4b O 22/17 – Strecktexturiermaschine 2

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2784

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 24. Mai 2018,  Az. 4b O 22/17

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft jeweils an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. (a) Spinnstrecktexturier- oder Strecktexturiermaschinen zum Texturieren von Fibrillenbündeln mit Teilen derselben, um-fassend ein Streckrollenpaar und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel nachgeschaltet vorgesehene Texturiereinheit, in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil einer zur Texturiereinheit gehörenden Texturierdüse gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse gehörenden Texturierteil texturiert werden, eine in Förderrichtung gesehen nach der Texturiereinheit vorgesehene Kühleinheit, um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen, kühlen und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergeben,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  5. bei denen die Fibrillenbündel von einer Rolle des Streckrollenpaars, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil führbar sind;
  6. und / oder
  7. (b) Spinnstrecktexturier- oder Strecktexturiermaschinen zum Texturieren von Fibrillenbündeln mit Teilen derselben, um-fassend ein Streckrollenpaar und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel nachgeschaltet vorgesehene Texturiereinheit, in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil einer zur Texturiereinheit gehörenden Texturierdüse gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse gehörenden Texturierteil texturiert werden, eine in Förderrichtung gesehen, nach der Texturiereinheit vorgesehene Kühleinheit, um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen, kühlen und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergeben,
  8. Dritten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, die zur Nutzung der Lehre des EP 0 906 XXX nicht berechtigt sind,
  9. für das Führen von Fibrillenbündeln durch die Teile der Spinnstrecktexturier oder Texturiermaschine, und zwar von einer Rolle des Streckrollenpaars, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil;
  10. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.03.2008 begangen hat und zwar unter Angabe
  11. (a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  12. (b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  13. (c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Er-zeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Er-zeugnisse bezahlt wurden,
  14. wobei zum Nachweis Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheim-haltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  15. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. (a) bezeichneten Handlungen seit dem 16.01.2007 und die zu Ziff. 1. (b) bezeichneten Handlungen seit dem 12.04.2008 begangen hat, und zwar unter der Angabe
  16. (a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  17. (b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  18. (c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  19. (d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  20. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  21. 4. die unter Ziff. 1. (a) bezeichneten, seit dem 12.04.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24.05.2018, Az. 4b O 22/17) festgestellten patentverletzenden Zustand derselben und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll und Lagerkosten zu übernehmen und die (erfolgreich zurückgerufenen) Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  22. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
  23. 1. der Klägerin für die unter Ziff. I. 1. (a) bezeichneten, in der Zeit vom 16.01.2007 bis zum 11.04.2008 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  24. 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziff. I. 1. (a) und (b) bezeichneten, seit dem 12.04.2008 be-gangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  25. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  26. IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  27. V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 EUR, wobei für die Vollstreckung einzelner titulierter Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
    Ziff. I. 1., 4.: 105.000 EUR
    Ziff. I. 2., 3.: 37.500 EUR
    Ziff. IV: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  28. Tatbestand
  29. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des euro-päischen Patents EP 0 906 XXX B1 (Anlage K 2, im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
  30. Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents. Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 10.09.1998 unter Inanspruchnahme einer ausländischen Priorität vom 03.10.1997 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 07.04.1999. Am 12.03.2008 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Ansehung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 598 14 XXX.X geführt (Anlage K 2a).
  31. Das Klagepatent betrifft eine Spinnstrecktexturier oder Strecktexturiermaschine.
  32. Die in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 und 5 des Klagepatents lauten wie folgt:
  33. „1. Führen von Fibrillenbündeln durch einen Teil einer Spinnstrecktexturier oder Strecktexturiermaschine, umfassend:
     ein Streckrollenpaar (1a, 1b) und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel (7) nachgeschaltet vorgesehene Texturiereinheit (4), in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil (9) einer zur Texturiereinheit (4) gehörenden Texturierdüse (8) gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse (8) gehörenden Texturierteil (10) texturiert werden
     eine, in Förderrichtung gesehen, nach der Texturiereinheit (4) vorgesehene Kühleinheit (5), welche die einzelnen Pfropfen laufend übernimmt, kühlt und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergibt,
    dadurch gekennzeichnet, dass die Fibrillenbündel von einer Rolle (1a) des Streckrollenpaares, von welcher die Fibrillenbündel an die Textureireinheit (4) abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil (9) geführt werden.“
    „5. Ein Teil einer Spinnstrecktexturier oder Strecktexturiermaschine zum Texturieren von Fibrillenbündeln, umfassend:
     ein Streckrollenpaar (1a, 1b) und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel (7) nachgeschaltet vorgesehene Texturiereinheit (4), in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil (9) einer zur Texturiereinheit (4) gehörenden Texturierdüse (8) gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse (8) gehörenden Texturierteil (10) texturiert werden
     eine, in Förderrichtung gesehen, nach der Texturiereinheit (4) vorgesehene Kühleinheit (5), um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen, kühlen und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergeben,
    dadurch gekennzeichnet, dass die Fibrillenbündel von einer Rolle (1a) des Streckrollenpaares, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit (4) abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil (9) führbar sind.“
  34. Hinsichtlich des Wortlauts der lediglich in Form von „insbesondere-wenn-Anträgen“ geltend gemachten Ansprüche 2 bis 4 sowie 6 und 7 wird auf den Inhalt der Klage-patentschrift (Anlage K 2) verweisen.
