4a O 76/09 – Faltschachtel/Stanzzuschnitt

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1354

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Januar 2010, Az. 4a O 76/09

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

quaderförmige Faltschachteln aus insbesondere Karton mit einer vorderen Seitenwand, einer rückwärtigen Seitenwand, einer diese verbindenden rechten Seitenwand und einer linken Seitenwand, einem von insbesondere vier Bodenverschlussklappen gebildeten Bodenverschluss und gegebenenfalls einem oberen aus mindestens zwei Klappen bestehenden Schachtelverschluss,

im Geltungsbereich des deutschen Gebrauchsmusters 203 10 XXX.3 anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die an die rechte und linke Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen an ihren freien Enden jeweils zwei um Falzlinien abwinkelbare Einstecklaschen aufweisen, welche mit stumpfen Spitzen ausgebildet sind und die im Zustand eines geschlossenen Bodens in entsprechend der Form und der Lage der Einstecklaschen ausgebildeten Schlitzen eingreifen und diese im Schachtelinnern hintergreifen, wobei jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze in den an die vordere und rückwärtige Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen vorgesehen sind, die jeweils in einem spitzen Winkel zur Falzlinie der Bodenverschlussklappen verlaufen und von diesen Falzlinien ausgehend verlaufen, mit denen die Bodenverschlussklappen an der vorderen Seitenwand und an der rückwärtigen Seitenwand angelenkt sind und die vorzugsweise durch Rillen gebildet sind, und dass die Falzlinien im Bereich zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt, insbesondere um 2-3 mm, verlaufen, wodurch der Mittelteil der mit den Bodenverschlussklappen verbundenen Seitenwände etwas nach innen gezogen und dort eine gewisse Taillierung im Bodenbereich der Faltschachtel erreicht ist, so dass die die Schlitze im Schachtelinnern hintergreifenden und an den Schachtelboden angedrückten Einstecklaschen durch Reibung an den Seitenwänden zusätzlich fixiert sind;

2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Stanzzuschnitte insbesondere zur Herstellung einer mehrfach verschließbaren, quaderförmigen Faltschachtel nach mindestens einem der unter Ziffer 1 genannten Ausführungsformen mit einer vorderen Seitenwand mit insbesondere einer Ecklasche, einer rückwärtigen Seitenwand, einer die vordere Seitenwand und die rückwärtige Seitenwand verbindenden rechten Seitenwand sowie einer linken Seitenwand, vier Bodenverschlussklappen für die Bildung eines Schachtelbodens, insbesondere zwei Verschlussklappen für die Bildung eines Schachteldeckels sowie insbesondere zwei zwischen letzteren vorgesehenen Verstärkungslappen,

wobei der Stanzzuschnitt aus Karton besteht, wobei die vordere Seitenwand mit der Ecklasche, die die vordere Seitenwand und die rückwärtige Seitenwand verbindende rechte Seitenwand, die rückwärtige Seitenwand und die linke Seitenwand jeweils über Falzlinien in einer Reihe geradlinig hintereinander angeordnet miteinander verbunden sind, wobei an der vorderen Seitenwand bzw. an der rückwärtigen Seitenwand zum einen über eine Falzlinie die Bodenverschlussklappe und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie jeweils die Verschlussklappen angelenkt sind, wobei an der rechten Seitenwand bzw. an der linken Seitenwand zum einen über eine Falzlinie die Bodenverschlussklappe und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie der Verstärkungslappen angelenkt ist, dass in den Bodenverschlussklappen jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze vorgesehen sind, die in einem spitzen Winkel zur Falzlinie und von dieser ausgehend verlaufen, dass die Falzlinie im Bereich zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt, insbesondere um 2-3 mm, verläuft, und dass die Bodenverschlussklappen an ihren freien Enden jeweils zwei über Falzlinien abwinkelbare Einstecklaschen mit stumpfer Spitze aufweisen,

im Geltungsbereich des deutschen Gebrauchsmusters 203 10 XXX.3 anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu Ziffer 1. und 2. bezeichneten Handlungen seit dem 23.11.2003 begangen worden sind, und zwar unter Angabe

a) des Namens und der Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Liefermengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung), -zeiten und -preisen,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung), -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung), -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten auf Antrag vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften ihrer gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. und I. 2. bezeichneten und seit dem 23.11.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, noch in ihrem Besitz und/oder Eigentum befindliche, vorstehend zu I. 1. und I. 2. bezeichnete Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 1) 5 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR. Die jeweilige Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 203 10 XXX U1 (Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Vernichtung in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, das am 14.07.2003 angemeldet und am 18.09.2003 eingetragen wurde. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 23.10.2003. Mit Schreiben vom 06.03.2009 reichte die Klägerin beim Deutschen Patent- und Markenamt neue Schutzansprüche ein mit der Erklärung, dass Ansprüche für die Vergangenheit und Zukunft nur im Rahmen dieser Anspruchsfassung geltend gemacht werden. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft.

