4a O 15/17 – Dekodierungsverfahren

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2800

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 9. November 2018, Az. 4a O 15/17

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 -ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
  3. a) Vorrichtungen zur Dekodierung einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung und einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null für Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthaltende Blöcke von (Video-)Bildern,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  5. wobei die Signifikanz-Abbildung die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan- Reihenfolge spezifiziert, und
  6. die Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – aufweist, mit folgender Einrichtung:
  7. einer Einrichtung zum Dekodieren der Signifikanzabbildung, und
  8. einer Einrichtung zum Dekodieren der kodierten Werte von Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge;
    (unmittelbare Patentverletzung, Vorrichtungsanspruch 15)
  9. und/oder
  10. b) Dekodierungsvorrichtungen, die geeignet sind für ein Verfahren zur Dekodierung einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung und einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null für Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthaltende Blöcke von (Video-)Bildern,
  11. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
  12. wobei die Signifikanz-Abbildung die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan- Reihenfolge spezifiziert, und
  13. die Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – aufweist, mit folgendem Schritt:
  14. Dekodieren der Signifikanzabbildung; und
  15. Dekodieren der kodierten Werte von Transformations- Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge;
    (mittelbare Patentverletzung, Verfahrensanspruch 14)
  16. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. November 2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
  17. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  18. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  19. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  20. wobei
  21. – zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  22. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18. November 2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
  23. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  24. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  25. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  26. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  27. wobei
  28. – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  29. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1.a) bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
  30. 5. die unter 1.a) bezeichneten, seit dem 18. November 2006 im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  31. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1.a) und b) bezeichneten, seit dem 18. November 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  32. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  33. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.500.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziff. I.1., I.4 und I.5 des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.875.000,00; ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2 und I.3 des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 375.000,00. Im Kostenpunkt ist das Urteil gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  34. Tatbestand
  35. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter unmittelbarer und mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Leisten von Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
  36. Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. Registerauszug in Anlage K2) eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP A(nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt in Anlage K1). Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 02.05.2003 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 02.05.2002 der DE B angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 18.10.2006 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
  37. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte erhob am 19.10.2017 Nichtigkeitsklage (vgl. Anlage B6) gegen das Klagepatent. In dem vor dem Bundespatentgericht unter dem Az. XXX geführten Nichtigkeitsverfahren ist bislang noch keine Entscheidung ergangen.
  38. Die geltend gemachten Ansprüche 14 und 15 des Klagepatents lauten wie folgt:
  39. „14. Verfahren zur Dekodierung einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung und einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null für Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthaltende Blöcke von (Video-) Bildern,
  40. wobei die Signifikanz-Abbildung die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan-Reihenfolge spezifiziert,
  41. und die Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letz[t]en Transformations-Koeffizienten ungleich Null – aufweist, mit folgendem Schritt:
  42. Dekodieren der Signifikanzabbildung; und
  43. Dekodieren der kodierten Werte von Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge.“
  44. „15. Vorrichtung zur Dekodierung einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung und einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null für Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthaltende Blöcke von (Video-) Bildern,
  45. wobei die Signifikanz-Abbildung die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan-Reihenfolge spezifiziert,
  46. und die Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – aufweist, mit folgender Einrichtung
  47. einer Einrichtung zum Dekodieren der Signifikanzabbildung; und
  48. einer Einrichtung zum Dekodieren der kodierten Werte von Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge.“
  49. Der MPEG-4 Teil 10 (Part 10) Standard mit der Nummer ISO/IEC14496-10, der auch als H.264 oder MPEG-4 AVC bezeichnet wird (nachfolgend kurz: „der Standard“ oder „AVC/H.264-Standard“), ist ein Standard für die Kompression von Videodaten. Auszüge des Standards sind mit Übersetzung in den Anlage K4 und K4a zur Akte gereicht worden. Für die hier relevanten Abschnitte haben sich seit der 1. Ausgabe des Standards vom 01.12.2003 keine relevanten Änderungen gegenüber der 8. Ausgabe vom 01.09.2014 ergeben, die in Anlage K4 vorgelegt worden ist.
  50. Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen im chinesischen C-Konzern. Sie vertreibt in Deutschland etwa die Mobiltelefone „A“, „B“, „C“, „D“ und „E“, die in der Lage sind, Videodateien gemäß dem AVC/H.264-Standard abzuspielen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).
  51. Das Klagepatent ist Teil eines im Jahre 2004 aufgelegten Patentpools, in dem für die Benutzung des AVC/H.264-Standards wesentliche Patente eingebracht worden sind (nachfolgend auch: AVC/H.264-Patentpool). In dem AVC/H.264-Patentpool befinden sich knapp über 5.000 Patente. Nicht nur die Klägerin, sondern auch andere Patentinhaber brachten ihre Patente in den Patentpool ein. Eine Liste der Poolpatentinhaber nebst zugehörigen Poolpatenten liegt als Anlage K9 – Exhibit E (deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit E – a) vor. Hiernach beläuft sich die Anzahl der Poolpatentinhaber auf knapp 40. Auch die Muttergesellschaft der Beklagten, die C Corporation (nachfolgend auch: Muttergesellschaft), ist durch Erwerb von Poolpatenten von D zum 26.09.2012 selbst vorübergehend Poolpatentinhaberin geworden. Als Pooladministrator fungiert die F, LLC (nachfolgend: F).
  52. Auf der Internetseite des AVC/H.264-Patentpools mit der Adresse XXX.com wird der als Anlage K9 – Exhibit P (deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit P – a) vorgelegte Lizenzvertrag als Standardlizenzvertrag (nachfolgend auch kurz: Standardlizenzvertrag oder AVC/H.264-Standardlizenzvertrag) bereitgehalten. Es existieren ca. 1.400 Lizenznehmer (vgl. Liste der Lizenznehmer, Stand Mai 2017, abrufbar unter der Internetseite der F, Anlage K9 – Exhibit H; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit H – a). Über die Internetseite sind außerdem eine Konkordanzliste/ Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte, denen die Poolpatente zugeordnet sind (Anlage K9 – Exhibit G), sowie eine Liste der Lizenzgeber (vgl. screenshot Anlage K9 – Exhibit D; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit D – a) abrufbar.
  53. Eine Lizenznehmerin dieses F-Lizenzprogramms ist das Unternehmen E. (nachfolgend kurz: E). E vertreibt den E Browser, der von der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaft von E erworben wird und der auf den angegriffenen Ausführungsformen vorinstalliert ist. Auf der Nutzung dieser Software basiert der Verletzungsvorwurf der Klägerin.
  54. Am 08.09.2011 ließ die F der Muttergesellschaft eine E-Mail (Anlage K9 – Exhibit B; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit B – a) zukommen. Darin heißt es unter anderem:
  55. Soweit im Rahmen der E-Mail auf weitere Standards („MPEG-4-Visual“ und „ VC-1“) Bezug genommen wird, sind diese vorliegend nicht streitgegenständlich.
  56. Mit E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit B – a) meldete sich daraufhin der „IPR Manager“ der Muttergesellschaft und bat um Übersetzung der Vertragsunterlagen an ihn.
  57. Die F sandte der Muttergesellschaft mehrfach den Standardlizenzvertrag (Anlage K9 – Exhibit P; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit P – a)), unter anderem auch postalisch im Zusammenhang mit der E-Mail vom 08.09.2011, zu. Das aufgrund der E-Mail vom 08.09.2011 versandte Vertragsdokument erreichte die Muttergesellschaft Ende September 2011.
  58. In Ziffer 2.1 des Standardlizenzvertrags, der gemäß dessen Ziffer 8.16 dem Recht des Staates New York unterliegt, heißt es zum Umfang der Lizenz:
  59. „AVC Produkte(e). Vorbehaltung der Bestimmungen der vorliegenden Vereinbarungen (einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Artikel 3 und 7), gewährt der Lizenzverwalter hiermit einem Codec-Lizenznehmer eine gebührenpflichtige, weltweite, nicht ausschließliche und nicht übertragbare Unterlizenz nach allen AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio, ein AVC Produkt herzustellen, herstellen zu lassen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten und […].“,
  60. wobei ein „Codec-Lizenznehmer“ gemäß Ziffer 1.17 des Standardlizenzvertrags eine Person oder einen Rechtsträger bezeichnet, der ein AVC Produkt an (i) einen Codec-Lizenznehmerkunden (vgl. dazu Ziffer 1.18 des Vertrags) bzw. (ii) einen Endkunden verkauft.
  61. Weitere Regelungen zum Umfang der gewährten Lizenz sind in Ziffer 2.2 – Ziffer 2.10 vorgesehen, wobei es in Ziffer 2.9 heißt:
  62. „Vorbehaltlich von Artikel 3.1.7 berechtigen die in den Absätzen 2.1 – 2.7 dieser Vereinbarung gewährten Lizenzen den Lizenznehmer nicht, Unterlizenzen zu gewähren. Der Lizenzverwalter ist bereit, jeder Tochtergesellschaft des Lizenznehmers eine AVC Patentportfolio-Lizenz zu gewähren.“
  63. Im Übrigen wird wegen des genauen Inhalts des Vertragsdokuments auf dieses Bezug genommen.
  64. Zum Abschluss eines Lizenzvertrags zwischen der Muttergesellschaft und der F kam es in er Folgezeit nicht.
  65. Nach Einleitung des hiesigen Klageverfahrens wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2017 (Anlage B2; deutsche Übersetzung: Anlage B2a) an die Klägerin und teilte dieser mit, dass sie bereit sei, eine Lizenz für das Klagepatent sowie für die weiteren AVC/H.264-standardessentiellen Patente der Klägerin zu nehmen.
  66. Nachdem die Klägerin in dem hiesigen Verfahren die bisher abgeschlossenen Standardlizenzverträge vorgelegt hat, ließ die Beklagte der F mit Schreiben vom 13.09.2018 (Anlagenkonvolut B11) zwei von ihr – der Beklagten – unterzeichnete Standardlizenzverträge zukommen. Die F verweigerte die Annahme des von der Beklagten unterzeichneten Standardlizenzvertrags, weil sie eine Lizenznahme durch den gesamten C-Konzern anstrebt.
  67. Des Weiteren fertigte die Beklagte eine Lizenzabrechnung über die in der gesamten Vergangenheit getätigten, weltweiten lizenzpflichtigen Verkäufe entsprechend der Vorgaben des Standardlizenzvertrags an und übermittelte diese zusammen mit einer Bankbürgschaft ebenfalls an die F. Die Beklagte erweiterte die Bürgschaft später.
  68. Die Beklagte wird vor dem angerufenen Gericht von weiteren Poolpatentinhabern in Anspruch genommen, so von der F (Az.: XXX), der G (Az.: 4a XXX), der H (Az.: XXX), von I (Az.: XXX) und von J (Az.: XXX).
  69. Die Klägerin trägt vor, das Klagepatent sei standardwesentlich für die Benutzung des AVC/H.264-Standards. Da die Ansprüche 14 und 15 reziprok zu Anspruch 1 seien, könne ein Verletzungsnachweis auch anhand von Anspruch 1 erfolgen.
  70. Die Beklagte bestreite das Vorhandensein eine Signifikanz-Abbildung im Standard nicht. Hierin sei auch die Kodierung der Signifikanz-Abbildung vom Standard vorgesehen. Die Signifikanz-Abbildung solle patentgemäß Werte liefern, die einem Kodierungsverfahren unterzogen werden.
  71. Die Patentrechte aus dem Klagepatent seien nicht in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen erschöpft. E besitze nur eine Endkundenproduktlizenz nach Art. 2.1 des Standardlizenzvertrags, nicht aber eine OEM-Lizenz gemäß Art. 2.6. Die Lizenzierung von E nach Art. 2.1 des Standardlizenzvertrags gelte nicht für die angegriffenen Ausführungsformen, da diese im Sinne von Art. 1.38 des Vertrags keine „Personal Computer“, sondern „Mobiltelefone“ seien.
    Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auch im Hinblick auf die Standardessentialität des Klagepatents zu. Die Beklagte könne sich insbesondere nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen. Sie, die Klägerin, habe sich im Einklang mit den von der Rechtsprechung in der Rechtssache K./ C, Az.: C-170/13, in dem Urteil vom 16.07.2015 (nachfolgend: das EUGH-Urteil) aufgestellten Grundsätzen verhalten, ohne dass die Beklagte ihrerseits ein diesen Grundsätzen entsprechendes Gegenangebot unterbreitet habe.
  72. In der E-Mail der F vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a)) liege ein hinreichender Verletzungshinweis.
  73. Insoweit müsse sich die hiesige Beklagte die Vorkorrespondenz der F mit ihrer Muttergesellschaft entgegenhalten lassen.
  74. In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, dass die F das Mandat und die einfache Lizenz erhalten habe, namens der Patentinhaber Lizenzen an dem AVC/H.264 Patentpool zu vergeben.
  75. Die F sei auch in der Vergangenheit mit den übrigen AVC/H.264-Lizenznehmern so verfahren, dass sie entweder mit der Muttergesellschaft oder mit jeder Konzerngesellschaft separat verhandelt habe, um im Ergebnis zu gewährleisten, dass sämtliche einer Konzerngruppe zugehörige Gesellschaften, die patentverletzende Produkte vertreiben, von der Lizenznahme erfasst seien.
  76. Unbeschadet dessen stelle sich der Verletzungshinweis in der hier vorliegenden Konstellation aber auch als bloße Förmelei dar.
  77. Die Muttergesellschaft habe auch auf die Verletzungsanzeige der F keine Bereitschaft bekundet, einen FRAND-gemäßen Lizenzvertrag abzuschließen.
  78. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, die F habe der Beklagten durch Übersendung des Standardlizenzvertrags Ende September 2011 ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Angebot unterbreitet.
  79. Da der Standardlizenzvertrag von nahezu 1.400 Lizenznehmern unterzeichnet worden sei, bedürfe es einer Erläuterung der Art und Weise der Berechnung nicht.
  80. Eine Unterzeichnung des Standardlizenzvertrags allein durch die Beklagte sei nicht ausreichend, vielmehr sei erforderlich, dass eine sämtliche Konzerngesellschaften erfassende Lizenzierung stattfinde. Eine solche habe sich als branchenüblich auf dem Markt durchgesetzt. Der Standardlizenzvertrag erfasse auch das Geschäftsmodell der Beklagten, die – wie der als Anlage K6 vorgelegte screenshot zeige – jedenfalls auch Angebotshandlungen gegenüber Endnutzern vornehme.
  81. Das Klagepatent sei weiter auch rechtsbeständig, so dass das Verfahren nicht in Bezug auf die Nichtigkeitsklage auszusetzen sei. Kodieren verstehe der Fachmann als Oberbegriff für En- und Dekodieren. Eine Übersetzung der Voranmeldung sei fristgerecht eingereicht worden.
  82. Die Klägerin beantragt:
  83. wie zuerkannt;
  84. hilfsweise:es der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft abzuwenden.
  85. Die Beklagte beantragt,
  86. die Klage abzuweisen;
  87. hilfsweise:
  88. Den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den deutschen Teil des europäischen Patents EP A eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen.
  89. weiter hilfsweise:
  90. Der Beklagten nachzulassen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
  91. Die Beklagte meint, die Klägerin lasse ihren Verletzungsvorwurf unbegründet, da sie weder eine Verwirklichung der geltend gemachten Ansprüche 14 und 15, noch von Anspruch 1 dargetan habe. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass eine angebliche Signifikanz-Abbildung gemäß dem Standard kodiert wird und im Anschluss hieran die Kodierung der Werte der Transformations-Koeffizienten erfolgt.