  35. Die nachfolgenden Abbildungen (Fig. 3 und 4) zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung.
  36. Die in Belgien ansässige Beklagte stellt in Belgien Spinnstrecktexturier bzw. Strecktexturiermaschinen her, die sie international anbietet und vertreibt. Diese Maschinen sind u.a. in der Teppichbodenproduktion von Bedeutung.
    Die Beklagte trat auf der Messe A in B auf, der Weltleitmesse für Bodenbeläge, die zu 90% von Fachbesuchern frequentiert wird und auf der Aussteller Kontakt mit Kunden suchen sowie versuchen, Produkte zu verkaufen. Auf ihrem Stand führte sie u.a. auf einem Bildschirm einen Film zu ihren Texturiermaschinen (angegriffene Ausführungsform) vor.
    Zur Veranschaulichung werden nachfolgend verkleinerte Abbildungen der Beklagten von der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben. Das letzte Bild zeigt oben ein eingesetztes kammartiges Spreizelement, das vor Inbetriebnahme der Maschine herausgeschwenkt wird.
  37. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform auf der A in B angeboten und wolle sie in der Bundesrepublik Deutschland vertreiben. Bei dem am Stand der Beklagten gezeigten Film handele es sich um einen Werbefilm. Es seien – unstreitig – viele Vertriebsmitarbeiter der Beklagten an ihrem Stand gewesen, die aktiv Verkaufsgespräche mit Messebesuchern geführt hätten.
    Die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nach Anspruch 5 un-mittelbar wortsinngemäß. In dem Angebot der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe sei außerdem eine mittelbare wortsinngemäße Verletzung der technischen Lehre nach dem Klagepatent laut Anspruch 1 zu sehen. Die Führung der Fibrillenbündel sei umlenkungsfrei. Die Umlenkung am Eingang in die Förderteile der Texturierdüsen der angegriffenen Ausführungsform sei hinnehmbar.
  38. Die Klägerin beantragt,
  39. I. die Beklagte zu verurteilen,
  40. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft jeweils an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  41. (a) Spinnstrecktexturier- oder Strecktexturiermaschinen zum Texturieren von Fibrillenbündeln mit Teilen derselben, um-fassend ein Streckrollenpaar und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel nachgeschaltet vorgesehene Texturier-einheit, in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil einer zur Texturiereinheit gehörenden Texturierdüse gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse gehörenden Texturierteil texturiert werden, eine in Förderrichtung gesehen nach der Texturiereinheit vorgesehene Kühleinheit, um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen, kühlen und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergeben,
  42. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  43. bei denen die Fibrillenbündel von einer Rolle des Streckrollenpaars, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil führbar sind;
    (Anspruch 5)
  44. insbesondere wenn
    die Texturiereinheit mehrere Texturierdüsen umfasst, und die Förderteile der Texturierdüsen fächerförmig angeordnet sind;
    (Anspruch 6)
  45. und / oder
    die Längsachse jeder einzelnen Texturierdüse koaxial mit einer Verbindungslinie, welche sich von einer Abgabestelle an der Rolle bis zum Ausgang der Texturierdüse erstreckt, verläuft;
    (Anspruch 7)
  46. und / oder
  47. (b) Spinnstrecktexturier- oder Strecktexturiermaschinen zum Texturieren von Fibrillenbündeln mit Teilen derselben, um-fassend ein Streckrollenpaar und eine in Förderrichtung der Fibrillenbündel nachgeschaltet vorgesehene Texturiereinheit, in welcher einzelne Fibrillenbündel in einem Förderteil einer zur Texturiereinheit gehörenden Texturierdüse gefördert und mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse gehörenden Texturierteil texturiert werden, eine in Förderrichtung gesehen, nach der Texturiereinheit vorgesehene Kühleinheit, um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen, kühlen und einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergeben,
  48. Dritten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern die zur Nutzung der Lehre des EP 0 906 XXX nicht berechtigt sind,
  49. für das Führen von Fibrillenbündeln durch die Teile der Spinnstrecktexturier oder Texturiermaschine, und zwar von einer Rolle des Streckrollenpaars, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit abgegeben werden, umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil;
    (Anspruch 1)
  50. insbesondere wenn
    die Texturiereinheit mehrere Texturierdüsen umfasst, und die Förderteile der Texturierdüsen fächerförmig angeordnet sind;
    (Anspruch 2)
  51. und / oder
    die Längsachse jeder einzelnen Texturierdüse koaxial mit einer Verbindungslinie, welche sich von einer Abgabestelle an der Rolle bis zum Ausgang der Texturierdüse erstreckt, verläuft;
    (Anspruch 3)
  52. und / oder
    die Kühleinheit eine Kühltrommel umfasst, welche je eine pro Fibrillenbündel vorgesehene Kühlbahn aufweist;
    (Anspruch 4)
  53. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.03.2008 begangen hat und zwar unter Angabe
  54. (a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  55. (b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  56. (c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Er-zeugnisse und auch der mit diesen vertriebenen Zubehörteile sowie der Preise, die für die betreffenden Er-zeugnisse und die mitvertriebenen Zubehörteile bezahlt wurden,
  57. wobei zum Nachweis Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheim-haltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  58. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. (a) bezeichneten Handlungen seit dem 16.01.2007 und die zu Ziff. 1. (b) bezeichneten Handlungen seit dem 12.04.2008 begangen hat, und zwar unter der Angabe
  59. (a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  60. (b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  61. (c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver-breitungsgebiet,
  62. (d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  63. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und An-schriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit ver-pflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  64. 4. die unter Ziff. 1. (a) bezeichneten, seit dem 12.04.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand derselben und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll und Lagerkosten zu übernehmen und die (erfolgreich zurückgerufenen) Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  65. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
  66. 1. der Klägerin die unter Ziff. I. 1. (a) bezeichneten, in der Zeit vom 16.01.2007 bis zum 11.04.2008 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  67. 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziff. I. 1. (a) und (b) bezeichneten, seit dem 12.04.2008 be-gangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  68. Die Beklagte beantragt,
  69. die Klage abzuweisen.
