4b O 103/09 – Polymeres Verdickungsmittel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2260

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. August 2010, Az. 4b O 103/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 111/10

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

TATBESTAND

Die Klägerin, ein französisches Unternehmen im Bereich der Spezialchemie, ist, neben der A B Co. Ltd., C, Großbritannien, eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 05 XXX 53 (nachfolgend Klagepatent). Sie wurde von der Mitinhaberin ermächtigt, Rechte aus dem Klagepatent geltend zu machen. Der deutsche Teil des Klagepatentes wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 692 11 XXX geführt. Das Klagepatent wurde am 6. März 1991 unter Inanspruchnahme der Priorität der GB 9 104 XXX vom 8. März 1991 angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 31. Oktober 1996 im Patentblatt des Europäischen Patentamts veröffentlicht. Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, betrifft wasserlösliche polymere Verdickungsmittel für Produkte für die äußerliche Anwendung. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 16 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Wasser-in-Öl-Emulsion, die ein Polymermaterial enthält, wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist, welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) N, N‘-Methylen-bis-acrylamid abgeleitet sind, welches N, N‘-Methylen-bis-acrylamid in einer Menge von 0,06 bis einschließlich 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten vorhanden ist, wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methylporpansulfon-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl-Emulsion einen pH-Wert von zumindest 5,5 besitzt.“

N, N‘-Methylen-bis-acrylamid (nachfolgend MBA) dient dabei als quervernetzendes Monomer, welches zwei ungesättigte Bindungen (C-C-Doppelbindungen) aufweist.

Die Klägerin vertreibt der Erfindung nach dem Klagepatent entsprechende Emulsionen unter der Bezeichnung D XXX. D XXX ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, ein Pionierprodukt unter den Verdickern und bekannt für seine ausgezeichneten, langfristig stabilen Verdickungseigenschaften. D XXX hat sich als Standard in kosmetischen Zubereitungen etabliert und wird in wissenschaftlichen Publikationen als solcher Standard und Referenzprodukt zitiert. Auf Grund seiner herausragenden Eigenschaften hatte D XXX lange eine Alleinstellung auf dem Markt.

Die Beklagte zu 1) ist ein Unternehmen der französischen Polymer-Chemieindustrie. Die Beklagte zu 2) ist die deutsche Tochtergesellschaft der international tätigen Händlerin für Spezialchemie und Inhaltsstoffe in den Bereichen Lebensmittel und Pharma, E Group B.V., F, Niederlande, welche Produkte der Beklagten zu 1) bezieht und in Deutschland vertreibt. In ihrer Eigenschaft als Händlerin für Spezialchemie war die Beklagte zu 2) zwischen 1992 und 2007 Alleinvertriebshändlerin für das Produkt der Klägerin D XXX.

Seit Anfang 2008 bietet an und vertreibt die Beklagte zu 2) auf dem deutschen Markt ein polymeres Verdickungsmittel mit der Bezeichnung G XXX (nachfolgend angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform stellt entsprechend ihrer Produktbeschreibung einen flüssigen Verdicker und Stabilisator für Emulsionen dar, welcher das Emulgieren von allen kosmetischen Ölen ermöglicht und samtige Creme-Gel-Texturen erzeugt. Gleiche Eigenschaften werden auch dem Produkt der Klägerin, D XXX, zugeschrieben. Entsprechend der INCI-Codes werden als Inhaltsstoffe der angegriffenen Ausführungsform u.a. Polyacrylamide und C 13 – 14 Isoparaffin & Laureth-7 angegeben. Die angegriffene Ausführungsform wird von der Beklagten zu 2) den langjährigen Kunden der Klägerin als Ersatzprodukt für D XXX angeboten.

Nachdem der Klägerin ursprünglich das von den Beklagten verwendete quervernetzende Monomer der angegriffenen Ausführungsform unbekannt war, machte sie geltend, dass die Beklagten entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofes „Blasenfreie Gummibahn II“ (GRUR2004, 268) zur Benennung des von ihnen eingesetzten quervernetzenden Monomers in der entsprechenden Menge verpflichtet sei. Auch beantrage sie die Beklagten zur Vorlage des Herstellungsrezeptes zu verpflichten. Ein solcher Anspruch folge aus § 140 c PatG sowie Art. 6 der Vollstreckungsrichtlinie i.V.m. § 142 Abs. 1 ZPO.

Nach Durchführung weiterer Untersuchungen identifizierte die Klägerin das von den Beklagten eingesetzte quervernetzende Monomer als Triallylamin (nachfolgend TAA). Nachdem die Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung unter Verpflichtung des Klägervertreters sowie des Patentanwaltes zur Verschwiegenheit erklärt hat, dass TAA ausschließlich als quervernetzendes Monomer in der angegriffenen Ausführungsform in einer genauer bezeichneten Menge verwendet werde, erklärte die Klägerin die teilweise Rücknahme der Klage unter Zustimmung der Beklagten gegen Auferlegung der Kosten insoweit als eine Verurteilung wegen einer wortsinngemäßen Verletzung der Klagepatentes beantragt wurde.