  92. In Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen seien die Rechte aus dem Klagepatent erschöpft. Der Verkauf des E Browsers von E an die Beklagte bzw. ihre Muttergesellschaft sei nach Art. 2.1 i.V.m. Art. 1.18 des Standardlizenzvertrags durch die Lizenz abgedeckt. Der Begriff „Personal Computer“ in Art. 1.38 des Vertrags umfasse auch Smartphones wie die angegriffenen Ausführungsformen.
  93. Die Beklagte erhebt zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) und ist der Auffassung, die Klägerin habe sich nicht entsprechend der Vorgaben des EuGH-Urteils verhalten.
  94. Eine im Sinne der EUGH Entscheidung K/ C hinreichende Verteidigungsanzeige liege schon nicht vor. Sie, die Beklagte, habe vielmehr erst mit Erhebung der hiesigen Klage Kenntnis von dem Vorwurf der Verletzung des Klagepatents Kenntnis erhalten.
  95. Unbeschadet dessen, dass eine Kontaktaufnahme durch die Klägerin an die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist, sei bereits fraglich, inwiefern die Klägerin ihre kartellrechtlichen Pflichten auf die F übertragen und die F diese Pflichten für die Klägerin übernehmen könne.
  96. Selbst dann wenn das Verhalten der F für die Klägerin Wirkung entfalten könnte, benennt das von der Klägerin als Verletzungshinweis verstandene Schreiben vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a)) der F unstreitig weder das vermeintlich verletzte Patent (mit Veröffentlichungsnummer) noch die Benutzungshandlungen konkret. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den Inhalt der website XXX.com verweist, genüge dies nicht.
  97. Der Hinweis sei auch nicht als bloße Förmelei entbehrlich gewesen. Aus dem Umstand, dass zahlreiche Marktteilnehmer eine Lizenz an dem streitgegenständlichen Pool genommen haben, könne noch nicht auf eine Verletzung des Klagepatents auch durch die angegriffenen Ausführungsformen geschlossen werden.
  98. Die Muttergesellschaft habe demgegenüber stets ihre Lizenzwilligkeit erklärt.
  99. Es fehle auch an einem FRAND-gemäßen Angebot der Klägerin.
  100. In diesem Zusammenhang sei nicht ausreichend, dass die F der Muttergesellschaft den Standardlizenzvertrag zugesandt hat.
  101. Dies deshalb, weil der Standardlizenzvertrag eine „Mitlizenzierung“ von Konzernunternehmen ausdrücklich ausschließe, und auch im Übrigen nicht vorsehe, dass die Konzernunternehmen in irgendeiner Weise von der Lizenz an die Muttergesellschaft profitieren.
  102. Der Standardlizenzvertrag sei auch ungeeignet, ihr Geschäftsmodell – Vertriebshandlungen gegenüber Groß- und Einzelhändlern – abzudecken.
  103. Die F bzw. die Klägerin sei auch gehalten, eine Lizenzierung der Beklagten unabhängig von weiteren Konzerngesellschaften, insbesondere der Muttergesellschaft, vorzunehmen.
  104. Des Weiteren habe auch die F die Art und Weise der Berechnung der mit dem Standardlizenzvertrag beanspruchten Lizenzgebühr nicht hinreichend erläutert.
  105. Mit der Unterzeichnung des Standardlizenzvertrags durch sie, die Beklagte, liege jedenfalls ein FRAND-gemäßes Gegenangebot vor.
  106. Die Klägerin könne die Annahme des Vertrags nicht deshalb verweigern, weil die Muttergesellschaft nicht bereit ist, ihrerseits eine Lizenz zu nehmen. Denn dies würde dazu führen, dass der Beklagten ein Berufen auf den FRAND-Einwand verwehrt wäre, nur weil die Muttergesellschaft, auf die sie – insoweit unstreitig – keinen Einfluss hat, zu einer konzernweiten Lizenznahme nicht bereit sei.
  107. Die Unterzeichnung der Verträge sei auch nicht verspätet erfolgt. Denn bis zur Vorlage der Lizenzverträge und entsprechender Ausführungen der Klägerin dazu, sei sie – die Beklagte – nicht dazu in der Lage gewesen, die FRAND-Gemäßheit des Angebots zu erkennen.
  108. Hilfsweise sei der vorliegende Rechtsstreit jedenfalls im Hinblick auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.
  109. Der in den Ansprüchen 14 und 15 des Klagepatents beanspruchte Gegenstand sei unzulässig erweitert, da in der ursprünglichen Anmeldung (Anlage B6/2a) bzw. in der europäischen Stammanmeldung (Anlage B6/2b) ein solches Dekodierverfahren bzw. eine entsprechende Dekodiereinrichtung nicht offenbart seien.
  110. Das Klagepatent nehme zudem das angegebene Prioritätsdatum (02.05.2002) nicht wirksam in Anspruch. Die Voranmeldung DEB (Anlage B6/3) sei keine vorschriftmäßige nationale Anmeldung (Art. 87 EPÜ), da hiervon keine Übersetzung innerhalb der Frist eingereicht worden sei. Die Inanspruchnahme des Prioritätsdatums sei zudem auch deshalb unwirksam, da in der Voranmeldung nicht offenbart sei, dass sich das Verfahren nur auf Blöcke mit Transformations-Koeffizienten ungleich Null bezieht. Gehe man daher von dem Anmeldetag des Klagepatents als dessen Zeitrang aus, werde dessen Lehre von einem Entwurf einer früheren Fassung des Standards AVC/H.264 (Anlage B6/16) sowie einem Vorschlag an das Joint Video Team der ISO/IEC MPEG & ITU-T VCEG (Anlage B6/11) neuheitsschädlich vorweggenommen.
  111. Unabhängig vom Zeitrang des Klagepatents werde Anspruch 1 jedenfalls neuheitsschädlich von der nachveröffentlichten Entgegenhaltung EP L(NK12, Anlage B6/12) vorweggenommen. Diese könne sich jedenfalls hinsichtlich der relevanten Passagen auf den Zeitrang der angegebenen japanischen Prioritätsdokumente wirksam berufen.
  112. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2018 Bezug genommen.
  113. Entscheidungsgründe
  114. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte verletzt das Klagepatent durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen (hierzu unter I.). Die Rechte aus dem Klagepatent sind in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen nicht erschöpft (hierzu unter II.). Der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) der Beklagten greift nicht durch (hierzu unter III.), so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagte zustehen (hierzu unter IV.). Im Rahmen des der Kammer zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht nach § 148 ZPO im Hinblick auf das gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt (hierzu unter V.).
  115. I.
    Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die angegriffenen Ausführungsformen implementieren unstreitig den AVC/H.264-Standard. Dessen Nutzung bedingt wiederum eine Verwirklichung der Klagepatentansprüche.
  116. 1.
    Das Klagepatent (nachfolgend nach Abs. zitiert, ohne das Klagepatent stets ausdrücklich zu nennen) betrifft die Kodierung und Dekodierung von Transformations-Koeffizienten in Bild- oder Videokodierern. Nach Abs. [0001] kann die Lehre des Klagepatents dabei insbesondere als ein neues effizientes Verfahren zur binären arithmetischen Kodierung von Transformations-Koeffizienten im Bereich der
    Videokodierung (CABAC in AVC/H.264) eingesetzt werden.
  117. a)
    In seiner einleitenden Beschreibung erläutert das Klagepatent, dass in den gegenwärtigen hybriden block-basierten Standards zur Videokodierung wie beispielsweise MPEG-2, H.263 und MPEG-4 die Blöcke von quantisierten Transformations-Koeffizienten (Levels) durch einen definierten Scan-Vorgang auf einen Vektor abgebildet werden, welcher durch die Verwendung einer Lauflängen-Kodierung und einer anschließenden Abbildung auf Kodeworte variabler Länge kodiert wird (Abs. [0002]).
  118. b)
    Das Klagepatent geht zunächst auf die vorbekannte Kodierung nach den Standards MPEG-2, H.263 und MPEG-4 ein:
  119. aa)
    In dem MPEG-2-Standard werden die Kodeworte variabler Länge 2-dimensionalen Ereignissen (RUN, LEVEL) zugewiesen. „LEVEL“ repräsentiert den quantisierten Wert eines nicht zu Null quantisierten (signifikanten) Transformations-Koeffizienten. Die Lauflänge „RUN“ gibt demgegenüber die Anzahl der aufeinander folgenden, zu Null quantisierten (nicht-signifikanten) Transformations-Koeffizienten an, welche in dem Vektor von Transformations-Koeffizienten unmittelbar vor dem gegenwärtigen signifikanten (d.h. ungleich null) Transformations-Koeffizienten liegen (Abs. [0003]).
  120. Zusätzlich werden Kodeworte variabler Länge für die zwei spezielle Ereignisse EOB und ESCAPE definiert. Das EOB-Ereignis gibt an, dass keine weiteren signifikanten Transformations-Koeffizienten in dem Block vorhanden sind. Demgegenüber signalisiert das ESCAPE-Ereignis, dass das vorhandene Ereignis (RUN, LEVEL) nicht durch das definierte Alphabet von Kodeworten variabler Länge repräsentiert werden kann. In diesem Fall werden die Symbole RUN und LEVEL durch Kodeworte fester Länge kodiert (Abs. [0003]).
  121. bb)
    In den neueren Kodier-Standards H.263 und MPEG-4 erfolgt nach der einleitenden Beschreibung des Klagepatents die Zuordnung von Kodeworten variabler Länge auf der Basis von 3-dimensionalen Ereignissen (LAST, RUN, LEVEL). Dabei gibt das binäre Symbol „LAST“ an, ob der gegenwärtige signifikante Transformations-Koeffizient der letzte signifikante Koeffizient innerhalb des Blockes ist oder ob noch weitere signifikante Transformations-Koeffizienten folgen. Durch die Verwendung dieser 3-dimenionalen Ereignisse wird kein zusätzliches EOB-Ereignis benötigt; ein ESCAPE-Ereignis wird analog zu MPEG-2 verwendet, wobei zusätzlich zu RUN und LEVEL noch das binäre Symbol LAST kodiert wird (Abs. [0004]).
  122. cc)
    Aus Sicht des Klagepatents weist die vorstehend beschriebene Kodierung der Transformations-Koeffizienten, wie sie in MPEG-2, H.263 und MPEG-4 realisiert ist, folgende Nachteile auf:
  123. • Jedem Kodier-Ereignis kann nur ein Kodewort ganzzahliger Länge zugeordnet werden, eine effiziente Codierung von Ereignissen mit Wahrscheinlichkeiten größer 0.5 ist nicht gegeben.
  124. • Die Verwendung einer festen Tabelle für die Abbildung der Kodier-Ereignisse auf die Kodeworte variabler Länge für alle Transformations-Koeffizienten innerhalb eines Blockes berücksichtigt nicht die positions- bzw. frequenz-abhängigen Symbol-Statistiken.
  125. • Es ist keine Adaption an die tatsächlich vorhandenen Symbol-Statistiken möglich.
  126. • Es erfolgt keine Ausnutzung der vorhandenen Inter-Symbol-Redundanzen.
  127. c)
    Das Klagepatent beschreibt sodann die im Annex E des H.263-Standards als Option spezifizierte nicht-adaptive arithmetische Kodierung. Bei dieser Kodierungsmethode werden verschiedene, fest vorgegebene Modell-Wahrscheinlichkeitsverteilungen verwendet:
  128. • eine jeweils für das erste, zweite und dritte Ereignis (LAST,RUN,LEVEL)/ESCAPE
  129. • eine weitere für alle folgenden Ereignisse (LAST,RUN,LEVEL)/ESCAPE eines Blocks von Transformations-Koeffizienten, sowie• jeweils eine weitere für die Symbole LAST, RUN und LEVEL, welche nach einem ESCAPE-Ereignis kodiert werden (Abs. [0006]).
  130. Hieran kritisiert das Klagepatent aber, dass durch diese optionale arithmetische Kodierung keine nennenswerte Steigerung der Kodier-Effizienz möglich sei (Abs. [0007]). Als Gründe hiervon zählt das Klagepatent auf:
  131. • Der Vorteil der arithmetischen Kodierung, dass einem Kodier-Ereignis ein Kodewort nicht-ganzzahliger Länge zugewiesen werden kann, hat durch die Verwendung kombinierter Ereignisse der Form (LAST, RUN, LEVEL) kaum Auswirkungen auf die Kodier-Effizienz.
  132. • Der Vorteil der Verwendung verschiedener Wahrscheinlichkeits-Verteilungen wird dadurch aufgehoben, dass keine Adaption an die tatsächlich vorhandenen Symbol-Statistiken möglich ist (Abs. [0007]).
  133. d)
    Das Klagepatent erläutert weiter, dass ein Verfahren zur Kodierung von Transformations-Koeffizienten durch eine adaptive binäre arithmetische Kodierung in einem hybriden Videokodierer bekannt ist, das die Adaption der Wahrscheinlichkeiten an die vorhandenen Symbol-Statistiken gewährleistet (Abs. [0008]).
  134. e)
    In dem AVC/H.264-Standard (in dem die patentgemäße Lehre nach Abs. [0001] insbesondere eingesetzt werden soll) wird als Standard-Methode zur Entropie-Kodierung ein kontext-adaptives Verfahren auf der Basis von Kodeworten variabler Länge für die Codierung von Transformations-Koeffizienten spezifiziert (Abs. [0009]). Hierbei wird die Codierung eines Blockes von Transformations-Koeffizienten durch folgende Merkmale bestimmt:
  135. • Durch ein Symbol COEFF_TOKEN wird sowohl die Anzahl der signifikanten Koeffizienten innerhalb eines Blocks als auch die Anzahl der aufeinander folgenden zu Eins quantisierten Koeffizienten am Ende des Vektors von Transformations-Koeffizienten bestimmt.
  136. • In Abhängigkeit vom Block-Typ sowie von bereits kodierten/dekodierten Symbolen COEFF_TOKEN für benachbarte Blöcke wird für die Kodierung eine von fünf definierten Kodewort-Tabellen ausgewählt.
  137. • Während für die zu Eins quantisierten Transformations-Koeffizienten am Ende des Koeffizienten-Vektors nur ein einzelnes Bit zur Spezifikation des Vorzeichens übertragen wird, erfolgt die Kodierung der Werte (Levels) der restlichen signifikanten Transformations-Koeffizienten in umgekehrter Scan-Reihenfolge mittels eines kombinierten Prefix-Suffix-Kodewortes.
  138. • Ist die Anzahl der signifikanten Transformations-Koeffizienten kleiner als die Anzahl der Transformations-Koeffizienten für den entsprechenden Block, wird ein Symbol TOTAL_ZEROS kodiert, welches die Anzahl der zu Null quantisierten Transformations-Koeffizienten, die im Koeffizienten-Vektor vor dem letzten signifikanten Koeffizienten liegen, angibt. Hierfür wurden achtzehn Kodewort-Tabellen spezifiziert, die in Abhängigkeit von der Anzahl der signifikanten Koeffizienten und des Block-Typs geschaltet werden.
  139. • Die Lauflänge der zu Null quantisierten (nicht-signifikanten) Koeffizienten (RUN) vor einem signifikanten Koeffizienten wird für jeden signifikanten Transformations-Koeffizienten in umgekehrter Scan-Reihenfolge kodiert, solange die Summe der bereits kodierten RUN’s kleiner ist als TOTAL_ZEROS.
