4a O 16/16 – Zellulares Funksystem

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2707

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 13. Juli 2017, Az. 4a O 16/16

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) seit dem 12. September 2007
  3. Kommunikationsvorrichtungen eines Mobilfunksystems, umfassend Mittel zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung, wobei die Funkverbindung mehrere aktive Funkträger aufweist, die zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung gehören, umfassend Mittel zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen, wobei die erste Kategorie von Diensten Echtzeitbezogene Dienste umfasst, und Mittel zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen, wobei die zweite Kategorie von Diensten Nicht-Echtzeitbezogene Dienste umfasst, wobei die zweite Kategorie von Diensten sich von der ersten Kategorie von Diensten unterscheidet und wobei die zweite Ablaufzeit größer ist als die erste Ablaufzeit,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in den Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den vorstehend genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,
  5. und zwar unter Angabe
  6. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  7. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  8. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  9. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  10. 2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Oktober 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
  11. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  12. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  13. c) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  14. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  15. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A durch Handlungen entsprechend Ziffer I. 1. in der Zeit vom 12. Oktober 2007 bis zum 30. Mai 2011, der B durch Handlungen entsprechend der Ziffer I.1. in der Zeit vom 31. Mai 2011 bis zum 10. Mai 2012 und der Klägerin durch Handlungen entsprechend der Ziffer I. 1. seit dem 11. Mai 2012 entstanden ist und noch entstehen wird.III. Im Übrigen wird die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.
  16. IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 75 % und die Beklagte 25 %.
  17. V. Das Urteil ist hinsichtlich der Urteilsformel I. 1. und I. 2. (Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00 und hinsichtlich der Urteilsformel IV. (Kostenentscheidung) für die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  18. T a t b e s t a n d

  19. Die Klägerin, die seit dem 01.10.2012 im Patentregister des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. Auszug desselben vom 16.10.2016, Anlage AR B-15) als Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents C (im Folgenden: Klagepatent) eingetragen ist, macht gegen die Beklagte, gestützt auf die Verletzung des Klagepatents, Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend.
  20. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent (vgl. B2-Schrift vorgelegt als Anlage AR A-13; deutsche Übersetzung mit der T3-Schrift, als Anlage AR B-14, vorgelegt), das zwei Prioritäten vom 24.02.2000 und vom 24.03.2000 in Anspruch nimmt, wurde am 23.01.2001 durch die A angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 12.09.2007, wobei das Klagepatent aufgrund eines durch die D eingeleiteten Einspruchsverfahrens eingeschränkt aufrechterhalten wurde. Wegen des Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf den Beschluss des EPA vom 02.12.2012, vorgelegt als Anlage AR B-16a (deutsche Übersetzung, auszugsweise: Anlage AR B-16b), verwiesen. Mit Klageschrift vom 05.08.2016 (Anlage TW12) erhob die Beklagte eine Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent, in der eine Entscheidung noch aussteht, jedoch am 19.05.2017 ein qualifizierter Hinweis des BPatG gem. § 83 PatG erging. Auf diesen, vorgelegt als Anlage TW37, wird wegen seines Inhalts Bezug genommen. Der deutsche Teil des Klagepatents (E) steht in Kraft.
  21. Am 31.05.2011 unterzeichneten die A und der F(später: G) eine Vereinbarung, vorgelegt als Anlage AR2a, mit welcher unter anderem das Klagepatent auf den F übertragen werden sollte, wobei zwischen den Parteien die Vertretungsbefugnis der für die Vertragsparteien unterzeichnenden Personen streitig ist. Wegen des genaueren Inhalts der Vereinbarung wird auf diese Bezug genommen. Am 15.02.2012 wurde in dem Patentregister ein Übergang des Klagepatents von der Anmelderin (A.) auf den G (vormals: F), zum 11.05.2012 ein Übergang auf die H und zum 06.09.2012 ein Übergang zurück auf den G eingetragen.
  22. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren und Anordnung zur Optimierung des Wiederaufbaus von Verbindungen in einem zellularen Funksystem mit Echt- und Nicht-Echtzeitkommunikation“. Der vorliegend maßgeblich interessierende Anspruch 17 hat, in der nach dem Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung, in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
  23. „A communications device of a cellular radio system, comprising means (514, 605) for detecting a failure in a radio connection, said radio connection having plurality of active radio bearer belonging to a radio resource control connection, characterized in that it comprises:
  24. means (511, 516, 605) for determining a first expiry time for a period during which the re-establishment of the lost radio connection in respect of said bearers which are used to provide a service or services of a first category is allowable; and
  25. means (511, 515, 605) for determining a second expiry time for a period during which the re-establishment of the lost radio connection in respect of said radio bearers which are used to provide a service or services of a second category is allowable,
  26. said second category of services being different to said first category of services and said second expiry time being different to said first expiry time.”
  27. In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 17 in dieser Fassung wie folgt:
  28. „Kommunikationsvorrichtung eines Mobilfunksystems, umfassend Mittel (514, 605) zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung, wobei die Funkverbindung mehrere aktive Funkträger aufweist, die zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung gehören, dadurch gekennzeichnet, dass sie umfasst:
  29.  Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen, und
  30.  Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen,
  31. wobei die zweite Kategorie von Diensten sich von der ersten Kategorie von Diensten unterscheidet und wobei die zweite Ablaufzeit sich von der ersten Ablaufzeit unterscheidet.“
  32. Die nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen (jeweils verkleinert) sind dem Klagepatent entnommen und illustrieren dessen technische Lehre anhand schematischer Darstellungen von Ausführungsformen.
  33. Die Figuren 2a und 2b zeigen jeweils Kommunikationssituationen, in denen eine Ausführungsform der Erfindung zur Anwendung gelangt. Die Figur 3 zeigt ein klagepatentgemäßes Verfahren in der Darstellung als Flussdiagramm, die Figur 4 stellt ein klagepatentgemäßes Verfahren als Zustandsdiagramm dar.
  34. Die Beklagte ist ein 100%iges Tochterunternehmen des chinesischen I-Konzerns, der Telekommunikationsgeräte und Netzwerklösungen anbietet und deren Muttergesellschaft die I Corporation ist. Die Beklagte zeichnet insbesondere für den Vertrieb der Produkte in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich. Sie bietet über das Internet UMTS (Universal Mobile Telecommunications System)-fähige Mobilfunkgeräte mit den Bezeichnungen „J“, „K“, „L“, „M“ und „N“ sowie das Tablet „O“ (im Folgenden zusammenfassend als „angegriffene Ausführungsformen“ bezeichnet) an. Die technische Funktionalität der UMTS-Fähigkeit wird in den in die angegriffenen Ausführungsformen eingebauten Chips umgesetzt.
  35. Die sog. 3GPP Spezifikationen legen unter anderem UMTS-Standards fest, so auch für den hier interessierenden Bereich mit dem Standard 3GPP TS 25.331 in der Version 7.2.0 von September 2006 (Anlage AR B-20 und Anlage AR B-29; deutsche Übersetzungen, auszugsweise: Anlage AR B-21 und Anlage AR B-28), der sich mit dem Radio Resource Control RRC-Protokoll für die Verbindung zwischen dem UE (User Equipment = Benutzerausrüstung) und dem UTRAN (UMTS Terrestrial Radio Access Network = Terrestrisches UMTS Funkzugangsnetz) befasst. Die Spezifikationen sind in unterschiedliche Versionen (Release) eingeteilt, wobei der Grundsatz der sog. Abwärtskompatibilität gilt, das heißt soweit die Funktionalität des UMTS-Standards in einer Versionen umgesetzt wird, erfolgt zugleich auch eine Umsetzung sämtlicher früherer Versionen, um so die Verwendung auch älterer Endgeräte zu ermöglichen. Die angegriffenen Ausführungsformen unterstützen jedenfalls Release 8 des Standards.
  36. Die Klägerin gab am 10.04.2013 gegenüber dem European Telecommunication Standard Institute (im Folgenden: ETSI) eine Verpflichtungserklärung ab, wonach sie bereit ist, Lizenzen am Klagepatent zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (im Folgenden: FRAND bzw. FRAND-Bedingungen) zu vergeben. Auf die in der Anlage vorliegende Erklärung der Klägerin wird Bezug genommen. Bei ETSI handelt es sich um eine Standardisierungsorganisation, die unter anderem die Standardisierung von GPRS und UMTS verantwortet.
  37. Die Klägerin betreibt ein „P Patent Programm“, das die Lizenzierung eines Patentportfolios im „Wireless“-Bereich vorsieht, wobei eine Lizenz an 47 Patentfamilien mit mehr als 450 Patenten angeboten wird, von denen nach Angaben der Klägerin 33 Patentfamilien mit insgesamt mehr als 350 Patenten essentiell für verschiedene Kommunikationsstandards (wie GSM, GPRS, UMTS und LTE) sein sollen. Nicht-standardessentielle Patente sollen dabei jeweils lizenzgebührenfrei mit lizenziert werden.
  38. Die Klägerin informierte die Beklagte bzw. ihre Muttergesellschaft (soweit der nicht-technische Teil betroffen ist, ist mit der Beklagten auch die Muttergesellschaft I Corp. gemeint) mehrfach schriftlich, erstmals am 04.12.2012, über ihr Patentportfolio und bot die Erteilung einer Lizenz an. Die Parteien schlossen nach von der Klägerin initiierten Verhandlungen im Sommer 2013 ein Geheimhaltungsabkommen ab, das auch eine Nichtangriffsabrede vorsah und wegen dessen genauen Inhalts auf das als Anlage vorgelegte Vertragsdokument Bezug genommen wird. In der Folge übermittelte die Klägerin mehrere Claim Charts an die Beklagte und es kam zu einer Korrespondenz über eine mögliche Lizenznahme des Konzerns. Die Klägerin unterbreitete der Beklagten verschiedene Vorschläge für einen Lizenzvertrag bzw. einzelne Bedingungen. Die Beklagte nahm bislang keines der ihr unterbreiteten Lizenzangebote an. Am 30.06.2014 erklärte die Klägerin die Kündigung des Geheimhaltungsabkommens. Zu welchem Zeitpunkt die Kündigung des Geheimhaltungskommens wirksam wurde, ist zwischen den Parteien umstritten, wobei dieses jedenfalls seit Herbst 2016 nicht mehr in Kraft steht.
  39. Am 01.12.2015 (vor Einreichung der Klage), unterbreitete die Klägerin der Beklagten ein (weiteres) Lizenzvertragsangebot.
  40. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 05.01.2017 dazu auf, bis zum 12.01.2017 eine vorgeschlagene Geheimhaltungsvereinbarung zu unterzeichnen, was nicht erfolgte. Am 13.01.2017 reichte die Klägerin ihren Replikschriftsatz (fristgerecht) ein, wobei dieser allerdings teilweise geschwärzt war. Die Parteien verhandelten anschließend über den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens, das die Klägerin für einen ungeschwärzten Vortrag als notwendig erachtete. Auf die in den Anlagen vorgelegte Korrespondenz zwischen den Parteivertretern wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 18.05.2017 teilte die Klägerin dem Gericht mit, dass nunmehr ein akzeptables Geheimhaltungsabkommen geschlossen wurde und reichte die Replik erneut in einer ungeschwärzten Fassung ein.
  41. Zeitgleich mit der Replik vom 13.01.2017 legte die Klägerin ein weiteres Lizenzvertragsangebot vor. Dieses umfasst eine weltweite, einfache Lizenz an ihrem Q. Es sieht hierfür eine „Compliant Rate“ mit Lizenzgebühren pro Gerät von EUR 0,40 bis EUR 0,12 (je nach Verkaufsvolumen) vor. Bei nicht vertragsgemäßen Verhalten soll eine „Standard Rate“ mit Lizenzgebühren pro Gerät von EUR 0,50 bis EUR 0,15 Anwendung finden. In der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2017 stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin klar, dass das Angebot vom 13.01.2017 trotz eines späteren Angebots weiter gültig ist und von der Beklagten angenommen werden könnte.
  42. Das OLG Düsseldorf wies mit Urteilen vom 30.03.2017 (Az.: X) zwei Verletzungsklage der x (davon eine aus dem hiesigen Klagepatent und aus dem Klagepatent im Parallelverfahren) im Verfahren R ./. S teilweise als derzeit unbegründet ab. Das OLG Düsseldorf erachtete hierbei den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand für begründet und stellte eine diskriminierende Lizenzierungspraxis der Klägerin aufgrund eines von der Klägerin früher abgeschlossenen Lizenzvertrages fest. Die Klägerin hatte im Parallelverfahren X Lizenzverträge vorgelegt. Weder vollständige noch geschwärzte Fassungen der beiden Urteile des OLG Düsseldorf sind bislang veröffentlicht oder im hiesigen Verfahren eingereicht worden.
  43. Zeitgleich mit dem Schriftsatz vom 19.05.2017 unterbreitete die Klägerin der Beklagten ein weiteres Lizenzvertragsangebot, bei dem die Lizenzgebühr nach der Standard Rate EUR X – EUR X pro Einheit und nach der Compliant Rate EUR X – EUR X beträgt.
  44. Die Klägerin behauptet, materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents sowie zur Geltendmachung der klageweise erhobenen Ansprüche aus dem Klagepatent berechtigt zu sein.
  45. Die Personen, die die Vereinbarung zwischen der A. und dem F(Anlage AR2a) unterzeichneten, seien vertretungsbefugt gewesen. Des Weiteren sei sie, die Klägerin, aufgrund der Vereinbarung mit dem G (vormals: F) vom 11.05.2012 (Anlage AR2c) Inhaber des Klagepatents geworden.
  46. Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden das Klagepatent unmittelbar wortsinngemäß verletzen. Das ergebe sich bereits daraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen den UMTS-Standard verwirklichen und dies die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des für den UMTS-Standard essentiellen Klagepatentanspruchs voraussetze.
  47. Der Standard 3GPP TS25.331 v.7.2.0 (Anlage AR B-20; Anlage AR B-29) sehe die Verwendung mehrerer aktiver Funkträger in einer Funkverbindung zwingend vor.
  48. Der Standard umfasse durch den dort als „Zeitnehmer T315“ bezeichneten Zeitnehmer zwingend auch Mittel zur Bestimmung einer zweiten Ablaufzeit im Sinne des Klagepatents.
  49. In dem Standard seien den Wiederherstellungs-Zeitnehmern auch Dienste unterschiedlicher Kategorien zugewiesen. Denn der Timer T314 gehöre zur CS(für englisch Circuit Switched, leitungsvermittelt)-Domain und der Timer T315 zur PS(für englisch Packet Switched, packetvermittelt)-Domain. Die für den Zeitnehmer T314 und für den Zeitnehmer T315 nach dem Standard festgelegten Ablaufzeiten seien standardmäßig auch unterschiedlich. Es stehe dem Klagepatent nicht entgegen, wenn in bestimmten Situationen die Ablaufzeiten beider Bestimmungsmittel den Wert „Null“ aufweisen würden.
  50. Die Klägerin meint, ihr ständen die geltend gemachten Ansprüche auch im Hinblick auf die Standardessentialität des Klagepatents zu. Sie habe sich FRAND-konform in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH verhalten. Die Beklagte habe dagegen kein FRAND-gemäßes Gegenangebot gemacht.
  51. Der Verletzungshinweis im Sinne des EuGH-Urteils sei durch das Schreiben vom 04.12.2012 erfolgt.
  52. Die Antworten der Beklagten auf den Verletzungshinweis seien von Verzögerungstaktik geprägt gewesen; die Beklagte sei nicht lizenzwillig. So hat es – unstreitig – acht Monate gedauert, bis eine Geheimhaltungsvereinbarung abgeschlossen werden konnte, nämlich vom 29.01.2013 bis zum 03.09.2013. Bei den anschließend übersendeten, neun Claim Charts habe die Beklagte ebenfalls verzögernd agiert. Eine erste inhaltliche Reaktion zu drei der Claim Charts sei – unstreitig – erst am 25.06.2014 erfolgt. Auch die (unstreitig erfolgte) Nachfrage der Beklagten nach den (öffentlich zugänglichen) ETSI-Erklärungen für die Portfolio-Patente am 09.10.2014 habe offensichtlich nur eine Verzögerung bezweckt.
  53. Die Klägerin lizenziere nur weltweit und könne daher die Vorschläge der Beklagten für eine Lizenz schon deshalb nicht akzeptierten, da sie regional begrenzt sind und China ausschließen.
  54. Das von der Klägerin am 13.01.2017 unterbreitete Lizenzangebot entspreche FRAND-Grundsätzen. Bei der Höhe der Lizenzgebühren habe der Patentinhaber einen großzügigen Ermessenspielraum. Dies sei angemessen, wenn durch die Höhe der Lizenzgebühren der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Produktmarkt nicht eingeschränkt wird. Die Höhe der Lizenzgebühr sei nicht mathematisch zu bestimmen; entscheidend sei vielmehr, was marktüblich und angemessen ist. Die Lizenzrate müsse auf Durchschnittserwägungen und dem, was der Endverbraucher zu zahlen bereit ist, beruhen. Relevant sei dabei die Laufzeit der Patente, die Erteilung weiterer Patente, die Anzahl der Patente pro Land sowie gerichtliche Bestätigungen des Rechtsbestands und der Standardessentialität. Die verlangten Lizenzgebühren lägen am unteren Rand der marktüblichen Spanne. Die Beklagte würde ohne weiteres die maximale im Angebot vorgesehene Volumenrabattstufe erreichen.
  55. Die Angemessenheit der Höhe der geforderten Lizenzgebühren zeige auch der Vergleich mit anderen Lizenzverträgen. Dies belegten die in den (als Anlage vorgelegten) Artikeln von Stasik und von Armstrong genannten Lizenzgebühren oder auch die von der Beklagten selbst verlangten Lizenzgebühren für andere Patentportfolios. Beim Portfolio der Klägerin sei lizenzgebührenerhöhend zu berücksichtigen, dass dieses mehrere Standards umfasst (und nicht nur LTE wie bei Stasik und Armstrong). Die Angemessenheit der geforderten Lizenzgebühren ergebe sich auch aus den Lizenzgebühren, die in den Verfahren „T“ vor der Kammer und von der U. in einem Verfahren vor dem LG Mannheim verlangt werden. Die Beklagte selbst hat laut dem Aufsatz von Stasik einen Lizenzsatz von 1 % für ihr LTE-Portfolio aus 96 Patenten festgelegt.
  56. Die von der Klägerin geforderten Lizenzgebühren würden am Markt akzeptiert, wie eine Auswahl von über das Q der Klägerin bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen zeige. Die Klägerin behauptet hierzu, X % der lizenzbedürftigen Einheiten seien lizenziert, wobei dies teilweise bereits über die vorherige Patentinhaberin A erfolgt sei, die unter anderem V, W, X, Y und Z Kreuzlizenzen erteilt habe.
  57. Die übrigen Klauseln des angebotenen Lizenzvertrages seien ebenfalls marktkonform. Der Abschluss einer weltweiten Lizenz sei angemessen und zweckmäßig.
  58. Eine technische Diskussion werde nicht von allen Lizenznehmern gewünscht; wenn werde nur eine Proud List mit etwa 10 von 100 Patenten diskutiert.
  59. Die Beklagte sei zum Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens verpflichtet. Da die Beklagte sich aber zunächst geweigert habe, ein angemessenes Geheimhaltungsabkommen abzuschließen – und insbesondere nicht vor Ablauf der Replikfrist am 13.01.2071 das Angebot eines Geheimhaltungsabkommens vom 05.01.2017 angenommen hat – sei die Klägerin außer Stande gewesen, in der Replik vollumfänglich vorzutragen. Die Beklagte hätte bereits diese (erste vorgeschlagene) Fassung eines Geheimhaltungsabkommens abschließen müssen. Sie habe stattdessen nur fadenscheinige Gründe vorgebracht, um den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens zu torpedieren und zu verzögern. Insbesondere habe die Beklagte mit der Klägerin früher (vorprozessual) ein Geheimhaltungsabkommen abgeschlossen, über dessen Umfang der jetzige Vorschlag nicht hinausgeht – so hinsichtlich der Definition der vertraulichen Informationen und der Beweislastregel.
  60. Der Schriftsatz vom 19.05.2017 habe teilweise geschwärzt werden müssen, da die Parteien das abgeschlossene Geheimhaltungsabkommen (vom 18.05.2017) zunächst um die darin enthaltenen, geheimhaltungsbedürftigen Informationen ergänzen müssen. Dies habe die Beklagte bewusst verzögert, um der Klägerin entsprechenden Vortrag vor und in der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2017 unmöglich zu machen.
  61. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Vorlage von abgeschlossenen Lizenzverträgen. Dies sei völlig marktunüblich, insbesondere ohne den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens. Die Erläuterungen der Claim Charts und die Vorlage anderer Lizenzverträge berührten den Kern des Geschäfts der Klägerin, weshalb ein entsprechender Geheimnisschutz für sie essentiell sei. Es sei nicht marktüblich, dass potenzielle Lizenznehmer freien Einblick in ihre Lizenzverhandlungen gewähren; gleichsam gäbe es keine Pflicht zur Veröffentlichung interner Claim Charts. Die Vertraulichkeit von Claim Charts habe die Beklagte vorprozessual auch nie in Frage gestellt.
  62. Die Kündigung des ersten (vorgerichtlichen) Geheimhaltungsabkommen sei nur erfolgt, weil dieses auf Betreiben der Beklagten eine Nichtangriffsklausel enthielt, welche die Klägerin beseitigen wollte.
  63. Der Vortrag der Beklagten zum Patenthinterhalt sei irrelevant. Diese könne schon weder darlegen, dass eine alternative, patentfreie Technik standardisiert oder von einer Standardisierung Abstand genommen worden wäre, noch dass die Klägerin am vermeintlichen Hinterhalt von A beteiligt war, was auch tatsächlich nicht der Fall war. Rechtsfolge eines Patenthinterhalts sei ohnehin nur ein Anspruch auf eine FRAND-Lizenz.
  64. In den am 18.05.2017 eingereichten, nunmehr nicht mehr geschwärzten Teilen der Replik trägt die Klägerin vor, dass X.
  65. Die Klägerin habe die Lizenzgebühren auf Grundlage der vorgenannten Erwägungen festgelegt. X. Die Patente beträfen X.
  66. Ausgehend von X .
  67. Die Klägerin trägt in der ungeschwärzten Fassung der Replik (am 18.05.2017 eingereicht) zu X .Im Schriftsatz vom 19.05.2017 trägt die Klägerin vor, das neue von ihr am selben Tage der Beklagten unterbreitete Lizenzvertragsangebot trage den neuen Entwicklungen im Hinblick auf das Q der Klägerin Rechnung. Eine Maximalbelastung mit Lizenzgebühren sei praktisch nie relevant, da sie aufgrund von Kreuzlizenzen und nicht erfolgter Durchsetzung / Lizenzierung von standardessentiellen Patenten praktisch nie erreicht werde.
  68. Hinsichtlich der Berechnung der Beklagten zur angeblichen FRAND-Höhe bestreitet die Klägerin, dass A 45.000 Patente besitzt. Aufgrund der Aussage von A alleine lasse sich ohnehin eine angemessene Lizenzgebührenhöhe nicht ermitteln.
  69. Die Klägerin trägt vor, es sei von einem realistischen durchschnittlichen Endnutzerpreis für ein Gerät der Beklagten von EUR 300,00 auszugehen.
  70. Einzelne Ausreißer bei der Lizenzierung im Sinne von günstigeren Bedingungen für nur einen anderen Markteilnehmer könnten nicht zur einer sachwidrigen Ungleichbehandlung führen. Eine Meistbegünstigung verlange das Kartellrecht nicht. Ein SEP vermittele keine „echte“ marktbeherrschende Stellung, so dass der SEP-Inhaber zur Lizenzvergabe gezwungen sei, Rabatte einzuräumen. Bei dem später zusätzlich in dem Verfahren eingeführten X Lizenzvertrag F seien keine höheren Lizenzgebühren durchsetzbar gewesen.
  71. Anpassungsklauseln für den Wegfall von Patenten aus dem Portfolio seien nicht marktüblich. Es werde vielmehr ein gemittelter Wert angesetzt, der das Auslaufen von Patenten berücksichtigt. Zudem sei das Angebot der Klägerin so günstig, dass die Lizenzgebühren auch beim Wegfall von Schutzrechten noch gerechtfertigt wären. Auch die Beklagte akzeptiere Portfolioverträge ohne Anpassungsklausel.
  72. Eine Bankgarantie sei am Markt etabliert. Gleiches gelte für Abschluss- oder Verwaltungsgebühren wie der Entrance Fee hier.
