4b O 37/15 – Schwenkverbindung

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2681

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 18. Juli 2017, Az.  4b O 37/15

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an den bzw. dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Anordnungen zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen sowie zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen ein Profilelement aus einer offenen Position in eine geschlossene Position umschwenkbar und an dem einen Teil gesichert ist, wobei ein Schwenkstreifen aus einem flexiblen Material in dem anderen Teil gesichert ist und sich in das Profilelement erstreckt und wobei dasjenige Teil des Schwenkstreifens, das sich in das Profilelement erstreckt, nach erfolgtem Umschwenken des Profilelements aus der offenen Position in die geschlossene Position im Profilelement verankert ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 11.09.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und -preisen sowie Modellbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und -preisen und Modellbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege in Form von Rechnungen in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; und

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

III. Auf den Hilfsantrag wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der A, B, C, D, und E, F, G, D, durch die in Ziffer I. bezeichneten, vom 11.09.2005 bis zum 13.02.2017 begangenen Handlungen und der der Klägerin durch die in Ziffer I. bezeichneten, seit dem 14.02.2017 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 29.04.2006 in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber ihren gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den in diesem Urteil festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbunden Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen;

V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR.
Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 131 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.

Eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaber des Klagepatents sind A und E, die über eine H AB Inhaber der Klägerin sind. Sie meldeten das Klagepatent am 10.11.1999 unter Inanspruchnahme einer I Priorität vom 16.11.1998 in englischer Verfahrenssprache an. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 13.10.2004 veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung des Klagepatents wurde am 11.08.2005 unter der Nummer DE 699 21 XXX T2 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent wurde vom Bundespatentgericht mit Urteil vom 18.05.2017, das bislang nicht rechtskräftig ist, abgewiesen.

Das Klagepatent betrifft ein Gelenk. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung:

„Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll, dadurch gekennzeichnet, dass ein Profilelement (2) aus einer offenen Position in eine geschlossene Position umschwenkbar und an dem einen Teil gesichert ist, dass ein Schwenkstreifen (1) aus einem flexiblen Material in dem anderen Teil gesichert ist und sich in das Profilelement (2) erstreckt und dass dasjenige Teil des Schwenkstreifens, dass sich in das Profilelement erstreckt, nach erfolgtem Umschwenken des Profilelements aus der offenen Position in die geschlossene Position im Profilelement verankert ist.“

Die nachfolgenden Figuren stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen einen Querschnitt durch ein Profilelement gemäß einer Ausführungsform der Erfindung, zum einen in der offenen Position (Fig. 2), zum andern in der geschlossenen Position (Fig. 3), und einen Querschnitt durch zwei mittels eines in den Profilelementen verankerten Schwenkstreifens verbundene Profilelemente (Fig. 4).

Im Herbst 2014 wurde die Klägerin darauf aufmerksam, dass die in J ansässige Beklagte Trenn- und Faltwände unter der Bezeichnung „K“ auf ihrer Internetseite www.L.com im Internet bewarb und dort auch mitteilte, dass sie beabsichtige, die Wandschirme auf der Messe M in N im November 2014 auszustellen.

Die Klägerin forderte daraufhin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.11.2014 zur Unterlassung des Vertriebs von Wandschirmen unter der Bezeichnung „K“ auf. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage B 2, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage K 15, Bezug genommen. In der nachfolgenden Korrespondenz wies die Beklagte die Forderungen der Klägerin wiederholt zurück.

Die Beklagte fragte per Email vom 27.11.2014 bei der O GmbH in P an, ob diese ihre Vertriebspartnerin werden wolle. Die O GmbH bestellte in der Folgezeit eine Trennwand, die ihr die Beklagte zusammen mit dem Muster einer weiteren Faltanordnung, aus dem die verschiedenen Farbtöne ersichtlich sein sollten, lieferte. Von der Klägerin gefertigte Abbildungen der Gelenke der gelieferten Faltanordnungen sind nachfolgend ausschnittweise in verkleinerter Form wiedergegeben. Die ersten beiden Abbildungen zeigen Teile der gelieferten Trennwand (angegriffene Ausführungsform 1). Die in der ersten Abbildung erkennbare geleeartige Masse findet sich nur im Endbereich des Profilelements. Die weiteren beiden Abbildungen geben Teile des mitgelieferten Musters von Faltanordnungen (angegriffene Ausführungsform 2) wieder. Die linke Abbildung zeigt das aus der Faltanordnung entfernte Profilelement in geöffneter Position ohne Textilstreifen.

