I – 2 U 23/14 – Parametrierung eines Prüfstandes

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2635

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 27. April 2017, Az. I – 2 U 23/14

Vorinstanz: 4b O 130/12

A.

Auf die Berufung wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmit-tels – das am 29. April 2014 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

a) Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes, bei welchem im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden, wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

(a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,
(b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und
(c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden,

Dritten zur Anwendung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten;

b) Prüfstandssteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrichtung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter od. dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtungen des Prüfstandes, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sind, und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach Ziffer I.1.a) durchführt,

in der Bunderepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin in einer gesonderten, einheitlich geordneten Aufstellung Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang, in dem sie die in Ziffern I.1. a) und b) bezeichneten Handlungen seit dem 16. Juni 2008 begangen hat, jeweils unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen (bezüglich letzterer erst für die Zeit ab dem 1. September 2008), für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle der Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

zu Ziffer I.2. a), b), c) und e) die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei die Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich der ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein dürfen,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfragen mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

sowie des Weiteren mit der Maßgabe, dass die Angaben gemäß Ziffer I. 2. e) hinsichtlich der nach Ziffern I.1. a) und b) begangenen Handlungen nur für die Zeit seit dem 5. Juni 2010 zu machen sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin

1. für die in Ziffern I.1. a) und b) bezeichneten und zwischen dem 16. Juni 2008 und dem 4. Juni 2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. jeglichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffern I.1 a) und b) bezeichneten und seit dem 5. Juni 2010 begangenen Handlungen bereits entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

B.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

C.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleis-tung in Höhe von 375.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

D.
Die Revision wird nicht zugelassen.

E.
Der Streitwert wird auf 500.000,- € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer unmittelbaren, hilfsweise wegen einer mittelbaren Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 217 AAA B1 (nachfolgend: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 7. November 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität der AT 9152AAB vom 13. Dezember 2000 in deutscher Verfahrenssprache angemel-det. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 26. Juni 2002. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 5. Mai 2010 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 501 15 AAC) ist in Kraft.

Das Klagepatent betrifft ein „Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes“. Sein hier streitgegenständlicher Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:

„Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes, bei welchem im zeit-lichen, weg- und Lastspiel-geführten Prüfverlauf, aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Soll-werte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrol-le und Überwachung des Prüflaufes angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden,

wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren mögli-chen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

(a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,

(b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und

(c) Vorzweigungen [richtig: Verzweigungen], die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden.“

Der durch die Klägerin daneben geltend gemachte Patentanspruch 5 lautet:

„Prüfstandsteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrichtung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter od. dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtungen des Prüf-standes, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander ver-bunden sind,

und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 durchführt.“

Im Hinblick auf die Formulierung der durch die Klägerin lediglich im Wege von „insbesondere, wenn“ – Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2 und 4 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Die nachfolgend verkleinert eingeblendete und der Klagepatentschrift entnommene Figur 1 zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung.
Zu sehen sind insbesondere ein graphischer Bereich (1) und ein tabellarischer Be-reich (2), die durch eine Trennlinie (3) voneinander getrennt sind. Im graphischen Bereich (1) werden die Sollwertspuren als Kurvenverläufe (4) über die Zeit (x-Achse) dargestellt. Oberhalb des Bereichs (1) kann über einen weiteren Teilungsbalken ein Aktionsfenster (6) geöffnet werden, in welchem die Aktionen dargestellt werden. Es ist zeilenorientiert. Jede Aktion wird auf einer eigenen Zeile dargestellt.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Engineering-Unternehmen, das neben Entwicklungsleistungen auf dem Gebiet der Automobiltechnik Mess- und Prüfsysteme, insbesondere für die Automobilindustrie, anbietet. Sie vertreibt ein System „B“, welches die Arbeitsschritte eines Kalibrierungs-Testdesigns für Antriebsstränge und die Testausführung unterstützt.

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der weltweit tätigen C Ltd. Sie entwickelt und vertreibt, vor allem für den Bereich der Automobilindustrie, Mess-, Kontroll- und Prüfsysteme. Zu den von ihr vertriebenen Produkten zählt unter anderem die Software „D“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Es handelt sich um ein Fernsteuersystem zur Überwachung eines Prüfstandes für die Kalibrierung eines Motors. Insbesondere stellt die angegriffene Ausführungsform ein Fernsteuerungsprogramm dar, das eine Prüfstandsteuereinrichtung, wie das System „E“ der Klägerin, über eine geeignete Datenschnittstelle fernsteuern kann. Eine direkte Steuerung der Prüfstandhardware durch die angegriffene Aus-führungsform ist nicht möglich. Das Vorhandensein einer solchen Prüfstandsteuereinrichtung ist folglich zwingende Voraussetzung für eine Anwendung der angegriffenen Ausführungsform an einem Prüfstand bzw. Prüffeld. Das Programm „D“ weist unter anderem folgende Programmmodule auf:

Measurement Application für Windows – die 1 PC Lösung
Measurement Application für Windows und Linux – erfordert 2 PCs
Measurement Definition Application
Formula Calculation VC OfflineModel
K-VirtualConsole OfflineModel
K Offline
M-File user-defined actions
K user-defined actions.

Die angegriffene Ausführungsform umfasst mithin insbesondere die Anwendungen „Measurement Definition Application“ (nachfolgend: MDA) und „Measurement Application“ (nachfolgend: MA). Durch die Anwendung MDA werden Testpläne für die spätere Durchführung von Messungen erstellt, wobei diese Erstellung von Testplänen „offline“, also ohne Verbindung zu einem Prüfstand oder Prüffeld, erfolgt. Die Erstellung im Modul MDA erfolgt dabei in einem „Test Plan“-Fenster, in welchem die einzelnen Testpunkte konfiguriert werden. Ein solches „Test Plan“-Fenster ist nachfolgend beispielhaft eingeblendet:

Nachdem die Testpläne mit der Anwendung MDA erstellt wurden, werden sie mithilfe der Anwendung MA durchgeführt, wobei die Darstellung von Test- und Messpunkten durch die Anwendung MA sowohl in einem Testpunktfenster („Test Points“-Fenster)
als auch in einem globalen Messpunktfenster („Global measuring points“-Fenster) erfolgt.

In Bezug auf das Programmmodul „I“ findet sich auf Seite 107 des als Anlage K 9 zur Akte gereichten Handbuchs zur MDA unter anderem Folgendes (Wiedergabe entsprechend der als Anlage K 9Ü zur Akte gereichten Übersetzung, dort S. 45):

„Nachdem Sie die Konfiguration Ihres Tests beendet haben, können Sie Ihren Test auf der Messanwendung laufen lassen. Sie können den Test durch Verwendung der MAT-LAB-Simulation ausführen, um jeden Fehler zu bearbeiten, der auftreten könnte. Nach-dem Sie sicher sind, dass Ihr Test erfolgreich ablaufen wird, können Sie sich mit dem Testzellsystem und dem Kalibrationswerkzeug verbinden und den Test in einer Testzel-le ablaufen lassen.“

In dem als Anlage K 10 vorgelegten Handbuch zur MA heißt es auf Seite 20 weiter (in deutscher Übersetzung):

„Wenn Sie das Benzin- oder Diesel-K-Modell verwenden, welches mit der B-Installation zur Verfügung gestellt wurde, doppelklicken Sie auf die Start ASAP3 Server Verknüpfung, die auf Ihrem Windows-Desktop bei der Installation von D angelegt wurde.“

Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform unmittelbar, zumindest aber mittelbar wortsinngemäß von der technischen Lehre der Patentansprüche 1 und 5 des Klagepatents Gebrauch.

Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat eine Verletzung des Klage-patents in Abrede gestellt.

Durch Urteil vom 29. April 2014 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewie-sen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Da bei der angegriffenen Ausführungsform keine graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in unterschiedlichen, miteinander gekoppelten Darstellungsformen erfolge, verletze die angegriffene Ausführungsform weder Patentanspruch 1 noch Patentanspruch 5 des Klagepatents.

Der Fachmann verstehe unter einer Parametrierung bzw. einem Parametrierungsverfahren das Auswählen und Bereitstellen von Parametern, Sollwerten und Aktionen eines Prüfverlaufs, nicht aber die Durchführung des Prüfverlaufs selbst. Dies schließe nicht aus, dass sich die Parametrierung und die Durchführung des parametrierten Prüfverlaufs überschneiden, also teilweise zeitgleich ablaufen. Es sei aber erforderlich, dass die graphische Erstellung und Darstellung der jeweiligen Stufensequenz, in welcher der Prüfverlauf definiert werde, in zwei unterschiedlichen und miteinander gekoppelten Darstellungsformen erfolge. Aufgrund der Kopplung sei eine nur in einer Darstellung erfolgte Änderung gleichsam in beiden Darstellungen sichtbar.

Die MDA erzeuge verschiedene Einstellungen, um Messungen durchzuführen. Die MA führe Messungen aus und steuere die verbundenen Maschinen auf der Grundlage der gespeicherten Messdefinitionsanwendung. Eine Festlegung von Parametersollwerten finde nur innerhalb der MDA statt. Die Darstellung von Testpunkten und Messpunkten in dem Testpunktfenster bzw. dem globalen Messpunktfenster erfolge durch die Anwendung MA. Bei der Durchführung der Tests mithilfe der MA könnten die Parametersollwerte nicht mehr geändert werden. Während eines Prüflaufs könnten Parameter und Sollwerte mit Ausnahme eines Wechsels der Testpunktzeile (Reihenfolge) nicht verändert werden. In einem solchen Fall dürfe die MA nicht durchgeführt werden, es erfolge also zu der Zeit kein Prüflauf. Werde die Testpunktzeile geändert, werde dies nicht unmittelbar in beiden genannten Fenstern wiedergegeben, sondern erst nach dem Start der MA.

Daher würden auf der Ebene des Parametrierungsverfahrens keine Anzeigesteuer-signale erzeugt, um Stufensequenzen in zwei gekoppelten Darstellungsformen graphisch zu erstellen und darzustellen. Eine graphische Darstellung von Test- und Messpunkten in mehreren Darstellungsformen erfolge nur im Rahmen der MA, nicht auf der Ebene der MDA. Mit der MDA sei eine Darstellung von Parametersollwerten nicht möglich. Die Erstellung oder Änderung eines Prüflaufs auf der Ebene der MDA werde auch nicht unmittelbar in den Fenstern der MA wiedergegeben. Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolge bei einer Veränderung der MDA keine gleichzeitige Veränderung in der MA. Die einzige Möglichkeit, die Testpunkte in der MA zu ändern, sei das Einlesen einer neuen, innerhalb der MDA erstellten Testpunkttabelle. Ein Editieren der Testpunkte innerhalb der MA sei nicht möglich. Auch wenn die Testpunkte mit dem Einlesen der Tabelle im Testpunktfenster dargestellt würden, lasse sich nicht feststellen, dass eine graphische Erstellung der Stufensequenz möglich sei, weil erst die in der MDA fertig erstellte Tabelle eingelesen und angezeigt werde. Unabhängig davon biete die angegriffene Ausführungsform jedenfalls nicht die Möglichkeit der graphischen Erstellung von Stufensequenzen in zwei miteinander gekoppelten Darstellungsformen. Das Einlesen einer neuen Testpunkttabelle bewirke gerade keine entsprechende Änderung im globalen Messpunktfenster. Eine Anpassung der Werte im globalen Messpunktfenster erfolge erst nach dem Start der MA. Eine Veränderung der Werte in der MA und damit die graphische Erstellung von Stufensequenzen sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Möglichkeit, eine Änderung der Testpunktzeile innerhalb der MA herbeizuführen. Auch dann fehle es an zwei unterschiedlichen, miteinander gekoppelten Darstellungsformen von Stufensequenzen. Denn eine graphische Darstellung eines Testpunktfensters mit der jeweiligen Stufensequenz in einer zweiten graphischen Darstellungsform erfolge bei der Anwendung MA erst dann, wenn die MA gestartet und damit die Ausführung des Tests begonnen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei aber weder ein Wechsel der Testpunktzeile noch eine geänderte Eingabe in der MDA möglich.

Damit scheide auch eine mittelbare Verletzung der streitgegenständlichen Patentansprüche aus. Es sei nicht ersichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet sei, zur Benutzung der patentgemäßen Lehre der Ansprüche 1 und 5 des Klagepatents verwendet zu werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Juni 2014 Berufung ein-gelegt, mit der sie ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Begehren auf eine Verur-teilung der Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Schadenersatz und Entschädigung weiterverfolgt.

Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht im Wesentli-chen geltend:

Die von den streitgegenständlichen Patentansprüchen geforderte Erzeugung von miteinander gekoppelten Darstellungsformen sei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Kopplung sofort oder gar unmittelbar zu einer entsprechenden graphischen Darstellung in zwei Darstellungsformen führen müsse. Es sei nicht entscheidend, dass getätigte Eingaben bzw. Änderungen auch in der gekoppelten Darstellungsform unmittelbar graphisch sichtbar werden müssten. Ziel der Erfindung sei es, einmal eingegebene Daten zu verknüpfen, damit sie gekoppelten Darstellungen zur Verfügung stehen und dort angezeigt werden könnten. Eine unmittelbare Darstellung der eingegebenen oder geänderten Daten in gekoppelten Darstellungsformen sei hingegen zur Lösung der Aufgabe nicht erforderlich und daher auch nicht in den Anspruchswortlaut eingeflossen. Es sei vielmehr ausreichend, dass eine Eingabe bzw. Änderung in einer Darstellungsform auch in einer gekoppelten Darstellungsform angezeigt werde, sofern diese die gleichen Teile der Stufensequenz anzeige. Dies sei bei dem angegriffenen System „D“ der Fall, da die im Modul MDA graphisch erstellte Konfiguration im Modul MA in zwei weiteren Darstellungen, dem Testpunktfenster und dem globalen Messpunktfenster, angezeigt werde. Die drei Darstellungen würden dabei auf dieselbe Messdefinitionsdatei (D: „Measuring Definition File“ oder „Configuration File“ mit Endung .orn) zugreifen.

Des Weiteren sei die Darstellungsweise bei der angegriffenen Ausführungsform auch nicht auf die Darstellung von Ist-Werten und Prüfergebnissen beschränkt, sondern umfasse auch die Darstellung von Sollwerten, die noch nicht Gegenstand von Überprüfungen am Prüfstand gewesen seien. Die in der Anlage K 10 enthaltene Beschreibung zu dem vorstehend eingeblendeten globalen Messpunktfenster weise ausdrücklich darauf hin, dass der rot umrandete Kreis den aktuell bearbeiteten Testpunkt zeige, der grün umrandete Punkt jedoch die Ansicht des in der Reihe nächsten Testpunkts darstelle. Gleiches gelte für das vorstehend eingeblendete Testpunktfenster, das mehrere Testpunkte anzeige, jedoch bei der dortigen Abarbeitung mit dem ersten Testpunkt beginne, womit der zweite Testpunkt also einen Sollwert darstelle, der noch nicht Gegenstand von Überprüfungen am Prüfstand gewesen sei.

Diese Anzeige diene zudem der Überwachung und Kontrolle des Prüfverlaufs, der nach der Formulierung des Patentanspruchs ausdrücklich zum Gegenstand des Parametrierungsverfahrens zähle.

Des Weiteren habe die Klägerin erstmalig am 3. Juli 2014 Zugang zu einem in Deutschland installierten System „D“ erhalten. Bei der daraufhin untersuchten Version des Systems „D“ habe es sich offenbar um eine weiterentwickelte bzw. mit Softwareaktualisierungen versehene Version gehandelt, welcher die als Anlage
K 30 (auszugsweise Übersetzung: Anlage K 30Ü) vorgelegte ergänzte Gebrauchsanweisung beigefügt gewesen sei.