Das Klagegebrauchsmuster bezieht sich im Schutzanspruch 1 auf eine quaderförmige Faltschachtel und im Schutzanspruch 7 auf einen Zuschnitt für eine solche Faltschachtel. Die Klägerin macht die neu eingereichten Schutzansprüche 1 und 7 geltend. Diese haben folgenden Wortlaut:

1. Quaderförmige Faltschachtel aus insbesondere Karton, Pappe oder dergleichen, mit einer vorderen Seitenwand (4), einer rückwärtigen Seitenwand (4’), einer diese verbindenden rechten Seitenwand (5) und einer linken Seitenwand (5’), einem von insbesondere vier Bodenverschlussklappen (1, 1’; 2, 2’) gebildeten Bodenverschluss und gegebenenfalls einem oberen aus mindestens zwei Klappen (15, 15’) bestehenden Schachtelverschluss,
dadurch gekennzeichnet, dass die an die rechte und linke Seitenwand (5, 5’) angelenkten Bodenverschlussklappen (2, 2’) an ihren freien Enden jeweils zwei um Falzlinien (9, 9’) abwinkelbare Einstecklaschen (7, 7’; 8, 8’) aufweisen, welche mit stumpfen Spitzen ausgebildet sind und die im Zustand eines geschlossenen Bodens in entsprechend der Form und der Lage der Einstecklaschen (7, 7’; 8, 8’) ausgebildeten Schlitzen (10, 10’; 11, 11’) eingreifen und diese im Schachtelinnern hintergreifen, wobei jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze (10, 10’; 11, 11’) in den an die vordere und rückwärtige Seitenwand (4, 4’) angelenkten Bodenverschlussklappen (1, 1’) vorgesehen sind, die jeweils in einem spitzen Winkel zur Falzlinie (24, 25) der Bodenverschlussklappen verlaufen und von diesen Falzlinien (24, 25) ausgehend verlaufen, mit denen die Bodenverschlussklappen an der vorderen Seitenwand (4) und an der rückwärtigen Seitenwand (4’) angelenkt sind und die vorzugsweise durch Rillen gebildet sind, und dass die Falzlinien (24, 25) im Bereich zwischen den Schlitzen (10, 10’; 11, 11’) schachteleinwärts versetzt (30, 30’) verlaufen, wodurch der Mittelteil der mit den Bodenverschlussklappen (1, 1’) verbundenen Seitenwände (4, 4’) etwas nach innen gezogen und dort eine gewisse Taillierung im Bodenbereich der Faltschachtel erreicht ist, so dass die die Schlitze (10, 10’; 11, 11’) im Schachtelinnern hintergreifenden und an den Schachtelboden angedrückten Einstecklaschen durch Reibung an den Seitenwänden (4, 4’) zusätzlich fixiert sind.