  140. • In Abhängigkeit von TOTAL_ZEROS und der bereits kodierten/dekodierten RUN’s wird hierbei zwischen sieben Kodewort-Tabellen geschaltet (Abs. [0009]).
  141. Das Klagepatent erläutert (Abs. [0010]), dass dieses sogenannte CAVLC-Verfahren (CAVLC: Context-Adaptive Variable Length Coding) durch die kontext-basierte Schaltung der Kodewort-Tabellen eine deutlich effizientere Kodierung der Transformations-Koeffizienten erlaubt als die in MPEG-2, H.263 und MPEG-4 spezifizierten Methoden. Gleichwohl weist es aus Sicht des Klagepatents im Wesentlichen die folgenden Nachteile auf:
  142. • Es wird zwar eine Schaltung zwischen verschiedenen Kodewort-Tabellen in Abhängigkeit von bereits kodierten/dekodierten Symbolen vorgenommen, die Kodewort-Tabellen können jedoch nicht an die tatsächlichen Symbol-Statistiken angepasst werden.
  143. • Durch die Verwendung von Kodeworten variabler Länge lassen sich Ereignisse mit Symbol-Wahrscheinlichkeiten größer 0.5 nicht effizient kodieren. Diese Beschränkung verhindert insbesondere die Kodierung von Symbolen mit einem kleineren Wertebereich, wodurch unter Umständen eine Konstruktion geeigneterer Kontexte für die Schaltung zwischen verschiedenen Modell-Wahrscheinlichkeitsverteilungen möglich wäre.
  144. Eine Möglichkeit zur Vermeidung der dargestellten Nachteile der bekannten Verfahren (zur Kodierung von Transformations-Koeffizienten in block-basierten Bild- und Videokodierern) stellt eine Kombination aus einer adaptiven arithmetischen Kodierung und einer geeigneten Kontext-Bildung zur Ausnutzung der Inter-Symbol-Redundanzen dar. Diese arithmetische Kodierung hat aber den Nachteil eines erhöhten Rechenaufwands im Vergleich zur Kodierung mittels Kodeworten variabler Länge. Insofern muss insbesondere die Möglichkeit einer effizienten Hardware- und Software-Implementierung Rücksicht berücksichtigt werden.
  145. f)
    In den Abs. [0012] f. verweist das Klagepatent auf zwei Dokumente aus dem Stand der Technik, ohne hieran Kritik zu üben.
  146. g)
    Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent in Abs. [0014] als seine Aufgabe, u.a. ein Verfahren und eine Anordnung zur Kodierung von Transformations-Koeffizienten in Bild- und/oder Videokodierern und -dekodierern bereitzustellen, welche die vorstehend genannten Mängel beheben und insbesondere den zur Kodierung erforderlichen Rechenaufwand gering halten.
  147. 2.
    Zur Lösung schlägt das Klagepatent unter anderem ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Dekodierung gemäß der Ansprüche 14 und 15 vor. Diese Ansprüche lassen sich in Form von Merkmalgliederungen wie folgt darstellen, wobei die Abweichungen zwischen den beiden Ansprüchen durch Kursivdruck der jeweiligen Textstellen kenntlich gemacht sind:
  148. Anspruch 14:
  149. Verfahren zur Dekodierung
  150. 1 Das Verfahren dient der Dekodierung
  151. 1.1 einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung, welche die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan-Reihenfolge spezifiziert, und
  152. 1.2 einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null,
  153. 1.2.1 für Blöcke von (Video-) Bildern, die Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthalten.
  154. 1.2.2 Diese Kodierung weist kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – auf.
  155. 2 Das Verfahren hat folgenden Schritt:
  156. 2.1 Dekodieren der Signifikanz-Abbildung;
  157. 2.2 und Dekodieren der kodierten Werte von Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge.
  158. Anspruch 15:
  159. Vorrichtung zur Dekodierung
  160. 1 Die Vorrichtung dient der Dekodierung
  161. 1.1 einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung, welche die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan-Reihenfolge spezifiziert, und
  162. 1.2 einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von mit Transformations-Koeffizienten ungleich Null,
  163. 1.2.1 für Blöcke von (Video-) Bildern, die Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthalten.
  164. 1.2.2 Diese Kodierung weist kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – auf.
  165. 2 Die Einrichtung hat folgende Einrichtung:
  166. 2.1 eine Einrichtung zum Dekodieren der Signifikanz-Abbildung;
  167. 2.2 und eine Einrichtung zum Dekodieren der kodierten Werte von Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge.
  168. 3.
    Anspruch 14 lehrt ein Dekodierungs-Verfahren, während Anspruch 15 eine entsprechende Vorrichtung schützt.
  169. Merkmalsgruppe 1 definiert in beiden Ansprüchen – gleichlautend – den Gegenstand der Dekodierung über eine Beschreibung der Kodierung, welche das Verfahren bzw. die Vorrichtung gemäß der Ansprüche 14/15 rückgängig machen (dekodieren) soll. Die Schritte des Dekodierverfahrens bzw. die Einrichtungen der Dekodiervorrichtung werden dagegen in Merkmalsgruppe 2 aufgeführt.
  170. Beide Ansprüche können parallel betrachtet werden, wie sich aus dem Vergleich der Merkmalsgliederungen ergibt. Eine Vorrichtung, welche in der Lage ist, das Verfahren nach Anspruch 14 umzusetzen, verwirklicht automatisch die Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 15. Anspruch 15 macht zu den beiden Einrichtungen der geschützten Vorrichtung (Merkmalsgruppe 2) keine räumlich-körperlichen Vorgaben, sondern definiert diese nur über ihre jeweilige Funktion. Diese Funktion entspricht dem von Anspruch 14 in Merkmalsgruppe 2 beschriebenen (Verfahrens-) Schritt.
  171. a)
    Nach Merkmalsgruppe 1 ist Gegenstand der Kodierung zunächst eine Signifikanz-Abbildung, anschließend sollen die Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null kodiert werden. Unter „signifikant“ versteht das Klagepatent jeden Transformations-Koeffizienten, der einen Wert ungleich Null besitzt. Die eigentlichen Werte der Koeffizienten werden vom Klagepatent auch als Level bezeichnet (vgl. die Klammerdefinition in Abs. [0021]).
  172. aa)
    Die Signifikanz-Abbildung nach Merkmal 1.1 enthält die Positionen der Transformations-Koeffizienten in Scan-Reihenfolge, allerdings nur für Transformations-Koeffizienten ungleich Null. In der Signifikanz-Abbildung kann also abgelesen werden, wo sich die Koeffizienten ungleich Null befinden, so dass diese nicht wie bei der RUN-LEVEL-Kodierung im Stand der Technik mit-codiert werden müssen.
  173. Das Klagepatent gibt in Abs. [0020] ein Beispiel für die Kodierung einer Signifikanz-Abbildung. Das Klagepatent ist hierauf nicht beschränkt; allerdings ist dieses Beispiel illustrativ für die mögliche Gestaltung einer Signifikanz-Abbildung: In Abs. [0020] werden für jeden Koeffizienten in Scan-Reihenfolge zwei Arten von Ein-Bit-Symbolen verwendet: Das Symbol SIG gibt an, ob ein Koeffizient signifikant ist, also ob er ungleich null ist. In diesem Fall ist SIG=1; andernfalls, bei einem Koeffizienten mit dem Wert Null, ist SIG=0. Wenn SIG=1, d.h. bei signifikanten Koeffizienten, wird zusätzlich das Symbol LAST gesendet. Dieses Symbol gibt an, ob der gegenwärtige signifikante Koeffizient der letzte signifikante Koeffizient innerhalb des Blockes ist (LAST=1) oder ob weitere signifikante Koeffizienten folgen (dann LAST=0). Zur Veranschaulichung dieses Beispiels wird nachfolgend ein Teil von Fig. 2 des Klagepatents eingeblendet:
  174. Über die Signifikanz-Abbildung ist so erkennbar, an welchen Positionen sich signifikante Koeffizienten befinden (vgl. Abs. [0021]). Ferner kann über das Ein-Bit-Symbol LAST abgelesen werden, an welcher Position in Scan-Reihenfolge sich der letzte signifikante Koeffizient befindet (im obigen Beispiel ist es der Koeffizient mit dem Wert „1“), was allerdings nicht Gegenstand der Ansprüche 14 und 15 ist (vgl. aber Anspruch 2).
  175. bb)
    Ist die Signifikanz-Abbildung codiert, werden nach Merkmal 1.2 die Werte der Transformations-Koeffizienten kodiert, sofern es sich um Werte ungleich Null handelt (also die signifikanten Transformations-Koeffizienten). Die Kodierung erfolgt in umgekehrter Scan-Reihenfolge.
  176. Im obigen Beispiel beginnt der Scan-Vorgang nach Fig. 2 bei LAST = 1 und damit mit dem Koeffizienten mit dem Wert „1“. Über die Variable LAST lässt sich ersehen, an welcher Position mit der Kodierung der Koeffizienten angefangen werden muss. Weiterhin müssen hiernach nur die Werte an den Positionen kodiert werden, bei denen SIG = 1 ist.
  177. Merkmal 1.2 gibt nur vor, an welcher Stelle die Kodierung anfangen soll, in welche Richtung sie abzulaufen hat und welche Transformations-Koeffizienten kodiert werden müssen – namentlich nur die signifikanten (d.h. mit einem Betrag ungleich Null). Die Art der Kodierung überlässt das Klagepatent dagegen dem Fachmann. Für ein Ausführungsbeispiel, auf das die Lehre des Klagepatents insoweit nicht beschränkt ist, beschreibt das Klagepatent, die Werte der Transformations-Koeffizienten (Level) mit zwei Kodierungssymbolen zu kodieren: Zum einen „SIGN“, das mit einem Ein-Bit-Symbol das Vorzeichen des Werts angibt (etwa 1 = + und 0 = -). Zum anderen „ABS“ für den Betrag des Koeffizienten. Im Ausführungsbeispiel werden die Werte von ABS einer Binarisierung unterzogen (vgl. hierzu Abs. [0021] und Fig. 3).
  178. b)
    Die eigentlichen Dekodierung besteht aus den in Merkmalsgruppe 2 aufgeführten zwei Elementen: Zum einen soll die Signifikanz-Abbildung, zum anderen sollen die (Werte der) Transformations-Koeffizienten dekodiert werden. Während Anspruch 14 diesen Verfahrensschritt spezifiziert, gibt Anspruch 15 vor, dass die patentgemäße Vorrichtung Einrichtungen für diese Schritt aufweisen muss. Die decodierte Signifikanz-Abbildung gibt dabei die Positionen der signifikanten Transformations-Koeffizienten vor, die dann in umgekehrter Scan-Reihenfolge decodiert werden. Darüber hinaus machen die Ansprüche 14 und 15 keine Vorgaben zum Ablauf der Dekodierung. Dies bleibt vielmehr dem Können des Fachmanns überlassen.
  179. 4.
    Bei der Befolgung des Standards in den angegriffenen Ausführungsformen wird von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht.
  180. a)
    Zwischen den Parteien streitig ist nur der kodierte Gegenstand der Dekodierung, wie er von den Merkmalen 1.1 bis 1.2.2 der beiden streitgegenständlichen Patentansprüche definiert wird:
  181. „1.1 einer Kodierung einer Signifikanz-Abbildung, welche die Positionen der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in Scan-Reihenfolge spezifiziert, und
  182. 1.2 einer sich hieran anschließenden Kodierung von Werten von Transformations-Koeffizienten ungleich Null,
  183. 1.2.1 für Blöcke von (Video-) Bildern, die Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthalten.
  184. 1.2.2 Diese Kodierung weist kodierte Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null in umgekehrter Scan-Reihenfolge – beginnend mit dem letzten Transformations-Koeffizienten ungleich Null – auf.“
  185. Insoweit ist unstreitig, dass die beiden genannten Elemente standardgemäß vorgesehen sind und auch kodiert werden, was sich auch daran ersehen lässt, dass die von der Klägerin angeführte Standardpassage (Abschnitt 7.3.5.3.3, S. 63 Anlage K4/4a) die Kodierung betrifft. Vor diesem Hintergrund bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen.
  186. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch ausreichend dargelegt, dass der Standard die Kodierung der Signifikanz-Abbildung und die anschließende Kodierung der Werte der Transformations-Koeffizienten ungleich Null vorschreibt – also die von Merkmal 1.2 vorgegebene Kodierungsreihenfolge.
  187. Die Klägerin hat anhand von Abschnitt 7.3.5.3.3 (S. 63 Anlage K4/K4a) im Standard dargelegt, dass zunächst eine Signifikanz-Abbildung und dann die Koeffizienten kodiert werden. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend diese Standardpassage verkleinert eingeblendet:
  188. Wenn der Block Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthält, ist „coded_block_flag“ = 1. In diesem Fall werden in einer ersten Schleife (beginnend mit „while(i< numCoeff -1)“, d.h. solange der Koeffizient an der aktuellen Position geringer ist als die Gesamtanzahl der Koeffizienten) die signifikanten Koeffizienten bis zum letzten signifikanten Koeffizienten eines Blocks („last_significant_coeff_flag[i]“) in einer Signifikanz-Abbildung zusammengestellt. Dabei gibt „significant_coeff_flag[i]“ für Position i an, ob das Level des Transformations-Koeffizienten gleich (Wert = 0) oder ungleich Null (Wert = 1) ist. Damit wird spezifiziert, an welchen Positionen Transformations-Koeffizienten ungleich Null sind. Über „last_significant_coeff_flag[i]“ wird festgelegt, an welcher Position sich der letzte signifikante Koeffizient befindet. Ist dies der Fall, sind die Koeffizienten an allen verbleibenden Positionen eines Blocks null (nicht-signifikant). Die Reihenfolge der Schleife ist in Scan-Reihenfolge („i++“).
  189. Anschließend werden ausgehend von dem letzten signifikanten Koeffizienten („numCoeff – 1“) Vorzeichen („coeff_sign-flag“, d.h. +/-) und Betrag („coeff_abs_level“) der einzelnen Koeffizienten an den Positionen [i] kodiert. Die Reihenfolge ausgehend vom letzten wesentlichen Koeffizient (ungleich Null) ergibt sich aus „coeffLevel[numCoeff-1]“, dann i = „numCoeff -2“ und so weiter. Dass die Kodierung der Transformations-Koeffizienten der Kodierung der Signifikanz-Abbildung nachfolgt, ergibt sich aus dem Ablauf (Reihenfolge) in der Tabelle nach Abs. 7.3.5.3.3 des Standards.
  190. Die Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung diesem Vortrag nicht entgegen getreten. Es erscheint auch zwangsläufig, dass eine Signifikanz-Abbildung erstellt wird, bevor auf dieser Grundlage die Werte der Transformations-Koeffizienten kodiert werden.
  191. b)
    Die Merkmale von Merkmalsgruppe 2 der Ansprüche 14 und 15 werden bei der Nutzung des AVC/H.264-Standards ebenfalls verwirklicht.
  192. aa)
    Dies lässt sich für den Verfahrensanspruch 14 feststellen. Die Klägerin hat vorgetragen, die Dekodierung laufe „reziprok“ (invers) zur Kodierung ab; der codierte Gegenstand wird also letztlich wieder in die ursprünglichen Daten umgewandelt, um beispielsweise ein Video auf den angegriffenen Ausführungsformen darstellen zu können. Bei dem Abspielen von Daten, die in Einklang mit Anspruch 1 bzw. Merkmalsgruppe 1 kodiert worden sind, findet damit zwingend die Dekodierung der Signifikanz-Abbildung (Merkmal 2.1) und der Werte der Transformations-Koeffizienten (Merkmal 2.2) statt.