Durch das Schreiben vom 05.11.2014 sind der Klägerin Kosten in Höhe von zwei 1,8 Geschäftsgebühren bei einem Streitwert von 500.000,00 EUR entstanden, wovon sie in diesem Rechtsstreit unter Anrechnung der anfallenden Verfahrensgebühr zwei 1,05 Geschäftsgebühren zuzüglich Telekommunikations- und Entgeltpauschale, mithin 6.787,30 EUR geltend macht.

Am 13.02.2017 unterzeichneten die beiden Patentinhaber für sich und die Klägerin einen Lizenzvertrag. Der Vertrag hat unter anderem die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent und die Abtretung von Ansprüchen aus dem Klagepatent zum Gegenstand. Wegen der Einzelheiten des Lizenzvertrages wird auf die Anlage K 23 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie sei ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent. Bereits bei der Einreichung der dem Klagepatent zugrundeliegenden PCT-Anmeldung am 10.11.1999 sei mündlich vereinbart worden, dass sie – die Klägerin – die daraus resultierenden Schutzrechte exklusiv nutzen dürfe. Es sei auch vereinbart worden, dass sie die Kosten der Patentanmeldung trage.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, die Lieferung der beiden angegriffenen Ausführungsformen stelle eine Verletzung des Klagepatents dar. In den Profilelementen der angegriffenen Ausführungsformen seien die Schwenkstreifen verankert im Sinne des Klagepatents. Denn dafür reiche es aus, wenn die Schwenkstreifen im geschlossenen Zustand der Profilelemente beispielsweise eingeklemmt seien. Solchermaßen gestaltete Faltanordnungen seien von der Beklagten auch in den Verkehr gebracht worden. Das gelte auch für die angegriffene Ausführungsform 2, die jedenfalls auch mit der Intention versandt worden sei, die kommerziellen Interessen der Beklagten voranzutreiben und weitere Bestellungen zu fördern.
Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an den bzw. dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Anordnungen zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen sowie zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen ein Profilelement aus einer offenen Position in eine geschlossene Position umschwenkbar und an dem einen Teil gesichert ist, wobei ein Schwenkstreifen aus einem flexiblen Material in dem anderen Teil gesichert ist und sich in das Profilelement erstreckt und wobei dasjenige Teil des Schwenkstreifens, das sich in das Profilelement erstreckt, nach erfolgtem Umschwenken des Profilelements aus der offenen Position in die geschlossene Position im Profilelement verankert ist;

II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 11.09.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und -preisen sowie Modellbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und -preisen und Modellbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege in Form von Rechnungen in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; und

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

– der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffer I. bezeichneten, seit dem 11.09.2005 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird;

– hilfsweise: der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der A, B, C, D, und E, F, G, D, durch die in Ziffer I. bezeichneten, vom 11.09.2005 bis zum 13.02.2017 begangenen Handlungen und der der Klägerin durch die in Ziffer I. bezeichneten, seit dem 14.02.2017 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird;

IV. die Beklagte zu verurteilen, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 29.04.2006 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber ihren gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den in diesem Urteil festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbunden Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen;

V. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.787,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf die Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin werde auch durch den Lizenzvertrag vom 13.02.2017 nicht aktivlegitimiert. Dieser Vertrag wiederhole – anders als in der Präambel ausgeführt – gerade nicht die Vereinbarung vom 10.11.1999. Zudem sei der Vertrag nicht wirksam, weil es sich bei der Unterzeichnung durch die Vertragsparteien zum einen um ein Insich-Geschäft und zum anderen um ein Umgehungsgeschäft gehandelt habe.
Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass sie das Klagepatent nicht verletzt habe. Die angegriffene Ausführungsform 2 sei von ihr im Sinne von § 9 PatG weder angeboten, noch in den Verkehr gebracht und ebenso wenig zu diesen Zwecken eingeführt worden. Aber auch mit der angegriffenen Ausführungsform 1 werde das Klagepatent nicht verletzt, weil der Schwenkstreifen in dem Profilelement nicht zwischen Verankerungsvorrichtungen festgeklemmt und damit nicht verankert sei. Nicht jede Sicherung des Schwenkstreifens stelle eine Verankerung dar. Vielmehr unterscheide das Klagepatent zwischen der Verankerung und der Sicherung. Es sei daher erforderlich, dass der Schwenkstreifen an zwei unterschiedlichen Positionen gesichert und verankert werde, was bei der angegriffenen Ausführungsform 1 nicht der Fall sei. Weiterhin sei ein Rückruf im Falle einer Verurteilung unverhältnismäßig, weil die Klägerin seit dem Jahr 2014 Kenntnis von der angeblichen Verletzung gehabt habe. Zudem sei der Zahlungsanspruch unberechtigt. Dem Schreiben vom 11.2014 fehle es am Mindestgehalt einer Abmahnung. Eine Ausführungsform werde nicht genannt. Die Verwirklichung der einzelnen Merkmale des Klagepatentanspruchs werde nicht nachgewiesen. Die mitwirkenden Patentanwälte seien an der Abmahnung nicht beteiligt gewesen. Zudem sei eine 1,8 Gebühr überzogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Klageanträge zu I. bis IV. begründet, mit dem Antrag zu III. jedoch nur nach dem Hilfsantrag. Der Antrag zu III. nach dem Hauptantrag sowie der Antrag zu V. sind unbegründet.
A
Die Klageanträge zu I., II. und IV. sind begründet, der Klageantrag zu III. ist nach dem Hauptantrag unbegründet, aber nach dem Hilfsantrag begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzen das Klagepatent mit dem Patentanspruch 1.

