4a O 54/16 – Transkatheterherzklappe

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2615

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 09. März 2017, Az. 4a O 54/16

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 2) an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

ein System für die kardiale Implantierung einer Klappenprothese, umfassend:

einen Katheter und eine radial ausdehnbare Klappenprothese, die umfasst: einen ausdehnbaren ringförmigen Stützrahmen, der geeignet ist, für die Katheterisierung durch einen Körperkanal zu einer Zielstelle anfänglich zu einem schmalen Aufbau gefaltet zu werden, wobei der ringförmige Stützrahmen eine Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern mit einer festen Länge umfasst, von denen jeder mit einer Mehrzahl von Bohrungen versehen ist, wobei der ausdehnbare Stützrahmen aufgebaut ist, um an der Zielstelle in einen ausgedehnten Aufbau ausgedehnt zu werden; und eine trikuspidalblättrige Klappenanordnung, die einen Kanal mit einem Einlass und einem Auslass umfasst, die aus nachgiebigem Material hergestellt ist, um zusammenklappbare Wände an dem Auslass darzustellen, wobei die Klappenanordnung aus Perikard hergestellt ist, und wobei die Befestigung der Klappenanordnung an dem Rahmen durch die Stützträger ermöglicht wird, an welche die Klappenanordnung mit Garn bzw. Faden oder Faser durch die Bohrungen der Stützträger genäht ist, wobei die Klappenanordnung, wenn zugelassen wird, dass ein Fluss von dem Einlass durch die Klappenprothese zu dem Auslass strömt, in einer offenen Position gehalten wird, während ein Rückwärtsfluss verhindert wird, da die zusammenklappbaren Wände der Klappenanordnung nach innen zusammenklappen, um eine Blockierung für den Rückwärtsfluss bereitzustellen;

im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP 2 399 XXX B1 anzubieten, in Verkehr zu bringen und/ oder zu gebrauchen und/ oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/ oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06. April 2016 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die unter Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06. Mai 2016 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lieferungsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtete, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. nur die Beklagte zu 2):
die in ihrem unmittelbaren und/ oder mittelbaren Besitz und/ oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziff. I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen der von der Klägerin zu benennenden oder zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 2) herauszugeben;

5. die vorstehend unter Ziff. I. 1. bezeichneten, seit dem 06. Mai 2016 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rücknahme zugesagt wird und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 06. Mai 2016 durch die in Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

III. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000.000,- vorläufig vollstreckbar. Daneben ist das Urteil hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung (Ziff. I. 2.) und zur Rechnungslegung (Ziff. I. 3.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.500.000,- sowie hinsichtlich des Kostenpunkts (Ziff. III.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags gesondert vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin macht als eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents 2 399 XXX (im Folgenden: Klagepatent) gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Rückruf patentverletzender Vorrichtungen und Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, sowie gegen die Beklagte zu 2) weiter einen Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Vorrichtungen geltend.

Die Erfindung, die Gegenstand des Klagepatents ist, geht zurück auf die Herren A, B, C und D, die im Zeitpunkt der Erfindung bis Mai 2002 bei dem israelischen Unternehmen E Inc. (im Folgenden: E) beschäftigt waren. E hatte bereits im Jahre 1999 mit der F Inc. (im Folgenden: F Inc.), der Rechtsvorgängerin der Klägerin, einen Vertrag geschlossen, der die Entwicklung einer Transkatheterherzklappe zum Gegenstand hatte. Wegen des genauen Inhalts des Vertrags vom 15.12.1999 (Anlage K32; deutsche Übersetzung: Anlage K32a) wird auf diesen verwiesen. Der Vertrag wurde durch Vertrag vom 18.12.2000 (Anlage K33; deutsche Übersetzung: Anlage K33a) ergänzt. Wegen des Inhalts der Ergänzungsvertrags wird auf diesen Bezug genommen.

Am 11.10.2001 meldeten die oben genannten Erfinder die Erfindung zum Patent an (US 975XXX; im Folgenden: US ‘XXX; vorgelegt als D1a im Einspruchsverfahren).

Mit Abtretungserklärung vom 05.03.2002 (Anlage K29a; deutsche Übersetzung: Anlage K29) erklärten die genannten Erfinder unter anderem:

„[…] verkaufen, zedieren und übertragen wir, die Unterzeichner […] an die F, Inc., […], die gesamten Rechte, Titel und Ansprüche in allen Ländern an unserer Erfindung mit der Bezeichnung Implantierbare Klappenprothese und an allen damit zusammenhängenden Erfindungen, die in der am 11.Oktober 2001 eingereichten US-Patentanmeldung mit der laufenden Nr. 09/975.XXX offengelegt und beansprucht […] werden, und allen insoweit zu erteilenden Patenten und allen Teilanmeldungen […].

Weiterhin stimmen wir zu, dass die Abtretungsempfängerin ausländische Patenturkunden oder sonstige Rechte für die genannten Erfindungen oder für einzelne dieser Erfindungen beantragt und erhält und in Anwendung dieser ausländischen Patenturkunden und sonstigen Rechte die Priorität für die genannte US-Patentanmeldung […] beanspruchen kann.“

Am 11.10.2002 erfolgte unter Inanspruchnahme der Priorität der US ‘XXX (D1a) die PCT-Anmeldung unter der Nummer WO 03/047XXX A1 (Stammanmeldung; im Folgenden: WO ‘XXX; D1b im Einspruchsverfahren) durch die F. Inc. Dabei handelt es sich um die Stammanmeldung für das Klagepatent, auf der auch die Anmeldung für das EP 1 441 XXX (im Folgenden: EP ‘XXX) basiert, das Gegenstand des parallelen Verletzungsverfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf, Az.: 4a O 149/15, ist.

Im Dezember 2003/ Januar 2004 wurde die F Inc. an die G H veräußert, die zur Klägerin umfirmierte.

Die in englischer Sprache abgefasste Anmeldung des Klagepatents, das die Priorität der US ‘XXX (D1a) vom 11.10.2001 in Anspruch nimmt, wurde am 28.12.2011 offengelegt, der Hinweis auf die Patenterteilung am 06.04.2016 veröffentlicht.

Gegenstand des Klagepatents ist ein System zum Austauschen einer defekten natürlichen Herzklappe. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:

„A system for cardiac implantation of a valve prosthesis (2) comprising:

 a catheter; and
 a radially expandable valve prosthesis (20) comprising:

 an expandable annular support frame (22) adapted to be initially crimped in a narrow configuration for catheterization through a body duct to a target location, the annular support frame (22) comprising a plurality of longitudinally rigid support beams (23) of fixed length each provided with a plurality of bores, the expandable support frame configured to be expanded to an expanded configuration in the target location; and

 a tricuspid leafed-valve assembly (28) comprising a conduit having an inIet (24) end and an outlet (26), made of pliant material arranged so as to present collapsible walls at the outlet (26), wherein the valve assembly (28) is made of pericardium and wherein the attachment of the valve assembly (28) to the frame (22) is facilitated by the support beams (23) of which the valve assembly is stitched with thread or fiber through the bores of the support beams (23);

 wherein when flow is allowed to pass through the valve prosthesis (20) from an inIet to an outlet the valve assembly (28) is kept in an open position, whereas a reverse flow is prevented as the collapsible walls of the valve assembly (28) collapse inwardly for providing blockage to the reverse flow.”

Die deutsche Übersetzung des Anspruchs 1 lautet wie folgt:

„System für die kardiale Implantierung einer Klappenprothese, umfassend:

 einen Katheter: und
 eine radial ausdehnbare Klappenprothese (20), die umfasst:

 einen ausdehnbaren ringförmigen Stützrahmen (22), der geeignet ist für die Katheterisierung durch einen Körperkanal zu einer Zielstelle anfänglich zu einem schmalen Aufbau gefaltet zu werden, wobei der ringförmige Stützrahmen (22) eine Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern (23) mit einer festen Länge umfasst, von denen jeder mit einer Mehrzahl von Bohrungen versehen ist, wobei der ausdehnbare Stützrahmen aufgebaut ist, um an der Zielstelle in einen ausgedehnten Aufbau ausgedehnt zu werden, und

 eine trikuspidalblättrige Klappenanordnung (28), die einen Kanal mit einem Einlass (24) und einem Auslass (26) umfasst, die aus nachgiebigem Material hergestellt ist, um zusammenklappbare Wände an dem Auslass (26) darzustellen, wobei die Klappenanordnung (28) aus Perikard hergestellt ist, und wobei die Befestigung der Klappenanordnung (28) an dem Rahmen (22) durch die Stützträger (23) ermöglicht wird, an welche die Klappenanordnung mit Garn bzw. Faden oder Faser durch die Bohrungen der Stützträger (23) genäht ist:

 wobei die Klappenanordnung (28), wenn zugelassen wird, dass ein Fluss von dem Einlass durch die Klappenprothese (20) zu dem Auslass strömt, in einer offenen Position gehalten wird, während ein Rückwärtsfluss verhindert wird, da die zusammenklappbaren Wände der Klappenanordnung (28) nach innen zusammenklappen, um eine Blockierung für den Rückwärtsfluss bereitzustellen.“

Wegen der weiteren Unteransprüche, die Gegenstand der Insbesondere-Anträge sind, wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K1; deutsche Übersetzung: Anlage K1a) Bezug genommen.

Die nachfolgende Figur 1 (verkleinert) zeigt eine klagepatentgemäß implantierbare Prothese in ihrer ausgedehnten Stellung:

Die klagepatentgemäße Trikuspidalklappenprothese 20 hat eine Klappenanordnung 28, die an einer ringförmigen Stütz-Stentstruktur 22 angebracht ist. Zum Zwecke der Befestigung der Klappenanordnung 28, die über einen Einlass 24 und einen Auslass 26 mit zusammenlegbarem biegsamem Material 29 verfügt, sind an dem Stütz-Stent 22 Stützstreben 23 mit Bohrungen 25 vorgesehen.

Auf den Antrag der Beklagten zu 1) vom 08.04.2016 ist ein Einspruchsverfahren gegen die Erteilung des Klagepatents beim Europäischen Patentamt (im Folgenden: EPA) anhängig. Auf den Einspruchsschriftsatz der Beklagten zu 1) vom 08.04.2016 (Anlage PS4a; deutsche Übersetzung: Anlage PS4b) wird Bezug genommen. Eine Entscheidung des Einspruchsverfahrens steht noch aus.