Im Modul MA könne unter dem Menüpunkt „Tools“ das „Set Test Plan Results“-Fenster geöffnet werden, in welchem selektiv einzelne Messpunkte bzw. Sollwertstufen, Bereiche von Messpunkten oder auch alle Messpunkte ausgewählt werden könnten, die in einem Testlauf angefahren werden sollen. Werde beispielhaft bei einem Testplan mit zwei Messpunkten der zweite Messpunkt in diesem Fenster auf „skipped“ gesetzt, werde diese Änderung des Testplans auch in der Anzeige des Testpunktfensters und des globalen Messpunktfensters umgesetzt. Ein auf „skipped“ gesetzter Messpunkt werde im Testpunktfenster als Zeichen dafür, dass der Messpunkt bei einem Testlauf nicht gemessen werde, grau hinterlegt, im globalen Messpunktfenster werde die grüne Umrandung im zweiten Messpunkt entfernt, da es sich nicht mehr um den nächsten, zu vermessenden Messpunkt handele. Die entsprechend geänderten Anzeigen verdeutliche der nachfolgend eingeblendete Screenshot:
Würden zunächst auf „skipped“ gesetzte Messpunkte auf „has not measured“ geän-dert, um diese im nächsten Prüflauf messen zu lassen, so werde diese Änderung unmittelbar auch im Testpunktfenster wiedergegeben, in welchem die den durch den Benutzer ausgewählten Testpunkten entsprechenden Zeilen nunmehr weiß unterlegt seien.
Das Modul MA diene daher nicht allein der Ausführung einer bereits bekannten Konfiguration. Es sei in diesem Modul vielmehr auch möglich, die zu testenden Parametersollwerte bzw. Sollwertstufen festzulegen, damit die Stufensequenz zu konfigurieren und Änderungen an der Stufensequenz vorzunehmen. Hierdurch sei die patentgemäße Erstellung der tatsächlich zu testenden Stufensequenz verwirklicht, welche über das „Set Test Plan Results“-Fenster auch graphisch erfolge. Bei dem vorstehend beschriebenen Beispiel müsse der Testlauf zur Übernahme von in dem „Set Test Plan Results“-Fenster vorgenommenen Änderungen in dem Testpunktfenster und in dem globalen Messpunktfenster durch Drücken des Buttons „Start“ in dem Modul MA neu gestartet werden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Änderung der zu testenden Sequenz abgeschlossen. Mit dieser Änderung erfolge dann unmittelbar auch eine entsprechende Anzeige im globalen Messpunktfenster und der Testpunktanzeige.

Erstmals im Berufungsverfahren (nach Erstattung des gerichtlichen Sachverständi-gengutachtens) macht die Klägerin geltend, dass die angegriffene Ausführungsform jedenfalls unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die MA in Verbindung mit dem „D“-eigenen „K“-Modell laufen zu lassen, von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch mache. Hierbei werde die Parametrierung durch „D“ ohne Verbindung zum Prüfstand getestet. Solange die Parametrierung mit dem Modul „I“ geprüft werde, gebe es weder eine Verbindung zum Prüfstand noch würden Daten an den Prüfstand übertragen. Das Testen der Parametrierung innerhalb des Systems „D“ sei damit Teil des Parametrierungsverfahrens. Veränderungen, die nach dem Durchführen einer Simulation aber vor dem Übertragen des Prüflaufs an den Prüfstand vorgenommen würden, seien daher auch bei einer engen Auslegung des streitgegenständlichen Patentanspruchs Teil der Parametrierung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 29. April 2014, Az. 4b O 130/12, zu verurteilen,

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

1. Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. Prüffelds, bei welchem im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüfverlaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden, wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

(a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,
(b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und
(c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden,

Dritten zur Anwendung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder anzuwenden;

hilfsweise:

ein Computerprogramm, geeignet zur Anwendung eines Verfahrens zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. Prüffelds, bei welchem im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüfverlaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden, wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,
b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und
c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden,

Dritten zur Benutzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;

hilfsweise zum Antrag zu I. 1.:

zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. Prüffelds, bei welchem im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüfverlaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden, wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

(a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,
(b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und
(c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden,

Dritten zur Anwendung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder anzuwenden

und im Falle des Anwendens hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klägerin vorhanden ist;

hilfsweise:

ein Computerprogramm, geeignet zur Anwendung eines Verfahrens zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. Prüffelds, bei welchem im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert werden, welche Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren, und bei welchen die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüfverlaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden, wobei unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden, wobei auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber mitei-nander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden, wobei zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt wird, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird, und wobei folgende Gruppen von Aktionen möglich sind:

(a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen,

(b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und

(c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwert-stufen abgearbeitet werden,

Dritten zur Benutzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

ohne

im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das System D nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 217 AAA zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. eines Prüffelds verwendet werden darf, wenn hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klägerin vorhanden ist;

hilfsweise:

im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch 100.000,- € pro gelieferter Software D, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, D nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. eines Prüffelds zu verwenden, die mit vorstehend genannten Merkmalen ausgestattet sind, wenn hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klägerin vorhanden ist;

2. Prüfstandssteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrich-tung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter oder dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtung(en) des Prüfstands, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sind, und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach Antrag I.1. durchführt,

in der Bunderepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

hilfsweise:

ein Computerprogramm geeignet und bestimmt zur Verwendung mit einer Prüfstandsteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrichtung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter oder dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtung(en) des Prüfstands, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sind, und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach Antrag I. 1. durchführt,

Dritten zur Benutzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;

hilfsweise zum Antrag zu I. 2.:

Prüfstandsteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrichtung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter oder dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtung(en) des Prüfstands, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sind, und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach Antrag I.1. durchführt,

in der Bunderepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn im Falle des Gebrauchens hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klägerin vorhanden ist;

hilfsweise:

ein Computerprogramm geeignet und bestimmt zur Verwendung mit einer Prüfstandsteuereinrichtung, umfassend zumindest je eine Speichereinrichtung, eine Recheneinheit, eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter oder dgl. und eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtung(en) des Prüfstands, welche Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sind, und wobei die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeitet, der ein Verfahren nach Antrag I. 1. durchführt,

Dritten zur Benutzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern

ohne

im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das System D nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 217 AAA zur Parametrierung eines Prüfstands bzw. eines Prüffelds verwendet werden darf, wenn hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klägerin vorhanden ist;

hilfsweise:

im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch 100.000,- € pro gelieferter Software D, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, D nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin zur Para-metrierung eines Prüfstands bzw. eines Prüffelds zu verwenden, die mit vorstehend genannten Merkmalen ausgestattet sind, wenn hierfür nicht gleichzeitig jeweils eine Lizenz an der Software F der Klä-gerin vorhanden ist;

II. der Klägerin in einer gesonderten, einheitlich geordneten Aufstellung Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang, in dem sie die in Ziffer I.1. und 2. bezeichneten Handlungen seit dem 16. Juni 2008 begangen hat, jeweils unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen (bezüglich letzterer erst für die Zeit ab dem 1. September 2008), für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle der Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

zur Ziffer a), b), c) und e) die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen, wobei die Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich der ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein dürfen,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfragen mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

sowie des Weiteren mit der Maßgabe, dass die Angaben gemäß Ziffer e) hinsichtlich der nach Ziffern I.1. und I.2. begangenen Handlungen nur für die Zeit seit dem 5. Juni 2010 zu machen sind;

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin

1. für die in Ziffer I.1 und 2. bezeichneten und zwischen dem 16. Juni 2008 und dem 4. Juni 2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. jeglichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffern I.1 und 2. bezeichneten und seit dem 5. Juni 2010 begangenen Handlungen bereits entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Aus dem Erfordernis miteinander gekoppelter Darstellungsformen folge, dass eine Änderung eines Parameters in einer Darstellungsform sofort, also unmittelbar, auch in den anderen Darstellungsformen angezeigt werde. Die Anzeige der Änderung in den anderen Darstellungsformen erfolge somit jeweils ohne zusätzliche Zwischenschritte. Zudem erfasse der Begriff „Parametrierung“ nur die Festlegung der Parameter, nicht jedoch die Übertragung der festgelegten Parameter auf einen Prüfstand bzw. ein Prüffeld und die Darstellung von Ist-Werten und Prüfergebnissen.

Die Festlegung von Parametersollwerten finde bei der angegriffenen Ausführungs-form nur innerhalb der Anwendung MDA statt. Bei der nachfolgenden Durchführung eines Tests mithilfe der Anwendung MA könnten diese Parametersollwerte nicht mehr geändert werden. Eine Festlegung von Parametersollwerten, also eine Parametrierung, sei mit der Anwendung MA nicht möglich. Um eine Änderung in einem mittels der Anwendung MDA erstellten Testplan auch in dem Testpunktfenster und dem globalen Messpunktfenster der Anwendung MA anzuzeigen, müsse der geänderte Testplan in die MA eingelesen, die MA mit dem Prüfstandsystem gekoppelt und anschließend die Versuchssequenz gestartet werden. Dieser Vorgang erfordere somit mehrere, durch einen Benutzer der angegriffenen Ausführungsform durchzuführende Zwischenschritte, so dass erst recht keine sofortige Anzeige der Änderung eines Parameters, die in einer Darstellungsform vorgenommen werde, in den anderen Darstellungsformen erfolge. Folglich fehle es sowohl an einer Kopplung zwischen der Anwendung MDA und dem Testpunktfenster bzw. dem globalen Messpunktfenster der Anwendung MA als auch an einer solchen zwischen dem Testpunktfenster und dem globalen Messpunktfenster. Im Übrigen bestehe auch keine Möglichkeit, im Rahmen der Anwendung MA Stufensequenzen, insbesondere in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen, graphisch zu erstellen, so dass auch keine entsprechenden Anzeigesteuersignale erzeugt würden.

Die durch die Klägerin nunmehr durchgeführten Untersuchungen, hinsichtlich derer sich die Beklagte auf Verspätung beruft, rechtfertigten keine andere Bewertung.

Das „Set Test Plan Results“-Fenster sei ein Dialogfenster, das sich in den Vorder-grund des Computerbildschirms setze, wobei eine parallele Bedienung der Anwen-dung MA nicht möglich sei. Erst nachdem das „Set Test Plan Results“-Dialogfenster geschlossen worden sei, könne die Anwendung MA wieder bedient werden. Das „Set Test Plan Results“-Dialogfenster und die Anwendung MA seien somit nicht parallel nutzbar. Um eine in dem „Set Test Plan Results“-Dialogfenster vorgenommene Änderung auch in dem globalen Messpunktfenster anzuzeigen, müssten durch den Anwender der angegriffenen Ausführungsform Zwischenschritte durchgeführt werden. Insbesondere sei es erforderlich, die Anwendung MA nochmals zu starten. Eine solche Anzeige der Änderung in dem globalen Messpunktfenster, die erst nach der Durchführung der Zwischenschritte durch den Anwender erfolge, könne jedoch nicht als sofortige Anzeige der Änderung in einer anderen Darstellungsform angesehen werden, weshalb es an einer anspruchsgemäßen Kopplung des „Set Test Plan Results“-Dialogfensters und des globalen Messpunktfensters fehle.

Auch die erstmals im Berufungsrechtszug diskutierte Software-Anwendung „I“ trage den erhobenen Verletzungsvorwurf nicht. Die angegriffene Ausführungsform simuliere in der besagten Anwendung nicht einen realen Prüfstand als virtuellen Prüfstand, sondern beinhalte lediglich virtuelle Motorenmodelle (einen Otto- und einen Dieselmotor), deren Source-Code nicht offengelegt werde, die vom Benutzer nicht verändert werden könnten und die mit einem realen Prüfstand nichts zu tun hätten. Zudem könne „K“ auch nicht dazu verwendet werden, eine für einen realen Prüfstand erstellte Parametrierung ablaufen zu lassen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das „K“-Modell keine Möglichkeit enthalte, Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zu verarbeiten. Denn die Funktionalitäten und das Systemverhalten von Reglern, Messgeräten, Sensoren oder dergleichen sei in „K“ überhaupt nicht enthalten oder modelliert. Darüber hinaus unterliege das in „K“ für Ottomotoren hinterlegte Modell zahlreichen Restriktionen, was eine Übertragung einer Parametrierung auf einen realen Prüfstand unmöglich mache. Im Übrigen sei die Software „K“ nicht Teil der Software „D“ der Beklagten und werde auch nicht von der Beklagten angeboten. Vielmehr sei die Software „K“ ein Programm des Unternehmens „L“. Falls eine „I“-Simulation durchgeführt werden solle, müsse „K“ mithin separat beschafft und installiert werden. Als Grundlage für die optionale Durchführung einer Simulation mit „K“ stelle „D“ eine Reihe von Programmcode-Dateien (Sourcecode-Dateien) bereit, die je ein vereinfachtes Motormodell für Otto- und Dieselmotoren und Definitionen einer vereinfachten Prüfstandsumgebung enthalten würden.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Der Senat hat Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Patentanwalt Dipl.-Ing. M vom 9. November 2015 (nachfolgend: Gutachten), sein Ergänzungsgutachten vom 12. September 2016 (nachfolgend: Ergänzungsgutachten) sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Anhörung des Sachverständigen vom 13. April 2017 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Da die Software „D“ unter Berücksichtigung der Funktion „I“ von der technischen Lehre der Patentansprüche 1 und 5 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Schadenersatz und Entschädigung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. II § 1 IntPatÜG zu.

1.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes.

Bei der Entwicklung des Motors, des Getriebes und des Antriebsstrangs kommt der effizienten Gestaltung und Abwicklung des Prüfbetriebs eine zentrale Bedeutung zu. Während einerseits die Antriebssysteme immer komplexer werden, zunehmend mehr Messtechnik eingesetzt wird und die Anzahl von Kalibrierparametern rasant ansteigt, sollen die Entwicklungszeiten andererseits möglichst verkürzt werden. Zur Bewältigung dieser zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen bedarf es daher mehr als einer leistungsstarken Prüfstands-Automatisierung. Es wird ein Management-System benötigt, das aus einer ganzheitlichen Betrachtung aller Arbeitsabläufe im Entwicklungs- und Prüfbetrieb besteht und diese gezielt optimiert. Zur Erzielung einer Zukunftssicherheit müssen alle vorhandenen und erwarteten Methoden und Messverfahren/-systeme Berücksichtigung finden (Abs. [0002]).

Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, kommt dem Erstellen und Parametrieren von Sollwertprofilen bei der Definition und Parametrierung von Prüfläufen eine besondere Bedeutung zu. Der Prüfling soll in einer Vielzahl einzeln definierter Betriebspunkte (Stufen) jeweils eine bestimmte Zeit lang, für eine bestimmte Wegstrecke oder für eine bestimmte Anzahl von Umdrehungen auf einen oder mehrere Sollwerte eingeregelt und geprüft werden, wobei gleichzeitig diverse Messungen und Auswertungen durchzuführen sind. In der Vergangenheit war es daher erforderlich, Prüfabläufe in einer Programmiersprache in Form sog. „Scripts“ zu programmieren. Dabei bedurfte es der Eingabe einer Vielzahl einzelner Zahlen in Programmzeilen oder Tabellen, wobei es sich um eine für das Bedienpersonal von Prüfständen fremde und unkomfortable Tätigkeit handelte. Auch wenn etwa aus den in internationalen Normen beschriebenen verschiedenen Möglichkeiten zur Programmierung von speicherprogrammierten Steuerungen (SPS) die graphische Darstellung des prinzipiellen Ablaufs von Prüfläufen in Form von Blockdiagrammen bekannt war, handelte es sich um reine Ablaufpläne, die vom realen System vollständig getrennt waren und keinen direkten Einfluss darauf hatten. Zudem war es von unterschiedlichsten Anwendungen bekannt, beliebige Befehlssequenzen einer Programmiersprache aus vordefinierten Komponenten und mithilfe graphischer Werkzeuge durch „Drag & Drop“ am Bildschirm zusammenzustellen (Abs. [0003]).

Aus der US-A-5 435 AAJ, auf welche das Klagepatent Bezug nimmt, ist ein Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes bekannt, bei dem Stufen des Prüfverlaufs definiert werden, die im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle aktivieren. Bei dem in der vorgenannten Schrift offenbarten Verfahren werden die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs angezeigt und nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand umgewandelt, wobei aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst werden. Auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens werden Anzeige-Steuersignale für die Darstellung jeder Stufensequenz separat und in Tabellenform erzeugt (Abs. [0004]).