I.
Die Klägerin ist seit dem 13.02.2017 Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent. Als solche hat sie infolge einer Patentverletzung eigene Ansprüche aus dem Patent gemäß §§ 139 ff PatG, soweit ihr eigenes Nutzungsrecht berührt ist (BGH GRUR 1995, 818, 280 – Kleiderbügel; 2004, 758, 763 – Flügelradzähler; 2008, 896 – Tintenpatrone). Soweit sie Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung für die Zeit bis zum 13.02.2017 geltend macht, ist sie aus abgetretenem Recht berechtigt.

1.
Die Klägerin hat allerdings nicht schlüssig dargelegt, dass sie bereits durch mündliche Vereinbarung vom 10.11.1999 Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent wurde. Ihr Vortrag lässt nicht erkennen, wer die Vereinbarung schloss und welchen Inhalt sie hatte. Hinsichtlich der Vertragsparteien hat die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung lediglich vermutet, dass es sich um die Vertreter der Klägerin und der daran beteiligten Gesellschaft und die Patentinhaber gehandelt haben müsse. Zum Inhalt der vermeintlichen Vereinbarung ist nur bekannt, dass es sich um eine ausschließliche Lizenz gehandelt habe. Auch auf den Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2017 hat die Klägerin ihren Vortrag nicht weiter konkretisiert. Ohne näheren Tatsachenvortrag zu den Vertragsparteien und zum Inhalt der Vereinbarung kann nicht beurteilt werden, ob eine Vereinbarung von den zum Abschluss von Lizenzverträgen berechtigten Personen wirksam geschlossen wurde, ob sie als ausschließliche Lizenz zu qualifizieren ist und welche Reichweite sie in örtlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht hat.

Die als Anlage K 1 vorgelegte Kopie einer Bestätigungserklärung vom 4. Mai 2015 ersetzt den weiteren Vortrag nicht. Vor allem stellt die Erklärung keine Urkunde über den wirksamen Abschluss einer Lizenzvereinbarung dar. Denn die Bestätigungserklärung selbst enthält keine auf den Abschluss eines Lizenzvertrages gerichteten Willenserklärungen. Vielmehr geben die Unterzeichner in ihr nur wieder, eine solche Vereinbarung früher geschlossen zu haben. Damit stellt die Erklärung allenfalls schriftlichen Parteivortrag dar. Eine weitere Konkretisierung ihres Vortrags zur Aktivlegitimation nimmt die Klägerin darin nicht vor.

Dass die Patentinhaber mit der Klägerin eine ausschließliche Lizenz vereinbarten, die durch schlüssiges Verhalten aller Beteiligten zustande kam, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Zwar wird die Lehre des Klagepatents von der Beklagten benutzt; auch hat sie nach dem Vortrag der Klägerin die Kosten der Patentanmeldung übernommen. Aus diesem Verhalten geht aber nicht hervor, dass der Klägerin gerade eine ausschließliche Lizenz erteilt wurde.

2.
Der Klägerin wurde mit dem als Anlage K 23 vorgelegten Lizenzvertrag vom 13.02.2017 wirksam eine ausschließliche Lizenz erteilt.

a)
Der Lizenzvertrag vom 13.02.2017 ist wirksam zustande gekommen. Der Lizenzvertrag wurde von A und E, den beiden Patentinhabern, einerseits und der Klägerin, diese vertreten durch A und E, andererseits unterzeichnet. A und E waren ausweislich des elektronischen Auszugs aus dem schwedischen Unternehmensregister (Anlagen K 21 und K 22) zur Vertretung der Klägerin berechtigt. Demnach haben sie gemeinsame Unterschriftsvollmacht, was – wie der von der Klägerin beauftragte Privatgutachter, Rechtsanwalt Q, in seiner gutachterlichen Stellungnahme bestätigte (Anlage K 25) – nach dem schwedischen Aktiengesetz möglich ist.

b)
Der Lizenzvertrag hat die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz und die Übertragung der hier streitgegenständlichen Ansprüche aus dem Patent zum Gegenstand. Denn Ziffer 2. des Lizenzvertrages enthält die Vereinbarung, dass die Erfinder, die mit den beiden Patentinhabern personenidentisch sind, der Klägerin eine exklusive, weltweite und unbeschränkte Lizenz unter anderem am Klagepatent einräumen. In Ziffer 5 des Lizenzvertrages ist vereinbart, dass die Erfinder vorsorglich alle etwaigen Ansprüche, die ihnen gegen jeglichen Patentverletzer auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz zustehen, an die Klägerin abtreten.

