4b O 16/08 – Ballonkatheter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1355

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Februar 2010, Az. 4b O 16/08

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für die Beklagte zu 1) zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,

einen Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie von erkrankten Gewebeabschnitten oder Organteilen,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn an der aufgerauten Oberfläche des Ballons Paclitaxel als nach dem Auftragen getrocknete Festsubtanz ohne inerte Matrix in einer Dosierung 1 bis 5 µg/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstoff-Freigabe haftet, erhältlich durch Auftragen von Paclitaxel in Lösungsmitteln ausgewählt aus Ethylacetat, Aceton, Ethanol oder Mischungen davon.

II.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,

1. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 22.12.2007 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten, der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, –zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, –zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, des Verbreitungszeitraums und des Verbreitungsgebiets,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

2. die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen unter Ziffer I. bezeichnete Erzeugnisse zu vernichten.

III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 22.12.2007 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
VI.
Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist ausschließliche und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des am 26.08.2003 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität (102 44 XXX.7) vom 20.09.2002 angemeldeten, am 18.10.2007 eingetragenen und am 22.11.2007 bekannt gemachten deutschen Gebrauchsmuster DE 203 21 XXX (Klagegebrauchsmuster Anlage K 1). Der Schutz des Klagegebrauchsmusters ist für die Dauer von 6 Jahren verlängert.

Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, welches beschichtete Ballonkatheter betrifft, lautete in ursprünglicher Fassung wie folgt:
„Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie von erkrankten Gewebeabschnitten oder Organteilen, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel in einer Dosierung bis zu 5 µg/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstoff-Freigabe haftet.“

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche, insbesondere der Ansprüche 2, 3, 4, 7, 8, 9 und 11 bis 13 wird auf die Klagegebrauchsmusterschrift verwiesen.

Mit – nicht rechtskräftigem – Beschluss vom 26.03.2009 (Anlage K 21) hielt die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts das Klagegebrauchsmuster gemäß dem Hilfsantrag 1 der hiesigen Klägerin (Anlage K 22) beschränkt aufrecht. Anspruch 1 hat hiernach folgenden Wortlaut:
„Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie von erkrankten Gewebeabschnitten oder Organteilen, dadurch gekennzeichnet, dass an der aufgerauten oder strukturierten zu beschichtenden Oberfläche des Ballons Paclitaxel als nach Auftragen getrocknete Festsubstanz ohne inerte Matrix in einer Dosierung von 1 bis zu 5 µg/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstoff-Freigabe haftet, erhältlich durch Auftragen von Paclitaxel in Lösungsmitteln ausgewählt aus Ethylacetat, Aceton, Ethanol oder Mischungen davon.“

Hinsichtlich der geänderten Nummerierung der Unteransprüche gemäß Hilfsantrag 1 wird auf die Anlage K 22 Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und zu 3) sind, stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Ballondilationskatheter namens A. Auf deren aufgeraute Oberfläche wird Paclitaxel zunächst in einem Lösungsmittel gelöst aufgetragen, wo es als getrocknete Festsubstanz in einer Dosierung von 3 µg/mm2 verbleibt. Die vollständige Wirkstofffreisetzung nach Gewebekontakt erfolgt beim Aufdehnen des Ballons an der Läsionsstelle für bis zu 60 Sekunden. Die nähere Ausgestaltung dieser Ballondilationskatheter (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) ist den Anlagen K 7 und K 8 (Werbeprospekte), K 24 (Nahaufnahmen), K 25 (Präsentation von Prof. Dr. B), K 26 (Gebrauchsanleitung) und K 27 (Auszug Internetauftritt der Beklagten zu 1)) zu entnehmen. Zur Veranschaulichung der angegriffenen Ausführungsform werden nachfolgend die Abbildungen Blatt 5 der Anlage K 7 sowie Blatt 7 der Anlage K 7 wiedergegeben.

Nachdem die Klägerin zunächst eine Verletzung des ursprünglich eingetragenen Anspruchs 1 geltend gemacht hat, stützt sie ihre Klageansprüche nunmehr auf eine Verwirklichung des Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in der vom Deutschen Patent- und Markenamt aufrechterhaltenden Fassung. Die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen dieses Anspruchs wortsinngemäß Gebrauch. Soweit die Beklagten die Verwendung von Dimethylsulfoxid (DMSO) als Lösungsmittel behaupteten, werde dies bestritten, ebenso, dass DMSO auf der Ballonoberfläche – in nennenswertem Ausmaß – verbleibe. Aber selbst wenn letzteres der Fall wäre, sei dies unerheblich. Verbleibendes DMSO stelle jedenfalls keine Matrix im Sinne des Klagegebrauchsmusters dar. Darüber hinaus handele es sich bei DMSO um ein wortsinngemäß vom Anspruch umfasstes Lösungsmittel. Jedenfalls stelle die – bestrittene – Verwendung von DMSO ein Äquivalent zu den im Anspruch genannten Lösungsmitteln dar. Die Beklagten seien ihr gegenüber deshalb zur Unterlassung verpflichtet, die Beklagte zu 1) ferner auch zur Auskunft- und Rechnungslegung, zum Schadenersatz und zur Vernichtung.