Außerdem, so führt die Klagepatentschrift weiter aus, wird in der US-A-S 790 AAK ein Verfahren zur Programmierung eines Heizungsreglers mit rampenförmiger Sollwertfolge beschrieben. Dabei wird die Sollwertfolge graphisch dargestellt und enthält an vorgebbaren Stellen Temperatur-Sollwertpunkte, deren Lage über eine separate graphische Benutzeroberfläche verändert werden kann. Ereignisse können lediglich an den bereits definierten Temperaturpunkten programmiert werden (Abs. [0005]).

Vor dem geschilderten Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, für Prüfsysteme und Prüfläufe, insbesondere in der Forschung und Entwicklung von Verbrennungskraftmaschinen, Getrieben und ganzen Fahrzeug-Antriebsstrangsystemen, die genaue Definition der realen Prüfaufgabe und insbesondere die aufwendige Parametrierung von Sollwertverläufen intuitiv mittels graphischer Werkzeuge und mit geringem Aufwand, rasch und mit geringer Fehlerwahrscheinlichkeit zu ermöglichen (Abs. [0006]).

Zur Lösung dieser Aufgaben schlägt Patenanspruch 1 ein Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes vor, das sich durch folgende Verfahrensschritte auszeichnet:

1. Es werden im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen definiert.

1.1. Die Stufen aktivieren im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messkanäle.

1.2. Bei den Stufen werden die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufes angezeigt.

1.3. Bei den Stufen werden die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt.

2. Unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen werden zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt.

3. Auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens werden Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung jeder Stufensequenz und für die graphische Darstellung jeder Stufensequenz erzeugt.

3.1. Die Darstellung jeder Stufensequenz erfolgt separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, gekoppelten Darstellungsformen.

4. Es wird zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt wird.

4.1. Es sind folgende Gruppen von Aktionen möglich:

a) Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten von Funktionen beeinflussen;

b) Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen;

c) Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden.

Der ebenfalls streitgegenständliche Patentanspruch 5 schlägt zur Lösung der vorgenannten Aufgabe eine Prüfstandssteuereinrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Prüfstandsteuereinrichtung, umfassend zumindest je

1.1. eine Speichereinrichtung,

1.2. eine Recheneinheit,

1.3. eine Eingabeeinheit für Sollwerte, Parameter o. dgl.,

1.4. eine optische Anzeigeeinrichtung zur Darstellung der Parameter, Einstellungen und Messgrößen und Messwerte, sowie

1.5. Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtungen des Prüfstandes.

2. Die Bauteile sind zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden.

3. Die Einrichtung arbeitet nach einem Steueralgorithmus, der ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 durchführt.
2.
Davon ausgehend bedürfen einige Merkmale und Begriffe näherer Erläuterung:

a)
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Parametrierung eines Prüfstandes oder Prüffeldes.

aa)
Da das Klagepatent den Begriff der Parametrierung nicht ausdrücklich definiert, wird der Fachmann zur Erschließung seiner Bedeutung auf sein allgemeines Fachwissen zurückgreifen.

Nachdem das beanspruchte Verfahren bereits nach der Formulierung des Patentanspruchs nicht die eigentliche Bedienung des Prüfstandes, sondern dessen Ansteuerung betrifft, ist klar, dass es sich bei dem betreffenden Fachmann nicht um den Benutzer des Prüfstandes, etwa einen Fachmann für die Entwicklung eines Verbrennungsmotors, handelt. Die beanspruchte technische Lehre wird vielmehr durch denjenigen Fachmann umgesetzt und bereitgestellt, der für die Entwicklung des Prüfstandes selbst und insbesondere für die Steuereinrichtung zur Ansteuerung des Prüfstandes zuständig ist. Es handelt sich dabei entweder um einen Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschul-Diplom und einem fachlichen Hintergrund in der Automatisierungstechnik oder um einen Diplom-Informatiker, ebenfalls mit einem Fachhochschul-Diplom und einer elektrotechnischen Studienausrichtung, jeweils mit drei bis fünf Jahren einschlägiger Berufserfahrung. Der so skizzierte Fachmann hat vertiefte Kenntnisse in den Protokollen und Computersprachen, mittels derer die Kommunikation mit dem Prüfstand erfolgt, und besitzt fundiertes Wissen über das Verhalten des Prüfstandes und die Umsetzung von Benutzeroberflächen an Computern. Darüber hinaus hat er Kenntnisse über die fachgemäße Inbetriebnahme eines Prüflings am Prüfstand sowie Grundkenntnisse über die gängigen Anwendungsfälle bei Prüfläufen eines Prüflings an einem Prüfstand (Gutachten, S. 5 unten – S. 6, 4. Absatz; Ergänzungsgutachten, S. 2, zweiter Absatz – S. 4, zweiter Absatz).

Ein solchermaßen ausgebildeter und beruflich erfahrener Fachmann versteht unter einer Parametrierung allgemein das Setzen einer Abfolge von Vorgaben (Gutachten, S. 4 Mitte). Davon ausgehend beansprucht Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Setzen einer Abfolge von Vorgaben für einen Prüfstand bzw. ein Prüffeld.

Bei dieser rein sprachlichen Betrachtung bleibt der Fachmann jedoch nicht stehen. Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist, ist gemäß Art. 69 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche in der maßgeblichen Verfahrenssprache (Art. 70 Abs. 1 EPÜ). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGH, GRUR 2011, 701 – Occlusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Dafür ist entscheidend, wie der Patentanspruch nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht zu bewerten ist. Hierbei kommt es nicht auf die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe an, sondern auf deren technischen Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Patent ergeben, zu bestimmen ist (BGH, GRUR 2016, 169 – Luftkappensystem für Farbspritzpistole; BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Maßgeblich sind dabei der Sinngehalt eines Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen (BGH, GRUR 2010, 858 – Crimpwerkzeug III; BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, GRUR 2016, 169 – Luftkappensystem für Farbspritzpistole; BGH, GRUR 2012, 1122 – Palettenbehälter III). Die in diesem Sinne stets gebotene Auslegung (BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I) des Patentanspruchs hat gemäß Art. 69 Abs. 1 S. 2 EPÜ unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen zu erfolgen, die dazu dienen, die durch den Patentanspruch geschützte technische Lehre zu erläutern und typischerweise anhand eines oder mehrerer Ausführungsbeispiele zu verdeutlichen (BGH, GRUR 2011, 701 – Occlusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV; BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung, m.w.N.). Definiert die Patentschrift einen im Anspruch verwendeten Begriff in bestimmter und ggf. eigenständiger Weise, ist dieses Begriffsverständnis den fachmännischen Überlegungen zugrunde zu legen, da die Beschreibung des Patents insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente; BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.02.2016, Az.: I-15 U 136/14, BeckRS 2016, 06349).

Davon ausgehend hat der Fachmann zunächst zu berücksichtigten, dass das beanspruchte Verfahren der Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes (und damit nicht irgendeines anderen Gegenstandes) dient. Bei einem solchen Prüfstand bzw. Prüffeld handelt es sich um eine Anordnung, bei der ein Prüfling, welcher selbst eine komplexe Vorrichtung wie ein Motor ist, einem Prüfverlauf unterzogen wird. Der Prüfstand stellt eine Umgebung für den Prüfling bereit, welcher die Schnittstelle der bestimmungsgemäßen Einsatzumgebung des Prüflings nachbildet. Ebenso erlaubt es der Prüfstand einem Benutzer, ihm durch Steuersignale Einstellungen vorzugeben, welche sowohl rein interne Zustände des Prüfstandes als auch von dem Prüfling „gesehene“ Werte betreffen. Schließlich kann der Benutzer auch bestimmen, welche Werte entweder am Prüfstand selbst oder an dem Prüfling gemessen werden sollen und ob ggf. die gemessenen Werten („Ist“) auch erwarteten Werten („Soll“) entsprechen (Gutachten, S. 7 unten – S. 8 oben).

Vor diesem technischen Hintergrund versteht der Fachmann unter einer Parametrierung das Auswählen und Bereitstellen von Parametern, Sollwerten und Aktionen des Prüfverlaufs. Genauer handelt es sich bei einer Parametrierung um den Vorgang der Definition eines „Solls“ durch Erzeugen oder Verändern, welches „Soll“ einen Überschuss gegenüber dem absolvierten „Ist“ aufweist, wenn die Manipulation eben diesen Überschuss betrifft. Ist noch kein „Ist“ erwachsen, stellt folglich jedes Setzen oder Verändern eines solchen „Solls“ eine Parametrierung dar (Gutachten, S. 8 unten – S. 10 oben). Demgegenüber ist die Durchführung des Prüflaufs an sich keine Parametrierung, weil sie entsprechend ihrem Fortschreiten nur ein „Ist“ erwachsen lässt (Gutachten, S. 14 oben). Folgerichtig sieht Patentanspruch 1 als letzten Schritt des beanspruchten Verfahrens zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes auch lediglich die Umwandlung der momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs in Steuersignale für den Prüfstand (Merkmal 1.3.) bzw. die Bereitstellung einer Stufensequenz zur Übertragung an den Prüfstand (Merkmal 2.) vor. Schon eine Übertragung der parametrierten Werte an den Prüfstand verlangt Patentanspruch 1 demgegenüber nicht, so dass es für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre weder einer Verbindung zum Prüfling noch zum Prüfstand bedarf; der Gegenstand des Patents ist auf die Konzeption des Prüflaufs gerichtet (vgl. Abs. [0020], so auch der Sachverständige, Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 3). Im Fall eines die Regel bildenden (vgl. Abs. [0010] und [0016]) „Offline“-Betriebs ist offensichtlich, dass die Parametrierung das Setzen des „Solls“ abschließt; ein „Ist“ erwächst erst, wenn und soweit es später tatsächlich zu einer Verbindung mit dem Prüfstand und der Durchführung eines Prüflaufs kommt (Gutachten, S. 14 unten).

Patentanspruch 1 schließt eine solche Verbindung zum Prüfstand freilich nicht aus. Im Zusammenhang mit einem „Online-Betrieb“ führt Absatz [0016] vielmehr Folgendes aus:

„Die Erstellung eines Prüflaufs wird zwar hauptsächlich off-line erfolgen, also vor der Durchführung des Prüflaufs. Während des Prüflaufs wird aber die selbe graphische Bedienoberfläche zur Anzeige der aktuellen Informationen genutzt, wobei die aktuelle zeitliche Position, zusammen mit den Ergebnissen von Messungen und Prüflingsbefehlen, sowie Verletzungen von Grenzwerten und Toleranzen, im Prüflauf eingeblendet werden. Darüber hinaus ist es auch möglich, während eines Prüflaufs die Parameter und sogar die Struktur des Prüflaufs zu verändern, also beispielsweise in einer Stufensequenz weitere Schritte einzufügen, zu parametrieren und Parallelaktionen zu definieren.“

(Unterstreichung hinzugefügt)

Ein solcher „Online-Betrieb“ erlaubt nicht nur die Anzeige bestimmter aktueller Informationen zum stattfindenden Prüflauf, sondern ermöglicht auch die Fortsetzung der Parametrierung nach dessen Beginn, was jedoch dem vorstehend erläuterten Verständnis zum Begriff der „Parametrierung“ nicht entgegen steht.

Zum Zeitpunkt der Fortsetzung der Parametrierung existiert bereits in dem Maße ein „Ist“, in dem der Prüfverlauf Vorgaben der ursprünglichen Parametrierung abgearbeitet hat. Dieses „Ist“ bildet die Entsprechung zu den bereits abgearbeiteten Teilen des „Soll“. Parametriert werden kann im laufenden Prüfbetrieb nun einerseits dadurch, dass ein „Soll“ an einer zeitlichen Stelle des Prüfverlaufs geändert wird, welches real noch nicht durch den Prüfverlauf erreicht wurde. Denn dem geänderten „Soll“ war noch kein „Ist“ erwachsen. Andererseits kann noch dadurch parametriert werden, dass ein zusätzliches „Soll“ an das vormalige zeitliche Ende des noch nicht abgeschlossenen Prüfablaufs angehängt wird und insoweit der Prüfverlauf nachträglich verlängert wird. Ohne eine solche Manipulation eines überschüssigen „Soll“ kann jedoch nicht von einem Verfahren der „Online“-Parametrierung gesprochen werden, insbesondere dann nicht, wenn sich bloß an eine vorher „offline“ erfolgte Parametrierung ein tatsächlich unverändert ausgeführter Prüfverlauf anschließt (Gutachten, S. 14 unten – S. 15 oben). Entsprechend bezeichnet auch das Klagepatent in Absatz [0009] die reine Darstellung und Auswertung des Prüfverlaufs ohne solche Manipulation – begrifflich von der Parametrierung abgegrenzt – als „Post-Processing“ (Gutachten, S. 14 Mitte).

Daraus, dass das Klagepatent in Absatz [0021] von einer Verfolgung des Prüflaufs spricht und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Interaktion lediglich fakultativ anspricht, folgt nichts anderes. Denn das Klagepatent differenziert an der besagten Stelle ausdrücklich zwischen der – als solche bezeichneten – Parametrierung (im Offline-Betrieb) und der bloßen Verfolgung des Prüflaufs im Online-Betrieb, verbunden mit der Möglichkeit der interaktiven Beeinflussung (Gutachten, S. 15, zweiter Absatz). Hinzu kommt, dass neben der „Online“-Parametrierung in Echtzeit, also während des laufenden Prüflaufs, in Absatz [0022] der Klagepatentbeschreibung auch die Variante mit einem zwischenzeitlichen Anhalten des Prüflaufs, einer Änderung und einer anschließenden Fortsetzung gleichsam als Mischform genannt wird, die ebenfalls von der technischen Lehre des Klagepatents umfasst sein soll.

bb)
In seine Überlegungen wird der Fachmann weiterhin einbeziehen, dass Patentanspruch 1 ein mit der Zweckangabe „zur Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes“ versehenes Verfahren unter Schutz stellt.

Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben in einem Patentanspruch belehren den Fachmann über den möglichen Einsatz- und Gebrauchszweck der patentierten Erfindung. Sie definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand (Sache oder Verfahren) näher dahin, dass dieser nicht nur die räumlich-körperlichen oder verfahrensmäßigen Merkmale erfüllen muss, die der Patentanspruch explizit formuliert, sondern dass die Sache oder das Verfahren darüber hinaus so ausgebildet sein muss, dass sie die im Patentanspruch erwähnte Wirkung oder Funktion herbeiführen können (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Im Einzelfall kann sich dabei ergeben, dass die sonstigen in den Patentanspruch aufgenommenen (Sach- oder Verfahrens-) Merkmale bereits alle Bedingungen umschreiben, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind. Unter derartigen Umständen ist die Wirkungsangabe für die Verletzungsprüfung irrelevant (BGHZ 112, 140, 155 f. – Befestigungsvorrichtung II; BGH, GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation). In einem anderen Fall können die Sach- oder Verfahrensmerkmale die technischen Voraussetzungen für den Wirkungseintritt aber auch unvollkommen beschreiben. Hier definiert die Wirkungsangabe – mittelbar – bestimmte weitere räumlich-körperliche, funktionale oder verfahrenstechnischen Anforderungen an den geschützten Gegenstand, die sich aus den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs noch nicht ergeben, die aber eingehalten werden müssen, damit die geschützte Sache oder das unter Schutz gestellte Verfahren die für sie vorgesehene Wirkung zutage bringen kann. Unter solchen Umständen sind Zweck- und Funktionsangaben – wie jedes andere Anspruchsmerkmal – schutzbereichsrelevant (BGH, GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Sie weisen den Fachmann an, den beanspruchten Gegenstand über die expliziten Sach- oder Verfahrensmerkmale hinaus so auszugestalten oder zu organisieren, dass die ihm zugedachte Wirkung bzw. Funktion eintreten kann (BGH, GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone I; Senat, Urt. v. 07.07.2016, Az.: I-2 U 5/14, BeckRS 2016, 21120)

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung von Merkmal 3., wonach auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens bestimmte Anzeigesteuersignale erzeugt werden sollen, ist klar, dass das in Patentanspruch 1 im Einzelnen beschriebene Verfahren letztlich die Parametrierung eines Prüfstandes bzw. Prüffeldes bezweckt. Für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre ist allerdings nicht entscheidend, ob ein solcher Prüfstand bzw. ein solches Prüffeld tatsächlich existiert. Auch bedarf es für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre zumindest im „Offline-Betrieb“ keines laufenden Prüfstandes (vgl. Abs. [0020]). Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass ein solcher Prüfstand bzw. ein solches Prüffeld konstruierbar ist, welcher bzw. welches mittels des beanspruchten Verfahrens parametrierbar ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation; zum Sachanspruch: Senat, Urt. v. 11.02.2016, Az.: I-2 U 19/15, NJOZ 2016, 1014 = BeckRS 2016, 09689; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Kap. A, Rz. 65 und 67).

b)
Grundsätzlich wird der Prüfverlauf durch die zeitlich sequenzielle Abarbeitung von Stufen durchgeführt. Der Prüfling wird in einer Vielzahl einzeln definierter Betriebspunkte, den Stufen, jeweils auf einen oder mehrere Sollwerte eingeregelt und geprüft (Abs. [0003]). Unter einer Stufe versteht der Fachmann mithin die grundlegenden Zeiteinheiten eines Prüfverlaufs (Gutachten, S. 15, vorletzter Absatz).