Die in den USA ansässige Beklagte zu 1), deren deutsche Vertriebstochter die Beklagte zu 2) ist, bewirbt auf ihrer auch an deutsche Fachärzte adressierten Internetseite www.I.com (screenshots vorgelegt als Anlagenkonvolut K5 und Anlage K6) unter der Bezeichnung „JTM Valve System“ bzw. „JTM Valve Kits“ Transkatheter-Herzklappensysteme, die mit einer Transkatheter-Aortenklappen-Prothese und einem entsprechenden Einführsystem („delivery System“) bestehend aus Katheter und Kontrollgriff, auf dem die Klappenprothese vormontiert ist, ausgestattet sind. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die angebotene Prothese, wie sie auf dem Kontrollgriff des Einführungssystems vormontiert ist (linke Abbildung; entnommen Anlage K5/1) sowie das Einführungssystem („J Controller“) mit Katheter (rechte Abbildung, entnommen Anlage K7):

Unter dem Link „J K“ auf der englischsprachigen Webseite der Beklagten zu 1) ist zudem eine Produktbroschüre, vorgelegt als Anlage K7, zu der angebotenen Vorrichtung erhältlich, wonach die Systeme, die sowohl von der Beklagten zu 1) als auch von der Beklagten zu 2) in Deutschland vertrieben werden, jeweils in unterschiedlichen Größen (23 mm, 25 mm, 27 mm) erhältlich und mit den folgenden Produktnummern bezeichnet sind:

Die Beklagte zu 1) bietet des Weiteren eine Weiterentwicklung der angegriffenen Ausführungsform I unter der Bezeichnung „J L“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform II) auf ihrer Internetseite www.I.com an (vgl. screenshots Anlage K23), für die eine CE-Kennzeichnung vorhanden ist. Über die Schaltfläche „Learn More“ sind detaillierte Informationen über die angegriffene Ausführungsform II abrufbar. Screenshots der diese Informationen enthaltenden Internetseite liegen der Akte als Anlage K25 bei. Eine Pressemittlung vom 19.09.2016 (Anlage K26) enthält zudem den folgenden Hinweis (Teilübersetzung der Anlage K26):

„Das J L wird ausgewählten Zentren in Europa zur Verfügung stehen, wobei die Produktion derzeit ausgeweitet wird, während Ärzte und Zentren umfangreich trainiert werden.“

Die angegriffene Ausführungsform II hebt sich von der angegriffenen Ausführungsform I durch ein geringeres Zuführprofil und durch ein flexibleres Kathetersystem ab, weist jedoch im Übrigen keine für den hiesigen Rechtsstreit maßgeblichen konstruktiven Veränderungen auf, so dass die angegriffenen Ausführungsformen I und II im Folgenden zusammenfassend als „angegriffene Ausführungsformen“ bezeichnet werden.

Der Stützrahmen (Stent) der angegriffenen Ausführungsformen wird durch eine geflochtene Metalldrahtstruktur gebildet. Der Stent ist teilweise selbstexpandierend, das heißt nach dem Austritt aus dem Katheter und dem Zurückziehen der Zuführhülse expandiert er selbst auf einen gewissen Durchmesser, der jedoch dem Durchmesser im implantierten Zustand (Zustand, in dem die Klappenprothese funktionieren kann) noch nicht entspricht. Eine weitere Expansion des Rahmens wird wie folgt bewirkt: An dem oberen Rand des Stützrahmens befinden sich drei Verschlüsse, die mit drei Stützträgern, die am unteren (distalen) Ende des Stützrahmens verbunden sind, in axialer Richtung zusammengezogen werden und sodann verriegelt werden können. Durch die Verriegelung der Stäbe mit den zugehörigen Verschlüssen verbleibt der Stent im expandierten Zustand, in dem dann der Katheter gelöst werden kann. Die für die Durchführung des Verriegelungsvorgangs erforderlichen axialen Zugkräfte werden durch den Katheter durch Betätigen des sog. „J Controller“ ausgeübt, der die Verschlüsse über drei Finger hält. Durch die Finger und durch die Verschlüsse laufen Drähte, die auch mit den Stäben in Verbindung stehen und die Stäbe in Richtung der jeweils zugehörigen Verschlüsse ziehen. Gleichzeitig drücken die Finger die Verschlüsse wie ein Gegenlager zu den Stäben. Die nachfolgenden Abbildungen stellen den Vorgang, bei dem die oberen Enden der Stäbe in die zugehörigen Verschlüsse an dem Stent eingezogen werden dar, wobei sich der Stent während des Vorgangs in axialer Richtung verkürzt und gleichzeitig in radialer Richtung expandiert. Die obere Abbildung (Anlage PS2 entnommen) zeigt den selbst-expandierten, die untere Abbildung den verriegelten Zustand des Stützrahmens:

Das untere Ende der Stäbe ist über eine V-förmige Fadenschlaufe mit dem unteren distalen Ende des Stützrahmens verbunden. Im Übrigen besteht keine Verbindung der Stützstäbe mit der benachbarten inneren Wandung des Stents. In einer skizzenhaften Darstellung können die Klappenanordnung der angegriffenen Ausführungsformen und ihre Stützrahmen wie folgt dargestellt werden (Skizze Anlage PS2 entnommen):

Das Klappenmaterial der angegriffenen Ausführungsformen besteht überwiegend aus Herzbeutelgewebe vom Rind.

Die erste perkutane Implantation einer Herzklappe am Menschen wurde am 16.04.2002 durch Prof. M durchgeführt. Hierüber berichtete Prof. M am 18.04.2002 auf einer Pressekonferenz. Sowohl die Implantation als auch die Pressekonferenz waren Gegenstand von Fernsehberichten auf „N“ (Transkription vorgelegt als Anlage D4 im Einspruchsverfahren; Übersetzung der Transkription vorgelegt als D4‘; sowie CD mit Videoaufnahme D4) und auf „O“ (Transkription vorgelegt als Anlage D5; Übersetzung der Transkription vorgelegt als D5‘; CD mit einer Videoaufnahme D5). Des Weiteren hielt Prof. M am 27.09.2002 einen PowerPoint-Vortrag auf dem TCT Symposium in Q, wobei zwischen den Parteien streitig ist, was Gegenstand der Präsentation war.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen.

Die Lehre des Klagepatents setze einen durchgängigen ringförmigen Stützrahmen voraus, insbesondere auch dort, wo die Klappensegel an dem Stützträger befestigt werden.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei ein Stützträger mit klagepatentgemäß vorgesehenen Stützträgern mit einer festen Länge, von denen jeder mit einer Mehrzahl von Bohrungen versehen ist, vorhanden. Soweit der Stützrahmen nach der Lehre des Klagepatents eine Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern mit fester Länge umfassen müsse, sei eine irgendwie geartete Verbindung zwischen Stützträger und -rahmen ausreichend. Die klagepatentgemäße Lehre gebe insbesondere die Art und das Ausmaß der Verbindung zwischen Stützträger und -rahmen nicht vor, und verlange nicht, dass der Stützträger integraler Bestandteil des Stützrahmens ist.
Die Klägerin beantragt:

wie erkannt.

Wegen der weiteren in Form von „Insbesondere-Anträgen“ gestellten Anträge wird auf den Schriftsatz vom 26.04.2016 (Bl. 99 GA) Bezug genommen.

Die Beklagten beantragen:

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes im Einspruchsverfahren gegen das Europäische Patent 2 399 XXX B1 auszusetzen.
Die Beklagten sind der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen.

Soweit man das Verständnis der Klägerin davon, was klagepatentgemäß einen „ringförmiger Stützrahmen“ ausmache, zugrundelege, fehle es den angegriffenen Ausführungsformen an einem solchen, da die Stützträger innerhalb der zylindrischen Form des Stützrahmens angeordnet sind.

Bei der V-förmigen Fadenschlaufe, die die Stützträger der angegriffenen Ausführungsformen mit dem Stützrahmen verbindet, handele es sich nicht um eine klagepatentgemäß vorgesehene Verbindung zwischen Stützträger und -rahmen. Wie sämtliche in der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiele zeigen würden, verlange das Klagepatent, dass die Stützträger einen integralen Bestandteil des Stützrahmens bilden. Des Weiteren sei auch erforderlich, dass sich die Stützträger über die gesamte axiale Länge des Stützrahmens erstrecken würden.

Weil es an Stützträgern, die dem Stützrahmen zugeordnet werden können, bei den angegriffenen Ausführungsformen fehle, sei die Klappenanordnung der angegriffenen Ausführungsformen auch nicht über Garn bzw. Faden oder Faser durch Bohrungen an den Stützträgern an dem Rahmen (Hervorhebung diesseits) befestigt.

Schließlich könne sich die Klägerin aber auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor dem Hintergrund ihres Vortrags in dem Einspruchsverfahren zu dem EP ‘XXX (Klagepatent in dem Verfahren 4a O 149/15) insoweit auf eine Verletzung des Klagepatents nicht berufen.

Sofern man mit der Klägerin weiter davon ausgehe, dass die gesamte Klappenanordnung aus Perikard hergestellt sein müsse, fehle es bei den angegriffenen Ausführungsformen, bei denen die Nähte – insoweit unstreitig – aus Kunststoff (Polyethylen) und die Stäbe aus Metall (Nitinol) hergestellt sind, auch insoweit an einer Merkmalsverwirklichung.

Schließlich werde sich das Klagepatent im Rahmen des anhängigen Einspruchsverfahrens auch als nicht rechtsbeständig erweisen.

Klagepatentanspruch 1 sei in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (WO ‘XXX/ D1b) nicht in der erteilten Form offenbart. Denn Gegenstand der Lehre der D1b sei kein Katheter im allgemeinen Sinne, sondern lediglich ein Ballonkatheter oder eine ähnliche Vorrichtung, bei der der Einsetzvorgang durch radial ausgeübte Kräfte von innen erfolgt.

Die Lehre des Klagepatents sei zudem im Lichte der Entgegenhaltung D2 (WO ‘510; Übersetzung der europäischen Patentschrift vorgelegt als Anlage D2‘), der Fernsehberichte auf „N“ (D4; Übersetzung der Transkription: D4‘) und „O“ (D5; Übersetzung der Transkription: D5‘) sowie dem Vortrag des Profs. M, jeweils vom 18.04.2002, und vor dem Hintergrund der PowerPoint-Präsentation des Prof. M auf dem P Symposium in Q am 27.09.2002 mit dem Titel „R” (PowerPoint-Folien vorgelegt als D20a) nicht neu.

Soweit die D4/D5 sowie die D20a nach der Anmeldung der Prioritätsschrift vom 11.10.2001 liegen, seien diese dennoch als vorbekannter Stand der Technik zu berücksichtigen. Denn das Klagepatent nehme die Priorität vom 11.10.2001 (US ‘XXX/ D1a) zu Unrecht in Anspruch. Es fehle bereits aus rechtlichen Gründen an einer wirksamen Inanspruchnahme der Priorität.

