4a O 20/14 – Vorschubeinrichtung I

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2656

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 08. Mai 2017, Az. 4a O 20/14

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ord-nungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungs-haft bis zu zwei Jahren zu unterlassen,

Vorschubeinrichtungen zum intermittierenden Drehen eines Werkstücks mit Schneidzähnen, insbesondere eines Kreissägeblattes, an einer Ma-schine zum Bearbeiten der Schneidzähne mit einem Werkstückschlitten zum drehbaren Lagern des Werkstücks in einem einstellbaren Abstand seiner Drehachse von einer Bezugsachse, einer Vorschubführung, die um eine zu der Drehachse parallele Schwenkachse schwenkbar ist, ei-nem Vorschubschlitten, der in Vor- und Rückwärtshüben längs der Vorschubführung bewegbar ist und ein Kurvenfolgeglied sowie einen Vorschubfinger trägt, einem Kurventräger, der um eine zur Schwenkachse der Vorschubführung parallele Einstellachse schwenk-einstellbar ist, und einer Vorschubkurve, die am Kurventräger gegen mindestens eine andere Vorschubkurve austauschbar befestigt ist und den Vorschubschlitten über dessen Kurvenfolgeglied derart abstützt, dass der Vorschubfinger bei jedem Vorwärtshub annähernd einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse des Werkstücks liegt, wobei die Vorschubkurven an einem gemeinsamen Kurvenkörper ausgebildet sind, der am Kurventräger wahlweise in meh-reren Stellungen festsetzbar ist, in denen je eine Vorschubkurve den Vorschubschlitten abstützt und jede andere Vorschubkurve eine Warte-stellung einnimmt;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Be-klagten die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Mai 1999 begangen haben und zwar unter Angabe

a) der Mengen der importierten, erhaltenen oder bestellten Erzeug-nisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Ty-penbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Ty-penbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsge-biet sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume, der Internetadressen sowie der Zugriffszahlen;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren auf geschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu a) nur für die Zeit ab dem 30. September 1999 zu machen sind, und die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 30. Oktober 1999 zu machen sind,

wobei der Beklagte zu 2) nur verpflichtet ist, die Angaben für die Zeit vom 26. August 2004 bis zum 15. April 2014 zu machen,

wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu a) und b) Rechnun-gen, hilfsweise Lieferscheine, in Kopie, wobei geheimhaltungsbedürftige Detail außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, vorzulegen haben,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. nur die Beklagte zu 1): die vorstehend zu I.1. bezeichneten, seit dem 30. Oktober 1999 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Er-zeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Be-klagte oder mit deren Zustimmung Besitz an diesen Erzeugnissen eingeräumt wurde, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 197 46 XXX erkannt hat, ihnen ein ernsthaftes Angebot zur Rück-nahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises beziehungsweise eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- beziehungsweise Ver-sendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, und wobei die Be-klagte verpflichtet ist, die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist,

a) der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 29.05.1999 bis zum 29.10.1999 begangenen Handlungen eine ange-messene Entschädigung zu zahlen,

b) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 30. Oktober 1999 bis zum 25. August 2004 und seit dem 16. April 2014 begangenen Handlungen entstan-den ist und noch entstehen wird, und

2. dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, im Zeitraum vom 26. August 2004 bis zum 15. April 2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung und zum Rückruf (Ziffern I.1 und I.3. der Urteilsformel) gegen Sicherheitsleistung in Höhe 370.000,00 EUR, hinsichtlich der Verurteilung zur Rechnungslegung (Ziffer I.2. der Urteilsformel) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000,00 EUR und hinsichtlich der Kostenentscheidung (Ziffer III. der Urteilsformel) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VI. Der Streitwert wird auf 500.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in Kraft stehenden deutschen Patents DE 197 46 XXX C2, (Anlage K 4; im Folgenden: Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie auf Fest-stellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach und die Beklagte zu 1) zusätzlich auf Rückruf in Anspruch nimmt. Das am 20. Oktober 1997 angemeldete Klagepatent wurde am 29. April 1999 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 30. September 1999 veröffentlicht. Das Kla-gepatent betrifft eine Vorschubeinrichtung zum intermittierenden Drehen eines Werkstücks mit Schneidezähnen.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Vorschubeinrichtung zum intermittierenden Drehen eines Werkstücks (10) mit Schneidzähnen (12), insbesondere eines Kreissägeblattes, an einer Maschine zum Bearbeiten der Schneidzähne (12), mit

– einem Werkstückschlitten (36) zum drehbaren Lagern des Werkstücks (10) in einstellbarem Abstand seiner Drehachse (D) von einer Bezugsachse (A),

– einer Vorschubführung (40), die um eine zu der Drehachse (D) parallele Schwenkachse (E) schwenkbar ist,

– einem Vorschubschlitten (42), der in Vor- und Rückwärtshüben längs der Vorschubführung (40) bewegbar ist und ein Kurvenfolgeglied (46) sowie einen Vorschubfinger (48) trägt,

– einen Kurventräger (50), der um eine zur Schwenkachse (E) der Vorschub-führung (40) parallele Einstellachse (F) schwenkeinstellbar ist, und

– einer Vorschubkurve (62), die am Kurventräger (50) gegen mindestens eine andere Vorschubkurve (64, 66, 68) austauschbar befestigt ist und den Vor-schubschlitten (42) über dessen Kurvenfolgeglied (46) derart abstützt, dass der Vorschubfinger (48) bei jedem Vorwärtshub annähernd einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse (D) des Werkstücks (10) liegt,

dadurch gekennzeichnet, dass

– die Vorschubkurven (62, 64, 66, 68) an einem gemeinsamen Kurvenkörper (60) ausgebildet sind, der am Kurventräger (50) wahlweise in mehreren Stel-lungen festsetzbar ist, in denen je eine Vorschubkurve (62) den Vorschub-schlitten (42) abstützt und jede andere Vorschubkurve (64, 66, 68) eine Wartestellung einnimmt.“

Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren 1 bis 3 zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel gemäß der Erfindung.

Figur 1 ist die Vorderansicht einer Vorschubeinrichtung an einer nur teilweise darge-stellten Werkzeugschärfmaschine. Figur 2 stellt einen vergrößerten Ausschnitt aus Fi-gur 1 dar, der teilweise als senkrechter Schnitt II-II in Figur 3 dargestellt ist. In Figur 3 ist der waagerechte Schnitt III-III aus Figur 2 gezeigt.