Die Klägerin beantragt nunmehr,
wie zuerkannt, wobei sie eine Verurteilung zur Auskunft- und Rechnungslegung ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt begehrt.
Wegen des auf eine etwaige äquivalente Verwirklichung gerichteten Hilfsantrags wird auf Bl. 157 bis Bl. 159 der Akte Bezug genommen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagegebrauchsmuster gerichteten Löschungsantrag auszusetzen.

Die Beklagten stellen eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters im geltend gemachten Umfang in Abrede. Die Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform werde durch Auftragen einer Lösung von Paclitaxel in DMSO auf den Katheterballon hergestellt, wobei das DMSO bis zur Anwendung des Ballonkatheters auf der Ballonoberfläche verbleibe und das Paclitaxel auf der Ballonoberfläche in DMSO eingebunden sei und mit diesem nicht reagiere. Angesichts dessen weise die angegriffene Ausführungsform entgegen der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters eine inerte Matrix auf und es mangele an einem, vom Klagegebrauchsmuster geforderten Lösungsmittel aus Ethylacetat, Aceton, Ethanol oder Mischungen davon. Der Rechtsstreit sei jedoch jedenfalls auszusetzen, da sich das Klagegebrauchsmuster vollständig nicht als schutzfähig erweisen werde. Die falsche und nicht ausreichend begründete Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes beruhe nicht auf einer sorgfältigen Prüfung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung nach §§ 24 Abs. 1, 2, 24a, 24b Abs. 1, 2 GebrMG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu, wobei der Beklagten zu 1) mit Blick auf den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen war. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die technische Lehre des im geltend gemachten Umfang schutzfähigen Klagegebrauchsmusters. Eine Aussetzung ist nicht veranlasst.

I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen mit Paclitaxel beschichteten Ballonkatheter zur Arzneimittelfreigabe für die selektive Therapie bestimmter Gewebeabschnitte oder Organteile. Paclitaxel ist ein Wirkstoff zur Behandlung von Krebs; er stört die Zellteilung.

Den einleitenden Bemerkungen des Klagegebrauchsmusters zufolge sind im Stand der Technik verschiedene Pharmakotherapien zur Behandlung von Erkrankungen, die nicht den gesamten Organismus gleichzeitig, sondern nur bestimmte Gewebearten betreffen bekannt. Im Allgemeinen erfolgt die Behandlung durch orale oder intravenöse Gabe von Arzneistoffen, die sich im ganzen Körper verteilen, was jedoch wegen der damit verbundenen Wirkungen in gesunden Geweben und Organismen als nachteilig angesehen wird. Eine selektive Therapie der erkrankten Gewebe wird mittels spezifisch an das erkrankte Gewebe bindende Arzneistoffe (z. B. Antikörper) unter Beibehaltung des Applikationsweges oder durch selektive Verabreichung (z. B. direkte Injektion in das erkrankte Gewebe) oder durch Zufuhr über Katheter zu den das erkrankte Gewebe versorgenden Blutgefäßen erreicht. Im Falle der selektiven Verabreichung entstehen durch die meist kurze Wirkdauer der Arzneistoffe und die invasiven Verabreichungswege jedoch Probleme, da sich eine beliebig wiederholte Gabe verbietet. Bei selektiver Verabreichung über den das erkrankte Gewebe versorgenden Blutstrom ergibt sich das zusätzliche Problem ungenügender Extraktion des Arzneistoffes bei der raschen Passage des Blutes oder der Wirkstofflösung durch die Blutgefäße. Diesen Problemen wurde – so das Klagegebrauchsmuster weiter – im Stand der Technik durch unterschiedliche pharmazeutische Präparate mit verzögerter Wirkstofffreigabe, arzneimittelfreisetzenden Implantaten oder für längere Zeit funktionsfähige selektive Zugangswege wie implantierte Katheter begegnet. Bekannt ist des Weiteren das Beschichten der Oberfläche von Kathetern mit Mitteln zur Verbesserung der Gleitfähigkeit oder zur Verhinderung der Blutgerinnung, wobei diese Mittel ohne therapeutische Wirkung sind. Ferner werden Katheter mit speziellen Vorrichtungen versehen, um Arzneimittel in die Arterienwand zu injizieren, oder die Kontaktzeit zwischen Arterienwand und einer über den Katheter applizierten Wirkstoffzubereitung wird verlängert. Nach der US 5 102 402 werden Arzneistoffe in Form von Mikrokapseln zur verzögerten Wirkstofffreigabe lose in vorgeformten Vertiefungen von Ballonkathetern untergebracht. Nach Expansion des Ballons sollen die Mikrokapseln in die Gefäßwand gedrückt werden, dort verbleiben und den oder die Wirkstoffe langsam freisetzen. Es ist zudem vorgeschlagen, Arzneistoffe in Hydrogel eingebettet auf Ballonkatheter aufzubringen, wobei die Funktion des Hydrogels als Haftmittel zur Verbesserung der Gleitfähigkeit oder Verzögerung der Freisetzung der Arzneistoffe offen bleibt.