Der Zeitpunkt, zu dem der Klägerin die ausschließliche Lizenz wirksam erteilt wurde, ist der 13.02.2017. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Lizenzvertrag von beiden Vertragsparteien unterzeichnet. Eine rückwirkende Vereinbarung einer ausschließlichen Lizenz kommt nicht in Betracht. Die ausschließliche Lizenz ist ein quasi-dingliches Recht und die Inhaberschaft an einer solchen Lizenz eine Rechtstatsache, die nicht rückwirkend geändert werden kann. Soweit die Vertragsparteien unter Ziffer 2. des Lizenzvertrages vereinbarten, die Lizenz mit Wirksamkeit seit dem 10.11.1999 zu erteilen, geht eine solche Regelung ins Leere. Beginn der ausschließlichen Lizenz ist stattdessen der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, hier der 13.02.2017. Dass der Lizenzvertrag jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Wirksamkeit entfalten sollte, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vertragsparteien unter Ziffer 5. jedenfalls vorsorglich die Abtretung aller seit dem 10.11.1999 entstandenen Ansprüche aus dem Patent und unter Ziffer 6. die Geltungsdauer des Lizenzvertrages bis zum Ablauf des letzten lizenzierten Patents vereinbarten.

Der Einwand der Beklagten, der Lizenzvertrag wiederhole – anders als in der Präambel ausgeführt – gerade nicht die Vereinbarung vom 10.11.1999, greift nicht durch. Die Vertragsparteien sind im Rahmen des rechtlich Zulässigen darin frei, mit welchem Inhalt sie den Lizenzvertrag abschließen. Es stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar, dass die behauptete frühere Lizenzerteilung mit der neueren Lizenzerteilung identisch ist.

c)
Der Wirksamkeit des Lizenzvertrages steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Vertrag um ein Insichgeschäft im Sinne des deutschen Rechts handelt. Nach den Ausführungen des Privatgutachters Q kann nach schwedischem Recht ein Vorstand einer Gesellschaft im Namen der Gesellschaft Verträge mit sich selbst schließen, wenn dieser Vorstand alle Anteile der Gesellschaft direkt oder indirekt hält. Im Streitfall ist durch die Vorlage von Auszügen aus dem Anteilsregister (Anlagen K 26 und K 27) belegt, dass die Klägerin zu 100 % eine Tochtergesellschaft der H AB ist, deren Inhaber zu jeweils 50 % A und E sind. Die Kammer sieht die Ausführungen des Privatgutachters Q zur Frage der Wirksamkeit eines Insichgeschäfts nach schwedischem Recht als ausreichend an und erachtet es nicht als notwendig, weitere Erkenntnisquellen zu dieser Frage heranzuziehen, zumal die Beklagte nicht aufzeigt, aus welchen Gründen die Feststellungen des Privatgutachters Q die schwedische Rechtslage unzutreffend wiedergeben sollten.

d)
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, der Lizenzvertrag stelle ein Umgehungsgeschäft dar, weil die Lizenz kostenlos erteilt worden sei und lediglich darauf abziele, das Klagepatent im Falle der Insolvenz der Insolvenzmasse zu entziehen und Steuern zu vermeiden, greift dies nicht durch. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Lizenzerteilung nach schwedischem Recht aus den vorgenannten Gründen unwirksam sein könnte. Dafür fehlt es dem Vortrag der Beklagten an jeglicher Substanz. Vielmehr ist auch nach schwedischem Recht grundsätzlich davon auszugehen, dass der Erfinder berechtigt ist, seine Erfindung zum Patent anzumelden und das erteilte Patent kostenlos zu lizenzieren. Die Unwirksamkeit einer solchen Lizenzerteilung hätte weder zur Folge, dass das Patent nunmehr dem Vermögen des Lizenznehmers zuzurechnen ist, noch dass Lizenzzahlungen zu leisten sind. Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die weitere Aufklärung der Grundsätze zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Umgehungsgeschäften nach schwedischem Recht in irgendeiner Form zu Erkenntnissen führen könnte, die im Streitfall eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten.