  193. Dies hat die Beklagte nicht wirksam in Abrede gestellt. Soweit sie behauptet, eine Decodierung müsse nicht zwingend reziprok zur Kodierung erfolgen, erscheint dies nicht geeignet, um die Verwirklichung der Merkmale 2.1/2.2 in Zweifel zu ziehen. Denn die Beklagte hat weder diese Behauptung konkretisiert, noch hat sie vorgetragen, dass im konkreten Fall keine Reziprozität bestehe, noch hat sie dargestellt, wie die Dekodierung ansonsten ablaufen soll.
  194. bb)
    Wenn die angegriffenen Ausführungsformen standardgemäß das Verfahren nach Anspruch 14 umsetzen können müssen, setzt dies voraus, dass in einem standardgemäßen Gerät auch entsprechende Einrichtungen vorhanden sind (Merkmale 2.1/2.2 von Anspruch 15).
  195. c)
    Da bei Befolgung des Standards das Verfahren gemäß Anspruch 14 verwirklicht wird, verletzt die Beklagte durch Vertrieb der (standardkonformen) angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland das Klagepatent mittelbar (§ 10 Abs. 1 PatG). Gegen das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben.
  196. Es handelt sich bei den angegriffenen Ausführungsformen (die den Standard implementieren können) um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung des Klagepatents beziehen, da das gesamte anspruchsgemäße Verfahren auf den Mobiltelefonen abläuft.
  197. Der für eine mittelbare Patentverletzung erforderliche doppelte Inlandsbezug liegt vor, da die angegriffenen Ausführungsformen von der Beklagten im Inland für die Benutzung im Inland vertrieben werden. Eine Zustimmung der Klägerin als berechtigte Patentinhaberin liegt nicht vor; auch die Angebots- und Lieferungsempfänger sind nicht zur Nutzung des Klagepatents berechtigt. Sofern es sich bei den Kunden um Privatpersonen handelt, greift die Ausnahme vom Patentschutz nach § 11 Nr. 1 PatG aufgrund von § 10 Abs. 3 PatG nicht ein.Die Verwendungsbestimmung liegt ebenfalls vor, da jedenfalls offensichtlich ist, dass die angegriffenen Ausführungsformen zur Nutzung des Standards und damit auch der patentgemäßen Lehre geeignet sind und hierfür von den (End-) Kunden verwendet werden.
  198. II.
    Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Rechte aus dem Klagepatent in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen erschöpft sind.
  199. 1.
    Das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent ist erschöpft, wenn der Patentinhaber oder ein mit dessen Zustimmung Handelnder das patentierte Erzeugnis oder das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens in einem der Vertragsstaaten der EU oder des EWR in Verkehr gebracht hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II; BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung; BGH, GRUR 2001, 223 – Bodenwaschanlage; BGH, GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 16). Der rechtmäßige Erwerber eines solchen Exemplars ist befugt, dieses bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten (BGH, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II). Stützt sich der Erschöpfungseinwand auf die Behauptung einer Lizenzvereinbarung mit dem Schutzrechtsinhaber, so muss der Beklagte nicht nur die Benutzungsgestattung als solche, sondern auch den für Umfang und die Bedingungen relevanten Inhalt der Lizenzvereinbarung darlegen und ggf. beweisen (Mes, PatG, 4. Aufl. 2015, § 9 Rn. 78).
  200. 2.
    Daran gemessen ist eine Erschöpfung des Klagepatentrechts hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen nicht eingetreten.
  201. Eine solche Erschöpfung folgt insbesondere nicht daraus, dass die E. (nachfolgend: E) den Webbrowser „E XXX“, der einen AVC-Decoder umfasst, an die Muttergesellschaft der Beklagten verkauft. E handelte dabei nicht mit Zustimmung der Klägerin, was aber Voraussetzung für eine Erschöpfung wäre. Insbesondere umfasst der zwischen E und der F geschlossene AVC Patent Portfolio-Lizenz“ (nachfolgend: AVC PPL, vorgelegt als Anlage K9) nicht die Veräußerung des Browsers einschließlich des AVC-Decoders zur Integration in den angegriffenen Ausführungsformen.
  202. a)
    Die Auslegung des AVC PPL hat aufgrund der Rechtswahlbestimmung in Art. 8.16 AVC PPL nach dem Recht des US-Bundesstaates New York zu erfolgen. Diese Rechtswahlklausel ist nach Art. 3 Rom-I-VO zulässig (die Rom-I-VO ist auch für Drittstaatensachverhalte anwendbar, vgl. Martiny, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2018, Art. 2 Rom-I-VO Rn. 3).
  203. Nach dem Recht des Bundesstaats New York ist für die Auslegung eines Vertrags die aus dem Vertrag selbst abgeleitete Absicht der Parteien maßgeblich. Bei Bestimmung dieser Absicht sind die volle Bedeutung des Wortlauts und die angemessenen Erwartungen der Parteien zu berücksichtigen (siehe W.W.W. Assoc. v. Giancontieri, 77 N.Y.2d 157, 162, 565 N.Y.S.2d 440, 566 N.E.2d 639; Belle Harbor Wash. Hotel, Inc. v. Jefferson Omega Corp., 17 A.D.3d 612, 795 N.Y.S.2d 597). Ein Vertrag wird als klar und eindeutig angesehen, wenn der Wortlaut eine bestimmte und genaue Bedeutung hat, ohne dass die Gefahr von Missverständnissen über die Bedeutung der Vereinbarung selbst besteht und wenn es diesbezüglich keine angemessene Grundlage für einen Meinungsunterschied gibt (Breed v. Insurance Co. of N. Am., 46 N.Y.2d 351, 355, 413 N.Y.S.2d 352, 385 N.E.2d 1280).
  204. b)
    Auf Grundlage dieser Vertragsauslegungsgrundsätze sind die Rechte aus dem Klagepatent in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen nicht erschöpft, da E den E Browser nicht mit Zustimmung der Klägerin an die Beklagte bzw. ihre Muttergesellschaft veräußert. Die E erteilte Unterlizenz an – unter anderem – dem Klagepatent nach Art. 2.1 AVC PPL umfasst nicht die Veräußerung zur Integration in Smartphones (dazu unter aa)). Eine Unterlizenz nach Art. 2.6 AVC PPL ist E dagegen bereits nicht feststellbar erteilt worden (dazu unter bb)).
  205. aa)
    Art. 2.1 AVC PPL gewährt „einem Codec-Lizenznehmer“ eine Lizenz, ein AVC-Produkt zu verkaufen und einem Konsumenten die Lizenz „dieses AVC Produkt (…) zu verwenden.“ „AVC-Produkte“ sind nach Art. 1.10 AVC PPL „jedes Produkt oder jede Sache, in welcher Form auch immer, welche mindestens einen voll funktionsfähigen AVC Decoder (…) enthalten oder bilden.“ Hierzu zählt auch das Programm E XXX.
  206. Allerdings handelt es sich bei E in Bezug auf die Verkäufe von E XXX an die Beklagte nicht um einen solchen, lizenzierten „Codec-Lizenznehmer“. Den Begriff des „Codec-Lizenznehmer“ (als Lizenznehmer nach Art. 2.1) definiert Art. 1.17 AVC PPL des Vertrages u.a. als einen Rechtsträger, der ein AVC Produkt an einen „Codec-Lizenznehmerkunden“ oder an einen Endkunden verkauft.
  207. E verkauft zwar mit E XXX AVC-Produkte an die Beklagte bzw. ihre Muttergesellschaft. Diese sind aber weder Endkunden noch Codec-Lizenznehmerkunden. Bei einem „Codec-Lizenznehmerkunden“ handelt es sich nach Art. 1.18 AVC PPL um eine Partei, an welche der Lizenznehmer ein AVC-Produkt verkauft, welches nicht in ein Computer-Betriebssystem integriert ist, (i) sofern der Codec-Lizenznehmerkunde dieses AVC-Produkt unter dem Markennamen des Lizenznehmers in einen PC integriert und (ii) der Lizenznehmer unter seinem eigenen Markennamen mehr als eine geringfügige Menge derselben AVC-Produkte, die an den Codec-Lizenznehmerkunden verkauft werden, für einen Einsatz in PCs direkt an Endnutzer verkauft.
  208. Diese Anforderungen, die kumulativ vorliegen müssen, sind nicht gegeben. Es fehlt hinsichtlich der Beklagten und den angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls an der Voraussetzung (i). Die angegriffenen Ausführungsformen, in die die Muttergesellschaft der Beklagten den Browser einschließlich AVC-Decoder integriert, sind kein „PC“ im Sinne von Art. 1.18 AVC PPL.
  209. Der Begriff „PC“ wird von Art. 1.38 AVC PPL wie folgt definiert:
  210. „PC – bezeichnet ein Gerät, das an einen Endnutzer verkauft wird und mindestens eine Verarbeitungseinheit und Peripheriegeräte enthält, die von einem Computer-Betriebssystem gesteuert werde oder mit jenem kommunizieren, das in der Lage ist, mehrere Funktionen auszuführen, und zwar mindestens Folgende: Internetzugang, Textverarbeitung, Versendung und Empfangen von E-Mails, Tabellenkalkulationen, Datenbankmanagement, sowie Datenspeicherung und Datenabruf. Ein PC kann auch dazu in der Lage sein, AVC Videos zu codieren oder zu decodieren, wobei es sich im alleinigen Ermessen des Lizenzverwalters dabei nicht um die Hauptfunktion eines Gerätes handeln darf, damit es sich dabei um einen PC handelt. Unter einem PC sind keine Hardwareprodukte zu verstehen, deren Hauptzweck in einer oder mehrere begrenzten Funktion(en) liegt, wie zum Beispiel bei einem Personal Digital Assistant („PDA“), einem Mobiltelefon, einer Set-Top Box, einer Spielkonsole oder einem DVD-Player.“ (Deutsche Übersetzung nach Anlage K9 – Exhibit P – a):
  211. Danach sind Smartphones wie die angegriffenen Ausführungsformen keine PCs im Sinne des AVC PPL. Die Negativdefinition in Art. 1.38 S. 3 AVC PPL nennt Mobiltelefone ausdrücklich als Beispiel solcher Hardwareprodukte, deren Hauptzweck in einer oder mehreren begrenzten Funktion(en) liegt und die nicht als PC im Sinne des AVC PPL anzusehen sind. Es entspricht der nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen ermittelten Absicht der Parteien, auch Smartphones als Mobiltelefone in diesem Sinne anzusehen. Der Begriff Mobiltelefon (mobile phone) bezeichnet ein tragbares Telefon. Ein Smartphone verfügt zwar neben dem Telefonieren und dem Versenden von Textnachrichten über weitere Funktionalitäten, es ist aber auch im US-amerikanischen Sprachgebrauch weiterhin ein Mobiltelefon (mobile phone). Eine angemessene Grundlage für einen diesbezüglichen Meinungsunterschied besteht angesichts dessen nicht. Zwar mag es sein, dass sich die Parteien des AVC PPL bei Vertragsschluss keine Gedanken darüber gemacht haben, welche Funktionen Mobiltelefone im Laufe der Zeit würden erfüllen können. Daraus lässt sich indes nicht die Absicht ableiten, ab einem bestimmten Stand der Funktionalität Mobiltelefone von der Negativdefinition in Art. 1.38 S. 3 AVC PPL auszunehmen. Im Gegenteil sollten nach Art. 1.38 S. 3 AVC PPL Mobiltelefone gerade unabhängig davon von dem Begriff des „PC“ abgegrenzt werden, ob sie in der Lage sind, die in Art. 1.38 S. 1 AVC PPL genannten Funktionen auszuführen. Ob die angegriffenen Ausführungsformen unabhängig davon die (positive) Definition nach Artikel 1.38 S. 1 AVC PPL im Übrigen erfüllen, ist deshalb auch unerheblich.
  212. Mit der ausdrücklichen Benennung des Mobiltelefons stellt Art. 1.38 S. 3 AVC PPL selbst klar, dass Mobiltelefone im Sinne des AVC PPL als Hardwareprodukte mit begrenzter Funktionalität angesehen werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob diese Sichtweise auf moderne Smartphones wie die angegriffenen Ausführungsformen noch zutrifft. Selbst wenn man dies jedoch für erheblich hielte, wären Smartphones nicht aus der Negativdefinition des Art. 1.38 S. 3 AVC PPL auszunehmen. S. 3 stellt nicht darauf ab, ob ein Hardwareprodukt generell nur begrenzte Funktion(en) ausführen kann, sondern darauf, ob der Hauptzweck in solchen begrenzten Funktionen liegt. Hauptzweck auch eines modernen Smartphones sind mehrere begrenzte Funktionen – namentlich die Kommunikation und die Nutzung des Internets.
  213. bb)
    Dass E eine „OEM-Lizenz“ nach Art. 2.6 AVC PPL eingeräumt wurde, ist nicht feststellbar. Die insoweit darlegungsbelastete Beklagte hat sich lediglich darauf berufen, es lasse sich nicht bestätigen, dass E nur eine Lizenz nach Art. 2.1 AVC PPL innehabe, da der Vertrag eine entsprechende Beschränkung nicht enthalte.
  214. Eine „OEM-Lizenz“ wird indes nicht durch das Fehlen einer entsprechenden Beschränkung im Vertrag gewährt. Art. 2.6 AVC PPL verweist hinsichtlich der Gewährung einer „OEM-Lizenz“ auf die Bestimmungen von Artikel 3.1.6. Art. 3.1.6.1, ein Unterabsatz von Artikel 3.1.6, regelt, dass keine Lizenz nach Art. 2.6 AVC PPL gewährt wird, es sei denn, der Lizenznehmer teilt dies in bestimmter Form und binnen bestimmter Frist unter Nennung der einzelnen betroffenen OEM-Produkte mit. Ohne eine solche Mitteilung, zu der die Beklagte nicht vorgetragen hat, kann demnach keine OEM-Lizenz erteilt worden sein.
  215. III.
    Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen.
  216. Es ist nicht feststellbar, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (vgl. dazu unter Ziff. 1.) in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt (dazu unter Ziff. 2.).
  217. 1.
    Die Klägerin verfügt über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV.
  218. a)
    „Marktbeherrschung“ meint in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg. 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche). Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (bspw. Marktanteil, Unternehmensstruktur, Wettbewerbssituation, Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis) (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 148 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris).
  219. Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 149; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 217): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor (EuGH, GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH, WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
  220. Nicht jedes standardessentielle Patent begründet als solches eine Marktbeherrschung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 150; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 220). Eine solche ist jedoch ohne weiteres anzunehmen, wenn sich der Zugang zur Nutzung des fraglichen SEP als regelrechte Marktzutrittsvoraussetzung darstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E, Rn. 221), was der Fall ist, wenn auf dem relevanten Markt überhaupt nur Produkte angeboten und nachgefragt werden, die den Standard durch Benutzung des SEP ausführen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Entsprechendes gilt, wenn auf dem relevanten Markt zwar auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des SEP nicht aufweisen, jedoch ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne Zugang zur Nutzung des streitigen SEP nicht möglich ist (Kühnen, a.a.O.).