Nachteilig an dem Stand der Technik ist, wie das Klagegebrauchsmuster ausführt, der komplexe Aufbau der Produkte mit entsprechenden Problemen bei der Herstellung, Qualitätskontrolle und Kosten sowie zusätzlichen, Arzt und Patient belastenden Arbeitsschritten bei der Anwendung. Ein Teil der genannten Methoden führt zu einer über die beabsichtigte Gefäßerweiterung hinausgehenden gänzlich unerwünschten Gefäßverletzung. Andererseits hat jede zur Verlängerung der Kontaktzeit vorgesehene Maßnahme eine zusätzliche Minderversorgung der nachgeschalteten Gewebe mit Blut und Sauerstoff zur Folge.

Ausgehend hiervon formuliert das Klagegebrauchsmuster es als seine Aufgabe, eine Vorrichtung für eine auf bestimmte Gewebebereiche oder Organteile begrenzte Arzneimittelabgabe bereitzustellen, die ohne schädigenden Einfluss auf gesundes Gewebe eine starke therapeutische Wirkung ausübt, den Patienten nur wenig belastet und mit geringem Aufwand angewendet und hergestellt werden kann.

Zur Lösung der Aufgabe (des technischen Problems) schlägt das Klagegebrauchsmuster in der eingeschränkt geltend gemachten Fassung eine Vorrichtung mit der Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Ballonkatheter
a. zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie von erkrankten Gewebeabschnitten oder Organteilen,
b. dessen zu beschichtende Oberfläche aufgeraut oder strukturiert ist.

(2) An der Oberfläche des Ballons haftet Paclitaxel
a. als nach dem Auftragen getrocknete Festsubstanz,
b. ohne inerte Matrix,
c. in einer Dosierung von 1 bis zu 5 µg/mm2,
d. mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe,
e. erhältlich durch Auftragen von Paclitaxel in Lösungsmitteln ausgewählt aus Ethylacetat, Aceton, Ethanol oder Mischungen davon.
Das Klagegebrauchsmuster hebt hervor, dass durch die Erfindung in einem einfachen Herstellungsverfahren verbesserte arzneistofftragende Ballonkatheter bereitgestellt werden, die vielseitig anwendbar sind und eine sofortige Wirkstofffreigabe ermöglichen. Überraschend und entgegen der Lehrmeinung sei keine andauernde Wirkstofffreisetzung aus einer inerten Matrix (Polymer, Hydrogel, Mikrokapseln etc.) oder speziellen chemischen oder physikalischen Zuständen der Wirkstoffe erforderlich oder nützlich, weshalb auch keine aufwendigen Techniken zur Produktion oder Kontrolle von Depotformulierungen benötigt werde. Die Arzneistoffe hafteten mittels der Beschichtung auf dem Weg zu ihrem Ziel – meist durch intensiv durchblutete Arterien – bis zur Entfaltung des Ballons fest auf diesem, würden dann während der kurzen, oft nur Sekunden andauernden Kontaktzeit des entfalteten Ballons an das Gewebe in wirksamer Dosis abgegeben und von diesem in einer Weise aufgenommen, die das Abspülen durch den nach Deflation des Ballons sofort wieder einsetzenden Blutstrom vermeide.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von dem in eingeschränkten Umfang aufrechterhaltenen Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch.

1)
Hinsichtlich der Merkmalsgruppe 1 und der Merkmale 2a sowie 2c und 2d steht dies zwischend den Parteien zu Recht außer Streit, weshalb sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

2)
Die angegriffene Ausführung verwirklicht zudem das Merkmal 2b, wonach das Paclitaxel als nach dem Auftragen getrocknete Festsubstanz ohne inerte Matrix auf der Oberfläche des Ballons haften muss.

a)
Unter einer inerten Matrix im Sinne des Klagegebrauchsmusters versteht der Fachmann eine Substanz, in die das Paclitaxel eingebettet ist, die mit Paclitaxel nicht reagiert und die für eine andauernde bzw. langsame Wirkstofffreisetzung am erkrankten Gewebe sorgt.

Dies folgt zunächst aus dem allgemeinen Fachverständnis der im Anspruchswortlaut verwendeten Formulierungen. „Inert“ hat hiernach die Bedeutung, dass die Matrix nicht oder zumindest kaum mit dem in die Matrix eingebetteten Stoff reagiert. Der Terminus „Matrix“ wird im Allgemeinen für einen Stoff oder eine Substanz verwandt, die einen anderen Stoff eingebettet oder eingeschlossen hält.