II.
Das Klagepatent schützt mit dem Patentanspruch 1 eine Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung.

In der Klagepatentschrift wird einleitend zum Stand der Technik ausgeführt, dass bekannte Schwenkkonstruktionen in sogenannten Faltschwenkausführungen verschiedene Nachteile hätten, wie beispielsweise hohe Produktionskosten, weil es schwierig sei, ausreichende und akzeptable Toleranzen einzuhalten, was wiederum große Ausschlussmengen zur Folge habe. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass Konstruktionen nach dem Stand der Technik Montagepobleme sowie Schwierigkeiten hinsichtlich der Einhaltung akzeptabler Kriterien im Hinblick auf Aussehen und gute mechanische Festigkeit bereiteten. Sowohl aus Kostengründen als auch aus Gründen der Montagetechnik sei es erwünscht, dass eine möglichst geringe Anzahl von Teilen verwendet werde. Wenn Faltschwenkausführungen zum Einsatz kämen, um Faltwände, Wandschirme oder dergleichen zu realisieren, sei es von äußerster Wichtigkeit, dass die Konstruktion strenge Anforderungen an das ästhetische und funktionelle Aussehen erfülle. Desweiteren müssten sich solche Konstruktionen leicht sauber halten lassen, insbesondere wenn sie in der Krankenpflege und in der medizinischen Betreuung eingesetzt würden.

Davon ausgehend besteht die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabe (das technische Problem) darin, eine Ausführung und Konstruktion zu verwirklichen, die eine Verbesserung gegenüber dem in diesem Bereich bestehenden Stand der Technik darstellen.

Diese Aufgabe wird durch eine Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst, die nachstehend in bereits gegliedert Form wiedergegeben sind:

1. Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll.
2. Ein Profilelement (2)
2.1 ist aus einer offenen Position in eine geschlossene Position umschwenkbar und
2.2 ist an dem einen Teil gesichert.
3. Ein Schwenkstreifen (1) aus einem flexiblen Material
3.1 ist in dem anderen Teil gesichert und
3.2 erstreckt sich in das Profilelement (2).
4. Dasjenige Teil des Schwenkstreifens, das sich in das Profilelement erstreckt, ist nach erfolgtem Umschwenken des Profilelements aus der offenen Position in die geschlossene Position im Profilelement verankert.

III.
Die mit dem Klagepatentanspruch geschützte Anordnung dient der Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll (Merkmal 1). Dabei handelt es sich insbesondere um Faltwände, Wandschirme oder dergleichen (Abs. [0002] der Anlage K 5). Die Anordnung umfasst dafür unter anderem ein Profilelement (Merkmal 2), das aus einer offenen Position in eine geschlossene Position umschwenkbar ist (Merkmal 2.1).

Entgegen dem vordergründigen Verständnis und des insofern verunglückten Wortlauts dieses Merkmals in der deutschen Übersetzung hat die Umschwenkbarkeit des Profilelements nichts mit der Verschwenkbarkeit der im Merkmal 1 genannten Teile zu tun. Dies ergibt sich unmittelbar aus der für die Auslegung maßgeblichen englischen Fassung des Klagepatentanspruchs, die für die Verschwenkbarkeit der im Merkmal 1 genannten Teile den Begriff „pivotal“ und für die Umschwenkbarkeit des Profilelements den Begriff „switchable“ verwendet. Der technische Sinngehalt des englischen Begriffs „switchable“ ist weiter, als die deutsche Übersetzung „umschwenkbar“ vermuten lässt. Er ist nicht allein auf eine Drehbewegung beschränkt, wie es der Begriff „umschwenkbar“ suggeriert. Vielmehr gehen beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass „switchable“ auch mit „umschaltbar“ übersetzt werden kann.

Der Klagepatentanspruch beschreibt damit ein Profilelement, das zwei Zustände annehmen kann, nämlich eine offene Position und eine geschlossene Position (Merkmal 2.1). Da das Profilelement selbst „umschwenkbar“ bzw. „umschaltbar“ sein soll, muss ihm als solches die Eigenschaft „umschwenkbar“ bzw. „umschaltbar“ inhärent sein. Es ist erforderlich, dass das Profilelement als solches in diese zwei verschiedenen Positionen gebracht werden kann. Das Profilelement muss demzufolge mindestens zwei Abschnitte umfassen, wobei das Umschwenken oder Umschalten eine definierte Bewegung dieser beiden Abschnitte zueinander und die offene bzw. geschlossene Position des Profilelements jeweils eine definierte Anordnung dieser beiden Abschnitte zueinander beschreibt. Ob dabei das Profilelement mit den beiden Abschnitten einstückig oder zweistückig ausgeführt ist, legt der Klagepatentanspruch nicht fest. Entscheidend ist aber, dass sich beide Abschnitte in einer bestimmten, sprich: definierten Anordnung zueinander befinden, in der sie auch nur bewegt – sei es verschwenkt oder verschoben – werden können. Es genügt demnach nicht, wenn lediglich zwei Profile lösbar miteinander verbunden werden können. Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Auslegung des 7. Nichtigkeitssenats beim BPatG in seinem Hinweis vom 14.12.2016 und in seinem Urteil vom 18.05.2016, die als sachverständige Äußerungen zu berücksichtigen sind.