Wie der Fachmann Merkmal 1. entnimmt, werden vor diesem Hintergrund bei dem den Gegenstand von Patentanspruch 1 bildenden Verfahren aufeinanderfolgende Stufen im zeitlichen, weg- und lastspielgeführten Prüfverlauf definiert. Dabei versteht der Fachmann unter dem Begriff des zeitlichen Prüfverlaufs jeden Prüfverlauf, der überhaupt eine zeitliche Ausdehnung aufweist und eine zeitliche Veränderung des Prüflings oder des Prüfstands vorsieht, also nicht nur statisch ist (Gutachten, S. 15 unten). Der Begriff der Stufe ist mithin weit zu verstehen. Weder müssen alle Stufen die gleiche zeitliche Dauer aufweisen, noch müssen die Stufen als solche ausdrücklich definiert sein. Ebenso wenig müssen die Gesamtzeitdauer oder die genaue Abfolge zahlenmäßig bzw. starr vorab definiert sein. Ein zeitlicher Prüfverlauf wird also regelmäßig bereits durch seine zeitliche Ausdehnung jedenfalls implizit Stufen aufweisen, und zwar regelmäßig unabhängig davon, ob diese als solche erkannt und benannt werden oder nicht. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass die Dauer der Stufe zahlenmäßig vorab festgelegt ist. Der Übergang von einer Stufe zur nächsten kann beispielsweise auch durch ein Ereignis als Bedingung des Übergangs ausgelöst werden, so dass sich die entsprechende quantitative Stufendauer dynamisch erst aus dem Prüfverlauf ergibt. Gleiches gilt für die Frage, welche Stufen überhaupt durchlaufen werden. Abhängig von dynamischen Ereignissen können Stufen übersprungen werden (Gutachten, S. 16, S. 15 unten – S. 16 Mitte).

Während einer Stufe (und auch während des Prüfverlaufs insgesamt) muss keine Ansteuerung aller möglichen setzbaren Größen entsprechend den Sollwertkanälen oder eine tatsächliche Messung aller möglichen Größen, welche als Messkanäle bezeichnet werden, erfolgen. Vielmehr sollen die Stufen im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der verfügbaren Sollwert- und Messkanäle sein, weswegen die entsprechende Untermenge aktiviert wird (Merkmal 1.1.). Sollwertkanäle sind also Mittel, mit denen ein Sollwert am Prüfstand bzw. Prüfling gemäß der Vorgabe durch die Parametrierung gesetzt wird, wohingegen die Messkanäle diejenigen Mittel sind, mit denen ein tatsächlich auftretender Wert am Prüfstand bzw. Prüfling erfasst wird. Die Festlegung der entsprechenden Untermengen bildet jeweils das Setzen eines „Solls“ und gehört folglich zum Vorgang der Parametrierung (Gutachten, S. 17 Mitte).

c)
Das durch Patentanspruch 1 geschützte Verfahren zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs angezeigt werden (Merkmal 1.2.).

Bei den Sollwerten handelt es sich nach fachmännischem Verständnis um Signale, welche gemäß der Vorgabe durch die Parametrierung von dem Prüfstand – direkt oder indirekt – gesetzt werden (Gutachten, S. 18 oben). Dies steht im Einklang mit der in Absatz [0024] der Klagepatentbeschreibung zu findenden Definition, wonach der Sollwert innerhalb der Zeit einzustellen ist, also der Sollwert etwa in 3 Sekunden auf 85 gehen soll. Dementsprechend verursachen die Sollwerte ein Einwirken des Prüfstandes auf den Prüfling und umfassen insoweit (aus Sicht des Prüfstandes) eine Signalausgabe. Eine solche Signalausgabe ist in Abgrenzung von Messwerten zu verstehen, welche dem Prüfstand, wiederum aus Sicht des Prüfstandes, eingegeben werden und welche dieser also rein passiv aufnimmt (Ergänzungsgutachten, S. 7, zweiter Absatz).

Neben den Sollwerten sollen Parameter angezeigt werden. Der Begriff „Parameter“ bezeichnet nach fachmännischem Verständnis einen beliebigen Wert, der durch die Parametrierung gesetzt werden kann und gegenüber den ausdrücklich genannten Sollwerten und Aktionen einen Auffangtatbestand bildet (Gutachten, S. 18, dritter Absatz).

Schließlich sollen Aktionen von Sensoren und Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs angezeigt werden, wobei sich die in Merkmal 1.2. enthaltene Zweckangabe ausschließlich auf die Eignung der Sensoren und Regelvorrichtungen bezieht. Daraus folgt, dass dieses Merkmal nicht impliziert, dass auch die „Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs“ Teil der Parametrierung im engeren Sinne ist. Vielmehr besteht hier die Parametrierung darin, dass vorab diejenigen Aktionen festgelegt werden, welche die zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs eingerichteten Vorrichtungen, nämlich Sensoren und Regelvorrichtungen, beim Prüfverlauf ausführen sollen. Im Ergebnis führt dieses Merkmal also allgemeine Beispiele für das jeweilige „Soll“ einer Stufe auf, welches erstens Sollwerte, zweitens Parameter und drittens Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs umfassen kann. Diese sollen merkmalsgemäß angezeigt werden, soweit sie aktiviert sind. Aktiviert bedeutet hier ganz allgemein, dass sie für den gegenständlichen Prüfverlauf aufgerufen wurden. Für die Sollwert- und Messkanäle bedeutet dies, dass sie in irgendeiner Form angesprochen (und demnach nicht ignoriert) werden. Die Aktionen müssen demgegenüber für eine Ausführung in dem Prüfverlauf und speziell bei den entsprechenden Stufen vorgesehen sein (Gutachten, S. 18, drittletzter Absatz – S. 19, dritter Absatz).

d)
Die in Bezug auf Merkmal 1.2. soeben erörterten, momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen sollen nach Bestätigung durch den Benutzer in Steuersignale an den Prüfstand bzw. das Prüffeld umgewandelt werden (Merkmal 1.3.). Basierend auf der Eingabe des Benutzers soll demnach ein Datensatz erzeugt werden, der die Informationen zu dem von dem Benutzer bei der Parametrierung festgelegten „Soll“ in einer Form enthält, die der Prüfstand für die Durchführung des Prüfverlaufs gemäß dem „Soll“ verarbeiten kann. Vor dieser Umwandlung findet merkmalsgemäß eine Bestätigung der zuvor angezeigten Sollwerte, Parameter und Aktionen durch den Benutzer statt, wofür eine beliebige Eingabe durch den Benutzer erforderlich ist. Aus einer Zusammenschau der Merkmale 1.2. und 1.3. ist somit klar, dass die Anzeige vor der Bestätigung und diese ihrerseits vor der Umwandlung stattfinden muss. Mit anderen Worten muss sich die Bestätigung auf das beziehen, was angezeigt worden ist, und die Umwandlung kann erst nach dieser Bestätigung erfolgen (Gutachten, S. 20).

Dass die Anzeige und Bestätigung vor der Umwandlung auch unter funktionalen Gesichtspunkten unabdingbar ist, versteht sich von selbst. Denn eine Anzeige erst nach der Umwandlung würde die Anzeige ihrer wesentlichen Rückkopplungsfunktion für den Benutzer entheben. Ein vor der Umwandlung bei der Parametrierung eingetretener Fehler, etwa die fehlerhafte Eingabe eines Sollwertes durch den Benutzer bei der Definition der Stufen, würde erst nach der Umwandlung bemerkt (Gutachten, S. 20 unten). Gerade dies soll durch die im Patentanspruch vorgegebene Reihenfolge „Anzeige – Bestätigung – Umwandlung“ vermieden werden.

Übrigens ist das Merkmal auf die letztendliche Umwandlung zu beziehen, unbeschadet der Möglichkeit von Zwischenumwandlungen. Denn gleichsam intern durchgeführte Vorgänge der Umwandlung in Steuersignale können unbeschadet der Lehre des Klagepatents jederzeit und damit z.B. auch vor der Anzeige oder laufend ausgeführt werden. Der hier relevante Schritt der Umwandlung ist derjenige, welcher – nach Bestätigung – die Steuersignale ergibt, welche tatsächlich zur Übertragung an den Prüfstand bestimmt und insoweit kristallisiert sind (Gutachten, S. 20 unten – S. 21 oben).

e)
Patentanspruch 1 sieht weiterhin vor, dass unmittelbar aufeinanderfolgende Stufen zu einer Stufensequenz zusammengefasst und zur gemeinsamen Übertragung auf den Prüfstand bzw. das Prüffeld bereitgestellt werden (Merkmal 2.).

Die an den Prüfstand zu übertragenden Steuersignale sollen somit eine konsistente Stufensequenz definieren, so dass die Stufensequenz letztlich – auch wenn es sich dabei nicht mehr um einen Bestandteil des beanspruchten Verfahrens handelt – als Ganzes bei dem Prüfstand bzw. Prüffeld ankommt und verarbeitet wird. Dies gewährleistet, dass die Verarbeitung der einzelnen Stufen nicht durch die Übertragung beeinflusst wird, indem etwa nur einzelne, bereits übertragene Stufen verarbeitet werden (Gutachten, S. 20 unten).

f)
Nach Merkmal 3. sollen auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz erzeugt werden.

aa)
Unter den zu erzeugenden Anzeigesteuersignalen versteht der Fachmann Signale zur Steuerung einer Anzeige (= visuellen Ausgabe), die an den Benutzer während des Vorgangs der anspruchsgemäßen Parametrierung gerichtet ist (Gutachten, S. 22).

bb)
Die Ansteuersignale dienen zum einen der graphischen Erstellung jeder Stufensequenz. Dank der zum Einsatz kommenden graphischen Elemente wird eine intuitive Erstellung der Stufensequenz mittels graphischer Werkzeuge ermöglicht (Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 5).

cc)
Daneben dienen die in der Merkmalsgruppe 3. angesprochenen Anzeigesteuersignale auch der graphischen Darstellung jeder Stufensequenz, wobei der Fachmann unter einer solchen graphischen Darstellung jede Darstellung versteht, die nicht reiner Text ist (Gutachten, S. 22). Abzugrenzen ist die graphische Darstellung unter Berücksichtigung der Klagepatentbeschreibung dabei insbesondere von einer bloßen tabellarischen Darstellung, welche das Klagepatent der graphischen Darstellung gegenüberstellt (Abs. [0038] und [0062]). Ein Beispiel für eine graphische Darstellung sind beispielsweise Kurven, wie sie in Figur 1 des Ausführungsbeispiels gezeigt sind (vgl. Abs. [0039]).

Davon ausgehend bildet den Kern der Erfindung die in Merkmal 3.1 geforderte Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber gekoppelten Darstellungsformen. Erfindungsgemäß werden dem Anwender am Bildschirm zwei oder mehr Darstellungsebenen geboten, die miteinander gekoppelt sind (Abs. [0008]). Da jede Änderung eines Parameters in einer der Ebenen sofort auch in der bzw. den anderen Ebenen entsprechend deutlich gemacht wird, handelt es sich um das zentrale Element zur Lösung der Aufgabe des Klagepatents: Die graphische Darstellung ermöglicht nicht nur eine raschere und daher mit einem geringeren Arbeitsaufwand verbundene Bedienung, sie verringert vor allem auch die Fehlerwahrscheinlichkeit (Abs. [0006], Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 5). Durch die Bereitstellung gekoppelter Darstellungsformen kann der Anwender beide Darstellungsformen wahrnehmen, prüfen und basierend auf dieser Wahrnehmung und Prüfung eine Eingabe zwecks Manipulation – im Sinne einer Parametrierung – vornehmen (Gutachten, S. 27 unten). Im Ergebnis führt die gekoppelte Darstellung in zwei Darstellungsformen daher zu einer Beschleunigung der Bearbeitung der Vorgaben. Zum einen können bestimmte Manipulationen der Vorgaben teilweise in einer Darstellungsform schneller realisiert werden als in einer anderen. Zum anderen kann der Anwender das Resultat seiner Eingabe bzw. die Grundlage der Bearbeitung dank der zweifachen Darstellung intuitiver erfassen und damit rascher auf seine Richtigkeit überprüfen (Gutachten, S. 7, zweiter Absatz).

Beispiele für eine anspruchsgemäße Kopplung findet der Fachmann in Absatz [0062] der Klagepatentbeschreibung. Berechnet der Anwender etwa im tabellarischen Bereich eine neue Stufe, die genau in der Mitte zwischen beiden Sollwerten liegt, ändert sich in gleicher Weise auch die graphische Darstellung. Vergleichbares gilt bei der Duplizierung einer Stufe in der Tabelle, die auch in der graphischen Darstellung abgebildet wird. Eine strikt zeitliche Komponente dergestalt, dass die Darstellung in der anderen Form zur gleichen Zeit („synchron“) mit der vorgenommenen Änderung zu erfolgen hätte, ist darüber hinaus nicht gefordert; sie ist folgerichtig auch in der Klagepatentschrift (a.a.O.) zwar gelegentlich als Option für einzelne Änderungsvorgänge (Operationen) beschrieben, aber nicht durchgängig vermerkt. Letzteres gilt insbesondere für die Operationen des „Ändern“, des „Ändern + Dehnen“ des „Löschen“ sowie des „Löschen + Verkürzen“.

Die durch Patentanspruch 1 geforderte Kopplung besteht mithin darin, dass Manipulationen der Stufensequenz sofort in beiden Darstellungsformen wirksam werden. Damit die durch die zweifache Darstellung angestrebte Wechselwirkung beider Darstellungsformen eintreten kann, dürfen nach der Änderung eines Parameters in einem Datensatz keine weiteren Aktionen und Tätigkeiten seitens des Anwenders für die Darstellung in der anderen Darstellungsform erforderlich sein (Gutachten, S. 26). Änderungen in einer Darstellungsform müssen demnach ohne einen gestaltenden Eingriff und damit ohne zusätzliche Zwischenschritte sichtbar werden (Gutachten, S. 27 oben, Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 8). Dies schließt allerdings triviale Bedienvorgänge des Anwenders nicht aus, solange diese Bedienvorgänge nicht die Umrechnung oder eine sonstige gestaltende Bearbeitung der geänderten Daten selbst betreffen (Gutachten, S. 27 oben).