Die Klägerin meint, dass die Verwendung von TAA als quervernetzendes Monomer in der konkret angegebenen Menge anstelle von MBA eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes darstelle. Die erforderliche Gleichwirkung liege vor. Sowohl TAA als auch MBA würden Vernetzungsmittel mit hoher Bindungseffizienz und der gewünschten Stabilität bei pH 5,5 und Wasserlöslichkeit darstellen. TAA als gleichwirkendes Austauschmittel sei auch auffindbar. TAA und MBA seien als Vernetzungsmittel bekannt. So beschreibe die EP 0 343 XXX auf Seite 4 Zeilen 53 bis 57 polyacrylische und polyallylische Monomere. Auf Seite 5 Zeile 55 werde MBA genannt und auf Seite 5 Zeile 6 TAA. TAA als Austauschmittel sei für einen Fachmann auch am Sinngehalt der in den Patentansprüchen verwirklichten technischen Lehre auffindbar gewesen. So erkenne der Fachmann auf Grund der Formulierung in dem Patentanspruch 16, wonach das Polymermaterial Einheiten enthalte, die – neben weiteren Bestandteilen – aus MBA abgeleitet seien, dass der Anspruch nicht auf MBA beschränkt sei, sondern auch Monomere zur Vernetzung verwendet werden könnten, die drei funktionelle Gruppen (C-C-Doppelbindungen) aufweisen würden. TAA, welches dem Fachmann als ein solches Vernetzungsmittel bekannt sei, sei für den Fachmann hiervon ausgehend auf Grund des Umstandes als gleichwertig auffindbar gewesen, da das Klagepatent auf Seite 6 Absatz 3 Bezug auf die EP 0 186 XXX nehme. Dort würden auf Seite 3 Zeilen 34 ff. Vernetzungsmonomere beschrieben. MBA werde ausdrücklich genannt. Darüber hinaus würden Monomere beschrieben, welche drei funktionelle Gruppen aufweisen würden, nämlich Triallylcyanurat und Triallylisocyanurat. Daher sei die Verwendung von TAA anstelle von MBA für den Fachmann ohne weiteres auffindbar gewesen.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie unter Ziffer II.5. die Angaben zur Rechnungslegung teilweise zurückgenommen hat, nunmehr,

I. die Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen

eine Wasser-in-Öl-Emulsion, die ein Polymermaterial enthält, wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist, welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (a) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) Triallylamin abgeleitet sind, welches Triallylamin in einer Menge von mindestens 2 Millimol pro Mol der gesamten Monomereinheiten vorhanden ist, wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl-Emulsion einen pH-Wert von mindestens 5,5 besitzt,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, herzustellen (nur Beklagte zu 1)), herstellen zu lassen (nur Beklagte zu 2)), einzuführen (nur Beklagte zu 2)) oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;

II. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und in einer geordneten Aufstellung Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Verletzungshandlungen seit dem 1. Januar 2008 begangen haben, unter Angabe

1. der Herstellungsmengen, -preise und –zeiten (nur Beklagte zu 1);

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet,

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

III. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2008 entstanden ist und noch entstehen wird;

IV. anzuordnen, die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindliche, vorstehend unter Ziffer I. bezeichnete Wasser-in-Öl-Emulsion zu vernichten;

V. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, der Klägerin die vorprozessualen Abmahnkosten in Höhe von 11.729,60 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 8. Juli 2009 an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

zu erkennen, wie geschehen.