  70. Die Beklagte ist der Auffassung, eine Benutzungshandlung im Inland sei ihrerseits nicht erfolgt. Allein die Präsenz auf der Messe sei kein Anbieten einer Vorrichtung. Die angegriffene Ausführungsform sei weder auf der Messe ausgestellt worden noch seien sonstige Handlungen mit Angebotscharakter vorgenommen worden. Der gezeigte Film zeige rudimentär die Funktionsweise einer Texturiermaschine, ohne dass ein konkretes Produkt angeboten würde. Die abstrakte Präsentation einer Technik ohne nachvollziehbaren Bezug zu konkreten Produktausführungen mit technischen Details begründe keine Angebotshandlung. Auf der Messe seien – unstreitig – keine Prospekte bezüglich der angegriffenen Ausführungsform verteilt worden. Bei der A handele es sich außerdem um eine internationale Leitmesse, bei der regelmäßig eine Präsentation von Erzeugnissen im Sinne einer Leistungsschau erfolge. Außerdem könne dem Film nicht die Verwirklichung der Merkmale des Klagepatents entnommen werden. Sie – die Beklagte – habe weder auf der A noch an anderer Stelle nach Deutschland oder aus Deutschland heraus die angegriffene Maschine angeboten. Es bestehe weder eine Wiederholungs noch eine Erstbegehungsgefahr.
    Im Übrigen verletze die angegriffene Ausführungsform nicht das Klagepatent. Die danach geschützte technische Lehre setze voraus, dass die Fibrillenbündel von der abgebenden Streckrolle umlenkungsfrei bis in den Förderteil einer jeweiligen Texturierdüse verliefen. Bei der angegriffenen Ausführungsform würden die Fibrillenbündel hingegen an den Eingängen der Texturierdüsen zum Teil deutlich umgelenkt. Es finde ein reibender Kontakt statt. Der Übergang von einem divergierenden Verlauf der Fibrillenbündel in einen konvergierenden Verlauf könne nicht umlenkungsfrei erfolgen bzw. als umlenkungsfrei zu betrachten sein. Die Aussage, dass die Fibrillenbündel jedenfalls keine stärkere Umlenkung erfahren dürften als zwischen der obersten Umfangslinie einer abgebenden Rolle und der Abgabestelle setze sich klar in Widerspruch zu der Anspruchslehre. Das Klagepatent lasse keine Umlenkung zu.
  71. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
  72. Entscheidungsgründe
  73. I.
    Die Klage ist zulässig und – bis auf den Auskunftsanspruch bezüglich der vertriebenen Zubehörteile – begründet.
  74. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft – mit Ausnahme derjenigen in Bezug auf die vertriebenen Zubehörteile – und Rechnungslegung, Rückruf – in Bezug auf Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit Anspruch 5 des Klagepatents – sowie Feststellung der Entschädigungs und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2 S. 1, 140a Abs. 3, 140b PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB zu.
  75. 1.
    Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Spinnstreck-texturier oder Strecktexturiermaschine.
  76. Aus der europäischen Patentanmeldung EP 0 784 109 A1 war ein Texturierverfahren bekannt, in dem mehrere einzelne Fibrillenbündel gleichzeitig auf einem Streckrollenpaar verstreckt und anschließend in einer Texturiereinheit mit mehreren nebeneinander angeordneten Texturierdüsen texturiert werden (Anlage K 2, Abs. [0002], die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Klagepatentschrift, soweit nicht anders angegeben).
    In der Klagepatentschrift wird diesbezüglich ausgeführt, dass die einzelnen Fibrillenbündel auf dem Streckrollenpaar mit einem kleineren Abstand von Fibrillenbündel zu Fibrillenbündel geführt werden, als der von Texturierdüse zu Texturierdüse notwendige Abstand (Abs. [0002] a.E.). Andererseits sollen die Abstände zwischen den einzelnen Verfahrenseinheiten möglichst klein sein, da die Bauhöhe der Maschine möglichst niedrig sein soll, um ein Einziehen der mit hoher Geschwindigkeit mit einer Saugpistole eingesaugten Filamentbündel möglichst rasch vom Anfang bis zum Ende der Maschine zu ermöglichen (Abs. [0003]). In der Beschreibung des Klagepatents heißt es weiter, diese Bedingungen seien für die Führung der Fibrillenbündel zwischen der abgebenden Streckrolle und der Texturiereinheit unvorteilhaft. Denn einerseits soll der Abstand auf den Streckrollen von Fibrillenbündel zu Fibrillenbündel möglichst klein sein, während andererseits der Abstand von Texturierdüse zu Texturierdüse aus verschiedenen Gründen wesentlich größer ist und deshalb die Fibrillenbündel von der Streckrolle zur Texturiereinheit stark gefächert und dadurch am Eingang jeder einzelnen Texturierdüse umgelenkt werden müssen (Abs. [0004]).