Dass jede Änderung eines Parameters in einer Ebene auch sofort in der anderen Ebene deutlich gemacht werden soll (vgl. Abs. [0008], S. 2), bedeutet allerdings nicht, dass jede Änderung in einer Darstellungsform auch tatsächlich zu einer Änderung der gekoppelten Darstellung führen muss. Auch wenn die anspruchsgemäße Kopplung darin besteht, dass grundsätzlich Manipulationen der Stufensequenz in beiden Darstellungsformen wirksam werden, besteht eine Stufensequenz aus einer erheblichen Menge an Daten, die praktisch nicht gleichzeitig darstellbar sind, weder in Textform noch in graphischer Form. In einem überwiegenden Teil der Anwendungsfälle wird daher stets nur ein Ausschnitt entweder in tabellarischer oder in graphischer Form dargestellt. Betrifft die fragliche Darstellungsform daher nur einen Bereich der Stufensequenz, der von der Manipulation nicht betroffen ist, oder wurde eine Stufe manipuliert, die zwar im manipulierten Bereich liegt, aber die manipulierte Eigenschaft wurde gleichwohl (gewillkürt oder darstellungsformbedingt) nicht zur Darstellung vorgesehen, so lässt sich die Manipulation in dieser Darstellungsform naturgemäß nicht nachvollziehen. Für eine anspruchsgemäße Kopplung ist es daher ausreichend, aber auch erforderlich, dass eine Änderung in beiden Darstellungsformen dann erfolgt, wenn a) eine Stufe manipuliert wurde, die in dem besagten Bereich liegt und b) die manipulierte Eigenschaft in dieser Darstellungsform auch zur Darstellung vorgesehen ist (Gutachten, S. 26; Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 21).

dd)
Die Erzeugung der Ansteuersignale im Sinne der Merkmalsgruppe 3. soll schließlich auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens erfolgen.

Das Klagepatent definiert den Begriff der „Ebene“ nicht ausdrücklich, spricht aber in Unteranspruch 4 und dem damit korrespondierenden Absatz [0012] der Klagepatentbeschreibung von einer „übergeordneten Ebene“. Daran anknüpfend begreift der Fachmann, dass sich der in Merkmal 3. zu findende Begriff der Ebene auf eine Hierarchie der Bedienung bei der Parametrierung beziehen muss. Die Forderung nach der Erzeugung von Ansteuersignalen auf einer Ebene versteht der Fachmann daher dahingehend, dass die graphische Darstellung und die graphische Erstellung entweder (wie in Figur 1 gezeigt) gleichzeitig – also innerhalb einer angezeigten Bedienoberfläche nebeneinander – oder jedenfalls derart erfolgt, dass der Anwender vor der Umwandlung in Steuersignale (Merkmal 1.3.) an den Prüfstand zwischen der graphischen Erstellung hin- und herwechseln kann (Gutachten, S. 24). Der Anwender muss somit innerhalb einer Ebene hin- und herwechseln können, ohne dass dazwischen der Vorgang der Parametrierung abgeschlossen werden muss, damit die wesentliche Rückkopplungsfunktion gegeben ist (Gutachten, S. 25).

Da die Anzeigesteuersignale erfindungsgemäß auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, aber miteinander gekoppelten Darstellungsformen erzeugt werden sollen, ist klar, dass auch die Darstellung der gekoppelten Darstellungsformen in einer Ebene erfolgen soll. Hierfür ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die im Wesentlichen freien Wechselmöglichkeiten zwischen beiden Darstellungsformen vor Abschluss der Parametrierung der dargestellten Stufensequenz gegeben sind. Ausgeschlossen wird demgegenüber eine Variante, bei der die zweite gekoppelte Darstellungsform während der Parametrierung erst dargestellt wird, nachdem die Ebene der ersten Darstellungsform verlassen wurde und eine Rückkehr zur ersten Darstellungsform ohne Abschluss der Parametrierung nicht möglich ist (Gutachten, S. 27).

g)
Schließlich wird erfindungsgemäß zusätzlich ein Aktionsfenster bereitgestellt, in dem jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer Zeile dargestellt wird (Merkmalsgruppe 4.).

Aktionen sind nach dem Verständnis des Klagepatents Funktionen, die ereignisgesteuert aufgerufen werden und den Sollwertstufen zugeordnet sind (Abs. [0031] und [0035]). Sie können gesetzt werden, um an bestimmten Stellen im Sollwertprofil Befehle abzusenden oder um Parameter einzustellen (Abs. [0019] und [0024]). Bei Aktionen handelt es sich somit um Vorgaben, die zwar Bestandteil des Prüfverlaufs sind und innerhalb des Prüfverlaufs eine zeitliche Fixierung analog der Sollwerte haben, die aber keine Sollwerte im Sinne einer Ansteuerung des Prüflings durch den Prüfstand mit dem entsprechenden Wert sind (Gutachten, S. 28 Mitte).

Anspruchsgemäß sind drei Gruppen von Aktionen möglich: Befehle und Einstellungen, die das Leitsystem und das Verhalten der Funktionen beeinflussen, Aktionen, die den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen, und Verzweigungen, die die Reihenfolge beeinflussen, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden (Merkmalsgruppe 4.1.).

Bei den in Merkmal 4.1.a) angesprochenen Befehlen und Einstellungen handelt es sich um das Setzen von Parametern, die nicht die Stufensequenz selbst (oder deren Stufen), sondern vielmehr allgemeine und übergeordnete Funktionen des Prüfstandes betreffen (Gutachten, S. 33 oben). Während Befehle an andere Funktionen des Leitsystems gesendet werden können, ermöglichen Einstellungen die Beeinflussung des Verhaltens von Funktionen durch die Änderung von Parametern. Unter diese Gruppe von Aktionen fallen mithin etwa Schaltkommandos, die Änderung der Schaltgeschwindigkeit oder das Einstellen von Qualitätskriterien (Abs. [0032]).

Das Merkmal 4.1.b) charakterisiert die Aktionen nach ihrer unmittelbaren Wirkung, indem sie unmittelbar und insofern zweckgerichtet den zeitlichen Ablauf des Fahrprofils beeinflussen müssen (Abs. [0033], Gutachten, S. 34 oben). Da es für den Fachmann auf der Hand liegt, dass jede Manipulation des Prüfverlaufs an einer einzelnen Stelle regelmäßig den Prüfverlauf insgesamt mittelbar an einer Vielzahl von Stellen, wenn nicht überall, beeinflussen wird, ist klar, dass eine solche lediglich mittelbare Wirkung den Anforderungen von Merkmal 4.1.b) nicht entsprechen kann (Gutachten, S. 33 Mitte).

Schließlich beziehen sich die in Merkmal 4.1.c) genannten Verzweigungen ausdrücklich auf die Reihenfolge, in der die Sollwertstufen abgearbeitet werden (Abs. [0033]). Demgegenüber findet sich in der Klagepatentbeschreibung kein Anhaltspunkt dafür, dass auch innerhalb einer Stufe eine bestimmte Abarbeitungsreihenfolge sinnvoll zu beeinflussen wäre. Vielmehr wird regelmäßig die prinzipiell offene Unterteilung in Stufen (vgl. Merkmal 1.1.) bereits so erfolgen, dass bereits aus der Existenz von Einzelvorgängen, die in ihrer Reihenfolge manipulierbar sind, ein entsprechendes Verständnis einer Stufenunterteilung folgt. Die Subsumtion unter den Begriff der Stufe ist mithin mit einer Granularität vorzunehmen, die sicherstellt, dass keine Verzweigungen innerhalb einer Sollwertstufe auftreten (Gutachten, S. 34).

Indem das Aktionsfenster zusätzlich bereitgestellt werden soll, ist klar, dass Merkmal 4. im Zusammenhang mit der Merkmalsgruppe 3. zu lesen ist: Das Aktionsfenster soll zusätzlich zu der in Merkmal 3.1. angesprochenen Darstellung jeder Stufensequenz in zumindest zwei Darstellungsformen verfügbar sein und dient zunächst einmal der Darstellung der Aktionen (Abs. [0045]). Damit ist die Bedeutung des Begriffes „zusätzlich“ jedoch nicht erschöpft. Eine sinnvolle Bedeutung erhält der Begriff vielmehr erst dadurch, dass er sich speziell auf die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz bezieht. Das Aktionsfenster soll also ebenso der graphischen Erstellung und Darstellung dienen und die Bereitstellung des Aktionsfensters soll mit den beiden gekoppelten Darstellungsformen in einer Ebene des Parametrierungsverfahrens erfolgen. Zudem muss die Darstellung des Aktionsfensters auch eine Bearbeitung „jeder Stufensequenz“ im Sinne einer Parametrierung ermöglichen, und zwar speziell durch die in der Merkmalsgruppe 4. genannten Aktionen. Das Aktionsfenster muss demnach eine entsprechende interaktive Bearbeitung durch den Benutzer und insoweit eine zumindest indirekte Eingabe ermöglichen, wodurch die Funktion des Aktionsfensters zwingend über die reine Darstellung der Aktionsarten hinausgeht (Gutachten, S. 28 unten – S. 29 Mitte). Außerdem spricht Absatz [0017] der Klagepatentbeschreibung von den in die Aktionsspur durch Ziehen mit der Maus („Drag & Drop“) einbringbaren Elementen. Zudem ermöglicht auch das Aktionsfenster des einzigen Ausführungsbeispiels eine graphische Bearbeitung. So heißt es in Absatz [0064]:

„Aktionen können an bestehende Sollwertstufen angehängt werden. Um eine Aktion an eine Sollwertstufe anzuhängen ist auf die entsprechende Aktionszeile zu klicken. Man erhält ein Fenster mit den Icons der für diese Zeile zulässigen Aktionen. Klickt man auf das gewünschte Aktionsicon, erscheint dieses hervorgehoben in der Aktionszeile. Es kann nun angefasst werden und zu der gewünschten Sollwertstufe bewegt werden. Wird eine Aktion bewegt, springt sie dabei von Sollwertstufe zu Sollwertstufe. Nach dem Ablassen des Aktionsicons bei der Sollwertstufe kann durch Klicken mit der rechten Maustaste ein Fenster geöffnet werden, in dem die erforderlichen Parameter eingegeben werden können.“

Durch das Setzen einer Aktion kann der Anwender mithin etwa ein Schaltkommando setzen, den Rekorder oder eine Qualitätsüberwachung starten oder die Schaltgeschwindigkeit verändern (Abs. [0032] und [0046]). Hat die Aktion einen bestimmten Geltungsbereich, kann auch dieser definiert werden (Abs. [0067]). Einen Hinweis darauf, dass das Aktionsfenster eine rein darstellende Funktion haben oder gar eine solche Darstellung erst nach Abschluss der Parametrierung stattfinden könnte, bietet das Klagepatent nicht (Gutachten, S. 30 f.).

Vielmehr wird der Fachmann in seiner Auffassung auch durch die Formulierung der Merkmale 1.2. und 4. von Patentanspruch 1 bestätigt. Während Merkmal 1.2. von der Anzeige der momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen spricht, soll im Aktionsfenster jede von mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt werden (Hervorhebung hinzugefügt).

Schließlich fordert Merkmal 4., dass die mehreren möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile dargestellt werden. Vor dem Hintergrund der in den Merkmalen 4.1.a) – 4.1.c) genannten Gruppen von Aktionen reicht es dabei aus, dass das Aktionsfenster mindestens drei Teile umfasst und mindestens drei Aktionen jeweils in unterschiedlichen Zeilen dargestellt werden, wobei die Aktionen jeweils der Aktionsart gemäß den Merkmalen 4.1.a) bis 4.1.c) entsprechen. Einer Darstellung aller überhaupt verfügbaren Aktionsarten in dem Aktionsfenster bedarf es demgegenüber nicht. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass Aktionen der gleichen Aktionsart in derselben Zeile dargestellt werden. Es dürfen nur nicht Aktionen verschiedener Aktionsarten in derselben Zeile darstellt werden (Gutachten. S. 32 unten).

3.
Ausgehend von diesen Überlegungen macht die angegriffene Ausführungsform (allein) unter Berücksichtigung der erstmals in der Berufungsinstanz diskutierten Funktion „I“ von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

a)
Bei der angegriffenen Ausführungsform werden durch die Definition der auf die zuvor definierten „Parameters“ aufbauenden „Sequences“ und der „Test Points“ im zeitlichen Prüfverlauf aufeinanderfolgende Stufen im Sinne des Merkmals 1 definiert.

Der „Test Plan“ (Testplan) umfasst eine Reihe von „Test Points“ (Testpunkten). Jeder „Test Point“ des „Test Plans“ führt dabei grundsätzlich die gleiche „Sequence“ (Abfolge) aus. Diese „Sequence“ ist dabei durch eine Abfolge von „Actions“ (Einzelschritten) definiert. Diese „Actions“ sind wiederum in verschiedene Kategorien unterteilt (vgl. S. i bis iv der Anlage K 8). Dabei entsprechen die „Set Actions“ im Wesentlichen den Sollwertkanälen bzw. den Sollwerten im Sinne des Patentanspruchs 1 und die „Loop Actions“ den Aktionen im Sinne von Merkmal 4.1.c). Ferner bilden zumindest einige „Test Cell Actions“ Aktionen im Sinne von Merkmal 4.1.a) und die „Stabilize Action“ ist eine Aktion im Sinne von Merkmal 4.1.b) (Gutachten, S. 35 Mitte). Da es kaum einen sinnvollen Prüfverlauf ergeben würde, wenn der Testplan die stets vollkommen identische Abarbeitung der Abfolge der Testpunkte vorsehen würde, kann jeder Testpunkt des Testplans die Variation von einem oder von mehreren Parametern vorsehen, welche der Abfolge zugrunde liegen. Auf diese Weise wird zwar grundsätzlich stets dieselbe Abfolge durchgeführt, doch können diese Variationen der Parameter auch größere Unterschiede sowohl hinsichtlich des Inhalts der Sollwerte als auch der Reihenfolge in der Abarbeitung innerhalb einer „Sequence“ (Abfolge) bewirken (Gutachten, S. 35 unten).

Allerdings stellt ein einzelner Testpunkt des Testplans dabei nicht eine einzelne Stufe im Sinne des Merkmals 1 dar. Denn bereits eine einzelne „Sequence“, die quasi den Inhalt eines Testpunktes bildet, kann schon mehrere Stufen im Sinne von Merkmal 1. umfassen (vgl. auch Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 25). So setzt etwa die Maßnahme „SetStepwise Action“ (vgl. Anlage K 8, S. 46) einen Sollwert stufenartig, wodurch die „SetStepwise Action“ eine Sollwertstufe im Sinne des Klagepatents bildet. Eine einzelne „Sequence“ kann nun vorsehen, mehrere solche „SetStepwise Actions“ und damit Sollwertstufen zeitlich hintereinander auszuführen, wie das nachfolgend verkleinert eingeblendete, auf Seite 144 des als Anlage K 8 zur Akte gereichten „D Reference Guides“ zu findende Beispiel verdeutlicht:

In der vorstehend gezeigten „Sequence“ werden drei „SetStepwise Actions“ hintereinander ausgeführt. Folglich umfasst die „Sequence“ mindestens drei Sollwertstufen. Daraus folgt, dass auch jeder Testpunkt des entsprechenden Testplans mindestens drei Stufen und insbesondere drei Sollwertstufen umfasst. Jeder Testpunkt umfasst demnach regelmäßig eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden Stufen (Gutachten, S. 36 – 37). Der Testplan ist daher so unter die Begrifflichkeit des Patentanspruchs zu subsumieren, dass die Stufen des Prüfverlaufs insgesamt durch die Stufen derjenigen „Sequence“ gebildet werden, welche dem Testplan zugrunde liegt, und zwar unter Wiederholung dieser „Sequence“ gemäß der Anzahl der Testpunkte des Testplans und unter Berücksichtigung der für jeden Testpunkt vorgesehenen Variation der Variablen (Gutachten, S. 38 oben).

b)
Des Weiteren aktivieren die Stufen bei der angegriffenen Ausführungsform auch im Prinzip frei wählbare Untermengen aus der Gesamtheit der Sollwert- und Messwertkanäle (Merkmal 1.1.). Wie bereits unter Ziffer 3. a) ausgeführt umfasst jeder Testpunkt des entsprechenden Testplans drei Sollwertstufen. Meßkanäle können etwa über die „ASAPMeasure Action“ (vgl. Anlage K 8, S. 110) angesprochen werden (Gutachten, S. 38, zweiter Absatz).

c)
Die durch Merkmal 1.2. geforderte Anzeige der momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs wird bei der angegriffenen Ausführungsform durch die vier „Workspaces“ der MDA realisiert, also den „Sequences Workspace“, den „Parameters Workspace“, den „Testpoint Workspace“ und den „Global Parameters Workspace“ (vgl. Anlage K 9, S. 7 bis 14; Gutachten, S. 38, dritter Absatz). Dabei bietet die „Action“ „SetStepwise“ beispielhaft einen aktivierbaren Sollwert, welcher bei Aktivierung in den „Workspaces“ angezeigt wird. Parameter werden bei Aktivierung im „Parameters Workspace“ angezeigt. Insbesondere bei den „Actions“, „Shutdown“, „SetOperatingPoint“ sowie den „Actions“ aus der Gruppe „EbenchCmd“ und aus der Gruppe „OpacCmd“ handelt es sich um Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zur Kontrolle und Überwachung des Prüflaufs, welche bei Aktivierung in den „Workspaces“ angezeigt werden.