Die Beklagte zu 1), ein in der Türkei ansässiges Unternehmen, bietet im Internet auf ihrer Internetseite www.A.com.tr unter der Bezeichnung „B“ Schärfmaschinen für Kreissägeblätter an (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). In einem Prospekt der Beklagten zu 1) findet sich folgende Abbildung der angegriffenen Ausfüh-rungsform:

Ferner wird zur Funktionsweise der bei der angegriffenen Ausführungsform zumin-dest in einer Konfiguration unstreitig vorhandenen Justierplatte in einer die angegrif-fene Ausführungsform betreffenden deutschsprachigen Bedienungsanleitung, deren vollständiger Inhalt aus der Anlage K 25 ersichtlich ist, ausgeführt:

[…]

Der Beklagte zu 2) wurde am 6. August 2009 zunächst für die Dauer von zwei Jahren zum Mitglied des Vorstandes der Beklagten zu 1) gewählt. Dem am 5. Mai 2014 durch die Hauptversammlung gewählten Vorstand gehörte der Beklagte zu 2) nicht mehr an.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1) habe die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „C 2014“ in D ausgestellt. Zudem sei dort auch ein unter anderem die angegriffene Ausführungsform betreffender Prospekt verteilt worden, dessen vollständiger Inhalt aus der Anlage K 21 ersichtlich ist und dem die oben verkleinert wiedergegebene Abbildung entnommen sei.

Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform wortsinnge-mäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die technische Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform verdeutlichten die nachfolgend ver-kleinert eingeblendeten und durch die Klägerin mit Erläuterungen versehenen Foto-grafien

Insbesondere habe die auf der Messe ausgestellte angegriffene Ausführungsform nicht nur über eine einzige, sondern über ein Mehrzahl von Vorschubkurven verfügt, nämlich über insgesamt vier Vorschubkurven, die entlang jeder Kante einer im wesentlichen viereckigen Kurvenplatte ausgebildet sei.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen, wobei die Klägerin darüber hinaus gegenüber dem Beklagten zu 2) Rechnungslegung mit Ausnahme der Angaben zum Bezug von Erzeugnissen (wie in der Urteilsformel zu I.2.a) umschrieben) für die Zeit vom 30. Oktober 1999 bis zum 15. April 2014 sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht für die Zeit vom 30. Oktober 1999 bis zum 25. August 2004 geltend macht.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der bei der angegriffenen Ausführungsform auf dem Kur-venträger angebrachte Kurvenkörper besitze nur eine einzige Vorschubkurve. Dabei handele es sich um die von der Klägerin so bezeichnete „Kurve mit einem Knick“. Diese eine Vorschubkurve stütze den Vorschubschlitten über dessen Kurvenfolge-glied derart ab, dass der Vorschubfinger bei dem Vorwärtshub annähernd einen Kreisbogen beschreibe, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse (D) des Werkstücks liege. Dies gelte jedoch nicht für die anderen Umfangsbereiche des Kurvenkörpers der angegriffenen Ausführungsform, insbesondere nicht in Bezug auf den Bereich, den die Klägerin in der vorstehend gezeigten Abbildung als „mind. eine andere Vor-schubkurve 64“ bezeichnet habe. Wenn man den Kurventräger so ausrichten würde, dass das Kurvenfolgeglied mit einem anderen Umfangsbereich des Kurvenkörpers als mit der Kurve mit „Knick“ in Kontakt komme, würde sich der Vorschubschlitten der angegriffenen Ausführungsform über dessen Kurvenfolgeglied derart in diesen Bereichen abstützen, dass der Vorschubfinger bei dem jeweiligen Vorwärtshub keinen Kreisbogen beschreibe, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse des Werkstücks (D) liege. Vielmehr würde der Vorschubfinger der linearen Ausrichtung des fraglichen Be-reichs folgen und somit seinerseits eine im Wesentlichen lineare und damit keine kreisbogenförmige Bewegung beschreiben. Sollte bei der angegriffenen Ausfüh-rungsform die Notwendigkeit für den Einsatz einer anderen Vorschubkurve bestehen, so sei ein anderer, separater Kurventräger mit einer anders ausgebildeten Vor-schubkurve notwendig.

Darüber hinaus fehle es auch an einer Verletzungshandlung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte zu 1) habe die angegriffene Ausführungsform nicht auf der Messe „C 2014“ ausgestellt. Bei den auf der vorgenannten Messe ausgestellten Schleifmaschinen sei keine Kurvenscheibe montiert gewesen, die mehr als eine Vor-schubkurve aufweise. Zudem seien weder ihre Werbeprospekte noch ihre Bedienungsanleitungen in deutscher Sprache verfasst. Der nach dem Vortrag der Klägerin auf der Messe „C 2014“ verteilte, deutschsprachige Katalog könne daher ebenso wenig wie die als Anlage K 25 zur Akte gereichte deutschsprachige Bedienungsanleitung von der Beklagten zu 1) stammen. Den durch die Klägerin darüber hinaus zur Begründung einer Patentverletzung vorgelegten Unterlagen fehle es bereits an einem wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug. Insbesondere sei der als Anlage K 10 vorgelegte, englischsprachige „E“ aus dem türkischen Internetauftritt der Beklagten zu 1) (www.A.com.tr) heruntergeladen worden.

Schließlich sei der Beklagte zu 2), der auf der Messe in D auch nicht anwesend gewesen sei, weder Geschäftsführer noch Vorstand der Beklagten zu 1). Vielmehr sei er lediglich Anteilseigner und besitze auch kein Mitbestimmungsrecht. Ver-antwortlicher der Aktiengesellschaft sei seit eh und je der Sohn des Beklagten zu 2), Herr F G, gewesen, der alsdann mit Vertrag vom 27.06.2013 den Mitaktionär H I J als Direktor und Verantwortlichen der Aktiengesellschaft eingesetzt habe. Der Beklagte zu 2) erhebt außerdem die Einrede der Verjährung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. Februar 205 (Bl. 173ff. GA) und Ergänzungsbeweisbeschluss vom 8. November 2016 (Bl. 381ff. GA) sowie gemäß Beweisbeschluss vom 30. April 2015 (Bl. 268f. GA) durch Vernehmung der Zeugen K, L, M, G und Dr. N sowie durch die schriftliche Vernehmung der Zeugen O, P, Q und J. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Beweistermine am 14. April 2015 (Bl. 231ff. GA) und am 1. Februar 2017 (Bl. 430ff. GA) sowie auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen O (Bl. 344 GA), P (Bl. 338 GA), Q (Bl. 357 GA) und J (Bl. 332f. GA) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weiter überwiegend, nämlich mit Ausnahme eines kleinen Teils der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Ansprüche auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht begründet. Es lässt sich feststellen, dass die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „C 2014“) in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt und angeboten hat und dass der Beklagte zu 2) für die Handlungen der Beklagten zu 1) als deren organschaftlicher Vertreter haftet. Weil die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin im zuerkannten Umfang die An-sprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Scha-denersatzpflicht sowie – nur gegen die Beklagte zu 1) – zusätzlich auf Rückruf sowie auf Feststellung der Entschädigungspflicht aus §§ 139 Abs. 1 und 3, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorschubeinrichtung zum intermittierenden Drehen ei-nes Werkstücks mit Schneidzähnen.