Der Fachmann erkennt des Weiteren, dass mit dem Vorhandensein einer – nach dem Klagegebrauchsmuster ausgeschlossenen – inerten Matrix eine bestimmte Wirkung verbunden ist. Nach dem Klagegebrauchsmuster wird einer Matrix die technische Funktion zuteil, infolge der Einbettung des Wirkstoffes diesen am vorgesehenen Wirkungsort andauernd bzw. langsam freizusetzen. Diese Erkenntnis ist zuvörderst aus der allgemeinen Beschreibung des Klagegebrauchsmusters zu gewinnen, wenn es dort in Absatz [0013] heißt, die Erfindung habe überraschend gezeigt, dass „keine andauernde Wirkstofffreisetzung aus einer inerten Matrix (Polymer, Hydrogel, Mikrokapsel etc.)“ für die selektive Therapie „erforderlich oder nützlich‘“ ist. Die andauernde Wirkstofffreisetzung wird hier ausdrücklich mit dem Vorhandensein einer aus dem Stand der Technik bekannten Matrix in Zusammenhang gebracht: Sinn und Zweck dieser Matrix ist das Bewirken der genannten Art der Wirkstofffreisetzung. Das Zugrunde legen des gleichen Verständnisses von einer Matrix gibt das Klagegebrauchsmuster bei der Beschreibung des Standes der Technik zu erkennen. In Absatz [0008] wird die US 5 102 402 gewürdigt, in welcher die Arzneistoffe in Form von „Mikrokapseln zur verzögerten Wirkstofffreigabe“ in vorgeformten Vertiefungen des Ballonkatheters untergebracht sind, wobei die „Mikrokapseln in die Gefäßwand gedrückt werden, dort verbleiben und den oder die Wirkstoffe langsam freisetzen.“ Auch hier wird mithin die Funktion und Wirkweise einer Matrix darin gesehen, infolge der Einbettung des Wirkstoffs in ihr eine langsame Freisetzung des Wirkstoffs zu bewirken.
Dass das Klagegebrauchsmuster davon abweichend auch dann eine inerte Matrix als gegeben ansieht, wenn es zu einer Einbettung des Wirkstoffes in einen anderen Stoff kommt und der Wirkstoff sofort – worunter das Klagegebrauchsmuster eine Freigabe des Wirkstoffs bzw. jedenfalls von 80 % des Wirkstoffs (siehe Beispiel 6) bei Gewebekontakt innerhalb von Sekunden versteht (Absätze [0014], [0032]) – freigesetzt wird, ist demgegenüber nicht zu erkennen. Ein dahingehendes Beispiel oder ein dementsprechender Stand der Technik wird jedenfalls nicht erwähnt. Hinzu tritt, dass das Klagegebrauchsmuster gerade zwischen einer – unerwünschten – inerten Matrix und einem – erfindungsgemäßen – Lösungsmittel differenziert. Mit Hilfe des Lösungsmittels wird die Beschichtung des Ballonkatheters vorgenommen. Nach Trocknung haftet der Wirkstoff in Festsubstanz an der Oberfläche an, wobei, wie Absatz [0015] zu erkennen gibt, die Haftung der Wirkstoffe auf den Ballonoberflächen ausschließlich durch die Wahl geeigneter Lösungsmittel und gegebenenfalls die Haftung beeinflussende Zusatzstoffe bewirkt wird. Das Lösungsmittel liefert mithin einen entscheidenden Beitrag zur Haftung des Wirkstoffs, die erforderlich ist, um den Wirkstoff bis zur Entfaltung des Ballons am erkrankten Gewebe auf der Oberfläche des Balkonkatheters zu halten. Der nach Trocknung außen anhaftende Belag bzw. überschüssige Substanzen aus der Beschichtungslösung können, wie das Klagegebrauchsmuster weiter in den Absätzen [0020], [0031] erläutert, an der Oberfläche belassen werden; sie sind nicht zwingend zu entfernen. Das Klagegebrauchsmuster misst folglich dem Lösungsmittel eine andere Funktion zu als einer Matrix. Wenn aber das Lösungsmittel zur Haftung des Wirkstoffs am Ort des Gewebekontaktes beiträgt, Reste des Lösungsmittels auf der Ballonkatheteroberfläche nach Trocknung nicht als der Lehre des Klagegebrauchsmusters entgegen stehend angesehen werden, wird der Fachmann insbesondere auch unter Berücksichtigung der Absätze [0013], [0008] den Schluss ziehen, dass es bei der unerwünschten Matrix um mehr geht, als nur um eine Einbettung des Stoffes bis zum Gewebekontakt. Dies auch deshalb, weil das Klagegebrauchsmuster mittels der erfindungsgemäßen Beschichtung gemäß Merkmal 2c eine sofortige Freisetzung des Wirkstoffs erzielt und damit gerade die Wirkung vermeidet, die einer Matrix ansonsten zugeschrieben wird. Weil keine andauernde oder langsame Freisetzung des Wirkstoffs nach dem Klagegebrauchsmuster nötig ist bzw. erfolgen soll, ist auf eine Matrix zu verzichten. Während Merkmal 2b hierzu das „Negativmerkmal“ aufstellt, formuliert Merkmal 2d positiv die mit dem Verzicht einer Matrix verbundenen Folgen, wobei zudem der Zeitpunkt und der Ort, an dem die sofortige Freisetzung erfolgt, benannt sind.