Anders als die Merkmalsgruppe 3. fordert Merkmal 1.2. insbesondere auch weder eine graphische Darstellung noch eine gekoppelte Darstellung in mehreren Darstellungsformen (Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 18). Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass die momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen – in welcher Form auch immer – angezeigt werden. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform in den vorstehend genannten „Workspaces“ der Fall (Gutachten, S. 38, dritter Absatz).

d)
Darüber hinaus erfolgt bei der angegriffenen Ausführungsform nach einer Bestätigung durch den Nutzer auch eine Umwandlung der momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen in Steuersignale an den Prüfstand oder das Prüffeld (Merkmal 1.3). Da nicht die MDA, sondern nur die der MDA nachfolgende MA in der Lage ist, mit dem Prüfstand zu kommunizieren und somit die Steuersignale an den Prüfstand zu übertragen, wird insbesondere auch die durch Merkmal 1.3. geforderte Reihenfolge (Anzeige – Bestätigung – Übertragung) eingehalten. Dass die Software „D“ in separate Einzelprogramme aufgeteilt ist, steht dem nicht entgegen (Gutachten, S. 38 Mitte).

e)
Außerdem macht die angegriffene Ausführungsform auch von Merkmal 2. wortsinngemäß Gebrauch, da jeder Testpunkt, welcher wie vorstehend ausgeführt bereits eine Stufensequenz mit mehreren Stufen umfasst, so übertragen wird, dass die Integrität dieser Stufensequenz beibehalten wird.

f)
Des Weiteren werden bei der angegriffenen Ausführungsform auch auf einer Ebene des Parametrierungsverfahrens Anzeigesteuersteuersignale für die graphische Erstellung und Darstellung jeder Stufensequenz erzeugt, wobei die Darstellung jeder Stufensequenz auch separat und in zumindest zwei unterschiedlichen, gekoppelten Darstellungsformen erfolgt (Merkmalsgruppe 3.).
(1)
Als graphische Darstellungsform kommt bei der angegriffenen Ausführungsform nur das „Global Measuring Points“-Fenster der MA in Betracht. Ein Solches ist nachfolgend nochmals verkleinert gezeigt:

Zwar stellt dieses nur einen Punkt pro Testpunkt dar, sodass nur für einen Teil der Stufen eine Darstellung erfolgt. Dies allein steht einer Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre jedoch nicht entgegen. Zum einen entspricht jeder Testpunkt einer Sequenz, die regelmäßig eine Vielzahl von Stufen definiert (Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 25). Jeder Testpunkt umfasst mithin eine Vielzahl aufeinanderfolgender Stufen und damit eine Stufensequenz (Gutachten, S. 37). Zum anderen bedarf es, wie der Senat bereits im Rahmen der Auslegung im Einzelnen dargestellt hat, für eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht der Darstellung aller Stufen, da in einem überwiegenden Teil der Anwendungsfälle ohnehin stets nur ein Ausschnitt der Daten dargestellt wird und dargestellt werden kann.

Allerdings wird das „Global Measuring Points“-Fenster bzw. sein Inhalt erst nach dem Starten der MA dargestellt. Diese Darstellung durch das „Global Measuring Points“-Fenster erfolgt nach Beginn des Tests und ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Auslegung daher – ohne Berücksichtigung der Funktion „I“ – nicht mehr dem Parametrierungsverfahren zuzuordnen. Denn es fehlt zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Einwirkung auf die Stufensequenz. Insbesondere fehlt eine Einwirkungsmöglichkeit, welche die Darstellung des Inhalts des „Global Measuring Points“-Fensters verändern könnte, ohne den laufenden Prüfverlauf abzubrechen und/oder neu zu starten. Dementsprechend erfolgt die graphische Darstellung in dem „Global Measuring Points“-Fenster insbesondere mit der Möglichkeit der graphischen Erstellung (bzw. der Erzeugung der jeweiligen Anzeigesteuersignale) nicht in einer Ebene des Parametrierungsverfahrens (Merkmal 3.). Darüber hinaus fehlt es auch an einer Kopplung der beiden Darstellungsformen „Test Points“ und „Global Measuring Points“-Fenster im Sinne des Merkmals 3.1. Denn für eine solche Kopplung müsste vor dem Hintergrund der vorstehenden Auslegung nicht nur eine Änderung im „Test Points“-Fenster, sondern auch schon der ursprüngliche Datensatz beim Laden der von der MDA erzeugten Daten in dem „Global Measuring Points“-Fenster durch Schritte darstellbar sein, die zumindest nicht zu einem Verlassen der Ebene des Parametrierungsverfahrens führen, woran es jedenfalls ohne Berücksichtigung der Funktion „I“ fehlt (Gutachten, S. 39 f.).

Die durch die Klägerin am 3. Juli 2014 durchgeführten Untersuchungen rechtfertigen keine andere Bewertung. Wie aus dem Fenster „System Messages“ hervorgeht, liegt zwischen der Darstellung der Abbildung 1 und derjenigen in Abbildung 3 ein Neustart des Systems vor, so dass es jedenfalls an der Erstellung und Darstellung in einer Ebene des Parametrierungsverfahrens fehlt (Gutachten, S. 40, zweiter Absatz).

In Bezug auf die Abbildungen 4 und 5 erschöpfen sich die Darstellungen im „Set Test Plan Results“-Fenster und im „Test Points“-Fenster demgegenüber in einer Tabellendarstellung bzw. einer Tabellendarstellung mit unterschiedlicher farblicher Hinterlegung einzelner Tabellenzeilen. Nachdem das Klagepatent jedoch die graphische Darstellung gerade einer Solchen in Tabellenform gegenüberstellt (Abs. [0038] und [0062], macht allein eine solche farbliche Hinterlegung die Tabelle nicht zu einer graphischen Darstellung im Sinne des Klagepatents (Gutachten, S. 40, dritter Absatz).

Schließlich handelt es sich bei der Darstellung des „Set Test Plan Results“-Fensters und der Darstellung im „Test Points“-Fenster auch nicht um unterschiedliche Darstellungsformen, nachdem sich beide nur durch das Vorhandensein einer Checkbox unterscheiden. Mag auch die Erstellung in dem „Set Test Plan Results“-Fenster graphisch durch das Setzen der „CheckBox“ erfolgen, so dient diese jedenfalls nicht zur graphischen Darstellung, denn nach der Übernahme der Änderungen werden diese wieder zurückgesetzt (Gutachten, S. 40 Mitte).

(2)
Unter Berücksichtigung des Anwendungsfalls „I“ macht die angegriffene Ausführungsform gleichwohl wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

Die Funktion „I“ hat der Sachverständige auf S. 8 f. des Ergänzungsgutachtens wie folgt beschrieben:

„Anstatt die Software „D“ und insbesondere die von „D“ umfasste Anwendung […] MA für ihren Ablauf mit einem realen Prüfstand zu verbinden, simuliert eine weitere, „K-Modell“ genannte Software-Anwendung eben diesen realen Prüfstand als virtuellen Prüfstand. Ein solcher Prüfstand kann zunächst von der MA nicht von einem realen Prüfstand unterschieden werden.

Ebenso wie bei einer Verbindung zu einem realen Prüfstand handelt es sich bei dieser Verbindung zu dem „K-Modell“ aus der Perspektive der MA um eine rein datentechnische Verbindung, welcher eine physikalische Verbindung zugrunde liegen kann, aber nicht muss. Die Software „D“ umfasst die spezifisch erforderlichen Bestandteile […] zum Bereitstellen eines solchen „K-Modells“, wobei dieses nachfolgend der Einfachheit halber als virtueller Prüfstand bezeichnet wird.

Es wird also im Ergebnis durch das „K-Modell“ ein nicht realer, sondern ein virtueller Prüfstand bereitgestellt, welcher lediglich als ablaufendes Computerprogramm existiert, und zwar beispielsweise auf demselben Computer ablaufend, auf dem auch die MA abläuft. Die MA unterscheidet sich bei Verbindung mit diesem virtuellen Prüfstand in ihrem Verhalten dann auch nicht gegenüber der Verbindung zu einem realen Prüfstand. […]

Erst wenn der Bediener sich nach möglicherweise mehrmals durchlaufenen Schleifen der Eingabe durch die […] MDA und der Kontrolle der vorherigen Eingabe durch das Zusammenspiel der MA mit dem virtuellen Prüfstand und ggf. mit dem virtuellen Prüfling – wobei freilich die MA die von der MDA erzeugte Datei laden muss und eine datentechnische Verbindung der MA mit dem virtuellen Prüfstand bestehen muss – davon überzeugt hat, dass der von ihm definierte Prüflauf seinen Vorstellungen entspricht, kann er den Prüflauf an einem realen Prüfstand mit einem realen Prüfling durchführen, und zwar durch Verbindung der MA mit dem realen Prüfstand, an welchen der reale Prüfling angeschlossen wird.“

Dies hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung wie folgt ergänzt:

„Im Anwendungsfall „I“ ändert sich für die MDA erst einmal nichts, da diese eine Eingabemöglichkeit bereitstellt […] Die MA greift diese Daten auf und kann dann nun entweder im herkömmlichen Anwendungsfall eine Verbindung mit dem Rechner eines Prüfstandes aufnehmen oder für den Anwendungsfall „K“ eine im Prinzip gleiche Verbindung mit einem simulierten Prüfstand und einem simulierten Prüfling. Simuliert bedeutet, dass eine Software auf einem Rechner abläuft – insbesondere auf demselben Rechner ablaufen kann –, wie die MDA und das Vorhandensein eines realen Prüfstandes und eines realen Prüflings vorgibt; tatsächlich aber nur ein Computerprogramm abläuft, das dieses Vorgehen übernimmt.“

(Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 10)

Anders als ohne den Einsatz von „I“ kann bei einer Bearbeitung der Stufensequenzen durch die MDA, der Anzeige durch die MA in Verbindung mit dem virtuellen Prüfstand und einer neuerlichen Bearbeitung durch die MDA basierend auf dieser Anzeige – ggf. mit einem mehrmaligen Durchlauf dieser Schleife – gar kein „Ist“ erwachsen. Das jeweils manipulierte „Soll“ ist somit notwendigerweise überschüssig, weshalb insbesondere die entsprechenden Darstellungsvorgänge vor allem durch die MA der Parametrierung im engeren, hier anzuwendenden Sinne zuzuordnen sind. Daher tritt hier, anders als bei einem Fall ohne virtuellen Prüfstand, bei welchem die MA mit einem realen Prüfstand verbunden ist, der sich durch Starten des Prüflaufs am realen Prüfstand ergebende Abschluss des Vorgangs der Parametrierung nicht ein, weshalb die nachfolgende graphische Darstellung durch die MA – abweichend vom „realen“ Anwendungsfall – noch Bestandteil des Parametrierungsverfahrens ist (Ergänzungsgutachten, S. 10 oben).

Vor diesem Hintergrund macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der Merkmalsgruppe 3. Gebrauch. Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei den „Global Measuring Points“ der MA um die graphische Darstellung einer Stufensequenz. Auch bei dem „Test Points“-Fenster der MDA handelt es sich um die Darstellung einer Stufensequenz, allerdings in tabellarischer Form (vgl. Anlage K 35, SC 4). Eine graphische Bearbeitung von Stufensequenzen ist grundsätzlich durch die MDA gegeben und wird in der Anlage K 9 auf den Seiten 69 bis 92 beschrieben. Die Bearbeitung ist insbesondere deshalb graphisch, weil die beschriebenen Bearbeitungsschritte in bei Computern an sich bekannter Weise durch eine graphische Benutzeroberfläche durchgeführt werden können, also durch Bewegung einer Computermaus, Anklicken von Piktogrammen, „Drag & Drop“ etc. (Ergänzungsgutachten, S. 14, Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 11 f.).

Wird bei einer Verbindung mit dem virtuellen Prüfstand wieder die MDA zur neuerlichen Bearbeitung bzw. Erstellung der Sequenzen gestartet, dann erfolgt die graphische Darstellung der Stufensequenzen durch die MA im Fall des Einsatzes eines virtuellen Prüfstandes auch noch in derselben Ebene des Parametrierungsverfahrens, da das Setzen eines Endpunkts der Parametrierung durch die Verbindung zum realen Prüfstand nun fehlt. Die „Schleifen“ dieses „Kreislaufs“ aus der Bearbeitung mit der MDA und der Darstellung mit der MA können daher beliebig oft wiederholt werden, ohne dass dabei der aktuelle Durchlauf der Parametrierung verlassen wird (Ergänzungsgutachten, S. 16; Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 11).

Entgegen der Auffassung der Beklagten führen die bei der angegriffenen Ausführungsform durchzuführenden Benutzereingriffe, die erforderlich sind, um von der MDA auf die Darstellung des „Global Measuring Points“-Fenster und des „Test-Points“-Fenster in der MA zu gelangen (Starten des Dialogs „Datei Öffnen“ und Auswählen der geänderten Konfigurationsdatei; Anklicken des „Connect Test Cell“-Buttons; Anklicken des „Connect Calibration Tool”-Buttons; Starten der Testsequenz durch das Anklicken des „Start”-Buttons; Warten, bis die Testsequenz den ersten Versuchsplan vermessen hat), nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um Trivialschritte, welche der anspruchsgemäßen Kopplung der Darstellungsformen nicht entgegenstehen (vgl. Ergänzungsgutachten, S. 19 f.). Zwar ist nicht auszuschließen, dass ein Übermaß solcher Trivialschritte zu einem wesentlich ins Gewicht fallenden Zeitaufwand (und damit letztlich zum Wegfall der anspruchsgemäßen Kopplung der Darstellungsformen) führen kann. Ein Überschreiten dieser Grenze ist hier jedoch bei Weitem nicht erkennbar (Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 13).

Dass das „K“-Modell nach dem Vortrag der Beklagten keine Möglichkeit enthält, Sollwerte, Parameter und Aktionen von Sensoren und/oder Regelvorrichtungen zu verarbeiten, da die entsprechenden Funktionalitäten und das Systemverhalten von Reglern, Messgeräten und Sensoren und dgl. bei „I“ überhaupt nicht enthalten oder modelliert sind, steht – dieses Vorbringen zu Gunsten der Beklagten als zutreffend unterstellt – einer Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre ebenfalls nicht entgegen, weil die Verbindung mit „K“ und das Starten des (simulierten) Prüflaufs für die Verwirklichung der patentgemäßen technischen Lehre lediglich eine Darstellungsebene der graphischen Darstellung bereitstellen soll und muss. Darauf, ob eine Nachbildung der Regelvorrichtungen und Sensoren stattfindet, kommt es demgegenüber nicht an, da jedenfalls die Schritte, die für diese Anzeige erforderlich sind, dadurch nicht verhindert werden (Prot. der mV v. 13.04.2017, S. 10).

g)
Schließlich verfügt die angegriffene Ausführungsform unter Berücksichtigung der Funktion „I“ auch über ein Aktionsfenster im Sinne der Merkmalsgruppe 4.