    Auf der Streckrolle sind der kleinere Abstand von Fibrillenbündel zu Fibrillenbündel innerhalb einer Gruppe und der etwas größere Abstand von Gruppe zu Gruppe zu unterscheiden (Abs. [0005]). Um den Gruppenabstand zwischen der zweitletzten Gruppe und der letzten, äußersten Gruppe trotz der genannten Fächerung einzu-halten, müssen zwischen den einzelnen Streckrollen eines Streckrollenpaares Führungen vorgesehen werden, die die letzte Fibrillenbündelgruppe auf den Streck-rollen derart entfernt von der zweitletzten Gruppe führt, dass trotz der Abgabebreite der letzten Fibrillenbündel von der Rolle an die Texturiereinheit der Gruppenabstand in einem akzeptablen Maß ist (Abs. [0006]). Dies soll vermeiden, dass entweder zu lange Rollen notwendig werden oder die Gefahr besteht, dass die gefächerten Fibrillenbündel der letzten Gruppe benachbarte, sich noch auf den Rollen befindliche Fibrillenbündel der vorangehenden Gruppe überdecken (Abs. [0006]).
    Die Führungen – in Form von Umlenkungen zwischen den Rollen oder Umlenkungen vor dem Eingang jeder einzelnen Texturierdüse – haben dabei den Nachteil, dass sie unwillkürlich ein unkontrolliertes Maß an Schädigungen am einzelnen Fibrillenbündel erzeugen (Abs. [0007]). Dies geschieht unkontrolliert, weil die Umlenkung von Texturierdüse zu Texturierdüse unterschiedlich ist, so dass Texturierunterschiede letztlich im einzelnen Fibrillenbündel vorhanden sind, die unter Umständen im Fertigprodukt, z.B. im Teppich, sichtbar werden (Abs. [0007]).
  77. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als Aufgabe, die vorgenannten Nachteile zu beheben (Abs. [0008]).
  78. Zur Lösung dieses Problems sieht das Klagepatent in Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
  79. 1. Führen von Fibrillenbündeln durch einen Teil einer Spinnstreck-texturier oder Strecktexturiermaschine, umfassend
    1.1 ein Streckrollenpaar (1a, 1b),
    1.2 eine Texturiereinheit (4) und
    1.3 eine Kühleinheit (5).
  80. 2. Die Texturiereinheit (4) ist
    2.1 in Förderrichtung der Fibrillenbündel (7) nachgeschaltet,
    2.2 in ihr werden einzelne Fibrillenbündel
    2.2.1 in einem Förderteil (9) einer zur Texturiereinheit (4) ge-hörenden Texturierdüse (8) gefördert und
    2.2.2 mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse (8) ge-hörenden Texturierteil (10) texturiert.
  81. 3. Die Kühleinheit (5)
    3.1 ist in Förderrichtung gesehen nach der Texturiereinheit (4) vorge-sehen,
    3.2 die die einzelnen Pfropfen laufend übernimmt,
    3.3 kühlt und
    3.4 einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung übergibt.
  82. 4. Die Fibrillenbündel
    4.1 werden von einer Rolle (1a) des Streckrollenpaares, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit (4) abgegeben werden,
    4.2 bis an und in den Förderteil (9)
    4.3 umlenkungsfrei geführt.
  83. Das Klagepatent sieht ferner in Anspruch 5 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
  84. 1. Ein Teil einer Spinnstrecktexturier oder Strecktexturiermaschine zum Texturieren von Fibrillenbündeln, umfassend
    1.1 ein Streckrollenpaar (1a, 1b),
    1.2 eine Texturiereinheit (4) und
    1.3 eine Kühleinheit (5).
  85. 2. Die Texturiereinheit (4) ist
    2.1 in Förderrichtung der Fibrillenbündel (7) nachgeschaltet,
    2.2 in ihr werden einzelne Fibrillenbündel
    2.2.1 in einem Förderteil (9) einer zur Texturiereinheit (4) ge-hörenden Texturierdüse (8) gefördert und
    2.2.2 mittels Pfropfenbildung in einem zur Texturierdüse (8) ge-hörenden Texturierteil (10) texturiert.
  86. 3. Die Kühleinheit (5)
    3.1 ist in Förderrichtung gesehen nach der Texturiereinheit (4) vorge-sehen,
    3.2 ist vorgesehen, um die einzelnen Pfropfen laufend zu übernehmen,
    3.3 zu kühlen und
    3.4 einem folgenden Mittel zur Weiterbehandlung zu übergeben.
  87. 4. Die Fibrillenbündel
    4.1 sind von einer Rolle (1a) des Streckrollenpaares, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit (4) abgegeben werden,
    4.2 bis an und in den Förderteil (9)
    4.3 umlenkungsfrei führbar.
