4b O 193/09 – Multifunktionswerkzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1503

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. 4b O 193/09

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert wird auf 5.973,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Lieferung angeblich rechtsman-gelhafter Sachen durch die Beklagte an den Kläger. Am 11. Juni 2007 lieferte die Beklagte auf Bestellung des Klägers insgesamt 24 Stück eines Multifunktionswerk-zeugs mit der Bezeichnung „A“ wie aus der Rechnung der Beklagten vom selben Tage (Anlage K 1) ersichtlich. In der Folgezeit bot der Kläger die gelieferte Ware über seinen Internetauftritt unter der Adresse „B“ zum Weiterverkauf an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. März 2009 (Anlage K 5) mahnte die Fa. C den Kläger wegen einer angeblichen Verletzung ihres, der Fa. C, europäischen Patents EP 0 936 XXX B3 (Anlage K 4, im Folgenden: Streitpatent) ab und forderte vom Kläger den Ersatz von Rechts- und Patentanwaltsgebühren in Höhe von 6.909,20 EUR. Auf die Abmahnung hin gab der Kläger eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab und einigte sich mit der Fa. C darauf, Kosten für die Abmahnung lediglich in Höhe von 4.500,00 EUR zu ersetzen. Für die Inanspruchnahme rechtsanwaltlichen Rates in diesem Zusammenhang wandte der Kläger 1.473,10 EUR auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. April 2009 (Anlage K 8) forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung des Gesamtbetrages in Höhe von 5.973,10 EUR bis zum 29. April 2009 vergeblich auf.

Anspruch 1 des in englischer Verfahrenssprache angemeldeten Streitpatents, von dem beim Deutschen Patent- und Markenamt eine deutschsprachige Übersetzung unter der Registernummer DE 697 26 XXX T3 geführt wird, lautet:

„1. Multifunktionswerkzeug (12, 212) mit
einem Zangenkopf (64, 264), bei dem ein erstes und ein zweites Backenteil (66, 68; 266, 268) um eine Backendrehachse (70) drehbar miteinander verbunden sind;
einem ersten und einem zweiten Griff (20, 22; 220, 222), die jeweils ein erstes (24, 40) und ein zweites Ende (28, 44) haben, wobei der erste und der zweite Griff mit dem ersten bzw. zweiten Backenteil (66, 68; 266, 268) an dem zweiten Ende (28, 44) drehbar verbunden sind, wobei der erste und der zweite Griff (20, 22; 220, 222) jeweils eine obere Fläche (50, 52; 250, 252), eine untere Fläche (51, 53; 251; 253), eine erste Seite (54, 56; 254, 256) und eine zweite Seite (60, 62; 260, 262) haben, die zum Greifen beim Gebrauch des Zangenkopfes (64, 264) positioniert sind, wenn sich die ersten Seiten in einer aufgeklappten Anordnung des Werkzeugs gegenüberliegen, wobei in der ersten oder der zweiten Seite ein Kanal (94, 104; 294, 304) gebildet ist;
mindestens einem weiteren Werkzeug (13, 213), das an dem ersten Ende (24, 40) drehbar mit dem ersten oder dem zweiten Griff verbunden ist, wobei dieses mindestens eine weitere Werkzeug in dem Kanal (94, 104; 294, 304) passend aufgenommen ist;
dadurch gekennzeichnet, dass der Kanal ein erster Kanal (94, 104; 294, 304) ist, der in der ersten Seite (54, 56; 254, 256) des ersten und des zweiten Griffes angelegt ist, dass in der zweiten Seite (60, 62) ein zweiter Kanal (80, 82; 280, 282) gebildet ist, dessen Orientierung der der ersten Seite entgegengesetzt ist, und dass die Backenteile (66, 68; 266, 268) in den zweiten Kanälen (80, 82; 280, 282) liegen, und dass das mindestens eine weitere Werkzeug in den und aus dem ersten Kanal schwenkbar ist, wenn die zweiten Seiten im zusammengeklappten Zustand des Werkezugs einander gegenüberliegen.“