  221. Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Eine Marktbeherrschung kann sich auch ohne Standardessentialität aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  222. Der Beklagte trägt für die Marktbeherrschung nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 151; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 225). Der Beklagte ist insoweit gehalten, ganz konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine gerichtliche Überprüfung, ob eine beherrschende Stellung auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt gegeben ist oder nicht, erlauben (Kühnen, a.a.O.).
  223. b)
    Auf der Basis vorstehender Grundsätze bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaberin des Klagepatents eine marktbeherrschende Stellung zukommt.
  224. Die Beklagte hat vorgebracht, dass auf dem Lizenzvergabemarkt für den AVC/H.264-Standard keine wirtschaftlich sinnvoll umsetzbare („realistische“) Alternative zu dem AVC/H.264-Patentpool besteht. Diesen Vortrag hat die Beklagte unter Verweis auf einen Artikel von M P Sharabayko und N G Markov, der für die „International Conference on Information Technologies in Business and Industriy 2016“ unter dem Titel „H.264/AVC Video Compression on Smartphones“ (Anlage B1; deutsche Übersetzung: Anlage 1a) verfasst wurde, weiter substantiiert, und vorgebracht, dass nahezu sämtliche der weltweit verfügbaren Smartphones von dem streitgegenständlichen Standard Gebrauch machen, um Videoinhalte abzuspielen. Diesem Vortrag ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
  225. Auch sei – was die Klägerin ebenfalls nicht in Abrede stellt – eine Austauschbarkeit des AVC/H.264-Standards mit anderen gängigen Standards zur Videocodierung nicht gegeben.
  226. Das Ausgeführte trifft insbesondere auch auf die technische Funktion zu, die das Klagepatent bereitstellt. Das Klagepatent ist wesentlich für die Nutzung des AVC/H.264-Standards (vgl. unter Ziff. I.).
  227. 2.
    Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt, indem sie den in dem EuGH-Urteil aufgestellten Anforderungen an den Inhaber eines SEP, für das eine FRAND-Erklärung vorliegt, nicht nachgekommen ist.
  228. a)
    Der EuGH hat dem Inhaber eines standardessentiellen Patents (nachfolgend kurz: „SEP“), der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen („FRAND“ = „fair, reasonable and non-discriminatory“) zu gewähren, in der Rechtssache K / C, Az.: C-170/13, mit Urteil vom 16.07.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015 (GRUR 2015, 764) in Auslegung des Art. 102 AEUV Verpflichtungen auferlegt, die – sofern sie von diesem eingehalten werden – dazu führen, dass eine von diesem erhobene Klage auf Unterlassen oder Rückruf nicht als Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 55) (dazu unter lit. aa)). Nach dieser Maßgabe ist auch der hier zur Entscheidung stehende Fall zu beurteilen (dazu unter lit. bb)).
  229. aa)
    Aus dem in Bezug genommenen EuGH-Urteil ergibt sich ein von Patentinhaber und Patentbenutzer zu befolgendes Regime von Pflichten/ Obliegenheiten, dessen einzelnen Verfahrensschritte aufeinander aufbauen, so dass der Patentverletzer nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren hat, wenn der Patentinhaber seinerseits zuvor die ihm oliegenden Pflichten erfüllt hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris).
  230. Dieses Regime sieht vor, dass der Patentinhaber den angeblichen Verletzter „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „vor der gerichtlichen Geltendmachung“) unter Angabe des fraglichen SEP sowie der Art und Weise der Verletzung hinzuweisen hat (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 62, 71). Hat der angebliche Patentverletzer daraufhin seine Lizenzbereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrags unter FRAND-Bedingungen zum Ausdruck gebracht, hat der Patentinhaber – um sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auszusetzen – ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (EuGH, ebd., Rn. 71). Aus diesem müssen insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung hervorgehen (a.a.O.). Dem vermeintlichen Patentverletzer obliegt es sodann, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren (EuGH, ebd., Rn. 65, 71). Nimmt der vermeintliche Verletzer das Angebot nicht an, kann er sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EUGH, ebd., Rn. 66). Weiter hat der Patentbenutzer ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, ebd., Rn. 67).
  231. Die vom EuGH für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Rückrufanspruchs aufgestellten kartellrechtlichen Einschränkungen gelten auch für den Vernichtungsanspruch (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn. 16, zitiert nach juris).
  232. bb)
    Die dargestellte EuGH-Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar.
  233. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation, wonach – was noch zu zeigen ist – bereits eine routinierte Lizenzpraxis existiert, stehe einer Anwendung der in dem zitierten EuGH-Urteil aufgestellten Grundsätze entgegen, es habe vielmehr ein Rückgriff auf die sog. „Orange-Book-Standard“-Rechtsprechung, die dem Patentbenutzer das Erfordernis eines Angebots auf Abschluss eines Lizenzvertrags auferlegt (BGH, GRUR 2009, 694, Rn. 29), zu erfolgen, schließt sich die Kammer dem nicht an.
  234. Der EuGH hat – wie den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen ist – den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt dadurch charakterisiert gesehen, dass „zum einen“ das Klagepatent für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziell ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 48) und „zum anderen“ eine unwiderrufliche Verpflichtungszusage des Inhabers besteht, Dritten zu FRAND-Bedingungen Lizenzen zu erteilen (EuGH, ebd., Rn. 51). Gerade mit diesen Aspekten verknüpft der EuGH den besonderen, für den Patentinhaber aufgestellten Pflichtenkatalog:
  235. „In einer solchen Konstellation muss der Inhaber eines SEP, damit eine Klage auf Unterlassung oder Rückruf nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet werden soll.“ (EuGH, ebd., Rn. 55; Hervorhebung diesseits).
  236. Die (weitergehende) Abgrenzung der so beschriebenen Ausgangssituation zu Fällen, in denen eine bestehende Lizenzierungspraxis existiert, ist dem EuGH-Urteil hingegen nicht zu entnehmen. Zwar heißt es in Randnummer 64 des EuGH-Urteils:
  237. „[…]. Außerdem ist der Inhaber des SEP, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht sind, in einer besseren Lage, um zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzungen der Gleichbehandlung wahrt, als der angebliche Verletzer.“ (Hervorhebung diesseits),
  238. damit hat der EuGH jedoch nicht erkennbar ein weiteres Abgrenzungskriterium schaffen wollen. Dagegen spricht bereits die sprachliche Einleitung mit dem Wort „außerdem“, die lediglich ein zusätzliches Argument für die Ansicht, dass der Patentinhaber in Richtung des Abschluss eines Lizenzvertrages initiativ werden muss, markiert. Auch die systematische Stellung des Passus im Zusammenhang mit der Darstellung der Obliegenheiten des Patentinhabers, die sich gerade aus den zuvor (in den Randnummern 48 und 51) beschriebenen Besonderheiten ergibt, unterstreicht, dass lediglich ein zusätzliches Argument für diese Obliegenheiten, nicht aber ein neues Unterscheidungskriterium präsentiert werden soll. Letztlich spricht gegen eine Abkehr von dem aufgestellten Pflichtenprogramm im Falle einer bestehenden Lizenzierungspraxis auch, dass auch in einem solchen Fall, die von dem Patentinhaber geweckte Erwartungshaltung, er sei zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit, bestehen bleibt (EuGH, ebd., Rn. 54). Diese wird durch die bereits „gelebte“ Lizenzpraxis sogar noch besonders geschürt. Gleichermaßen verbleibt es auch in diesen Fällen bei der Möglichkeit eines Informationsdefizits hinsichtlich der Benutzung der Lehre eines standardessentiellen Patents auf Seiten des vermeintlichen Verletzers – ein Umstand, der den EuGH gerade zur Statuierung der Pflicht zum Erstangebot auf Seiten des Patentinhabers bewogen hat (EuGH, ebd., Rn. 62). Aus dem bloßen Umstand, dass ein Standardlizenzvertrag veröffentlicht ist, ist nicht der zwingende Schluss ableitbar, dass der Patentbenutzer von der Benutzung des standardessentiellen Patents/ standardessentieller Patente auch Kenntnis hat. Die Recherche nach einem entsprechenden Standardlizenzvertrag dürfte eine solche Kenntnis regelmäßig vielmehr voraussetzen.
  239. Hinzukommt, dass die Auffassung, wonach eine etablierte Lizenzvertragspraxis aus den in dem EUGH-Urteil aufgestellten Grundsätzen hinausführt, auch zu praktischen Abgrenzungsproblemen führt, ab wann von einer solchen Konstellation auszugehen ist.
  240. Die vorherigen Ausführungen schließen hingegen nicht aus, einer etwaigen bestehende Lizenzierungspraxis des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des von ihm zu erbringenden Pflichtenprogramms eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen, etwa indem ihr eine Indizwirkung für die Angemessenheit der angebotenen Vertragskonditionen beigemessen wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 203 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 226, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 423).
  241. b)
    Mit der E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B) liegt eine hinreichende Verletzungsanzeige vor.
  242. Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (EuGH, ebd., Rn. 61), ist zumindest die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, die angegriffene Ausführungsform und die vorgeworfene Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 172 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). Die Verletzungsanzeige verlangt aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen – der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden – ggf. mit sachverständiger Hilfe – den Verletzungsvorwurf zu prüfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 328; weitergehend LG Mannheim, Urteil vom 29.01.2016 – 7 O 66/15 – Rn. 57). Die Verletzungsanzeige dient dazu, dem hinsichtlich des Schutzbereichseingriffs ggf. noch gutgläubigen Benutzer die Gelegenheit zu geben, um die Erteilung einer aufgrund der FRAND-Erklärung jedem Interessenten zugesagten Benutzungserlaubnis nachzufragen (Kühnen, a.a.O.). Die Pflicht zur Selbstanzeige ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist deshalb dort entbehrlich, wo sie sich als nutzlose Förmelei darstellt, weil aufgrund der Gesamtumstände mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzungsbeklagte Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hat und sein Berufen darauf, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 33). An das Vorliegen eines solchen Tatbestandes sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (a.a.O.).
  243. Nach dieser Maßgabe erweist sich das Schreiben der F vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B) vorliegend als hinreichender Verletzungshinweis.
  244. aa)
    Unschädlich ist zunächst, dass das in Rede stehende Schreiben zwischen der F und der Muttergesellschaft der Beklagten ausgetauscht worden ist.
  245. (1)
    Sofern – auf Seiten des Patentbenutzers – sichergestellt ist, dass eine der Muttergesellschaft übersandte Verletzungsanzeige konzernintern an die jeweils betroffenen Tochtergesellschaften weitergeleitet wird, bedarf es keiner formalen Benachrichtigung an sämtliche Tochtergesellschaften (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 175; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 329). Bereits die Konzernzugehörigkeit begründet in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte die berechtigte Annahme, dass die betroffenen Tochtergesellschaften informiert werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  246. Im Übrigen rechtfertigt vorliegend aber auch die Vorkorrespondenz der Parteien das Vertrauen darauf, dass Lizenzierungsfragen betreffende Informationen innerhalb des Konzerns der Beklagten weitergeleitet werden.
  247. So schrieb die F in der E-Mail vom 08.09.2011 zunächst an Mr. M:
  248. „N hat mir empfohlen, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, da Sie bei C für Patentlizenzierungsfragen zuständig sind.“
  249. Auf diese Anfrage der F, die offensichtlich nach der bei dem C Konzern für IP-Angelegenheiten zuständigen Kontakt suchte, hieß es in der Antwortmail des Mutterkonzerns vom 15.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit B – a) von Herrn O:
  250. Der Mutterkonzern schürte danach das Vertrauen darauf, dass die F mit dem für die Verhandlung einer Konzernlizenz richtigen Ansprechpartner in Kontakt stand.
  251. (2)
    Auch kann das von der F verfasste Schreiben als Verletzungshinweis der Klägerin gewertet werden.
  252. Es ist davon auszugehen, dass die F Rechtshandlungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lizenzen an dem AVC/H.264-Patentpool vornehmen kann.
  253. Der Standardlizenzvertrag zu dem hier streitgegenständlichen Pool (Anlage K9 – Exhibit P – a) kommt nach dem Eingangspassus,
  254. „Dieser Vertrag wurde am XXX 20XXX zwischen F, LLC, einer Limited Liability Company nach dem Recht des Staates L, USA (nachstehend „Lizenzverwalter“ genannt), und XXX (nachstehende „Lizenznehmer“ genannt) geschlossen.“,
  255. zwischen der F und dem jeweils Lizenzwilligen zustande. Zu diesem Zweck werden der F von den Inhabern der Poolpatente Unterlizenzen gewährt:
  256. „Jeder Lizenzgeber gewährt dem Lizenzverwalter eine weltweite, nicht-exklusive Lizenz und/ oder Unterlizenz an allen vom Lizenzgeber lizenzierbaren oder unterlizenzierbaren für AVC wesentlichen Patenten, um es dem Lizenzverwalter zu ermögliche, weltweite nicht-exklusive Unterlizenzen an allen diesen für AVC wesentlichen Patent gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags zu gewähren.“ (Standardlizenzvertrag, Anlage K9 – Exhibit P – a, S. 2, letzter Abs.).
  257. In Ziff. 3.1 des Standardlizenzvertrags (Anlage K9 – Exhibit G – a; Hervorhebung diesseits) heißt es außerdem:
  258. „Für die Lizenzen, die in Artikel 2 dieser Vereinbarung nach den AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio gewährt werden, muss der Lizenznehmer dem Lizenzverwalter zugunsten der Lizenzgeber für die Laufzeit der vorliegenden Vereinbarung die im Folgenden festgesetzten Gebühren entrichten:“
  259. Dieser Vertragsinhalt regelt zwar das Vertragsverhältnis der F und den jeweiligen Poolpatentinhabern nicht unmittelbar – Regelungsgegenstand ist vielmehr das Vertragsverhältnis zwischen der F und dem jeweiligen Lizenznehmer – , er gibt jedoch einen Hinweis auf die Handlungsmöglichkeiten der F im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe an dem hier streitgegenständlichen Standard.
  260. Die Beklagte hat nach Vorlage der Standardlizenzverträge auch nicht mehr in Abrede gestellt, dass die F diese abgeschlossen hat, mithin das in dem Standardlizenzvertrag in Bezug genommene Modell gelebt wird.
  261. Weiter ist das Prozessverhalten der Beklagten, wonach diese es „für fraglich hält“, dass die Klägerin ihre kartellrechtlichen Pflichten auf die F übertragen und die F diese Pflichten für die Klägerin übernehmen kann, (prozessual) auch deshalb unbeachtlich, weil ihr Mutterkonzern selbst im September 2012 Poolpatentinhaberin wurde, mithin um die Handlungsmöglichkeiten der F im Rahmen der Lizenzierung des hier streitgegenständlichen Standards, insbesondere um die Einräumung eines Rechts zur Unterlizenzvergabe an die F durch die Poolpatentinhaber, weiß.
  262. bb)
    Im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an einen Verletzungshinweis ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Schreiben der F vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a) lediglich pauschale Angaben zum Verletzungsprodukt – dort bezeichnet mit „mobile Handapparat- und Tablet-Produkte“ – und zu den/ dem verletzten Schutzrecht(en) – in Form des Hinweises auf „das AVC-Patentportfolio“ mit „mehr als 1000 essentiellen AVC-Patenten von 25 Patentinhabern“ – enthält. Die Veröffentlichungsnummer konkreter Patente aus dem umfangreichen Pool werden darin ebenso wenig genannt wie die konkrete Bezeichnung vermeintlicher Verletzungsprodukte.