Die Funktion der Umschaltbarkeit bzw. Umschwenkbarkeit besteht darin, dass der Schwenkstreifen in der offenen Position des Profilelements in dieses eingeführt werden kann und in der geschlossenen Position in diesem verankert ist (Merkmal 4).

An die Verankerung des Schwenkstreifens im Profilelement sind keine gesteigerten Anforderungen zu stellen. Es genügt jede Sicherung des Schwenkstreifens im Profilelement, die durch das Umschalten oder Umschwenken des Profilelements in die geschlossene Position erreicht wird. Eine andere Auslegung des Begriffs „verankern“ lässt sich weder dem Klagepatentanspruch, noch der Beschreibung des Klagepatents entnehmen. Dass hinsichtlich des anderen Endes des Schwenkstreifens oder auch hinsichtlich des Profilelements der Begriff „gesichert“ verwendet wird (Merkmale 2.2 und 3.1), führt nicht zu einem anderen Verständnis des Begriffs „verankert“. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass beide Begriffe einen qualitativ unterschiedlichen technischen Bedeutungsinhalt haben abgesehen davon, dass das Verankern durch das Umschalten/Umschwenken und damit durch das Verschließen des Profilelements erreicht wird. Dass ein solches Verankern immer auch ein Sichern im Sinne des Klagepatents darstellt, ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatents. Demnach ist der Schwenkstreifen im Profilelement gesichert (Abs. [0004] der Anlage K 5). Dabei erfolgt die Sicherung mittels Verankerungsvorrichtungen in Form der beiden freien Kanten zweier Schäfte, die in der geschlossenen Position des Profilelements aneinander angrenzen und so den Schwenkstreifen festhalten (Abs. [0004] der Anlage K 5; vgl. auch Abs. [0008]). Gerade dieses Verständnis geht auch aus den Unteransprüchen 5 und 6 hervor.

Für eine Auslegung, dass der Schwenkstreifen neben der Verankerung zusätzlich im Profilelement und damit an zwei verschiedenen Positionen gesichert sein muss, bietet der Klagepatentanspruch keinen Raum. Abgesehen davon, dass die Verankerung immer auch als Sicherung des Schwenkstreifens zu verstehen ist, hat eine zweifache Sicherung im Profilelement auch sonst keinen Niederschlag gefunden. Soweit der Klagepatentanspruch fordert, dass der Schwenkstreifen in dem anderen Teil gesichert und dasjenige Teil, das sich in das Profilelement erstreckt, in dem Profilelement verankert sein muss (Merkmale 3 bis 4), ist nicht von ein- und demselben Ende des Schwenkstreifens die Rede, sondern von den beiden Enden des Schwenkstreifens: Das eine Ende des Schwenkstreifens ist im Profilelement verankert (Merkmal 4) und das andere Ende in dem anderen Teil gesichert (Merkmal 3.1). Wie diese Sicherung des anderen Endes erfolgen soll, lässt das Klagepatent offen. Es ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass an dem anderen Teil ebenso ein Profilelement gesichert ist, in dem das andere Ende des Schwenkstreifens verankert ist (vgl. Abs. [0010], [0012] und Figur 4-7 der Anlage K 5).

Soweit der Klagepatentanspruch verlangt, dass sich der Schwenkstreifen in das Profilelement erstreckt (Merkmal 3.2) und im Profilelement verankert ist (Merkmal 4), ist nur gefordert, dass sich der Schwenkstreifen zwischen die mindestens zwei das Profilelement und seine „Umschwenkbarkeit“ begründenden Abschnitte erstreckt, so dass er bei geschlossener Position des Profilelements verankert ist. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass der Schwenkstreifen entsprechend dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs sich in das Profilelement erstreckt und im Profilelement verankert ist. Es ist hingegen – auch unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen – nicht erforderlich, dass sich innerhalb des Profilelements (weitere) Verankerungseinrichtungen zur Verankerung des Schwenkstreifens befinden, mithin die Verankerung beabstandet vom Rand, innerhalb des Profilelements stattfindet.