7. Stanzzuschnitt insbesondere zur Herstellung einer mehrfach verschließbaren, quaderförmigen Faltschachtel nach mindestens einem der Ansprüche 1-6 mit einer vorderen Seitenwand (4) mit insbesondere einer Ecklasche (4‘‘), einer rückwärtigen Seitenwand (4‘), einer die vordere Seitenwand (4) und die rückwärtige Seitenwand (4‘) verbindenden rechten Seitenwand (5) sowie einer linken Seitenwand (5‘), vier Bodenverschlussklappen (1, 1‘; 2, 2‘) für die Bildung eines Schachtelbodens, insbesondere zwei Verschlussklappen (15, 15‘) für die Bildung eines Schachteldeckels sowie insbesondere zwei zwischen letzteren vorgesehenen Verstärkungslappen (12, 12‘); wobei der Stanzzuschnitt aus Pappe, Karton oder einem anderen geeigneten Material besteht, wobei die vordere Seitenwand (4) mit der Ecklasche (4‘‘), die die vordere Seitenwand (4) und die rückwärtige Seitenwand (4‘) verbindende rechte Seitenwand (5), die rückwärtige Seitenwand (4‘) und die linke Seitenwand (5‘) jeweils über Falzlinien (21; 22; 23) in einer Reihe geradlinig hintereinander angeordnet miteinander verbunden sind, wobei an der vorderen Seitenwand bzw. an der rückwärtigen Seitenwand (4 bzw. 4‘) zum einen über eine Falzlinie (24 bzw. 25) die Bodenverschlussklappe (1, bzw. 1‘) und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie (26 bzw. 27) jeweils die Verschlussklappen (15 bzw. 15‘) angelenkt sind, wobei an der rechten Seitenwand (5) bzw. an der linken Seitenwand (5‘) zum einen über eine Falzlinie (28 bzw. 28‘) die Bodenverschlussklappe (2 bzw. 2‘) und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie (29 bzw. 29‘) der Verstärkungslappen (12 bzw. 12‘) angelenkt ist, dass in den Bodenverschlussklappen (1, 1‘) jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze (10, 10‘; 11, 11‘) vorgesehen sind, die in einem spitzen Winkel zur Falzlinie (24 bzw. 25) und von dieser ausgehend verlaufen, dass die Falzlinie (24 bzw. 25) im Bereich zwischen den Schlitzen (10, 10‘; 11, 11‘) schachteleinwärts versetzt (30, 30‘) verläuft, und dass die Bodenverschlussklappen (2, 2‘) an ihren freien Enden jeweils zwei über Falzlinien (9, 9‘) abwinkelbare Einstecklaschen (7, 7‘; 8, 8‘) mit stumpfer Spitze aufweisen.

Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüchen 3 bis 6 zum Schutzanspruch 1 und der Unteransprüche 8 bis 11 zum Schutzanspruch 7 wird auf die Klagegebrauchsmusterschrift (Anlage K 1) Bezug genommen.

Nachfolgend sind aus dem Klagegebrauchsmuster stammende zeichnerische Darstellungen einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung abgebildet. Figur A zeigt eine Draufsicht auf den geöffneten Bodenbereich einer Faltschachtel in perspektivischer Darstellung. In Figur B ist eine solche Faltschachtel beim Verschließen des Bodenbereichs zu sehen. Eine Draufsicht auf den Innenbereich einer Faltschachtel nach Figur A beim Umklappen der Einstecklaschen zeigt Figur E. In Figur F ist ein erfindungsgemäßer Stanzzuschnitt abgebildet.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Artikelnummer „A“ Stanzzuschnitte für einen Umzugskarton der Bezeichnung „B“ (angegriffene Ausführungsform 1). Ein Muster der angegriffenen Ausführungsform und einzelne Detailansichten sind nachstehend abgebildet:

Weiterhin beliefert die Beklagte zu 1) das Unternehmen „C“ mit faltbaren Umzugskartons, die „C“ unter der Bezeichnung „C B X“ und „C B XS“ (angegriffene Ausführungsform 2) vertreibt. Die folgenden Abbildungen zeigen das Muster der angegriffenen Ausführungsform 2) und einzelne Detailansichten.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre der geltend gemachten Schutzansprüche 1 und 7 wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen, und

notfalls ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagegebrauchsmuster nicht wortsinngemäß verletzt. Sie sehen als Falzlinie die Prägung beziehungsweise Materialschwächung vor der Faltung des Kartons an und behaupten dazu, dass die Falzlinien zur Abknickung der Bodenverschlussklappen der vorderen und der rückwärtigen Seitenwand bei der angegriffenen Ausführungsform nicht zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt seien. Vielmehr entstehe der Versatz erst durch die Faltung, weil der Schlitz an einer Seite länger eingeschnitten sei. Abgesehen davon stelle die Beklagte zu 1) keine Faltschachteln, sondern nur Stanzzuschnitte her. Weiterhin berufen sich die Beklagten darauf, dass sie die Stanzzuschnitte nach Vorgaben der mit der Klägerin verbundenen E GmbH gestaltet hätten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz dem Grunde nach, Auskunft und Rechnungslegung und hinsichtlich der Beklagten zu 1) auf Vernichtung aus §§ 24 Abs. 1 und 2, 24a Abs. 1, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig und die Beklagten machen mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen von den Schutzansprüchen 1 und 7 des Gebrauchsmusters unrechtmäßig Gebrauch.