Nach dem anzuwendenden israelischen Recht seien die Rechte der Erfinder A, B, C und D auf den Arbeitgeber, die E, übergegangen. Die Anmeldung der WO ‘XXX (D1b) habe deshalb durch die F Inc. unter Inanspruchnahme der Priorität der US ‘XXX (D1a) nicht wirksam vorgenommen werden können, weil diese im Zeitpunkt der Anmeldung gerade nicht im Besitz der Prioritätsrechte gewesen sei. Vor diesem Hintergrund habe auch eine Abtretung etwaiger Rechte durch die Erfinder – wie diese sie mit Erklärung vom 05.03.2002 (Anlage K29a; deutsche Übersetzung: Anlage K29b) und mit Erklärung vom 28./ 29.05.2003 (Anlage D1f) hätten vornehmen wollen – nicht wirksam erfolgen können.

Die Priorität sei aber auch aus inhaltlichen Gründen nicht wirksam in Anspruch genommen, da das Merkmal des „Einsetzens durch Ausüben von im wesentlichen radialen Kräften von innen“, welches sich nach der D1a (dort Anspruch 1) als wesentlich darstelle, in dem Anspruch 42 der PCT-Anmeldung gestrichen worden ist.

Schließlich mangele es der klagepatentgemäßen Lehre auch an der erfinderischen Tätigkeit, weil diese sich für den Fachmann aus einer Kombination der PowerPoint-Präsentation vom 27.09.2010 (D20a) bzw. der WO 00/44313 A1 (im Folgenden: WO ‘313; D3 im Einspruchsverfahren; auszugsweise deutsche Übersetzung vorgelegt als Anlage D3‘) jeweils im Zusammenhang mit seinem allgemeinen Fachwissen ergebe.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen, weil sie der Ansicht ist, dass Klagepatent werde sich im Rahmen des anhängigen Einspruchsverfahrens als rechtsbeständig erweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 07.02.2017 Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Da die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch machen (dazu unter Ziff. I.), stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu (dazu unter Ziff. II.). Die Kammer hält im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens eine Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf das anhängige Einspruchsverfahren gem. § 148 ZPO nicht für geboten (dazu unter Ziff. III.).

I.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents (Anspruch 1) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Das Klagepatent betrifft insbesondere Klappenprothesen zur Implantierung im Herzen oder zur Implantierung in anderen Körperkanälen.

Ausweislich der einleitenden Beschreibung des Klagepatents sind bereits mehrere Herzklappenprothesen bekannt, die durch Kathetereinführung in den Körper eingebracht werden können.

Insoweit nimmt das Klagepatent zunächst auf die US-Patentschrift Nr. 5,411,552 (Anlage PS1a; zugehörige europäische Patentschrift vorgelegt als Anlage PS1b) Bezug (Abs. [0002] des Klagepatents; nachfolgend ohne weitere Angabe zitiert). Fig. 2 der genannten amerikanischen Patentschrift, die eine „in den Körper implantierbare Herzklappenprothese sowie Katheter für die Implantation einer solchen Herzklappenprothese“ zum Gegenstand hat, wird nachfolgend abgebildet:

Es wird eine Klappenprothese mit einem Stent in Form einer in radialer Richtung zusammendrückbaren und wiederaufweitbaren zylindrischen Haltevorrichtung offenbart. In der Abbildung wird dieser Stützrahmen durch zwei Drähte (2, 3) gebildet, an deren höher gezogenen Schleifen (4) die biologische Klappe (6) über zwei Kommisurpunkte (5) befestigt wird. Die Aufweitanordnung für den Katheter kann insbesondere durch einen aufblasbaren Ballon gebildet werden.

In demselben Zusammenhang wie die dargestellte Druckschrift nennt das Klagepatent als vorbekannten Stand der Technik auch die US 6,168,614 („Klappenprothese für die Implantation in den Körper“) und die US 5,840,081 („System und Methode für das Implantieren von Herzklappen“) (Abs. [0002]).

Weiter weist das Klagepatent in seinen einleitenden Ausführungen zum Stand der Technik auf die WO 98/29057 hin. Die Klappenprothese für die Implantation in Körperkanäle, die Gegenstand der Druckschrift ist, umfasst eine zusammenklappbare Klappenstruktur, die an einem ausweitbaren Rahmen befestigt ist (Abs. [0003]). In diesem Zusammenhang erwähnt das Klagepatent weiter die Möglichkeit, die Klappenstruktur um eine interne Abdeckung zu erweitern, die am unteren Teil der Klappenstruktur befestigt ist, um eine Rückströmung zu verhindern, wie dies in der WO 01/76510, WO 00/47139 und der WO 01/28459 offenbart sei (Abs. [0003]).
Weiter enthält das Klagepatent im Rahmen der Darstellung zum allgemeinen Stand der Technik einen Hinweis auf verschiedene Arten von Herzklappen zur Implantation.

Es werden zunächst künstliche Prothesen, das heißt mechanische Klappen, beschrieben, deren Verwendung jedoch den Bedarf einer Dauerbehandlung mit Antikoagulanzien (Gerinnungshemmer) nach sich zieht und mit denen ein lauter Betrieb einhergeht (Abs. [0004]). Außerdem erfordert die Durchführung der Implantation eine große Operation (Abs. [0004]).

Daneben existieren biologisch basierte Klappen, die auf der Grundlage natürlicher Klappen, zum Beispiel Herzbeutelgeweben, hergestellt werden (Abs. [0005]). Konkrete Nachteile im Zusammenhang mit diesen Klappen beschreibt das Klagepatent nicht.

Im vorbekanten Technikstand sind schließlich auch polymer Klappen in der Entwicklung, jedoch noch nicht in der Anwendung, die insbesondere auf künstlichen Polymermaterialien wie Polyurethan basieren (Abs. [0006]).
Vor dem Hintergrund des dargestellten Stands der Technik macht es sich das Klagepatent zur Aufgabe (technisches Problem) neue Konstruktionen implantierbarer Klappen zu entwickeln, wobei insbesondere die Möglichkeit einer perkutanen Implantation geschaffen werden soll (Abs. [0007]), d.h. die Klappe über ein großes Blutgefäß über eine katheterähnliche Fördereinrichtung an die gewünschte Stelle des Körpers verbracht werden soll (Abs. [0007]). Die perkutane Implantation ist für den Patienten gegenüber chirurgischen Verfahren weniger riskant, weil nur eine sehr kleine Perforation der Haut (in der Regel in der Leiste oder dem Armbereich) erforderlich ist, mithin eine Öffnung des Brustkorps unterbleiben kann (Abs. [0008]). Dadurch sind zugleich eine Vollnarkose und ein kardio-pulmonaler Bypass verzichtbar, eine lokalanästhesistische Behandlung ist ausreichend (Abs. [0008]).

2.
Zur Lösung der Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die nachfolgenden Merkmale vor:

System für die kardiale Implantierung einer Klappenprothese, umfassend:

1. einen Katheter und

2. eine radial ausdehnbare Klappenprothese (20), die umfasst:

a) einen ausdehnbaren ringförmigen Stützrahmen (22), der geeignet ist, für die Katheterisierung durch einen Körperkanal zu einer Zielstelle anfänglich zu einem schmalen Aufbau gefaltet zu werden,

b) wobei der ringförmige Stützrahmen (22) eine Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern (23) mit einer festen Länge umfasst, von denen jeder mit einer Mehrzahl von Bohrungen versehen ist,

c) wobei der ausdehnbare Stützrahmen aufgebaut ist, um an der Zielstelle in einen ausgedehnten Aufbau ausgedehnt zu werden;

d) und eine trikuspidalblättrige Klappenanordnung (28), die einen Kanal mit einem Einlass (24) und einem Auslass (26) umfasst, die aus nachgiebigem Material hergestellt ist, um zusammenklappbare Wände an dem Auslass (26) darzustellen, wobei die Klappenanordnung (28) aus Perikard hergestellt ist,

3. und wobei die Befestigung der Klappenanordnung (28) an dem Rahmen (22) durch die Stützträger (23) ermöglicht wird, an welche die Klappenanordnung mit Garn bzw. Faden oder Faser durch die Bohrungen der Stützträger (23) genäht ist,

4. wobei die Klappenanordnung (28), wenn zugelassen wird, dass ein Fluss von dem Einlass durch die Klappenprothese (20) zu dem Auslass strömt, in einer offenen Position gehalten wird, während ein Rückwärtsfluss verhindert wird, da die zusammenklappbaren Wände der Klappenanordnung (38) nach innen zusammenklappen, um eine Blockierung für den Rückwärtsfluss bereitzustellen.

3.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Dies gilt nicht nur für zwischen den Parteien zu Recht unstreitigen Merkmale 1, 2, 2c und 4, im Hinblick auf die es keiner weiteren Ausführungen bedarf. Es lässt sich jedoch auch eine Verwirklichung der streitigen Merkmale 2a, 2b, 2d und 3 feststellen.

a)
Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist, ist gem. Art. 69 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche in der maßgeblichen Verfahrenssprache (Art. 70 Abs. 1 EPÜ), wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind (BGH, NJW-RR 2000, 259 (260) – Spannschraube). Für die Auslegung entscheidend ist die Sicht des in dem jeweiligen Fachgebiet tätigen Fachmanns. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH, ebd., (261)).

b
Die angegriffenen Ausführungsformen weisen einen ringförmigen Katheter im Sinne des Merkmals 2a auf.

aa)
Das Merkmal 2a),

„einen ausdehnbaren ringförmigen Stützrahmen (22), der geeignet ist, für die Katheterisierung durch einen Körperkanal zu einer Zielstelle anfänglich zu einem schmalen Aufbau gefaltet zu werden“,

beschreibt unter anderem einen ringförmigen Stützrahmen (englischer Originalwortlaut: „annular support frame“).

Bereits dieser Anspruchswortlaut legt nahe, dass der Stützrahmen einen in sich geschlossenen Raum bildet, innerhalb dessen sich die Klappenanordnung bewegt, insbesondere im Betriebszustand öffnet und schließt. Dabei ergibt sich für den Fachmann aus einer Gesamtschau mit den übrigen Merkmalen, dass diese Form des Stützrahmens mit der Befestigung (Merkmal 3) und dem bestimmungsgemäßen Betrieb der Klappenanordnung (Merkmal 4) zusammenhängt. Zu der Form, die die Anordnung der Stützträger im Verhältnis zu dem Stützrahmen aufweisen soll, trifft das Merkmal keine Aussage.

