine Ausführbarkeit über die gesamte Breite nicht voraussetzt, nicht an.

b)
Es ist auch zu erwarten, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatentes in der geltend gemachten Fassung seiner Ansprüche 1 und 18 auch im Hinblick auf die Erfindungshöhe hinreichend gesichert ist. Die Verfügungsbeklagten machen in diesem Zusammenhang geltend, die Lehre des Verfügungspatentes sei durch eine Kombination der Entgegenhaltung Kazakov et al.: Extrazelluläre DNA im Blut schwangerer Frauen, Zytologie, Vol. 37, Nr. 3, 1995, Seite 232 (Anlage AG 15, rop AG 15a, nachfolgend Kazakov et al.), mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt.

Zur Begründung führen die Verfügungsbeklagten an, dass die Technische Beschwerdekammer die Ansicht vertreten habe, dass weder die beiden als nächstliegender Stand der Technik diskutierten Dokumente noch andere Dokumente dem Fachmann die Motivation gaben anzunehmen, dass es zellfreie fötale DNA in Serum- oder Plasmaproben geben könnte (vgl. Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer, Anlage rop 5 und 5a). Tatsächlich habe der Fachmann gewusst, dass zellfreie DNA in Serum- und Plasmaproben regelmäßig für molekularbiologische Nachweise eingesetzt wurde und im Blut von schwangeren Frauen fötale Zellen nachgewiesen worden waren und für pränatale Nachweise herangezogen worden seien. Die von der Technischen Beschwerdekammer vermissten Hinweise, dass in Serum- und Plasmaproben zellfreie fötale DNA vorkomme, könnten der Veröffentlichung von Kazakov et al. entnommen werden.

Dass die Entgegenhaltung von Kazakov et al. die Verwendung des Blutplasmas der Mutter zur Detektion fötaler DNA für NIPD in Verbindung mit dem Fachwissen nahegelegt hat, vermag die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen.

Die Autoren berichten über zwei Untersuchungen betreffend zellfreie DNA im menschlichen Blut. Sie stellen die Überlegung an, ob es sich hierbei um Inter-Alu-Sequenzen durch Fötuszellen (Trophoblastzellen) und Uteruszellen (Endometriumzellen und Lymphozyte) handelt und die regulatorische Funktion dieser DNA im Frühstadium der Schwangerschaft wird diskutiert. Es wurden unter anderem Blutproben von schwangeren Frauen auf Anwesenheit von zellfreier DNA untersucht. In der ersten Untersuchung wurde DNA von Serum-Proben extrahiert und mittels PCR Alu-Repeats amplifiziert. Alu-Repeats sind kurze DNA-Abschnitte, die auf allen Chromosomen vorkommen. Die amplifizierten DNA-Produkte wurden auf einem Gel analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Figur 1 wiedergegeben. Die Autoren gelangen zu dem Ergebnis, dass im Blutserum schwangerer Frauen eine erhöhte Konzentration an niedrig-molekularer DNA im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen festzustellen ist. Dies schließen die Autoren aus dem visuellen Vergleich des Aussehens der PCR-Amplifikationsbanden.

Unabhängig von der Frage, ob aus einem visuellen Vergleich der Banden, wie sie in Figur 1 der Entgegenhaltung gezeigt sind, ein entsprechender Schluss gezogen kann, was voraussetzt, dass sichergestellt sein muss, dass die Proben vor Durchführung der PCR Gesamt-DNA in gleicher Konzentration aufwiesen, benennen die Autoren in der Folge zwei mögliche Quellen für den Anstieg der zellfreien DNA, zum einen eine extrachromosomale Synthese der DNA oder den apoptotischen Zelltod.

Bei der zweiten in Kazakov et al. beschriebenen Untersuchung wurden mittels PCR Inter-Alu-Repeats amplifiziert. Inter-Alu-Repeats umfassen zwei Alu-Repeats, die zueinander invers und durch ein intermittierendes DNA-Fragment voneinander getrennt sind. Die Länge der intermittierenden DNA-Fragmente und damit auch die Länge der Inter-Alu-Repeats sind variabel. Das Ergebnis der Untersuchung wird in der Figur 2 wiedergegeben. Die Autoren nehmen an, dass Inter-Alu-Repeats in dem Blut aller acht Frauen im ersten Schwangerschaftstrimester nachgewiesen worden seien. Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Figur 2 ein entsprechender Nachweis entnommen werden kann, zeigen die Ausführungen in Kazakov et al., dass keine Sicherheit über die Herkunft der Inter-Alu-Repeats bestand. Die Autoren vermuten u.a., dass das vermehrte Vorkommen von niedermolekularer DNA das Ergebnis von Zelltod in der Gebärmutter ist, was allerdings erst am Ende der Schwangerschaft der Fall ist. Als mögliche weitere Ursache werden Zellen des Endometriums, Zellen des Trophoblast und Lymphozyten genannt.

Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um Vermutungen, was die Autoren damit deutlich machen indem ausgeführt wird, dass die Frage, welcher Zelltyp Inter-Alu-Sequenzen absondern kann, eine Angelegenheit von großem Interesse ist. Weiter heißt es:

„Folglich könnten in der frühen Phase der Schwangerschaft bei Menschen Zellen des Fötus (Trophoblasten) und der Mutter (Zellen des Endometriums und Lymphozyten) DNA absondern.“

Kazakov et al. treffen daher keine eindeutige Aussage über das Vorhandensein und die Herkunft der Inter-Alu-Sequenzen und damit auch über das Vorhandensein zellfreier DNA fötalen Ursprungs im maternalen Blut.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass Kazakov et al. den Fachmann veranlasst hätte, Untersuchungen an Plasma- oder Serumproben zum Nachweis fötaler DNA vorzunehmen.

c)
Soweit die Verfügungsbeklagten im Parallelverfahren 4c O 62/16 die Neuheit der Erfindung nach dem Patentanspruch 18 des Verfügungspatentes auf Grund der Entgegenhaltung Lo et al., Presence of fetal DNA in maternal plasma and serum, The Lancet 1997, 350, Seite 485-87 (Anlage AG 6), welche einen Veröffentlichungszeitpunkt vom 16. August 1997 in Anspruch nimmt, in Zweifel ziehen, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen, da die Kammer nicht feststellen kann, dass das Verfügungspatent die Priorität vom 4. März 1997 zu Unrecht beansprucht. Unwidersprochen hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, dass das Beispiel 1 des Verfügungspatentes identisch im Prioritätsdokument (Anlage rop 22, 22a) enthalten ist.

2.
Auch die Dringlichkeit kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

a)
Grundsätzlich beginnt die „Uhr“ für den Antragsteller mit dem Augenblick zu laufen, in dem er Kenntnis von der schutzrechtsverletzenden Ausführungsform erhält. Der Antragsteller muss jedoch bei der Rechtsverfolgung keinerlei Prozessrisiko eingehen. Er muss das Gericht deshalb erst anrufen, wenn er – erstens – verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er – zweitens – die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist. Der Antragsteller darf sich dabei auf jede mögliche prozessuale Situation, die nach Lage der Umstände eintreten kann, vorbereiten, so dass er – wie auch immer sich der Antragsgegner einlassen und verteidigen mag – darauf eingerichtet ist, erfolgreich erwidern und die nötigen Glaubhaftmachungsmittel präsentieren zu können. Grundsätzlich kann der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, Nachermittlungen erforderlichenfalls erst während des laufenden Verfahrens anzustellen und Glaubhaftmachungsmittel nötigenfalls nachträglich zu beschaffen. Jede Maßnahme, die der Antragsteller zur Aufklärung und/oder zur Glaubhaftmachung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes unternimmt, hat dabei die tatsächliche Vermutung ihrer Sinnhaftigkeit für sich, weswegen sie eine mangelnde Dringlichkeit grundsätzlich nicht begründen kann, selbst wenn sie sich im Nachhinein angesichts der (vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens für den Verfügungskläger noch nicht vorhersehbaren) Einlassung des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren als nicht erforderlich erweisen sollte. Anders zu behandeln sind allenfalls solche Maßnahmen, die ex ante betrachtet selbst aus Gründen prozessualer Vorsicht schlechterdings keinen Sinn ergeben, sondern ausschließlich unnütze Zeit bei der Rechtsverfolgung kosten. Sobald der Antragsteller den mutmaßlichen Verletzungssachverhalt kennt, muss er dem nachgehen, die notwendigen Aufklärungsmaßnahmen treffen und für deren Glaubhaftmachung sorgen. Auch hierbei darf er nicht dilatorisch agieren, sondern hat die erforderlichen Schritte jeweils zielstrebig in die Wege zu leiten und zu Ende zu führen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat).