Bei derartigen Vorschubeinrichtungen greift, wie die Klagepatentschrift einleitend aus-führt, der Vorschubfinger jeweils am Ende eines Rückwärtshubs des Vorschub-schlittens in eine Zahnlücke zwischen zwei Schneidzähnen des Werkstücks ein, legt sich beim nächsten Vorwärtshub des Vorschubschlittens an die Zahnbrust (Spanflä-che) eines dieser beiden Schneidzähne an und schiebt sie entgegen der Schnitt-richtung vor sich her, so dass das Werkstück rückwärts gedreht wird. Dadurch gelangt die zu der betreffenden Zahnbrust gehörige Zahnspitze in einen Bearbeitungspunkt, der auf einer festgelegten Bezugsachse der Maschine zum Bearbeiten der Schneidzähne liegt. Auf dem Weg dahin soll der Vorschubfinger möglichst genau eine an den Werkstückdurchmesser angepasste Kreisbahn beschreiben, damit er nicht durch eine Relativbewegung gegenüber der Zahnbrust einem erhöhten Ver-schleiß ausgesetzt ist.

Eine dem Durchmesser des zu bearbeitenden Werkstücks angepasste Bewegung des Vorschubfingers lässt sich nach der in der DE 30 48 738 C2 offenbarten Lösung da-durch erzielen, dass der Vorschubfinger an einem um die Drehachse des Werkstücks hin- und her schwenkbaren Lenker gelagert ist. Die Länge des Lenkers kann bei der vorbekannten Lösung dadurch an den Radius des Werkstücks angepasst werden, dass der Lenker längsverschiebbar und festklemmbar in einer, an einem Lenkerschlitten um eine Schwenkachse schwenkbar gelagerten Lenkerführung ge-führt ist. Die Lenkerführung lässt sich durch Einstellen des Lenkerschlittens mit der Drehachse des Werkstücks in Fluchtung bringen. Damit sich die wirksame Länge des Lenkers programmgesteuert an den Werkstückdurchmesser anpassen lässt, ist dem Lenker eine Haltevorrichtung zugeordnet, die ihn in einer Stellung, in der sich der Lenker in Verstellrichtung des Lenkerschlittens erstreckt, festhalten kann, während die Klemmvorrichtung zum Verstellen des Lenkerschlittens geöffnet ist.

Wie die Klagepatentschrift weiter ausführt, hat sich die vorstehend beschriebene Vor-richtung zwar bewährt, erfordert jedoch einen Investitionsaufwand, der nicht bei allen Maschinen zum Bearbeiten von Werkstücken mit Schneidzähnen gerechtfertigt sei. Deshalb hat man sich in vielen Fällen mit Vorschubeinrichtungen begnügt, deren Vor-schubfinger bei jedem Vorwärtshub des Vorschubschlittens eine von einer Vorschub-kurve gesteuerte Bewegung ausführt, die nur bei einem bestimmten Werkstückdurch-messer einigermaßen genau an die kreisbogenförmige Bewegungsbahn des vom Vor-schubfinger vorgeschobenen Schneidzahns angepasst ist. Eine begrenzte Anpassung an Werkstücke unterschiedlichen Durchmessers sei dadurch möglich, dass der Kurventräger schwenkeinstellbar ist. Wenn jedoch Werkstücke zu bearbeiten sind, die sich in ihrem Durchmesser erheblich voneinander unterscheiden, muss die Vorschubkurve manuell vom Kurventräger abgebaut und gegen eine andere Vorschubkurve ausgetauscht werden.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, eine Vorschubeinrichtung zum intermittierenden Drehen eines Werkstücks mit Schneidezähnen, insbesondere eines Kreissägeblattes, mit ver-gleichsweise geringem Konstruktionsaufwand derart weiterzubilden, dass sie sich auf einfache Weise manuell oder auch mit einer einfachen Steuerung automatisch an Werkstücke anpassen lassen, die sich in ihren Durchmessern stark unterscheiden.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorschubeinrichtung mit fol-genden Merkmalen vor:

Vorschubeinrichtung zum intermittierenden Drehen eines Werkstücks mit Schneidzähnen (12) an einer Maschine zum Bearbeiten der Schneidzähne (12) mit

1. einem Werkzeugschlitten (36)
1.1. zum drehbaren Lagern des Werkstücks (10) in einstellbarem Abstand sei-ner Drehachse (D) von einer Bezugsachse (A);

2. einer Vorschubführung (40)
2.1. die um eine zu der Drehachse (D) parallele Schwenkachse (E) schwenk-bar ist;

3. einem Vorschubschlitten (42),
3.1. der in Vor- und Rückwärtshüben längs der Vorschubführung (40) beweg-bar ist und
3.2. ein Kurvenfolgeglied (46) sowie einen Vorschubfinger (48) trägt;

4. einem Kurventräger (50), der um eine zur Schwenkachse (E) der Vorschub-führung (40) parallele Einstellachse (F) schwenkeinstellbar ist;

5. einer Vorschubkurve (62),
5.1. die am Kurventräger (50) gegen mindestens eine andere Vorschubkurve (64, 66, 68) austauschbar befestigt ist und
5.2. den Vorschubschlitten (42) über dessen Kurvenfolgeglied (46) derart ab-stützt, dass der Vorschubfinger (48) bei jedem Vorwärtshub annähernd einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse (D) des Werkstücks (10) liegt.

6. Die Vorschubkurven (62, 64, 66, 68) sind an einem gemeinsamen Kurvenkör-per (60) ausgebildet.
6.1. Der Kurvenkörper (60) ist am Kurventräger (50) wahlweise in mehreren Stellungen festsetzbar,
6.1.2. in denen je eine Vorschubkurve (62) den Vorschubschlitten (42) abstützt und jede andere Vorschubkurve (64, 66, 69) eine War-testellung einnimmt.

Nach der Erfindung sind mehrere Vorschubkurven (62, 64, 66, 68) an einem gemein-samen Kurvenkörper (68) angeordnet (Merkmalsgruppe 6). Während jeweils eine dieser Vorschubkurven aktiv ist, d. h. den Vorschubschlitten abstützt, nehmen die anderen Vorschubkurven eine Wartestellung ein (Merkmal 6.1.2.). Sollen Werkstücke mit einem sich stark unterscheidenden Kurvenkörper bearbeitet werden, muss nicht mehr die Vorschubkurve manuell vom Kurventräger abgebaut und gegen eine andere Vorschubkurve ausgetauscht werden (vgl. Sp. 1, Z. 44 – 58), der Kurvenkörper muss nur in einer anderen Stellung festgesetzt werden (Merkmal 6.1.), wodurch der Vorschubschlitten (42) durch eine andere Vorschubkurve (62) abgestützt wird. Dies ermöglicht die durch das Klagepatent angestrebte vereinfachte Anpassung der Vorschubeinrichtung an den jeweiligen Durchmesser des Werkstücks (vgl. Sp. 1, Z. 59 – 66).