  73. In China und den USA seien Handlungen, die im EPÜ eine mittelbare Patentverletzung darstellen würden, ebenfalls vom Patentrecht erfasst.
  74. Die Beklagte trage keine schlüssigen Anhaltpunkte für eine Lizenzierung durch D und damit für einen Erschöpfungssachverhalt vor. Die Klägerin sei nicht im Besitz von Lizenzunterlagen zwischen A und D, so dass keine Vorlageanordnung ergehen könne. Gegenüber A und D diene der Anordnungsantrag der Ausforschung. Die Beklagte könne als Vertragspartner von D selbst zu den Lizenzverträgen vortragen. A habe aber bestätigt, dass A an D keine Lizenz erteilt hat und D ebenfalls nicht lizenziert ist. Für die überwiegende Zahl der Geräte, die mit Chipsätzen von anderen Herstellern als von D ausgestattet sind, komme – unstreitig – eine Erschöpfung nicht in Betracht.
  75. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren nachdem mit Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19.05.2017 (Anlage TW37) erteilten qualifizierten Hinweis nunmehr in der Hauptsache auf eine nicht erteilte Anspruchsfassung des Klagepatents, die sie hilfsweise auch im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens geltend macht. Hilfsweise hält sie in dem vorliegenden Verletzungsverfahren an dem ursprünglichen, auf den erteilten Anspruch 17 gestützten Klagebegehren fest. In dem nachfolgend wiedergegebenen Hauptantrag sind die zusätzlich aufgenommenen bzw. abgewandelten Merkmale unterstrichen.
  76. Die Klägerin beantragt:
  77. I. Die Beklagte zu verurteilen:
  78. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  79. Kommunikationsvorrichtungen eines Mobilfunksystems, umfassend Mittel zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung, wobei die Funkverbindung mehrere aktive Funkträger aufweist, die zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung gehören, umfassend Mittel zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen, wobei die erste Kategorie von Diensten Echtzeitbezogene Dienste umfasst, und Mittel zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen, wobei die zweite Kategorie von Diensten Nicht-Echtzeitbezogene Dienste umfasst, wobei die zweite Kategorie von Diensten sich von der ersten Kategorie von Diensten unterscheidet und wobei die zweite Ablaufzeit größer ist als die erste Ablaufzeit,
  80. -Klagepatent EP C, Anspruch 17-
  81. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den vorstehend genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  82. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. September 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
  83. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  84. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  85. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  86. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  87. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Oktober 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
  88. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  89. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  90. c) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  91. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  92. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  93. 4. die in ihrem (der Beklagten) unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziff. I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Vernichtung selbst vorzunehmen;
  94. 5. die unter Ziff. I. 1. bezeichneten, seit dem 12. September 2007 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  95. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A durch Handlungen entsprechend Ziffer I. 1. in der Zeit vom 12. Oktober 2007 bis zum 30. Mai 2011, der B durch Handlungen entsprechend der Ziffer I. 1. in der Zeit vom 31. Mai 2011 bis zum 10. Mai 2012 und der Klägerin durch Handlungen entsprechend der Ziffer I. 1. Seit dem 11. Mai 2012 entstanden ist und noch entstehen wird.
  96. Die Klägerin beantragt weiter hilfsweise:
  97. I. Die Beklagte zu verurteilen:
  98. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  99. Kommunikationsvorrichtungen eines Mobilfunksystems, umfassend Mittel zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung, wobei die Funkverbindung mehrere aktive Funkträger aufweist, die zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung gehören, umfassend Mittel zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen, und Mittel zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung in Bezug auf die Funkträger zulässig ist, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen, wobei die zweite Kategorie von Diensten sich von der ersten Kategorie von Diensten unterscheidet und wobei die zweite Ablaufzeit sich von der ersten Ablaufzeit unterscheidet,
  100. -Klagepatent EP C, Anspruch 17-
  101. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den vorstehend genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  102. Anträge Ziff. I. 2. – 5., Ziff. II. sowie die oben aufgeführten Anträge, jedoch zurückbezogen auf den hilfsweise geltend gemachten Antrag Ziff. I. 1.
  103. Die Beklagte beantragt:
  104. Die Klage abzuweisen;
  105. Hilfsweise:Das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen den deutschen Teil E des Klagepatents auszusetzen.
  106. Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden die Lehre des Klagepatents nicht verwirklichen. Insbesondere verlange der UMTS-Standard die Verwirklichung des Klagepatents nicht zwingend. Auch sei nicht ausreichend, dass die angegriffenen Ausführungsformen geeignet seien, die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs zu erfüllen.
  107. Aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Standard ergebe sich nicht, dass ein Endgerät zwingend über mehrere, noch dazu aktive Funkträger verfügen müsse. Denn dort werde lediglich beschrieben, dass das Verfahren dazu diene, einen oder mehrere Funkträger aufzubauen. Dass die angegriffenen Ausführungsformen abstrakt in der Lage seien, für den Betrieb von mehreren Funkträgern hergerichtet zu werden, weise eine Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre nicht hinreichend nach.
  108. Der Standard enthalte auch keinen Hinweis darauf, dass der Zeitnehmer T315 in der Kommunikationsvorrichtung überhaupt vorhanden sein muss. Die Stelle aus Ziffer 8.3.1.2 (Anlage AR B-20) gebe lediglich wieder, was passiere, falls der in einem Zeitnehmer T315 gespeicherte Wert größer als 0 (das heißt nicht deaktiviert) ist, und stelle nur eine mögliche von mehreren Ausgestaltungen dar. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, dass T315 den Wert „0“ erhalte, womit eine klagepatentgemäße Ablaufzeit nicht definiert werde.
  109. In dem Standard fehle es auch an einer klaren Zuweisung der beiden Zeitnehmer T314 und T315 zu verschiedenen Dienstkategorien.
  110. Da die Funkträger nach dem Standard nicht eindeutig zu unterschiedlichen Zeitnehmern zugewiesen werden würden, fehle es auch an einer von der ersten Ablaufzeit zu unterscheidenden zweiten Ablaufzeit.
  111. Die von der Klägerin in den Patentanspruch 17 neu aufgenommenen Merkmale würden den qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts nicht hinreichend Rechnung tragen und eine grundlegende Neubewertung der Verletzungsfrage notwendig machen.
  112. Die Beklagte trägt weiter vor, das Klagepatent vermittele eine marktbeherrschende Stellung. Folge man dem Vortrag der Klägerin zur Verletzung, so sei die Nutzung der patentgemäßen Lehre bei der Befolgung des UMTS-Standards zwingend. Ohne die Unterstützung dieses Standards sei ein Mobiltelefon (unstreitig) nicht marktfähig. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Verpflichtung und das Vertrauen des Markts an die Vergabe von FRAND-Lizenzen ergebe sich zudem aus der Abgabe einer ETSI-FRAND-Erklärung.
  113. Die Beklagte erhebt den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand). Die Klägerin sei den Vorgaben im EuGH-Urteil in der Sache Huawei ./. I (C-170/13, nachfolgend kurz: das EuGH-Urteil) nicht nachgekommen. Die Klägerin habe vor Klageerhebung nicht gemäß den EuGH-Vorgaben über das Klagepatent und die Art und Weise der Verletzung aufgeklärt. Die Klageschrift könne nicht diese Vorgabe erfüllen, da ein solcher Verletzungshinweis vor Klageerhebung zu erfolgen habe.
  114. Zum Nachweis der FRAND-Gemäßheit ihres Lizenzvertragsangebots müsse die Klägerin mit Dritten geschlossene Lizenzverträge transparent machen. Ein FRAND-gemäßes Angebot erfordere ein annahmefähiges, geschlossenes Vertragswerk. Da die Klägerin im hiesigen Verfahren zunächst nur X abgeschlossene Lizenzverträge vorlegt hat, gegenüber X Verträgen im Parallelverfahren R ./. S vor dem OLG Düsseldorf, sei zu vermuten, dass der X Lizenzvertrag die diskriminierende Lizenzierungspraxis der Klägerin belege. Die Klägerin müsse bei ihrem Angebot darlegen, wie sich die geforderten Gebühren berechnen.
  115. Die Angebote der Klägerin seien nicht FRAND bzw. teilweise schon kein geschlossenes Vertragswerk. Die Klägerin habe zudem nicht dargelegt, wie sich die geforderten Lizenzgebühren errechneten. Die Klägerin könne auch keine gelebte Lizenzierungspraxis auf Grundlage der von ihr behaupteten Standardlizenzgebühren darlegen. Die – zunächst nur geschwärzt vorgelegten – Lizenzverträge gäben kein repräsentatives Bild ab. Die Klägerin lasse Lizenzverträge unter den Tisch fallen.
  116. Der Klage sei kein substantiierter Vortrag zu einem FRAND-Angebot der Klägerin zu entnehmen. Die Klägerin habe vor Erhebung der Klage kein FRAND-Angebot vorgelegt. Das Angebot vom 01.12.2015 sei zu kurzfristig vor der Klageerhebung gegen die Beklagte (I) erfolgt. Es enthalte keine ausreichenden Angaben zur Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren. Es fehle zudem eine Abdeckung für den Standard CDMA2000. Eine Anpassung der Lizenzgebühren bei Wegfall von Schutzechten sei im Angebot – unstreitig – nicht vorgesehen.
  117. Die geforderten Lizenzgebühren seien überhöht und deshalb nicht FRAND. Eine Lizenzgebühr von EUR X pro Patent – wie sie Klägerin propagiert – sei offensichtlich überhöht; denn sie führe bei einer Gesamtzahl von 15.000 standardrelevanten Patenten für GSM, UMTS und LTE zu Lizenzgebühren von über EUR X pro Gerät. Es komme für die Lizenzgebührenhöhe sehr wohl auf die Anzahl der Schutzrechte in einem Portfolio an.
  118. Der Stasik-Aufsatz gebe nicht die Realität wieder, sondern basiere nur auf Veröffentlichungen der jeweiligen Patentinhaber; die tatsächlichen Lizenzsätze lägen darunter. Weiterhin umfasse dieser Aufsatz nur LTE, das nur einer von mehreren Standards im Portfolio der Klägerin ist. Für den Aufsatz von Armstrong gelte das gleiche.
  119. Die Beklagte bestreitet, dass das Q der Klägerin vergleichbar mit anderen von der Klägerin angeführten Patentportfolios ist; aus anderen Patentportfolios lasse sich daher nichts für eine angemessene Lizenzgebühr im vorliegenden Fall herleiten. Das Portfolio für den AMR-WB-Codec aus dem Verfahren T betreffe eine High-End-Technologie, die nur für hochpreisige Endgeräte genutzt werde. Das Q der Klägerin betrifft – unstreitig – nur in 4 Patentfamilien LTE und sei daher mit LTE-Portfolios – wie etwa dem des Konzerns der Beklagten – nicht vergleichbar.
  120. Das Verhalten der Klägerin, wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung umfangreich vorzutragen, sei vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils unzulässig. Ein FRAND-Vertragsangebot könne nicht schrankenlos im Prozess nachgeholt werden. In Bezug auf die Replik rügt die Beklagte Verspätung hinsichtlich der geschwärzten Passagen. Die Beklagte habe keine Gelegenheit mehr, den Schriftsatz im Zusammenhang zu würdigen. Eine Überprüfung der Claim Charts sei innerhalb weniger Tage nicht möglich. Zu dem Schriftsatz vom 19.05.2017, der Beklagten zugestellt am 22.05.2017, könnte die Beklagte ebenfalls nicht mehr Stellung nehmen.
  121. Die Beklagte tappe im Dunkeln, wo die Unterschiede zwischen den beiden Versionen des Angebots vom 19.05.2017 liegen. Es sei völlig unklar, was die Klägerin zur Abänderung ihres Angebots veranlasst haben könnte. Die Angebote seien materiell-rechtlich unbeachtlich. Die Beklagte werde um jeden angemessenen Prüfungszeitraum gebracht. Nach den Vorgaben des EuGH müssen die Lizenzvertragsangebote des SEP-Inhabers grundsätzlich vor Klageerhebung erfolgen. Auch wenn Ausnahmen hiervon zulässig sein sollten, so doch nur, wenn das Angebot so rechtzeitig erfolgt, dass die Beklagte es ohne unangemessenen Zeitdruck prüfen und darauf reagieren könne. Der verspätete Vortrag sei auch nicht mit Geheimhaltungsinteresse zu rechtfertigen.
  122. Weiterhin fehle im angebotenen Vertrag eine Preisanpassungsklausel, nach der die Lizenzgebühren bei Ablauf von Schutzrechten aus dem Portfolio sinken. Die Befristung der Vertragslaufzeit könne dies nicht kompensieren, sondern sei ein unzulässiger Versuch der Umgehung.
  123. Das OLG Düsseldorf habe entschieden, dass das Fordern einer Bürgschaft, wie sie im Angebot vorgesehen ist, für die Lizenzgebühren nicht FRAND-konform ist. Auch die verlangte Entrance Fee von EUR 5.000,00 sei nicht FRAND-konform.
  124. Die Klägerin koppele zudem in unzulässiger Weise standardessentielle mit nicht-standardessentiellen Patenten. Sie habe es versäumt, die Lizenzgebühren zu reduzieren, nachdem sie zugeben musste, dass ein Teil der Patente in ihrem Portfolio nicht standardessentiell sind.
  125. Die Klägerin habe weitere Claim Charts nicht (rechtzeitig) im ausreichenden Maße der Beklagten zur Verfügung gestellt. Die Klägerin habe – entgegen ihrem Vortrag – nur Claim Charts zu sieben Patenten übermittelt. Eine repräsentative Auswahl im Sinne einer „Proud List“ liege nicht vor.
  126. Das klägerische Lizenzvertragsangebot sei missbräuchlich, weil hierin Lizenzgebühren für Geräte vorgesehen seien, für die entweder Erschöpfung eingetreten ist oder für die bereits die volle Gegenleistung für die Patentnutzung entrichtet wurde. Die Angebote der Klägerin berücksichtigten nicht die eingetretene Erschöpfung der Patentrechte der Klägerin bei angegriffenen Ausführungsformen mit Chipsätzen von D. A habe mit D eine Lizenz über das Q abgeschlossen und hierfür eine angemessene Gegenleistung erhalten. Diese Lizenz gelte auch nach Übertragung der Patente fort. Die Chipsätze von D in den angegriffenen Ausführungsformen seien (teilweise) mit Zustimmung der Patentinhaberin von D in Verkehr gebracht worden. Die Lehre des Klagepatents werde – wenn man der Argumentation der Klägerin folgt – nur durch die Chipsätze verwirklicht. Damit sei in den Ländern, in denen die Chipsätze von D in Verkehr gebracht wurden und in allen anderen Ländern, die eine internationale Erschöpfung anerkennen, Erschöpfung eingetreten; insbesondere sei in China Erschöpfung eingetreten. In Ländern, in denen keine formelle Erschöpfung eingetreten sei, dürften aus FRAND-Gesichtspunkten keine Lizenzgebühren verlangt werden, da eine angemessene Gegenleistung für die Nutzung der Patente bereits (durch D) erbracht wurde. Diesem Umstand werde im angebotenen Lizenzvertrag nicht Rechnung getragen.
  127. Die Beklagte sei willig, einen FRAND-Lizenzvertrag abzuschließen. Zu diesem Zweck habe sie FRAND-konforme Gegenangebote abgegeben. Grundlage für die dort zugrundgelegte FRAND-Lizenzgebühr seien die Zusagen von A, wonach ein Höchstwert für das A-Patentportfolio bei 2 % des Endgerätpreises liegen dürfe. Da das Portfolio von A ca. 45.000 Patente enthalte, während das Portfolio der Klägerin 450 Patente enthalte, sei hierfür ein Lizenzsatz von 0,02 % angemessen. Bei der Umrechnung sei ein Gerätepreis von USD 100,00 realistisch. Ein weiteres Gegenangebot sei ausgearbeitet, könne aber erst nach Abschluss eines punktgenauen NDA übermittelt werden.
  128. Die Klägerin habe viel zu spät den Entwurf eines Geheimhaltungsabkommens übersandt, nämlich (unstreitig) am 05.01.2017 – und damit nur eine Woche vor Ablauf der Replikfrist. Diese Frist sei viel zu kurz bemessen gewesen.
  129. Die Klägerin habe aufgrund der Kündigung des vereinbarten Geheimhaltungsabkommens ohnehin keinen Anspruch auf Abschluss eines (neuen) Geheimhaltungsabkommens. Auch habe die Klägerin vertrauliche Dokumente ohne Geheimhaltungsabkommen übersendet und so verdeutlicht, dass sie kein echtes Geheimhaltungsinteresse habe. Die Ablehnung der zunächst von der Klägerin vorgeschlagenen Geheimhaltungsabkommen sei sachlich begründet gewesen.
  130. Hätte die damalige Patentinhaberin A die Standardisierungsgremien pflichtgemäß über das Klagepatent in Kenntnis gesetzt, wäre dessen Lehre nicht in den Standard aufgenommen worden; zumindest könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass eine patentfreie Lösung implementiert worden wäre. Diesen Patenthinterhalt von A müsse sich die Klägerin als jetzige Patentinhaberin zurechnen lasse. Dies führe zu einer Freilizenz.
  131. Schließlich werde sich das Klagepatent – wie der qualifizierte Hinweis des Bundespatentgerichts belege – auch als nicht rechtsbeständig erweisen, weil dessen technische Lehre nicht neu sei, nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe und unzulässig erweitert sei.
  132. Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.04.2017 den Parteien Hinweise erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und Urkunden sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 30.05.2017 verwiesen.
  133. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

  134. Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, Erfolg. Im Übrigen, soweit der Unterlassungsanspruch sowie die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung und der auf Rechnungslegung über Kosten und Gewinne gerichtete Anspruch betroffen sind, ist die Klage derzeit unbegründet.
  135. A.Die Klage ist zulässig.
  136. Insbesondere steht die zwischen der Beklagten und der Klägerin im Rahmen des am 03.09.2013 geschlossenen Geheimhaltungsabkommens vereinbarte Nichtangriffsabrede (Anlage TW1, deutsche Übersetzung, auszugsweise: Anlage TW1a, dort Ziff. 12.) der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Eine Klageerhebung war der Klägerin jedenfalls seit dem 04.10.2016, mithin auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, möglich. Unbeschadet des zwischen den Parteien bestehenden Streits, ob die Kündigungserklärung der Klägerin vom 13.10.2014 (Anlage TW6/ TW6a) die Vereinbarung wirksam vorzeitig beenden konnte, entfaltet die Geheimhaltungsvereinbarung aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 30.06.2014 (Anlage TW5/ Anlage TW5a) jedenfalls seit dem 03.09.2016 keine Wirkung mehr. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin auch nach Beendigung der Kündigung noch 30 Tage bis zur Einleitung gerichtlicher Schritte zuwarten musste, konnte eine Klage jedenfalls ab dem 04.10.2016 zulässigerweise erhoben werden.
  137. B.Die Klage ist teilweise begründet.
  138. Da die angegriffenen Ausführungsformen die Lehre des Klagepatents verletzen (dazu unter Ziff. III.), stehen der aktivlegitimierten Klägerin (dazu unter Ziff. I.) die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB ganz überwiegend zu, unbegründet ist lediglich der Rechnungslegungsanspruch, soweit er Angaben über Kosten und Gewinne erfasst (dazu unter Ziff. VII.). Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass eine Erschöpfung eingetreten ist (dazu unter Ziff. IV.), auch greift der Einwand eines Patenthinterhalts nicht durch (dazu unter Ziff. VI.). Die auf Unterlassen, Rückruf und Vernichtung gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 140a Abs. 1, 3 PatG gerichtete Klage ist aus kartellrechtlichen Gründen derzeit unbegründet (dazu unter Ziff. V.). Die Kammer sieht zudem im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung von einer Aussetzung der Verhandlung gem. § 148 Abs. 1 ZPO ab (dazu unter Ziff. VIII.).
  139. I.Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
  140. Sie ist als Inhaberin im Patentregister eingetragen, weswegen sie schon auf Grundlage von § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG berechtigt ist, Unterlassung zu verlangen, weil die Unterlassung nicht gegenüber dem Patentinhaber, sondern schlechthin geschuldet ist und die genannte Norm den eingetragenen Inhaber zur Geltendmachung der Rechte aus dem Patent prozessual berechtigt. Die Klägerin hat darüber hinaus aber auch die zur Geltendmachung der anhängigen Schadensersatz-, Auskunfts- und Rechnungslegungsanträge erforderliche Sachberechtigung, für welche es auf die materielle Rechtslage ankommt (BGH, GRUR 2013, 713, Rn. 54, 57 – Fräsverfahren). Dies gilt insbesondere für das Feststellungsbegehren, welches sich auf Schadensersatzansprüche der Klägerin selbst (und die zugehörigen Auskunfts- und Rechnungslegungsanträge) bezieht (dazu unter Ziff. 1.), aber auch für solche Schadensersatzansprüche (und die zugehörigen Auskunfts- und Rechnungslegungsanträge), die ursprünglich in der Person der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin entstandene Schäden betreffen (dazu unter Ziff. 2.).
  141. 1.Die Klägerin ist zur Geltendmachung eigener Ansprüche ab dem 11.05.2012 (= Zeitpunkt der Vereinbarung des Rechtsübergangs mit der A., Anlage AR2c) berechtigt.
  142. Die Eintragung im Patentregister, die zwar nicht rechtsbegründend wirkt, entfaltet dennoch eine Indizwirkung sowohl für die materielle Richtigkeit der eingetragenen Inhaberschaft als auch für die Richtigkeit des Übertragungszeitpunktes, wenn und soweit die Eintragung eines neuen Inhabers in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zu der behaupteten Übertragung des streitgegenständlichen Patents steht (BGH, ebd., Rn. 60 – Fräsverfahren). In einem solchen Fall muss die Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche von dem Registerstand ab, konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt (a. a. O.).
  143. Nach dieser Maßgabe gilt für die hier zur Prüfung stehende Übertragungskette im Hinblick auf die einzelnen Übertragungsakte Folgendes:
  144. a)Die Anmeldung des Patents erfolgte durch die A., welche das Klagepatent mit Vereinbarung vom 31.05.2011 auf den F(später: G; vgl. Anlage AR2b) übertragen hat (Anlage AR2a; Klagepatent dort auf Bl. 14 „Exhibit B“, 4. Zeile von unten, mit dem A Code 29997 genannt).
  145. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Übertragung der Rechte durch die A. greift vorliegend die dem Register innewohnende Indizwirkung. Zwar liegt zwischen dem Zeitpunkt der Rechteübertragung (31.05.2011) und der Eintragung derselben im Register am 15.02.2012 ein die übliche Eintragungsdauer überschreitender Zeitraum von achteinhalb Monaten. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die an dem Vertrag beteiligten Parteien nicht in Deutschland ansässigen waren, so dass für das Bewirken der Eintragung ein größerer Zeitbedarf entstand.
  146. Dies berücksichtigend steht der Einwand der Beklagten, die die Vereinbarung vom 31.05.2011 (Anlage AR2a) unterzeichnenden Personen – auf Seiten der A. Herr AA und Herr BB und auf Seiten des F die CC als „Trustee“, diese vertreten durch Herrn DD– seien nicht vertretungsbefugt gewesen, einer wirksamen Rechteübertragung nicht entgegen. Insoweit ist weiter auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin anhand eines Auszugs aus dem Handelsregister vom 26.05.2011 (Anlage AR B-23) nachgewiesen hat, dass Herr AA und Herr BB jedenfalls bis zum 26.05.2011 bevollmächtigt waren, die A. gemeinschaftlich zu vertreten. Denn dort (auf Seite 10) heißt es bei namentlicher Nennung auch der Herren AA und BB (Übersetzung der Klägerin, Bl. 149 GA):
  147. „Bevollmächtigt das Unternehmen zu zweit zusammen zu repräsentieren oder jeder von diesen zusammen mit einem Mitglied des Vorstandes oder einer anderen Person, welche das Unternehmen vertreten darf.“
  148. Wie der Handelsregisterauszug vom 07.10.2011 (Anlage AR B-24) belegt, bestand die Bevollmächtigung auch noch im Oktober 2011, mithin jedenfalls auch im Zeitpunkt des hier maßgeblichen Vertragsschlusses am 31.05.2011. Die Beklagte ist der Vertretungsbefugnis der Herren AA und BB auch nach Vorlage der Auszüge nicht weiter entgegengetreten.