I.
Das Klagegebrauchsmuster schützt im Schutzanspruch 1 eine quaderförmige Faltschachtel und im Schutzanspruch 7 einen dazugehörigen Stanzzuschnitt.

In der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters wird ausgeführt, dass quaderförmige Faltschachteln, wie sie Gegenstand des Schutzanspruchs 1 sind, beispielsweise als so genannte Umzugskartons bekannt sind. Sie werden regelmäßig in der Form eines Zuschnitts in einem flachen Zustand an den Benutzer geliefert, der dann die Faltschachtel manuell aufrichtet, wobei durch das Umfalten der Bodenverschlussklappen ein Faltkarton mit geschlossenem Boden entsteht, der vielfach noch mit zusätzlichen Hilfsmitteln wie Klebebändern oder Metallklammern verstärkt wird.

Für die Tragfähigkeit solcher Faltschachteln ist neben dem verwendeten Material wie der Wellpappsorte beziehungsweise der Wellpappqualität insbesondere die Bodenkonstruktion maßgebend. Im Stand der Technik sind beispielsweise so genannte Kuvertböden bekannt, die sich bereits bewährt haben. In der Klagegebrauchsmusterschrift wird an diesen Kuvertböden jedoch als nachteilig angesehen, dass ihre Tragfähigkeit begrenzt sei.

Dem Klagegebrauchsmuster liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, eine quaderförmige Faltschachtel und dessen Stanzzuschnitt vorzuschlagen, deren Bodenkonstruktion in einfacher Weise ohne zusätzliche Hilfsmittel wiederverschließbar auszubilden ist, wobei die Tragfähigkeit der Bodenkonstruktion vergleichsweise zum Stand der Technik wesentlich höher oder im Falle des Einsatzes von schwächeren und damit billigeren Wellpappsorten unverändert bleiben soll.

Dies soll durch die Schutzansprüche 1 und 7 erreicht werden. Die Merkmale des Schutzanspruchs 1 können vorteilhaft wie folgt gegliedert werden:

a) Quaderförmige Faltschachtel aus insbesondere Karton, Pappe oder dergleichen,
b) mit einer vorderen Seitenwand (4), einer rückwärtigen Seitenwand (4’), einer diese verbindenden rechten Seitenwand (5) und einer linken Seitenwand (5’),
c) mit einem von insbesondere vier Bodenverschlussklappen (1, 1’; 2, 2’) gebildeten Bodenverschluss und
d) mit einem oberen aus mindestens zwei Klappen (15, 15’) bestehenden Schachtelverschluss,
e) die an die rechte und linke Seitenwand (5, 5’) angelenkten Bodenverschlussklappen (2, 2’) weisen an ihren freien Enden jeweils zwei um Falzlinien (9, 9’) abwinkelbare Einstecklaschen (7, 7’; 8, 8’) auf,
f) die Einstecklaschen sind mit stumpfen Spitzen ausgebildet
g) die Einstecklaschen greifen im Zustand eines geschlossenen Bodens in entsprechend der Form und der Lage der Einstecklaschen (7, 7’; 8, 8’) ausgebildete Schlitze (10, 10’; 11, 11’) ein und hintergreifen diese im Schachtelinnern,
h) jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze (10, 10’; 11, 11’) sind in den an die vordere und rückwärtige Seitenwand (4, 4’) angelenkten Bodenverschlussklappen (1, 1’) vorgesehen
i) die Schlitze verlaufen jeweils in einem spitzen Winkel zur Falzlinie (24, 25) der Bodenverschlussklappen
j) die Schlitze verlaufen von diesen Falzlinien (24, 25) ausgehend, mit denen die Bodenverschlussklappen an der vorderen Seitenwand (4) und an der rückwärtigen Seitenwand (4’) angelenkt sind und die vorzugsweise durch Rillen gebildet sind,
k) die Falzlinien (24, 25) verlaufen im Bereich zwischen den Schlitzen (10, 10’; 11, 11’) schachteleinwärts versetzt (30, 30’)
l) durch den Versatz ist der Mittelteil der mit den Bodenverschlussklappen (1, 1’) verbundenen Seitenwände (4, 4’) etwas nach innen gezogen
m) durch den Versatz ist dort eine gewisse Taillierung im Bodenbereich der Faltschachtel erreicht,
n) so dass die die Schlitze (10, 10’; 11, 11’) im Schachtelinnern hintergreifenden und an den Schachtelboden angedrückten Einstecklaschen durch Reibung an den Seitenwänden (4, 4’) zusätzlich fixiert sind.