Da der in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierte „Sequence Viewer“ (vgl. Anlage K 10, S. 35) nicht die möglichen Aktionsarten und zudem auch nur die momentan aktivierten Aktionen des Stufenverlaufs darstellt (vgl. Gutachten, S. 41), kommt als solches Aktionsfenster lediglich die „Actions Library“ in Betracht, welche auf Seite 56 des als Anlage K 9 vorgelegten Benutzerhandbuches wie folgt dargestellt ist:
Diese „Actions Library“ erfüllt zunächst die in den Merkmalen 4.1.a) – 4.1.c) formulierten Anforderungen. So stellt die „ASAPPurge Action“ (vgl. Anlage K 8, S. 113) beispielsweise einen Befehl zum Beeinflussen des Leitsystems dar (Merkmal 4.1.a)). Denn durch die „ASAPPurge Action“ wird eine Säuberung der Emmisionsanalysevorrichtung veranlasst, welche zum Leitsystem gezählt wird. Zudem beeinflusst auch die „ChangeControlMode Action“ (vgl. Anlage K 8, S. 121) das Verhalten von Funktionen (Gutachten, S. 42 unten). Merkmal 4.1.b) wird durch die „Stabilize Action“ verwirklicht, welche im Wesentlichen dem in Absatz [0033] der Klagepatentbeschreibung beschriebenen Szenario entspricht, wonach die Abarbeitung bis zum Erfüllen einer Bedingung angehalten wird. Schließlich verwirklicht die „Goto Action“ (vgl. Anlage K 8, S. 101), welche – dem in Absatz [0034] der Klagepatenbeschreibung geschilderten Beispiel entsprechend – die Möglichkeit bietet, einen Profilausschnitt in Abhängigkeit einer Bedingung zu überspringen, Merkmal 4.1.c). Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass die „Loop Actions“ und daher auch speziell die „Goto Action“ nicht die Reihenfolge der abzuarbeitenden Testpunkte beeinflussen, führt dies bereits deshalb nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, weil, wie bereits ausgeführt, ein Testpunkt bei der angegriffenen Ausführungsform nicht einer einzelnen Sollwertstufe entspricht. Vielmehr umfasst ein Testpunkt regelmäßig eine Vielzahl von Sollwertstufen (vgl. Gutachten, S. 42 f.; Ergänzungsgutachten, S. 22 f.).

Bei der „Actions Library“ wird weiterhin jede der möglichen Aktionsarten in einer eigenen Zeile darstellt, wobei auch eine Bearbeitung im Sinne einer Parametrierung ermöglicht wird. Dass insbesondere auch eine graphische Erstellung einer Stufensequenz ermöglicht wird, verdeutlicht Punkt 4 des als Anlage K 9 vorliegenden Benutzerhandbuchs, wo es heißt (in der deutschen Übersetzung entsprechend Anlage K 9Ü):

„Klicken Sie auf die Aktion, die Sie zu ihrer Sequenz hinzufügen wollen. Ziehen Sie sie auf ihren Sequenzen-Arbeitsplatz und lösen Sie den Mausknopf, wenn die Aktion sich dort befindet, wo Sie sie hinzufügen möchten.

Die Aktion wird automatisch ausgewählt und aktiviert die Optionen-, Grenzwerte- und Kommentare-Reihe.“

Allerdings erfolgt auch die Bereitstellung der „Actions Library“ ohne Berücksichtigung der Funktion „I“ nicht in einer Ebene des Parametrierungsverfahrens mit den zwei unterschiedlichen gekoppelten Darstellungsformen. Denn bei der Bearbeitung durch die „Actions Library“ der MDA kann der Benutzer die Darstellung durch die MA (noch) nicht sehen. Ist demgegenüber die Bearbeitung durch die „Actions Library“ der MDA abgeschlossen und wird die MA aufgerufen und dort ein Test gestartet, sieht der Benutzer zwar die Darstellung der MA, kann aber nicht mehr eine Bearbeitung durch das Aktionsfenster bewirken. Es fehlt folglich jede Rückkopplung (Gutachten, S. 41 unten – S. 42 oben). Diese Problematik entfällt jedoch im Anwendungsfall des virtuellen Prüfstandes („I“), so dass in diesem Fall auch die „Actions Library“ der MDA in die gleiche Ebene des Parametrierungsverfahrens mit der graphischen Darstellung gelangt (Ergänzungsgutachten, S. 22, zweiter Absatz). Die vorstehenden Ausführungen zur Funktionsweise des Anwendungsfalls „I“ gelten an dieser Stelle demnach entsprechend.

4.
Der die Funktion „I“ betreffende Vortrag der Klägerin war im Berufungsverfahren auch zu berücksichtigen. Zwar handelt es sich hierbei um völlig neuen Sachvortrag, den die Beklagte bestritten hat. Derartige neue Angriffsmittel sind in zweiter Instanz nur bei Vorliegen der in § 531 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 ZPO aufgeführten Voraussetzungen zuzulassen, wobei vorliegend allein die Ausnahme des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in Betracht kommt. Deren Voraussetzungen liegen hier jedoch vor, denn die fehlende Geltendmachung im ersten Rechtszug beruhte nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin. Den Anlass dafür, dass sich die Klägerin nunmehr auf die Funktion „I“ berufen hat, bot vielmehr erst das durch den Sachverständigen in seinem Gutachten vom 9. November 2015 im Einzelnen darstellte Verständnis des Begriffes „Parametrierung“, aufgrund derer der Sachverständige insbesondere die erst nach dem Starten eines Tests durch die MA erfolgende Darstellung des „Global Measuring Points“-Fensters nicht mehr dem Parametrierungsverfahren zuordnet, da es insoweit an der erforderlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Stufensequenz fehle (vgl. Gutachten, S. 39, drittletzter Absatz). Erst dadurch sah sich die Klägerin veranlasst, näher zu der Funktion „I“ vorzutragen, deren Berücksichtigung sodann auch zu einer abweichenden Beurteilung der Verletzungsfrage durch den Sachverständigen im Ergänzungsgutachten vom 12. September 2016 geführt hat.

5.
Nachdem die Software „D“, wie der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt hat, unter Berücksichtigung der Funktion „I“ von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, verletzt die Beklagte Patentanspruch 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß. Für die durch die Klägerin hilfsweise geltend gemachte mittelbare Patentverletzung bleibt insoweit kein Raum, da die angegriffene Software selbst alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens verwirklicht. Insbesondere bedarf es hierfür keiner Verbindung zu einem Prüfstand. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr die Umwandlung der momentan aktivierten Sollwerte, Parameter und Aktionen in Steuersignale an einen Prüfstand (Merkmal 3.1.), was jedoch bei der angegriffenen Ausführungsform selbst geschieht. Einer irgendwie gearteten Interaktion mit einem (realen) Prüfstand bedarf es beim Einsatz der Funktion „I“ demgegenüber nicht.

a)
Die Beklagte hat das durch Patentanspruch 1 geschützte Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland angeboten.

aa)
Ein Verfahren wird im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 2 PatG angeboten, wenn jemand einem Anderen die Anwendung des Verfahrens dergestalt in Aussicht stellt, dass sie durch den Anbietenden selbst vorgenommen oder veranlasst werden soll (Benkard/Scharen, Patentgesetz, 11. Aufl., § 9 PatG Rz. 52; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 9 PatG Rz. 94; Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Aufl., § 33 Rz. 150). Dabei muss es nicht zu einer Anwendung des Verfahrens kommen und eine Anwendung muss auch nicht bereits stattgefunden haben. Der Verbotstatbestand des § 9 S. 2 Nr. 2 PatG will schon die Gefährdung der Benutzung des patentierten Verfahrens ausräumen (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 Rz. 52). Ein Anbieten eines Verfahrens zu einer unerlaubten Anwendung kann deshalb nach zutreffender, vom erkennenden Senat geteilter Meinung auch durch das Erbieten einer Benutzungserlaubnis an dem geschützten Verfahren erfolgen. Neben dem Erbieten, die patentierte Verfahrensvorschrift entgeltlich zu veräußern (dazu Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 Rz. 52 m. w. N.), ist deshalb als Angebot auch ein Verhalten anzusehen, welches die Bereitschaft des Anbietenden erkennen lässt, an dem patentierten Verfahren eine Benutzungserlaubnis zu erteilen (vgl. Senat, Urt. v. 15.05.2014, BeckRS 2014, 14360; Urt. v. 14.01.2010, Az.: I-2 U 10/08, BeckRS 2010, 15659; LG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2007, Az.: 4a O 443/05, BeckRS 2009, 12321; Benkard/Scharen, a. a. O., § 9 Rz. 52; Krieger, GRUR 1980, 687, 690; vgl. auch zu § 6 PatG a. F.: OLG Düsseldorf, GRUR 1963, 78, 80 – Metallspritzverfahren II; andere Auffassung: Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 9 PatG Rz. 94; Kraßer/Ann, a.a.O.). Erbietet jemand die Erteilung einer Benutzungserlaubnis an dem geschützten Verfahren, maßt er sich auch dadurch die dem Patentinhaber vorbehaltene Verwertung des patentierten Verfahrens an und betreibt auf diese Weise unmittelbar dessen wirtschaftliche Verwertung (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 Rz. 52). Bereits die Anmaßung der dem Patentinhaber vorbehaltenen Befugnis, die Benutzung zu gestatten, gefährdet aber das Patentrecht und ist deshalb verboten (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Benkard/Scharen, a. a. O.).

bb)
Um solch einen Fall handelt es sich hier. Denn die Beklagte vertreibt die streitgegenständliche Software nur im Zusammenhang mit einer Erlaubniserteilung. So heißt es in den als Anlagen K 8 bis K 10 vorgelegten Handbüchern jeweils unmittelbar im Anschluss an das Titelblatt:

„All rights reserved under Titel 17, U.S. code. No portion of this manual may be reproduced in any form or by any electronic or mechanical means, including information storage and retrieval systems, without permission from A&D Technology, Inc. Information in this document is subject to changes without notice. The software described in this manual is furnished under a license agreement or non-disclosure agreement.”

(Unterstreichung hinzugefügt)

Der vorstehend wiedergebene Hinweis unterscheidet damit ausdrücklich zwischen dem, das Handbuch betreffenden Urheberrechtsteil („…no portion of this manual may be reproduced…“) und der im Handbuch beschriebenen Software, die mit einer Lizenzvereinbarung verbunden sein soll. Dies lässt sich für den Nutzer der Software nur so verstehen, dass ihm mit dem Erwerb der Software durch die Beklagte gleichzeitig auch eine Berechtigung zu deren Nutzung eingeräumt wird, vor allem, da es sich bei der Beklagten um ein Tochterunternehmen der C Ltd. handelt, die entsprechende Mess-, Kontroll- und Prüfsysteme nicht nur vertreibt, sondern auch entwickelt.

Dass es für den Einsatz von „I“ nach dem Vorbringen der Beklagten dem zusätzlichen Erwerb einer Lizenz an der Software „K“ bedarf, rechtfertigt keine andere Bewertung. Weder hat die Beklagte hinreichend aufgezeigt noch ist ersichtlich, dass sich in den als Anlagen K 8 bis K 10 vorgelegten Handbüchern, die nicht nur die vorstehend in Bezug genommene Erlaubniserteilung, sondern auch eine Beschreibung des Anwendungsfalls „I“ beinhalten, ein Hinweis darauf findet, dass diese Funktion nicht ohne Weiteres als Bestandteil der angegriffenen Ausführungsform zur Verfügung steht. Da sich eine solche Einschränkung auch insbesondere nicht in dem vorstehend eingeblendeten Hinweis findet, lassen sich die Handbücher für den angesprochenen Nutzer nur so verstehen, dass dieser mit dem Erwerb der Software „D“ in die Lage versetzt wird, die in den Handbüchern beschriebene Funktion „I“ auch tatsächlich zu nutzen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Glossar des als Anlage K 11 zur Akte gereichten „D Getting Started Guide“. Allein der Hinweis, dass es sich bei K® um ein Programm von „LTM“ handelt, lässt vor dem Hintergrund des auch in diesem Handbuch zu findenden allgemeinen, vorstehend im Einzelnen wiedergegebenen Lizenzierungshinweises für den Nutzer nicht den zwingenden Schluss zu, es bedürfe für die Nutzung des im Lieferumfang der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Moduls „I“ der Einholung weiterer Lizenzen.

Folgt man dem nicht, ergibt sich nichts anderes. Denn das Modul „I“ ist im Lieferumfang der angegriffenen Ausführungsform enthalten. Zumindest diejenigen Anwender, in deren Besitz sich das Programm „K“ befindet oder in deren Besitz ein Solches später gelangt, sind somit ohne Weiteres in der Lage, mit Hilfe der durch die Beklagte mitgelieferten Datendateien den im Handbuch beschriebenen „Standard-Offline-Testlauf“ durchzuführen.

b)
Dass die Beklagte das durch Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren auch anwendet, vermag der Senat demgegenüber nicht festzustellen.

aa)
Ein Verfahren wird i. S. v. § 9 S. 2 Nr. 2 PatG nur dann angewendet, wenn es bestimmungsgemäß gebraucht wird, das heißt, wenn die wesentlichen Verfahrensschritte, die zu dem verfahrensgemäßen Erfolg führen, verwirklicht oder die zur Ausübung des Verfahrens erforderlichen Mittel benutzt werden (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, Patentgesetz, 7. Aufl., § 9 Rz. 73; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 11. Aufl., § 9 PatG Rz. 50; Mes, Patentgesetz, 4. Aufl., § 9 Rz. 56). Vor diesem Hintergrund verletzt derjenige das Verfahrenspatent unmittelbar, der sämtliche Verfahrensschritte eigenhändig anwendet (BGH, GRUR 2005, 845 – Abgasvorrichtung; OLG Düsseldorf Urt. v. 15.05.2014 – I-2 U 74/13, BeckRS 2014, 14360; Schulte/Rinken/Kühnen, a.a.O.)

bb)
Davon ausgehend ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte das den Gegenstand von Patentanspruch 1 bildende Verfahren tatsächlich selbst in der Bundesrepublik Deutschland anwendet. In diesem Zusammenhang kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich die Beklagte das Verhalten der N GmbH zurechnen lassen muss, soweit diese die Installation und Inbetriebnahme der streitgegenständlichen Software bei dem jeweiligen Kunden für die Beklagte vornimmt. Auch mag es sein, dass es, wie von der Klägerin behauptet, am Markt üblich ist, dass Anbieter von Softwarelösungen für Prüfstände, wie sie hier im Raum stehen, die Installation der entsprechenden Software vor Ort selbst vornehmen, wobei der Installateur auch die korrekte Funktion der Installation durch einen Testlauf überprüft und das Kundenpersonal in die Funktionen und die Bedienung einweist.