  149. Des Weiteren hat die Klägerin im Hinblick auf eine Vertretung des F durch die CC diese vertreten durch Herrn DD, nachvollziehbar dargelegt, dass die CC als Treuhänder des F fungiert habe, und sich eine gesetzliche Vertretungsbefugnis insoweit aus Titel 12, Chapter 38, § 3806 Abs. (a) des Delaware Codes (auszugsweise vorgelegt als Anlage AR B-25) ergebe,
  150. „Sofern nicht anderweitig in den Vereinbarungen über eine gesetzliche Treuhandgesellschaft geregelt, werden die Geschäfte und Angelegenheiten einer gesetzlichen Treuhandgesellschaft durch oder unter der Leitung des Treuhänders erfolgen.“ (deutsche Übersetzung der Klägerin, Bl. 150 GA).
  151. Des Weiteren sei in dem Recht des Staates Delaware die Vertretung eines Treuhänders durch einen „Officer“ vorgesehen,
  152. „Sofern nicht anderweitig in der Vereinbarung über eine gesetzliche Treuhandgesellschaft geregelt, ist ein Treuhänder einer gesetzlichen Treuhandgesellschaft berechtigt, an eine oder mehrere andere Personen die Rechte und Führungsbefugnisse des Treuhänders, die Geschäfte und Angelegenheiten der gesetzlichen Treuhand zu führen und zu kontrollieren, zu übertragen. Dieses beinhaltet die Übertragung an Vertreter, leitende Angestellte/ Officer und Angestellte des Treuhänders oder der Treuhandgesellschaft sowie die Übertragung durch Managementvereinbarung sowie durch Vereinbarung mit oder an andere Personen.“ (Anlage AR B-25, Titel 12, Chapter 38, § 3806, Abs. i, deutsche Übersetzung der Klägerin, Bl. 151 GA),
  153. und handele es sich bei Herrn DD um einen solchen. Dafür spricht auch, die notariell beurkundete Erklärung des Herrn DD, auf Seite 3 f. der Vereinbarung vom 31.05.2011 (Anlage AR 2a):
  154. „DD bestätigt, dass er als leitender Angestellter berechtigt ist, den Vertrag für das Unternehmen zu unterzeichnen.“ (deutsche Übersetzung der Klägerin, Bl. 151 GA).
  155. Die Beklagte hat auch insoweit keine dem Vortrag der Klägerin entgegenstehenden konkreten Tatsachen mehr vorgebracht.
  156. b)Weiter steht fest, dass die Klägerin aufgrund der Vereinbarung mit dem G vom 11.05.2012 Inhaberin des Klagepatents geworden ist (Anlage AR2c; Klagepatent dort auf S. 15, 2. Zeile von unten, mit dem A Code 29997 genannt).
  157. Auch für den hier in Rede stehenden Übertragungsakt gelangt die Indizwirkung des Patentregisters zur Anwendung. Zwischen dem Rechtsübergang durch Unterzeichnung des Vertrags vom 11.05.2012 (Anlage AR2c) und der Eintragung der Klägerin als Patentinhaberin am 01.10.2012 liegt ein Zweitraum von knapp fünf Monaten, welcher bei Berücksichtigung der Beteiligung einer außerhalb der EU ansässigen Partei einen hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Rechtsübergang und der Eintragung des Inhaberwechsels in das Register erkennen lässt. Der Indizwirkung steht nicht entgegen, dass am 11.05.2012 – bevor die Klägerin als Patentinhaberin eingetragen wurde – zunächst die H als dem G folgende Patentinhaberin in das Register eingetragen worden ist, und am 06.09.2012 die Rückeintragung des G als Patentinhaber erfolgte. Anhaltspunkte dafür, dass den Eintragungen entsprechende Vereinbarungen zugrundlagen, liegen nicht vor. Vielmehr hat die Klägerin dargetan, dass es bei der Registerumschreibung auf Seiten des G zu einem Versehen gekommen ist, weil dieser mit der H parallel einen Vertrag geschlossen hatte. Diesem Vorbringen ist die Beklagte auch nicht mehr entgegengetreten.
  158. Die Beklagte hat die Indizwirkung auch nicht dadurch entkräftet, dass sie die Vertretungsbefugnis des Herrn EE, der die Vereinbarung (Anlage AR2c) auf Seiten der Klägerin unterzeichnet hat, in Zweifel gezogen und vorgetragen hat, dass die Klägerin nach dem maßgeblichen Recht (insbesondere Art. 53 LuxHG) grundsätzlich nur gemeinschaftlich durch den Verwaltungsrat, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht, vertreten werden kann. Die Klägerin hat anhand des Handelsregisterauszugs, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, nachgewiesen, dass Herrn EE als CEO im Zeitpunkt der Unterzeichnung die alleinige Vertretungsmacht oblag. Darin (Anlage AR b-26, S. 2) heißt es (Übersetzung der Klägerin):
  159. „Zeichnungsberechtigung: Berechtigung zur Vertretung der Gesellschaft mit seiner individuellen Unterschrift als CEO im Rahmen der Ausführung aller Geschäfte im Zusammenhang mit Gewerblichen Schutzrechten und Lizenzen.“
  160. Die Bestellung des Herrn EE datiert danach vom 23.09.2010 und entfaltet Wirkung jedenfalls bis zum Jahr 2012, in dem der Vertragsschluss erfolgte.
  161. 2.Die Klägerin ist auch berechtigt, Ansprüche ihrer Rechtsvorgängerinnen geltend zu machen. Denn sowohl die Vereinbarung zwischen der A und dem F vom 31.05.2011 (Anlage AR2b) als auch die Vereinbarung der Klägerin mit dem G vom 11.05.2012 (Anlage AR2c) sehen jeweils eine Abtretung von Ansprüche, die aufgrund vergangener patentrechtlicher Verletzungshandlungen entstanden sind, vor:
  162. „In addition, Assignor agrees to and hereby does sell, assign, transfer and convey unto Assignee all rights (i) in and to causes of action and enforcement rights for the Patent Rights including all rights to pursue damages, injunctive relief and other remedies for past, present and future infringement of the Patent Rights, […].”.
  163. II.Die klagepatentgemäße Erfindung betrifft allgemein die Technik der Wiederherstellung einer verlorenen Funkverbindung zwischen einem mobilen Endgerät und einer Basisstation in zellularen Funksystemen, insbesondere hat das Klagepatent die Optimierung des Wiederherstellungsverfahrens zum Gegenstand (Abs. [0001] des Klagepatents; Abschnitte ohne Bezeichnung sind im Folgenden solche des Klagepatents).
  164. Ein mobiles Kommunikationsnetz, welches eine drahtlose Kommunikation zwischen Benutzern innerhalb des Abdeckungsgebiets dieses Netzes ermöglicht, kann in zwei Hauptteile, das Funkzugangsnetz und das Kernnetz, unterteilt werden (Abs. [0002]), wobei im Stand der Technik ausweislich des Klagepatents Bestrebungen vorhanden sind, im Rahmen der Standardisierung Funkzugangsnetze mit verschiedenen Kernnetztypen und umgekehrt zu verbinden (Abs. [0003]). Das Klagepatent nennt als Beispiel solcher Kombinationsbestrebungen die 3GPP Spezifikationsarbeit, bei der eine WCDMA UTRAN Verbindungsmöglichkeit mit GSM-basierten (einschließlich) GPRS und IS-41 basierten Kernnetzen spezifiziert wird (Abs. [0003]).
  165. Die Spezifikationen vieler zellularer Funksysteme der zweiten Generation und der meisten Systeme der dritten Generation unterstützen Echtzeitdienste (RT) und Nicht-Echtzeitdienste (NRT) zwischen mobilen Endgeräten und Basisstationen (Abs. [0004]). RT-Dienste werden für zeitkritische Anwendungen (z. B. Sprache, Echtzeit-Videos) verwendet. Bei diesen nimmt der Benutzer deshalb auch sofort wahr, wenn es unangemessene Verzögerungen im Funkträger, der den Dienst liefert, gibt (Abs. [0004]). NRT-Anwendungen befördern hingegen üblicherweise Daten wie Emails oder heruntergeladene Dateien (Abs. [0004]).
  166. Dem Klagepatent zufolge kann es in zellularen Funksystemen oft vorkommen, dass eine Funkverbindung zwischen einem Benutzerendgerät und einer bedienenden Basisstation durch Interferenzen oder unvorteilhafte Signalausbreitungsbedingungen temporär verloren geht (Abs. [0005]). Die meisten zellulären Funksysteme sehen deshalb Anordnungen für das Wiederherstellen verlorener Verbindungen vor, so dass der Benutzer den Vorfall entweder gar nicht bemerkt, oder aber die verursachten Unannehmlichkeiten möglichst gering bleiben (Abs. [0005]). Als Beispiel für ein solches Wiederherstellungsverfahren nennt das Klagepatent diejenigen, die für eine RRC-Verbindung (Radio Resource Control, Funkressourcensteuerung) in den 3GPP-Spezifikationen (Partnerschaftsprojekt der dritten Generation) TS25.331, TS25.302, TS25.321 und TS25.322 definiert sind (Abs. [0005]).
  167. Im Folgenden schildert das Klagepatent den in den in Bezug genommenen Dokumenten niedergelegten Stand der Technik. Danach startet das mobile Endgerät, wenn es einen Verlust der Verbindung während des sog. CELL_DCH-Zustandes (Dedicated Channel; dezidierter Kanal) erkannt hat, einen Zeitnehmer, der als Zeitnehmer T314 oder als „Wiederherstellungszeitnehmer“ bezeichnet wird (Abs. [0006]). Wenn das mobile Endgerät herausfindet, dass es sich „in einem Dienstgebiet“ befindet, wo eine Wiederherstellung der Verbindung möglich ist, stoppt es den Zeitnehmer T314 und sendet eine Nachricht (RCC CONNECTION RE_ESTABLISHMENT REQUEST, RCC-Wiederherstellungsanforderung) auf der Aufwärtsverbindung CCCH oder dem gemeinsamen Steuerkanal (Abs. [0006]). Läuft der Zeitnehmer T314 ab, bevor das mobile Endgerät herausfindet, dass es sich „in einem Dienstgebiet“ befindet, muss das mobile Endgerät in einen RRC-Ruhezustand eintreten, in dem eine aktive Kommunikation mit Basisstationen nicht möglich ist (Abs. 0006]). Der Wert des Zeitnehmers T314 kann während der RRC-Verbindung in Abhängigkeit zu der aktuellen Dienstkonfiguration geändert werden und einen Wert zwischen 0 und 4095 Sekunden annehmen (Abs. [0007]). Er wird durch eine RNC (Radio Network Controller, Funknetzsteuerung) festgelegt, die ihn in einer dezidierten Steuernachricht an das mobile Endgerät sendet (Abs. [0007]).
  168. Ein ähnliches Verbindungswiderherstellungsverfahren, auf das das Klagepatent Bezug nimmt, ist in der WO FF offenbart (Abs. [0008]).
  169. Dem Klagepatent zufolge erweisen sich die vorbekannten Wiederherstellungsverfahren hinsichtlich ihrer Flexibilität in Bezug auf verschiedene Diensttypen als nachteilig. Dies kommt beispielsweise bei Echtzeit- und Nicht-Echtzeitdiensten zum Tragen. Eine RT-Verbindung toleriert keine langen Verzögerungen oder Unterbrechungen, weshalb der Wert des Zeitnehmers T314 (oder eines anderen Zeitnehmers, der für einen ähnlichen Zweck verwendet wird) einen relativ kleinen Wert (wenige Sekunden) erhalten sollte (Abs. [0009]). Wünschenswert sei hier sogar, die Wiederherstellungsmöglichkeit für RT-Träger „auszuschalten“, so dass wenn die UE die Funkverbindung verliert, eine sofortige Freigabe der RT-Träger erfolgt (Abs. [0009]). NRT-Verbindungen vertragen hingegen auch temporäre Verzögerungen in der Größenordnung von Minuten oder sogar zehn Minuten (Abs. [0009]). Sind bei einem mobilen Endgerät im Moment des Funkverbindungsausfalls Funkträger in Bezug zu Echtzeitverbindungen und in Bezug zu Nicht-Echtzeitverbindungen aktiv, erweist sich der gewählte Ablaufwert für den Wiederherstellungszeitnehmer für mindestens eine dieser Funkverbindungen als unpassend (Abs. [0009]). Neben der Klassifizierung von Echtzeit- und Nicht-Echtzeitdiensten sind weitere Unterscheidungen von Diensten möglich, die ebenfalls verschiedene Anforderungen in Bezug auf die Zeitsteuerung der Wiederherstellung der Verbindung erfordern (Abs. [0010]).
  170. Vor dem Hintergrund des dargestellten Stands der Technik nimmt es sich das Klagepatent unter anderem zur Aufgabe, ein Verfahren und eine Anordnung bereitzustellen, um eine Wiederherstellung der Verbindung auf eine Art und Weise zu ermöglichen, bei der die Erfordernisse der verschiedenen Typen von Diensten berücksichtigt werden können (Abs. [0011]).
  171. Zur Lösung der Aufgabe (technisches Problem) offenbart das Klagepatent unter anderem eine Kommunikationsvorrichtung eines Mobilfunksystems entsprechend des erteilten unabhängigen Anspruchs 17 mit den folgenden Merkmalen:
  172. 1. Kommunikationsvorrichtung eines Mobilfunksystems.
  173. 2. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (514, 605) zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung.
  174. 2.1. Die Funkverbindung weist mehrere aktive Funkträger auf.
  175. 2.2 Die aktiven Funkträger gehören zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung.
  176. 3. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit
  177. 3.1 für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung zulässig ist.
  178. 3.2 Diese Wiederherstellung erfolgt in Bezug auf die Funkträger, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen.
  179. 4. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit
  180. 4.1 für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung zulässig ist.
  181. 4.2 Diese Wiederherstellung erfolgt in Bezug auf die Funkträger, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen.
  182. 5. Die zweite Kategorie von Diensten unterscheidet sich von der ersten Kategorie von Diensten.
  183. 6. Die zweite Ablaufzeit unterscheidet sich von der ersten Ablaufzeit.
  184. Die in dem hiesigen Verletzungsverfahren von der Klägerin in der Hauptsache und in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren hilfsweise geltend gemachte modifizierte Fassung des Anspruchs 17 kann wie folgt gegliedert werden (die ergänzten bzw. veränderten Merkmale sind nachfolgend fett gedruckt):
  185. 1. Kommunikationsvorrichtung eines Mobilfunksystems.
  186. 2. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (514, 605) zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung.
  187. 2.1. Die Funkverbindung weist mehrere aktive Funkträger auf.
  188. 2.2 Die aktiven Funkträger gehören zu einer Funkressourcen-Steuerungsverbindung.
  189. 3. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit
  190. 3.1 für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung zulässig ist.
  191. 3.2 Diese Wiederherstellung erfolgt in Bezug auf die Funkträger, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie bereitzustellen,
  192. 3.3 wobei die erste Kategorie von Diensten Echtzeitbezogene Dienste umfasst.
  193. 4. Die Kommunikationsvorrichtung umfasst Mittel (511, 515, 605) zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit
  194. 4.1 für eine Zeitspanne, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung zulässig ist.
  195. 4.2 Diese Wiederherstellung erfolgt in Bezug auf die Funkträger, welche verwendet werden, um einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie bereitzustellen,
  196. 4.3 wobei die zweite Kategorie von Diensten Nicht-Echzeitbezogene Dienste umfasst.
  197. 5. Die zweite Kategorie von Diensten unterscheidet sich von der ersten Kategorie von Diensten.
  198. 6. Die zweite Ablaufzeit ist größer als die erste Ablaufzeit.
  199. III.Es liegen das Klagepatent verletzende Benutzungshandlungen im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG vor. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Dies gilt nicht nur für die zwischen den Parteien zu Recht unstreitigen Merkmale, im Hinblick auf welche weitere Ausführungen unterbleiben, sondern auch hinsichtlich der Merkmale 2.1, 3.3 und 4. – 6., deren Verwirklichung durch die angegriffenen Ausführungsformen zwischen den Parteien in Streit steht.
  200. 1.Das Merkmal 2.1, wonach die Feststellungsmittel (Merkmal 2) in der Lage sein müssen, den Ausfall in einer Funkverbindung, die mehrere aktive Funkträger aufweist, festzustellen, wird durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
  201. a)Nach der Systematik des Anspruchs 17 sehen die Merkmalsgruppen 2 – 4 jeweils Bestandteile der geschützten Kommunikationsvorrichtung vor, nämlich Mittel zum Feststellen eines Ausfalls in einer Funkverbindung (Merkmal 2), Mittel zum Bestimmen einer ersten Ablaufzeit (Merkmal 3) und Mittel zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit (Merkmal 4).
  202. Die Ausgestaltung der Mittel, die einen Ausfall in einer Funkverbindung feststellen können sollen, wird durch die Merkmale der Merkmalsgruppe 2 nicht konkretisiert. Die Funkverbindung wird – was der Fachmann bei der Ausgestaltung der Feststellungsmittel zu berücksichtigen hat – jedoch dadurch charakterisiert, dass sie mehrere Funkträger aufweist (Merkmal 2.1), das heißt mehrere Funkträger technisch zu der Funkverbindung beitragen. In einem engen Zusammenhang hierzu steht die Lehre des Merkmals 2.2, gemäß dem die aktiven Funkträger konkret betrachtet Teile der Funkressourcen-Steuerungsverbindung sind, mithin dazu beitragen, die auf der Funkverbindung zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen.
  203. Unter Funkverbindung versteht die Lehre des Klagepatents eine Verbindung zwischen einem Benutzerendgerät und einer Basisstation, wie sich dem Fachmann anhand der Beschreibung des im Stand der Technik auftretenden Problems einer Unterbrechung der Verbindung (Abs. [0005]) und anhand der Darstellung der Aufgabe des Klagepatents, wonach ein Verfahren zur Wiederaufnahme der Verbindung unter Berücksichtigung der Erfordernisse verschiedener Diensttypen geschaffen werden soll (Abs. [0011]), aber auch anhand der in der Klagepatentschrift beschriebenen und illustrierten bevorzugten Ausführungsbeispiele (Abs. [0037] a. A. unter Bezugnahme auf Fig. 1) offenbart. Der Funkträger trägt technisch zu dem Aufbau der Funkverbindung bei, indem er Dienste befördert,
  204. „Zusätzlich zu der Unterscheidung Echtzeit/ Nicht-Echtzeit ist es möglich, die Dienste, die über die Funkträger befördert werden, […]“ (Abs. [0010]).
  205. In Abhängigkeit zu dem von dem Funkträger transportierten Dienst oder Dienstkategorien sind unterschiedliche Zeiträume für die Wiederherstellung einer verlorenen Funkverbindung angemessen (Abs. [0009], [0017]). An diese (unterschiedlichen) Zeiträume knüpfen die Kategorien von Diensten deshalb auch in den Merkmalsgruppen 3 und 4 („Dienst oder Dienste einer ersten Kategorie“ und „Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie“) an, wenn es um die Mittel zur Bestimmung von Ablaufzeiten, innerhalb derer die verlorene Verbindung wiederhergestellt werden können soll, geht. Der Zusammenhang zwischen Identität eines Funkträgers und der Kategorie des Dienstes einerseits und der Mittel zum Bestimmen einer Ablaufzeit andererseits wird dem Fachmann auch in dem (allgemeinen) Beschreibungsteil dargestellt,
  206. „Gemäß der Erfindung werden getrennte Zeitnehmer oder einige Überwachungsanordnungen einer höheren Ebene für verschiedene Kategorien von Funkträgern definiert. Beispiele solcher Kategorien sind RT- und NRT-Funkträger, Funkträger eines CS-Bereichs (Circuit Switched, leitungsvermittelt) und eines PS-Bereichs (Packet switched, paketvermittelt) und Funkträger, die einen bestätigten Modus/ einen unbestätigten Modus oder ein Wiederübertragungsprotokoll des transparenten Modus der Schicht 2 verwenden, oder Funkträger, die gewisse spezifische Diensttypen bedienen, wie beispielsweise Audio, Video, oder E-Mail.“ (Abs. [0017]),
  207. „[…], wobei die maximale Zahl der Wiederherstellungszeitnehmer gleich die maximale Zahl der Funkträger ist.“ (Abs. [0018]),
  208. sowie unter Bezugnahme auf das in Figur 2a dargestellte bevorzugte Ausführungsbeispiel,
  209. „Ein extremer Fall ist der, bei dem jeder Funkträger einen eigenen Zeitnehmer hat.“ (Abs. [0042]).
  210. b)Auf der Grundlage der von der Klägerin in Bezug genommenen Stellen aus dem Standarddokument 3GPP TS25.331 v.7.2.0 (Anlage AR B-20) eröffnet der Standard jedenfalls die Möglichkeit der Nutzung mehrerer Funkträger durch die Kommunikationsvorrichtung. So heißt es unter Ziff. 8.2.2.1 (deutsche Übersetzung Anlage AR B-21) etwa:
  211. „Das Funkträger-Freigabe-Verfahren wird benutzt, um einen neuen/ neue Funkträger aufzubauen.“, und
  212. „Das Funkträger-Freigabe-Verfahren wird benutzt, um (einen) Funkträger freizugeben.“
  213. Weiter heißt es dort im Zusammenhang mit der Darstellung des RRC Verbindungs-Freigabe-Verfahrens in Ziff. 8.1.4.1 (deutsche Übersetzung Anlage AR B-21):
  214. „Zweck dieses Verfahrens ist die Freigabe der RRC-Verbindung einschließlich aller Funkträger und aller signalisierender Funkträger zwischen der UE und dem UTRAN.“
  215. Ausweislich der Vorschriften zur standardgemäßen Prozedur „RAB Information for setup“ nach Ziff. 8.6.4.2. (deutsche Übersetzung Anlage AR B-21),
  216. „Wenn das Informationselement (IE, information element) „Funkzugangsträger Information für Aufbau“ enthalten ist, wird das Verfahren benutzt, um Funkträger festzustellen, die zu einem Funkzugangsträger gehören, und das Benutzerendgerät (UE) soll:,
  217. schreibt der Standard im Rahmen dieser Prozedur auch die Errichtung einer Mehrzahl von Funkträgern vor. Dem ist zu entnehmen, dass nach dem Standard die Möglichkeit der Errichtung mehrerer Funkträger bestehen muss. Dafür spricht weiter auch der Inhalt der Tabelle 10.3.10 des Standarddokuments (Anlage AR B-28), der eine maximale Anzahl von Funkträgern („RB“ für englisch „radio bearer“) von 32 vorsieht.
  218. c)Den Umstand berücksichtigend, dass die angegriffenen Ausführungsformen Release 8 des Standards umsetzen, kann angenommen werden, dass die von diesen aufgebaute Funkverbindung mehrere Funkträger aufweisen kann.
  219. Dem Grundsatz der Abwärtskompatibilität folgend ist davon auszugehen, dass die angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls auch die Anforderungen des von der Klägerin im Hinblick auf eine Verletzung des Klagepatents in Bezug genommenen Standards der Version 7.2.0 erfüllen.
  220. Soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob der Standard auch erkennen lässt, dass mehrere aktive Funkträger vorhanden sein müssen, ergibt sich eine Verletzung des Klagepatents bereits daraus, dass die Beklagte nicht in Abrede stellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen geeignet sind, eine Funkverbindung mit mehreren Funkträgern aufzubauen. Dies ist für eine Patentverletzung ausreichend. Denn eine solche liegt auch dann vor, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind, und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen (BGH, GRUR 2006, 399, Rn. 21 – Rangierkatze). Insbesondere ist auch ausreichend, dass die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen nur in Ausnahmefällen erreicht werden (a. a. O.). Vorliegend kommt dies bereits auch in dem Anspruchswortlaut zum Ausdruck, wonach die Kommunikationsvorrichtung – unabhängig von ihrer Verwendung – lediglich „Mittel zum Feststellen eines Ausfalls in einer (durch das Merkmal 2.1) näher spezifizierten Funkverbindung“ aufweisen muss.
  221. Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht deshalb, weil der hier geltend gemachte unabhängige Klagepatentanspruch 17 die Merkmale des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 umsetzt. Streitgegenständlich ist der Erzeugnisanspruch, für den der dargelegte Maßstab im Hinblick auf eine patentrechtliche Benutzungshandlung gilt.
  222. 2.Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen auch über Mittel zum Bestimmen einer ersten und zweiten Ablaufzeit im Sinne der Merkmalsgruppen 3 und 4.