Die Merkmale des Schutzanspruchs 7 lassen sich wie folgt gliedern:

a) Stanzzuschnitt insbesondere zur Herstellung einer mehrfach verschließbaren, quaderförmigen Faltschachtel nach mindestens einem der Ansprüche 1-6
b) mit einer vorderen Seitenwand (4) mit insbesondere einer Ecklasche (4‘‘),einer rückwärtigen Seitenwand (4‘), einer die vordere Seitenwand (4) und die rückwärtige Seitenwand (4‘) verbindenden rechten Seitenwand (5) sowie einer linken Seitenwand (5‘),
c) mit vier Bodenverschlussklappen (1, 1‘; 2, 2‘) für die Bildung eines Schachtelbodens,
d) mit insbesondere zwei Verschlussklappen (15, 15‘) für die Bildung eines Schachteldeckels,
e) mit insbesondere zwei zwischen den Verschlussklappen für den Schachteldeckel vorgesehenen Verstärkungslappen (12, 12‘),
f) der Stanzzuschnitt besteht aus Pappe, Karton oder einem anderen geeigneten Material,
g) die vordere Seitenwand (4) mit der Ecklasche (4‘‘), die die vordere Seitenwand (4) und die rückwärtige Seitenwand (4‘) verbindende rechte Seitenwand (5), die rückwärtige Seitenwand (4‘) und die linke Seitenwand (5‘) sind jeweils über Falzlinien (21; 22; 23) in einer Reihe geradlinig hintereinander angeordnet miteinander verbunden,
h) an der vorderen Seitenwand bzw. an der rückwärtigen Seitenwand (4 bzw. 4‘) sind zum einen über eine Falzlinie (24 bzw. 25) die Bodenverschlussklappe (1, bzw. 1‘) und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie (26 bzw. 27) jeweils die Verschlussklappen (15 bzw. 15‘) angelenkt,
i) an der rechten Seitenwand (5) bzw. an der linken Seitenwand (5‘) ist zum einen über eine Falzlinie (28 bzw. 28‘) die Bodenverschlussklappe (2 bzw. 2‘) und zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite über eine Falzlinie (29 bzw. 29‘) der Verstärkungslappen (12 bzw. 12‘) angelenkt,
j) in den Bodenverschlussklappen (1, 1‘) sind jeweils zwei spiegelbildlich zueinander angeordnete Schlitze (10, 10‘; 11, 11‘) vorgesehen, die in einem spitzen Winkel zur Falzlinie (24 bzw. 25) und von dieser ausgehend verlaufen,
k) die Falzlinie (24 bzw. 25) verläuft im Bereich zwischen den Schlitzen (10, 10‘; 11, 11‘) schachteleinwärts versetzt (30, 30‘),
l) die Bodenverschlussklappen (2, 2‘) weisen an ihren freien Enden jeweils zwei über Falzlinien (9, 9‘) abwinkelbare Einstecklaschen (7, 7‘; 8, 8‘) mit stumpfer Spitze auf.

II.
Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig. Der Gegenstand des nachträglich eingereichten und geltenden Schutzanspruchs 1 geht nicht im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus. Zu Recht haben die Beklagten den Einwand der unzulässigen Erweiterung in der mündlichen Verhandlung fallengelassen, nachdem die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen hatte, dass die betroffenen Merkmale in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters (Anlage K 1, dort S. 2 Abs. 4 Z. 4 bis S. 3 Abs. 1 Z. 1) hinreichend offenbart sind.

III.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale der Schutzansprüche 1 und 7 wortsinngemäß.

1. Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale a) bis j) des Schutzanspruchs 1 aufweisen. Die beanstandeten Umzugskartons der Beklagten weisen vier Seitenwände, vier Bodenverschlussklappen und vier Klappen für den Schachtelverschluss auf (Merkmale a) bis d)). Die Bodenverschlussklappen der linken und rechten Seitenwand weisen jeweils zwei um Falzlinien abwinkelbare Einstecklaschen mit stumpfen Spitzen auf, die in Schlitze der beiden anderen Bodenverschlussklappen eingreifen können und diese im Schachtelinneren hintergreifen (Merkmale e) bis g)). Es sind jeweils zwei Schlitze spiegelbildlich in den Bodenverschlussklappen der vorderen und hinteren Seitenwand angeordnet, die in einem spitzen Winkel bis zur Falzlinie der Bodenverschlussklappen verlaufen (Merkmal h) bis j)).