b)
Ausgehend hiervon lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform an der Oberfläche ihres Ballonkatheters eine inerte Matrix aufweist.
Weder in dem Werbeprospekt der Beklagten Anlage K 7 noch in der Gebrauchsanweisung Anlage K 26 wird eine auf der Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform vorhandene Substanz angeführt, die dafür Sorge tragen könnte, dass die angegriffene Ausführungsform Paclitaxel an dem erkrankten Gewebe nicht sofort freisetzt. Die schematische Abbildung auf Blatt 7 der Anlage K 7 zeigt vielmehr lediglich Vertiefungen des Ballons, in denen sich Paclitaxel befindet. Eine weitere Substanz zur Einbettung des Paclitaxel wird nicht benannt. Darüber hinaus heißt es auf Blatt 9 der Anlage K 7, dass die angegriffene Ausführungsform zur vollständigen Medikamentenfreisetzung für bis zu 60 Sekunden an der Läsionsstelle aufgedehnt werden kann. Es ist auch ein mehrmaliges Aufdehnen erwähnt, wobei eine erste Aufdehnung von 20 Sekunden zu einer „Medikamentenfreisetzung von 35% und eine zweite Aufdehnung noch weitere 35 % des Paclitaxel frei(setzt). Dies ist eine sofortige Freisetzung des Wirkstoffs im Sinne des Klagegebrauchsmusters. Da die Beklagten keine andere Freisetzungsart oder andere Freisetzungszeiten des Paclitaxel nach dem Aufblasen des Ballonkatheters vorgetragen haben, womit sie sich freilich in Widerspruch zu dem von der Beklagten zu 1) stammenden Werbeprospekt Anlage K 7 gesetzt hätten, kann das Vorhandensein einer Matrix im Sinne des Klagegebrauchsmusters nicht angenommen werden.
Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob, wie die Beklagten vorgetragen haben, das Paclitaxel in dem nach Auftragen und Trocknen noch vorhandenen DMSO eingebettet ist. Auch wenn das Vorbringen der Beklagten zu ihren Gunsten unterstellt wird, kann wegen der erwähnten, unwidersprochen gebliebenen Aussagen zur Freisetzungsart und Freisetzungszeit des Wirkstoffs bei der angegriffenen Ausführungsform nicht das Vorhandensein einer Matrix festgestellt werden. Nicht außer Acht gelassen werden kann in diesem Zusammenhang überdies, dass das Klagegebrauchsmuster die Lösungsmittel, die bei dem Auftragen des Paclitaxel Verwendung finden können, wozu DMSO gehört, nicht als inerte Matrix ansieht.

3)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ferner Merkmal 2e, welches vorsieht, dass die als nach dem Auftragen getrocknete Festsubstanz von Paclitaxel erhältlich durch Auftragen von Paclitaxel in Lösungsmitteln ausgewählt aus Ethylacetat, Aceton, Ethanol oder Mischungen davon ist. Die Verwendung von DMSO als Lösungsmittel führt nicht aus dem Schutzbereich heraus.

a)
Der eingeschränkt aufrecht erhaltene Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters ist als so genannter product-by-process Anspruch ausgestaltet. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Vorrichtung unter Schutz stellt, mithin ein Sachanspruch ist, dass das gebrauchsmustergeschützte Erzeugnis jedoch teilweise durch das Verfahren zur Herstellung umschrieben ist. Für eine Schutzrechtsverwirklichung ist die Einhaltung der genannten Herstellungsverfahren nicht zwingend, da es sich insoweit lediglich um Beispiele handelt, mit denen das anspruchsgemäße Erzeugnis erhalten werden kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die im Anspruch aufgeführten Herstellungsverfahren ohne Bedeutung sind. Sie bestimmen vielmehr die Sachmerkmale des dadurch bezeichneten und beanspruchten Gegenstandes einschließlich seiner erfindungsgemäßen körperlichen oder funktionalen Eigenschaften, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben. Welches diese Eigenschaften sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, und zwar unter Zugrundelegung dessen, wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Weg hergestellten Sache zieht (BGH GRUR 2005, 749 – Aufzeichnungsträger; BGH GRUR 2001, 1129 – zipfelfreies Stahlband; BGH GRUR 1993, 651 – Tetraploide Kamille; BGH GRUR 1972, 80 – Trioxan).

Die Auslegung des Anspruchs 1 führt auf dieser Basis dazu, dass auch ein Produkt, bei welchem DMSO als Lösungsmittel verwendet wird, der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß entspricht.