IV.
Beide angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1. Das ist für die angegriffene Ausführungsform 2 zwischen den Parteien unstreitig. Gleiches gilt für die angegriffene Ausführungsform 1 hinsichtlich der Merkmale 1 bis 3 und 3.2. Allerdings ist der Schwenkstreifen auch in dem anderen Teil gesichert (Merkmal 3.1) und das andere Ende des Schwenkstreifens, das sich in das Profilelement erstreckt, im Profilelement verankert (Merkmal 4).

Für die Verankerung genügt es, dass der Schwenkstreifen zwischen den beiden Enden der Schäfte des Profilelements gehalten ist, wenn sich das Profilelement in der geschlossenen Position befindet, wie dies aus den Abbildungen der Anlagen K 11 und K 12 ersichtlich ist. Ob dabei der Schwenkstreifen selbst unmittelbar zwischen den beiden Enden der Schäfte eingeklemmt und gesichert wird oder erst über das auf das Ende des Schwenkstreifens aufgeclipte u-förmige Metallteil am Herausrutschen aus dem geschlossenen Profilelement gehindert wird, ist für die Verankerung im Profilelement unbeachtlich. In beiden Fällen wird der Schwenkstreifen gerade dadurch im Profilelement gehalten und damit verankert, dass das Profilelement von der offenen Position in die geschlossene Position umschwenkt. Das Ende des Schwenkstreifens ist auch im Profilelement verankert, weil es sich in das Profilelement erstreckt und befestigt ist. Dass dieses Ende des Schwenkstreifens nicht zusätzlich an einer zweiten Position gesichert ist, ist nach zutreffender Auslegung unbeachtlich.

Stattdessen verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 auch das Merkmal 3.1, weil das andere Ende des Schwenkstreifens in der gleichen Weise in einem zweiten Profilelement verankert und damit gesichert ist.

V.
Beide angegriffenen Ausführungsformen wurden von der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und in den Verkehr gebracht. Für die angegriffene Ausführungsform 1 ist dies unstreitig, trifft aber auch für die angegriffene Ausführungsform 2 zu.

1.
Das Anbieten im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG ist ganz im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen und fällt nicht mit dem Begriff des Vertragsangebots im Sinne von § 145 BGB zusammen. Umfasst sind vielmehr alle Handlungen, die nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand der Nachfrage zur Verfügung stellen oder das Zustandekommen eines Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung des Gegenstands einschließt. Maßgebend ist, ob derjenige, gegenüber dem die als mögliches „Anbieten“ zu qualifizierende Handlung vorgenommen wird, bei verständiger Würdigung der gegebenen objektiven Umstände annehmen muss, der „Anbietende“ sei bereit, ihm im Falle einer Bestellung den in Rede stehenden Gegenstand zur Verfügung zu stellen (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 9 Rn 41 m.w.N.). Davon ist – wie auch im Fall der angegriffenen Ausführungsform 2 – auszugehen, wenn die Beklagte der O GmbH den schutzrechtsverletzenden Gegenstand als Muster überlässt. Damit sollte die O GmbH veranlasst werden, weitere Trennwände dieser Art von der Beklagten zu beziehen und ggf. sogar als Vertriebsunternehmen für die Beklagte zu fungieren. Dass die Muster nur der Farbauswahl dienen sollten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei verständiger Würdigung der gegebenen objektiven Umstände konnte das Verhalten der Beklagten nur so verstanden werden, dass bei einer entsprechenden Bestellung auch Faltwände mit Gelenken entsprechend der angegriffenen Ausführungsform 2 geliefert würden.

2.
Mit der Lieferung der angegriffenen Ausführungsform 2 an die O GmbH wurde die patentverletzende Trennwand zudem in den Verkehr gebracht. Denn das ist bereits dann der Fall, wenn – wie hier – das patentierte Erzeugnis unter Begebung der eigenen Verfügungsgewalt tatsächlich in die Verfügungsgewalt einer anderen Person übergeht. Eine Übereignung im rechtlichen Sinne ist dafür nicht erforderlich. Die bloße Verwendung von Mustern mag zwar noch kein Inverkehrbringen im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG darstellen, wohl aber die Überlassung eines Musters des geschützten Erzeugnisses zur Absatzwerbung (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 9 Rn 44 m.w.N.), wie dies im Fall der Überlassung an die O GmbH geschehen ist. Insofern kann auch die Verkehrsfähigkeit bejaht werden, weil eine Veräußerung als Muster ohne weiteres möglich und denkbar ist.

3.
Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen wurde die angegriffene Ausführungsform 2 von der Beklagten auch zum Zwecke des Anbietens und Inverkehrbringens in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt.