II.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform die erfindungsgemäße Lehre verwirklicht und dass die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform angeboten, nämlich auf der Messe C 2014 ausgestellt hat. Hierfür haftet der Beklagte zu 2) als organschaftlicher Vertreter der Be-klagten zu 1).
1.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht, wenn sie mit derjenigen Kurven-scheibe versehen ist, die auf dem Lichtbild gemäß Anlage K 19 dargestellt ist, die erfindungsgemäße Lehre. Dies steht zwischen den Parteien hinsichtlich der Merk-malsgruppe 1 bis 5 – zu Recht – außer Streit. Aber auch die Merkmalsgruppe 6 wird durch eine solche Gestaltung der Kurvenscheibe verwirklicht.

a)
Nach Merkmalsgruppe 6 fordert die erfindungsgemäße Lehre die Ausführung einer Mehrzahl von Vorschubkurven an einem gemeinsamen Kurvenkörper. Dies setzt ein räumlich-körperlich abgrenzbares Bauteil voraus, nämlich einen gemeinsamen Kur-venkörper, der eine Mehrzahl von Vorschubkurven aufweist, mithin eine Gestaltung, bei der die Vorschubkurven keine selbständigen Bauelemente bilden, sondern in räumlich-körperlich abgrenzbarer Weise auf einem einzigen Bauelement, dem Kur-venkörper, vereinigt sind.

Diese Auslegung folgt zum einen aus dem Gesamtzusammenhang des Anspruchs-wortlauts, welcher gemäß § 14 Satz 1 PatG den Schutzbereich des Klagepatents be-stimmt. Der Fachmann nimmt die Verwendung des Plurals in Merkmalsgruppe 6 in dem Sinne ernst, dass er von einer Mehrzahl von Vorschubkurven ausgeht. Das folgt in Zusammenschau mit Merkmal 5.1, gemäß dem jede Vorschubkurve jeweils gegen mindestens eine andere Vorschubkurve austauschbar ist. Wenn eine Vorschubkurve gegen eine andere ausgetauscht werden kann, bedeutet dies zugleich, dass eine Mehrzahl von Vorschubkurven, nämlich mindestens zwei, ausgebildet sein muss. Ferner entnimmt der Fachmann der Merkmalsgruppe 6. die ausdrückliche Lehre zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Mehrzahl von Vorschubkurven, nämlich ihrer Ausbildung an einem gemeinsamen Kurvenkörper. Die Funktion dieser Ausgestaltung ergibt sich aus Merkmal 6.1, gemäß dem dieser gemeinsame Kurvenkörper in mehreren Stellungen festsetzbar ist. Das gestattet, wie der Fachmann erkennt, zugleich eine Auswahl einer aus der Mehrzahl von Vorschubkurven.

Zum anderen folgt diese Auslegung aus der Beschreibung und den Zeichnungen des Klagepatents, die bei der Auslegung des Anspruchs gemäß § 14 Satz 2 PatG heran-zuziehen sind. Die Aufgabenstellung des Klagepatents zielt gerade darauf ab (Spalte 1, Zeilen 59 bis 65), die Vorschubeinrichtung so zu gestalten, dass sie sich an den Durchmesser der Werkstücke anpassen lässt, also eine Auswahl von Vor-schubkurven möglich ist. Nach der Beschreibung des einzigen Ausführungsbeispiels (Spalte 3, Zeilen 16 bis 23) wird dies erfüllt durch eine Gestaltung, bei der der Kur-venkörper insgesamt vier Kurven aufweist, die in einem Winkel von 90° angeordnet sind und die durch eine Drehung des Kurvenkörpers um den entsprechenden Winkel zur Benutzung ausgewählt werden können. Eine solche erfindungsgemäße Ausge-staltung zeigen auch die Zeichnungen, in denen sich der Kurvenkörper 60 mithilfe eines Drehknopfs 70 so drehen lässt, dass eine der vier Vorschubkurven zur Benut-zung ausgewählt wird. Dem kann der Fachmann die allgemeine Lehre entnehmen, dass es auf eine Mehrzahl von Vorschubkurven ankommt, die erstens an einem ge-meinsamen Kurvenkörper ausgeführt und zweitens durch passende Positionierung des Kurvenkörpers gezielt ausgewählt und eingestellt werden können.

b)
Demnach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform mit der in Anlage K 19 ge-zeigten Kurvenscheibe Merkmal 6, da diese Kurvenscheibe ein erfindungsgemäßer Kurvenkörper ist.

Dem Vorbringen der Beklagten, die angegriffene Ausführungsform besitze nur eine einzige Vorschubkurve, nämlich die „Kurve mit dem Knick“, so dass es für den Fall, dass eine andere Vorschubkurve notwendig werde, eines anderen, separaten Kur-venträgers mit einer anderen Vorschubkurve bedürfe, kann das Gericht nicht folgen. Wie das als Anlage K 19 zur Akte gereichte und nachfolgend auszugsweise und ver-kleinert eingeblendete Foto zeigt, sind auf der Einstellscheibe der angegriffenen Aus-führungsform verschiedene Durchmesserangaben zu erkennen.

Dies steht im Einklang mit den als Anlagen K 15/K 15a bzw. K 25 vorgelegten Bedie-nungsanleitungen, wonach die „Justierplatte“ bei der angegriffenen Ausführungsform für die Feineinstellung der Vorschubkurve verwendet wird (vgl. Anlage K 15a, S. 19 und 48; Anlage K 25, S. 19 und 49). Demnach kann die „Justierplatte“ der ange-griffenen Ausführungsform – ohne Ausbau des Kurvenkörpers und Austausch der Vorschubkurven – zumindest für vier verschiedene Werkstückdurchmesser eingesetzt werden. Das vorstehend wiedergegebene Foto zeigt außerdem, dass die „Kurve mit dem Knick“ bei der angegriffenen Ausführungsform nicht zwingend aktiv sein muss, sondern dass auch die anderen Kurven aktiv sein können. Das Vorschubglied ist dann, wie das vorstehend eingeblendete Foto zeigt, auch nicht entsprechend dem Vortrag der Beklagten auf einem annähernd linearen, sondern auf einem kurvenförmig ausgebildeten Bereich der Vorschubkurve abgestützt. Dies hat zur Folge, dass der Vorschubfinger bei einem entsprechenden Kreissägeblatt auch, wie von Merkmal 5.2. gefordert, bei jedem Vorwärtshub annähernd einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittelpunkt auf der Drehachse (D) des Kreissägeblattes liegt.
2.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich feststellen, dass die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auf der Messe C 2014 ausgestellt hat.

a)
Diese Feststellung lässt sich auf Grundlage der Aussagen der Zeugen L, K und Dr. N treffen.