Dies allein reicht für eine Verurteilung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des durch Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens nicht aus. Die Beklagte hat eine solche Anwendung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (Bl. 251 f. GA) ausdrücklich bestritten. Gleichwohl hat es die Klägerin nicht vermocht, konkrete Anhaltspunkte zum Umfang und Gegenstand der durch sie behaupteten Einweisung in das System „D“ vorzutragen. Die durch sie vorgelegten Unterlagen (Anlagen K 27a – K 28c) betreffen sämtlich das System „B“ der Klägerin. Abgesehen davon, dass es auch insoweit an einem schlüssigen und für den Senat nachvollziehbaren Vortrag zum Inhalt und Umfang der dort beschriebenen Tests und Einweisungen fehlt, lassen sich daraus nicht ohne Weiteres Schlüsse auf den Umfang und Inhalt der üblicherweise bei der Installation der streitgegenständlichen Software „D“ durchgeführten Einweisungen und Tests ziehen. Eines hinreichend konkreten Vortrages der Klägerin zu dieser Frage hätte es umso mehr bedurft, da die angegriffene Ausführungsform – wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat – lediglich unter Berücksichtigung der Funktion „I“ von der durch Patentanspruch 1 geschützten technischen Lehre Gebrauch macht, die dementsprechend auch Gegenstand der durch die Klägerin behaupteten Einweisung bzw. Tests gewesen sein müsste. Dass dies tatsächlich der Fall war, ist nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund kam auch weder die durch die Klägerin beantragte Vernehmung des Geschäftsführers der O Deutschland GmbH, der zudem auch noch ein bloßer Zeugen vom Hörensagen wäre, noch des Geschäftsführers der Beklagten in Betracht. Denn insoweit handelt es sich um bloße Beweismittel. Eine Beweisaufnahme setzt jedoch zunächst erst einmal einen schlüssigen Vortrag voraus, eine Beweisaufnahme über eine Behauptung „ins Blaue hinein“ ist nicht statthaft (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 04.11.1993, Az.: 4 U 201/93 = r+s 1994, 119). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt die Vernehmung des Geschäftsführers auch nicht unter Berücksichtigung von § 140c PatG in Betracht. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Vorschrift dem Berechtigten im Rahmen der Umsetzung der Enforcement-Richtlinie ein Mittel zur effektiven Durchsetzung seiner Rechte an die Hand geben soll. Hierfür werden diesem jedoch lediglich Ansprüche auf Urkundenvorlage, ggf. einschließlich der Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen, sowie Besichtigungsansprüche zur Verfügung gestellt. Die Vernehmung des Geschäftsführers des vermeintlichen Verletzers ist von der Vorschrift mithin nicht erfasst und stellt insbesondere auch kein bloßes „Minus“ zu den genannten Maßnahmen dar. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift fehlt es demgegenüber bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, nachdem sich der Gesetzgeber für einen konkreten Kanon von Maßnahmen entschieden hat, die dem Berechtigten zur Durchsetzung seiner Rechte zur Seite gestellt werden sollen.

c)
Da bei der angegriffenen Software „D“ unter Berücksichtigung der Funktion „I“ sämtliche Merkmale des streitgegenständlichen Patentanspruchs verwirklicht sind und die Beklagte damit wortsinngemäß von der durch Patentanspruch 1 beanspruchten technischen Lehre Gebrauch macht, ist an dieser Stelle auch nicht entscheidend, ob die angegriffene Software „D“ die von der Klägerin vertriebenen Motorprüfstande tatsächlich, wie von der Beklagten behauptet, nur dann fernsteuern kann, wenn gleichzeitig die Prüfstandsteuersoftware „F Open“ der Klägerin in Betrieb bzw. in Benutzung ist. Denn allein die angegriffene Ausführungsform selbst macht – unabhängig von einer irgendwie gearteten Kommunikation mit einer anderen Software – unmittelbar wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

d)
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Verbietungsrechte der Klägerin auch weder erschöpft noch ist der Vertrieb der streitgegenständlichen Software durch eine implizite Lizenz der Klägerin gedeckt.

Wird – wie hier – lediglich eine Vorrichtung veräußert, mit deren Hilfe das patentgeschützte Verfahren ausgeübt werden kann, tritt eine Erschöpfung nicht ein (BGH, GRUR 1980, 38 – Fullplastverfahren; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 11. Aufl., § 9 PatG Rz. 25), da hierdurch nicht das Verfahren selbst in den Verkehr gebracht wird, sondern nur die Vorrichtung (Senat, Urt. v. 28.01.2010 – 2 U 128/08, BeckRS 2010, 15665).

Ob derjenige, der vom Inhaber des Patents eine zur Ausübung des geschützten Verfahrens erforderliche Vorrichtung erworben hat, zum Gebrauch der Vorrichtung und infolgedessen zur Durchführung des patentgeschützten Verfahrens berechtigt ist, beantwortet sich daher allein danach, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Erwerber mit dem Verkauf der Vorrichtung eine stillschweigende Erlaubnis (einfache Lizenz) zur Verfahrensbenutzung erteilt worden ist (Senat, Urt. v. 28.01.2010 – 2 U 128/08, BeckRS 2010, 15665; Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rz. 25). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bejaht eine konkludente Lizenzerteilung, sofern nicht ausnahmsweise ausdrückliche entgegenstehende Abreden bestehen (§§ 133, 157, 242 BGB; vgl. BGH, GRUR 1980, 38, 39 – Fullplastverfahren; BGH, GRUR 2001, 4097, 409 – Bauschuttsortieranlage; BGH, GRUR 2007, 773, 776 – Rohrschweißverfahren; Senat, InstGE 9, 66, 73 – Trägerbahnöse; Senat, Urt. v. 28.01.2010 – 2 U 128/08, BeckRS 2010, 15665).

In welchem Umfang der Erwerber der Vorrichtung – im Wege einer beim Verkauf der Vorrichtung stillschweigend erteilten Lizenz – dazu berechtigt ist, die Vorrichtung bestimmungsgemäß zu verwenden, mithin das Verfahren durchzuführen, ist nach dem Einzelfall zu beurteilen und hängt von den schuldrechtlichen Vereinbarungen der Parteien ab (BGH, GRUR 1998, 130, 132 – Handhabungsgerät). Fehlen anderslautende Abreden, ist im Zweifel davon auszugehen, dass derjenige, der vom Inhaber des Verfahrenspatents eine zur Ausübung des geschützten Verfahrens erforderliche Vorrichtung erwirbt, diese bestimmungsgemäß benutzen darf (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Abschn. E Rz. 554).

Davon ausgehend mag es sein, dass die von der Klägerin ausgelieferten Motorprüfstände ausnahmslos mit der Software „F Open“ ausgerüstet sind. Die Beklagte beruft sich selbst darauf, dass diese Prüfstandsteuervorrichtung dazu eingerichtet ist, das durch Patentanspruch 1 geschützte Verfahren anzuwenden und damit insbesondere den Prüfstand zu parametrieren. Ist dem so, die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, erlangen die Abnehmer der Klägerin durch den Erwerb des Prüfstandes demnach das Recht, diesen unter Einsatz der Software „F Open“ zu parametrieren. Keinesfalls von der eingeräumten impliziten Lizenz erfasst ist demgegenüber der Einsatz des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 in einem eigenen, in sich geschlossenen Parametrierungsverfahren, wie es nunmehr in Gestalt der Software „D“ unter Berücksichtigung der Funktion „I“ der Fall ist. Denn es ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich, dass die durch die Klägerin vertriebenen Prüfstände ohne den Einsatz der streitgegenständliche Software „D“ nicht ordnungsgemäß betrieben bzw. parametriert werden könnten. Auch wenn die Software „F Open“ und der Motorprüfstand – was hier nicht entschieden zu werden braucht – möglicherweise mit Hilfe der streitgegenständlichen Software „D“ in dem Sinne automatisiert werden, dass der menschliche Prüfstandsfahrer durch die Software „D“ ersetzt wird, erwirbt ein Abnehmer des mit der Software „F Open“ ausgestatteten Prüfstandes zwar das Recht, den Prüfstand mittels des durch Patentanspruch 1 geschützten Verfahrens unter Einsatz der Software „E“ zu parametrieren, jedoch nur mit Hilfe der durch die Klägerin mitgelieferten Software. Ein uneingeschränktes Nutzungsrecht an dem den Gegenstand von Patentanspruch 1 bildenden Verfahren erwächst dem Erwerber der Prüfstände der Klägerin demgegenüber nicht, denn eine Solche ist zu einer ordnungsgemäßen Bedienung und Parametrierung des betreffenden Prüfstandes nicht erforderlich.

7.
Die Beklagte macht mit der angegriffenen Ausführungsform auch unmittelbar und wortsinngemäß von Patentanspruch 5 Gebrauch, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.

a)
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die in den Merkmalsgruppen 1. und 2. genannten Bauteile nicht selbst anbietet und die beanspruchte Prüfstandsteuereinrichtung daher erst dann hergestellt ist, wenn die durch die Beklagte gelieferte Software durch den Abnehmer, die Beklagte oder einen Dritten auf einem bei dem Abnehmer bereits vorhandenen handelsüblichen Computer installiert wurde. Denn bei der Lieferung eines Teils einer Gesamtvorrichtung kommt eine unmittelbare Schutzrechtsverletzung auch dann in Betracht, wenn in dem benutzten Teil der Erfindungsgedanke bis auf selbstverständliche, für die im Patent unter Schutz gestellte technische Lehre unbedeutende Zutaten bereits verwirklicht ist. Es liegt ein klarer Fall einer unmittelbaren Patentverletzung vor, wenn dem Abnehmer die fehlende Zutat – vorher, gleichzeitig oder hinterher – von einem Dritten geliefert wird. Der Handelnde baut in diesem Fall bei seiner Lieferung gezielt darauf, dass die fehlende (Allerwelts-) Zutat beim Empfänger entweder bereits vorhanden ist (so dass ihre abermalige Bereitstellung sinnlos wäre) oder aber vom Belieferten problemlos selbst besorgt werden kann und auch tatsächlich beschafft werden wird, um den gelieferten Gegenstand seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen. Der Handelnde macht sich bei einer solchen Sachlage mit seiner Lieferung die Vor- oder Nacharbeit seines Abnehmers bewusst zu Eigen, was es rechtfertigt, ihm diese Vor- oder Nacharbeit zuzurechnen, als hätte er die Zutat selbst geliefert (Senat, Urt. v. 24.02.2011, Az.: I-2 U 122/09, BeckRS 2011, 08375 – Lungenfunktionsmessgerät; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 97 – primäre Verschlüsselungslogik; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl. Abschn. A Rz. 351).

b)
Unter Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze liegt hier eine unmittelbare und nicht bloß eine mittelbare Patentverletzung vor.

Kern der durch Patentanspruch 5 beanspruchten Prüfstandsteuereinrichtung sind nicht die in den Merkmalsgruppen 1. und 2. genannten Bauteile, bei denen es sich letztlich um einen handelsüblichen Computer handelt. Soweit Merkmal 2. fordert, dass die Bauteile zur gegenseitigen Übermittlung von Daten miteinander verbunden sein sollen, ist dies insbesondere auch nicht so zu verstehen, dass es zwingend einer Verbindung zu einem, durch die Beklagte ebenfalls nicht vertriebenen Prüfstand bedarf. Denn verbunden sein sollen lediglich die in der Merkmalsgruppe 1 im Einzelnen aufgezählten Bauteile. Dazu zählen jedoch nur Schnittstellen zu den Sensoren und Regelvorrichtungen des Prüfstandes, nicht aber die Sensoren und Regelvorrichtungen selbst. Es muss demnach möglich sein, die Prüfstandsteuervorrichtung mit einem Prüfstand zu verbinden.

Im Zentrum der beanspruchten Prüfstandsteuervorrichtung steht vielmehr Merkmal 3., wonach die Einrichtung nach einem Steueralgorithmus arbeiten soll, der ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 durchführt. Wie der Senat bereits im Einzelnen dargestellt hat, ermöglicht genau dies die durch die Beklagte gelieferte Software „D“, die ohne eine Installation auf einem handelsüblichen Computer nicht funktionsfähig ist und ohne die umgekehrt der Computer nicht in der Lage ist, als Prüfstandsteuereinrichtung zu fungieren. Da der Einsatz der durch die Beklagte gelieferten Software ohne die Installation auf einem Computer nicht sinnvoll nutzbar ist, folgt die Herstellung der patentgemäßen Vorrichtung beim Abnehmer auch zwingend nach. Die unter diesen Umständen vorgezeichnete Herstellung der patentgemäßen Gesamtvorrichtung beim Abnehmer ist der Beklagten zuzurechnen, weil sie weiß und will, dass die Abnehmer ihre Software auf einem Computer installieren, um diesen sodann zur Prüfstandsteuerung und vor allem auch zur Parametrierung des Prüfstandes einzusetzen. Der Beklagten ist überdies bekannt, dass die hier in Rede stehenden Nutzer, die Anwender des Prüfstandes, ohnehin Computer verwenden, so dass ihre Abnehmer damit bereits im Besitz der fehlenden „Zutat“ sind oder sich diese aber besorgen, weil sie diese ohnehin im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigen. Das macht sich die Beklagte zu Nutze, indem sie nur ihre entsprechende Software liefert, die ohne Weiteres auf einem handelsüblichen Computer installiert werden kann. Daraus, dass die im Lieferumfang der Software „D“ der Beklagten enthaltenen Datendateien „I“ den im Benutzerhandbuch beschriebenen Standard-Offline-Testlauf nur erlauben, wenn der Anwender gleichzeitig im Besitz des Anwendungs-Programms „K“ ist, folgt nichts anderes. Denn auch hierbei handelt es sich um eine externe Standardkomponente, von der die Beklagte mithin ausgehen kann, dass sie auf dem Computer, auf dem die Software der Beklagten installiert wird, vorhanden ist (Ergänzungsgutachten, S. 9 oben). Die Beklagte baut bei ihrer Lieferung demnach gezielt darauf auf, dass der fehlende Computer als (Allerwelts-) Zutat einschließlich der erforderlichen Standard-Software beim Abnehmer entweder bereits vorhanden ist oder aber von diesem problemlos besorgt werden kann und auch tatsächlich beschafft werden wird, um den gelieferten Gegenstand seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen. Sie macht sich daher mit ihrer Lieferung die Vor- oder Nacharbeit ihres Abnehmers bewusst zu eigen, was es rechtfertigt, ihr diese Vor- oder Nachteile zuzurechnen, als hätte sie den Computer selbst mitgeliefert oder dessen Lieferung durch einen Dritten veranlasst.

8.
Da Beklagte durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Aus-führungsform das Klagepatent unmittelbar (§ 9 S. 2 Nr. 1 und 2 PatG) verletzt, ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen:

a)
Der Klägerin steht nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG gegen die Beklagte ein, sich allerdings nicht auf die Anwendung des durch Patentanspruch 1 geschützten Verfahrens erstreckender, Unterlassungsanspruch zu.

b)
Nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG hat die Beklagte der Klägerin wegen der unmittelbaren Verletzung des Klagepatents Schadensersatz zu leisten.

Die Beklagte hat die ihr zur Last gelegten schutzrechtsverletzenden Handlungen schuldhaft begangen, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. Hätte sie als einschlägig tätige Gewerbetreibende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, hätte sie sich vor der Aufnahme der Verletzungshandlungen über die Schutzrechtslage informiert. Im Rahmen dieser Nachforschungen wäre sie auf das Klagepatent gestoßen und hätte jedenfalls bei zutreffender rechtlicher Beratung ohne Schwierigkeiten feststellen können, dass die angegriffene Software „D“ von den dort unter Schutz gestellten Lehren Gebrauch machen und dass ihnen kein Recht zur Benutzung des Klagepatents zusteht.

Die Klägerin hat auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse daran, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz und zur Entschädigung zunächst nur dem Grunde nach feststellen zu lassen, statt auf Leistung zu klagen. Dass ihr die schutzrechtsverletzenden Handlungen der Beklagten Schaden zugefügt haben, erscheint hinreichend wahrscheinlich.

c)
Damit die Klägerin die ihr zustehenden Schadenersatzansprüche berechnen und etwaige weitere Verletzer aufspüren kann, ist die Beklagte nach Art. 64 EPÜ i. V. m.
§ 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB verpflichtet, der Klägerin unter Angabe der im Urteilsanspruch aufgeführten Einzeldaten über den Umfang ihrer schutz-rechtsverletzenden Handlungen Rechnung zu legen. Die Klägerin kennt die zur Bezifferung ihrer Ansprüche notwendigen Einzelheiten ohne eigenes Verschulden nicht; demgegenüber wird die Beklagte durch die Erteilung der ihr abverlangten Auskünfte nicht unverhältnismäßig belastet und können sie auch ohne Schwierigkeiten geben.

d)
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer den Umständen angemessenen Entschädigung aus Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG. Die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand der europäischen Patentanmeldung war.

III.

Nachdem die Berufung der Klägerin überwiegend Erfolg hat, sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens unter Berücksichtigung des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens von beiden Parteien anteilig zu tragen.

Demgegenüber waren der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 2 ZPO in vollem Umfang aufzuerlegen, denn sie hat aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, das sie auch schon während des landgerichtlichen Verfahrens hätte geltend machen können. Dass die angegriffene Ausführungsform über den Anwendungsfall „I“ verfügt, lässt sich ebenso wie dessen (grundsätzliche) Funktionsweise bereits den durch die Klägerin selbst erstinstanzlich vorgelegten Handbüchern entnehmen. Unabhängig davon, ob sie erstinstanzlich bereits Gelegenheit hatte, die angegriffene Ausführungsform zu untersuchen, ist somit kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, zur Begründung des Verletzungsvorwurfs auch den Anwendungsfall „I“ heranzuziehen.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 108 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).