Entgegen der Auffassung der Beklagten verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen auch die Merkmale k) bis n) des Schutzanspruchs 1. Nach der geschützten technischen Lehre ist es erforderlich, dass die Falzlinie der beiden an der vorderen und rückwärtigen Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen im Bereich zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt verläuft (Merkmal k)). Durch den Versatz soll nach der Lehre des Schutzanspruchs 1 der Verschlussboden der Faltschachtel zusätzlichen Halt bekommen (S. 3 Abs. 1). Indem die Falzlinie der beiden Bodenverschlussklappen zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt verläuft, werden die vordere und die rückwärtige Seitenwand etwas in das Innere der Schachtel gezogen und infolgedessen die Einstecklaschen, wenn sie die Schlitze im Schachtelinneren umgreifen und von innen an den Schachtelboden gedrückt werden, durch die Reibung an den Seitenwänden zusätzlich fixiert (Merkmale l)-n); vgl. auch S. 2 Abs. 4). „Schachteleinwärts versetzt“ bedeutet daher, dass die Falzlinie im Bereich zwischen den Schlitzen im Verhältnis zur Falzlinie außerhalb dieses Bereiches in Richtung Bodenverschlussklappe versetzt verläuft. Wie groß der Versatz sein muss, hängt von der Gestaltung der Einstecklaschen an den beiden anderen Bodenverschlussklappen ab. Denn diese müssen, wenn sie die Schlitze hintergreifen und auf den Schachtelboden angedrückt werden, in reibschlüssigen Kontakt mit den nach innen gezogenen Seitenwänden gelangen. Dies kann beispielsweise schon dadurch geschehen, dass die an der linken und rechten Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen mit den Einstecklaschen eine Breite erhalten, wie sie der Schachtelboden außerhalb des Bereichs der beiden Schlitze hat. Weil der Schachtelboden im Bereich zwischen den Schlitzen geringfügig schmaler ist als jenseits der Schlitze, kommen die Einstecklaschen dann im Bereich zwischen den Schlitzen in reibschlüssigen Kontakt mit der vorderen und rückwärtigen Seitenwand.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen ist die Falzlinie der an der vorderen und rückwärtigen Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen entsprechend der Lehre des Schutzanspruchs 1 zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt. Das gilt nicht nur für die – unstreitig – durch das Umknicken der Bodenverschlussklappen tatsächlich entstehenden Faltungslinien, sondern bereits für die durch die Prägung oder Materialschwächung des Kartons vor der Faltung vorhandenen Falzlinien. Dies hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung anhand der verschiedenen von den Parteien vorgelegten Mustern der angegriffenen Ausführungsformen (Anlagen K 14, K 15 und B 2) festgestellt. Sowohl für die angegriffene Ausführungsform 1 als auch für die angegriffene Ausführungsform 2 ist festgestellt worden, dass die jeweils zu vermessende Bodenverschlussklappe noch nicht geknickt war und die Falzlinie zwischen den Schlitzen etwa um 2 mm bis 3 mm in Richtung auf die Bodenverschlussklappe und damit schachteleinwärts versetzt verläuft (Merkmal k). Dass jeweils die Falzlinie der einen Bodenverschlussklappe anders verläuft als die Falzlinie der anderen Bodenverschlussklappe tragen auch die Beklagten nicht vor.

Da die Falzlinie die Außenkante des Umzugskartons bildet und die gegenüberliegende Kante der Bodenverschlussklappe in das Innere des Kartons ragt, sorgt der Versatz in der Falzlinie dafür, dass der durch die Bodenverschlussklappen gebildete Kartonboden nicht rechteckig ist, sondern in den Bereichen zwischen den Schlitzen schmaler ist als in den Bereichen jenseits der Schlitze. Die vordere und rückwärtige Seitenwand, die dieser Kontur des Kartonbodens folgt, werden dadurch etwas nach innen gezogen (Merkmal l)) und erfahren eine Taillierung im Bodenbereich der Faltschachtel (Merkmal m)). Dies hat zur Folge, dass die Einstrecklaschen, wenn sie die Schlitze hintergreifen und an den Schachtelboden angedrückt werden, reibschlüssigen Kontakt mit den Seitenwänden im Bereich zwischen den Schlitzen erhalten (Merkmal n)), wie dies auch aus den Abbildungen der Anlage K 4 ersichtlich ist.