Der Zeuge L hat ausgesagt (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 4f. = Bl. 234f. GA), er habe am Vortrag der Eröffnung der Messe C 2014 in D bereits einen Messerundgang gemacht und die angegriffene Ausführungsform auf dem Stand der Beklagten zu 1) gesehen. Deswegen habe er per E-Mail Rücksprache mit dem patentanwaltlichen Berater der Beklagten zu 1), dem Zeugen K, gehalten. Am nächsten Tag dann habe er morgens die angegriffene Ausführungsform näher betrachtet und das als Anlage K 19 vorgelegte Lichtbild mit seinem Handy gefertigt und sodann den Zeugen K telefonisch davon unterrichtet, dass die angegriffene Ausführungsform die auf diesem Lichtbild gezeigt Kurvenscheibe aufweise. Später am selben Tag sei die hiesige Klage der Beklagten zu 1) auf ihrem Messestand zugestellt worden.

Diese Bekundung ist glaubhaft. Der Zeuge L hat detailreich und in sich stimmig den zeitlichen Ablauf der Geschehnisse auf der Messe geschildert und konnte seine stimmige Aussage auch durchhalten, als er auf Nachfragen des vernehmenden beauftragten Richters und des Beklagtenvertreters Einzelheiten wiederholte, die nicht in der zeitlichen Reihenfolge der Geschehnisse abgefragt wurden (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 5ff. = Bl. 235ff. GA). Diese Konstanz seiner Aussage belegt die Glaubhaftigkeit.

Ferner belegt es die Glaubhaftigkeit der Bekundung, dass der Zeuge L auf direkte Nachfrage des Gerichts keine Angabe dazu machen konnte, ob die angegriffene Ausführungsform bei der Aufnahme des Lichtbilds offen war, ob also die Bedientür, hinter der sich die Kurvenscheibe befindet, geöffnet war (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 5 = Bl. 235, Abs. 3), während er sodann, nämlich gefragt nach den Einzelheiten der Fertigung des Lichtbilds, erklärte, diese Tür müsse geöffnet gewesen sein, sonst hätte er das Lichtbild nicht fertigen können (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 6 = Bl.l 236 GA, vorletzter Absatz und Seite 8 = Bl. 238 GA, Abs. 4). Dieses Aussageverhalten belegt nicht etwa eine Unstimmigkeit der Aussage, sondern vielmehr die Glaubhaftigkeit: Der Zeuge L hat sich nicht etwa darauf festgelegt, er könne sich daran erinnern, dass die Bedientür offen gestanden hätte, obwohl ihm eine solche Bekundung geholfen hätte, seine Angabe zu plausibilisieren, dass er die Aufnahme auf dem Messestand der Beklagten zu 1) gefertigt und also aus allernächster Nähe die Kurvenscheibe fotografiert hat. Vielmehr ist der Zeuge L in nachvollziehbarer Weise aus dem von ihm Erinnerten, nämlich der Fertigung des Lichtbilds, zu der Schlussfolgerung gelangt, die Bedientür müsse offen gewesen sein, weil er sonst die Kurvenscheibe nicht hätte fotografieren können. Der Zeuge L hat dies auch durch die Angabe gestützt, der Kurventräger sei nur zu erken-nen, wenn von schräg oben in die angegriffene Ausführungsform hinein geblickt bzw. fotografiert wird (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 5 = Bl. 235 GA, vorletzter Absatz). Dies fügt sich stimmig in die Angabe des Zeugen Dr. N, der ebenfalls angegeben hat (Protokoll des Beweistermins vom 1. Februar 2017, Seite 7 = Bl. 437 GA), die Kurvenscheibe sei von der Nähe aus gut sichtbar, wenn man von oben schräg hinunter blickt, während sie aus einiger Entfernung betrachtet vom Sägeblatt verdeckt wird.

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der Zeuge L als Mitarbeiter der Klägerin in deren Lager steht. Allerdings hat der Zeuge L, indem er das Lichtbild gemäß Anlage K 19 an die Klägerin und insbesondere an die Zeugen Dr. N und K weitergegeben hat, sich in einer Weise auf seine Version festgelegt, die eine jederzeitige Überprüfung auf Wahrheit gestattet hat. Es ist nichts dafür erkennbar, dass der Zeuge K mit den anderen Zeugen konspiriert. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass der Zeuge L die Festlegung darauf, dass das Lichtbild die von ihm selber wahrgenommene Ausgestaltung zeige, nur deshalb getroffen hat, weil er von der Richtigkeit dieser Angabe überzeugt war und die Überprüfbarkeit seiner Angabe an-hand des Lichtbilds nicht gescheut hat.

Weil also der Zeuge L seine Aussage aus freien Stücken mit überprüfbaren An-haltspunkten angereichert hat, die allesamt für die Richtigkeit seiner Angaben sprechen und weil sich überdies diese Angaben in den entscheidungswesentlichen Aspekten in die Aussagen der Zeugen K und Dr. N fügen (dazu sogleich), bedurfte es mangels Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Angaben keiner Vereidigung nach § 391 ZPO, weil sie zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage nicht erforderlich erschien (vgl. Musielak / Voit, Komm. z. ZPO, 14. Aufl., § 391 Rdn. 1).

Der Zeuge K hat bekundet (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 2f. = Bl. 232f. GA), er sei bei der Aufnahme des Lichtbilds gemäß Anlage K 19 zwar nicht zugegen gewesen, er habe aber mittags bei Zustellung der Klage auf dem Messestand der Beklagten zu 1), also am 19. März 2014, selber die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform betrachtet und dabei gesehen, dass die angegriffene Ausführungsform die im Lichtbild gemäß Anlage K 19 gezeigte Kurvenscheibe ausge-wiesen habe.

Auch diese Bekundung ist glaubhaft. Der Zeuge K hat stimmig erläutert, dass er aufgrund seiner patentanwaltlichen Beratung der Klägerin zunächst vom Zeugen L das Lichtbild gemäß Anlage K 19 elektronisch übermittelt bekommen hat und später am selben Tag bei der Zustellung der Klageschrift zugegen war und bei dieser Gele-genheit seinerseits noch einmal die angegriffene Ausführungsform in Augenschein genommen hat, und zwar insbesondere die Ausgestaltung der Vorschubkurven. Ferner wird die Glaubhaftigkeit seiner Bekundung dadurch gestützt, dass er als Berater der Klägerin dieser zur Klageerhebung zugeraten hat auf Grundlage eben dieser in der Anlage K 19 gezeigten Ausgestaltung der Kurvenscheibe. Er war also in entscheidender Weise beruflich damit befasst, diese Ausgestaltung durch eigene Wahrnehmung zu überprüfen und auf diese Wahrnehmung eine Beratung der Klägerin zu stützen. Der Zeuge K ist also ein eigenes Haftungsrisiko eingegangen, was er nicht getan hätte, wenn er von der Richtigkeit seiner eigenen Wahrnehmung nicht überzeugt gewesen wäre. Dagegen, dass der Zeuge K unzutreffend bekundet hätte, die von ihm in der angegriffenen Ausführungsform gesehene Kurvenscheibe habe eben jener in der Anlage K 19 dargestellten entsprochen, spricht ferner in ge-wichtiger Weise, dass der Zeuge seine Tätigkeit als Patentanwalt aufs Spiel setzen würde, wenn er in überprüfbarer Weise die Unwahrheit sagen würde mit dem Ziel, seiner Mandantin zum Obsiegen im hiesigen Prozess zu verhelfen. Denn auch für den Zeugen K gilt, dass das Lichtbild nach Anlage K 19 die Möglichkeit zur guten Überprüfbarkeit der Aussage schafft.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Zeuge K im Lager der Klägerin steht oder ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Im Gegenteil würde eine Falschaussage für ihn Risiken bergen, die er nicht eingehen muss, die aber seine berufliche Existenz bedrohen könnten.