  263. Dieser Inhalt ist jedoch vor dem Hintergrund der Vorkorrespondenz zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten und der F sowie dem Verhalten der Muttergesellschaft nach dem Verletzungshinweis ausnahmsweise ausreichend.
  264. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Muttergesellschaft Kenntnis von den Poolpatenten sowie davon hatte, dass der Standardlizenzvertrag bereits mit einer Vielzahl von Marktteilnehmern abgeschlossen worden war. Dies ist auch deshalb naheliegend, weil auf der Internetseite der F Informationen sowohl zu der Poolzusammensetzung (insbesondere in Form der Liste der Patentinhaber nebst zugehöriger Patente, Anlage K9 – Exhibit E/ Exhibit E – a, und in Form des Cross Reference Charts, Anlage K9 – Exhibit G) als auch zu den Lizenznehmern (Anlage K9 – Exhibit H/ Exhibit H – a) vorgehalten werden.
  265. Die Beklagte macht geltend, dass die Muttergesellschaft dennoch nicht darauf habe schließen können, dass die angegriffenen Mobiltelefone und Tablets von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen würden. Für die gegenteilige Annahme spricht jedoch, dass zwischen der Rechtsabteilung des C-Konzerns und der F bereits seit dem Jahr 2006 Kontakt im Hinblick auf den Standardlizenzvertrag bestand, in dessen Verlauf derselbe dem Konzern auch mehrfach zur Kenntnis gebracht wurde. Eine entsprechende Kenntnis auf Seiten der Muttergesellschaft wird weiter auch dadurch nahegelegt, dass diese ca. ein Jahr nach der hier in Rede stehenden E-Mail vom 08.09.2011 ihrerseits in den Pool eingelagerte Patente erwarb, was eine gewisse Marktbeobachtung auch bereits im Vorfeld dieser Kaufentscheidung voraussetzt. Ein weiterer Anhaltspunkt ergibt sich schließlich daraus, dass die Muttergesellschaft auch im Rahmen der sich in den Jahren 2013 – 2017 anschließenden Lizenzvertragsverhandlungen nicht erkennbar weitergehende Informationen zur Ermittlung der Verletzungsfrage mehr anforderte.
  266. Die angeführten Umstände lassen bei einer Gesamtschau die Annahme zu, dass die Muttergesellschaft in Kenntnis des AVC/H.264-Patentpools als solchem war und um die Notwendigkeit einer Lizenznahme für Mobilfunk- und Tabletbetreiber hinsichtlich AVC-fähiger Produkte wusste.
  267. c)
    Die Muttergesellschaft hat ihre Lizenzwilligkeit auch hinreichend angezeigt.
  268. Der Mutterkonzern der Beklagten antwortete mit E-Mail vom 15.09.2011 in Person des Herrn O (Anlage K9 – Exhibit B/Exhibit B – a) auf die Nachricht der F vom 08.09.2011, indem dieser eine Zusendung der Vertragsunterlagen an sich – als zuständige Person – erbat.
  269. Darin mögen konkrete Bezugnahmen auf einen etwaigen Vertrag nicht zum Ausdruck kommen, wohl aber lässt die Mitteilung – was ausreichend ist – den Willen des Mutterkonzern zur Auseinandersetzung mit den im Hinblick auf den AVC/H.264-Standard bestehenden Lizenzierungsfragen erkennen.
  270. Dass auch die F die Reaktion in dem dargelegten Sinne verstand, wird in der dann folgenden Korrespondenz deutlich, in der die Verhandlungsparteien – nach Erhalt der Vertragsunterlagen – bemüht waren, einen Termin für ein Treffen zu finden (vgl. E-Mail des Herrn O v. 26.09.2011 und E-Mail des Herrn P (F) v. 17.09.2011, jeweils Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a).
  271. Der Parteivortrag lässt zwar nicht erkennen, ob und wie die Verhandlungen im Jahr 2012 weitergingen. Auf eine Abstandnahme von der grundsätzlichen Lizenzbereitschaft der Muttergesellschaft ist daraus aber nicht zu schließen. Denn es liegt unter anderem Kommunikation zwischen dem Mutterkonzern und der F aus den Jahren 2013 und 2016 vor (insbesondere Schreiben d. F v. 07.01.2013, Anlage K9 – Exhibit C; deutsche Übersetzung: Anlage K9 – Exhibit C – a; E-Mail Verkehr, Anlagenkonvolut B8; deutsche Übersetzung: Anlagenkonvolut B8a), in der die Lizenzverhandlungen – nun unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Muttergesellschaft selbst Mitglied des Pools geworden war – fortgesetzt wurden.
  272. d)
    Durch die Zusendung des Standardlizenzvertrags im Februar 2012 an die Muttergesellschaft liegt ein der Klägerin zurechenbares FRAND-gemäßes Angebot vor, welches sowohl den vom EuGH aufgestellten (eher) „formellen“ Anforderungen entspricht (dazu unter lit. aa)), und sich auch im Hinblick auf den Inhalt als fair, angemessen und nicht diskriminierend erweist (dazu unter lit. bb)).
  273. aa)
    Das Angebot der F in Form der Zusendung des Standardlizenzvertrags Ende September 2011 wird den (eher) „formellen“ Anforderungen, die der EuGH an das Angebot des Patentinhabers stellt, gerecht.
  274. Das Angebot ist danach schriftlich zu verfassen und muss darüber hinaus konkret in dem Sinne sein, dass daraus die Lizenzgebühr und die einschlägigen Berechnungsparameter (maßgebliche Bezugsgröße, anzuwendender Lizenzsatz, ggf. Abstaffelung) sowie die Art und Weise der Berechnung hervorgehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 203 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 325). Die Punkte, die üblicherweise Regelungsgegenstand von Lizenzverträgen sind, müssen in das Angebot in Form von aussagekräftigen Bestimmungen aufgenommen sein (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  275. Diese Kriterien sind mit der Zusendung des Standardlizenzvertrag-Dokuments erfüllt.
  276. (1)
    Die Zusendung des Standardlizenzvertrags ist ihrem objektiven Erklärungswert nach eine hinreichend konkrete Angebotshandlung. Der daraus erkennbare Vertragsinhalt ist insbesondere auch geeignet, die Benutzungshandlungen des C-Konzerns zu legitimieren.
  277. (a)
    Die Muttergesellschaft konnte durch die Zusendung des Standardlizenzvertrags sowie die in der E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a) enthaltenen Informationen erkennen, dass die F ihr den Abschluss einer Lizenz (zu den Konditionen des Standardlizenzvertrags) andiente.
  278. Insoweit heißt es in der E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B – a):
  279. „Zur Durchsicht übersende ich Ihnen heute Kopien unserer MPEG-4 Visual-Lizenz, AVC-Lizenz und VC-1-Lizenz. […] Anbei übersende ich Ihnen zur einfacheren Durchsicht auch eine .pdf-Version aller Lizenzen. Beachten Sie bitte, dass die elektronischen Kopien lediglich zu Informationszwecken dienen und nicht als Unterzeichnungsexemplare genutzt werden können.“
  280. Aus dem allein auf die digitale Vertragsversion beschränkten Hinweis, dass die so zugegangen Unterlagen nicht als maßgebliches Vertragsdokument fungieren können, folgt im Umkehrschluss, dass die postalisch zugesandten Schriftstücke diese Funktion sehr wohl erfüllen konnten. In der Zusendung derselben trat deshalb die Absicht der F zum Vertragsschluss offen zu tage.
  281. An dem Angebotscharakter der Zusendung des Standardlizenzvertrags fehlt es auch nicht deshalb, weil die F bereits zuvor Vertragsunterlagen für den streitgegenständlichen Standard an die Muttergesellschaft versandte. Da der Zusendung der Vertragsdokumente im September 2011 die E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B/ Exhibit B – a) vorausgegangen war, konnte die Muttergesellschaft – wie unter lit. b) dargelegt – erkennen, dass der F an der Einleitung konkreter Vertragsverhandlungen über den streitgegenständlichen Standard gelegen war.
  282. Der Standardvertrag lässt schließlich auch die für die Lizenzberechnung erforderlichen Parameter erkennen, wobei sich insbesondere aus Ziff. 3.1.1 die Berechnungsfaktoren für die Stücklizenz ergeben.
  283. (b)
    Es ist auch unschädlich, dass der Standardlizenzvertrag nicht an die Beklagte, sondern an die in dem Konzern der Beklagten mit den Lizenzverhandlungen betraute Person („O“) gerichtet worden ist. Denn es stand der Abschluss einer Konzernlizenz in Rede (vgl. dazu allgemein Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 320) und Herr O bat mit E-Mail vom 15.09.2011 ausdrücklich um Zusendung der Unterlagen an seine Person.
  284. (c)
    Schließlich steht es der Annahme einer auch die Beklagte erfassenden Angebotshandlung in Form der Zusendung des Standardlizenzvertrags an die Muttergesellschaft auch weder entgegen, dass damit eine Lizenzierung der Tochtergesellschaften noch nicht unmittelbar verbunden war, noch dass nach Ziffer 2.1 des Standardlizenzvertrags eine Lizenzierung von Vertriebshandlungen gegenüber Endkunden, nicht aber gegenüber Groß- und Einzelhändlern – wie von der Beklagten praktiziert – erfolgt.
  285. Wie bereits ausgeführt, entspricht es grundsätzlich – so auch vorliegend – einem FRAND-gemäßen Vorgehen, dass der Patentinhaber etwaige Lizenzverhandlungen vorbereitet, in dem er der Muttergesellschaft eines Konzernverbundes eine Verletzungsanzeige zukommen lässt (vgl. dazu unter lit. b), aa), (1)) und die sich hieran anschließende Vertragsverhandlungen mit dieser führt (vgl. dazu lit. (b)). Daraus folgt, dass grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines späteren kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes auf diese Kommunikation zwischen Patentinhaber und Muttergesellschaft abzustellen ist.
  286. Etwas anderes mag dann gelten, wenn – was hier nicht zu entscheiden ist – entweder in den die Vertragsverhandlung vorbereitenden Handlungen bzw. im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst bereits zum Ausdruck kommt, dass konzernverbundene Tochtergesellschaften von dem der Muttergesellschaft unterbreiteten Vertragsangebot von vornherein nicht erfasst sein können.
  287. So liegt der Fall hier indes nicht.
  288. Das der Muttergesellschaft vorgelegte Vertragsangebot schließt eine Lizenzierung auch der Tochterunternehmen gerade nicht von vornherein aus. Die F hat – was zwischen den Parteien unstreitig ist – vielmehr das Bedürfnis der Lizenzierung sämtlicher Konzernunternehmen zum Ausdruck gebracht, wenngleich die konkrete Ausgestaltung einer alle Konzerngesellschaften erfassenden Lizenz erst im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu klären gewesen wäre.
  289. Die Lizenzierung auch der Tochtergesellschaften findet bereits in dem der Muttergesellschaft zugesandten Standarddokument, in dessen Ziffer 2.9 die grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss von Lizenzen auch der Tochtergesellschaften erklärt wird, einen Ausdruck. In der Praxis erfährt die Lizenzierung konzernverbundener Unternehmen dabei durch verschiedene Varianten eine Umsetzung. Zunächst besteht die Möglichkeit, dass die Konzernspitze zusichert, dass die Muttergesellschaft eine den gesamten Konzernverbund erfassende Lizenz nimmt – so etwa im Falle des Q-Konzerns. Sofern andere Konzernunternehmen lediglich als Vertriebsgesellschaften der Muttergesellschaft („Vertriebskette“) fungieren, ist eine Lizenznahme allein der Muttergesellschaft ausreichend, um den Vertrieb der Töchtergesellschaften sodann über den Erschöpfungsgrundsatz zu legitimieren. Weiter können im Wege eines gesonderten „Affiliate Agreements“ Lizenzen an alle Töchtergesellschaften vergeben werden, oder aber jede Gesellschaft schließt einen eigenen Lizenzvertrag ab – so geschehen etwa bei dem „R-Konzern“. Dass sich der Gang der Vertragsverhandlungen – Angebot an die Muttergesellschaft mit anschließender Verhandlung über weitere Vertragsdetails – in der beschriebenen Art und Weise vollzog, findet beispielsweise in der E-Mail des P (F) vom 29.04.2016 (Anlagenkonvolut B8/ Anlagenkonvolut B8a) einen Ausdruck, worin es unter anderem heißt:
  290. „Wie besprochen, decken unserer Lizenzen die juristischen Person ab, die die Endprodukte auf dem Markt anbietet. Daher würde C die Lizenzen abschließen, um alle Produkte von C, die die anwendbaren Technologien enthalten, abzudecken.“
  291. Auf der Grundlage des soeben Ausgeführten ergibt sich zugleich, dass die Tatsache, dass der Standardlizenzvertrag Vertriebshandlungen an Groß- und Einzelhändler – wie von der Beklagten vorgenommen – nicht erfasst, einer tauglichen Angebotshandlung nicht entgegensteht.
  292. Unbeschadet dessen, dass die Beklagte – wie der als Anlage K6 vorgelegte screenshot zeigt – jedenfalls auch Angebotshandlungen gegenüber Endkunden vornimmt, ist zwischen den Parteien nach Vorlage der bereits abgeschlossenen Standardlizenzverträge nunmehr unstreitig, dass auch Vertriebshandlungen gegenüber Groß- und Einzelhandelskunden zumindest über den Erschöpfungsgrundsatz legitimiert sind. Dass dies für die Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Angebotshandlung nicht erkennbar war, ist unschädlich.
  293. Auch in diesem Zusammenhang ist maßgeblich, dass der branchenübliche Ausgangspunkt der Vertragsverhandlungen vorliegend die Kommunikation mit der Muttergesellschaft, deren Benutzungshandlungen unstreitig von dem Standardlizenzvertrag abgedeckt werden, ist. Die Frage der Einbeziehung der Benutzungshandlungen der Töchtergesellschaften ist dann Gegenstand der Vertragsverhandlungen, die sich an das an die Muttergesellschaft gerichtete Angebot anschließen. In diesem Rahmen wäre dann auch die Frage der Lizenzierung von Vertriebshandlungen gegenüber gewerblichen Abnehmern mit dem hier bereits dargestellten Ergebnis zu erörtern gewesen. Vorliegend brachte die Muttergesellschaft diesen Gesichtspunkt jedoch nicht in die Vertragsverhandlungen ein, was zu erwarten gewesen wäre, wenn sie in diesem einen Hinderungsgrund für den Abschluss des Lizenzvertrags ausgemacht hätte. Das gilt umso mehr, als nur sie – anders als die verantwortliche F – die für den Abschluss des Lizenzvertrags beachtlichen Konzernstrukturen im Detail kannte.
  294. (2)
    Im Ergebnis ist auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr ausreichend dargelegt, obwohl sich weder das Vertragsdokument noch die im Zusammenhang mit diesem übersandte Unterlagen ausdrücklich dazu verhalten.