Sie sind der Ansicht, dass eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes nicht vorliege. Eine Gleichwirkung von MBA und TAA liege bereits nicht vor, da TAA drei funktionelle Gruppen (C-C-Doppelbindungen) aufweisen würde, MBA hingegen nur zwei. Auch handele es sich um unterschiedliche Klassen von Vernetzungsmitteln, welche unterschiedliche Reaktivitäten aufweisen würden, wie gerade das EP 0 343 XXX (Anlage K 20) auf Seite 4 Zeilen 53 bis 55 zeige. Infolge der unterschiedlichen chemischen Eigenschaften von polyacrylischen und polyallylischen Vernetzungsmitteln würde ein Fachmann TAA auch nicht als gleichwirkend mit MBA in Betracht ziehen. Im Übrigen sei TAA auch nicht als zur patentgemäßen Lösung gleichwertige Lösung anzusehen. Denn die Verwendung des Begriffs „abgeleitet“ in Patentanspruch 16 beziehe sich lediglich darauf, dass das Polymermaterial als Reaktionsprodukt von den im Anspruch genauer bezeichneten Ausgangsprodukten herrühre. Diese Ausgangsstoffe würden miteinander reagieren und dabei eine chemische Umwandlung – Umsetzung – zu einer Polymerverbindung erfahren, welche von Acrylamid, 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und MBA abgeleitete Einheiten enthalte. Dies sei für den Fachmann offensichtlich. MBA werde für den Fachmann auch als erfindungswesentlich vorgegeben. So werde in der Klagepatentschrift auf Seite 6 auf die GB 2206XXX Bezug genommen, welche MBA als Vernetzungsmittel nenne. Soweit das Klagepatent auch auf die EP 0 186 XXX Bezug nehme und neben MBA als auch polyallylische Vernetzungsmittel nenne, mache die alleinige Nennung und Beschreibung von MBA in der Klagepatentschrift deutlich, dass die Erfindung hierauf beschränkt sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre nach dem Klagepatent keinen äquivalenten Gebrauch, so dass die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung sowie Vernichtung abzuweisen waren.

I.
1.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft wasserlösliche Polymerzusammensetzungen, die besonders als Eindicker/Stabilisatoren für Produkte zur topischen Anwendung wie z.B. Körperhygiene-Produkte für Haut und Haare bzw. für topisch verabreichbare pharmazeutische Präparate maßgeschneidert sind, worin die formulierten Produkte von anionischer oder nichtionischer Beschaffenheit sind.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass Körperhygiene-Produkte auf die Haut und/oder auf das Haar aufgetragen werden; dazu zählen u.a. Feuchtigkeits-, reinigungs- und Tönungsmittel, Blockercremes, Shampoos sowie Styling- und Festigergele. Solche Produkte werden üblicherweise als Cremes (Öl-in-Wasser-Emulsionen) oder klare Gele formuliert, die große Mengen an mit Wasser mischbaren Alkoholen oder Glykolen enthalten können. Alle Produkte verwenden Eindicker/Stabilisatoren, um die rheologischen Eigenschaften zu modifizieren und die Stabilität zu verbessern.

Üblicherweise wurden sowohl natürliche als auch synthetische Materialien für diesen Zweck verwendet. Natürliche Produkte (z.B. Gummiarabikum, Guargummi oder Stärken) variieren hinsichtlich der Qualität und folglich auch hinsichtlich der Leistung. Sie führen zu Produkten mit begrenzter Haltbarkeit. Synthetische Materialien werden häufiger verwendet, da sie eine beständigere Qualität aufweisen und stabilere Produkte ergeben. Derzeit eingesetzte synthetische Materialien sind Feststoffe oder Pulver aus Polymeren mit Restsäuregruppen, die in Wasser dispergiert bzw. aufgelöst und anschließend neutralisiert werden müssen, um wirkungsvoll zu sein. Der Grund dafür ist, dass die Eindickfähigkeit solcher Verbindungen pH-abhängig ist; sie dicken erst dann ein, wenn die Säuregruppen neutralisiert wurden. Eine Klumpenbildung oder Zusammenballung muss jedoch verhindert werden; hierfür ist stundenlanges Vermischen erforderlich, bis man eine stabile Dispersion erhält.

Das Klagepatent führt weiter aus, dass vor diesem Stand der Technik ein großer Vorteil für Körperhygiene-Produkte und Pharmazeutika darin bestehen würde, eine Polymerzusammensetzung bereitzustellen, die sowohl als Eindicker als auch als Stabilisator dient und auch in flüssiger Form vorliegt, um eine leichte Handhabbarkeit mit automatischen Spendern und Dosierpumpen etc. zu ermöglichen, und die leicht dispergierbar ist. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentanspruch 16 eine Zusammensetzung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Wasser-in-Öl-Emulsion, die ein

2. Polymermaterial enthält,

2.1 wobei zumindest 98 % des Polymermaterials in der Emulsion wasserlöslich ist,

2.2 welches Polymermaterial Einheiten enthält, die aus (1) Acrylamid, (b) 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und (c) N, N‘-Methylenbisacrylamid abgeleitet sind,

2.3 welches N, N‘-Methylenbisacrylamid in einer Menge von 0,06 bis einschließlich 1 Millimol pro Mol der gesamten Monomereneinheiten vorhanden ist;

2.4 wobei zumindest einige der 2-Acrylamido-2-methyl-propansulfonsäure-Einheiten in Form eines neutralen Salzes davon vorliegen, so dass die wässrige Phase der Wasser-in-Öl-Emulsion einen pH-Wert von mindestens 5,5 besitzt.