Der Kläger behauptet, die von der Beklagten gelieferten Gegenstände seien „patent-verletzend“, er meint, die „Darstellungen der Patentschrift“ seien erfüllt. Er meint, dass sich schon aus dem Umstand, dass die Beklagte – unstreitig – gegenüber der Fa. C im Hinblick auf baugleiche Multifunktionswerkzeuge eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, folge, dass die an ihn gelieferten Multifunktionswerkzeuge patentverletzend sein müssten. Überdies folge die Verletzung des Streitpatents aus einem Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2007 (Az. 2-06 O 115/07, Anlage K 7). Auch ist der Kläger der Auffassung, es obliege der Beklagten zu beweisen, dass die von ihr gelieferten Sachen frei von Rechtsmängeln seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 5.973,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet eine Verletzung des Streitpatents durch Lieferung der Gegenstände an den Kläger. Ferner macht sie geltend, dass es für den Kläger nicht notwendig gewesen wäre, einen Betrag in Höhe von 4.500,00 EUR im Hinblick auf die Abmahnung zu zahlen. Bei der Abmahnung habe es sich um eine Massenab-mahnung gehandelt, das ergebe sich schon aus dem Aktenzeichen auf dem anwalt-lichen Abmahnschreiben vom 26. März 2009 sowie aus dem – unstreitigen – Umstand, dass auch die Beklagte durch die Fa. C unter Einschaltung derselben Anwaltskanzlei wie gegenüber dem Kläger abgemahnt wurde. Schließlich ist die Beklagte der Auffassung, ihre Haftung sei aufgrund der von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dort unter der Überschrift „2. Angebot“, letzter Absatz, ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte An-spruch auf Zahlung von Schadensersatz weder unter kaufrechtlichen Gesichtspunk-ten aus §§ 437 Nr. 3, 435, 280 BGB noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs.1 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu.

I.

Das Streitpatent betrifft ein Multifunktionswerkzeug.

Wie das Streitpatent in seinen einleitenden Passagen ausführt, sind derlei Multifunktionswerkzeuge, die zusammenklappbare Griffe und zumindest ein Werkzeug mit Backen aufweisen, welche in die Griffe klappbar sind, bekannt, und zwar auch solche Kombinationswerkezuge, die Backen aufweisen, die entlang der Griffe des Werkzeuges schiebbar sind, um sich in einem Kanal in den Griffen zurückzuziehen. Auch umfassen derlei Multifunktionswerkzeuge typischer Weise viele andere Werk-zeuge, die in und aus einem Kanal im Griff des Werkzeugs für die selektive Verwen-dung gedreht werden können. An diesen Werkzeugen kritisiert das Streitpatent es aber als nachteilig, dass bei ihnen auf die übrigen Werkzeuge nicht zugegriffen wer-den kann, ohne die Griffe zu öffnen und auch die Backenteile auszufahren. Der Zu-griff auf ein anderes Werkzeug als die Zangen erfordert daher oft mehr als den bloßen Schritt des Ausfahrens des gewünschten weiteren Werkzeuges. Ferner wird als Nachteil kritisiert, dass viele der auswählbaren Werkzeuge nicht in eine optimale Ar-beitsstellung gelangen, wenn sie ausgefahren sind. Beispielsweise sind die weiteren Werkzeuge nicht ausgerichtet, um die größte Menge der Mittellinienkraft zu haben, und Schneidwerkzeuge sind oft so positioniert, dass die Griffe ein Hindernis bilden und nicht die gesamte Länge der scharfen Kanten eingesetzt werden kann. Als einen weiteren Nachteil der vorbekannten Werkzeuge benennt das Streitpatent den Um-stand, dass beim Zurückdrehen eines ausgefahrenen und gesicherten Werkezugs typischer Weise ein anderes Werkzeug halb ausgefahren werden muss, um das erste Werkzeug in die Aufbewahrstellung zurück zu bringen. Schließlich wird als Nachteil kritisiert, dass die Möglichkeiten weiterer Werkzeuge beschränkt sind und bestimmte Werkzeuge wie beispielsweise Ratschen in Kombinationswerkzeugen nicht bereit gestellt werden können.

Die US-A- 4 238 862 offenbart ein Multifunktionswerkzeug mit drehbar mit Griffen verbundenen Backenteilen und mit Kanälen an der Außenseite der Griffe, in denen eine Anzahl von Werkzeugen angeordnet sind, wobei die Werkzeuge zum Gebrauch aus den Kanälen gedreht werden.