  88. 2.
    Im Hinblick auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit bedürfen die Merk-male 4.2 und 4.3 der Ansprüche 1 und 5 der Auslegung.
  89. Diese Merkmale sind im Kontext der gesamten Merkmalsgruppe 4 der Ansprüche 1 und 5 zu sehen. Die Fibrillenbündel werden von einer Rolle des Streckrollenpaares, von welcher die Fibrillenbündel an die Texturiereinheit abgegeben werden (jeweils Merkmal 4.1), bis an und in den Förderteil (jeweils Merkmal 4.2) umlenkungsfrei geführt (Anspruch 1, Merkmal 4.3) bzw. sind umlenkungsfrei führbar (Anspruch 5, Merkmal 4.3).
  90. a)
    Der – allein nicht maßgebliche – Wortlaut „umlenkungsfrei“ deutet bereits darauf hin, dass nach Merkmal 4.3 in den Ansprüchen 1 und 5 die Fibrillenbündel ohne Umlenkungen geführt werden. Auch nach dem Wortsinn werden die Fibrillenbündel, abgesehen von unvermeidlichen Umlenkungen (hierzu sogleich unten), ohne Umlenkungen – eben umlenkungsfrei – geführt. Dadurch soll vermieden werden, dass Schädigungen aufgrund der Reibung an den Fibrillenbündeln auftreten, die Ungleichmäßigkeiten im fertigen Garn zur Folge haben (Abs. [0018]).
    Hierdurch grenzt sich das Klagepatent vom Stand der Technik ab. Die aus dem Stand der Technik vorbekannten Umlenkungen zwischen den Streckrollen (Umlenkungen 2 und 3 laut Fig. 1 und 2) und – insbesondere – solche vor dem Eingang jeder einzelnen Texturierdüse (siehe Fig. 2) verursachen nämlich ein unkontrolliertes Maß an Schädigungen am einzelnen Fibrillenbündel, wie z.B. Deformationen des Fibrillenquerschnitts (Abs. [0007]). Die Schädigungen erfolgen unkontrolliert, weil die Umlenkung, insbesondere vor dem Eingang der einzelnen Texturierdüse, von Texturierdüse zu Texturierdüse unterschiedlich ist, und führen zu Texturierunterschieden, die unter Umständen im Fertigprodukt, etwa einem Teppich, sichtbar werden (Abs. [0007]).
    Wie die umlenkungsfreie Führung erzielt werden soll, legen Ansprüche 1 und 5 nicht im Einzelnen fest. Erst aus den Unteransprüchen 2 und 6 folgt, dass die Förderteile der Texturierdüsen fächerförmig angeordnet sind. Durch eine fächerförmige Anordnung kann auf alle vorbekannten Umlenkungsführungen verzichtet werden (Abs. [0020]).
    Dem oben dargelegten Verständnis des Merkmals „umlenkungsfrei“ stehen die Aus-führungen in Abs. [0027] nicht entgegen. Danach lässt die erfindungsgemäße Fibrillenbündelführung Umlenkungen in einem gewissen Maße zu. Die Ausführungen sind allerdings räumlich begrenzt, da sie Umlenkungen auf der Streckrolle betreffen, und zwar im Bereich zwischen der obersten Umfangslinie und der Abgabestelle (Abs. [0027] und Fig. 4). Diese Umlenkung ist durch die parallele Führung der Fibrillen bis zur oder vor der Streckrolle und die auf die Breite der Texturiereinrichtung ausgerichtete gefächerte Führung hinter der Streckrolle zurückzuführen. Sie hängt von verschiedenen Parametern ab und fällt dementsprechend stärker oder schwächer aus (Abs. [0027]: „beispielsweise“), ist aber letztlich unvermeidlich und kann durch eine Variation der fächerartigen Anordnung der Texturierdüsen aufgefangen werden (Abs. [0027]).
  91. b)
    Das Klagepatent legt in den Ansprüchen 1 und 5, Merkmal 4.2, fest, dass die Fibrillenbündel bis an und in den Förderteil umlenkungsfrei geführt werden bzw. führbar sind.
  92. Nach der geschützten technischen Lehre der Ansprüche 1 und 5 dient der Förderteil dazu, die einzelnen Fibrillenbündel zur Texturierdüse zu fördern (Merkmal 2.2.1). Er beschreibt jedenfalls den Teil der Texturiereinheit, in dem das Fibrillenbündel gefördert oder gar beschleunigt wird, indem es angesaugt oder mittels eines Fördermediums transportiert wird.
    Der Förderteil ist von dem Texturierteil zu unterscheiden, in dem das jeweilige Fibrillenbündel texturiert wird (vgl. Abs. [0025]). Verfahrenstechnisch wird das Fibrillenbündel im Förderteil transportiert oder beschleunigt und im Texturierteil derart verzögert, dass das plastisch verformbare Fibrillenbündel mittels Pfropfenbildung texturiert wird.
    Regelmäßig fällt der Beginn des Förderteils mit dem Eingang in die Texturierdüse und damit mit dem Eingang in die Texturiereinheit zusammen. Das Klagepatent geht insofern davon aus, dass die Fibrillenbündel in die Texturiereinheit eingesaugt werden (Abs. [0025]). Dies entspricht auch dem Stand der Technik bei der Texturierung von Filamentgarnen, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2018 durch Vorlage der Anlage K 6 belegt hat.