  295. Als Angaben zur „Art und Weise der Berechnung“ verlangt der EuGH nicht nur Informationen zur Höhe der Lizenzgebühr und zu ihrer Berechnung. Vielmehr muss der SEP-Inhaber dem Verletzer konkret und für diesen nachvollziehbar erläutern, warum die vorgesehenen Lizenzgebühren FRAND sind (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 309). Die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung erfordert keine streng mathematische Herleitung. Sofern dies im konkreten Fall möglich ist, ist es ausreichend, die Akzeptanz der verlangten (Standard-) Lizenzsätze am Markt über bereits abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 311, zitiert nach juris). Der Patentinhaber hat dann jedoch (je nach den Umständen des Einzelfalles mehr oder weniger substantiiert) insbesondere zu begründen, warum die von ihm vorgesehene Lizenzvergütung gerade vor diesem Hintergrund FRAND ist (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; LG Düsseldorf, ebd., Rn. 310; Kühnen, ebd., Rn. 326). Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer so nachgewiesenen Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weitere Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 311). Der SEP-Inhaber muss jedoch grundsätzlich zu allen wesentlichen Lizenzverträgen vortragen – andernfalls besteht die Gefahr, dass selektiv nur solche Verträge vorgelegt werden, die die geforderte Lizenzgebührenhöhe stützen (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 313).
  296. Nach dieser Maßgabe ist die Art und Weise der Berechnung im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Angebotshandlung hinreichend dargelegt worden.
  297. Der Standardlizenzvertrag, der der Muttergesellschaft im September 2011 zuging, enthält selbst zwar keine Ausführungen zur Art und Weise der Berechnung in dem dargelegten Sinn. Insoweit kann jedoch auf das Wissen des Mutterkonzerns darum, dass es sich bei dem Vertragsdokument um einen Standardlizenzvertrag handelt, welcher bereits durch eine Vielzahl von Lizenznehmern abgeschossen worden ist, abgestellt werden.
  298. Insoweit kann im Wesentlichen auf die Ausführungen unter lit. b), bb) Bezug genommen werden. Daneben befindet sich aber auch in der E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage K9 – Exhibit B – a) selbst ein Hinweis darauf, dass der Abschluss des Standardlizenzvertrags üblich ist, wenn es dort heißt:
  299. „Normalerweise müsste C mit jedem einzelnen Patentinhaber direct über individuelle Lizenzen verhandeln, doch unsere Patentportfolio-Lizenzen ermöglichen Lizenzschutz durch eine einzige Transaktion.“
  300. Die Vorlage der einzelnen abgeschlossenen Lizenzverträge selbst ist hingegen im Rahmen des Vertragsangebots nicht zu verlangen. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass dies branchenüblich ist.
  301. Unbeschadet der vorherigen Ausführungen ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Muttergesellschaft spätestens im September 2012, als sie selbst die Stellung eines Poolpatentinhabers erhielt, hinreichend Wissen über die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren hatte.
  302. bb)
    Das hier zur Prüfung stehende Angebot entspricht auch inhaltlich FRAND-Grundsätzen.
  303. (1)
    Als „faire und angemessene“ Vertragsbedingungen sind solche zu verstehen, die dem Lizenzwilligen nicht unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angeboten werden. Die Vertragsbedingungen müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 15, zitiert nach juris). Ein Angebot des Lizenzgebers kann sich insbesondere dann als unfair/ unangemessen erweisen, wenn eine Lizenzgebühr verlangt wird, die den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Preisbildung (LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 225, zitiert nach juris; Huttenlauch/ Lübbig, in: Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff/ Kerstin/ Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Kommentar, 3. Auflage, 2016, Art. 102 AEUV, Rn. 182; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245). Handelt es sich um ein standardgebundenes Schutzrecht, kann sich die Unangemessenheit ferner daraus ergeben, dass sich im Falle einer Lizenzforderung auch für die übrigen Standard-Schutzrechte eine kumulative Gesamtlizenzbelastung ergeben würde, die wirtschaftlich nicht tragbar ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 246). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine mathematisch genaue Herleitung einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr nicht zu erfolgen hat, vielmehr ist eine annäherungsweise Entscheidung, die auf Wertungen und Schätzungen beruht, vorzunehmen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 425). Vergleichbare Lizenzverträge können dabei ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit der angebotenen Lizenzbedingungen sein (LG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245, Rn. 430). Das Vertragsangebot hat sich des Weiteren auch im Hinblick auf die übrigen Vertragsbedingungen (lizenzpflichtige Schutzrechte, Lizenzgebiet usw.) als angemessen zu erweisen.
  304. Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem es Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 208 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). In das Gleichbehandlungsgebot sind dabei nur Sachverhalte, die auch vergleichbar sind, einzubeziehen, während auch marktbeherrschende Unternehmen auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert reagieren können (a.a.O.). Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (a.a.O.). Der dem Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts grundsätzlich zustehende weite Spielraum für eine sachliche Rechtfertigung ist eingeschränkt, wenn neben die marktbeherrschende Stellung weitere Umstände treten, aus denen sich ergibt, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 209). Diese können insbesondere darin bestehen, dass der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH, GRUR 2004, 966 (968) – Standard-Spundfass) oder das Produkt – wie hier – erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  305. Der Lizenzsucher ist darlegungs- und beweispflichtig für eine Ungleichbehandlung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212) bzw. das Vorliegen eines Ausbeutungstatbestandes (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 58/05, Rn. 140 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 247, Rn. 308). Jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers, insbesondere über mit Dritten bestehende Lizenzverträge und deren Regelungsgehalt, besitzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Inhaber, der naturgemäß in Kenntnis der Vertragsverhältnisse mit anderen Lizenznehmern ist, und dem nähere Angaben hierzu auch zumutbar sind, insoweit eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 311). Die Angabe zu den Lizenznehmern hat in diesem Zusammenhang vollständig zu erfolgen, und darf nicht auf einige namhafte Unternehmen der Branche reduziert werden (Kühnen, a.a.O.). Der Vortrag hat auch Angaben dazu zu enthalten, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Konditionen eine Lizenz genommen haben (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Steht eine Ungleichbehandlung fest, so obliegt es dem Patentinhaber etwaige die unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.).
  306. (2)
    Orientiert an dem unter Ziffer (1) dargelegten Maßstab greifen die gegen die FRAND-Gemäßheit gerichteten Einwände der Beklagten nicht durch.
  307. (a)
    Dass die F nach dem Standardlizenzvertrag eine Lizenzierung sämtlicher Konzerngesellschaften anstrebt, erweist sich weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch bei Berücksichtigung des Diskriminierungsverbots als missbräuchlich.
  308. Im Elektronik- und Mobilfunkbereich sind konzernweite Lizenzverträge gebräuchlich (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 411). Insoweit entfaltet vorliegend auch die Vielzahl der bereits abgeschlossenen Standardlizenzverträge, gegen die die Beklagte nach deren Vorlage nichts erinnert hat, eine erhebliche Indizwirkung für die Branchenüblichkeit einer konzernweiten Lizenz.
  309. Vorliegend ist auch unstreitig, dass die Muttergesellschaft die angegriffenen Ausführungsformen herstellt und diese durch Tochtergesellschaften weltweit vertrieben werden, so dass die Poolpatentinhaber auch vor diesem Hintergrund ein besonderes Interesse an der Vergabe einer konzernweiten Lizenz haben. Denn nur so kann eine Vermischung von lizenzierten und nicht lizenzierten Produkten innerhalb eines Konzerns vermieden werden, die ansonsten dazu führen würde, dass eine effektive Rechtsdurchsetzung in Ermangelung einer Trennbarkeit der berechtigt vertriebenen von patentverletzenden Produkte nicht mehr möglich wäre.
  310. Weitere Umstände, aus denen auf ein ausbeuterisches oder diskriminierendes Verhalten der Klägerin/ der F geschlossen werden könnte, hat die Beklagte in diesem Zusammenhang auch nicht vorgebracht.
  311. (b)
    Auch steht der FRAND-Gemäßheit des Angebots die Tatsache, dass der Standardlizenzvertrag eine Poollizenz vorsieht, nicht entgegen.
  312. Aufgrund der Referenzliste (Anlage K9 – Exhibit G) ist eine Benutzung der Poolpatente auch hinreichend dargelegt (vgl. dazu im Hinblick auf Portfoliolizenzen: OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 26 f.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 420).
  313. Das Anbieten einer Lizenz in einem Patentpool begründet für sich allein den Vorwurf einer missbräuchlichen Unangemessenheit noch nicht. Regelmäßig dient es dem wohlverstandenen Interesse etwaiger Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert wird, weil sie damit der Notwendigkeit enthoben werden, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz für dessen Patente nachsuchen zu müssen (LG Düsseldorf, 4b O 508/05, Rn. 119 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Insoweit geben auch die „Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen vom 28.03.2014 (Amtsbl. C 89/3) (nachfolgend kurz: „die Leitlinien“) eine Orientierungshilfe (vgl. hierzu allgemein Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 299). Sie sehen zur Handhabung des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV in Randnummer 245 Folgendes vor:
  314. „[…] Technologiepools können wettbewerbsfördernde Wirkung haben, zumal sie Transaktionskosten senken und der Kumulierung von Lizenzgebühren Grenzen setzen, so dass eine doppelte Gewinnmaximierung vermieden wird. Sie ermöglichen eine zentrale Lizenzvergabe für die vom Pool gehaltenen Technologien. Dies ist vor allem in Wirtschaftszweigen wichtig, in denen Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung sind und es für die Marktpräsenz erforderlich ist, von einer erheblichen Anzahl von Lizenzgebern Lizenzen zu erhalten. […].“
  315. Von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung ist erst dann auszugehen, wenn weitergehende Umstände hervortreten, was auch in Randnummer 246 der Leitlinien zum Ausdruck gelangt:
  316. „Technologiepools können den Wettbewerb auch beschränken, denn ihre Gründung impliziert zwangsläufig den gemeinsamen Absatz der zusammengeführten Technologien, was bei Pools, die ausschließlich oder vorwiegend aus substituierbaren Technologien bestehen, zu einem Preiskartell führen kann. Darüber hinaus können Technologiepools nicht nur den Wettbewerb zwischen den Vertragsparteien verringern, insbesondere wenn sie einen Industriestandard unterstützen oder de facto begründen, sondern durch den Ausschluss alternativer Technologien auch den Innovationswettbewerb. Ein vorhandener Standard und ein entsprechender Technologiepool können den Marktzugang für neue und verbesserte Technologien erschweren.“
  317. Besondere Umstände, die das Angebot der Poollizenz in dem dargestellten Sinne als wettbewerbsbeschränkend erscheinen lassen, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgebracht. Vielmehr hat sie sich nach Vorlage der bereits abgeschlossenen Standardlizenzverträge nicht mehr dagegen gewandt, dass in der Vergabe von Lizenzen an dem gesamten Pool – und gerade nicht beschränkt auf das Portfolio einzelner Poolpatentinhaber – eine angemessene, branchenübliche Behandlung liegt.
  318. e)
    Ein FRAND-gemäßes Gegenangebot der Beklagten liegt nicht vor.
  319. Der von der Beklagten im Sommer 2018 unterzeichnete Standardlizenzvertrag ist zwar als Gegenangebot zu würdigen (dazu unter lit. aa)). Dieses widerspricht jedoch FRAND-Grundsätzen (dazu unter lit. bb)), weshalb es auch auf die Frage, ob dieses noch rechtzeitig abgegeben worden ist, nicht ankommt.
  320. aa)
    Die mit Schreiben der Beklagten vom 13.09.2018 an die F übermittelten, von der Beklagten unterzeichneten Standardlizenzverträge sind als Gegenangebot zu werten. Nicht hingegen kann darin die Annahme eines von der F unterbreiteten Angebots auf Abschluss des Standardlizenzvertrags erblickt werden. Die bloße Abrufbarkeit des Standardlizenzvertrags über die Internetseite der F stellt noch keine Angebotshandlung dar. Das Bereithalten des Vertragsdokuments zur Einsichtnahme durch Lizenzinteressierte dient vielmehr der Information über die Lizenzbedingungen. Eine Zusendung des Standardlizenzvertrags, die als Angebotshandlung verstanden werden kann, ist allein an die Muttergesellschaft der Beklagten erfolgt (vgl. dazu unter lit. d), aa), (1)).
  321. bb)
    Das nach Maßgabe der Ausführungen unter lit. aa) vorliegende Gegenangebot der Beklagten erweist sich als nicht FRAND-gemäß.
  322. Einer FRAND-Gemäßheit des Angebots steht entgegen, dass der Standardlizenzvertrag allein zwischen der F und der Beklagten, nicht hingegen auch mit deren Muttergesellschaft bzw. mit den übrigen konzernverbundenen Unternehmen, zustande kommt.
  323. Grundsätzlich ist es – vor dem Hintergrund, dass eine konzernbezogene Lizenz branchenüblich ist (vgl. dazu lit. d), bb), (2), (a)) – hinzunehmen, dass die Poolpatentinhaber nur bereit sind, eine Lizenz zu vergeben, die sich auf den gesamten Konzern erstreckt. Das gilt gerade auch bei Beachtung des Diskriminierungsverbots, denn der Abschluss einer AVC/H.264-Poollizenz entspricht dem mit den bisherigen Lizenznehmern praktizierten Lizenzmodell.
  324. Vorliegend gilt auch unter Angemessenheitsgesichtspunkten nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte – im Unterschied zu ihrer Muttergesellschaft – zur Lizenznahme bereit ist, und sie auf die Muttergesellschaft keinen Einfluss dahingehend nehmen kann, dass diese den Standardlizenzvertrag abschließt.
  325. Zwar ist der Einwand der Beklagten, dass sie nämlich nicht mehr tun könne, um sich ihrerseits FRAND-gemäß zu verhalten und sich den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand zu erhalten, grundsätzlich erheblich. Denn auch bei konzernverbundenen Unternehmen handelt es sich um juristisch eigenständige Personen, so dass eine Zurechnung des Verhaltens der einen zu der anderen Person nicht ohne das Vorliegen besonderer Umstände möglich ist. Die hier zur Entscheidung stehende Konstellation ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte eine 100-prozentige Tochter der Muttergesellschaft ist. Letztere bestimmt mithin das Verhalten der Beklagten. Dadurch kann diese für einen Gleichlauf der Lizenzen im Sinne der Branchenübung sorgen, indem sie sich ihrerseits zur Lizenznahme bereiterklärt. Dass die Beklagte – vor dem Hintergrund der Verweigerung der Muttergesellschaft, das FRAND-gemäße Angebot der F anzunehmen – unangemessen behandelt wird, lässt sich somit nicht feststellen. Vielmehr steht im Raum, dass die Muttergesellschaft ihrerseits eine auf einzelne Unternehmen bezogene Lizenzierung durchsetzt, indem sie – vermittelt über die beklagte Tochtergesellschaft – lediglich der Lizenznahme einzelner Tochterunternehmen zustimmt. Der hiesige Sachverhalt ist weiter dadurch gekennzeichnet, dass die Muttergesellschaft als vorübergehendes Poolmitglied in besonderer Weise zur Lizenznahme Anlass hatte, um sich nicht selbst treuwidrig gegenüber dem Pool zu verhalten.
  326. f)
    Vor dem Hintergrund, dass es bereits an einem FRAND-gemäßen Gegenangebot der Beklagten fehlt, kommt es darauf, ob eine hinreichende Sicherheit geleistet worden ist, vorliegend nicht an.
  327. IV.
    Aufgrund der festgestellten Patentverletzung durch den Vertrieb der patentverletzenden angegriffenen Ausführungsformen ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen, wobei – wie gesehen – keine Einschränkungen aus kartellrechtlichen Gründen vorzunehmen sind:
  328. 1.
    Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.