  223. a)Die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 korrespondieren mit denjenigen der Merkmalsgruppe 3. Nach Merkmal 3 sind Mittel zum Bestimmen einer Ablaufzeit vorgesehen, die – nach Merkmal 3.1 – eine Zeitspanne erfassen sollen, während der die Wiederherstellung der verlorenen Funkverbindung für einen Dienst oder Dienste einer bestimmten Kategorie (Merkmal 3.2.) zulässig ist. Nach Merkmalsgrupp 4 sind – in Abgrenzung zu dem Stand der Technik – in der klagepatentgemäßen Kommunikationsvorrichtung Mittel zum Bestimmen einer zweiten Ablaufzeit vorhanden, die sich auf einen Dienst oder Dienste einer zweiten Kategorie beziehen.
  224. Die Lehre des Klagepatents legt dabei weder die Ausgestaltung der Mittel zur Bestimmung der Ablaufzeit noch die Ablaufzeit fest, stellt diese mithin in das gestalterische Belieben des Fachmannes.
  225. Die als Zeitnehmer fungierenden Mittel müssen bei Berücksichtigung der ihnen nach dem Anspruchswortlaut zugewiesenen Funktion in der Lage sein, den Versuch einer Wiederherstellung der Verbindung in Bezug auf eine bestimmte Kategorie von Diensten zeitlich zu begrenzen. Für den Fachmann kommen in Abwesenheit der Benennung konkreter Mittel durch den Anspruchswortlaut räumlich-körperlich aber auch andere, beispielsweise rein signaltechnische oder auf eine Datenverarbeitung gestützte Mittel der Zeitnahme ebenso in Betracht wie solche Mittel, die zwar keine Zeit messen, aber auf andere Weise geeignet sind, diejenige Zeitspanne zu begrenzen, innerhalbe derer die Wiederherstellung von Diensten zulässig ist. In diesem Verständnis wird der Fachmann insbesondere durch Abschnitt [0019] gestärkt,
  226. „Ein Zähler, der die Anzahl der vollständig beschädigten Rahmen oder anderer diskreter Informationseinheiten [mit dem Zweck der Feststellung des Verlusts einer Funkverbindung] berechnet, kann die Pflichten eines Zeitnehmers übernehmen, so dass wenn der Zähler einen vorbestimmten Schwellenwert erreicht, man annehmen kann, dass der „Zeitnehmer“ abgelaufen ist.“,
  227. ausweislich dessen eine Zeitnahme auch durch die Veränderung von Fehlerraten erfolgen kann.
  228. Die Ablaufzeit wird weder durch den Anspruchswortlaut noch durch die Beschreibung des Klagepatents zahlenmäßig bestimmt. Der Fachmann entnimmt dem Klagepatent jedoch insoweit die Vorgabe, dass diese für die über Funkträger transportierten Dienste sinnvoll sein muss (Abs. [0010], [0011] und [0017]).
  229. Der nach Art. 70 EPÜ maßgebliche englische Anspruchswortlaut „expiry time for a period“ (deutsche Übersetzung: „Ablaufzeit, für eine Zeitspanne“), der im Übrigen keine Minimal- und/ oder Höchstangaben zu der Ablaufzeit enthält, gibt ein Verständnis, wonach die Ablaufzeit zwingend größer als „Null“ sein muss, nicht vor. Zwar mögen die Begriffe „period“/ „Zeitspanne“ nahelegen, dass sich die Ablaufzeit aus der Differenz zweier unterschiedlicher Zeitwerte ergibt. Bei diesem rein sprachlich-philologischen Verständnis darf jedoch die Auslegung des Anspruchs nicht verbleiben. Begriffe und Beschreibungen sind vielmehr so zu deuten, wie der angesprochene Durchschnittsfachmann diese bei Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Patentschrift sowie von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH, NJW-RR 2000, 259 (261) – Spannschraube). Nach dieser Maßgabe ergibt sich für den Fachmann, dass auch der Wert „Null“ eine klagepatentgemäße Ablaufzeit darstellen kann.
  230. Ein Anknüpfungspunkt bietet sich ihm dabei aus der Darstellung des Stands der Technik in dem einleitenden Teil der Beschreibung, ausweislich dessen das – orientiert an den Standarddokumenten TS25.331, TS25.302, TS25.321 und TS25.322 als „Zeitnehmer 314“ oder „Wiederherstellungszeitnehmer“ – bezeichnete Mittel zum Bestimmen einer Ablaufzeit einen Wert zwischen 0 und 4095 Sekunden einnehmen kann (Abs. [0007]). Bereits diese Formulierung bezieht den Wert „Null“ mit ein, was dem Fachmann auch vor dem Hintergrund sinnhaft erscheint, als diese Anzahl von Werten – insbesondere unter Einbeziehen des Wertes „Null“ – nach dem üblicherweise verwendeten Binärsystem genau anhand von 12 Bit darstellbar ist. Weiter wird nach dem in dem Klagepatent dargestellten Stand der Technik sogar das „Ausschalten“ der Wiederherstellungsmöglichkeit, was gerade bei einer auf den Wert „Null“ festgesetzten Ablaufzeit erfolgt, für RT-Träger als wünschenswert erachtet, so dass eine sofortige Freigabe des Funkträgers erfolgt (Abs. [0009]). Dass sich das Klagepatent von diesen Vorgaben aus dem Stand der Technik entfernen will, ist weder ausdrücklich erwähnt, noch der objektiven Aufgabe, wonach für jede Kategorie flexibel ein eigener Wert für die Ablaufzeit festgelegt können werden soll, zu entnehmen. Vielmehr erhält der Fachmann in Anbetracht dessen, dass die Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich offen lässt, ob die Mittel zum Bestimmen der Ablaufzeit auf eine Zeitmessung oder auf eine andere geeignete Methodik gestützt sind, gerade Anhaltspunkte dafür, dass es auf den Ablauf einer Mindestzeitspanne nicht ankommen kann.
  231. Die (neu eingefügten) Merkmale 3.3 und 4.3 sehen vor, dass die erste Dienstkategorie jedenfalls Echtzeitbezogene Dienste und die zweite Kategorie von Diensten jedenfalls Nicht-Echtzeitbezogene Dienste umfasst. Eine Beschränkung auf diese Dienste ist den Merkmalen – worüber die Parteien auch nicht streiten – nicht zu entnehmen.
  232. b)Der von der Klägerin in Bezug genommene Standard sieht auch eine Ausgestaltung entsprechend der Merkmalsgruppen 3 und 4 vor.
  233. Der Standard 3GPP TS25.331 v. 7.2.0 (Anlage AR B-20) legt – in Entsprechung zur Merkmalsgruppe 3 – unter Ziff. 8.3.1.2 (Anlage AR B-20, S. 162; nachfolgend deutsche Übersetzung, Anlage AR B-21, S. 5),
  234. „Bei Einleitung des URA (UTRAN Registration Area, UTRAN Registrierungsgebit)-Aktualisierungs- oder Zellen-Aktualisierungs-Verfahrens soll das UE (englisch für User Equipment):
  235. 1˃ […]1˃ wenn das UE sich im CELL_DCH Status befindet:
  236. 2˃ […]2˃ wenn der gespeicherte Wert des Zeitnehmers T314 größer ist als Null:
  237. 3˃ […]3˃ wenn keine Funkträger mit Funkzugangsträgern im Zusammenhang stehen, bei welchen in der Variablen ESTABLISHED_RABS der Wert des IE „Wiederherstellungs-Zeitnehmers“ auf „useT314“ oder „useT315“ festgesetzt ist und die Signalverbindung zu einer CS domain besteht:
  238. 4˃ den Zeitnehmer T314 starten.“,
  239. fest, dass ein Zeitnehmer T314 während der Versuche, die Funkverbindung aufzubauen, läuft, wobei das cell update-Verfahren nach den Ausführungen unter Ziff. 8.3.1.2 (Anlage AR B-20, S. 160; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 4) dann gestartet wird, wenn es zu einem Ausfall der Funkverbindung kommt. Bei Ablauf des Zeitnehmers T314 werden die Funkmittel freigegeben:
  240. „Bei Ablauf des Zeitnehmers T314 soll das UE:
  241. 1˃ […]1˃ wenn die Zeitnehmer T302 und T315 nicht laufen
  242. 2˃ […]2˃ alle Funkmittel freigeben;“ (Ziff. 8.3.1.13, deutsche Übersetzung, Anlage AR B-21).
  243. Der in Bezug genommene Standard sieht – in Entsprechung zur Merkmalsgruppe 4 – in Ziff. 8.3.1.2 (Anlage AR B-20, S. 162 f.; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 6) einen weiteren Zeitnehmer T315 vor:
  244. „Bei Einleitung des URA-Aktualisierungs- oder Zell-Aktualisierungs-Verfahrens soll das UE:
  245. 1˃ […]1˃ wenn das UE sich im CELL_DCH Status befindet:
  246. 2˃ […]2˃ wenn der gespeicherte Wert des Zeitnehmers T315 größer ist als Null:
  247. 3˃ […]3˃ wenn die Signalisierungsverbindung zur PS domain besteht:
  248. 4˃ den Zeitnehmer T315 starten;“
  249. Nach Ablauf des Zeitnehmers T315 werden die mit dem Zeitnehmer in Verbindung stehenden Funkträger (nach der soeben zitierten Textstelle sowie der Tabelle unter Ziff. 13.1. S. 1701, erste Zeile; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 12 insbesondere PS(englisch für Packet Switched; paketvermittelt)-Dienste) gestoppt. Denn unter Ziff. 8.3.1.14 (Anlage AR B-20, S. 189 f.; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 7) heißt es:
  250. „Bei Ablauf des Zeitnehmers T315 soll das UE:
  251. 1˃ […]1˃ wenn die Zeitnehmer T302 und T314 nicht laufen:
  252. 2˃ […]2˃ alle Funkmittel freigeben.“
  253. Sofern die Beklagte anführt, aus dem Standarddokument gehe das Vorhandensein des Zeitnehmers T315 nicht als zwingend erforderlich hervor, so sprechen die angeführten Beschreibungsstellen, die sich auf eben einen solchen Zeitnehmer beziehen, bereits dagegen. Es wird auch nicht ausdrücklich beschrieben, dass dieser nicht vorhanden sein muss. Zudem ist der Zeitnehmer in der Tabelle Ziff. 10.3.3.43 des Standarddokuments (Anlage AR B-20, S. 548; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 10) als zwingendes in dem „UE“ definiertes Informationselement („MD“ für „mandatory default“) vorgesehen. Dass danach auch der Wert „Null“ für den Zeitnehmer T315 eingestellt werden kann, so dass dieser deaktiviert ist, ist nicht mit einer Situation gleichzusetzen, in der der Timer vollständig fehlt.
  254. Es steht auch der Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4 durch den Standard nicht entgegen, dass der Zeitnehmer T315 auf den Wert „0“ eingestellt werden kann. Denn – wie unter lit. a) dargestellt – wird auch in diesem Fall eine Ablaufzeit im Sinne des Klagepatents definiert, die dann jedoch zu einer sofortigen Freigabe des Funkträgers führt. Hinzukommt, dass der Standard – wie unter Ziff. 4. lit. b) noch näher ausgeführt wird – für T314 und T315 Standardwerte größer „Null“ vorsieht.
  255. Nach dem Standard ist weiter auch vorgesehen, den Zeitnehmern T314 und T315 Dienste derart zuzuordnen, dass der Zeitnehmer T314 Echtzeitbezogene Dienste und T315 Nicht-Echtzeitbezogene Dienste umfasst. So ist in Abschnitt 13.1 des Standarddokuments (Anlage AR B-20) vorgesehen, dass T314 für den Fall, dass eine RRC-Verbindung in die CS-Domain (Anlage AR B-20, S. 1070) und T315 für den Fall, dass eine RRC-Verbindung in die PS-Domain (Anlage AR B-20, S. 1071) besteht, verwendet wird. Aus Ziff. 10.2.39 des Standarddokuments (Anlage AR 128, S. 459) ergibt sich, dass über die CS-Domain Sprache oder Videos bereitgestellt werden, wobei es sich um Echtzeitdienste im Sinne des Klagepatents handelt, weil diese zeitkritische Anwendungen darstellen (Abs. [0004]), wohingegen Nicht-Echtzeitbezogene Dienste über die PS-Domain bereitgestellt werden können. Unschädlich ist, dass beispielsweise über eine PS-Domain auch der Dienst der Sprachtelefonie bereitgestellt werden kann. Dies lassen die neu eingefügten Merkmale zu, solange die erste Kategorie zumindest auch Echtzeitbezogene und die zweite Kategorie zumindest auch Nicht-Echzeitbezogene Dienste erfasst.
  256. c)Vor dem Hintergrund, dass das Standarddokument erste und zweite Bestimmungsmittel entsprechend der Merkmalsgruppen 3 und 4 vorsieht und die Tatsache berücksichtigend, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die angegriffenen Ausführungsformen Release 8 des Standards unterstützen, machen diese auch von diesen Merkmalen Gebrauch. Auch insoweit ist die objektive Möglichkeit ausreichend, dass in die erste Kategorie Echtzeitbezogene und in die zweite Kategorie Nicht-Echtzeitbezogene Dienste einbezogen werden können.
  257. 3.Es lässt sich auch eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 5,
  258. „Die zweite Kategorie von Diensten unterscheidet sich von der ersten Kategorie von Diensten.“,
  259. durch die angegriffenen Ausführungsformen feststellen.
  260. a)Das Merkmal 5 stellt das Verhältnis der ersten (Merkmal 3.2) und der zweiten (Merkmal 4.2) Kategorie von Diensten dahingehend klar, dass die „zweite Kategorie“ eines Dienstes oder von Diensten sich von der „ersten Kategorie“ eines Dienstes bzw. von Diensten unterscheidet.
  261. Das Kriterium, welches das Klagepatent zur Kategorisierung von Diensten vor Augen hat, sind dabei die Erfordernisse, die Dienste an die Wiederherstellung einer Funkverbindung stellen (Abs. [0010], [0011]), das Klagepatent spricht insoweit auch von „Wiederherstellungskategorie“ (Abs. [0017]; im englischen Originalwortlaut: „re-establishment category“). Dienste unterscheiden sich mithin im klagepatentgemäßen Sinne, wenn sie im Hinblick auf die Zeitspanne, während der eine Wiederherstellung einer verlorenen Funkverbindung möglich sein soll, unterschiedliche Toleranzen aufweisen. Die unterschiedlichen Dienste sind unterschiedlichen Funkträgern zugewiesen, wobei das Klagepatent es zulässt, mehrere Funkträger mit Diensten einer bestimmten Kategorie zu bilden (Abs. [0038]).
  262. b)Ziff. 8.3.1.2 des Standarddokuments TS25.3.3.1 v.7.2.0 (Anlage AR B-20, S. 163; deutsche Übersetzung, Bl. 158 GA),
  263. „3˃ wenn es Funkträger im Zusammenhang mit Funkzugangsträgern gibt, für welche in der Variablen ESTABLISHED_RABS der Wert des IE „Wiederherstellungs-Zeitnehmers“ auf „useT314“ gesetzt ist;
  264. 4˃ starte den Timer 314,
  265. 3˃ wenn keine Funkträger mit Funkzugangsträgern im Zusammenhang stehen, bei welchen in der Variablen ESTABLISHED_RABS der Wert des IE „Wiederherstellungs-Zeitnehmers“ auf „useT314“ oder „useT315“ ist, und die Signalverbindung zu einer CS domain besteht:“,
  266. 4˃ starte den Timer 314“,
  267. legt zwei Konstellationen fest, in denen es zur Einschaltung des Zeitnehmers T314 kommen können soll. Die erste Konstellation ist diejenige, in der der Funkträger eines Dienstes einem Funkzugangsträger zugeordnet ist, für den über die Variable „ESTABLISHED_RABS“ bereits eine Zuordnung zu dem Zeitnehmer T314 getroffen worden ist. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass hier unerwähnt bleibt, welche Kategorie eines Dienstes durch den einem Funkzugangsträger zugewiesenen Funkträger transportiert wird. Die zweite Konstellation knüpft jedoch an einen Funkträger mit einem Funkzugangsträger an, für den T314 bereits als Zeitnehmer definiert worden ist, wobei T314 für diesen Fall nach dem wiedergegebenen Standard für solche Funkträger gelten soll, die eine Signalverbindung zu einer CS Domain aufweisen. Daraus lässt sich weiter ableiten, dass der Zeitnehmer T314 für Funkträger, die die Dienstkategorie „CS“ transportieren, gilt. Dies findet auch eine Bestätigung in dem Passus „Expiration of RRC timer T314/ T315 associated to CS/PS RABs“ (für englisch „Radio Access Bearer, Funkzugangsträger) in der Tabelle des „Annex E (informativ): Change history“ auf Seite 1307 des Standarddokuments (Anlage AR B-29), der zwischen „CS“-Funkzugangsträgern und „PS“-Funkzugangsträgern unterscheidet und diese den Zeitnehmern T314 bzw. T315 zuordnet. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses ist auch der Inhalt der Tabelle Ziff. 13.1 (Anlage AR B-20, S. 1070 f.; deutsche Übersetzung: Anlage AR B-21, S. 11 f.) zu sehen. Eine entsprechende Regelung enthält der Standard unter Ziff. 8.3.1.2 (Anlage AR B-20, S. 163; deutsche Übersetzung: Bl. 159 GA) für den Zeitnehmer T315 mit Bezug zu der Dienstkategorie „PS“. Wie bereits unter Ziff. 2., lit. b) ausgeführt, sind mit „CS“ und „PS“-Funkzugangsträgern auch unterschiedliche Anforderungen an die Wiederherstellungszeit einer verlorenen Funkverbindung verbunden.
  268. 4.Schließlich liegt auch eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 6,
  269. „Die zweite Ablaufzeit ist größer als die erste Ablaufzeit.“,
  270. durch die angegriffenen Ausführungsformen vor.
  271. a)Spiegelbildich zu Merkmal 5 stellt Merkmal 6 klar, dass sich die zweite Ablaufzeit im Sinne des Merkmals 4 von der ersten Ablaufzeit im Sinne des Merkmals 3 unterscheidet; und zwar nach der Modifikation durch die Klägerin in der Form, dass die zweite Ablaufzeit größer als die erste Ablaufzeit ist.
  272. Der Fachmann erkennt, dass die klagepatentgemäß gewünschten unterschiedlichen Ablaufzeiten zur Herbeiführung des erfindungswesentlichen Vorteils umgesetzt werden, indem einem Funkträger mit einer bestimmten Dienstkategorie, das heißt mit bestimmten Anforderungen an die Wiederherstellungszeit, ein anderer Zeitnehmer als einem Funkträger mit einer anderen Dienstkategorie, das heißt mit anderen Anforderungen an die Wiederherstellungszeit, zur Überwachung zugewiesen wird (Abs. [0017], [0042]).
  273. Dabei lässt es die Lehre des Klagepatents zu, dass in einem Betriebszustand der Kommunikationsvorrichtung die beiden Mittel zur Überwachung der Ablaufzeit auf identische Werte gesetzt sind, solange die auf gleiche Werte laufenden Ablaufzeiten von einem jeweils unterschiedlichen Mittel zur Bestimmung der Ablaufzeit überwacht werden. Denn die Festsetzung unterschiedlicher Ablaufzeiten bleibt dann möglich, wenngleich sie in der jeweiligen Betriebsart nicht umgesetzt wird. Damit fällt auch die Konstellation in den Schutzbereich, in der zwar beide Zeitnehmer (nämlich: Mittel zum Bestimmen der Ablaufzeit) auf den Wert null Sekunden gesetzt werden, weil dann immer noch gewährleistet ist, die beiden Zeitnehmer auch auf unterschiedliche Werte zu setzen, so dass die Festlegung der Werte und die Überwachung der Zeitnehmer voneinander unabhängig ist, selbst wenn die unabhängig voneinander gesetzten und überwachten Werte übereinstimmen.
  274. Schließlich wird die genannte Auslegung dadurch gestützt, dass die vom Klagepa-tent geforderte und mithilfe mindestens zweier unterschiedlicher Zeitnehmer gelehrte Flexibilität in der Setzung und Überwachung mindestens zweier Ablaufzeiten kein Selbstzweck ist, sondern gewährleisten soll, dass für kategorisch unterschiedliche Dienste, die sich namentlich in ihrer Toleranz gegenüber der Dauer eines Verbindungsausfalls voneinander unterscheiden, in sachgerechter Weise im Betrieb der klagepatentgemäßen Kommunikationsvorrichtung Versuche zur Wiederherstellung der Verbindung unternommen werden. Wenn die von der Kommunikationsvorrichtung ausgeführten Dienste in einer bestimmten Konstellation derart intolerant gegen Verbindungsabbrüche sind, dass es mehr Vorteile bringt, die Funkressourcen sofort freizugeben, anstatt eine Wiederherstellung der Verbindung für auch nur ganz kurze Zeit zu versuchen, dann steht das Klagepatent nicht einer Betriebsart entgegen, in der die Zeitnehmer beider oder aller ausgeführten Dienste auf null Sekunden gesetzt werden, um die in dieser Konstellation vorteilhafte sofortige Freigabe der Funkressourcen zu gewährleisten.
  275. b)Der Standard 3GPP TS 25.331 v.7.2.0 (Anlage AR B-20) schreibt vor, dass für zwei Zeitnehmer T314 und T315 im Falle des Fehlens einer Zeitwert-Vorgabe durch das Netzwerk Standardwerte festgelegt werden sollen, die ungleich null und außerdem unterschiedlich sind. So wird für das Verfahren des Übergangs der Steuerung von einer Funkzelle zur nächsten (sog. Handover) in Ziff. 8.3.6.3 (Anlage AR B-20, S. 204; deutsche Übersetzung: Anlage AR B-21, S. 7) Folgendes vorgesehen:
  276. „Empfang einer HANDOVER TO UTRAN COMMAND-Nachricht durch die UEDie UE soll in der Lage sein, eine HANDOVER TO UTRAN COMMAND-nachricht zu empfangen und einen inter-RAT-Handover auszuführen, auch wenn zuvor keine Maßnahmen der UE auf der Zielzelle des UTRAN und/oder der Frequenz ausgeführt worden sind.Die UE soll auf alle empfangenen Informationen hin so handeln, wie dies in Unterpunkt 8.6 beschrieben ist, sofern nicht nachstehend anderes vorgeschrieben ist.[…]
  277. Die UE muss:[…]
  278. 1> die Variable TIMERS_AND_CONSTANTS auf die die Standardwerte einstellen und die Benutzung dieser Zeitnehmer und Werte beginnen.“
  279. Die Standardwerte der beiden Zeitnehmer T314 und T315 wiederum sind tabella-risch unter Ziffer 10.3.3.43 des Standards (Anlage AR B-20, S. 548; deutsche Übersetzung Anlage AR B-21, S. 10) vorgegeben mit 12 Sekunden für T314 und mit 180 Sekunden für T315. Demnach lässt sich feststellen, dass standardgemäß arbei-tende Geräte, also auch die angegriffenen Ausführungsformen, unter entsprechen-den Betriebsbedingungen zwei Zeitnehmer mit voneinander unterschiedlichen Zeit-werten jeweils ungleich null Sekunden aufweisen.
  280. Das aufgrund der in der Tabelle unter Ziff. 10.3.3.43. angegebenen ganzzahligen Werte auch die Möglichkeit besteht, dass die Zeitnehmer T314 und T315 beide auf einen Wert von „null“ festgesetzt werden, führt nach dem unter lit. a) dargestellten Auslegungsergebnis nicht aus dem Schutzbereich der Lehre des Klagepatents heraus. Denn es verbleibt jedenfalls die Möglichkeit, die Zeitnehmer T314 und T315 auf unterschiedliche Ablaufzeiten festzulegen.
  281. c)Berücksichtigend, dass die angegriffenen Ausführungsformen von dem Standard (Release 8) Gebrauch machen, sowie berücksichtigend, dass ausreichend ist, wenn die Möglichkeit zur Festsetzung einer zweiten Ablaufzeit, die größer als die erste Ablaufzeit ist, besteht, machen die angegriffenen Ausführungsformen auch von dem Merkmal 6 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass die angegriffenen Ausführungsformen für die Zeitnehmer T314 und T315 ausschließlich den Wert „null“ definieren.
  282. IV.Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf den Einwand der Erschöpfung oder eine Lizenzierung (durch A gegenüber D) berufen. Selbst wenn man eine solche Lizenzierung annimmt, lässt sich aus dem Vortrag der Beklagten insoweit nichts entnehmen, was den Ansprüchen der Klägerin – außerhalb des FRAND-Einwands – entgegenstehen könnte.