Das Klagepatent stellt sich vor diesem technischen Hintergrund die Aufgabe, ein kompaktes Multifunktionsverbundwerkzeug zur Verfügung zu stellen, bei denen zumindest ein Werkzeug Backenteile aufweist, die in den Griff des Werkzeugs zu-rückziehbar sind, und bei dem eine Vielzahl weiterer Werkezuge aus Kanälen in den Griffen drehbar sind, während die Backenteile in einer Lagerstellung zurückgezogen bleiben.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

Multifunktionswerkzeug (12, 212) mit

1. einem Zangenkopf (64, 264), bei dem ein erstes und ein zweites Backenteil (66, 68; 266, 268) um eine Backendrehachse (70) drehbar miteinander ver-bunden sind;

2. einem ersten und einem zweiten Griff (20, 22; 220, 222), die jeweils ein erstes (24, 40) und ein zweite Ende (28, 44) haben, wobei
2.1 der erste und der zweite Griff (20, 22; 220, 222)
2.1.1 mit dem ersten bzw. zweiten Backenteil (66, 68; 266, 268) an dem zweiten Ende (28, 44) drehbar verbunden sind,
2.1.2 jeweils
2.1.2.1 eine obere Fläche (50, 52; 250, 252),
2.1.2.2 eine untere Fläche (51, 53; 251; 253),
2.1.2.3 eine erste Seite (54, 56; 254, 256) und
2.1.2.4 eine zweite Seite (60, 62; 260, 262) haben,
2.1.2.5 die zum Greifen beim Gebrauch des Zangenkopfes (64, 264) positioniert sind, wenn sich die ersten Seiten in einer aufgeklappten Anordnung des Werkzeugs gegenüberliegen,
2.2 in der ersten oder der zweiten Seite ein Kanal (94, 104; 294, 304) gebildet ist,
2.2.1 der in der ersten Seite (54, 56; 254, 256) des ersten und des zweiten Griffes angelegt ist;

3. mindestens einem weiteren Werkzeug (13, 213), das
3.1 an dem ersten Ende (24, 40) drehbar mit dem ersten oder dem zweiten Griff verbunden ist,
3.2 in dem Kanal (94, 104; 294, 304) passend aufgenommen ist,
3.3 in den und aus dem ersten Kanal schwenkbar ist, wenn die zweiten Seiten im zusammengeklappten Zustand des Werkezugs einander gegen-überliegen;

4. einem zweiten Kanal (80, 82; 280, 282),
4.1 der in der zweiten Seite (60, 62) gebildet ist,
4.2 dessen Orientierung der der ersten Seite entgegengesetzt ist,
4.3 in dem die Backenteile (66, 68; 266, 268) liegen.

II.

Aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger 24 Stück eines Multifunktions-werkzeugs lieferte, ist ein Anspruch des Klägers weder wegen der Lieferung einer im Sinne von § 435 BGB rechtsmangelhaften Sache noch wegen Begehung einer un-erlaubten Handlung entstanden. Es ist vom Kläger nicht dargetan, dass die gelieferten Multifunktionswerkzeuge von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch machen.

1.

An der fehlenden Darlegung zur Frage, ob die gelieferten Multifunktionswerkzeuge von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch machen, scheitert ein kauf-rechtlicher Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 435, 280 BGB aus zwei Gründen: Zum einen setzt dieser Anspruch das Bestehen eines Rechtsmangels ge-mäß § 435 BGB voraus – ein Sachmangel kommt entgegen der Auffassung des Klägers ohnehin nicht in Betracht, das Gebrauchmachen von der technischen Lehre eines technischen Schutzrechts ist keine Sacheigenschaft. Zum anderen wäre dem Kläger durch Erstattung von Abmahnkosten gegenüber der Fa. C nur dann ein ersatzfähiger Schaden entstanden, wenn der Kläger das Anbieten der Mul-tifunktionswerkzeuge tatsächlich widerrechtlich von dieser technischen Lehre Ge-brauch gemacht hätte. Denn nur dann hätte sich der Kläger herausgefordert fühlen dürfen, zur Abwendung eines Rechtsstreits mit der Fa. C sich dieser gegenüber zur Unterlassung und zur Erstattung von Abmahnkosten zu verpflichten und eigene Aufwendungen für die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts zu tätigen.