Der Einwand der Beklagten, aus der Kopie der CAD-Zeichnung eines Stanzzuschnitts für die Werkzeugpositionierung (Anlage B 1) sei erkennbar, dass die Falzlinie zwischen den Schlitzen der Bodenverschlussklappen nicht versetzt verlaufe, greift nicht durch. Ungeachtet der Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich nach der CAD-Zeichnung angefertigt wurden (was hinsichtlich der Größe der Kartons zweifelhaft ist), bestätigt diese Zeichnung jedenfalls die von der Kammer anhand der vorgelegten Muster getroffenen Feststellungen bezüglich des Verlaufs der Falzlinien. Denn nach der Bemaßung des in der CAD-Zeichnung abgebildeten Stanzzuschnitts ist der Abstand zwischen der Unterkante der linken Bodenverschlussklappe und ihrer Falzlinie im Bereich zwischen den Schlitzen mit 201 mm schmaler als der Abstand von 203 mm zwischen der Unterkante der korrespondierenden rechten Bodenverschlussklappe und der Falzlinie jenseits der Schlitze. Die Falzlinie verläuft daher zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt. Soweit die Beklagten zu der CAD-Zeichnung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, dass die Maße durch die verwendeten Werkzeuge bedingt seien, ändert dies nichts an dem Umstand, dass nach der Herstellung der Kartons die Falzlinie der an der vorderen und rückwärtigen Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen im Sinne der Lehre des Schutzanspruchs 1 zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt verläuft.

2. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des ebenfalls geltend gemachten Schutzanspruchs 7. Dies ist zwischen den Parteien hinsichtlich der Merkmale a) bis j) und l) zu Recht unstreitig. Die Stanzzuschnitte bestehen aus Karton und weisen vier Seitenwände, vier Bodenschlussklappen, zwei Verschlussklappen für den Schachteldeckel und zwei Verstärkungslappen auf (Merkmale a) bis f)). Die angegriffenen Ausführungsformen weisen an einer Seitenwand auch eine Ecklasche auf, was ohne weiteres anhand der vorgelegten Muster der angegriffenen Ausführungsformen und aus der CAD-Zeichnung (Anlage B 1) erkennbar ist. Die Seitenwände sind in einer Reihe geradlinig hintereinander angeordnet miteinander verbunden und weisen – über Falzlinien verbunden – jeweils auf der einen Seite eine Bodenverschlussklappe und auf der anderen Seite eine Verschlussklappe für den Deckel beziehungsweise einen der Verstärkungslappen auf (Merkmal g) bis i)). Die beiden an der vorderen und rückwärtigen Seitenwand angelenkten Bodenverschlussklappen sind mit zwei spiegelbildlich zueinander angeordneten Schlitzen versehen, die in einem spitzen Winkel zur Falzlinie und von dieser ausgehend verlaufen, die beiden anderen Bodenverschlussklappen weisen die zugehörigen abwinkelbaren Einstecklaschen auf (Merkmale j) und l)). Entgegen der Auffassung der Beklagten verläuft die Falzlinie der beiden Bodenverschlussklappen im Bereich zwischen den Schlitzen schachteleinwärts versetzt (Merkmal k)). Zur näheren Begründung für die Verwirklichung dieses Merkmals wird auf die Ausführungen zum Schutzanspruch 1 verwiesen.

IV.
Da die angegriffenen Ausführungsformen alle Merkmale der Schutzansprüche 1 und 7 verwirklichen, stehen der Klägerin die nachstehenden Ansprüche zu.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG einen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen. Denn die Beklagten machen mit den angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre der Schutzansprüche 1 und 7 in unberechtigter Weise Gebrauch.