Es ist auch unerheblich, ob der Patentinhaber von dem Verletzungsprodukt bei Beachtung seiner Marktbeobachtungspflicht zeitiger hätte Kenntnis haben können. Fahrlässige Unkenntnis schadet insoweit nicht. Hat der Patentinhaber allerdings greifbare Hinweise auf rechtsverletzende Handlungen des Antragsgegners, darf er sich ihnen nicht verschließen, sondern hat ihnen nachzugehen (vgl. Kühnen, Hdb. des Patentrechts, 8. Aufl. Kap. G Rdnr. 110 ff.).

b)
Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen hatte die Verfügungsklägerin vorliegend erst ab dem 5. September 2016 sichere Kenntnis von der Verletzungsform und den Verfügungsbeklagten, so dass der Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen unter dem 5. Oktober 2016 rechtzeitig erfolgte.

Wie die Verfügungsklägerin vorgetragen hat, war ihr bis zur Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 5. September 2016 (Anlage rop1 ) unklar, ob die angegriffene Ausführungsform im Inland vermarktet oder angewendet wird und insbesondere wer konkret die angegriffene Ausführungsform zu welchem Preis im Inland vermarkten bzw. anwenden wird. Aus diesem Grund war es der Verfügungsklägerin vor Veröffentlichung der Pressemitteilung nicht möglich, einen konkreten Antragsgegner für eine Verletzungshandlung im Inland zu bestimmen und auch ihr notwendiges Interesse für eine Durchsetzung ihrer Rechte im Eilverfahren darzutun.

Etwas anderes vermochten auch die Verfügungsbeklagten nicht darzutun. So mag zwar die Lizenznehmerin der Verfügungsklägerin – A Inc – am 28. Januar 2016 (Anlage AG 26, 26a) die Holdingsgesellschaft der Verfügungsbeklagten, die F Holding AG, angeschrieben haben und in diesem Schreiben deutlich gemacht haben, dass soweit die F Holding beabsichtige, den J NIPT-Test von I anzubieten, dies eine Verletzung des Verfügungspatentes darstelle. Offensichtlich hatten zu diesem Zeitpunkt jedoch weder die Verfügungsklägerin noch ihre Lizenznehmerin Kenntnis, welche Gesellschaft der Holding das erfindungsgemäße Verfahren anwenden würde. Eine Reaktion erfolgte seitens der F-Holding nicht. Auch die Verfügungsklägerin zeigte keine weitere Reaktion und forderte nicht zu einer weiteren Erklärung auf.

Soweit die Verfügungsbeklagten weiter behaupten, dass die angegriffene Ausführungsform schon ab Juni 2016 vermarktet worden sei, steht dies zum einen im Widerspruch zu ihrer Pressemitteilung gemäß der Anlage rop 1. Im Übrigen enthalten auch die Anlagen AG 41 und AG 42 sowie die Anlage AG 40, auf welche die Verfügungsbeklagten insoweit verweisen, keine sicheren Informationen über den Vertrieb/Anwendung in Deutschland durch eine näher bezeichnete Gesellschaft. Die Webseite eines Gynäkologen gemäß Anlage AG 40 trägt kein Datum. Es ist von der Verfügungsbeklagten auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Verfügungsklägerin von dieser Webseite Kenntnis hatte. Der Anforderungsschein für die angegriffene Ausführungsform gemäß Anlage AG 42, welcher nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten bereits seit Juli habe heruntergeladen werden können, nennen einen Preis von 399,- EUR und nicht von 249,00 EUR, dem jetzt angebotenen Preis.

Auch die Präsentation gemäß Anlage rop 18, von welcher der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin erst im Rahmen der Vorbereitung Kenntnis erlangt haben will, macht nicht deutlich, welche Gesellschaft der F-Holdinggesellschaft die angegriffene Ausführungsform im Inland anbieten und anwenden will.

Dem Einwand der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin habe doch die F-Holding AG in Anspruch nehmen können, welche von ihrer Lizenznehmerin bereits im Januar 2016 angeschrieben worden sei, verfängt nicht. Denn die Inanspruchnahme einer Gesellschaft, welche keine eigenen Handlungen vornimmt, wegen Verletzung eines Verfahrensanspruchs, ist problematisch. Denn grundsätzlich verletzt nur derjenige ein Verfahrenspatent unmittelbar, der sämtliche Verfahrensschritte eigenhändig anwendet. Ein Anbieten der Durchführung eines Verfahrens stellt nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 15. Mai 2014, I-2 U 74/13) ein unerlaubtes Anwenden dar. Ausreichend ist danach ein Anbieten oder ein Verhalten, das die Bereitschaft erkennen lässt, an dem patentierten Verfahren eine Benutzungshandlung zu erteilen. Solche Handlungen lassen sich jedoch erst der Pressemitteilung vom 5. September 2016 mit Blick auf die Verfügungsbeklagten entnehmen. Ob gleiches hingegen für eine Holdinggesellschaft gilt, welche eigenen Handlungen lediglich insoweit vornimmt als das angegriffene Verfahren auf ihrer Webseite zu präsentieren, ist zweifelhaft. Da anerkannt ist, dass der Antragsteller kein Prozessrisiko eingehen muss, mithin auch nicht das Risiko, dass ein möglicher Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen mangelnder Passivlegitimation zurückgewiesen wird, ist ihm eine Inanspruchnahme eines unsicheren Anspruchsgegners nicht zuzumuten. Keines der von den Verfügungsbeklagten vorgelegten Dokumente zeigt, ungeachtet des Umstandes, ob die Verfügungsklägerin Kenntnis hatte, auf, dass die Verfügungsbeklagten das angegriffene Verfahren anbieten und anwenden.