2.
Unstreitig macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach dem Klagepatent keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Aber auch eine äquivalente Verletzung scheidet aus, da jedenfalls das Merkmal 2.3 durch die angegriffene Ausführungsform nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht wird. Denn das als Vernetzungsmittel in der angegriffenen Ausführungsform verwendete TAA stellt kein äquivalentes Austauschmittel zu MBA dar.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die erforderliche Gleichwirkung gegeben ist, und man ferner zu ihren Gunsten unterstellt, dass der Fachmann das abgewandelte Mittel der angegriffenen Ausführungsform auf Grund seiner Fachkenntnisse ohne erfinderisches Bemühen auffinden konnte, fehlt es an der Voraussetzung, dass der angesprochene Durchschnittsfachmann die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Abwandlung als eine der im Wortsinn des Patentanspruchs 1 beschriebenen Lösung gleichwertige Alternative in Betracht zieht. Es ist insofern nicht ausreichend, dass der Fachmann auf Grund seines Fachwissens eine Abwandlung als technisch sinnvoll und objektiv gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen seine Überlegungen beim Auffinden der Abwandlung an der in den Patentansprüchen zum Ausdruck gebrachten technischen Lehre anknüpfen.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet vorliegend eine Verwirklichung des Merkmals 2.3 unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz aus. Denn im Patentanspruch 1 ist eindeutig festgelegt, dass neben weiteren Verbindungen das Polymermaterial Einheiten enthält, die von MBA abgeleitet sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin beinhaltet der Begriff „abgeleitet sein“ nicht auch die Verwendung eines anderen Vernetzungsmonomers als MBA, unter anderem eines solchen, welches statt zweier funktioneller Gruppen wie bei MBA auch drei funktionelle Gruppen aufweisen kann. Ersichtlich versteht das Klagepatent unter „abgeleitet sein“, dass das erfindungsgemäße Polymermaterial aus einer chemischen Reaktion – Umsetzung – von Acrylamid, 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und MBA entstanden ist, also die quervernetzte Polymerkette aus diesen einzelnen Einheiten besteht. Die in Merkmal 2.3 genannten Monomeren werden, wenn man von einer 100 %igen Ausbeute ausgeht, zum Bestandteil des Polymermaterials, welches somit aus den einzelnen Monomereinheiten besteht. Das Klagepatent gibt keinen Anhaltspunkt unter „abgeleitet sein“ sei etwas anderes zu verstehen, als das Bestehen des Polymermaterials aus den im Merkmal 2.3 genannten Monomereinheiten. Insbesondere gibt das Klagepatent keinen Anhaltspunkt, dass hierunter auch quervernetzende Monomereinheiten verstanden werden könnten, die statt zwei, wie bei MBA, drei oder mehr funktionelle Gruppen in Form von C-C-Doppelbindungen aufweisen. Das Klagepatent macht in seiner Beschreibung zu den bei quervernetzenden Monomeren erforderlichen funktionellen Gruppen keinerlei Angaben. Insbesondere wird nicht – auch nicht bei der Abgrenzung zum Stand der Technik – zwischen quervernetzenden Monomeren mit zwei oder drei funktionellen Gruppen differenziert. Es werden in der Klagepatentschrift keine anderen quervernetzende Monomere genannt. Als quervernetzendes Monomer wird ohne nähere Angaben zur Ausgestaltung, welche dem Fachmann natürlich bekannt ist, ausschließlich MBA genannt. Dementsprechend bietet der Patentanspruch schon keinen Anhaltspunkt für Überlegungen zum Auffinden der abgewandelten Ausführungsform.

Da unter „abgeleitet sein“ mithin nicht ein Verweis auf andere quervernetzende Monomere mit mehr als zwei funktionellen Gruppen verstanden werden kann, führt auch der von der Klägerin aufgezeigte Verweis auf die EP 0 186 XXX, welche in der mündlichen Verhandlung lediglich in englische Sprache vorgelegt wurde, nicht weiter. Diese wird zwar auf Seite 6 der Klagepatentschrift im 3. Absatz unter Verweis auf das dort offenbarte Herstellungsverfahren genannt. Auf Seite 3 werden als quervernetzende Monomere neben MBA auch Triallylcyanurat und Triallyisocyanurat genannt, also dem TAA verwandte quervernetzende Monomerverbindungen. Der Verweis des Klagepatentes auf diesen Stand der Technik, nach welchem auch andere quervernetzende Monomere bekannt waren, und die ausschließliche Nennung von MBA in der Klagepatentschrift sowie der Versuchsdurchführungen mit MBA machen dem Fachmann jedoch deutlich, dass die Erfindung nach dem Klagepatent gerade Schutz für diese bestimmte Auswahl beansprucht, nämlich MBA als quervernetzendes Monomer.

Eine äquivalente Verwirklichung des Merkmals 2.3 durch die angegriffene Ausführungsform liegt entsprechend nicht vor.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 1.500.000,- EUR.