Die Beklagte zu 1) bietet die angegriffenen Ausführungsformen an und vertreibt sie. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingewandt haben, die Beklagte zu 1) stelle jedenfalls keine Faltschachteln her, sondern nur Stanzzuschnitte, greift dieser Einwand nicht durch. Denn das Herstellen von Faltschachteln (oder auch Stanzzuschnitten) wird von der Klägerin gar nicht angegriffen. Hingegen stellt der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte zu 1) im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG ein Anbieten und in Verkehr bringen erfindungsgemäßer Faltschachteln dar. Selbst wenn man Stanzzuschnitte, deren Seitenwände bereits über die Ecklasche miteinander verbunden sind, noch nicht als Faltschachteln im Sinne des Schutzanspruchs 1 ansehen wollte, sind die Vertriebshandlungen der Beklagten zu 1) auf ein Anbieten und in Verkehr bringen von Faltschachteln gerichtet, weil die so verbundenen Stanzzuschnitte sinnvoll nur als Faltschachteln verwendet werden können, indem sie vom Abnehmer mit wenigen Handgriffen problemlos zu einer erfindungsgemäßen Faltschachtel gefaltet werden, und eine solche Verwendung aufgrund der Falthinweise auf dem Stanzzuschnitt (siehe Anlagen K 4 und K 5) sicher zu erwarten ist.

Die Beklagte zu 1) vertreibt die angegriffenen Ausführungsformen, ohne dazu berechtigt zu sein. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie im März 2008 mit der E GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer Herrn Uwe Grauer, einen Partnervertrag geschlossen habe (vgl. die in der mündlichen Verhandlung überreichte Anlage) und die angegriffenen Stanzzuschnitte und Umzugskartons nach den von der E GmbH mit Email vom 04.08.2008 übersandten Druckplänen gestaltet habe. Denn es ist nicht dargelegt, in welcher Weise sich eine Nutzungsberechtigung der Beklagten zu 1) daraus ergeben soll, dass sie mit einer anderen Gesellschaft – der E GmbH – eine Liefer- und Vertriebsvereinbarung in der Form des Partnervertrages schloss und für die Gestaltung der beanstandeten Produkte Vorgaben dieser Gesellschaft erhielt. Vielmehr hat die Klägerin zu diesem in der mündlichen Verhandlung erstmals erhobenen Einwand der Beklagten ausgeführt, dass es sich bei der E GmbH um eine Vertriebsgesellschaft handele, die unter anderem die Produkte der Klägerin vertrieben habe. Gesellschafter der E GmbH seien sie – die Klägerin – und Herr Grauer gewesen. Durch Notarvertrag vom 30. oder 31.07.2008 habe sie – aufschiebend bedingt durch die vollständige Kaufpreiszahlung – ihre Geschäftsanteile an der E GmbH an Herrn Grauer veräußert. Die Kaufpreiszahlung sei im August 2008 erfolgt. Zu keiner Zeit sei die E GmbH hinsichtlich des Klagegebrauchsmusters nutzungsberechtigt gewesen. Ein Lizenzvertrag mit der Klägerin habe nicht bestanden. Diesen Vortrag der Klägerin haben die Beklagten nicht bestritten. Für eine Nutzungsberechtigung der E GmbH, die zudem zur Benutzung der durch das Klagegebrauchsmuster geschützten Erfindung durch die Beklagte zu 1) berechtigt, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zwischen der Klägerin und Herrn Grauer geschlossenen Absichtserklärung und Vertraulichkeitsvereinbarung, die die Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23.12.2009 als Anlage B 2 vorlegten. Diese bestätigt vielmehr nur, dass die E GmbH berechtigt sein sollte, die Produkte der Klägerin zu günstigen Konditionen einzukaufen und auf bestimmten Märkten zu vertreiben.

Der als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) fungierende Beklagte zu 2) ist ebenfalls persönlich zur Unterlassung verpflichtet, weil er kraft seiner Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Beklagten zu 1) im Geschäftsverkehr zu bestimmen hat.

2. Die Klägern hat gegen die Beklagten Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus § 24 Abs. 1 und 2 GebrMG. Die Beklagten begingen die Gebrauchsmusterverletzung schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Beklagte zu 2) haftet persönlich aufgrund seiner Stellung im Unternehmen. Es ist weiterhin nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Gebrauchsmusterverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, die Höhe des ihr zustehenden Schadensersatzes zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung ihrer Ansprüche droht.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagten im tenorierten Umfang Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Erst durch die Auskunft und Rechnungslegung wird die Klägerin in die Lage versetzt, die ihr zustehenden Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche beziffern zu können. Für die Beklagte ist die Auskunftserteilung nicht unzumutbar.

4. Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Vernichtung der streitgegenständlichen Faltschachteln und Stanzzuschnitte aus § 24a Abs. 1 GebrMG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 GebrMG liegen vor. Da die Beklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen vertreibt, ist auch davon auszugehen, dass sie zumindest im Besitz solcher Ausführungsformen ist.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 und 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 250.000,00 EUR