Schließlich hat auch der Zeuge Dr. N bekundet, auf der Messe gesehen zu haben, dass die auf dem Stand der Beklagten zu 1) ausgestellte Maschine die aus der Anlage K 19 ersichtliche Vorschubkurve aufgewiesen habe (Protokoll des Beweistermins vom 1. Februar 2017 Seite 2f. = Bl. 432f. GA). Er habe nämlich am Tag zuvor vom Zeugen L die Information erhalten, dass die angegriffene Ausführungsform so ausgestaltet sei und hiervon habe er sich selber noch einmal überzeugen wollen. Deswegen habe er am Tag nach der Zustellung der hiesigen Klage den Messestand der Beklagten zu 1) besucht und die angegriffene Ausführungsform gezielt auf die Ausgestaltung der Vorschubkurve hin untersucht und dabei festgestellt, dass die tatsächlich vorhandene Vorschubkurve der auf der Anlage K 19 gezeigten Ausgestaltung entsprochen habe.

Auch diese Bekundung ist aus Sicht des Gerichts glaubhaft. Der Zeuge Dr. N hat besonders detailreich seine eigenen Wahrnehmungen schildern können. Insbe-sondere hat er die räumlichen Verhältnisse an der angegriffenen Ausführungsform geschildert, dass sich nämlich das Sägeblatt in einer Höhe von etwa 1,10 Meter be-findet und zwar etwa 40 Zentimeter weit in der Maschine. Auf dieser Grundlage konnte der Zeuge Dr. N nachvollziehbar erläutern (Protokoll des Beweistermins vom 1. Februar 2017 Seite 7 = Bl. 437 GA, Abs. 3), dass für ihn die Kurvenscheibe gut zu erkennen und nicht etwa vom Sägeblatt verdeckt war. Ferner hat der Zeuge Dr. N seine Wahrnehmung in plausibler und logisch nachvollziehbarer Weise mit der technischen Funktionalität verknüpfen können: Obwohl er danach gefragt wurde, ob nach seiner Wahrnehmung die Kurvenscheibe demontierbar war, hat der Zeuge Dr. N spontan ausgeführt (Protokoll des Beweistermins vom 1. Februar 2017 Seite 3f. = Bl. 433f. GA), er habe an der Kurvenscheibe eine zentrale Mutter und Indexierbohrungen wahrgenommen, woraus er schlussfolgert, dass die Lage der Kurvenscheibe verändert werden kann, so dass die durch Gravur beschriftete Kurve zum Einsatz kommt, wobei die eingravierten Beschriftungen Angaben zum geeigneten Durchmesser des Werkstücks sind. Dies wiederum hat der Zeuge N plausibel mit der Angabe verknüpft, eine Person am Messestand der Beklagten zu 1) habe ihm erläutert, dass für die Anpassung an den Durchmesser des Werkstücks die Kurvenscheibe gedreht werden müsse.

Zwar ist auch der Zeuge Dr. N Mitarbeiter der Klägerin, dass er aber ein eigenes Interesse daran haben könnte, zugunsten der Klägerin eine Falschaussage zu machen, insbesondere eine, die durch das Lichtbild gemäß Anlage K 19 gut über-prüfbar wäre, lässt sich nicht annehmen. Für eine Verschwörung des Zeugen Dr. N mit der Geschäftsführung der Klägerin oder den klägerischen Prozessbevollmächtigten gibt es, anders als die Beklagte zu 1) es geltend macht, keine Anhaltspunkte. Der Zeuge Dr. N war bei seiner Vernehmung gut vorbereitet und hatte Antworten ungeachtet des großen zeitlichen Abstandes zu den bekundeten Geschehnissen parat. Das belegt aber keine Verschwörung des Zeugen zugunsten der Klägerin, sondern fügt sich vielmehr darin ein, dass der Zeuge Dr. N von Berufs wegen mit Streitigkeiten wie der vorliegenden befasst ist, so dass es eher fernliegend wäre anzunehmen, der Zeuge Dr. N hätte sich auf seine Vernehmung nicht vorbereitet. Das belegt aber keine Verabredung zur Falschaussage.

Diese glaubhaften Bekundungen und namentlich ihre im technischen Kern deutliche Übereinstimmung führen das Gericht zur Überzeugung, dass die auf der Messe C 2014 durch die Beklagte zu 1) ausgestellte angegriffene Ausführungsform einen Kurventräger wie aus Anlage K 19 ersichtlich aufwies und damit die erfindungsge-mäße Lehre verwirklichte.

b)
Die Bekundung des Zeugen G steht der Feststellung nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auf der C 2014 in einer erfin-dungsgemäßen Ausgestaltung ausgestaltet hat, nämlich mit einer Kurvenscheibe mit insgesamt vier Vorschubkurven. Der Zeuge G hat zwar ausgesagt (Protokoll des Beweistermins vom 14. April 2015, Seite 10f. = Bl. 240f. GA), die auf der C 2014 ausgestaltete Maschine habe so wie alle anderen von der Beklagten zu 1) dort ausge-stalteten Maschinen nur eine einzige Vorschubkurve aufgewiesen. Er hat aber spontan und gleich zu Beginn seiner Aussage zur Sache angegeben, er sei selber nicht auf der Messe gewesen, er könne deshalb eine solche Aussage treffen, weil er den Messeauftritt der Beklagten zu 1) organisiert und angeordnet habe, welche Maschinen ausgestellt würden. Ferner hat der Zeuge G ausgesagt, ihm sei bekannt, dass eine Gestaltung mit mehreren Vorschubkurven patentgeschützt sei und schon aus diesem Grund sei eine solche Gestaltung nicht ausgestellt worden, denn die Beklagte zu 1) wolle sich insofern keinen „Ärger einhandeln“.

Demnach ist die Bekundung des Zeugen G nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen L, K und Dr. N zu erschüttern. Der Zeuge G hat keine eigenen Wahrnehmungen zur Ausgestaltung der auf der Messe C 2014 ausgestellten angegriffenen Ausführungsform machen können. Er schlussfolgert aus dem Umstand, dass er die Auswahl der ausgestellten Maschinen getroffen hat und eine Ausstellung einer erfindungsgemäßen Maschine in Deutschland aus rechtlichen Gründen vermieden werden muss, dass eine solche Maschine auch tatsächlich nicht ausgestellt worden ist. Seine Bekundung ist nicht auf eine eigene Wahrnehmung gestützt, sondern offenbar von dem Wunsch getragen, die Ausstellung sei in nicht patentverletzender Weise geschehen und – womöglich – gemäß seinen Anordnungen. Ob das tatsächlich der Fall war, dazu konnte der Zeuge G nichts beitragen.