    Dementsprechend beginnt in dem vom Klagepatent geschilderten Ausführungs-beispiel nach Fig. 4 der Förderteil nicht erst unterhalb des Einlaufs der Fördermediumverteilkanäle (13) in den Förderteil (9), sondern bereits mit dem trichterförmigen Eingang in die Texturiereinheit. Denn schon in diesem Bereich werden die Fibrillenbündel angesaugt (Abs. [0025]). Das Ausführungsbeispiel nach Fig. 4 zeigt, dass die einzelnen Texturierdüsen über einen Fördermediumverteilkanal (13) mit einem Fördermedium gespeist werden. An derjenigen Engstelle, an der das Fördermedium den Förderteil erreicht, wird es aufgrund des Venturi-Effekts beschleunigt, wodurch die Fibrillenbündel mittels des Fördermediums ebenfalls beschleunigt und in den Texturierteil gefördert werden. An der Engstelle entsteht außerdem ein Unterdruck (Bernoulli-Prinzip). Dieser bewirkt einen Ansaugeffekt, der in den Trichter oberhalb des Einlaufs des Fördermediums und auf die Fibrillenbündel wirkt. Da das Ansaugen der Fibrillenbündel der Förderung der Fibrillenbündel dient, gehört der Trichterbereich, in dem das Ansaugen stattfindet, auch zum Förderteil nach der geschützten technischen Lehre.
    Diese räumlich-körperliche Bestimmung des Förderteils korrespondiert auch mit der Funktion der Merkmale 4.2 und 4.3, wonach die Fibrillenbündel umlenkungsfrei bis an und in den Förderteil führbar sein sollen. Denn in Abgrenzung zum Stand der Technik sollen Umlenkungen, und zwar gerade solche am Einlauf bzw. Eingang in die Texturierdüse (Abs. [0004], [0007], [0017], [0018]), also an der Einlaufkante, ver-mieden werden. Diese sind bei vorbekannten Maschinen aufgrund ihres Aufbaus entstanden: kleinere Abstände zwischen Fibrillenbündeln als zwischen den Texturierdüsen und gleichzeitig eine möglichst niedrige Bauhöhe der Maschine führten dazu, dass die Fibrillenbündel von der Streckrolle zur Texturiereinheit stark gefächert wurden und am Einlauf jeder einzelnen Texturierdüse umgelenkt werden mussten (Abs. [0002]-[0004]), was unkontrollierte Beschädigungen der Fibrillenbündel verursachte (Abs. [0007]). Werden die Fibrillenbündel bis an und in den Förderteil umlenkungsfrei geführt, werden die geschilderten Probleme am Einlauf in die Texturiereinheit und damit die Texturierdüse (zur Gleichsetzung siehe Abs. [0004], [0007], [0017], [0018] und Fig. 2 und 4) vermieden. Im Förderteil lässt der Klagepatentanspruch eine Umlenkung der Fibrillenbündel jedoch zu. Dies ist unproblematisch, weil die Fibrillenbündel ohnehin entlang der Wandungen der Texturierdüse geführt werden. Die Fibrillenbündel sind damit jedenfalls dann bis an und in den Förderteil führbar, wenn sie über die den Einlauf in die Texturiereinheit bildende Kante hinweg umlenkungsfrei geführt werden können.
  93. 3.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 5 unmittelbar wortsinngemäß. Insbesondere sind die Fibrillenbündel von einer Rolle des Streckrollenpaares bis an und in den Förderteil umlenkungsfrei führbar (Merkmalsgruppe 4, insbesondere Merkmale 4.2 und 4.3). Die weiteren Merkmale sind zwischen den Parteien nicht umstritten.
    Das kammartige Spreizelement (Anlagen CBH 10 und 11) ist für die Beurteilung der Umlenkungsfreiheit der Führung der Fibrillenbündel nicht von Relevanz, weil es nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin nach dem ersten Einfädeln aus der Bahn der Fibrillenbündel herausgeschwenkt wird und daher im normalen Betrieb keinerlei Einfluss auf den Verlauf der Fibrillenbündel hat.
    Ausgehend von den vorgelegten Abbildungen der Beklagten der angegriffenen Ausführungsform zeigt das Foto der Beklagten in Anlage CBH 6, dass jedenfalls die beiden äußeren Fibrillenbündel im trichterförmigen Einlaufbereich in die Texturier-düsen leicht umgelenkt werden. Diese Umlenkung findet bereits im Förderteil statt. Bis an und in den Förderteil werden die Fibrillenbündel hingegen nicht umgelenkt. Denn in dem Bereich, in dem die leichten Umlenkungen stattfinden, werden die Fibrillenbündel bereits in Förderrichtung aufgrund des Venturi-Effekts und des Bernoulli-Prinzips (siehe oben) angesaugt. Die für die Erzeugung des Venturi-Effekts erforderlichen Fördermediumverteilkanäle sind auf dem Foto in Anlage CBH 6 ersichtlich. Zudem ist zwischen den Parteien nicht umstritten, dass die angegriffene Ausführungsform insoweit dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 4 des Klagepatents entspricht.