Dieses Verständnis wird auch durch eine funktionsorientierter Betrachtung gestützt. Dadurch, dass wesentliche Teile der Klappenanordnung von dem Stützrahmen umgeben sind, kann dieser die ihm klagepatentgemäß zugewiesene Aufgabe, die Klappenanordnung zu sichern (Abs. [0063]) und dadurch auch während des Betriebs der Klappenanordnung Stabilität für diese zu schaffen (Abs. [0063]), erfüllen. Abschnitt [0061] spricht insoweit auch von einem „netzartigen Rahmen“ (englischer Originalwortlaut: „net-like frame“), den der Stützstent bildet.

Dass der Raum dazu hingegen im streng mathematischen Sinne zylindrisch sein muss, ist nicht erkennbar. Die Beklagten tragen auch keine technischen Gründe, die dem Fachmann Anlass für ein solches Verständnis geben müssten, vor. Bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung müssen die Träger lediglich so angeordnet sein, dass sie die Öffnung der Klappe innerhalb des von dem Stützrahmen definierten Raumes nicht hindern.

bb)
Der Stützrahmen der angegriffenen Ausführungsformen bildet einen geschlossenen Raum für die Klappenanordnung in dem dargestellten Sinn.

Soweit die Beklagten gegen eine Verwirklichung des Merkmals 2a anführen, dass „die Stäbe der Herzklappe der angegriffenen Ausführungsformen deutlich radial innerhalb des ringförmigen Stützrahmens angeordnet und von den seitlichen Enden des flexiblen Klappenmaterials umwickelt sind“ (S. 22. d. Schriftsatzes v. 16.12.2016; Bl. 326 GA), fehlt es deshalb nicht an einem klagepatentgemäßen ringförmigen Stützrahmen. Das Klagepatent untersagt eine radiale Anordnung der Träger nicht, solange die Öffnung der Klappenordnung nicht gehindert wird. Dass die Träger der angegriffenen Ausführungsformen durch ihre Anordnung ein Hindernis während der Klappenanordnung bilden, ist nicht anzunehmen. Denn dann könnte die Klappenprothese ihre bestimmungsgemäße Aufgabe nicht übernehmen. Auch ist unschädlich, dass Teile der Klappenanordnung die Stützrahmen umschließen. Denn der Öffnungsvorgang der Klappenanordnung vollzieht sich dennoch in dem von dem Stützrahmen vorgegebenen Raum.

c)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen auch das Merkmal 2b,

„wobei der ringförmige Stützrahmen (22) eine Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern (23) mit einer feste Länge umfasst, von denen jeder mit einer Mehrzahl von Bohrungen versehen ist“.

aa)
Nach dem Wortlaut des Merkmals ist der Stützrahmen „mit mehreren in Längsrichtung steifen Trägern fester Länge versehen“ (Originalwortlaut: „the support frame comprising a plurality of longitudinally support beams […]”; Hervorhebung diesseits). Dem entnimmt der Fachmann eine räumlich-körperliche Zuweisung der Träger zu dem Stützrahmen derart, dass jedenfalls eine irgendwie geartete Verbindung zwischen Träger und Stützrahmen bestehen muss. Konkretisierende Angaben im Hinblick auf die Art und Weise der Verbindung ist dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen.

(1)
Merkmal 3 sieht vor, dass „die Befestigung der Klappenanordnung (28) an dem Rahmen (22) durch die Stützträger (23) ermöglicht wird“ (im englischen Originalwortlaut heißt es: „[…] wherein the attachment of the valve assembly (2) to the frame (22) is facilitated by the support beams (23) […]“; (Hervorhebungen jeweils diesseits). Eine sprachlich-philologisch orientierte Auslegung lässt in diesem Zusammenhang auch ein Verständnis zu, wonach die Verbindung der Klappenanordnung an dem Stützrahmen durch die Träger vermittelt wird, das heißt eine Verbindung zwischen Klappenanordnung und Stützrahmen mittelbar über die Träger geschaffen wird.

(2)
Weder in einer Gesamtschau mit den übrigen Merkmalen noch bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung erhält der Fachmann einen Anhaltspunkt für ein einschränkenden Verständnis, wonach mit der Zuweisung der Träger zu dem Stützrahmen eine besonders intensive und feste Verbindung zwischen Rahmen und Träger einhergeht. Die Zuweisung des Trägers zu dem Stützrahmen lässt sich vielmehr einerseits durch eine irgendwie geartete Verbindung sowie über die Funktion, die den Trägern zu gewiesen ist, nämlich als Befestigungsmittel für die Klappenanordnung zu fungieren (Merkmal 3), zuverlässig treffen.

In der Beschreibung des Klagepatents sind jedenfalls Ausführungsformen beschrieben, bei denen Träger und Rahmen als integrale Einheit ausgestaltet sind.

So wird mit den Figuren 25a – 25d ein Stütz-Stent dargestellt, bei dem Träger und Rahmen als Einheit ausgestaltet sind, die Träger mithin während des Herstellungsprozesses in den Rahmen integriert worden sind. In Abschnitt [0093] heißt es in diesem Zusammenhang:

„Die Perikardblättchen 430 sind an dem einsetzbaren Stützrahmen 432 entlang drei im Wesentlichen in gleichen Abständen angebrachten und im Wesentlichen parallelen Trägern 440 befestigt, die integrale Bestandteile des Stützrahmens 432 bilden.“

Auf die in der Beschreibung dargestellten bevorzugten Ausführungsformen darf jedoch die Lehre des Klagepatents regelmäßig nicht beschränkt werden (BGH, GRUR 2008, 779 (Rn. 34) – Mehrgangnabe). Das gilt vorliegend umso mehr als der Fachmann der Klagepatentbeschreibung auch Hinweise darauf entnimmt, dass die Stützträger als separate Bauteile an den Rahmen angebracht werden können:

„Ferner, in Übereinstimmung mit einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung, sind die Stützträger chemisch an den Stützstent angehaftet.“ (Abs. [0017]; ähnlich auch Abs. [0035]).

Soweit die Beklagten geltend machen, die Abschnitte [0010] bis [0049], bei denen es sich um die „Zusammenfassung der Erfindung“ handelt, dürften zur Auslegung der Lehre des Klagepatents nicht herangezogen werden, weil diese an die erteilte Fassung nicht angepasst worden seien, so führt dieser Einwand zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Der Erteilungsakt bezieht diese Abschnitte gerade mit ein. Soweit Ausführungsformen von der klagepatentgemäßen Lehre ausgenommen werden sollen, erwähnt das Klagepatent dies ausdrücklich (bspw. Abschnitte [0069] – 0071] und Abs. [0073]).

(3)
In funktionstechnischer Hinsicht ist weiter zu berücksichtigen, dass die Ausgestaltung der Träger eine stetige Sicherung der Klappenanordnung an dem Stützstent herbeiführen soll, und zwar unabhängig davon, ob sich diese in ihrem gecrimpten oder ausgedehnten Zustand befindet:

„Das ist ein wichtiges Merkmal, da es bedeutet, dass der Hersteller der Klappenvorrichtung sicherstellen kann, dass die Klappenanordnung immer gesichert und am Stützstent befestigt ist. Bei implantierbaren Klappenvorrichtungen aus dem Stand der Technik ändert die ganze Stützstruktur ihre Abmessungen von der anfänglichen zuerst zusammengefalteten Position bis zur endgültig eingesetzten Position, und das bedeutet, dass man bei der Befestigung der Klappenanordnung an der Stützstruktur diese Abmessungsveränderungen einkalkulieren und dem Material Spielraum lassen muss, damit die Klappenanordnung beim Einsetzen nicht reißt oder sich verformt.“ (Abs. [0063]; Hervorhebungen diesseits).

Dieser erfindungswesentliche Vorteil (auch beschrieben in Abs. [0064]) soll dabei insbesondere dadurch bewirkt werden, dass durch die Steifheit der Träger eine Relativbewegung zwischen der an den Trägern befestigten Klappenanordnung und den Trägern (entlang der zentralen Längsachse der Vorrichtung) vermieden wird (Abs. [0063]), wobei der Stützrahmen als solcher seine Längsausdehnung verändern können soll (Abs. [0059]). Durch die Ausgestaltung der Träger wird mithin eine Übertragung der Bewegung des Stützrahmens auf die Klappenanordnung verhindert. Durch die Starrheit der Träger und deren gleichbleibende Länge bleibt auch der Abstand zwischen den Befestigungsbohrungen gleich (vgl. Merkmal 3), so dass kein überschüssiges Klappenmaterial vorgesehen sein muss, um bei einer Abstandsänderung der Bohrungen hinreichend Spielraum zu haben (Abs. [0063]).

Diese Ausgestaltung der Träger soll zugleich die Beständigkeit der Klappenanordnung während ihres bestimmungsgemäßen Gebrauchs herbeiführen:

„Infolgedessen erreicht die Klappenvorrichtung der vorliegenden Erfindung eine längere Haltbarkeit und kann den in dem Gefäß herrschenden harten Bedingungen widerstehen, besonders den Millionen von durch den Blutdruck ausgeübten Lastzyklen.“ (Abs. [0063] a. E.).

Dass diese klagepatentgemäß angestrebten Vorteile lediglich dann erzielt werden können, wenn der Stützträger integraler Bestandteil des Stützrahmens ist oder die Verbindung zwischen Träger und Rahmen eine intensive Festigkeit aufweist, ist nicht erkennbar. Bei funktionsorientierter Betrachtung werden die Vorteile durch die Steifheit der Träger und deren feste Länge herbeigeführt. Dies berücksichtigend darf die Verbindung zwischen dem Stützträger und dem Stützrahmen lediglich nicht so ausgestaltet sein, dass sie diese Vorteile konterkariert, etwa weil die Verbindungsstelle an Rahmen und Träger so flexibel ist, dass eine Bewegung des Stützrahmens sich auf den Träger überträgt. Umgekehrt darf aber auch die Verbindung nicht so fest sein, dass mit der Verkürzung des Stützrahmens auch eine Verkürzung der Träger einhergeht. Der Fachmann erkennt mithin, dass eine zu feste Verbindung dem klagepatentgemäß angestrebten Zweck auch zuwiderlaufen kann.

bb)
Nach Maßgabe des unter lit. aa) dargelegten Auslegungsergebnisses besteht zwischen den Trägern und dem Stützrahmen der angegriffenen Ausführungsformen eine hinreichende Verbindung im Sinne des Merkmals 2b, liegt mithin ein Stützrahmen vor, der mit einer Vielzahl von in Längsrichtung steifen Stützträgern mit fester Länge versehen ist, und von denen jeder eine Mehrzahl von Bohrungen enthält.