Für beides, nämlich das Vorliegen eines Rechtsmangels wie auch für das Entstehen eines ersatzfähigen Schadens ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Soweit der Kläger geltend macht, aufgrund der Regelung des § 363 BGB obliege es der Be-klagten, darzulegen und zu beweisen, dass die gelieferten Multifunktionswerkzeuge frei von Rechtsmängeln seien, kann dem nicht gefolgt werden. Aus § 363 BGB folgt für den vorliegenden Fall vielmehr das Gegenteil: Mit der ersatzlosen Abschaffung des § 442 BGB a.F., gemäß dem der Käufer stets die Beweislast für das Bestehen eines Rechtsmangels trug, sind die allgemeinen Regelungen für die Beweislast an-zuwenden: Der Verkäufer muss, da er gemäß § 433 Abs. 1 BGB zur Lieferung einer rechtsmangelfreien Sache verpflichtet ist, darlegen und notfalls beweisen, dass die Sache frei von Rechtsmängeln ist. Hat der Käufer die Kaufsache allerdings im Sinne von § 363 BGB als Erfüllung angenommen, trägt er die Beweislast für das Bestehen eines Rechtsmangels, wenn er später hieraus Gewährleistungsrechte herleiten will (Palandt / Weidenkaff, 68. Aufl., § 435 Rn. 19 und § 434 Rn. 59). Als Erfüllung an-genommen hat der Käufer als Gläubiger der Lieferungsschuld die Kaufsache im Sinne von § 363 BGB dann, wenn sein Verhalten bei und nach Entgegennahme der Leistung erkennen lässt, dass er die Kaufsache als Erfüllung gelten lassen will (Pa-landt / Grüneberg, a.a.O., § 363 Rn. 2, m.w.N.). So liegt es hier: Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen die gelieferten Multifunktionswerkzeuge über seinen In-ternetauftritt zum Weiterverkauf angeboten. Dass er gegenüber der Beklagten vor Erhalt der Abmahnung der Fa. C auch nur die Vermutung geäußert habe, die Multifunktionswerkzeuge könnten von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch machen, ist nicht vorgebracht.

Der ihm somit obliegenden Darlegungslast dafür, dass die Multifunktionswerkzeuge widerrechtlich von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch machen, hat, was auch die Beklagte bereits schriftsätzlich eingewandt hat, der Kläger nicht in zi-vilprozessual hinreichender Weise genügt. Das gilt zum einen für die Frage, ob die genannten Merkmale des Streitpatents durch die Multifunktionswerkzeuge überhaupt verwirklicht werden. Die vom Kläger aufgestellte pauschale Behauptung, die Multi-funktionswerkzeuge „verstießen“ gegen das Streitpatent, reicht ebenso wenig aus wie die bloße Wiederholung des oben gewürdigten und gegliederten Hauptanspruchs des Streitpatents in Verbindung mit dem Antrag auf Einnahme des Augenscheins hinsichtlich eines angeblich beim Kläger vorhandenen „Beweisstücks“. Vielmehr obliegt es demjenigen, der die Verwirklichung der technischen Lehre eines Patents oder eines Gebrauchsmusters geltend macht – sei es in einem Verletzungsstreitverfahren oder in einem anderen Rechtsstreit –, dies anhand der konkreten Vor-richtung oder des konkreten Verfahrens Merkmal für Merkmal darzulegen. Nur so kann der in Anspruch genommene Prozessgegner ausmachen, ob und inwiefern er sich gegen diese Behauptung verteidigen will, oder ob er die Verwirklichung der technischen Lehre zugestehen will.