Dass die Angaben des Zeugen G in Widerspruch zu denjenigen der Zeugen L, K und Dr. N stehen, hindert die Feststellung des klägerischen Vorbringens nicht. Es ist dem Zivilprozess wesenseigen, dass widersprüchliche Zeugenaussagen vorliegen. Das kann nicht zu Lasten der beweisbelasteten Partei gehen. Vielmehr ist aufgrund der dargestellten Würdigung der widersprüchlichen Angaben eine Feststellung zu treffen, die vorliegend zugunsten des klägerischen Vorbringens ausfällt.

c)
Dies gilt im Ergebnis auch für die schriftlichen Angaben der Zeugen R O (Bl. 344 GA), P (Bl. 338 GA), Q (Bl. 357 GA) und J (Bl. 332f. GA). Alle diese Zeugen sind Mitarbeiter der Beklagten zu 1) und haben jeweils angegeben, dass die Beklagte zu 1) zwar Maschinen mit mehreren Vorschubkurven in der Ausgestaltung wie aus dem Lichtbild gemäß Anlage K 19 herstellt und vertreibt, dies aber nicht in Deutschland tue. Damit ist anzunehmen, dass auch diese Zeugen sich jeweils der Problematik bewusst sind, dass der Vertrieb einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung in Deutschland einen Patentverstoß bedeutet und dass die Zeugen dementsprechend von dem Wunsch geleitet sind, eine solche Benutzungshandlung habe nicht stattgefunden. Ob die Zeugen hierzu eigene Wahrnehmungen gemacht haben, ergibt sich aus keiner der schriftlichen Aussagen. Sie sind daher ebenfalls nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen L, K und Dr. N zu erschüttern.

Auch die durch die Beklagte zu 1) beigebrachten schriftlichen Bekundungen der Her-ren S (Bl. 289 GA), T (Bl. 290 GA) und U (Bl. 291 GA) stehen der Feststellung nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) eine erfindungsgemäße Ausführung der angegriffenen Ausführungsform ausgestellt hat. Diese schriftlichen Erklärungen sind jeweils knapp und beschränken sich auf die Angabe, die durch die Beklagte zu 1) ausgestellten Maschinen hätten jeweils eine einzige Vorschubkurve aufgewiesen. Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt diese Beobachtungen gemacht wurden und ob es möglich gewesen wäre, die Maschinen während der Ausstellung zu verändern, enthalten die Erklärungen jeweils nicht.

Wiederum steht nicht schon der bloße Umstand, dass die genannten Angaben denjenigen der Zeugen L, K und Dr. N widersprechen, der Feststellung des klägerischen Vorbringens als zutreffend entgegen. Vielmehr führt die dargestellte Be-weiswürdigung zu dieser Feststellung.

d)
Der Feststellung einer Patentverletzung auf Grundlage der Aussagen der Zeugen L, K und Dr. N steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagten nicht im Wege der einstweiligen Verfügung in Anspruch genommen und ihren Verletzungsvorwurf nach Erhebung der Klage ergänzt hat um das Vorbringen zu der auf der Messe C 2014 ausgestellten Maschine. Der Klägerin stand es frei, statt eines bloßen Verfügungsantrages eine Hauptsacheklage zu erheben, die erstens eine in Rechtskraft erwachsende Entscheidung und zweitens die Geltendmachung aller Verletzungsansprüche ermöglicht. Dass die Messe C 2014 zur Zustellung der Klage genutzt wurde, schließt ferner nicht aus, dass in dem durch die insoweit erleichterte Zustellung begründeten Rechtsstreit auch solche Verletzungshandlungen geltend gemacht werden, die erst während der Messe begangen worden sein sollen. Darin liegt alleine die legitime prozesstaktische Nutzung des bereits begründeten Prozessrechtsverhältnisses.

3.
Weil die Feststellung getroffen werden kann, dass die Beklagte zu 1) eine inländische Verletzungshandlung in Gestalt der Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe C 2014 in D begangen haben, ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Beklagte zu 1) eine weitere Verletzungshandlung dadurch begangen hat, dass sie einen deutschsprachigen, ans inländische Publikum gerichteten Katalog ausgelegt und auf diese Weise außerdem die angegriffenen Ausführungsform im Inland angeboten hat. Auf die Sachaufklärung zur dessen klägerischen Vortrag betreffenden Beweisfrage II.3. des Beweisbeschlusses vom 27. Februar 2015 kommt es daher nicht an. Es wäre prozessunökonomisch, die Frage nach dieser möglichen weiteren Verlet-zungshandlung aufwendig und unter Inanspruchnahme womöglich langwieriger Rechtshilfe in der Türkei durch Vernehmung der von der Klägerin angebotenen Zeugin V aufzuklären, nachdem diese Zeugin nicht mehr in Deutschland, sondern nunmehr in der Türkei wohnhaft ist. Auch die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 16. Januar 2017 (Bl. 419ff. GA) erklärt, diese Sachaufklärung zu ihrem eigenen Beweisantrag für nicht mehr prozessökomisch zu halten.

III.
Aus der in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG ergeben sich die von der Klägerin geltend gemach-ten und zuerkannten Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagten sind der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG beide zur Unterlassung ver-pflichtet, weil sie das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben.

Der Beklagte zu 2) haftet für die durch die Beklagte zu 1) begangene Patentverletzung persönlich, weil er kraft seiner Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen hat (BGH, GRUR 2012, 1145 – Pelikan; Kühnen, Handbuch der Patent-verletzung, 9. Aufl. Rdn. D. 176f.). Dass der Beklagte zu 2) nicht nur Anteilseigner der Beklagten zu 1), einer türkischen Aktiengesellschaft, sondern Mitglied des Vorstandes war, hat die Klägerin durch den als Anlage K 23 vorgelegten Auszugs aus dem türki-schen Handelsregister vom 6. August 2009 nachgewiesen. Zwar gehört der Beklagte zu 2) ausweislich des als Anlage K 24 vorgelegten Handelsregisterauszuges vom 5. Mai 2014 dem in der Hauptversammlung am 15. April 2014 bestellten Vorstand nicht mehr an. Jedoch berührt dies den gegen ihn erhobenen Unterlassungsanspruch nicht, weil die bereits begangenen, in den Zeitraum vor seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der Beklagten zu 1) fallenden Verletzungshandlungen eine Wieder-holungsgefahr begründet haben, die durch den bloßen Wegfall der organschaftlichen Stellung des Beklagten zu 2) nicht entfällt (BGH, GRUR 1976, 579, 582 f. – Tylosin; Kühnen, a.a.O., Rdn. D.184).