Der Fachmann nimmt zunächst die Formulierung „erhältlich durch“ im Anspruchswortlaut zur Kenntnis, wodurch er gewahr wird, dass es sich insoweit (in jedem Fall) nur um eine beispielhafte Aufzählung erfindungsgemäßer Herstellungsverfahren handelt. Ihm erschließt sich des Weiteren der Sinn und Zweck der in Merkmal 2e enthaltenen Vorgabe. Damit an der Ballonoberfläche der angegriffenen Ausführungsform Paclitaxel als getrocknete Festsubstanz anhaften kann, bedarf es der Beschichtung der Oberfläche mit eben diesem Wirkstoff. Zur Herstellung der Beschichtung ist die Lösung des Paclitaxel in einem Lösungsmittel erforderlich, damit dieser in flüssiger Gestalt auf die Ballonkatheteroberfläche aufgebracht werden kann. Nach dem Trocknen und dem Verdampfen der Lösungsmittel sorgt die Beschichtung für die erfindungsgemäße Anhaftung des Wirkstoffs auf der Ballonkatheteroberfläche. Sie vermittelt eine feste Wirkstoffhaftung auf dem Wege zu dem erkrankten Gewebe bis zur Entfaltung des Ballonkatheters. Der Wirkstoff wird nicht bzw. nicht in einem dem Klagegebrauchsmuster entgegen stehenden Umfang abgespült. Während des nur kurzen Kontaktes der Ballonoberfläche mit dem erkrankten Gewebe wird der Wirkstoff dann jedoch sofort freigesetzt (Absatz [0014] Klagegebrauchsmuster). Durch diese körperlichen und funktionalen Eigenschaften zeichnet sich der erfindungsgemäße Katheder aus. Das Lösungsmittel leistet einen entscheidenden Beitrag zur Anhaftung der getrockneten Festsubstanz, wie der bereits erwähnte Absatz [0015] ausdrücklich bekundet. Es ist ein solches Lösungsmittel zu verwenden, dass die Beschichtung ermöglicht, die beschriebene Art und Weise der Anhaftung des Wirkstoffs gewährleistet und eine sofortige Freisetzung des Wirkstoffs ermöglicht. Demzufolge heißt es in Absatz [0028] des Klagegebrauchsmusters auch, dass die Auswahl der zuvor beispielhaft aufgezählten Lösungsmittel entsprechend der Löslichkeit der Wirkstoffe und Zusatzstoffe sowie der Benetzung der Oberflächen und der Wirkung auf die Struktur der nach Verdampfen der Lösungsmittel zurückbleibenden Beschichtung und Partikel, deren Haftung auf der Oberfläche und die Wirkstoffübertragung in das Gewebe während seiner kurzen Kontaktzeit vorzunehmen ist. Die in Absatz [0028] genannten Lösungsmittel erachtet das Klagegebrauchsmuster augenscheinlich als solche, die die genannten Voraussetzungen erfüllen und die einer Vorrichtung mit den erfindungsgemäßen Eigenschaften führen.
Eine Einschränkung auf die Verwendung eines der in der eingeschränkten Anspruchsfassung ausdrücklich genannten Lösungsmittel ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil (nur) die nun im Anspruch selbst befindlichen Lösungsmittel aus den als bevorzugt beschriebenen Beispielen ausgewählt wurden. Der Umstand, dass einige der Beispiele in den eingeschränkten Anspruch gezogen worden sind, ändert nichts an der Funktion des Lösungsmittels und den damit verbundenen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Katheter. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Beschichtung, die mit einem Lösungsmittel hergestellt wurde, das zwar in Absatz [0028] benannt, aber nicht in den eingeschränkten Anspruch aufgenommen wurde, zu anderen körperlichen oder funktionalen Eigenschaften der Vorrichtung führen würden, so dass mit der Aufnahme nur einiger der bevorzugten Lösungsmittel in den Anspruchswortlaut andere oder nur eingeschränkte Sachmerkmale des erfindungsgemäßen Katheters beschrieben werden sollten. Dies gilt auch mit Blick auf DMSO. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebracht haben, DMSO habe im Gegensatz zu den anderen Wirkstoffen eine Penetrationsbeschleunig zur Folge, verfängt dies letztlich nicht. Einen Beleg für diese technische, von der Klägerin in Abrede gestellte Besonderheit von DMSO haben die Beklagten nicht beigebracht. Aber selbst wenn DMSO diese Wirkung haben sollte, so ist nicht zu erkennen, dass dies nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters zu sachlichen Eigenschaften des Katheters führen würde, die das Klagegebrauchsmuster nicht durch die Beschreibung des Herstellungsverfahrens kennzeichnet. Auch bei der Verwendung von DMSO als Lösungsmittel wird eine Vorrichtung geschaffen mit einer erfindungsgemäßen Beschichtung, einer Anhaftung der getrockneten Festsubstanz, welche sofort bei Gewebesubstanz freigesetzt wird, wie insbesondere die Anlage K 7 bestätigt. Dass darüber hinaus möglicherweise die von den Beklagten weitergehenden Wirkungen am erkrankten Gewebe auftritt, ändert daran nichts. Es mag allenfalls die Wirkstofffreisetzung verbessern; dies führt jedoch noch nicht aus dem Schutzbereich hinaus. Das Klagegebrauchsmuster verlangt nicht die Entfernung von überschüssigem Lösungsmittel (Absatz [0020], [0031]). Anhaltspunkte für einen Synergieeffekt zwischen DMSO und Paclitaxel sind dem Klagegebrauchsmuster allerdings nicht zu entnehmen.