Soweit die Verfügungsbeklagten weiter geltend machen, dass die Verfügungsklägerin bei Beachtung der ihr obliegenden Marktbeobachtungspflicht zu einem früheren Zeitpunkt von der Benutzung des Verfügungspatentes durch die angegriffene Ausführungsform hätte Kenntnis erlangen können, vermochten auch die Verfügungsbeklagten keine konkreten Veröffentlichungen zu benennen, anhand welcher die Verfügungsklägerin sichere Kenntnis von dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch näher bezeichnete Antragsgegner hätte erlangen können. Die Anlage AG 40, die Webseite eines Pränataldiagnostikunternehmens, nennt weder einen Preis für die angegriffene Ausführungsform noch wird eine Gesellschaft der F-Holding genannt, welche das Verfahren anwenden soll. Es wird auch hier vielmehr lediglich die F-Gruppe als Ansprechpartnerin benannt. Die Anlage AG 41, ein Screenshot der Webseite der F-Holding vom 19. Juli 2016, nennt kein konkretes Labor. Auch der Anforderungsschein gemäß Anlage AG 42, bezeichnet kein Labor, welches das angegriffene Verfahren anwendet.

Soweit die Verfügungsbeklagten letztlich noch darauf verweisen, dass Q bereits Mai 2015 den J-Test anbietet, welcher dem angegriffenen Test entspricht, stehen die Verfügungsklägerin und Q nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Verfügungsklägerin in Lizenzverhandlungen, was eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt.

c)
Hinsichtlich der Auswirkungen am Markt ist entscheidend, dass die Marktaussichten für die von der Verfügungsklägerin bzw. ihrer Lizenznehmerin A vertriebenen Erzeugnisse günstiger sind, wenn das Verletzungsprodukt vom Markt genommen werden muss. Dass die Verfügungsklägerin das geschützte Verfahren gegebenenfalls selbst nicht anwendet, schließt den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht aus. Bei den Verfügungsbeklagten handelt es sich gleichwohl um eine Wettbewerberin der Verfügungsklägerin und das Interesse, einen Wettbewerber an der Anwendung eines patentgeschützten Verfahrens zu hindern, ist durchaus schutzwürdig (vgl. auch LG Düsseldorf, Urt. 26. Juni 2012, 4a O 49/12, Seite 24 ff.). Der non-invasive Pränataltest C von der Lizenznehmerin der Verfügungsklägerin A wird zu einem Preis in Höhe von 427,94 EUR (Anlage rop 12) angeboten, während die angegriffene Ausführungsform zu einem Preis von 249,- EUR angeboten wird. Ein nicht wiedergutzumachender Schaden für die Verfügungsklägerin kann damit nicht ausgeschlossen werden. Einerseits könnte sie bzw. ihre Lizenznehmerin auf Grund der Wettbewerbssituation gezwungen sein, das von ihnen angebotene Produkt C preislich zu reduzieren. Andererseits droht ein Schaden, indem die Verfügungsbeklagten mit der angegriffenen Ausführungsform Marktanteile für sich einnehmen, welche ohne die Wettbewerbssituation grundsätzlich zumindest auch der Verfügungsklägerin zugutekämen.

Es droht durch eine Untersagung der Benutzung der angegriffenen Ausführungsform auch keine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, da unstreitig andere non-invasive Pränataltests zur Verfügung stehen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung beruht auf § 938 ZPO und ist deshalb sinnvoll und geboten, weil damit gewährleistet wird, dass der Unterlassungsausspruch nicht unter geringeren Bedingungen vollstreckbar ist, als er es bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil wäre (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Kap. G Rdnr. 69).

Streitwert: 500.000,00 EUR