(1)
Die Klappenprothese der angegriffenen Ausführungsformen weist unstreitig Träger auf, die aus einem steifen Material ausgebildet sind, und an denen die Klappenanordnung angenäht ist. Diese Träger verändern auch ihre Längsausrichtung nicht, diese bleibt vielmehr auch dann unverändert, wenn die Stäbe mit den Verschlüssen an dem oberen Teil des Stützrahmens in Eingriff gebracht werden, weil lediglich das obere und das untere Ende des Stützrahmens aufeinander zu bewegt werden.

Zwischen den Stützträgern und dem Stützrahmen besteht auch eine Verbindung in der Art einer V-förmigen Fadenschlaufe. Dass sich aufgrund dieser Verbindung eine Veränderung der Längsausrichtung der Stäbe vollzieht, ist dem Vortrag der Beklagten, auch auf den Vortrag der Klägerin, dass die Stäbe ihre Länge beibehalten, nicht zu entnehmen. Die Beklagten tragen zwar vor, dass sich „bei der Expansion in den vollständig eingesetzten Zustand der gesamte Stützrahmen um etwa 73 % verkürzt“ (S. 20 d. Schriftsatzes v. 16.12.2016, Bl. 324 GA). Dass sich die Längsausrichtung der Stäbe dabei verändert, ist jedoch bei Betrachtung des Rahmens im selbst-expandierten und im vollständig expandierten, verriegeltem Zustand (vgl. Anlage PS2, Abbildungen in der Mitte) nicht ersichtlich. Hiernach erscheint es vielmehr naheliegend, dass die Stäbe ihre Länge beibehalten, und lediglich der „drahtige“ Stützrahmen in seiner Längsausrichtung verschoben wird. In dem selbst-expandierten Zustand ist nämlich ein Abstand zwischen den Enden der jeweiligen Träger und den am oberen Ende des Stützrahmens befindlichen Verschlüssen erkennbar. Dagegen, dass dieser Abstand in dem verriegelten Zustand durch eine Verlängerung der Stäbe beseitigt wird, spricht, dass der Stützrahmen selbst eine geringere Längsausrichtung aufweist, sich mithin dem Ende der Stäbe angenähert hat. Diesen Vorgang beschreiben die Beklagten an anderer Stelle auch selbst, wenn sie vortragen:

„Diese Drähte ziehen die Stäbe in axialer Richtung zu den zugehörigen Verschlüssen, um die Stäbe mit den Verschlüssen zu verriegeln. Die Finger funktionieren dabei wie ein Gegenlager, d.h. die Finger drücken die Verschlüsse in axialer Richtung zu den Stäben.“ (S. 17 d. Schriftsatzes v. 12.08.2016, Bl. 199 GA, oben).

Unschädlich ist weiter, dass die Klappenanordnung nicht über ihre gesamte axiale Länge mit den Trägern verbunden ist, und deshalb schlaffes Material der Klappenanordnung vorhanden ist (S. 20 d. Schriftsatzes v. 16.12.2016, Bl. 324 f. GA). Nach der Lehre des Klagepatents soll schlaffes Klappenmaterial nicht schlechthin verhindert werden. Es soll nur an den Befestigungsstellen entbehrlich sein, weil dort – wie vorliegend bei den angegriffenen Ausführungsformen – eine Relativbewegung zwischen Klappenanordnung und Träger nicht stattfindet.

(2)
Schließlich steht einer Verwirklichung des Merkmals 2b auch die folgende Äußerung der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens zu dem EP ‘XXX (Klagepatent in dem Verfahren 4a O 149/15) nicht entgegen:

„Insbesondere unterscheidet sich gemäß D11a der starre Stab 458 (dargestellt z. B. als Einsatz 72 von D11a von den in Längsrichtung verlaufenden starren Stützträgern deutlich dadurch, dass er ein separates Teil ist, welches nur an dem Stent durch eine zusätzliche Naht 76 am Stützrahmen fixiert ist. Die Einsätze werden lediglich verwendet, um die Schleife an der Außenseite der Kommissurstäbe zu befestigen. Dagegen ist es nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents erforderlich, dass der Stützrahmen (als solcher) bereits mit den in Längsrichtung fixierten starren Stützträgern versehen ist (siehe Merkmal 2.2 von Anspruch 1).“ (Schriftsatz der Klägerin vom 15.02.2013 in dem Einspruchsverfahren, auszugsweise vorgelegt als Anlage PS3a der Verfahrensakte; deutsche Übersetzung: Anlage PS3b der Verfahrensakte, dort S. 3, Rn. 114; Schriftsatz der Klägerin vom 30.05.2014 in dem Einspruchsverfahren).

Ähnliches äußerte die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 30.05.2014 (auszugsweise vorgelegt als Anlage PS8a der Verfahrensakte; deutsche Übersetzung: Anlage PS8b der Verfahrensakte, dort S. 2, Rn. 23).

Grundsätzlich sind Äußerungen des Patentinhabers für die Auslegung nicht zu berücksichtigen, obgleich sie ein Indiz für die Auslegung des Fachmannes darstellen können (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, 2017, Kap. A., Rn. 76). Dass vorliegend unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben deshalb etwas anderes gilt, weil die Klägerin als Patentinhaberin im Rahmen des Einspruchsverfahrens zu dem EP ‘XXX, an dem die Beklagte zu 1) beteiligt ist, schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat, die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents sind (vgl. dazu: BGH, NJW 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II), ist nicht erkennbar.

Unbeschadet des Erklärungsgehalts, der den Äußerungen der Klägerin in dem Einspruchsverfahren zu entnehmen ist – sie selbst macht geltend, sie habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die in der D11a (= D2) offenbarten Einsätze bereits deshalb nicht als feste Träger verstanden werden könnten, weil sie ihrer Funktion nach lediglich Sicherungsteile seien –, dienten die Ausführungen der Klägerin, die sich schon nicht zu dem hiesigen Klagepatent, sondern lediglich zu einem Patent aus der Familie des Klagepatents verhalten, dazu, sich von vorbekanntem Technikstand abzugrenzen. Dass mit den Äußerung die angegriffenen Ausführungsformen aus dem Schutzbereich des Klagepatents ausgenommen werden sollen, und aus Sicht der Beklagten zu 1) ein dahingehender Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, kann vor dem dargestellten Hintergrund gerade nicht angenommen werden.

d)
Aus der Verletzung des Merkmals 2b) folgt zugleich auch eine solche des Merkmals 3. Denn andere Nichtverletzungsargumente als diejenigen, dass es an klagepatentgemäßen Trägern im Sinne des Merkmals 2b fehle, bringen die Beklagten in diesem Zusammenhang nicht vor.

e)
Die Klappenanordnung der angegriffenen Ausführungsformen ist auch im Sinne des Merkmals 2d) aus Perikard hergestellt.

aa)
Merkmal 2d sieht unter anderem vor, dass die Klappenanordnung aus Perikard hergestellt ist (im englischen Originalwortlaut heißt es: „wherein the valve assembly is made of pericardium“). Dieser Anspruchswortlaut trifft im Hinblick auf das Material keine Differenzierung zwischen einzelnen Klappenbestandteilen, sondern nimmt die Klappenanordnung insgesamt in Bezug. Soweit danach nahegelegt wird, dass die gesamte Klappenanordnung aus Perikard hergestellt sein muss, darf die Auslegung bei diesem rein sprachlich-philologischen Verständnis nicht verbleiben.

Die Herstellung der Klappenanordnung aus Perikardgewebe soll im Vergleich zu homografisch, biologisch hergestellten Klappen den Vorteil bringen, nicht ersetzt werden zu müssen (Abs. [0054]). Im Verhältnis zu mechanischen Klappen erweisen sich die aus Perikard hergestellt Klappen als vorteilhaft, weil eine Behandlung des Patienten mit Antikoagulationsmitteln ausbleiben kann (Abs. [0054]). Dass diese Vorteile nur dann erzielt werden können, wenn die gesamte Klappenanordnung aus Perikardgewebe besteht, ist nicht erkennbar. Vielmehr ist dem zu entnehmen, dass die wesentlichen Klappenbestandteile, das heißt diejenigen, die an dem Öffnungs- und Schließungsvorgang beteiligt sind, und die einer erheblichen Belastung ausgesetzt sind, aus Perikardgewebe bestehen müssen.

Funktionstechnische Gründe, wonach die Verwendung anderer an der Klappenanordnung befindlicher Materialien, beispielsweise zur Befestigung derselben – soweit diese Materialen überhaupt zur Klappenanordnung zu zählen sind –, die klagepatentgemäße vorgesehenen Vorteil unterläuft, sind weder erkennbar, noch trägt die Beklagte solche vor. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass das Klagepatent zur Erreichung weiterer Vorteile ausdrücklich andere Materialien im Zusammenhang mit der Klappenanordnung zulässt (Abs. [0025] f., [0032]). Klagepatentgemäß ausgeschlossen sind lediglich solche Materialien, die den Einsatz von Antikoagulationsmitteln oder eine schnellere Austauschbarkeit der Klappe erforderlich machen würden.

bb)
Sofern die Beklagten einer Verletzung des Merkmals 2d damit entgegentreten, dass die Herzklappe der angegriffenen Ausführungsformen nicht ausschließlich aus Perikard bestehen, sondern die zur Klappenanordnung zählenden Stäbe aus Metall und die Fäden, mit denen eine Befestigung erfolgt, aus Kunststoff hergestellt sind, führt dies aus dem Schutzbereich des Klagepatents auch dann nicht heraus, wenn die Stäbe und die Fäden zur Klappenanordnung zu zählen sind. Das Klagepatent verlangt lediglich, dass die wesentlichen Klappenbestandteile, also insbesondere die trikuspidalblättrigen Klappensegel, die den Öffnungsvorgang durchführen, aus Perikard bestehen. Auch ist nicht erkennbar oder vorgetragen, dass aufgrund der andersartigen Materialbestandteile Antikoagulationsmittel verabreicht werden müssen.

II.
Da die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen und zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Verletzungshandlungen in Form des Anbietens und des Inverkehrbringens vornehmen (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG) stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zu.

1.
Die Beklagten sind gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der in dem Klageantrag Ziff. I. 1. näher bezeichneten Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Verwirklichung einer Benutzungshandlung, hier jedenfalls im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform I in Form von Angebotshandlungen und einem Inverkehrbringen, verursacht grundsätzlich Wiederholungsgefahr für alle in § 9 PatG geschützten Handlungen (Voß/Kühnen in Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 50). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass auch Lieferungshandlungen im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform II unmittelbar bevorstehen, sind die Beklagten diesem Vortrag nicht entgegengetreten, was ein Unterlassungsgebot bereits unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr rechtfertigt. Des Weiteren sind aber auch Angebotshandlungen insoweit unstreitig gegeben.