Für seine gegenteilige Behauptung, er sei zu keinem Zeitpunkt Vorstand der Be-klagten zu 1) gewesen, hat der Beklagte zu 2) der ihm obliegenden sekundären Vor-tragslast nicht genügt. Die Klägerin hat detailliert und urkundlich gestützt auf die tür-kischen Handelsregisterauszüge vom 6. August 2009 (Anlage K 23) und vom 5. Mai 2014 (Anlage K 24) vorgebracht, dass der Beklagte zu 2) ursprünglich Vorstandsmit-glied der Beklagten zu 1) war, ehe er am 15. April 2014 nicht mehr zum Vorstands-mitglied bestellt wurde. Ferner hat die Klägerin vorgebracht, dass es für den Zeitraum zwischen diesen Daten der Auszüge keine Veränderungen im Handelsregister gegeben habe, was belege, dass sich die Vorstandsmitgliedschaft des Beklagten zu 2) in diesem, für den hiesigen Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraum nicht geändert hat. Angesichts dieses detaillierten und urkundlich belegten klägerischen Vorbringens oblag es dem Beklagten zu 2) gleichfalls konkrete Umstände vorzubringen oder Belege vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass er nicht oder zumindest schon vor dem 15. April 2014 nicht mehr Vorstandsmitglied der Beklagten zu 2) war.

Dem hat der Beklagte zu 2) nicht genügt. Unvereinbar mit den vorgelegten türkischen Handelsregisterauszügen ist die Behauptung des Beklagten zu 2), er sei niemals Vor-standsvorsitzender gewesen, das sei vielmehr „seit eh und je“ sein Sohn gewesen. Diese Behauptung ist durch die vorgelegten Auszüge sogar ersichtlich widerlegt. Soweit der Beklagte zu 2) als Anlagen B 1 und B 2 eine Vereinbarung für die Bestellung eines Gesellschaftsdirektors vorgelegt hat, lässt diese keine Rückschlüsse auf ein Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus dem Vorstand der Beklagten zu 1) zu. Zwar wurde die Beklagte zu 1) beim Abschluss dieser Vereinbarung nicht durch den Beklagten zu 2), sondern durch Herrn F G vertreten. Dieser wurde aber bereits mit Beschluss der Hauptversammlung vom 6. August 2009 zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt (vgl. Anlage K 23, Seite 2), so dass sich allein aus dessen Handeln als Vertreter der Beklagten zu 1) keine Rückschlüsse auf ein mögliches Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus dem Vorstand der Beklagten zu 1) ziehen lassen. Dem als Anlagen B 3a/B 3b vorgelegten Handelsregisterauszug lässt sich alleine entnehmen, dass F G dort als „Leiter der Zweigstelle“ fungiert, wobei sich diesem Auszug nicht einmal entnehmen lässt, dass es sich bei der genannten Firma tatsächlich um die Beklagte (und nicht um eine Schwestergesellschaft) handelt. Die Anlagen B 3a/B 3b betreffen die „Eröffnung der Anlage“, während der Beklagte zu 2) nach den vorliegenden Unterlagen bereits 2009 zum Vorstand der Beklagten zu 1) bestellt wurde. Die Anlagen B 4a/B 4b bestätigen nur, dass die Unterschriften zu dem Beschluss vom 7. September 2014 in Anwesenheit der Notarin geleistet wurden und dass der Beschluss die alleinige Vertretungsbefugnis von F G beweist. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Anlagen B 3a/B 3b überhaupt die Beklagte betreffen.

2.
Ferner haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (§ 139 Abs. 2 PatG), denn sie hätten als Fachunternehmen und dessen Vorstandsmitglied die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Allerdings kann der Beklagte zu 2) nur bis zu seinem Ausscheiden als Vorstandsmitglied auf Schadener-satz in Anspruch genommen werden (OLG Düsseldorf, InstGE 10, 129 – Druckpatrone II). Der Zeitpunkt, ab dem für Verletzungshandlungen Schadensersatz dem Grunde nach geschuldet ist, folgt aus dem Umstand der Erteilung des Klagepatents am 30. September 1999: ab diesem Zeitpunkt zuzüglich einem Monat Karenzzeit, also ab dem 30. Oktober 1999 ist Schadensersatz dem Grunde nach geschuldet, also für alle Verletzungshandlungen, die ab diesem Zeitpunkt begangen worden sind. Welche Verletzungshandlungen konkret wann begangen worden sind, muss für den Ausspruch der Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach nicht bestimmt werden (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdn. D. 350f. m.w.N.).

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Der Klägerin hat gegen die Beklagten aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB außerdem einen Anspruch auf Rechnungslegung. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Ange-botsempfänger hiervon betroffen sind, ist den Beklagten im Hinblick auf ihre Rech-nungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Ange-botsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az.: I-2 U 42/09). Der Beklagte zu 2) haftet jedoch auch in Bezug auf den Rechnungslegungsanspruch lediglich bis zu seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der Beklagten zu 1).

4.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Rückruf der angegriffe-nen Ausführungsform aus den Vertriebswegen, § 140a Abs. 3 Satz 1, Var. 1 PatG.

5.
Schließlich ist die Beklagte zu 1) der Klägerin gemäß § 33 Abs. 1 PatG auch zur Zah-lung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet.

6.
Die gegen die Beklagten gerichteten Verletzungsansprüche sind nur zum Teil verjährt, die vom Beklagten zu 2) – pauschal – erhobene Verjährungseinrede greift nur zu einem geringen Teil durch.

Die für den Unterlassungsanspruch hier gegenständliche, als Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellte Verletzungshandlung in Gestalt der Ausstellung der patentverletzenden Ausführungsform fand auf derselben Messe statt, auf der die Klage zugestellt und damit erhoben wurde, so dass die Verjährungsfrist jedenfalls vor ihrem Ablauf gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass, worauf der Beklagte zu 2) zur rechtlichen Begründung der Verjährungseinrede abstellt, die Klägerin zunächst eine andere Verletzungshandlung, nämlich das Anbieten im Internet, geltend gemacht hat. Rechtlich alleine maßgeblich ist, dass diejenige Verletzungshandlung, aus der sich die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt, nämlich das Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe C 2014, nicht in verjährter Zeit liegt (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdn. E. 569).

Verjährt sind hingegen die Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich aller Verletzungshandlungen, die vor dem 26. August 2004 liegen. Für den Zeitraum von 10 Jahren vor Zustellung der Klage am 25. August 2014 (vgl. das Zustellungszeugnis der türkischen Stelle vom 22. September 2014, Bl. 119 GA) ist absolute Verjährung gemäß § 141 PatG, § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB eingetreten.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin ist mit einem nur geringfügigen Teil gegenüber dem Beklagten zu 2) im Hinblick auf dessen nur zu einem geringen Teil begründeten Verjährungseinrede unterlegen, während sie gegenüber der Beklagten zu 1) vollständig obsiegt hat.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.