  283. 1.Die Beklagte macht keinen Erschöpfungseinwand für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltend, sondern meint nur, dass für Länder, in denen Erschöpfung eingetreten ist (insbesondere China), keine Lizenzgebühren zu zahlen sind bzw. dass für die Nutzung des Klagepatents bereits eine Gegenleistung erbracht wurde. Damit geht die Beklagte offenbar selbst davon aus, dass eine (formelle) Erschöpfung in Europa nicht eingetreten ist. Auch dass – eine Erschöpfung in China einmal angenommen – aus Sicht der Beklagten doppelt gezahlt werden müsste, führt nicht zu einer Erschöpfungslage im Inland. Allenfalls kann dies bei der Höhe einer FRAND-Lizenz berücksichtigt werden.
  284. Ein Erschöpfungssachverhalt ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob A und D einen Lizenzvertrag geschlossen haben, gemäß dem auch die Beklagte berechtigt ist, in China Chipsätze von D zu verwenden, die die patentgemäße Lehre verwirklichen. Erschöpfung setzt ein Inverkehrbringen des jeweiligen Produkts durch oder mit Zustimmung des Patentinhabers im Inland in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) voraus. Dies hat die Beklagte für die Chipsätze in den angegriffenen Ausführungsformen nicht vorgetragen. Im Übrigen legt die Beklagte schon nicht dar, dass alle angegriffenen Ausführungsformen über Chipsätze des Herstellers D verfügen. Damit kann für einen Teil der angegriffenen Ausführungsformen auch aus diesem Grund keine Erschöpfung eintreten.
  285. 2.Nur angemerkt sei, dass der Vortrag der Beklagten zur Feststellung einer Erschöpfung in China nicht ausreichend ist. Die Beklagte ist für den Erschöpfungseinwand darlegungs- und beweisbelastet. Da sie die Chipsätze von D bezieht, liegt es auch in ihrer Sphäre vorzutragen, inwieweit die vorherige Patentinhaberin A D für ihre Chipsätze ein Nutzungsrecht am Klagepatent eingeräumt hat. Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich aber auf Mutmaßungen und den Vortrag von Presseerklärungen.
  286. 3.Eine Anordnung des Gerichts (nach § 142 Abs. 1 ZPO bzw. §§ 421, 422 ZPO bzw. §§ 428, 429 ZPO) gegenüber der Klägerin oder gegenüber D oder A, „sämtliche zwischen D und A geschlossenen Lizenzverträge, die das Klagepatent betreffen“, vorzulegen (wie in der Replik beantragt), kann nicht ergehen.
  287. Es kommt – wie oben gesehen – schon nicht auf einen Lizenzvertrag zwischen A und D an. Aber auch andernfalls liegen die Voraussetzungen einer Vorlage nicht vor, da die Klägerin die vorzulegenden Dokumente schon nicht ausreichend konkret benennt. Es ist nach ihrem Vortrag nicht einmal sicher, ob solche Unterlagen tatsächlich existieren, insbesondere ob solche bei der Klägerin vorliegen, erscheint zweifelhaft. Die bloße Behauptung der Existenz nicht näher konkretisierter Unterlagen reicht für den Erlass einer Vorlageanordnung nicht aus (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 6). Die von der Beklagten begehrte Anordnung wäre hier eine unzulässige Ausforschung. Bei A und D als nicht am Prozess beteiligten Dritten zu bestehen insoweit auch Geheimhaltungsbedenken (zur Berücksichtigung der mangelnden Prozessbeteiligung bei der Ermessenentscheidung: Zöller/Greger, a.a.O., § 142 Rn. 11).
  288. V.Trotz der festgestellten Patentverletzung stehen der Klägerin zurzeit keine Ansprüche auf Unterlassung der klagepatentverletzenden Benutzungshandlungen sowie auf Rückruf und Vernichtung zu, weil sich die Beklagte erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen hat. Die Klägerin hat entgegen ihrer Obliegenheiten gegenüber der Beklagten hinsichtlich des Klagepatents kein zu berücksichtigendes FRAND-Angebot abgegeben, für das sie die Art und Weise der Berechnung der verlangten Lizenzgebühren ausreichend dargelegt hat.
  289. 1.Die Klägerin ist Normadressantin von Art. 102 AEUV, da das Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung vermittelt. Insofern kommt es nicht auf die Frage an, ob unabhängig von einer marktbeherrschenden Stellung sich ähnliche Pflichten bereits aus der abgegebenen ETSI-FRAND-Erklärung ergeben.
  290. a)„Marktbeherrschung“ meint in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche). Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren.
  291. Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Rn. E.206): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor (EuGH GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
  292. Nicht jedes standardessentielle Patent (nachfolgend kurz: „SEP“) begründet als solches eine Marktbeherrschung (LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08379; Kühnen, a.a.O., Rn. E.209). Ist die Nutzung des jeweiligen SEP eine Marktzutrittsvoraussetzung, ist eine marktbeherrschende Stellung selbst dann zu bejahen, wenn zwar die aus dem jeweiligen SEP resultierende technische Wirkung die Marktteilnahme nicht entscheidend beeinflusst, jedoch aus technischen Gründen zutrittsrelevante Funktionen nicht genutzt werden könnten, so dass die generelle Interoperabilität / Kompatibilität nicht mehr gesichert wäre. Entsprechendes gilt, wenn ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne eine Lizenz am betreffenden SEP nicht möglich wäre (z.B. weil für nicht patentgemäße Produkte nur ein Nischenmarkt besteht). An einer marktbeherrschenden Stellung fehlt es jedoch, wenn das SEP eine Technik bereitstellt, die für die Mehrzahl der Nachfrager am betreffenden Produktmarkt allenfalls eine untergeordnete Bedeutung hat. Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Eine Marktbeherrschung kann sich auch ohne Standardessentialität aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben.
  293. b)Auf der Basis vorstehender Grundsätze bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaberin des Klagepatents eine marktbeherrschende Stellung zukommt.
  294. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass – wenn man eine Verletzung des Klagepatents annimmt – dieses standardessentiell für die Nutzung des UMTS-Standards ist, was oben auch festgestellt wurde. Bei UMTS handele es sich – wie die Beklagte ebenfalls unwidersprochen vorgetragen hat – um eine Kerntechnologie für Mobilfunknetze, die von nahezu allen in Deutschland erhältlichen Mobiltelefonen unterstützt wird. Ohne UMTS-Unterstützung ist ein Mobiltelefon nicht marktfähig.
  295. Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Zwar haben die Parteien ansonsten zur Marktbeherrschung nichts vorgebracht. Aufgrund der genannten unstreitig gebliebenen Umstände lässt sich eine marktbeherrschende Stellung aufgrund des Klagepatents aber ohne weiteres annehmen. Die Kammer kann zudem aus eigener Anschauung feststellen, dass ein Mobiltelefon ohne die Unterstützung von UMTS heute kaum eine Chance im Wettbewerb haben würde, da praktisch alle Mobiltelefone diese Technologie implementieren.
  296. 2.Der EuGH hat in der Sache GG/I (Az. C-170/13) im Urteil vom 16.07.2015 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015 (GRUR 2015, 764 Rn. 45 – GG/I, nachfolgend kurz das: EuGH-Urteil) Vorgaben dazu gemacht, wann die Durchsetzung des Unterlassungs- und des Rückrufanspruchs aus einem von einer Standardisierungsorganisation normierten standardessentiellen Patent (nachfolgend auch: „SEP“), dessen Inhaber sich gegenüber dieser Organisation zur Erteilung von FRAND-Lizenzen an jeden Dritten verpflichtet hat, keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt.
  297. Hiernach muss der Inhaber eines SEPs, bevor er seinen Unterlassungs- oder Rückrufanspruch geltend macht, den angeblichen Verletzer (nachfolgend kurz: „Verletzer“) auf die Patentverletzung hinweisen (Leitsätze und Rn. 61 EuGH-Urteil). Soweit der Verletzer zur Lizenznahme bereit ist, muss der SEP-Inhaber ihm ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des SEPs zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen unterbreiten und dabei auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren darlegen (Rn. 63 EuGH-Urteil). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (Rn. 65 EuGH-Urteil). Nimmt er das Angebot des SEP-Inhabers nicht an, muss der Verletzer innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen, welches FRAND-Vorgaben einhält (Rn. 66 EuGH-Urteil). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot wiederum ab, muss der Verletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten, was auch für Nutzungen in der Vergangenheit gilt (Rn. 67 EuGH-Urteil). Dem Verletzer darf dabei kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er während der Lizenzverhandlung den Rechtsbestand oder die Standardessentialität des SEP angreift oder sich vorbehält, dies später zu tun (Rn. 69 EuGH-Urteil). Die vom EuGH für den Unterlassungs- und Rückanspruch explizit vorgesehenen, kartellrechtlichen Einschränkungen gelten nach allgemeiner Auffassung ebenfalls für den Vernichtungsanspruch (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 181 bei Juris m.w.N.).
  298. Der EuGH geht ersichtlich von dem Leitbild des lizenzwilligen Verletzers aus, der – sobald er auf die Benutzung des Klagepatents hingewiesen wurde – eine zügige Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen anstrebt. Gegenüber einem solchen Verletzer besteht kein kartellrechtlich legitimierbares Interesse an der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs aus einem SEP. Stattdessen haben die beiden Parteien sich zu bemühen, zunächst durch außergerichtliche Verhandlungen einen FRAND-gemäßen Lizenzvertrag abzuschließen (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 182 bei Juris).
  299. a)Die Klägerin hat vor der gerichtlichen Geltendmachung eine ausreichende Verletzungsanzeige abgegeben.
  300. aa)Nach dem EuGH-Urteil obliegt es dem Patentinhaber „[v]or der gerichtlichen Geltendmachung“ „den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hinzuweisen und dabei das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben, auf welche Weise es verletzt worden sein soll.“ Der Kläger muss insofern die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ankündigen und den Verletzer zuvor anhören (Rn. 60 EuGH-Urteil). Der EuGH verlangt also vom SEP-Inhaber als Voraussetzung für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs eine „Verletzungsanzeige“ gegenüber dem Verletzer.
  301. Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (Rn. 61 EuGH-Urteil), ist zumindest die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, die angegriffene Ausführungsform und die vorgeworfene Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 187). Die Verletzungsanzeige erfordert aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen – der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden – ggf. mit sachverständiger Hilfe – den Verletzungsvorwurf zu prüfen (Kühnen, a.a.O., Rn. E.312; weitergehend LG Mannheim, Urteil vom 29.01.2016 – 7 O 66/15 – Rn. 57). Der Zugang einer solchen Verletzungsanzeige beim Verletzer muss vom SEP-Inhaber dargelegt und ggf. bewiesen werden (Kühnen, a.a.O., Rn. E.334).
  302. bb)Die Klägerin hat diese Voraussetzung erfüllt. Sie hat mit Schreiben vom 04.12.2012 die Beklagte über ihr Portfolio informiert (wie oben erwähnt ist als „Beklagte“ hier (auch) die Muttergesellschaft der eigentlichen Beklagten, die I ,. zu verstehen; die Klägerin kann ihre kartellrechtlichen Pflichten unproblematisch auch durch Handlungen gegenüber der Konzernmutter der I erfüllen, vgl. Kammer, Urteil vom 04.11.2015 – 4a O 93/14 – Rn. 123 bei Juris). Dabei hat sie die Veröffentlichungsnummern angegeben sowie, dass es sich um standardessentielle Patente für verschiedene, näher genannte Standards handelt. Ferner wurden beispielshaft einige standardkonforme Produkte der Beklagten genannt. Die Parteien sind daraufhin vor Klageerhebung in technische Diskussionen eingestiegen. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Rahmen alle für die Verletzungsanzeige nötigen Informationen diskutiert worden sind. Die Klägerin hat zudem angemerkt, dass die Zuordnung der Patente zu unterschiedlichen Standards auch auf ihrer Internetseite verfügbar ist. Die Beklagte ist in diesem Bereich ausreichend erfahren und benötigt keine näheren Informationen zur Prüfung des Verletzungsvorwurfs, da es sich bei ihr um ein größeres Mobilfunkunternehmen handelt, das selbst standardessentielle Patente besitzt. Dass es an einer Verletzungsanzeige mangelt, hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Sie hat nicht aufgezeigt, welche erforderlichen Informationen ihr vor Klageerhebung nicht übermittelt wurden.
  303. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Selbst wenn man eine ausreichende Verletzungsanzeige als gegeben unterstellt, ist der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand erfolgreich, da die Klägerin ihre kartellrechtlichen Obliegenheiten in Bezug auf das Klagepatent nicht erfüllt hat (vgl. die Ausführungen unten).
  304. b)Die Beklagte hat auch – wie vom EuGH (1. Leitsatz, 1. Spiegelstrich und Rn. 63 des EuGH-Urteils) verlangt – ihre Bereitschaft zur FRAND-Lizenznahme gegenüber der Klägerin kundgetan (nachfolgend kurz: Lizenzierungsbitte oder Lizenzierungsbereitschaftserklärung).
  305. aa)Die Verpflichtung ein FRAND-Angebot zu machen steht unter der Voraussetzung, dass der Verletzer zunächst „seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen“ (Rn. 63 EuGH-Urteil). Inhaltlich muss er nur die Bereitschaft bekunden, einen FRAND-gemäßen Lizenzvertrag abzuschließen. Weitere Angaben oder Bedingungen sind nicht erforderlich. Vielmehr kann es für den Verletzer schädlich sein, wenn er hinsichtlich der beabsichtigten Lizenznahme Bedingungen stellt, sofern sich aus diesen ergibt, dass der Patentbenutzer letztlich doch nicht zur Lizenznahme unter fairen, vernünftigen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit ist (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 209 bei Juris; Kühnen, a.a.O., Rn. E. 315; diesem Sinne auch LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015 – 2 O 106/14 Rn. 214 bei Juris). Äußerung und Zugang einer solchen Lizenzierungsbitte fallen in die Darlegungs- und Beweislast des Verletzers (Kühnen, a.a.O., Rn. E.335).
  306. bb)Eine solche Lizenzierungsbitte liegt vor. Die Beklagte hat sich zur Lizenzierung unter FRAND-Bedingungen bereit erklärt, woraufhin die Klägerin ihr am 29.01.2013 ein Angebot für ein Geheimhaltungsabkommen übersendet hat, was als Grundlage für die weiteren Verhandlungen diente.
  307. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte sei lizenzunwillig, da sie sich einer Verzögerungstaktik bedient habe, greift hingegen insofern nicht durch.
  308. (1)Eine Verzögerungstaktik des Verletzers in der Zeit zwischen der Lizenzbereitschaftserklärung des Patentbenutzers und der Unterbreitung eines FRAND-Lizenzangebots durch den SEP-Inhaber erlaubt grundsätzlich nicht den Schluss, dass eine Lizenzbereitschaftserklärung nicht wirksam ist. Vielmehr sind solche Gesichtspunkte bei der Beurteilung des Angebots des SEP-Inhabers zu berücksichtigen (nachdem dieses unterbreitet wurde). Nach der Erklärung seiner Lizenzbereitschaft gerät der Verletzer nämlich erst nach Erhalt eines FRAND-Angebots wieder unter Zugzwang.
  309. Bis zur Unterbreitung des Angebots können dem Patentbenutzer neben der Lizenzbereitschaftserklärung weitere Mitwirkungsobliegenheiten treffen, sofern solche Handlungen für die Formulierung des FRAND-Angebots und dessen Begründung zwingend erforderlich sind. So kann es unter Umständen geboten sein, dass der Verletzer ein Geheimhaltungsabkommen unterzeichnet oder dem SEP-Inhaber Informationen mitteilt, die er für die Erstellung des Angebots benötigt.
  310. Eine verzögerte oder mangelhafte Mitwirkung des Verletzers führt aber grundsätzlich nicht dazu, dass er entgegen seiner Lizenzbereitschaftserklärung als lizenzunwillig angesehen werden kann, so dass ihm der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand verwehrt bleibt. Wirkt der Verletzer nicht oder nur zögernd oder mangelhaft mit, so hat der SEP-Inhaber ein FRAND-Angebot zu machen, so gut es ihm möglich ist. Nach der Lizenzbereitschaftserklärung sind Verstöße des Patentbenutzers gegen Mitwirkungsobliegenheiten oder verzögernde Verhaltensweise grundsätzlich erst bei der Frage von Bedeutung, ob das vorgelegte Angebot als FRAND-gemäß anzusehen ist. Denn nach der Konzeption des EuGH hat auf die Lizenzbereitschaftserklärung ein FRAND-Angebot zu erfolgen – erst auf dieses muss der Verletzer ohne Verzögerungstaktik reagieren.
  311. (2)Im Übrigen hätte die Klägerin, eine behauptete vorprozessuale Verzögerungstaktik der Beklagten unterbinden können, indem sie dieser bereits früher vor Klageerhebung ein FRAND-Angebot unterbreitet und – sofern die Beklagte nicht gemäß den Vorgaben des EuGH-Urteils reagiert – anschließend Klage erhoben hätte. Ein solches Angebot hätte die Klägerin ohne weiteres bereits früher unterbreiten können, nachdem bereits im Jahre 2013 ein Geheimhaltungsabkommen abgeschlossen wurde, was es ihr auch ermöglichte der Beklagten die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren darzulegen. Dass der Klägerin zur Erstellung eines FRAND-Angebots Angaben der Beklagten fehlten, ist nicht ersichtlich. Damit lagen vorprozessual alle Voraussetzungen zur Abgabe eines solchen Angebots vor.
  312. Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass vorprozessual ein FRAND-Angebot abgeben wurde, und die Beklagte hierauf mit einer Verzögerungstaktik reagiert hat. Zwar kam es unter dem Geheimhaltungsabkommen zu Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten; dass die Klägerin hierbei ein FRAND-Angebot vorgelegt hat, lässt sich aber nicht feststellen. Insoweit fehlt es bereits an einer ausreichenden Darlegung der Klägerin. Näheren Vortrag zur FRAND-Gemäßheit eines von ihr vorgelegten Angebots macht die Klägerin nur zu den am 13.01.2017 und am 19.05.2017 unterbreiteten Angeboten.
  313. (3)Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht in einer Weise gegen ihre Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen, die es erlaubt, sie als lizenzunwillig anzusehen bzw. ihre Lizenzbereitschaftserklärung als nicht wirksam zu betrachten. Das Verhalten der Beklagten beim Abschluss des zweiten Geheimhaltungsabkommens ist – wie bereits erwähnt – bei der Frage der FRAND-Gemäßheit des Angebots zu berücksichtigen (s.u.), lässt aber die Lizenzbereitschaftserklärung nicht nachträglich entfallen.
  314. c)Die Klägerin hat entgegen ihren kartellrechtlichen Obliegenheiten der Beklagten kein ausreichendes FRAND-Lizenzvertragsangebot gemacht, auf das die Beklagte hätte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung reagieren müssen.
  315. Die Klägerin hat ein ausreichendes FRAND-Angebot entgegen der Vorgaben des EuGH nicht „vor der gerichtlichen Geltendmachung“ unterbreitet und auch bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend die Art und Weise der Berechnung der vorgeschlagenen Lizenzgebühren erläutert. Selbst wenn man eine Nachholung des FRAND-Angebots und dessen Begründung nach Klageerhebung grundsätzlich zulassen möchte, ist das Angebot vom 19.05.2017 verspätet, auch da die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hierauf nicht mehr reagieren konnte. Das Angebot vom 13.01.2017 ist ebenfalls nicht rechtzeitig unterbreitet worden, insbesondere, da die Klägerin die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung nicht rechtzeitig ausreichend dargelegt hat.
  316. aa)Liegt eine Lizenzbereitschaftserklärung des Verletzers vor, so ist der SEP-Inhaber nach dem 1. Leitsatz des EuGH-Urteils vor Klageerhebung verpflichtet,
  317. „ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung anzugeben.“ (Rn. 63 EuGH-Urteil).
  318. Damit legt der EuGH zum einen den Zeitpunkt der Unterbreitung des Lizenzvertragsangebots fest (hierzu unter (1)) und gibt zum anderen sowohl inhaltliche (hierzu unter (2)) als auch formelle Vorgaben (hierzu unter (3)) hinsichtlich des Angebots. Es obliegt dem SEP-Inhaber, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass das von ihm unterbreitete Angebot diesen (FRAND-) Anforderungen genügt (Kühnen, a.a.O., Rn. E. 334).
  319. (1)Dem SEP-Inhaber obliegt es, dem Patentbenutzer ein FRAND-gemäßes Lizenzvertragsangebot bereits vor Erhebung der Klage zu unterbreiten. Tut er dies nicht, so kann er die Unterbreitung eines Angebots, welches die Vorgaben des EuGH erfüllt, während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens jedenfalls nicht zeitlich uneingeschränkt nachholen.
  320. (a)Der EuGH verlangt vom SEP-Inhaber „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „[v]or der gerichtlichen Geltendmachung des SEP“) nicht nur einen Hinweis gegenüber dem Verletzer auf die Verletzung des SEP, sondern (bei Lizenzwilligkeit des Verletzers) auch, die Unterbreitung eines FRAND-Angebots und die Angabe der Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühr.
  321. Dies ergibt sich bereits aus dem 1. Leitsatz, 1. Spiegelstrich des EuGH-Urteils. Hiernach ist Voraussetzung für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs, dass der SEP-Inhaber
  322. „vor Erhebung der Klage zum einen den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen hat (…), und zum anderen, nachdem der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, dem Patentverletzer ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet (…)“.
  323. Entsprechendes findet sich auch in den Urteilsgründen wieder: Die Worte „[v]or der gerichtlichen Geltendmachung“ in Rn. 61 des EuGH-Urteils beziehen sich auch auf die Verpflichtung zur Angebotsunterbreitung und Begründung. Diese zeitliche Vorgabe ist mittels der Worte „zum einen“ auf den Verletzungshinweis bezogen; sie beziehen sich über die einleitenden Worte „Zum anderen“ in Rn. 63 des EuGH-Urteils aber auch auf die Verpflichtung zur Abgabe eines FRAND-Angebots.
  324. Der Zeitpunkt der „gerichtlichen Geltendmachung“ liegt vor, wenn die Klage eingereicht ist und der Kostenvorschuss eingezahlt wurde, selbst wenn die Zustellung noch nicht erfolgt ist (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 192 bei Juris; Kühnen, a.a.O., Rn. E. 318). Denn mit der Einzahlung des Kostenvorschusses ist die Klage unweigerlich „auf den Weg gebracht“.
  325. Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung, denn die Angebote vom 13.01.2017 und vom 19.05.2017 erfolgten deutlich nach Zustellung der Klageschrift an die Beklagten. Insofern stellt sich die Frage, ob die Angebote im Prozess wirksam nachgeholt werden können.
  326. (b)Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob ein FRAND-Angebot während eines laufenden Gerichtsverfahrens (also nach „der gerichtlichen Geltendmachung“) nachgeholt werden kann.
  327. Zu Recht erscheint unstreitig, dass eine Nachholbarkeit jedenfalls insofern gegeben ist, dass der SEP-Inhaber die erhobene Klage zurücknehmen und erneut einreichen kann, wenn er zwischenzeitlich seine kartellrechtlichen Obliegenheiten erfüllt hat. Allgemein führt ein erfolgreich erhobener kartellrechtlicher Zwangslizenzeinwand nämlich nicht zu einem dauerhaften materiellen Rechtsverlust des SEP-Inhabers – die Klage ist vielmehr, soweit der Einwand durchgreift, als „derzeit unbegründet“ abzuweisen (vgl. Ausführungen unten; s.a. Weber/Dahm, GRUR-Prax 2017, 67). Dann tritt bei einer verspäteten, weil eben nicht vor der gerichtlichen Geltendmachung erfolgten Erfüllung der Pflichten erst recht kein materieller Rechtsverlust ein (Kühnen, a.a.O., Rn. E. 339). Eine grundsätzliche, außerprozessuale Nachholbarkeit ist also gegeben.
  328. Dagegen ist streitig, ob eine Nachholung auch mit Wirkung für den bereits laufenden Prozess noch möglich ist. Das OLG Düsseldorf geht davon aus, dass die vom SEP-Inhaber geforderten Erklärungen grundsätzlich nachgeholt werden dürfen, weil ein Versäumnis insoweit grundsätzlich weder zu einer materiellen noch zu einer prozessualen Präklusion führen dürfe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 6 bei Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2016 – I-15 U 35/16; für eine Nachholbarkeit jedenfalls in Übergangsfällen: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2016 – 6 U 55/16 – Rn. 27 bei Juris). Kühnen lässt zwar ebenfalls eine Nachholung während des Prozesses zu, verweist jedoch darauf, dass aufgrund der prozessualen Verspätungsregeln ein verzögertes Angebot ggf. unberücksichtigt bleiben kann oder sogar muss (Kühnen, a.a.O., Rn. E. 350 ff.).