Das Vorbringen des Klägers kommt demgegenüber einer Anregung zur Amtsermittlung gleich: Zwar ist die Frage, ob die technische Lehre eines Patents verletzt wird, eine Rechtsfrage, gleichwohl muss die Partei, die sich hierauf beruft, diejenigen Tat-sachen substantiiert darlegen, auf die sich die rechtliche Würdigung einer zu beja-henden oder zu verneinenden Verwirklichung der technischen Lehre stützen soll. Daran fehlt es hier vollständig. Unbehelflich ist insoweit auch der Verweis des Klägers auf einen in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2007 (Az. 2-06 O 115/07, Anlage K 7). Zum einen enthält dieser Beschluss keine Gründe, so dass nicht auszumachen ist, ob und inwieweit die konkrete Ausgestaltung der an den Kläger gelieferten Mul-tifunktionswerkzeuge mit der im Frankfurter Verfahren streitgegenständlichen angegriffenen Ausführungsform übereinstimmt. Zum anderen wäre das im vorliegenden Rechtsstreit erkennende Gericht selbst dann, wenn die hier streitgegenständlichen Multifunktionswerkzeuge mit der angegriffenen Ausführungsform im Frankfurter Verfahren identisch wäre, nicht an die – rechtliche – Würdigung der Annahme einer Verletzung des Streitpatents gebunden. Schließlich ist es auch ohne Bedeutung, dass die Klägerin sich ihrerseits gegenüber der Fa. C zur Unterlassung verpflichtet hat. Darin liegt kein Zugeständnis der Beklagten, denn die Abgabe einer Unterlassungserklärung kann – wie dem Gericht bekannt ist – auch aufgrund der Erwägung geschehen, dass dies selbst dann, wenn Abmahngebühren erstattet wür-den, immer noch ökonomischer sein, als sich auf einen (Patentverletzungs-)Rechts-streit, womöglich gar im Eilrechtsschutz, einzulassen.

Hinzu kommt ein weiteres: Selbst wenn sich feststellen ließe, dass die gelieferten Multifunktionswerkzeuge die technische Lehre des Streitpatents verwirklichten, wäre damit noch keine Verletzung des Streitpatents dargetan, denn daraus würde noch nicht zwingend eine widerrechtliche Verwirklichung der technischen Lehre und damit eine Verletzung des Streitpatents folgen. Vielmehr ist es nicht nur theoretisch denkbar, dass die gelieferten Multifunktionswerkzeuge solche waren, die mit Zustimmung des Inhabers des Streitpatents, also der Fa. C, in Verkehr gebracht wurden. Das hätte die Erschöpfung des Patentrechts zur Folge, so dass der (Weiter-)Vertrieb durch den Kläger nicht widerrechtlich gewesen wäre (vgl. dazu insgesamt Schulte / Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 9 Rn. 18ff.).

Demnach lässt sich weder ein Rechtsmangel der gelieferten Multifunktionswerkzeuge, noch ein zum Nachteil des Klägers entstandener und für diesen ersatzfähiger Schaden feststellen.

2.

Aus denselben Erwägungen ist auch ein Anspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung nicht zu erkennen. Zum einen lässt sich keine wi-derrechtliche Handlung der Beklagten feststellen, weil sich aus den oben unter 1. dargelegten Gründen nicht feststellen lässt, dass die gelieferten Funktionswerkzeuge widerrechtlich von der technischen Lehre des Streitpatents Gebrauch machen, und zum anderen lässt sich aus demselben Grunde kein ersatzfähiger Schaden feststel-len.

3.

Auf die weiteren Einwendungen der Beklagten, ob nämlich ihrer Haftung bereits ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegenstehen und ob es an einem Schaden auch deshalb fehle, weil die Abmahnung durch die Fa. C eine Massenabmahnung war, die keine Erstattungsansprüche auslöst, kommt es demnach nicht an.

III.

Dem Kläger war auf seinen Antrag aus der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2010 keine Schriftsatzfrist nachzulassen. Die Voraussetzungen eines Schriftsatznachlasses gemäß § 139 Abs. 5 ZPO waren nicht erfüllt: Das Gericht hat in mündlicher Verhandlung keinen Hinweis erteilt, sondern im Rahmen der gemäß §§ 136, 137 ZPO gebotenen Einführung in den Sach- und Streitstand dargelegt, dass die Beklagte die mangelnde Darlegung einer Verletzung des Streitpatents durch den Kläger geltend gemacht hat, und dass das Gericht diese Auffassung teilt. Dies stellt keinen Hinweis im Sinne von § 139 ZPO dar. Ein solcher Hinweis musste auch nicht erfolgen, weil, wie ausgeführt, bereits die Beklagte die mangelnde Darlegung einer Verletzung des Streitpatents – mehrfach – schriftsätzlich eingewandt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.