    Weitere Umlenkungen sind weder aus dem Anlagenkonvolut CBH 2-11 ersichtlich noch vorgetragen worden. Auf die schematische Darstellung in Anlage K 5, dort Foto Nr. 3, sowie den Werbefilm kommt es nicht an; diese zeigen ohnehin keine Umlenkungen.
  94. 4.
    Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar auf der Messe A in B, zur Benutzung angeboten.
  95. Der Begriff des Anbietens gem. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG ist im Interesse des nach dem Gesetzeszweck gebotenen effektiven Rechtsschutzes für den Schutzrechtsinhaber rein wirtschaftlich zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006, X ZR 169/04, GRUR 2006, 927, 928, Rn. 14 – Kunststoffbügel). Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert einen schutzrechtsver-letzenden Gegenstand der Nachfrage zur Verfügung stellt (BGH, Urt. v. 16.05.2006, X ZR 169/04, GRUR 2006, 927, 928, Rn. 14 – Kunststoffbügel; vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 75). Es ist daher unerheblich, ob der Anbietende den Gegenstand selbst herstellt oder ob er ihn von dritter Seite bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006, X ZR 169/04, GRUR 2006, 927, 928, Rn. 14 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 75). Ein Anbieten im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG setzt auch nicht das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs und / oder Lieferbereitschaft voraus (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2003, X ZR 179/02, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 75; OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.05.2013, 6 U 34/12, GRUR 2014, 59, 62 – MP2-Geräte). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Anbieten die Voraussetzungen eines rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebots im Sinne von § 145 BGB erfüllt oder ob das Angebot Erfolg hat, es demnach nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 75 f.). Maßgeblich ist allein, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 76).
    Ein Anbieten im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG umfasst ebenfalls vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2003, X ZR 179/02, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2017, I-2 U 51/16, BeckRS 2017, 109833, Rn. 77).
    Das Ausstellen eines Verletzungsgegenstandes auf einer Verkaufsmesse stellt in der Regel ein Anbieten gem. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG dar (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2014, I-15 U 19/14, BeckRS 2014, 16067, Rn. 34 – Sterilcontainer; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. A., 2018, Kap. A Rn. 250). Im Falle der Präsen-tation eines schutzrechtsverletzenden Gegenstandes auf einer reinen Leistungsschau ist auf Grundlage einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob ein Anbieten nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu bejahen ist (vgl. BGH, GRUR 2006, 927, Rn. 12 – Kunststoffbügel; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. A., 2018, Kap. A Rn. 250). Dies ist nicht der Fall bei reinen Produktstudien (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. A., 2018, Kap. A Rn. 250).
  96. Nach diesen Maßstäben ist ein Anbieten der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte auf der Messe A in B zu bejahen.
    Bei dieser im Inland stattfindenden Messe handelt es sich um die internationale Leitmesse für Bodenbeläge, die zu 90% von Fachbesuchern frequentiert wird. Die Aussteller auf einer solchen Fachmesse verfolgen mit ihren Präsentationen und Aus-stellungen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte letztlich auch zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie Nachfrage erzeugen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.2014, I-15 U 19/14, BeckRS 2014, 16067, Rn. 35 – Sterilcontainer). Ob bei der A regelmäßig eine Präsentation von Erzeugnissen im Sinne einer Leistungsschau erfolgt ist, mag dahingestellt bleiben. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die A jedenfalls keine reine Leistungsschau war, sondern zumindest auch eine Verkaufsmesse.
    Wie oben ausgeführt, reicht für ein Anbieten eine vorbereitende Handlung aus, die zudem nicht zwingend zu einem Vertragsschluss führen muss. Maßgeblich ist, ob aus objektiver Sicht tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. Dass die Beklagte Interesse auf der international wichtigen Messe A erregen und Nachfrage wecken wollte, deren Befriedigung sie in Aussicht stellte, ergibt sich aus der Vorführung des Films über die angegriffene Ausführungsform sowie dem Umstand, dass viele Vertriebsmitarbeiter der Beklagten an ihrem Stand waren, die auskunftsbereit waren und aktiv Verkaufsgespräche mit Messebesuchern führten. Ob der gezeigte Film alle Merkmale der Ansprüche 1 und 5 des Klagepatents zeigt, kann dahingestellt bleiben. Zeigt eine Werbung nicht alle, sondern keines oder nur einzelne Merkmale des Patentanspruchs, so dass sich in ihr selbst kein patentverletzendes Angebot sehen lässt, dann kann nur das mit der Werbung in Bezug genommene Produkt und dessen tatsächliche Ausgestaltung die Übereinstimmung mit der technischen Lehre des Patentanspruchs ergeben (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. A., Kap. A Rn. 249). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der vorgeführte Film die angegriffene Ausführungsform zeigt, deren Ausgestaltung jedenfalls anhand der Fotos und der Abbildungen der Beklagten in den Anlagen CBH 2 bis CBH 11 deutlich wird. Darüber hinaus waren Vertriebsmitarbeiter der Beklagten in der Lage, im Falle eines Kaufinteresses der Messebesucher Verkaufsgespräche über die angegriffene Ausführungsform zu führen, um einen Geschäftsabschluss zu erzielen.