  329. Hinsichtlich der Verletzungsanzeige, die auch vor der gerichtlichen Geltendmachung erfolgen muss, hat die Kammer im Urteil vom 31.03.2016 (Az. 4a O 126/14) angenommen, dass eine Nachholung während eines laufenden Unterlassungsklageverfahrens im Einzelfall als zulässig erachtet werden kann, insbesondere in „Übergangsfällen“, d.h. bei Klageerhebung vor Erlass des EuGH-Urteils. Jedoch spreche bei „Neufällen“, bei denen die Einreichung der Klage nach der Veröffentlichung des EuGH-Urteils erfolgt ist, einiges dafür eine Nachholung abzulehnen (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 203). Das LG Mannheim lehnt eine Nachholbarkeit innerhalb des Prozesses ab (LG Mannheim, Urteil vom 01.07.2016 – 7 O 209/15 – Rn. 119 bei Juris = BeckRS 2016, 18389).
  330. (c)Liegen keine Besonderheiten vor, die ausnahmsweise eine Klage vor Unterbreitung des FRAND-Angebots zulässig erscheinen lassen (wie ein „Übergangsfall“), ist eine Nachholung nach Klageerhebung jedenfalls nicht uneingeschränkt zulässig, wobei über die generelle Zulässigkeit der Nachholung hier nicht entschieden werden muss.
  331. (aa)Die Frage der Nachholbarkeit des Verletzungshinweises und des FRAND-Angebots nach der gerichtlichen Geltendmachung wird im EuGH-Urteil zwar nicht ausdrücklich behandelt. Jedoch würden Sinn und Zweck des vom EuGH ersonnenen Systems ausgehebelt, wenn man eine Nachholung unbegrenzt zulässt. Die EuGH-Vorgabe des Angebots „vor der gerichtlichen Geltendmachung“ würde untergraben, wenn man eine Nachholung uneingeschränkt zulässt, insbesondere noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Verletzungsgericht. Würde man uneingeschränkt zulassen, dass der SEP-Inhaber seine vorprozessual nicht erfüllten Obliegenheiten im Verlauf des Verfahrens sanktionslos nachholt, so würde der Leitgedanke der Entscheidung des EuGH, Verhandlungen unbelastet von einem anhängigen Verfahren führen zu können und während des Verfahrens über alle Informationen zu verfügen, die eine Beurteilung zulassen, ob das unterbreitete Lizenzvertragsangebot FRAND-konform ist oder nicht, verfehlt (so LG Mannheim, Urteil vom 01.07.2016 – 7 O 209/15 – Rn. 119 bei Juris = BeckRS 2016, 18389). Das austarierte System des EuGH soll es den Parteien ermöglichen, ohne den Druck eines Unterlassungsklageverfahrens und damit gleichsam auf Augenhöhe zu verhandeln. Wenngleich der Verletzer auch während des Verfahrens ein nicht FRAND-konformes Lizenzvertragsangebot ablehnen und sich mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand wehren kann, so wirkt sich ein laufendes Unterlassungsklageverfahren trotzdem negativ auf seine Verhandlungsposition aus. Aufgrund der Ungewissheit, ob der Einwand durchgreifen wird – insbesondere, welche Lizenzgebührenhöhe vom Verletzungsgericht als (noch gerade) FRAND angesehen wird – muss auch ein an sich lizenzwilliger Verletzer fürchten, am Ende zur Unterlassung verurteilt zu werden, wenn er grenzwertigen Lizenzgebührenforderungen nicht nachgibt. Dies könnte ihn dazu verleiten, während eines laufenden Verletzungsverfahrens höhere Lizenzgebühren zu akzeptieren als im Stadium vor der gerichtlichen Geltendmachung. Hinzu kommt, dass der Patentbenutzer bei den Verhandlungen zeitlich unter Druck gesetzt ist, um die (Zwischen-) Ergebnisse der Verhandlungen rechtzeitig in den Prozess einführen zu können. Dies geht regelmäßig zu Lasten des Patentverletzers: Wenn der SEP-Inhaber seine Pflichten erfüllt hat, so muss der Patentverletzer unter dem Zeitdruck eines drohenden Unterlassungstitels das Lizenzvertragsangebot des SEP-Inhabers prüfen, ein Gegenangebot machen und die Abrechnung und Sicherheitsleistung vorbereiten, falls er das Angebot nicht annehmen will.
  332. Soweit darauf hingewiesen wird, dass auch bei der Möglichkeit einer Nachholung die kartellrechtswidrige Klageerhebung nicht sanktionslos bleiben muss, da insofern eine Bestrafung durch die Kartellbehörden droht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2016 – I-15 U 35/16 – Rn. 30 a.E. bei Juris; Kühnen, a.a.O., Rn. E. 345;), ändert dies nichts daran, dass im Unterlassungsverfahren das Verhalten sanktionslos bliebe, wenn man eine Nachholbarkeit uneingeschränkt zulässt. Dass auf einer anderen Ebene Sanktionen drohen, erlaubt es dem Verletzungsgericht zumindest nicht ohne weiteres, das vom EuGH vorgegebene System aufzuweichen. Wäre der Druck durch die Kartellbehörden ausreichend, so hätte es wohl gar nicht des vom EuGH ersonnenen Systems bedurft.
  333. Gegen eine uneingeschränkte Nachholbarkeit mag tendenziell zudem sprechen, dass der EuGH im Berichtigungsbeschluss vom 15.12.2015 klargestellt hat, dass sich die Worte „vor Erhebung der Klage“ sowohl auf die Verletzungsanzeige als auch auf das FRAND-Angebot und die Erläuterung der geforderten Lizenzgebühr beziehen, und so die Bedeutung dieser zeitlichen Vorgabe unterstrichen hat.
  334. (bb)Allerdings muss für das vorliegende Verfahren nicht entschieden werden, ob man eine Nachholbarkeit generell zulässt, da selbst bei der Einräumung einer großzügigen Nachholungsmöglichkeit die Angebote der Klägerin zu spät bzw. zu spät begründet waren.
  335. Selbst wenn man eine Nachholung grundsätzlich zulassen möchte, muss ein erst im Prozess abgegebenes Angebot in zeitlicher Hinsicht kritisch auf seine Rechtzeitigkeit hin untersucht werden. Eine Nachholbarkeit ist nur denkbar, wenn den Parteien (insbesondere dem Verletzer) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung genügend Zeit verbleibt, das vom EuGH vorgesehene Prozedere durchzuführen. FRAND-Angebote, die so spät abgegeben oder begründet werden, dass dies nicht mehr möglich ist, können dagegen im laufenden Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
  336. (aaa)Wird ein Angebot so spät abgegeben oder die Berechnung der Lizenzgebühren so spät begründet, dass dem Verletzer keine ausreichende Reaktionszeit zur Verfügung steht, ist das Angebot im laufenden Verfahren nicht als FRAND anzusehen, ohne dass es auf dessen Inhalt ankommt.
  337. Selbst wenn eine Zurückweisung des Angebots als verspätet aufgrund des Prozessrechts nicht möglich ist (das nationale Prozessrecht dürfte für die Vorgaben des EuGH ohnehin nicht maßgeblich sein), so kann ein Angebot allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn es so rechtzeitig vorliegt, dass der Gegenseite eine angemessene Reaktion und deren Einführung in den laufenden Prozess ohne unangemessenen zeitlichen Druck möglich ist. Auch das OLG Düsseldorf führt im Beschluss vom 09.05.2016 (Az.: I-15 U 35/15 – Rn. 30 bei Juris) aus, dass der SEP-Inhaber nicht darauf vertrauen darf, dass das Verletzungsgericht so terminiert, dass er das komplette Prozedere nachholen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Angebot jedenfalls dann zu spät kommt, wenn der Verletzer selbst unter gebührender Anstrengung nicht mehr ausreichend Zeit zur Prüfung des Angebots und Formulierung eines Gegenangebots hat – für dessen Prüfung wiederum der SEP-Inhaber Zeit benötigt.
  338. Nach den Vorgaben des EuGH (1. Leitsatz, 2. Spiegelstrich bzw. Rn. 65 EuGH-Urteil) muss der Verletzer auf das Angebot des SEP-Inhabers „gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben“ reagieren. Daraus folgt zwingend, dass ihm hierfür die erforderliche Zeit zur Verfügung gestellt werden muss. Es muss dem Patentbenutzer möglich sein, das Angebot sorgfältig zu prüfen und ein Gegenangebot zu formulieren.
  339. Die Abgabe eines (möglicherweise FRAND-Vorgaben genügenden) Angebots erst kurz vor der mündlichen Verhandlung, aufgrund der über die Gewährung des Unterlassungsanspruchs entschieden wird, stellt sich vor diesem Hintergrund als missbräuchlich dar. Der Verletzer steht in dieser Konstellation unter dem Druck, dass Angebot entweder ohne hinreichende Prüfung anzunehmen, oder es abzulehnen, bevor er es geprüft und ein Gegenangebot ausgearbeitet hat. Auf diese Weise wird der Verletzer unter Druck gesetzt und die vom EuGH gewünschten Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen den Parteien behindert. Je später das Angebot vom SEP-Inhaber abgegeben wird und je geringer damit der zeitliche Abstand zwischen Angebot (bzw. dessen Begründung) und mündlicher Verhandlung ist, umso stärker ist der Druck, dem der Verletzer ausgesetzt ist.
  340. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass das Gericht nur bei einem feststellbar FRAND-gemäßen Angebot einen Unterlassungstitel ausurteilen würde und der verklagte Patentbenutzer ja nach Urteilsverkündung weiterhin das FRAND-Angebot annehmen kann, um die Unterlassungsvollstreckung zu vermeiden. Dies greift alleine deshalb nicht durch, weil der EuGH dem Patentbenutzer ausdrücklich selbst bei einem FRAND-gemäßen Angebot des SEP-Inhabers das Recht einräumt, dieses abzulehnen und seinerseits ein Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen zu machen.
  341. Schließlich erscheint es nicht unbillig, den Unterlassungsanspruch selbst dann als derzeit unbegründet abzuweisen, wenn sich (ggf. in einem neuen Verfahren) herausstellt, dass ein FRAND-Angebot vom SEP-Inhaber abgegeben wurde. Durch die späte Abgabe dieses Angebots missachtet der SEP-Inhaber die Vorgabe des EuGH, das Angebot vor der Klageerhebung abzugeben. Bei einem solchen Verhalten trägt er das Risiko, dass das Prozedere nicht mehr durchgeführt werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2016 – I-15 U 35/15 – Rn. 30 bei Juris). Die Folge der Nichtberücksichtigung im Prozess ist zudem kein endgültiger Rechtsverlust, da die Möglichkeit einer erneuten Klage nach Durchführung des Prozederes besteht.
  342. (bbb)Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 19.05.2017 sinngemäß argumentiert, das OLG Düsseldorf habe im Beschluss vom 17.11.2016 in der Sache I-15 U 66/15 ausgeführt, ein FRAND-Angebot könne noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abgegeben werden, ist dies unrichtig. Das OLG Düsseldorf hat in diesem Beschluss nur eine Nachholbarkeit im laufenden Verfahren als möglich angesehen. Ungeachtet, ob man eine Nachholbarkeit generell als zulässig ansieht, ist damit kaum eine unbegrenI Nachholbarkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gemeint.
  343. (d)Das Gericht ist nicht dazu verpflichtet, durch Vertagung der mündlichen Verhandlung dafür zu sorgen, dass der SEP-Inhaber seine Pflichten noch während des Prozesses durchführen kann. Es muss den SEP-Inhaber auch nicht dazu auffordern, ein bestimmtes, FRAND-gemäßes Angebot zu machen.
  344. (aa)Das Gericht ist nicht verpflichtet, durch Umterminierung o.ä. dem SEP-Inhaber die Nachholung des FRAND-Angebots oder die Durchführung des Prozederes zu ermöglichen. Zweck der Hinweispflicht aus § 139 ZPO ist es, den Parteien aufzeigen, zu welchen Punkten sie sich noch erklären müssen – sie dient aber nicht dazu, die Parteien zu einem bestimmten geschäftlichen Verhalten anzuhalten (hier: ein bestimmtes Vertragsangebot abzugeben bzw. anzunehmen oder ihnen für vorprozessuale Obliegenheiten im Prozess mehr Zeit zu verschaffen). Auch der EuGH sieht eine Moderation durch das Gericht zur Schaffung eines FRAND-gemäßen Angebots nicht vor. Vielmehr sollen sich die Parteien vorprozessual einigen und nur wenn dies scheitert, darf der Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Erst wenn beide Parteien die Vorgaben des EuGH erfüllen und dennoch kein Lizenzvertrag zustande kommt, soll ein Dritter zur FRAND-Bestimmung eingeschaltet werden dürfen. Die Mitwirkung eines Drittens bei der Formulierung von Angebot oder Gegenangebot ist dagegen nicht vorgesehen.
  345. (bb)Es liegt auch im wohlverstandenen Interesse beider Parteien, dass das Gericht ein abgegebenes Angebot nur bewertet, nicht aber vor einem Urteil auf die Abgabe weiterer Angebote hinwirkt:
  346. Verhält sich der SEP-Inhaber FRAND-konform und verweigert der Verletzer dennoch den Lizenzvertragsabschluss oder ein ausreichendes Gegenangebot, so hat der SEP-Inhaber ein anerkennungswürdiges Interesse an einem schnellen Unterlassungstitel.
  347. Gibt der SEP-Inhaber dagegen kein (rechtzeitiges) FRAND-konformes Angebot ab, sind die Folgen ebenfalls akzeptabel. Denn er kann weiterhin FRAND-gemäße Lizenzgebühren für sein Schutzrecht verlangen. Er erhält zudem einen Titel auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung (allerdings kartellrechtlich begrenzt, s.u.), den er ansonsten nur mit Verzögerung erhalten hätte. Hierüber erhält er auch eine gerichtliche Bestätigung der Standardessentialität des jeweiligen Klagepatents und eine positive Prognose des Rechtsbestands (wenn dieser angegriffen ist) – oder je nach Rechtsordnung sogar eine Entscheidung hierüber. Weiterhin tritt auch hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung kein endgültiger Rechtsverlust ein: Die Klage wird insoweit – wie bereits erwähnt – nur als derzeit unbegründet abgewiesen, so dass der SEP-Inhaber nach Erfüllung seiner kartellrechtlichen Verpflichtung erneut klagen kann, falls sich die Parteien nicht zwischenzeitlich einigen.
  348. (cc)Die Möglichkeiten des Gerichts, über Hinweisbeschlüsse erfolgreich eine Einigung herbeizuführen, sind schließlich gering und jedenfalls schlechter als die Chancen bei unmittelbaren, außergerichtlichen Verhandlungen der Parteien. Besteht aber kaum Möglichkeit auf eine Einigung durch Vorgaben des Gerichts, erscheint es unangemessen, das Verfahren durch zusätzliche Schriftsatzfristen und/oder eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu verzögern.
  349. (e)Bis wann eine Nachholung möglich ist, hängt vom Einzelfall ab. Dem Patentbenutzer muss ausreichend Zeit gegeben werden, um auf das Angebot zu reagieren. Ist ihm dies innerhalb der gesetzten Fristen nicht mehr möglich, so ist das Angebot als nicht FRAND anzusehen. Ob danach ein Angebot mit der Klageschrift oder auch noch später zulässig ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn auch nach großzügiger Auslegung der Möglichkeit einer Nachholung sind die zu diskutierenden Angebote der Klägerin zu spät (siehe unten).
  350. (2)Neben den vorstehend erörterten Anforderungen in zeitlicher Hinsicht muss das Angebot insbesondere inhaltlich FRAND-Bedingungen enthalten (FRAND = fair, reasonable and non-discriminatory, d.h. faire, zumutbare und diskriminierungsfreie Bedingungen).
  351. (a)Es ist umstritten, ob das Verletzungsgericht das Vorliegen eines FRAND-Angebots nur summarisch im Sinne einer negativen Evidenzkontrolle prüfen muss (so LG Mannheim, WuW 2016, 86 Rn. 221) oder ob es tatrichterlich feststellen muss, ob ein Angebot FRAND ist (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 13 bei Juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2016 – 6 U 55/16 – Rn. 30 bei Juris – Dekodiervorrichtung). Aber auch wenn man eine tatrichterliche Feststellung und nicht nur eine Evidenzkontrolle verlangt, so besteht zumindest ein richterlicher Beurteilungsspielraum (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2016 – 6 U 55/16 – Rn. 32 bei Juris – Dekodiervorrichtung). Denn es gibt regelmäßig nicht eine bestimmte Lizenzgebührenhöhe, die FRAND ist, sondern eine Bandbreite nicht ausbeuterischer Gebühren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 13 bei Juris).
  352. Letztlich kann die erforderliche Prüfungstiefe des Gerichts dahingestellt bleiben, denn hier liegt ein FRAND-Angebot schon deshalb nicht vor, weil ein solches nicht rechtzeitig angegeben und ausreichend begründet wurde. Jedenfalls solche eher formalen Anforderungen an das Verhalten des SEP-Inhabers hat das Verletzungsgericht vollumfänglich zu prüfen.
  353. (b)Inhaltlich soll das Angebot des SEP-Inhabers fair, angemessen und nicht-diskriminierend (= FRAND) sein (Rn. 63 EuGH-Urteil). Dies umfasst Vorgaben einerseits zur absoluten Höhe der Lizenzgebühren, die fair und angemessen sein muss (hierzu unter (aa)), andererseits zur relativen Höhe der Lizenzgebühren verglichen mit anderen Lizenznehmern, wo ein Diskriminierungsverbot besteht (hierzu unter (bb)). Gleiches gilt neben der Höhe der Lizenzgebühren auch zu den anderen Inhalten des Angebots (hierzu unter (cc)).
  354. (aa)Das Angebot darf nicht ausbeuterisch sein, sondern muss „fair, reasonable“ sein. Es liegt kein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vor, wenn der Patentinhaber Vertragsbedingungen anbietet, die so auch ohne seine marktbeherrschende Stellung zustande gekommen wären.
  355. (bb)Neben der Vorgabe „fair, reasonable“, die sich auf die Höhe der Lizenzgebühren per se bezieht, muss das Lizenzvertragsangebot auch diskriminierungsfrei (non-discriminatory) sein. Ein marktbeherrschendes Unternehmen muss gemäß dem Diskriminierungsverbot Handelspartnern, die sich in der gleichen Lage befinden, dieselben Preise und sonstigen Geschäftsbedingungen einräumen. Allerdings gilt dies nur für vergleichbare Sachverhalte – eine Pflicht zur schematischen Gleichbehandlung besteht also nicht. Eine Ungleichbehandlung ist zulässig, soweit diese sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung (Diskriminierung) trägt der Verletzer, wobei den SEP-Inhaber eine sekundäre Darlegungslast trifft. Diese umfasst Angaben zu den anderen Lizenznehmern und den mit diesen vereinbarten Bedingungen, die der SEP-Inhaber vortragen muss. Sofern eine Ungleichbehandlung vorliegt, ist der SEP-Inhaber für deren Rechtfertigung darlegungs- und beweispflichtig.
  356. (cc)Das Angebot muss auch in Bezug auf die anderen Vertragsbedingungen FRAND sein, also etwa hinsichtlich des Umfangs der lizenzierten Schutzrechte und der territorialen Reichweite. Bei der Frage, ob eine – ggf. weltweite – Portfolio-Lizenz FRAND-Vorgaben entspricht, ist insbesondere auch die Branchenüblichkeit relevant. Werden auf dem relevanten Markt üblicherweise weltweite Konzernlizenzverträge für ganze Schutzrechtsportfolios geschlossen, verstößt ein entsprechendes Vertragsangebot nicht gegen FRAND, es sei denn die Umstände des Einzelfalls lassen eine Abweichung erforderlich erscheinen, etwa wenn der Verletzer nur auf einem geographischen Markt tätig ist (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 220 bei Juris).
  357. (3)Schließlich stellt das EuGH-Urteil an das vom SEP-Inhaber zu unterbreitende Angebot – neben den vorstehend erörterten zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben – auch (eher) formelle Anforderungen: Das Angebot muss zum einen konkret und schriftlich erfolgen. Zum anderen muss die Art und Weise der Berechnung der verlangten Lizenzgebühr angegeben werden (1. Leitsatz, 1. Spiegelsprich und Rn. 63 EuGH-Urteil), wobei letIres auch in einem Begleitschreiben o.ä. erfolgen kann, sofern es gleichzeitig mit dem Angebot übermittelt wird (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 252 bei Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 12 bei Juris; Kühnen, a.a.O., Rn. E.308 / Fn. 458).
  358. (a)Als „Art und Weise ihrer Berechnung“ verlangt der EuGH nicht nur die Angabe der Höhe der Lizenzgebühr und ihrer Berechnung. Vielmehr muss der SEP-Inhaber dem Verletzer konkret und für diesen nachvollziehbar erläutern, warum die vorgesehenen Lizenzgebühren FRAND sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I 15 U 66/15 = BeckRS 2016, 21067 Rn.19; LG Mannheim, Urteil vom 08.01.2016 – 7 O 96/14 – Rn. 76 bei Juris; LG Mannheim, Urteil vom 17.11.2016 – 7 O 19/16 = BeckRS 2016, 108197 Rn. 58; Kühnen, a.a.O., Rn. E.309).
  359. (b)Die vom SEP-Inhaber zur „Art und Weise ihrer Berechnung“ im Rahmen des Angebots zu machenden Angaben entsprechen inhaltlich dem, was er als Kläger in einem Verletzungsverfahren vortragen muss, um die FRAND-Gemäßheit seines Angebots gegenüber dem Gericht ausreichend darzulegen. Hierbei ist Vortrag insbesondere zu bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen und zu relevanten Gerichtsentscheidungen erforderlich.
  360. (aa)Die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung erfordert nicht zwingend eine streng mathematische Herleitung. Sofern dies im konkreten Fall möglich ist, ist es erforderlich und regelmäßig hinreichend, die Akzeptanz der verlangten (Standard-) Lizenzsätze am Markt über bereits abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 253 bei Juris). Hat der SEP-Inhaber bereits Lizenzverträge über das Klageschutzrecht oder ein Portfolio, welches dieses beinhaltet, abgeschlossen, so muss er zu diesen Verträgen konkret vortragen (Kühnen, a.a.O., Rn. E.310). Zum einen kann der Verletzer nur so feststellen, ob das Angebot tatsächlich diskriminierungsfrei (non-discriminatory) ist. Denn der Verletzer hat ansonsten üblicherweise keine Möglichkeit, Kenntnis von von anderen Unternehmen gezahlten Lizenzgebühren zu erlangen. Zum anderen kann über bereits abgeschlossene Lizenzverträge oftmals die Akzeptanz der verlangten Lizenzgebühren auf dem Markt belegt werden und damit, dass diese fair und angemessen (Fair / Reasonable) sind (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 219 bei Juris m.w.N.). Ob die Vorlage von anderen Lizenzverträgen alleine ausreicht, um die Angemessenheit der Lizenzgebühren zu belegen, hängt vom Einzelfall und insbesondere von der Zahl der abgeschlossenen Lizenzverträge ab. Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer so nachgewiesenen Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weitere Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein.
  361. Die Darlegung der Art und Weise der FRAND-gemäßen Lizenzgebühren über bereits geschlossene Lizenzverträge ist vorranging. Über das Ergebnis verschiedener, schon erfolgter, tatsächlicher Lizenzverträge lässt sich die FRAND-Gemäßheit einfacher belegen und sicherer feststellen, als über den Vortrag der einzelnen Faktoren, die in Lizenzvertragsverhandlungen jeweils eine näher zu bestimmende, mehr oder weniger gewichtige Rolle spielen könnten oder sollten, und welche der Verletzer und das Gericht jeweils erst zu einer Lizenzgebührenhöhe „zusammensetzen“ müssten.
  362. Um die Höhe der Lizenzgebühren rechtfertigen zu können, muss der SEP-Inhaber grundsätzlich zu allen wesentlichen Lizenzverträgen vortragen – andernfalls besteht stets die Gefahr, dass selektiv nur solche Verträge vorgelegt werden, die die geforderte Lizenzgebührenhöhe stützen. Auch eine Diskriminierungsfreiheit lässt sich nur nachprüfen, wenn zu allen Lizenzverträgen Angaben gemacht werden.