2.
Der Klägerin stehen die mit dem Klageantrag Ziff. I. 2 begehrten Auskünfte gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1, 3 PatG zu. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Auskunftserteilung unverhältnismäßig ist, § 140b Abs. 4.

Der mit dem Klageantrag Ziff. I. 3. geltend gemachte Auskunftsanspruch in der Form einer Rechnungslegung besteht gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin bedarf der Auskünfte, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, um den ihr nach den Ausführungen unter Ziff. 4. zustehenden Schadensanspruch beziffern zu können. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Rechnungslegung auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.

3.
Der allein gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachte Vernichtungsanspruch besteht gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG, der Rückrufanspruch, der sich gegen beide Beklagte richtet, steht der Klägerin gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG zu.

Tatsachen, die die Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung oder des Rückrufs begründen, sind weder vorgetragen noch erkennbar.

4.
Die Beklagten (Gesamtschuldner) sind gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet.

Als Fachunternehmen hätte es ihnen oblegen, zu prüfen, ob die angebotenen und gelieferten Produkte das Klagepatent verletzten. Bei einer entsprechenden Überprüfung wäre die Patentverletzung für sie auch ohne weiteres zu erkennen gewesen. Indem sie eine entsprechende Prüfung unterließen, haben die Beklagten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet, § 276 Abs. 2 BGB.

Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung auch das erforderliche rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Entstehung eines Schadens auf Seiten der Klägerin ist hinreichend wahrscheinlich. Eine Bezifferung dieses Schadens ist ihr nicht möglich, weil sie ohne Verschulden über die Informationen, die sie mit den Klageanträgen Ziff. I. 2. und Ziff. I. 3. begehrt, in Unkenntnis ist.

III.
Eine Aussetzung der Verhandlung wegen des laufenden Einspruchsverfahrens ist nicht geboten, § 148 ZPO.

1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Einspruchsverfahrens gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, geben ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche jedoch grundsätzlich noch keinen Anlass, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizu-messen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten).

2.
Orientiert an diesem Maßstab können zur Vernichtung des Klagepatents führende Gründe nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

a)
Die Vernichtung des Klagepatents gem. Artt. 101 Abs. 1, 100 lit. c) EPÜ, weil dessen Gegenstand über den Inhalt der Stammanmeldung (WO ‘XXX; D1b) hinausgeht, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Gem. Artt. 101 Abs. 1, 100 lit. c) EPÜ begründet es einen Einspruchsgrund, wenn der Gegenstand des europäischen Patents, welches auf einer Teilanmeldung beruht, über den Inhalt der früheren Anmeldung (mithin der Stammanmeldung) hinausgeht.

Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Offenbarungsgehalt des Klagepatents als Teilanmeldung über denjenigen der Stammanmeldung hinausgeht.

aa)
Im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, dass in der WO ‘XXX (D1b) lediglich ein „Ballonkatheter“ offenbart werde, ist zu beachten, dass Seite 2 der WO ‘XXX (D1b) im vorletzten Absatz,

„Ein Aspekt der vorliegenden Erfindung beschäftigt sich mit der Möglichkeit der perkutanen Implantation der Herzklappe, d.h. dem Einsetzen der Klappenanordnung auf einer Zuführungsvorrichtung, ähnlich einem Katheter, und dann die Implantation der Klappenanordnung an der gewünschten Position durch ein großes Blutgefäß, wie z. B. die Femoralarterie […].“,

einen Katheter ohne eine Konkretisierung auf einen Ballonkatheter beschreibt. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Art eines Katheters ist dieser Beschreibungsstelle, mit der die Erfindung im Allgemeinen dargestellt wird, nicht zu entnehmen.

bb)
Die Beklagten machen weiter geltend, dass der Inhalt des Klagepatents den Offenbarungsgehalt der WO ‘XXX (D1b) auch insoweit überschreite, als Anspruch 43 der WO ‘XXX (D1b), an dem der Klagepatentanspruch 1 ausgerichtet ist, lediglich einen solchen ausdehnbaren Stützrahmen offenbart, der dazu geeignet ist, durch radial ausgeübte Kräfte von innen ausgedehnt zu werden, während nach dem Anspruchswortlaut des Klagepatents lediglich ein „ausdehnbarer Stützrahmen, um an der Zielstelle in einen ausgedehnten Aufbau ausgedehnt zu werden“ vorgesehen ist.

Eine Vernichtung des Klagepatents vermag die Kammer jedoch auf dieser Grundlage nicht als hinreichend wahrscheinlich anzunehmen.

Dabei ist zu beachten, dass die Frage der ausreichenden Offenbarung auch Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist, Art. 94 Abs. 1 Satz 1 EPÜ, Art. 76 Abs. 1 Satz 2. 1. HS EPÜ. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Erteilung des Klagepatents kann deshalb auch die von den Beklagten vorgebrachte Stellungnahme des EPA in dem Bescheid vom 25.06.2010 (Anlage D21; deutsche Übersetzung: Anlage D21‘) aus dem Prüfungsverfahren zu dem EP ‘XXX (Klagepatent in dem Verfahren 4a O 149/15), die als sachverständige Äußerung zu berücksichtigen ist und in der ausgeführt wird:

„Wie zutreffend von der Anmelderin in ihrem Schreiben vom 28.04.2010 bezeichnet, basiert der gegenwärtige Anspruch 1 auf den ursprünglichen Ansprüchen 42, 43 und Seite 22, Zeilen 26 – 28. Jedoch beinhaltet Anspruch 1 nur den ersten Teil von Anspruch 43, der sich auf die Eignung des expandierbaren Stützrahmens bezieht anfänglich in einer engen Konfiguration gequetscht zu sein, jedoch wird die Eignung des expandierbaren Stützrahmens ausgelassen eingesetzt zu werden mit Hilfe einer Einsetzvorrichtung durch Ausüben von im wesentlichen radialen Kräften von innen.

Folglich geht der Gegenstand von Anspruch 1 über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hinaus entgegen Art. 123(2) EPÜ.

Sobald der Anspruch 1 derart geändert wurde, dass er die weggelassenen Merkmale enthält, hält auch das Prioritätsdatum vom 11.10.2001 […]. Der abhängige Anspruch 2 würde dann überflüssig werden.“ [Zeichensetzungsfehler wurden übernommen],

zu keiner anderen Bewertung der Vernichtungswahrscheinlichkeit führen. Sofern darin eine von dem Erteilungsakt abweichende Auffassung im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung auch für das hier streitgegenständliche Klagepatent zum Ausdruck kommt, ergibt sich daraus für Kammer, die nicht mit Technikern aus dem Gebiet des Klagepatents besetzt ist, nicht, dass die Erteilungsentscheidung offensichtlich unvertretbar ist. Insbesondere erscheint es vor dem Hintergrund, dass in der WO ‘XXX (D1b) auch selbstexpandierende Stützrahmen offenbart werden (vgl. D1b, S. 21, 3. Abs.), nicht unvertretbar, in einem Stützrahmen, der durch radial ausgeübte Kräfte von innen ausgedehnt wird, lediglich eine bevorzugte Ausführungsform zu erblicken.

b)
Auch eine Vernichtung des Klagepatents wegen mangelnder Neuheit der geschützten Lehre gem. Artt. 101 Abs. 1, 100 lit. a), 54 EPÜ ist nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

aa)
Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich im maßgeblichen Zeitpunkt (Stand der Technik) die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart (BGH, GRUR 2009, Rn. 25 – Olanzapin). Dabei beschränkt sich die technische Lehre bei Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildung entnehmen kann (a. a. O.). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die vorgebrachten Entgegenhaltungen nicht erkennbar.
Gem. Art. 54 Abs. 2 EPÜ bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist, den maßgeblichen Stand der Technik. Art. 54 Abs. 3 EPÜ sieht vor, dass als Stand der Technik auch der Inhalt europäischen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung gilt, deren Anmeldetag vor dem in Abs. 2 genannten Tag liegt und die erst an oder nach diesem Tag veröffentlich worden sind. Gem. Art. 89 EPÜ hat die wirksame Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts jedoch die Wirkung, dass für die Anwendung des Art. 54 Abs. 2 und 3 EPÜ der Prioritätstag als Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung gilt.

bb)
Vorliegend ist davon auszugehen, dass das Klagepatent, vermittelt über die Stammanmeldung WO ‘XXX (D1b), die Priorität der US ‘XXX (D1a) vom 11.01.2001 wirksam in Anspruch nimmt, mithin dieser Zeitpunkt nach Maßgabe von Art. 89 EPÜ als für den Stand der Technik maßgeblich zugrundezulegen ist.

Gem. Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ genießt eine europäische Teilanmeldung die Priorität der Stammanmeldung, vorliegend der WO ‘XXX (D1b), soweit der Gegenstand der Teilanmeldung nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Zu der Frage, inwiefern der Gegenstand des Klagepatents (Teilanmeldung) über den Gegenstand der Stammanmeldung (WO ‘XXX; D1b) hinausgeht, ist bereits unter lit. a) ausgeführt worden. In Entsprechung zu den dortigen Ausführungen kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass der Inhalt des Klagepatents nicht über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgeht. Sofern – wozu im Folgenden ausgeführt wird – die Stammanmeldung selbst, die Priorität der US ‘XXX (D1a) vom 11.01.2001 wirksam in Anspruch nimmt, partizipiert das Klagepatent deshalb an dieser Priorität.

(1)
Einer wirksamen Inanspruchnahme der Priorität stehen keine inhaltlichen Gründe entgegen.

Die Beklagten machen geltend, dass die WO ‘XXX (D1b) die Priorität der US ‘XXX (D1a) vom 11.01.2001 nicht wirksam in Anspruch nehmen könne, weil der Offenbarungsgehalt der WO ‘XXX (D1b) über denjenigen der US ‘XXX (D1a) hinausgehe, indem der Anspruch 42 der Stammanmeldung das Merkmal „eingesetzt zu werden mit Hilfe einer Einsetzvorrichtung durch Ausüben von im wesentlichen radialen Kräften von innen“, das sich in Anspruch 1 der Prioritätsschrift befindet, nicht aufweist.

Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Inanspruchnahme der Priorität ebenfalls Teil des Erteilungsverfahrens ist. Insbesondere hat die Beklagte zu 1) den hier zur Prüfung stehenden Einwand bereits im Erteilungsverfahren für das Klagepatent als „Third Party Observation“ mit ihrem Schriftsatz vom 19.08.2014 vorgebracht (Anlage K2, S. 10 ff.). Aber auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens hat die Prüfungsabteilung mit Bescheid vom 19.08.2015 (Anlage K3, Pkt. 1.3) ausgeführt:

„The third-party observations received on 19.08.2014 and 08.01.2015 were examined but found not to be relevant.”

In einem weiteren Bescheid vom 16.02.2016 (Anlage K3a) heißt es:

„The observations under Articel 115 EPC give no cause for amendment of the documents.”

Soweit sich aus dem Bescheid des EPA vom 25.06.2010 (Anlage D21; deutsche Übersetzung: Anlage D21‘) aus dem Prüfungsverfahren zu dem EP ‘XXX (Klagepatent in dem Verfahren 4a O 149/15) eine andere Auffassung ergibt, führt dies entsprechend der unter lit. a) bb) genannten Begründung, auf die Bezug genommen wird, zu keiner anderen Bewertung. Sie gilt hier, vor dem Hintergrund, dass auch die Prioritätsschrift einen Rahmen aus Formgedächtnislegierung vorsieht (D1a, S. 13, Z. 18 – 23) entsprechend.

(2)
Der Inanspruchnahme der Priorität der US ‘XXX (D1a) vom 11.01.2001 stehen auch keine rechtlichen Gründe entgegen.

Gem. Art. 87 Abs. 1 lit. a) EPÜ genießt jedermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft (unter anderem auch die Vereinigten Staaten von Amerika) zum Schutz des gewerblichen Eigentums eine Anmeldung für ein Patent eingereicht hat, für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach dem Anmeldetag der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht. Gem. Art. 153 Abs. 2 EPÜ entfaltet eine Euro-PCT-Anmeldung – wie vorliegend – dieselbe Wirkung wie eine europäische Patentanmeldung. Bei einem Auseinanderfallen des Anmelders der Prioritätsschrift und des Anmelders des Patents, welches die Priorität in Anspruch nimmt, ist zur wirksamen Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dessen Übertragung vor der Einreichung der europäischen Patentanmeldung erforderlich (Grabinski, in: Benkard, EPÜ, Kommentar, 2. Auflage, 2012, Art. 87, Rn. 4).

Vorliegend fallen die Anmelder der Prioritätsschrift US ‘XXX, nämlich die Herren A, B, C und D, zwar mit der Anmelderin der WO ‘XXX (D1b), nämlich der F Inc. auseinander, auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten kann jedoch nicht festgestellt werden, dass es der F Inc. im Zeitpunkt der Anmeldung der D1b, nämlich am 11.10.2002, an dem Prioritätsrecht aus der US ‘XXX (D1a) fehlte.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass eine Übertragung des Prioritätsrechts aus der US ‘XXX (D1a) durch die schriftliche Abtretungserklärung der Herren A, B, C und D vom 15.03.2002 (Anmeldung wurde am 11.10.2002 vorgenommen) erfolgt ist, was auch durch eine Durchschrift der schriftlichen Abtretungserklärung (Anlage K29a; deutsche Übersetzung: Anlage K29b) substantiiert wird.

Die Beklagten treten dem Inhalt der Abtretungserklärung nicht entgegen. Soweit sie geltend machen, die Herren A, B, C und D hätten in Ermangelung ihn zustehender Erfinderrechte – weil diese nach dem maßgeblichen israelischen Recht bei dem Arbeitgeber E liegen würden – kein Prioritätsrecht übertragen können, steht dem entgegen, dass das Prioritätsrecht (= Recht zur Inanspruchnahme der Priorität) – unabhängig von der materiellen Berechtigung am Gegenstand der ersten Anmeldung – demjenigen zusteht, der die erste Anmeldung zum Schutz der Erfindung vorschriftsmäßig eingereicht hat (Grabinski, in: Benkard, EPÜ, Kommentar, 2. Auflage, 2012, Art. 87, Rn. 3). Die Anmeldung der US ‘XXX (D1a) wurde vorliegend unstreitig von den Herren A, B, C und D vorgenommen.

Eine andere Beurteilung der Rechtslage ist auch durch das von den Beklagten eingereichte Gutachten des Rechtsanwalts S T vom 06.12.2016 (Anlage PS7a; deutsche Übersetzung: Anlage PS7b) nicht angezeigt. Es verhält sich lediglich zu der Frage, wem nach israelischem Recht die Rechte an einer Diensterfindung zustehen. Sofern es in Rn. 18 des Gutachtens heißt, dass auch die Prioritätsrechte dem Arbeitgeber zustehen, ist zu beachten, dass diese Frage nicht nach israelischem Recht, sondern – wie bereits ausgeführt – nach Art. 87 EPÜ zu beantworten ist. Das Rechtsgutachten lässt schon nicht erkennen, dass Rechtsanwalt T sich mit dieser Vorschrift auseinandergesetzt hat.

cc)
Es kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die vorgelegten Entgegenhaltungen die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnehmen.

Die Ausführungen unter lit. bb) berücksichtigend ist lediglich noch die D2 (= D11a im Einspruchsverfahren gegen das EP ‘XXX aus dem Verfahren 4a O 149/15) gem. Art. 54 Abs. 3 EPÜ als maßgeblicher Stand der Technik zu berücksichtigen (Anmeldezeitpunkt: 05.04.2001). Die PowerPoint Präsentation des Prof. M auf dem P Symposium am 27.09.2002 mit dem Titel „R” (D20a) sowie die Fernsehsendungen vom 18.04.2002 auf den Sendern „N“ (D4) und „O“ (D5) liegen zeitlich nach dem maßgeblichen Prioritätszeitpunk (11.01.2001).
Bei der D2 handelt es sich um eine Entgegenhaltung, die bereits Gegenstand des Prüfungsverfahrens des Klagepatents war (vgl. auch „Third Party Observation“ der Beklagten zu 1) vom 19.08.2014, Anlage K2, S. 1 f.). Dies berücksichtigend ergibt sich aus dieser Entgegenhaltung eine Vernichtung des Klagepatents nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit.

Die Kammer vermag insbesondere nicht zu erkennen, dass die in dem Erteilungsakt zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach die D2/D2‘ der Neuheit der Lehre des Klagepatents nicht entgegensteht, offensichtlich fehlerhaft ist. Bei der Kammer, die nicht mit Fachleuten auf dem technischen Gebiet der Erfindung besetzt ist, verbleiben insbesondere einer Aussetzung entgegenstehende Zweifel hinsichtlich einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung des Merkmals 2b und des Merkmals 3.

(1)
Ausgehend von dem unter Ziff. I., 3., lit. c), aa) dargestellten Verständnis des Fachmannes von dem Merkmal 2b) ist zweifelhaft, ob ein klagepatentgemäßer Stützrahmen eindeutig und unmittelbar offenbart ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die beiden von den Beklagten in Bezug genommenen Ausführungsbeispiele der D2/ D2‘ (Fig. 1 – 5; Fig. 6 – 11) jeweils einen Trägerstent zeigen, der einen Grundteil 40 (Fig. 1) bzw. 104 (Fig. 6) aufweist, der die Klappenanordnung in dem Bereich, indem sich der Öffnungs- und Schließungsvorgang vollzieht, nicht umschließt. Vielmehr befinden sich in Höhe des Blattabschnitts 32 (Fig. 1) bzw. in Höhe der Prothesenblätter 108 (Fig. 6) lediglich die Randstreben 42 (Fig. 1) bzw. 146 (Fig. 6). Diese bilden jedoch keinen geschlossenen Raum im Sinne einer Umrahmung des Klappenmaterials aus. Dies ist von der mit der Entgegenhaltung offenbarten Lehre auch gerade gewollt, um einen vorzeitigen Verschleiß der Klappe zu vermeiden,

„Das heißt, der Blattabschnitt 32 kommt nicht mit dem Grundteil 40 in Kontakt, wodurch die Lebensdauer der Klappe erhöht wird.“ (Abs. [0046] D2/ D2‘ unter Bezugnahme auf Fig. 1 – Fig. 5).

(2)
Nach Merkmal 3 des Klagepatents ermöglichen die Stützträger (23) die Befestigung der Klappenanordnung (28) an dem Rahmen (22) dadurch, dass die Klappenanordnung mit Garn bzw. Faden oder Fasern durch die Bohrungen der Stützträger (23) genäht ist.

Im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der D2/ D2‘ erscheint der Kammer zwar eine Betrachtungsweise des Fachmannes nachvollziehbar, bei welcher dieser in den Einsätzen 72 (Fig. 1 – Fig. 5 D2/ D2‘) bzw. 166 (Fig. 6 – 11 der D2/ D2‘) starre Stützträger im Sinne der Lehre des Klagepatents erblickt. Zwischen den Stützträgern und der Klappenanordnung besteht auch eine Verbindung über die Nähte 74 (Fig. 1 – Fig. 5 D2/ D2‘) bzw. 168 (Fig. 6 – 11 der D2/ D2‘). Jedoch ist aus Sicht der Kammer fraglich, ob es sich bei den Nähten um Bohrungen im Sinne des Klagepatents handelt und ob der Fachmann gerade dieser Nahtverbindung zwischen Stützträger und Klappenanordnung die wesentliche Funktion für die Befestigung der Klappenanordnung an dem Stützrahmen entsprechend der Lehre des Klagepatents zuweist.

Die Bohrungen des klagepatentgemäßen Stützträgers sind an diesem in bestimmten Abständen angebracht, die sich auch während des Ausdehnvorgangs der Stützvorrichtung wegen der Starrheit der Träger nicht verändern. Damit beabsichtigt das Klagepatent gerade den erfindungswesentlichen Vorteil einer stabilen Befestigung der Klappenanordnung an dem Stützrahmen herbeizuführen (Abs. [0063]). Im Unterschied dazu, werden die Nähte 74 (Fig. 1 – Fig. 5 D2/ D2‘) bzw. 168 (Fig. 6 – 11 der D2/ D2‘) der in der Entgegenhaltung offenbarten Ausführungsbeispiele willkürlich in das Material eingebracht. Es bedarf auch nach der in der Druckschrift offenbarten Lehre eines festgelegten Abstandes zwischen den Bohrungen jedenfalls zur Erhöhung der Haltbarkeit nicht, weil diese – wie bereits im Zusammenhang mit dem Merkmal 2b ausgeführt – den Schutz der Klappenanordnung dadurch herbeiführt, dass eine Berührung mit dem Grundteil ausgeschlossen ist.