VI.
Aus der Benutzung der Lehre des Klagepatents ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagte ist der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Beklagte die Lehre des Klagepatents benutzte, ohne dazu berechtigt zu sein.

2.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu, für die Zeit vor dem 13.02.2017 aus abgetretenem Recht, danach aus eigenem Recht. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

3.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.

Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.

Der Feststellungsantrag ist als Hauptantrag jedoch unbegründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz ihres Schadens für die Zeit vor dem 13.02.2017 begehrt. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin vor diesem Zeitpunkt ausschließliche Lizenznehmerin war (s.o.) und ihr selbst ein Schaden entstanden ist. Allerdings ist der Feststellungsantrag nach dem Hilfsantrag begründet. Denn die Klägerin kann mit Erfolg aus abgetretenem Recht den Ersatz des Schadens verlangen, der A und E als Patentinhabern entstanden ist.

Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der den Inhabern des Klagepatents bzw. der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.

4.
Die Klägerin hat weiterhin gegen die Beklagte im tenorierten Umfang einen Anspruch auf Rückruf der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG. Dieser Anspruch erstreckt sich auf die Zeit vor dem 13.02.2017. Zwar ist der Rückrufanspruch in Ziffer 5 des Lizenzvertrages vom 13.02.2017 nicht ausdrücklich genannt. Die Vertragsparteien waren aber ersichtlich gewillt, sämtliche Ansprüche aus dem Klagepatent abzutreten. Da die Verpflichtung zur Unterlassung regelmäßig auch zum Rückruf verpflichtet (vgl. BGH Beschl. v. 29.09.2016, I ZB 34/15), der Rückrufanspruch mithin als Folgenbeseitigungsanspruch vom Unterlassungsanspruch umfasst ist, ist jedenfalls konkludent auch der Rückrufanspruch von der Abtretung erfasst.

Der Rückruf ist nicht unverhältnismäßig im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG. Der Umstand, dass die Klägerin seit dem Jahr 2014 Kenntnis von der Verletzung des Klagepatents hat, genügt für sich genommen nicht, um die Durchsetzung des Rückrufanspruchs unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Denn unabhängig von der Kenntnis der Klägerin von der Patentverletzung und dem Zeitpunkt, in dem sie erstmals den Rückrufanspruch gerichtlich geltend macht, erstreckt sich der Rückruf auf sämtliche Veräußerungstatbestände seit der Erteilung des Klagepatents. Sinn und Zweck des Rückrufanspruchs ist es, den rechtsverletzenden Zustand zu beseitigen (Benkard/Grabinski/Zülch, PatG 11. Aufl.: § 140a Rn 2), indem die Vertriebswege von patentverletzenden Produkten freigeräumt werden. Dafür besteht grundsätzlich auch dann noch ein Bedürfnis, wenn die Veräußerungsgeschäfte des Verletzers längere Zeit zurückliegen. Denn der zeitliche Abstand bis zur Durchsetzung des Rückrufanspruchs rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, es befänden sich keine schutzrechtsverletzenden Produkte mehr in den Vertriebswegen.

Soweit das Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis der Klägerin von der Verletzung seit dem Jahr 2014 als Verwirkungseinwand aufgefasst werden sollte, greift auch dieser nicht durch. Da die Klägerin noch im Jahr 2015 Klage erhob, durfte sich die Beklagte weder in zeitlicher Hinsicht noch den sonstigen Umständen nach darauf einrichten, die Klägerin werde ihre Rechte nicht mehr durchsetzen.
B
Der Klageantrag zu V. ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlichen Kosten in Höhe von 6.767,30 EUR nebst Zinsen daraus. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG, noch aus § 683 BGB.

Im Zeitpunkt der Abmahnung am 05.11.2014 standen der Klägerin keine Ansprüche aus dem Klagepatent zu, mithin auch keine Ansprüche aus § 139 Abs. 2 PatG. Denn zu dem Zeitpunkt war die Klägerin noch nicht Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz. Diese wurde ihr erst am 13.02.2017 erteilt. Eine Rückwirkung der Erteilung kommt nicht in Betracht (s.o.). Aus diesem Grund lag die Abmahnung auch nicht im mutmaßlichen Interesse der Beklagten.

Die von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsansprüche ergeben sich auch nicht aus abgetretenen Recht der beiden Patentinhaber, A und E. Denn diesen sind keine Kosten der Rechtsverfolgung entstanden. Sie wurden durch die Abmahnung nicht berechtigt und verpflichtet, da die Abmahnung nicht in ihrem Namen erfolgte, sondern im Namen der Klägerin.
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Dem von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
Streitwert: 500.000,00 EUR