  363. (bb)Neben den bereits geschlossenen Lizenzverträgen muss der SEP-Inhaber zum Nachweis der Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren zudem etwaige Gerichtsentscheidungen vorlegen, die sich mit den abgeschlossenen Lizenzverträgen befassen. Denn gerichtliche Entscheidungen oder Hinweise zur Angemessenheit der vorgeschlagenen Lizenzbedingungen sind jedenfalls als neutrale und sachverständige Stellungnahmen zu berücksichtigen. Der Verletzer hat ein legitimes Interesse an solchen Entscheidungen, während es dem SEP-Inhaber obliegt, solche relevanten Aspekte transparent zu machen.
  364. Zumindest wenn keine oder eine nicht ausreichende Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen worden ist, muss der SEP-Inhaber auch sonstige Entscheidungen zur Verletzung und zum Rechtsbestand des oder der zu lizenzierenden Schutzrechte vorlegen.
  365. Ob neben den vorzutragenden, bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen und ggf. Gerichtsentscheidungen zusätzlich noch weitere Angaben zwingend erforderlich sind, hängt davon ab, ob mit den vorgelegten Verträgen die FRAND-Gemäßheit schon nachgewiesen werden kann, was vorranging von der Anzahl und ggf. Reichweite der abgeschlossenen Lizenzverträge abhängt.
  366. Ist dies nicht der Fall, muss der SEP-Inhaber zum Nachweis der angemessenen Lizenzgebührenhöhe etwa zu ihm bekannten vergleichbaren Lizenzverträgen (möglichst im selben oder einen vergleichbaren technischen Gebiet) vortragen. Auch sind nähere Erläuterungen des Portfolios und dessen Auswirkungen auf die Gebührenhöhe erforderlich, wenn das Klagepatent nicht einzeln lizenziert wird. Was konkret vorzutragen ist, ist eine Frage des Einzelfalls – letztlich muss der SEP-Inhaber darlegen, wie er die Lizenzgebühren festgelegt hat und warum die festgelegte Höhe angemessen ist.
  367. (dd)Über die Vorlage der aller bereits abgeschlossenen Lizenzverträge lässt sich, wie bereits erwähnt, auch die Diskriminierungsfreiheit der angebotenen Lizenzvertragsbedingungen aufzeigen. Zum Nachweis eines nicht-diskriminierenden Lizenzvertragsangebots ist konkreter Sachvortrag zu den bestehenden Vereinbarungen mit Dritten erforderlich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 = BeckRS 2016, 21067 Rn. 22). Sind bislang noch keine Lizenzverträge über das Klageschutzrecht abgeschlossen worden, so reicht für den Beleg der Diskriminierungsfreiheit aus, dass der SEP-Inhaber ankündigt, vergleichbare Lizenzbedingungen auch bei zukünftigen Lizenzierungen von anderen Unternehmen zu verlangen.
  368. (c)Die oben erläuterten zeitlichen Vorgaben für die Abgabe des Angebots gelten auch für die Darlegung der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren (so ausdrücklich: LG Mannheim, Urteil vom 01.07.2016 – 7 O 209/15 – Rn. 119 bei Juris = BeckRS 2016, 18389). Erst wenn der Verletzer diese Angaben erhalten hat, liegt ein Angebot vor, dessen FRAND-Gemäßheit er hinreichend überprüfen und auf das er nach den Vorgaben des EuGH reagieren muss.
  369. (d)Es kann dem Verletzer obliegen, ein Geheimhaltungsabkommen abzuschließen, um dem SEP-Inhaber den Vortrag zu anderen Lizenzverträgen etc. zu ermöglichen. Verweigert der Verletzer den berechtigten Wunsch des SEP-Inhabers, ein angemessenes Geheimhaltungsabkommen abzuschließen, entbindet dies den SEP-Inhaber aber grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren und abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 24 bei Juris). Im Einzelnen:
  370. (aa)Grundsätzlich kann dem Verletzer eines SEPs abverlangt werden, die von dem SEP-Inhaber zugänglich gemachten, vertraulichen Informationen nur für die Überprüfung der FRAND-Gemäßheit und für Prozesszwecke zu verwenden, aber nicht außerhalb dieser Bereiche. Ferner kann grundsätzlich verlangt werden, dass der Verletzer solche Informationen gegenüber Dritten geheim hält. Denn der Verletzer eines SEP ist gehalten, die FRAND-Vertragsverhandlungen zu fördern, was ihn auch dazu verpflichtet, auf berechtigte Geheimhaltungsbelange des SEP-Inhabers einzugehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2017 – I-2 U 31/16 – Rn. 8 bei Juris). Der Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens ist in „freien“ Lizenzverhandlungen üblich und steht regelmäßig am Anfang der Diskussion – wie es auch hier erfolgt ist.
  371. (bb)Weigert sich der Verletzer vollständig, ein angemessenes Geheimhaltungsabkommen abzuschließen, führt dies regelmäßig nicht dazu, diesen als lizenzunwillig anzusehen, sondern ist vielmehr bei der Bewertung der FRAND-Gemäßheit des Angebots zu berücksichtigen.
  372. Im Regelfall wird eine fehlende Mitwirkung am Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens bei einem ansonsten lizenzwilligen Verletzer dazu führen, dass der SEP-Inhaber die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren etwas weniger konkret darlegen muss und tatsächlich geheimhaltungsbedürftige Informationen anonymisieren oder weglassen darf. Der Verletzer, der den Abschluss eines angemessenen Geheimhaltungsabkommens verweigert oder bewusst verzögert, riskiert damit, dass der SEP-Inhaber auch ohne vollständige Angaben zu anderen Lizenzverträgen seiner Darlegungslast ausreichend nachkommt.
  373. Die FRAND-widrige, mangelnde Mitwirkung des Verletzers entbindet den SEP-Inhaber jedoch nicht davon, soweit wie ohne Geheimhaltungsabkommen zumutbar, die Art und Weise der Berechnung der FRAND-Lizenzgebühren darzulegen und nachzuweisen. Dabei ist zu beachten, dass die Geheimhaltungsbedürftigkeit bei der Frage der Vortragspflichten des SEP-Inhabers strenger zu verstehen sind als im Rahmen eines Geheimhaltungsabkommens, welches der SEP-Inhaber berechtigterweise fordern kann. Anders ausgedrückt: Nicht jede Information, die von einem marktüblichen Geheimhaltungsabkommen umfasst werden würde, kann im Gerichtsverfahren weggelassen werden, ohne dass dies die Vollständigkeit der Darlegung der Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung erfolgreich in Frage stellen könnte. Denn auch ohne Mitwirkung beim Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens liegt die Darlegungslast, dass das unterbreitete Angebot FRAND-Grundsätzen entspricht, weiterhin beim SEP-Inhaber. Dieser kann sich im Prozess grundsätzlich nicht mit Erfolg pauschal darauf berufen, einem konkreten Sachvortrag zum Inhalt anderer Lizenzvereinbarungen stünden Geheimhaltungsinteressen Dritter entgegen und/oder er habe sich gegenüber Lizenznehmern zur Geheimhaltung verpflichtet (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 – Rn. 24 bei Juris). Der SEP-Inhaber darf vielmehr nur das zur Geheimhaltung absolut Notwendige unter Darlegung der Gründe hierfür weglassen, aber nicht pauschal jeden Vortrag zu anderen Lizenzverträgen verweigern. Ein FRAND-gemäßes Verhalten gebietet ein großes Maß an Transparenz. Den bestehenden und potentiellen Lizenznehmern des SEP muss es möglich sein, die Diskriminierungsfreiheit des Lizenzvertrages festzustellen. So können abgeschlossene Lizenzverträge beispielsweise anonymisiert vorgelegt werden.
  374. (cc)Soweit der SEP-Inhaber den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens vom Verletzer fordern kann, hat er dies frühzeitig in die Wege zu leiten. Regelmäßig wird der SEP-Inhaber mit dem Verletzungshinweis den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens initiieren müssen.
  375. Es obliegt dem SEP-Inhaber zeitgleich mit dem Angebot die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren darzulegen. Wenn er sich berechtigterweise hierzu nur in der Lage sieht, falls der Verletzer zuvor ein Geheimhaltungsabkommen mit ihm abschließt, so muss er sich hierum kümmern und dafür Sorge tragen, dass er im Zeitpunkt des Angebots bereits vertrauliche Informationen an den Verletzer übermitteln kann. Dies entspricht im Übrigen der im Geschäftsverkehr üblichen Praxis, ein Geheimhaltungsabkommen an den Beginn der Lizenzvertragsverhandlung zu stellen.
  376. Verzögert der Verletzer den Abschluss eines Geheimhaltungskommens – etwa durch unnötig langsame Reaktionen oder immer neue Forderungen – , so gilt grundsätzlich Entsprechendes wie bei der vollständigen Verweigerung eines berechtigten Geheimhaltungsabkommens: Der SEP-Inhaber wird von der Darlegungslast nicht entbunden, er darf aber geheimhaltungsbedürftige Informationen zunächst zurückhalten und nachliefern, sobald ein solches Abkommen geschlossen ist, wobei ihn dies – wie gesehen – nicht von der Obliegenheit eines ansonsten möglichst umfassenden Vortrags befreit und nur punktuelle Schwärzungen oder Auslassungen möglich sind.
  377. (dd)Bei den Informationen, die der SEP-Inhaber zunächst zurückgehalten hat, kann sich der Verletzer nicht auf eine Verspätung oder mangelnde Zeit zur Prüfung berufen, sofern die Verzögerung auf seinem eigenen Verhalten beruht. Wird ein Geheimhaltungsabkommen zu spät abgeschlossen, weil einerseits der SEP-Inhaber ein solches zu spät initiiert hat und andererseits der Verletzer den Vertragsschluss unangemessen lang verzögert hat, geht dies grundsätzlich zunächst zu Lasten des SEP-Inhabers: Dieser kann nur dann damit gehört werden, er habe geheimhaltungsbedürftige Informationen nicht rechtzeitig vortragen können, wenn er darlegen kann, dass auch bei frühzeitiger Initiierung der Geheimhaltungsabrede das entsprechende Abkommen zu spät abgeschlossen worden wäre.
  378. bb)Unter Zugrundelegung der dargelegten Anforderungen lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin ein FRAND-gemäßes Lizenzvertragsangebot gegenüber der Beklagten abgegeben hat.
  379. (1)Hinsichtlich der vorprozessualen Lizenzvertragsangebote der Klägerin kann nicht festgestellt werden, dass eines der Angebote inhaltlich FRAND-Bedingungen entsprach. Für diese Angebote ist eine ausreichende Darlegung zur Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren nicht ersichtlich. Es fehlt hinreichender Vortrag zu den geforderten Lizenzgebühren und deren Angemessenheit. Zudem ist fraglich, ob diese Angebote angesichts der späteren Angebote überhaupt noch gültig sind und von der Beklagten angenommen werden könnten.
  380. (2)Mit dem Angebot vom 13.01.2017 kann die Klägerin ihre FRAND-Obliegenheiten ebenfalls nicht erfüllen.
  381. (a)Das Angebot der Klägerin vom 13.01.2017 erfolgte mit der Replik und erst nach der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs. Eine wirksame Nachholung während des hiesigen Verletzungsverfahrens scheitert jedenfalls daran, dass die Klägerin weder rechtzeitig noch ausreichend die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren dargelegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, dass die Beklagte den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommen im Prozess FRAND-widrig verzögert hat.(aa)Der Vortrag der Klägerin in der Replik in der am 13.01.2017 eingereichten, teilweise geschwärzten Fassung reicht nicht aus, die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren zu begründen.
  382. Der Vortrag, die angebotenen Lizenzsätze entsprächen der Standard Rate bzw. der Compliant Rate, alleine genügt nicht für die Feststellung der FRAND-Gemäßheit. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage keine Möglichkeit, die Richtigkeit der Aussage zu prüfen. In der Replik findet sich kein (ungeschwärzter) Vortrag zu den anderen Lizenzverträgen, welche die Klägerin bereits abgeschlossen hat.
  383. Aufgrund des unvollständigen Vortrags zur FRAND-Gemäßheit der Lizenzgebührenhöhe konnte die Beklagte auch nicht im Rahmen der Duplik hierzu Stellung nehmen. Ohne feststellbar FRAND-gemäßes Angebot der Klägerin war die Beklagte weder dazu verpflichtet, noch ausreichend dazu in der Lage, ein FRAND-Gegenangebot abzugeben, geschweige denn es innerhalb der gesetzten Schriftsatzfristen in das hiesige Verfahren einzuführen.
  384. (bb)Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei ein ausreichender Vortrag nicht rechtzeitig möglich gewesen, weil die Beklagte die ihr obliegende Mitwirkung am Zustandekommen einer Geheimhaltungsvereinbarung verweigert habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte durch unangemessene Forderungen den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens verzögert hat. Selbst wenn man eine Verzögerung durch die Beklagte annimmt, führt dies vorliegend nicht dazu, dass man die FRAND-Gemäßheit des Angebots der Klägerin unterstellen kann bzw. der Beklagten die Berufung auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand insgesamt verwehrt wäre.
  385. (aaa)Die Klägerin kann den unzureichenden Vortrag zur Lizenzgebührenberechnung zumindest deshalb nicht erfolgreich mit einer Verzögerungstaktik der Beklagten entschuldigen, weil ihr selbst ohne Geheimhaltungsabkommen näherer Vortrag zur FRAND-Gemäßheit der geforderten Lizenzgebühren möglich gewesen wäre. Gegenüber Dritten kann das Gericht Geheimnisschutzanordnungen erlassen. Die Klägerin hätte anonymisiert zu den abgeschlossenen Lizenzverträgen vortragen können. Dagegen hat die Klägerin den Vortrag zu diesem Punkt größtenteils geschwärzt. Unabhängig von der Reichweite eines marktüblichen Geheimhaltungsabkommens kann die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht Vortrag mit der pauschalen Begründung weglassen, ihre Geheimhaltungsinteressen seien betroffen.
  386. Die vorgenommenen Schwärzungen waren zu einem großen Teil nicht durch Geheimhaltungsinteressen gerechtfertigt, wie sich nach Freigabe der geschwärzten Passagen der Replik zeigt. Es ist unter FRAND-Gesichtspunkten bedenklich, wenn die Klägerin ohne Rechtfertigung Vortrag als geheimhaltungsbedürftig zurückhält, der keine vertraulichen Informationen enthält, so dass die Beklagte hierauf erst kurz vor der mündlichen Verhandlung reagieren kann.
  387. So ist etwa nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin ihre generellen „Erwägungen bei der Bestimmung der Lizenzgebühr“ (S. 13 ff. der Replik) geschwärzt hat. Diese enthalten keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen, sondern nur die klägerische Auffassung, wie man Lizenzgebühren errechnen muss. Worin das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin an den öffentlich zugänglichen Preisen von Tablets liegen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Gleiches gilt für einen zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, der der Beklagten ohnehin bekannt ist.
  388. Auch die zunächst geschwärzt Darstellung der durch das Portfolio erfassten Standards und deren Kurzbeschreibung sind offensichtlich nicht geheim; die abgedeckten Standards werden von der Klägerin auch auf deren Homepage veröffentlicht. Da der Standard öffentlich ist und auch die Schutzrechte veröffentlicht werden, erscheint weiterhin ein Geheimhaltungsbedürfnis an Claim Charts fraglich – welche ja nur die Patentansprüche mit bestimmten Standardstellen verbinden. Zur Durchsetzung der Schutzrechte müsste die Klägerin ohnehin diese Informationen vorlegen. Auf ihrer Homepage teilt die Klägerin zudem mit, welche Patente zu ihrem Portfolio gehören und welche Standards sie abdecken, wobei sie auch die konkreten Standardspezifikationen nennt.
  389. (bbb)Die Klägerin kann sich weiterhin nicht auf eine mangelnde Mitwirkung der Beklagten beim Abschluss des Geheimhaltungsabkommens berufen, da sie dieses zu spät initiiert hat. Es ist davon auszugehen, dass bei rechtzeitiger Initiierung ein Geheimhaltungsabkommen abgeschlossen worden wäre, dass der Klägerin ausreichenden Vortrag ermöglicht hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte unangemessene Forderung gestellt hat und den Abschluss des letztlich vereinbarten Geheimhaltungsabkommen verzögert hat. Letztlich ist ein Geheimhaltungsabkommen geschlossen worden, dass es der Klägerin ermöglicht hat, auch den zunächst geschwärzten Vortrag in der Replik zur Begründung des Angebots vom 13.01.2017 freizugeben. Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin dies schon zum Zeitpunkt des Ablaufs der Replikfrist möglich gewesen wäre, wenn sie den Abschluss des Geheimhaltungsabkommens rechtzeitig initiiert hätte. Denn letztlich ist in weniger als fünf Monaten ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen worden.
  390. Demgegenüber hat die Klägerin nach Kündigung des vorprozessualen Geheimhaltungsabkommens erst mit Schreiben vom 05.01.2017 den Abschluss eines neuen Vertrags angeboten. Vorprozessual hat die Klägerin hingegen unmittelbar nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Beklagten im Schreiben vom 04.12.2012 den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens initiiert. Ihr war also schon weit vor Klageerhebung bekannt, dass aus ihrer Sicht ein Geheimhaltungsabkommen für einen vollständigen FRAND-Vortrag erforderlich ist.
  391. (ccc)Dass zum Ablauf der Replikfrist am 13.01.2017 kein Geheimhaltungsabkommen vorlag, liegt schließlich im Verantwortungsbereich der Klägerin. Der Beklagten kann nicht zur Last gelegt werden, dass sie auf den mit Schreiben vom 05.01.2017 überreichten Entwurf eines Geheimhaltungsabkommens nicht innerhalb der von der Klägerin bis zum 12.03.2017 gesetzten Frist reagiert hat. Die Reaktion der Beklagten mit Schreiben vom 26.01.2017, d.h. drei Wochen später, ist in zeitlicher Hinsicht nicht als Verzögerungstaktik zu beanstanden. Die gesetI Frist von einer Woche war deutlich zu kurz. Der Entwurf des klägerischen Geheimhaltungsabkommens ging an den deutschen Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Dieser musste die Beklagte als seine Mandantin informieren, die wiederum – wie der Prozessbevollmächtigte selbst – den Entwurf prüfen und intern abstimmen musste. Selbst bei schnellstmöglicher Reaktion sind hierfür mindestens zwei bis drei Wochen akzeptabel. Hinzu kommt, dass die Replikfrist ursprünglich auf den 09.12.2016 festgesetzt worden war, weshalb die Klägerin Anlass gehabt hätte, den Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens noch früher in die Wege zu leiten.
  392. (cc)Schließlich kann sich die Klägerin auch deshalb nicht auf eine mangelnde Mitwirkung der Beklagten beim Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens berufen, da ihr Vortrag auch dann, wenn man annimmt, die Replik sei schon am 13.01.2017 ungeschwärzt eingereicht worden, nicht ausreicht, um die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren zu begründen. Selbst beim Abschluss des am 05.01.2017 geforderten Geheimhaltungsabkommens innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist wäre ihr Vortrag in der Replik nicht ausreichend (unabhängig von der Frage, ob er zu diesem Zeitpunkt nicht ohnehin schon zu spät war).
  393. Die Klägerin selbst trägt vor, sie habe eine Reihe von Lizenzverträgen zu dem hier gegenständlichen Portfolio abgeschlossen, von denen sie allerdings nur eine Auswahl präsentiert. Eine FRAND-widersprechende Diskriminierung kann bereits dann vorliegen, wenn einem Marktteilnehmer ohne sachlichen Grund deutlich günstigere Konditionen eingeräumt werden. Insofern bedarf es zur Feststellung der Diskriminierungsfreiheit grundsätzlich Vortrags zu allen bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen, die dasselbe SEP und/oder das gleiche Portfolio betreffen. Die Klägerin erläutert demgegenüber in der Replik nur X bereits geschlossene Lizenzverträge (X – X). Dagegen wurden im Parallelverfahren vor dem OLG Düsseldorf X Lizenzverträge diskutiert. Jedenfalls die Diskriminierungsfreiheit lässt sich aufgrund des Vortrages der Klägerin auf der Basis der Replik nicht feststellen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der dort fehlende Lizenzvertrag (X) zu diskriminierenden Bedingungen führt.
  394. Im Übrigen geht die Klägerin selbst davon aus, dass sie in der Replik nicht vollständig die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung dargelegt hat. Denn sie trägt im Schriftsatz vom 19.05.2017 erneut umfangreich zur FRAND-Gemäßheit vor, wobei sie auch den Lizenzvertrag X erwähnt. Damit gibt sie zu erkennen, dass ihr bisheriger Vortrag nicht vollständig ist. Auch insofern kann sie sich nicht auf das Fehlen eines Geheimhaltungsabkommens berufen: Sie hätte ohne weiteres schon in der Replik zu Lizenzvertrag X (ggf. zunächst geschwärzt) vortragen können.
  395. (b)Ungeachtet der Diskussion über die Geheimhaltung und der Frage des unvollständigen Vortrags zur Lizenzgebührenberechnung kann die FRAND-Gemäßheit auf Grundlage des bisherigen Vortrags nicht festgestellt werden. Die Klägerin diskutiert die von der Beklagten vorgebrachte Kritik an verschiedenen Aspekten des Angebots vom 13.01.2017 auch nur noch im Zusammenhang mit dem Angebot vom 19.05.2017.
  396. Der Umstand, dass die Klägerin sich veranlasst gesehen hat, die geforderten Lizenzgebühren im Angebot vom 19.05.2017 deutlich zu senken, spricht dafür, dass die ursprünglichen Bedingungen selbst aus der Sicht der Klägerin FRAND-Vorgaben nicht genügen. Da das Angebot laut der Klägerin „den neuen Entwicklungen im Hinblick auf das Q der Klägerin Rechnung tragen“ soll (S. 2 des Schriftsatzes vom 19.05.2017), ist davon auszugehen, dass die Klägerin selbst Zweifel an der FRAND-Gemäßheit des Angebots vom 13.01.2017 hat.
  397. (3)Das aktuelle Lizenzvertragsangebot vom 19.05.2017 kann die FRAND-Obliegenheiten der Klägerin ebenfalls nicht erfüllen. Aufgrund der Unterbreitung dieses Angebots kurz vor der mündlichen Verhandlung am 30.05.2017 ist das Angebot verspätet und kann nicht mehr berücksichtigt werden. Der Zeitpunkt des Angebots stellt sich vielmehr als Ausdruck einer FRAND-widrigen Lizenzierungspraxis dar. Weiterhin hat die Klägerin (bislang) die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren nicht ausreichend dargelegt.
  398. (a)Das Angebot vom 19.05.2017 erfolgte deutlich mehr als ein Jahr nach der gerichtlichen Geltendmachung des Klagepatents und damit außerhalb der zeitlichen Vorgaben des EuGH. Mit diesem Angebot konnte die Klägerin ihre Verpflichtung, ein FRAND-Angebot zu machen, nicht mehr nachholen.
  399. (aa)Die Beklagte hat keine Möglichkeit, das Angebot der Klägerin vom 19.05.2017 gemäß den geschäftlichen Gepflogenheiten zu prüfen und hierauf vor oder während der am 30.05.2017 terminierten mündlichen Verhandlung zu reagieren. Das neue Angebot ist mit umfangreichem neuen Vortrag verbunden, der zudem teilweise geschwärzt ist. Auch wurden weitere Claim Charts überreicht. Unabhängig davon, ob die Klägerin hierzu verpflichtet war, um die FRAND-Gemäßheit des Angebots nachzuweisen, muss der Beklagten die Möglichkeit gegeben werden, den gesamten Vortrag der Klägerin zu prüfen. Ferner muss die Beklagte nach den EuGH-Vorgaben ein FRAND-gemäßes Angebot nicht annehmen, sondern darf hierauf ein Gegenangebot formulieren. Hierfür ist ein Zeitraum von 11 Tagen (einschließlich zweier Wochenenden und einem Feiertag) erkennbar nicht ausreichend.
  400. Die Prüfung wird auch dadurch erschwert, dass die Klägerin offenbar zwei Versionen des Angebots eingereicht hat. Sie stellt auch nicht dar, wie sich das jetzige Angebot vom vorherigen Angebot unterscheidet. Die Klägerin hat erst mit Schriftsatz vom 18.05.2017 versucht, in einer ungeschwärzten Fassung der Replik die FRAND-Gemäßheit ihres Angebots vom 13.01.2017 zu begründen. Nur einen Tag später legte sie ein neues Angebot vor. Die Taktik der Klägerin, kurz vor der mündlichen Verhandlung neuen Vortrag und ein neues Angebot einzureichen, vereitelt eine ausreichende Prüfung ihrer Angebote durch die Beklagte. Aufgrund der kurz darauf folgenden mündlichen Verhandlung wird die Beklagte unter ungebührlichen Druck gesetzt, das neueste Angebot zu prüfen und hierauf zu reagieren.