Weiter sind die Zweifel der Kammer hinsichtlich des Vorliegens einer klagepatentgemäßen Befestigung über die Nähte darin begründet, dass der Fachmann im Zusammenhang mit dem ersten Ausführungsbeispiel (vgl. Fig. 1 – 5 der D2/ D2‘ und Abschnitte [0034] – [0048]) Hinweise darauf erhält, dass Schlaufen 70 der Klappenanordnung 32 bereits über den Einsatz 72 an dem Rahmen gehalten werden, und zwar ohne dass dafür zusätzlich eine Verbindung über Nähte geschaffen werden muss:

„Eine Anzahl von Einsätzen 72 wird verwendet, um die Schlinge 70 mit der Außenseite der Randstreben 42 zu verbinden. […] Weil die Einsätze 72 innerhalb der Schlinge 70 angeordnet sind, hindern sie die Schlinge 70 daran, sich wieder durch den axialen Schlitz 54 zurückzuziehen.“ (Abs. [0043] D2‘).

Die Stiche 74 werden im Folgenden lediglich als Möglichkeit beschrieben, die hergestellte Befestigung abzusichern:

„Eine Anzahl von Stichen 74 ist vorzugsweise vorgesehen, um den Blattabschnitt 32 an den Einsätzen 72 zu befestigen.“ (Abs. [0043] D2‘).

Dies berücksichtigend vermag die Kammer auch aus dem weiteren Ausführungsbeispiel (Fig. 6 – 11 und Abschnitte [0049] – [0063]), auf das die Beklagten sich stützen, eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung einer klagepatentgemäßen Verbindung nicht herzuleiten. Zwar heißt es in der Druckschrift zur Beschreibung des Ausführungsbeispiels:

„[…] die benachbarten Blätter 130 […] umschließen den Einsatz 166, um mit einer Außenseite davon mit einer Anzahl von Stichen 168 verbunden zu werden (Abs. [0057] D2‘),

dennoch ist aus Sicht der Kammer nicht auszuschließen, dass der Fachmann auch dieses Ausführungsbeispiel dahingehend versteht, dass eine hinreichende Befestigung der Klappenblätter 130 bereits dadurch erfolgt, dass der Einsatz 166 mit dem oberen Komissurenverbindungsstück 164 (Fig. 8 sowie Abs. [0057] D2/ D2‘) mit einem unteren Komissurenverbindungsstück 160 der Randstrebe 146 in Einsatz gebracht wird (Fig. 10 sowie Abs. [0057] D2/ D2‘), und dadurch – vergleichbar dem ersten Ausführungsbeispiel – ein Herausrutschen der Klappenblätter 130 durch die U-förmigen Kommissuren 112 der elastischen Drahtanordnung 106 verhindert wird. Eine Bestätigung für ein solches Verständnis könnte der Fachmann dabei insbesondere auch aus der allgemeinen Beschreibung der mit der Entgegenhaltung offenbarten Erfindung erhalten, in der es – ohne Bezugnahme auf Nähte oder Stiche – heißt:

„[…], wobei jeder Einsatz von einer sich durch jeden Schlitz nach außen erstreckenden Schlinge umschlungen ist, um die Schlinge in ihrer durch den Schlitz durchgreifenden Anordnung zu halten.“ (Abs. [0010], [0011] D2‘).
Die dargelegten Zweifel werden auch weder durch die Auffassung der Prüfungsabteilung in dem Erteilungsverfahren zu dem EP ‘XXX noch durch die vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung in dem Einspruchsverfahren zu eben diesem Patent beseitigt.

Die Prüfungsabteilung hat in dem Bescheid vom 25.06.2010 (Anlage D21‘, Rn. 3) mit Bezug auf die Figuren 1 und 2 der D2 ausgeführt, dass die Öffnungen 80 auf den Stäben 42 und die Öffnungen 78 auf den Einsätzen 72 geeignet seien, die Klappenanordnung an die Stützträger zu nähen. In diesem Zusammenhang erscheint der Kammer jedoch unter Berücksichtigung des Abschnitts [0043] der Entgegenhaltung,

„Zusätzlich zieht sich wie in Fig. 3 dargestellt eine Heftung 76 durch eine Öffnung 78 in jedem Einsatz 72 und durch eine Öffnung 80, die in dem Ausströmende jeder Randstrebe 42 bereitsteht. Auf diese Art und Weise ist jeder Einsatz 72 in Bezug auf den Trägerstent gehalten.“,

auch ein Verständnis möglich, wonach durch die in Bezug genommenen Öffnungen die Befestigung des Einsatzes an der Randstrebe beschrieben wird. Dass damit auch eine Befestigung der Klappenanordnung, der in den Figuren 1 und 2 der D2/ D2‘ die Kennziffer 30 bzw. 70 zugeordnet ist, einhergeht, wird jedenfalls in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt.

Soweit es in dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung der Einspruchsabteilung in dem Einspruchsverfahren zu dem EP XXX‘ vom 28.03.2014 im Zusammenhang mit der Beurteilung der Neuheitsschädlichkeit der D2 [dort bezeichnet als D11a] heißt:

„Sie [gemeint ist die Vorsitzende] kommentiert ferner, dass […] die Klappenanordnung in D11a aus den Segeln und dem Einsatz besteht.“ (Anlage PS4b in dem Verfahren 4a O 149/15, S. 5, ganz unten),

vermag das Gericht diese Äußerung jedenfalls nicht ohne eine weitere Begründung mit einem klagepatentgemäßen Verständnis von einer Befestigung der Klappenanordnung an dem Rahmen durch Bohrungen in dem Stützträger in Einklang zu bringen. Denn bei der angedeuteten Betrachtung, die die Einsätze 72 als Teil der Klappenanordnung begreift, würden durch die Nähte 74 (Fig. 1 – 5) zwei Teile der Klappenanordnung (nämlich die Schlaufe 70 und der Einsatz 72), nicht aber ein Teil der Klappenanordnung und der Stützträger miteinander verbunden.

dd)
Eine Vernichtung des Klagepatents kann schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, Artt. 101 Abs. 1, 100 lit. a), 56 EPÜ.

Eine Erfindung gilt nach Art. 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Es ist deshalb zu fragen, ob ein über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügender Fachmann, wie er auf dem technischen Gebiet der Erfindung in einschlägig tätigen Unternehmen am Prioritätstag typischerweise mit Entwicklungsaufgaben betraut wurde und dem unterstellt wird, dass ihm der gesamte am Prioritätstag öffentlich zugängliche Stand der Technik bei seiner Entwicklungsarbeit zur Verfügung stand, in der Lage gewesen wäre, den Gegenstand der Erfindung aufzufinden, ohne eine das durchschnittliche Wissen und Können einschließlich etwaiger Routineversuche übersteigende Leistung erbringen zu müssen (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98). Welche Mühe es macht, den Stand der Technik aufzufinden oder heranzuziehen, ist unbeachtlich (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98).

Für die Kammer lässt sich für eine Aussetzung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik nahegelegt war, mithin eine erfinderische Tätigkeit in dem beschriebenen Sinne nicht vorliegt.

Eine Kombination der Präsentation (D20a) mit dem allgemeinen Fachwissen legt die Lehre des Klagepatents schon deshalb nicht nahe, weil die D20a nicht zum Stand der Technik zählt. Denn die Präsentation (D20a) fand am 27.09.2002, mithin nach dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt (11.10.2001) statt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum prioritätsmaßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Neuheit (lit. bb)) Bezug genommen.

Die Kammer kann aber auch nicht ersehen, dass der Fachmann ausgehend von der D3 (WO ‘313) in Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen in naheliegender Art und Weise zu der Lehre des Klagepatents gelangt wäre.

Die D3, die eine künstliche Herzklappe umfassend einer Stentstruktur und einer Aorthenherzklappe zum Gegenstand hat, ist als maßgeblicher Stand der Technik zu berücksichtigen, denn die Veröffentlichung der PCT-Anmeldung erfolgte am 03.08.2000 und damit bereits vor der Anmeldung der Prioritätsschrift am 11.10.2001.

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 17C und 17D der D3,

bilden eine Gewebeklappe 85, sowie eine Befestigungsvorrichtung bestehend aus zwei expandierbaren Ringen 91 – Figur 17C zeigt die Befestigungsvorrichtung und die Klappe in expandiertem, Figur 17D zeigt sie in komprimiertem Zustand – und Streben 92 ab. Die Streben 92 verändern ihre Längsausrichtung bei einem Wechsel von dem expandierten in den komprimierten Zustand nicht.

Insbesondere der Umstand, dass die Druckschrift auf Seite 22, Zeile 19 bis 21,

„Die Klappe ist vorzugsweise an beiden Ringen und den Streben durch ein geeignete (!) Befestigungsmittel einschließlich aber nicht beschränkt auf Widerhaken, Nähte, Klammern, Klebstoffe oder dergleichen befestigt.“,

selbst erkennen lässt, dass eine Verbindung von in Längsrichtung steifen Stützträgern und Bohrungen und Garn bzw. Faden oder Fasern zur Fixierung der Klappenanordnung im Prioritätszeitpunkt (11.10.2001) noch nicht gängig war, gibt der Kammer Anlass, an einer Offenbarung des Merkmals 3 zu zweifeln.

Dem Fachmann wird zwar durch die in Bezug genommene Textstelle auch eine Verbindung mittels Nähten offenbart, nicht eindeutig erscheint jedoch, ob damit eine Verbindung durch Bohrungen in den Trägern mittels Garn oder Fäden herbeigeführt wird. Zwingend erscheint dies nicht, insbesondere erscheint ein Vernähen auch über an den Streben befindliche Schlaufen möglich oder aber auch ohne ein vollständiges Durchstechen der Streben oder durch Herumwickeln des Fadens um die Strebe. Auch bleibt unklar, ob eine Verbindung über eine Vielzahl von Nähten, sofern man diese als Bohrungen im Sinne des Klagepatents begreift, erfolgt.

Sofern die Beklagten geltend machen, dass der Fachmann, auch wenn eine Vielzahl von Bohrungen zur Verbindung der Klappenanordnung mittels Garn bzw. Faden oder Fasern nicht offenbart werde, diese jedenfalls für naheliegend halte, erscheint fraglich, was den Fachmann vor dem Hintergrund der ihm in der Druckschrift offenbarten unterschiedlichen Verbindungsmöglichkeiten zur Herbeiführung einer Verbindung durch eine Vielzahl von Bohrungen in den Streben im Prioritätszeitpunkt veranlasst haben könnte.

IV.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO und soweit die Kosten gesondert vollstreckbar sind auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

V.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 10.000.000,- festgesetzt.