  97. 5.
    Darüber hinaus verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 mittelbar wortsinngemäß.
  98. a)
    Die angegriffene Ausführungsform stellt ein Mittel dar, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Was ein wesentliches Element der Erfindung ist, ist vom Gegenstand der Erfindung her zu ermitteln. Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung, soweit sie nicht ausnahmsweise zum Leistungsergebnis nichts beitragen (BGH, Urt. v. 27.02.2007, X ZR 113/04, GRUR 2007, 773, 775, Rn. 14 – Rohrschweißverfahren).
    Im Streitfall stellt die angegriffene Ausführungsform ein Mittel dar, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung nach dem Klagepatent bezieht, denn zwischen den Parteien steht zu Recht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform über die erfindungsgemäßen Streckrollen, die Texturiereinheit (Merkmalsgruppe 2) und die Kühleinheit (Merkmalsgruppe 3) verfügt.
  99. b)
    Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, für die Benutzung der Er-findung nach dem Klagepatentanspruch 1 verwendet zu werden. Dies gilt insbe-sondere für Merkmale 4.2 und 4.3 des Anspruchs 1 des Klagepatents. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Verwirklichung des Anspruchs 5 des Klagepatents Bezug genommen. Die objektive Eignung zur Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig.
  100. c)
    Darüber hinaus hat die Beklagte die angegriffene Ausführungsform in der Bundes-republik Deutschland, und zwar auf der Messe A in B, zur Benutzung angeboten. Das Tatbestandsmerkmal des Anbietens richtet sich nach dem Bedeutungsgehalt des Anbietens im Sinne des § 9 PatG (OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.05.2013, 6 U 34/12, GRUR 2014, 59, 62 – MP2-Geräte). Daher gelten die obigen Ausführungen zum Angebot der angegriffenen Ausführungsform auch für die mittelbare Verletzung des Klagepatents.
  101. Das Angebot erfolgte zudem zur Benutzung im Inland. Die Eignung zur Benutzung der Erfindung ergibt sich daraus, dass sich die angegriffene Ausführungsform für eine Verwendung bei der Benutzung der Erfindung eignet, weil sie nur patentgemäß benutzt werden kann.
    Die Benutzung der Erfindung ist auch in der Bundesrepublik Deutschland vorges-ehen, weil sich das Angebot der Beklagten u.a. an inländische Messebesucher richtete.
  102. d)
    Der Tatbestand des § 10 PatG ist darüber hinaus in subjektiver Hinsicht erfüllt. Auf-grund der Umstände ist nämlich offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungs-form dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
    § 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Dem Dritten muss entweder bekannt sein, dass der Abnehmer die Mittel zur patentgemäßen Benutzung bestimmt hat, oder aus Sicht des Dritten ist bei objektiver Betrachtung nach den Umständen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und ist damit offensichtlich, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGH, Urt. v. 09.01.2007, X ZR 173/02, GRUR 2007, 679, 683, Rn. 35 – Haubenstretchautomat). Im hiesigen Rechtsstreit ist aufgrund der Umstände offensichtlich, dass Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen werden, denn die angegriffene Ausführungsform ist ausschließlich patentgemäß verwendbar.
  103. 6.
    Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist (§§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 PatG), rechtfertigen sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  104. a)
    Die Beklagte ist gemäß Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG ver-pflichtet, es zu unterlassen, patentverletzende Texturiermaschinen in der Bundes-republik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen bzw. zu liefern oder zu ge-brauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
    Wie oben dargestellt, hat die Beklagte die angegriffene Ausführungsform im Sinne der §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 PatG angeboten. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr, dass sich in Zukunft weitere Rechtsverletzungen wiederholen werden, ergibt sich in Bezug auf alle oben genannten Benutzungsarten der §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 PatG daraus, dass die Beklagte die patentierte Erfindung in der Vergangenheit in Ansehung des Anspruchs 5 des Klagepatents benutzt hat. Da sie hierzu nach §§ 9, 10 PatG nicht berechtigt war, ist sie zur Unterlassung verpflichtet.
  105. b)
    Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für unmittelbare Benutzungshandlungen vom 16.01.2007 bis zum 28.06.2013 eine angemessene Entschädigung zu zahlen, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜbkG, und für Benutzungshandlungen seit dem 29.06.2013 Schadensersatz zu leisten, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG.
    Die Beklagte beging die Patentverletzung schuldhaft, weil sie als Fachunternehmen die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können, § 276 BGB.
    Die Klägerin ist ferner derzeit nicht in der Lage, den konkreten Schaden zu beziffern. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung bzw. Nutzung der veröffentlichten Anmeldung ein weiterer Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ohne eine rechtskräftige Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht die Verjährung von Ersatzansprüchen droht.
  106. c)
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, mit Ausnahme der Auskunft in Bezug auf die vertriebenen Zubehörteile. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Dies gilt jedoch mangels konkreter Angaben nicht für die Auskunft über die Menge der vertriebenen Zubehörteile und der Preise hierfür. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden demgegenüber durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.
  107. d)
    Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG in Ansehung der Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit Anspruch 5 des Klagepatents zu, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzte, ohne dazu berechtigt zu sein. Für die Unverhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte und diese wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
  108. II.
    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
  109. III.
    Der Streitwert wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

 

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