  401. (bb)Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Klägerin das Angebot vom 19.05.2017 nicht früher hätte machen können.
  402. Die Urteile des OLG Düsseldorf in den Parallelverfahren rechtfertigen die verzögerte Unterbreitung des Angebots nicht. Wenn die Klägerin dort zunächst ein nicht FRAND-gemäßes Angebot abgegeben hat, was vom OLG Düsseldorf festgestellt wurde und der Klägerin Anlass bot, ein neues Angebot im hiesigen Verfahren einzureichen, würde dies auf dem Versäumnis der Klägerin beruhen, von vornherein ein FRAND-gemäßes Angebot abzugeben. Jedenfalls kann eine solche Fallkonstellation nicht dazu führen, die Zeit, die der Beklagten zur Prüfung des Angebots und zur Reaktion hierauf zusteht, zu verkürzen. Im Übrigen erfolgte das neue Angebot erst 1,5 Monate nach der Verkündung der Urteile in den Parallelverfahren vor dem OLG Düsseldorf.
  403. (cc)Entgegen der Ansicht der Klägerin im Schriftsatz vom 24.05.2017 (dort S. 8), wäre es auch beim sofortigen Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens durch die Beklagte nicht möglich gewesen, „das hiesige Verfahren innerhalb der gesetzten Fristen ohne Probleme“ durchzuführen. Das Angebot der Klägerin vom 19.05.2017 erfolgte außerhalb des von der Kammer gesetzten Fristenregimes, nämlich mehr als vier Monate nach der Replikfrist der Klägerin und mehr als fünf Wochen nach der Duplikfrist. Die Parteien sind bereits in der Prozessleitenden Verfügung darauf hingewiesen worden, dass die Duplik der Vorbereitung der Kammer dient und damit grundsätzlich nicht verlängerbar ist.
  404. (b)Daneben ist das Angebot vom 19.05.2017 – ungeachtet dessen, dass es schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr berücksichtigungsfähig ist – nicht FRAND, da auch im Schriftsatz vom 19.05.2017 die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren nicht ausreichend dargestellt wird. Insofern kann nur von der eingereichten, teilweise geschwärzten Fassung des Schriftsatzes ausgegangen werden. Der dortige Vortrag reicht für die Darlegung der Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung nicht aus.
  405. (aa)Die Klägerin versäumt es weiterhin, das OLG-Urteil in der Parallelsache (R ./. S) vorzulegen. Insofern ist der schlichte Hinweis unzureichend, das jetzige Angebot unterscheide sich von dem Angebot, welches vom OLG Düsseldorf als missbräuchlich angesehen wurde. Der Klägerin hätte es oblegen, detailliert darzustellen, weswegen das OLG Düsseldorf das dortige Angebot der Klägerin als nicht FRAND angesehen hat und worin sich konkret das vorliegende Angebot vom 19.05.2017 unterscheidet und wie diese Unterschiede die Kritik des OLG Düsseldorf überwinden. Dies hat sie jedoch unterlassen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum bezüglich solcher allgemeiner Informationen Geheimhaltungsverpflichtungen der Klägerin dem Vortrag entgegenstehen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zudem zwar ausgeführt, das Urteil sei noch nicht veröffentlicht – sie hat jedoch nicht dargelegt, dass sie sich in dem betreffenden Verfahren, in dem sie selbst Klägerin ist, ausreichend um eine zeitnahe (ggf. teilweise geschwärzt) Offenlegung bemüht hat.
  406. (bb)Zu dem Lizenzvertrag X wird im Schriftsatz vom 19.05.2017 erstmals vorgetragen. Allerdings kann aus dem (bisherigen, geschwärzten) Vortrag eine Diskriminierungsfreiheit nicht festgestellt werden.
  407. Vielmehr gibt der ungeschwärzte Vortrag Anlass zum Verdacht, dass aus dem Lizenzvertrag F diskriminierende Bedingungen abgeleitet werden können. Der Vortrag der Klägerin, ein bloßer Ausreißer könne nicht zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung führen, lässt vermuten, dass einer der abgeschlossenen Lizenzverträge (Lizenzvertrag X?) deutlich abweichende Lizenzbedingungen enthält. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bereits durch einen einzelnen, ungerechtfertigt günstigeren Lizenzvertragsschluss die gesamte Lizenzierungspraxis als missbräuchlich anzusehen sein. Werden einem Mobiltelefonhersteller ungerechtfertigt günstigere Lizenzgebühren angeboten, so hat dieser Hersteller einen dauerhaften Vorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern, die insoweit höhere Herstellungskosten haben.
  408. Auch die Argumentation der Klägerin, ein SEP vermittele keine echte marktbeherrschende Stellung, so dass man gezwungen sei, Rabatte einzuräumen, lässt zumindest den Verdacht aufkommen, dass die Klägerin hier versucht, eine diskriminierende Lizenzierungspraxis zu rechtfertigen. Jedenfalls mit dem aus dem (geschwärzten) Schriftsatz ersichtlichen Vortrag, gelingt ihr das nicht. Dass in den USA und China der Unterlassungsanspruch nicht zwangsläufige Folge einer Patentverletzung ist, vermag diskriminierend günstige Lizenzgebühren nicht zu rechtfertigen. Dass es leichter ist, Lizenzverträge mit günstigen Lizenzgebühren und Rabatten abzuschließen, erlaubt es ersichtlich nicht, solche guten Konditionen nur selektiv anzubieten. Aus dem Vortrag der Klägerin ist nicht ersichtlich, warum sie einem Lizenznehmer (möglicherweise) sehr günstige Konditionen angeboten hat, weiteren aber nicht.
  409. Schließlich erscheint die Argumentation der Klägerin unter FRAND-Gesichtspunkten bedenklich, dass eine höhere Lizenzgebühr gerechtfertigt sei, weil es gerade ihr Unternehmenszweck sei, eine weitreichende Lizenzierung des Markts zu erreichen. Ohne weiteren (ggf. vorhandenen, aber geschwärzten) Vortrag erscheint es problematisch, die FRAND-Gemäßheit von Lizenzgebühren festzustellen, die auf einer solchen Argumentation beruhen.
  410. (cc)Der Schriftsatz vom 19.05.2017 ist schon deshalb nicht ausreichend, um die Art und Weise der Berechnung der geforderten Lizenzgebühren darzulegen, da er zu einem großen Teil geschwärzt ist. Damit gibt die Klägerin zu erkennen, dass weiterer Vortrag zur Begründung der FRAND-Gemäßheit erforderlich (und vorbereitet) ist, dieser aber derzeit nicht übermittelt wird. Damit ist auch aus Sicht der Beklagten klar, dass eine endgültige Prüfung des Angebots nicht möglich ist und auch ein Gegenangebot nicht vorbereitet werden kann. Solange die Klägerin Teile ihres Vortrages schwärzt, läuft das Prozedere damit schlicht nicht weiter.
  411. (dd)Den fehlenden bzw. geschwärzten Vortrag kann die Klägerin auch nicht mit dem Fehlen eines Geheimhaltungsabkommens rechtfertigen. Auch bezüglich des Angebots vom 19.05.2017 kann sich die Klägerin nicht auf eine mangelnde Mitwirkung der Beklagten beim Abschluss eines Geheimhaltungsabkommens berufen. Selbst wenn die Beklagte das am 05.01.2017 von der Klägerin vorgeschlagene Geheimhaltungsabkommen unmittelbar abgeschlossen hätte, wäre der Vortrag im Schriftsatz vom 19.05.2017 offensichtlich zu spät, um die FRAND-Gemäßheit des Angebots vor der mündlichen Verhandlung zu prüfen und ein Gegenangebot abzugeben.
  412. Im Übrigen hat die Klägerin ein Geheimhaltungsabkommen zu spät initiiert, wie oben dargelegt wurde. Die Klägerin hat auch erst am Tag der Angebotsunterbreitung (dem 19.05.2017) eine Erweiterung der abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung in die Wege geleitet. Warum die entsprechenden Informationen nicht schon vorher Gegenstand der Verhandlungen über das Geheimhaltungsabkommen waren und in die Listen der abgeschlossenen Fassung aufgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
  413. d)Selbst wenn man – wie nicht – davon ausgehen sollte, dass das Angebot vom 19.05.2017 feststellbar FRAND-Vorgaben entspricht, und die Klägerin die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren ausreichend dargelegt hätte, würde der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand durchgreifen. Durch die Abgabe eines FRAND-Angebots wird nur die Pflicht des Patentbenutzers ausgelöst, ein FRAND-gemäßes Gegenangebot zu machen, wenn das Angebot nicht angenommen wird. Auch wenn diese Reaktion ohne Verzögerungstaktik erfolgen muss, ist dem Verletzer gleichwohl ein angemessener Zeitraum für die Prüfung und Formulierung des Gegenangebots einzuräumen. Bis zur mündlichen Verhandlung am 30.05.2017 hatte die Beklagte ausgehend vom Angebot am 19.05.2017 hierfür schlicht nicht ausreichend Zeit. Auf die Zeit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung kann dagegen bei der Entscheidung nicht abgestellt werden.
  414. e)Der erfolgreich erhobene Zwangslizenzeinwand führt zur (vorläufigen) Abweisung der auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichteten Anträge (dazu im Folgenden). Der Anspruch auf Schadensersatz sowie derjenige auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung erfahren aufgrund des erfolgreichen kartellrechtlichen Einwandes zwar eine inhaltliche Beschränkung, bestehen aber dem Grunde nach (vgl. dazu unter Ziff. VII.).
  415. aa)Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG ist als derzeit unbegründet abzuweisen. Wie oben dargelegt, hat die Beklagte erfolgreich den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand erhoben. Die Klägerin hat die aus dem EuGH-Urteil folgenden Vorgaben nicht – jedenfalls nicht rechtzeitig – erfüllt. Solange dies nicht der Fall ist, ist der Anspruch auf Unterlassung nicht durchsetzbar (Rn. 52 und 73 des EuGH-Urteils). Erfüllt die Klägerin aber – rechtzeitig – ihre Obliegenheiten, während die Beklagte sich nicht FRAND-gemäß verhält, sind diese Ansprüche wieder durchsetzbar (OLG Karlsruhe, Mitt. 2016, 321 – Informationsaufzeichnungsmedium; Kühnen, a.a.O., Rn. E.300).
  416. bb)Auch der aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG folgende Rückrufanspruch ist als derzeit nicht durchsetzbar abzuweisen. Die für den Unterlassungsanspruch geltenden, kartellrechtlichen Beschränkungen sind auch auf den Rückrufanspruch anwendbar (vgl. Rn. 73 EuGH-Urteil)
  417. cc)Schließlich war auch der Anspruch auf Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG aufgrund des erfolgreich von der Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands als derzeit unbegründet abzuweisen.
  418. Die vom EuGH für den Unterlassungs- und Rückanspruch explizit vorgesehenen, kartellrechtlichen Einschränkungen gelten nach allgemeiner Auffassung ebenfalls für den Vernichtungsanspruch (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 181 bei Juris m.w.N.). Der Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände wirkt auf den Marktzugang entsprechender Produkte ähnlich wie ein Unterlassungs- oder Rückrufanspruch. Denn auch die Geltendmachung des Vernichtungsanspruchs ist geeignet, zu verhindern, dass von Wettbewerbern hergestellte Produkte, die dem betreffenden Standard entsprechen, auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben.
  419. VI.Die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs sowie des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs, die der FRAND-Einwand dem Grunde nach nicht ausschließt, ist auch nicht aufgrund des Einwandes eines Patenthinterhalts gehindert. Die Beklagten haben unter dem Gesichtspunkt des sog. Patenthinterhalts weder einen Anspruch auf die Erteilung einer Freilizenz noch stellt die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB unter diesem Aspekt dar.
  420. 1.Die Beklagten berufen sich insoweit auf ein (behauptetes) Verhalten der ursprünglichen Patentinhaberin. Diese habe während der Standardisierung die Anmeldung zum Klagepatent vorsätzlich der Standardisierungsorganisation verschwiegen, um so nach Festlegung des Standards überhöhte Lizenzgebühren fordern zu können, und so einen sog. Patenthinterhalt begangen.
  421. 2.Es kann dahingestellt bleiben, ob A tatsächlich das Vorhandensein des Klagepatents verschwiegen hat und ob sich die Klägerin ferner dieses Verhalten zurechnen lassen muss. Selbst wenn man diese beiden Punkte bejaht, würde letztlich weder ein Anspruch auf Erteilung einer Freilizenz bestehen noch der Einwand aus § 242 BGB durchgreifen.
  422. a)Ein Patenthinterhalt führt grundsätzlich nicht dazu, dass der Patentinhaber den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch aus dem verschwiegenen Patent überhaupt nicht mehr durchsetzen kann. Rechtsfolge ist vielmehr nur eine Lizenzierungspflicht zu FRAND-Bedingungen an diesem Patent (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 314; Kammer, Urteil vom 03.11.2015 – 4a O 144/14 – Rn. 171 bei Juris; LG Düsseldorf – Urteil vom 24.04.2012 – 4b O 274/10 – Rn. 252 bei Juris – FRAND-Erklärung; zustimmend: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015 – 2 O 106/14 – Rn. 198 bei Juris). Durch die FRAND-Lizenzierungspflicht werden Dritte nämlich zutreffend so gestellt, als ob sich der SEP-Inhaber bei der Standardisierung ordnungsgemäß verhalten hätte. Weitergehende Einschränkungen des Patentinhabers würden über den Ausgleich des Fehlverhaltens hinausgehend eine nicht gerechtfertigte Bestrafung bedeuten.
  423. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen besteht aber ohnehin. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies ohne eine entsprechende FRAND-Erklärung bereits ohne weiteres aus Art. 102 AEUV folgt, so dass letztlich ein Patenthinterhalt stets folgenlos bleibt. Denn die Verpflichtung, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu vergeben, folgt hier zumindest aus der FRAND-Erklärung der Klägerin, die sie gegenüber ETSI abgegeben hat und die auch das Klagepatent umfasst (vgl. Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 315). Mit der späteren Abgabe der FRAND-Erklärung ist ein eventueller Verstoß (Patenthinterhalt) grundsätzlich geheilt.
  424. b)Eine Freilizenz kann allenfalls dann als Folge eines Patenthinterhalts in Betracht kommen, wenn zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür festgestellt werden kann, dass bei rechtzeitiger Offenlegung des Schutzrechts eine alternative Technik standardisiert worden wäre. Hierfür trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast (Kammer, Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 126/14 – Rn. 316 bei Juris; weitergehend Korp, Der Patenthinterhalt, Diss., 2014, S. 77, wonach eine Freilizenz bereits dann in Betracht kommt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine andere Lösung standardisiert worden wäre).
  425. Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht im Ansatz nachgekommen. Sie macht keine Angaben dazu, wie die Standardisierung tatsächlich abgelaufen ist und warum eine andere Technik standardisiert worden wäre, wenn die frühere Patentinhaberin das Klagepatent rechtzeitig offenbart hätte. Vielmehr trägt die Beklagte nur pauschal vor, dass jedenfalls „nicht ausgeschlossen werden“ könne, dass die „Standardisierungsgremien bei Kenntnis der Lehre des Klagepatents das Standardisierungsverfahren anders betrieben“ hätten. Dies reicht erkennbar nicht aus, um ein anderes Standardisierungsergebnis feststellen zu können.
  426. VII.Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt unter Berücksichtigung des erfolgreich erhobenen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes die zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt:
  427. 1.Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zu.
  428. a)Als Fachunternehmen hätte es der Beklagten oblegen, zu prüfen, ob die angebotenen und gelieferten Produkte klagepatentverletzend sind. Indem sie eine entsprechende Überprüfung unterließ, hat die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet, § 276 Abs. 2 BGB.
  429. aa)Das Verschulden wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich hier um einstandardessentielles Patent handelt. Soweit der EuGH in Rn. 62 ausgeführt hat, dass „in Anbetracht der großen Zahl von SEP, aus denen ein Standard wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende besteht, nicht sicher [ist], dass der Verletzer eines SEP zwangsläufig weiß, dass er die Lehre eines rechtsbeständigen und standardessenziellen Patents benutzt“, berührt dies den Haftungsmaßstab des Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG nicht. Ob ein Patentverletzer ein bestimmtes Patent nicht (zwangsläufig) kennt, ist davon zu trennen, ob er das entsprechende Schutzrecht kennen musste. Hierfür gelten die gleichen Haftungsmaßstäbe. Das Verschulden übersteigt hier auch die leichte Fahrlässigkeit nach § 139 Abs. 2 S. 2 PatG in der bis zum 31.08.2008 gültigen Fassung des Gesetzes, welche für Handlungen bis zu diesem Zeitpunkt weiter ausschlaggebend ist. Da aber keine leichte Fahrlässigkeit vorliegt, haftet die Beklagte für diese gesamte Zeit auf Schadensersatz.
  430. bb)Verhält sich der SEP-Inhaber nicht FRAND-konform – wie hier – so steht ihm zwar ein Anspruch auf Schadensersatzfeststellung dem Grunde nach zu. Jedenfalls in diesem Falle ist der Schadensersatzanspruch aber nach wohl herrschender Meinung auf eine FRAND-gemäße Lizenzgebühr beschränkt, die sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet (Kühnen, a.a.O., Rn. E. 369; Voß/Fehre, FS 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit Düsseldorf, 2016, S. 559, 570; dafür dass kartellrechtliche Einwendungen insofern keine Rolle spielen: LG Mannheim, Urteil vom 04.03.2016 – 7 O 23/14; letztlich offengelassen: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2016 – 6 U 57/16 – Rn. 32 bei Juris, das die Ansicht des LG Mannheim aber für vertretbar hält). Hat der SEP-Inhaber eine FRAND-Erklärung abgegeben, so verpflichtet ihn dies, jedermann die Nutzung der geschützten Lehre gegen eine ausbeutungsfreie Lizenz zu gestatten (Kühnen, a.a.O., Rn. E.369), so dass es jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegendem, in welchem die FRAND-Konformität ohnehin Prüfungsgegenstand ist, gerechtfertigt ist, ihn an seiner FRAND-Erklärung festzuhalten.
  431. cc)Wie hoch ein solcher auf FRAND-Lizenzgebühren beschränkter Schadensersatzanspruch ist, bleibt dem Höheverfahren vorbehalten. Insofern kann die Schadensersatzfeststellung hier wie üblich tenoriert werden, da die Schadenersatzpflicht nur dem Grunde nach festzustellen ist.
  432. b)Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung auch das erforderliche rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Entstehung eines Schadens auf Seiten der Klägerin ist hinreichend wahrscheinlich. Eine Bezifferung dieses Schadens ist ihr nicht möglich, weil sie ohne Verschulden über die Informationen, die sie mit den Klageanträgen Ziff. I. 2. und Ziff. I. 3. begehrt, in Unkenntnis ist.
  433. 2.Der Klägerin steht der mit dem Antrag Ziff. I. 2. geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1, 3 PatG in vollem Umfang zu. Umstände, aufgrund derer eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung sich als unverhältnismäßig gemäß § 140b Abs. 4 PatG darstellen würde, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
  434. 3.Soweit die Klägerin des Weiteren mit ihrem Antrag Ziff. I. 3. Rechnungslegung begehrt, steht ihr dieser Anspruch in dem aus dem Tenor erkennbaren Umfang gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu, damit sie in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangte Auskunft auch nicht erkennbar unzumutbar belastet.
  435. Der Auskunftsanspruch aus §§ 242, 259 BGB umfasst aber vorliegend aufgrund des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands nicht Angaben zu Kosten und Gewinn der Beklagten im Zusammenhang mit der Patentverletzung. Wenn der SEP-Inhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte (LG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 – 4b O 123/14 – Rn. 348 bei Juris).
  436. VIII.Eine Aussetzung der Verhandlung vor dem Hintergrund des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gem. § 148 Abs. 1 ZPO ist nicht geboten.
  437. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten).
  438. Daran fehlt es vorliegend.
  439. 1.Soweit die Beklagte den Rechtsbestand des Klagepatents unter dem Aspekt der fehlenden Neuheit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Artt. 54 Abs. 1, 56 EPÜ, angreift, lassen die Ausführungen des BPatG in dem nach § 83 PatG ergangenen Hinweisbeschluss vom 19.05.2017 (Anlage TW37) eine überwiegende Vernichtungswahrscheinlichkeit nicht erkennen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die dortigen Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit des Klagepatents (Anlage TW37, S. 20). Das BPatG kündigt darin lediglich das Erfordernis einer Diskussion darüber an, inwiefern der Fachmann Veranlassung hatte, näher bezeichnete Druckschriften zu kombinieren, lässt das Ergebnis einer solchen Diskussion jedoch gerade offen. Die zu einer Aussetzung führende Annahme einer Vernichtung des Klagepatents auf der Grundlage eines qualifizierten Hinweises des BPatG setzt jedoch voraus, dass zu den Klageangriffen nicht nur mögliche Erwägungen in den Raum gestellt, sondern eindeutig Position in einem auf die Vernichtung hindeutenden Sinne bezogen wird (Kühnen, a.a.O., Rn. E.620).
  440. 2.Auch bestehen keine für eine Aussetzung hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch in der nunmehr geltend gemachten Fassung unzulässig erweitert ist, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ.
  441. Ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, ist mittels eines Vergleichs des Gegenstandes des erteilten Schutzrechts mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu klären, wobei der Inhalt der Anmeldung der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen ist. Ergibt der Vergleich, dass der Patentanspruch auf einen Gegenstand gerichtet ist, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt, ist eine unzulässige Erweiterung anzunehmen (vgl. BGH GRUR 2011, 1109 – Reifendichtmittel; BGH GRUR 2010, 513 – Hubgliedertor II). Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl. 2013, § 21 Rn. 81).
  442. Die technisch nicht fachkundige Kammer kann im Hinblick auf die von der Klägerin nach Erteilung des Hinweises des BPatG am 19.05.2017 (Anlage TW37) in der Hauptsache geltend gemachte modifizierte Anspruchsfassung, die sich an dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2a und an der Beschreibung der Anmeldeschrift (Anlage AR126, S. 10/11) orientiert, eine Vernichtung des Klagepatents wegen Vorliegens einer unzulässigen Erweiterung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen.
  443. a)Die Einführung der Merkmale 3.3 und 4.3 schließt andere Kategorien von Diensten als Echtzeit- und Nicht-Echtzeitbezogene-Dienste nicht aus, führt jedoch insoweit zu einer Einschränkung, als die Vorrichtung die Möglichkeit bieten muss, Echtzeit- und Nicht-Echtzeitbezogene-Dienste zu erfassen. Dafür, dass die Anmeldeschrift eine ausschließliche Verwendung der beanspruchten Dienste (Echtzeit- und Nicht-Echtzeitbezogen) offenbart, ist nichts ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht daraus, dass diese Dienste allein Gegenstand des in Figur 2a der ursprünglichen Anmeldeschrift dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiels sind. Denn die ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthalten Anhaltspunkte dafür, dass dem Klagepatent bekannt war, dass unterschiedliche Diensttypen, wie beispielsweise Echtzeit- oder Nicht-Echtzeitbezogene-Dienste (Anlage AR126, S. 3, Z. 4, 5), in einer Kategorie mit anderen Diensttypen zusammengefasst werden können (Anlage AR126, S. 12, Z. 2 – 5). Insoweit schützt der ursprüngliche Patentanspruch 1 (Anlage AR126, S. 17) auch Funkträger, die entweder einen bestimmten Diensttyp oder aber eine Kategorie von Diensttypen bereitstellen („radio bearers used to provide a service or services of a first categorie“ (Hervorhebungen diesseits).
  444. b)Soweit das BPatG in seinem Hinweisbeschluss vom 19.05.2017 (Anlage TW137) eine unzulässige Erweiterung im Hinblick auf die erteilte Anspruchsfassung auch darin erblickt hat, dass sich danach die zweite von der ersten Ablaufzeit lediglich unterscheiden müsse, während sie im Falle des Ausführungsbeispiels der Figur 2a größer als die erste Ablaufzeit ist, so hat dieses Verständnis in die nunmehr geltend gemachte Anspruchsfassung Eingang gefunden.
  445. c)Dass UE und UTRAN nach dem in Figur 2a offenbarten Ausführungsbeispiel zusammen mindestens zwei Timer starten, erscheint der Kammer kein zwingender Teil der klagepatentgemäßen Lehre, sondern vielmehr ein von dieser trennbarer technischer Sachverhalt zu sein.
  446. IX.Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO.
  447. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und – soweit die Kostenentscheidung betroffen ist – auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
  448. X.Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.

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