b)
Das Auftragen des Wirkstoffs Paclitaxel auf die Oberfläche des Ballons erfolgt bei der angegriffenen Ausführungsform unter Verwendung eines Lösungsmittels, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob als Lösungsmittel tatsächlich DMSO verwendet wird. Einer abschließenden Klärung muss diese Streitfrage nicht zugeführt werden. Die angegriffene Ausführungsform verfügt, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat und wie sich aus den überreichten Anlagen, insbesondere den Anlagen K 7, K 8 ergibt über die Eigenschaften, die die unter Schutz gestellte Vorrichtung kennzeichnen. Das Paclitaxel haftet als getrocknete Festsubstanz auf der Oberfläche des Ballons an, es wird beim Verbringen der angegriffenen Ausführungsform zum erkrankten Gewebe nicht abgespült, aber bei Aufdehnung des Ballons bis zu 60 Sekunden vollständig freigesetzt. Mittels welchen Lösungsmittels dies erzielt wird, ist aus den dargelegten Gründen nicht von Bedeutung.

4)
Angesichts der wortsinngemäßen Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters ist die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte äquivalente Benutzung des Schutzrechts nicht zu diskutieren.

III.
Das Klagegebrauchsmuster ist in seiner eingeschränkt geltend gemachten Fassung schutzfähig gemäß §§ 1, 3 GebrMG. Es ist unstreitig gewerblich anwendbar. Darüber hinaus ist es neu und beruht auf einem erfinderischen Schritt.

1)
Die technische Lehre des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters wird insbesondere nicht durch das vorveröffentlichte, u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte Europäische Patent EP 1 140 XXX (Anlage B1-A1EP), dessen deutscher Teil beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 699 25 XXX (Anlage B1-A1DE) geführt wird, neuheitsschädlich vorweggenommen.
Diese Entgegenhaltung offenbart jedenfalls keine Vorrichtung, bei welcher Paclitaxel auf der Ballonkatheteroberfläche als nach dem Auftragen getrocknete Festsubstanz vorliegt (Merkmal 2a). Sie offenbart – abgesehen davon, dass Paclitaxel nicht genannt wird – nur die Beschichtung einer Oberfläche eines Katheters mit einem Wirkstoff, der in eine im Wesentlichen gesättigte Lösung eingearbeitet ist. Soweit es in Absatz [0015] heißt, „der therapeutische Wirkstoff ist auf die Oberfläche des Geräts beschichtet als Beschichtung per se oder als Teil der Beschichtung“ und in Absatz [0017] zudem die Rede davon ist, dass der therapeutische Wirkstoff „eingeschlossen (ist) als Teil der Polymerbeschichtung, die an dem expandierbaren Teil angebracht ist.“, führt dies letztlich nicht zu einer anderen Beurteilung. Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, ein Fachmann lese die Trocknung der in der Entgegenhaltung genannten Beschichtung automatisch und ohne weiteres mit.
Zur Bestimmung des Offenbarungsgehalts einer Schrift ist deren gesamter Inhalt zu berücksichtigen. Geschieht dies, erkennt der Fachmann, dass die Entgegenhaltung nur eine Beschichtung mit einem gelösten therapeutischen Wirkstoff zeigt. In Anspruch 1 der Entgegenhaltung wird als Kennzeichen der dortigen Erfindung angegeben, dass der therapeutische Wirkstoff in einem Lösungsmittel als eine im Wesentlichen gesättigte Lösung aufgelöst ist. In Unteranspruch 2 sind sodann einzelne Konzentrationen des therapeutischen Wirkstoffs in der Lösung aufgeführt und auch Unteranspruch 8 stellt gesondert eine Polymer-Beschichtung unter Schutz, welche die im Wesentlichen gesättigte Lösung beinhaltet. Auf eine im Wesentlichen gesättigte Lösung wird und ist deshalb abzustellen, weil die Offenbarung ein System zur lokalisierten Zufuhr eines therapeutischen Wirkstoffs an Gewebe bereitstellt, bei dem das Prinzip der konzentrationsgebundenen Diffusion genutzt wird. Die Zufuhr von therapeutischen Wirkstoffen wird erzielt durch die Kontrolle der Konzentration des Wirkstoffs an einem Zielort und nicht durch einen druckgetriebenen Prozess (Anlage B1-A1DE, Absätze [0011], [0012]). Damit eine molekulare konzentrationsgetriebene Diffusion überhaupt möglich ist, muss der auf der Oberfläche des Ballonkatheters vorhandene Wirkstoff in flüssiger Form vorliegen. Ein getrockneter Feststoff kann nicht mittels einer solchen Diffusion in das erkrankte Gewebe transportiert werden. Dies geht aus der Stellungnahme von Prof. Dr. H (Anlage K 29, S. 6) hervor, die zwar nicht das Klagegebrauchsmuster betrifft, was jedoch für die dortigen Erläuterungen zu der hiesigen Entgegenhaltung unerheblich ist. Dass für eine konzentrationsgebundene Diffusion der Wirkstoff zwingend in flüssiger Form vorliegen muss, haben die Beklagten letztlich nicht bestritten. In der mündlichen Verhandlung haben sie auf Nachfrage der Kammer angegeben, im Prinzip sei das so, die Entgegenhaltung habe jedoch noch einen weiteren Offenbarungsgehalt. Wenn dem aber so ist, dann wird der Fachmann trotz der oben zitierten Absätze [0015] und [0017], die für sich allein betrachtet auch anders verstanden werden könnten, zu dem Verständnis gelangen, dass in der Entgegenhaltung keine auf der Oberfläche des Ballons getrockneten Festsubstanzen offenbart sind.
Dass dies aus fachmännischer Perspektive der Inhalt der Entgegenhaltung ist, wird bestärkt und gestützt durch den Beschluss der Löschungsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26.03.2009 (Anlage K 21). Diese sachverständige Äußerung legt dasselbe Verständnis zugrunde. Gleiches folgt aus der – nicht rechtskräftigen – Widerrufsentscheidung des Europäischen Patentamts vom 23.10.2007 betreffend das EP 1 140 XXX (Anlage K 19, deutsche Übersetzung Anlage K 19a). Auch diese sachkundige Äußerung geht davon aus, dass die offenbarte Beschichtung einen gelösten therapeutischen Wirkstoff beinhaltet.

2)
Das Klagegebrauchsmuster beruht ferner auf einem erfinderischen Schritt. Der nächstliegende Stand der Technik, die unter 1) diskutierte Entgegenhaltung, offenbart eine Beschichtung mit einem Wirkstoff in einer im Wesentlichen gesättigten Lösung, wobei der Wirkstoff mittels konzentrationsgebundenen Diffusion an/in das Gewebe gebracht wird. Dies dient zur Lösung der gestellten Aufgabe, den Wirkstoff tiefer in das Zielgewebe zu treiben (Anlage B1-A1DE, Absatz [0006]) und führt u. a. zu dem Vorteil einer kurzen Zufuhrdauer, so dass eine sichere und schnelle lokalisierte Wirkstoffzufuhr erfolgen kann. Eine Anregung oder ein Hinweis dahingehend, dass ein mittels einer Beschichtung aufgebrachter, nach Trocknung als Festsubstanz auf der Oberfläche haftender Feststoff verwendet werden kann, der stabil genug ist, um am erkrankten Ort anzukommen und dann dort durch Druck an/in das Gewebe eingebracht wird, wo die sofortige Freigabe erfolgt, ist der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen. Die Verwendung der Festsubstanz ist, wie ausgeführt, mit dem Prinzip, auf dem die Entgegenhaltung beruht, nicht möglich.

IV.
Aus der Verletzung des Klagegebrauchsmusters ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1)
Die Beklagten sind der Klägerin gegenüber gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet, da sie den Gegenstand der Klageschutzrechte unberechtigt benutzt haben.

2)
Die Beklagte zu 1) hat der Klägerin darüber hinaus Schadensersatz zu leisten, § 24 Abs. 2 GebrMG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt.

Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, ist die Beklagte zu 1) ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, § 24b GebrMG bzw. §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte zu 1) wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

3)
Die Beklagte zu 1) ist ferner gemäß § 24a GebrMG zur Vernichtung der gebrauchsmusterverletzenden Erzeugnisse verpflichtet.

V.
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 19 GebrMG ist nicht veranlasst. Es kann auf die Ausführungen zu III. verwiesen werden, die sinngemäß gelten. Die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes hat im Beschluss vom 26.3.2009 (Anlage K 21) die Schutzfähigkeit des eingeschränkten Anspruchs 1 konstatiert.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. In der Geltendmachung des Anspruchs in der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung ist keine teilweise Klagerücknahme zu sehen. Der Angriff der Klägerin richtet sich nach wie vor gegen dieselbe angegriffene Ausführungsform und insoweit erreicht sie vollständig ihr Klageziel (Busse/Keukenschjiver, PatG, 6. Aufl., § 143 Rdnr. 162; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rdnr. 986).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den § 709 ZPO.

VII.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 27.01.2010 (§ 296a ZPO) bot keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).