  329. Es ist auch hinsichtlich der nur mittelbaren Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 14 durch die angegriffenen Ausführungsformen ein Schlechthin-Verbot zu verhängen. Ein Schlechthinverbot ist regelmäßig zu erlassen, wenn das streitgegenständliche Mittel nur patentverletzend einsetzbar ist. Bei einem Mittel, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet kann, bestimmen sich dagegen die vom Anbieter oder Lieferant des Mittels zu treffenden Vorsorgemaßnahmen nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat m.w.N.). Als im Vergleich zum Schlechthinverbot mildere Maßnahmen zur Verhinderung von Patentverletzungen sind insbesondere Warnhinweise oder – subsidiär, falls ein Warnhinweis nicht ausreicht – der Abschluss von Unterlassungsverpflichtungs-Vereinbarungen (ggf. mit Strafbewehrung) mit Abnehmern vorranging zu prüfen (vgl. BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat).
  330. Zwar können die angegriffenen Ausführungsformen auch jenseits der Nutzung der geschützten Lehre des Klagepatents wirtschaftlich sinnvoll verwendet werden. Gleichwohl war ein Schlechthinverbot zu verhängen. Mildere Mittel als ein Schlechthin-Verbot sind hier nicht geeignet, eine patentverletzende Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen zu verhindern; insbesondere erscheinen ein Warnhinweis oder die Verpflichtung, strafbewehrte Unterlassungsvereinbarungen mit den Kunden der angegriffenen Ausführungsformen abschließen zu müssen, hier ungeeignet. Die angegriffenen Ausführungsformen werden letztlich regelmäßig von Endverbrauchern für private Zwecke verwendet. Diesen Kunden wäre die Nutzung des Klagepatents nach § 11 Nr. 1 PatG im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken nicht zu verbieten. Weiterhin lässt sich bei Mobiltelefonen wie den angegriffenen Ausführungsformen praktisch nicht kontrollieren, ob die geschützte Lehre verwendet wird.
  331. Im Übrigen kann bei einer patentfreien Verwendungsmöglichkeit ein Schlechthinverbot insbesondere auch deshalb begründet sein, wenn der angegriffene Gegenstand ohne Weiteres derart abgeändert werden kann, dass er den Vorgaben des Patents nicht mehr entspricht, seine Eignung zur patentfreien Verwendung aber gleichwohl nicht einbüßt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 – Az. I-2 U 137/10 – Rn. 83 bei Juris; LG Düsseldorf, InstGE 5, 173 – Wandverkleidung). In solchen Fällen bedarf es der patentgemäßen Ausbildung des Mittels zur Gewährleistung eines gemeinfreien Gebrauchs außerhalb des Patentes nicht; derjenige, der das Mittel anbietet oder vertreibt, kann an ihr deswegen auch kein schützenswertes Interesse haben.
  332. Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin zur Abwandelbarkeit nicht entgegen getreten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche technischen Schwierigkeiten dabei bestehen könnten, die Nutzung der patentgemäßen Lehre zu unterbinden.
  333. Soweit die Abwandelbarkeit dadurch erschwert wird, dass wegen der Standardessentialität des Klagepatents eine Nutzung des gesamten AVC/H.264-Standards unmöglich gemacht wird, steht dies einem Schlechthin-Verbot grundsätzlich nicht entgegen. Die hiermit verbundenen nachteiligen Folgen für den Patentverletzer werden durch die kartellrechtlichen Beschränkungen des Unterlassungsanspruchs aus dem standardessentiellen Patent kompensiert. Sofern der FRAND-Einwand – wie hier – nicht durchgreift, kann sich ein Patentverletzer nicht darauf berufen, eine patentfreie Abänderung der angegriffenen Ausführungsform sei deswegen nicht möglich oder unangemessen, weil hierdurch zugleich die Nutzung des Standards vereitelt wird.
  334. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt.
  335. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
  336. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
  337. 3.
    Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG.
  338. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Angaben nicht unzumutbar belastet.
  339. 4.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Vernichtungsanspruch hinsichtlich der unmittelbar patentverletzender Erzeugnisse, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG folgt. Eine Unverhältnismäßigkeit nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
  340. 5.
    Soweit eine unmittelbare Patentverletzung festgestellt wurde, kann die Klägerin die Beklagte aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Auch insoweit lässt sich keine Unverhältnismäßigkeit gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG feststellen.
  341. V.
    Die Verhandlung wird nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht ausgesetzt.
  342. 1.
    Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gegeben. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.).
  343. Eine solche hinreichende Vernichtungswahrscheinlichkeit lässt sich für das Klagepatent nicht feststellen.
  344. 2.
    Es lässt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen, hinreichenden Wahrscheinlichkeit ersehen, dass das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren wegen unzulässiger Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG) vernichtet werden wird.
  345. Die Kammer kann nicht hinreichend feststellen, dass in den ursprünglichen Anmeldungen (d.h. der Teilanmeldung vom 27.08.2004 – Anlage B2/6a – und der ursprünglichen Stammanmeldung vom 02.05.2003 – Anlage B2/6b) eine Offenbarung einer Dekodierung fehlt und das Klagepatent insofern unzulässig erweitert ist.
  346. In beiden Dokumenten heißt es zu Anfang von S. 1 jeweils: „Verfahren zur Kodierung von Transformations-Koeffizienten in Bild- und/oder Videokodierern und -dekodieren“ (Unterstreichung hinzugefügt). Daneben hat die Klägerin nachvollziehbar dargestellt, dass „Kodieren“ als Oberbegriff zu verstehen sei, der neben der „Enkodierung“ auch die „Dekodierung“ umfasse, so dass die Offenbarung eines Kodier-Verfahrens vom Fachmann stets auch als Offenbarung eines Dekodier-Verfahrens verstanden wird. Dass dies unrichtig ist, lässt sich von der Kammer nicht feststellen. Die Auffassung der Klägerin findet zudem in S. 13 Z. 4 – 12 Anlage B6/2a und ebenfalls Anlage B6/2b eine Bestätigung: Diesen Passagen entnimmt der Fachmann, dass die Lehre der Anmeldung Einfluss auf den „Rechenaufwand für die Enkodierung und die Dekodierung“ hat. Hieraus schließt der Fachmann, dass der offenbarte Gegenstand eben auch die Dekodierung betrifft.
  347. 3.
    Es ist für die Beurteilung des Standes der Technik von dem 02.05.2002 als Zeitrang des Klagepatents auszugehen, so dass die zwischen Prioritäts- und Anmeldetag veröffentlichten Entgegenhaltungen nicht zum Stand der Technik des Klagepatents zählen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Inanspruchnahme des Zeitrangs des Prioritätsdokuments DE B (Anlage B6/3) nicht wirksam war.
  348. a)
    Die Wirksamkeit der Inanspruchnahme lässt sich nicht mit der Begründung ablehnen, bei der Voranmeldung DE B (Anlage B6/3) handele es sich nicht um eine vorschriftsmäßige nationale Anmeldung nach Art. 87 EPÜ.
  349. aa)
    Nach Art. 87 EPÜ ist eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts eine „vorschriftmäße nationale Anmeldung“. Was eine vorschriftsmäßige nationale Anmeldung ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen nationalen Recht (Singer/Stauder/Bremi, EPÜ, 7. Aufl. 2016, § 87 Rn. 66). Die Beklagte macht geltend, die Anmeldung DEB sei keine vorschriftmäßige nationale (deutsche) Anmeldung. Denn entgegen § 35 Abs. 1 PatG a.F. sei eine Übersetzung nicht innerhalb der Frist von 3 Monaten nach der Anmeldung nachgereicht worden. Nach § 35 Abs. 2 S. 2 PatG a.F. ist der Anmeldetag nur dann der Tag der Einreichung der Anmeldung beim Patentamt gewesen, wenn die Übersetzung der Anmeldung dort innerhalb der Frist des § 35 Abs. 1 PatG eingegangen ist.
  350. bb)
    Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass innerhalb der Frist des § 35 Abs. 1 PatG a.F. keine Übersetzung der Anmeldung DEB eingereicht wurde. Der Vortrag der Beklagten erfolgt insofern ins Blaue hinein und wird von der Klägerin bestritten. Die Klägerin trifft auch für die Frage der Aussetzung insoweit keine sekundäre Darlegungslast, da das Patentamt eine Prioritätsbescheinigung ausgestellt hat. Sie hat zudem das Schreiben vorgelegt (Anlage NB2), mit dem sie innerhalb der Frist (namentlich am 02.08.2002, was der Datumsstempel zeigt) eine Übersetzung einreicht hat. Dass die Übersetzung nicht mit einem Datumsstempel versehen ist (vgl. Bl. 127 Rn. 29 GA), führt nicht zu für eine Aussetzung ausreichenden Zweifeln an deren fristgerechter Einreichung – insofern reicht das Bestreiten mit Nichtwissen nicht aus.
  351. b)
    Es lässt sich weiterhin nicht feststellen, dass die Inanspruchnahme unwirksam war, weil im Prioritätsdokument nicht „dieselbe Erfindung“ (Art. 87 Abs. 1 EPÜ) offenbart ist.
  352. aa)
    Soweit die Beklagte moniert, die Voranmeldung DE B (Anlage B6/3) offenbare eine Kodierung für alle Blöcke von Transformations-Koeffizienten, wohingegen dies beim Klagepatent auf Blöcke mit Koeffizienten ungleich null beschränkt ist, greift dies nicht durch. Das Klagepatent schließt nicht aus, dass alle Blöcke vom Verfahren erfasst werden. Dies belegt der abhängige Anspruch 5 des Klagepatents, der vorsieht, dass „Transformations-Koeffizienten ungleich Null enthaltende Blöcke durch ein Ein-Bit-Symbol (…) gekennzeichnet werden“. Daraus schließt der Fachmann, dass auch Blöcke mit ausschließlich nicht-signifikanten Transformations-Koeffizienten von Anspruch 1 verarbeitet werden.
  353. bb)
    Entgegen der Ansicht der Beklagten wird in der Voranmeldung (Anlage B6/3) auch die Kodierung (und nicht nur die Übermittlung) der Werte in umgekehrter Scan-Reihenfolge offenbart. Auf S. 2 der Voranmeldung heißt es nämlich “The levels are encoded in reverse scanning order“.
  354. 4.
    Es lässt sich nicht feststellen, dass die Entgegenhaltung NK12 (EP XXX) bzw. deren Prioritätsdokument die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnimmt.
  355. Bei der Entgegenhaltung NK12 (EP XXX) handelt es sich um eine nachveröffentlichte Patentanmeldung, deren Anmeldetag (22.11.2002) ebenfalls nach dem Prioritätstag des Klagepatents liegt. Nur soweit die NK12 die Priorität von zwei japanischen Schriften wirksam in Anspruch nimmt, handelt es sich bei der NK12 um Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ. Die Beklagte versucht daher, die Offenbarung der Lehre des Klagepatents anhand des Prioritätsdokuments JP XXX (Anlage NB3 / Anlage B6/12(Übers. Prio) darzulegen.
  356. Die nicht mit fachkundigen Technikern des hier streitgegenständlichen Gebiets besetzte Kammer kann nicht hinreichend feststellen, dass hierin die Lehre des Klagepatents offenbart ist. In der B6/12(Übers. Prio) scheint ein RUN-LEVEL-Verfahren offenbart zu sein, wovon sich das Klagepatent gerade abgrenzt (vgl. Abs. [0003] des Klagepatents). Bei einem RUN-LEVEL-Verfahren werden neben den signifikanten Werten auch die den Werten jeweils vorgehenden oder nachfolgenden Nullen (nicht-signifikanten Werte) kodiert. Demgegenüber wird beim Klagepatent über eine Signifikanz-Abbildung die Position der signifikanten Werte zusammengefasst und dann nur diese Werte, nicht aber die nicht-signifikanten Werte (Nullen) kodiert.
  357. Auch ist das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung plausibel, dass die Entgegenhaltung nur ein Umsortieren der Werte der Transformations-Koeffizienten zeige, nicht aber deren Kodierung in umgekehrter Scan-Reihenfolge. Die Kammer kann jedenfalls nichts hiervon Abweichendes feststellen.
  358. V.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  359. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teil-Sicherheiten für die gesonderte Vollstreckung einzelner Ansprüche festzusetzen.
  360. Vollstreckungsschutz nach § 712 Abs. 1 ZPO ist der Beklagten nicht zu gewähren.
  361. 1.
    Nach § 712 Abs. 1 ZPO kann das Gericht dem Schuldner gestatten, die Vollstreckung eines Urteils durch Sicherheitsleistung (ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers) abzuwenden, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Erforderlich sind irreparable Fakten durch die Vollstreckung, wobei zu beachten ist, dass der Schuldner bereits durch den Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO und eine Sicherheitsleistung vor den Folgen einer unberechtigten Vollstreckung geschützt ist (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO/Götz, 5. Aufl. 2016, § 712 Rn. 3). In Patentverletzungssachen ist aufgrund der zeitlichen Beschränkung der Patentrechte ein Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs in der Regel zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die im Einzelnen vorzutragen und gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2007 – I-2 U 22/06 – Fahrbare Betonpumpe, Rn. 109 bei Juris; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe). Dabei ist zu beachten, dass es normale Konsequenz eines Unterlassungstitels ist, die untersagten Benutzungshandlungen nicht mehr vornehmen zu dürfen. Ist einem Patentverletzer untersagt, die angegriffene Ausführungsform anzubieten und in Verkehr zu bringen, folgt daraus typischerweise, dass (auch) bereits eingegangene Lieferverpflichtungen nicht mehr erfüllt und mit der angegriffenen Ausführungsform keine Marktanteile (mehr) gewonnen werden können. Daraus resultierende vertragliche Zahlungsverpflichtungen, finanzielle Nachteile und (Markt-) Verluste sind mithin die regelmäßige Folge der Titulierung des Unterlassungsanspruchs, nicht hingegen außergewöhnliche Schäden aufgrund der Vollstreckung des Urteils (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.2016 – I-15 U 66/15).
  362. 2.
    Daran gemessen war der Beklagten hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs kein Vollstreckungsschutz zu gewähren. Mit der drohenden Gefährdung oder gar Zerstörung von Kundenbeziehungen zeigt die Beklagte keinen Nachteil auf, der über die mit der Vollstreckung eines Unterlassungsanspruchs regelmäßig verbundenen Folgen hinausgeht. Dass die Vollstreckung des Unterlassungsgebots für sie existenzbedrohende Folgen hat, hat die Beklagte ebenfalls nicht hinreichend aufgezeigt. Hierfür fehlt es bereits an einer konkreten Darlegung von Geschäftsergebnissen, Umsätzen usw., anhand derer eine Gefährdung der Existenz der Beklagten zu beurteilen gewesen wäre. Das Vorbringen, dass die Kundenbeziehungen der Beklagten infolge des von der US-Regierung im April 2018 gegen den C-Konzern verhängten Exportembargos gegen (erneute) Lieferunterbrechungen besonders empfindlich seien, reicht hierfür nicht aus.
  363. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für den Rückruf und Vernichtungsanspruch. Auch insoweit lässt sich ein nicht zu ersetzender Nachteil nicht erkennen.
  364. Hinsichtlich der anderen Ansprüche scheidet die Gewährung von Vollstreckungsschutz ebenfalls aus. Der Feststellungsanspruch besitzt keinen vollstreckungsfähigen Inhalt und hinsichtlich des Kostentenors ist die Beklagte durch die zu leistende Sicherheit ausreichend geschützt. Einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Auskunftserteilung und Rechnungslegung hat die Beklagte nicht vorgetragen.
  365. VI.
    Der Streitwert wird auf EUR 2.500.000,00 festgesetzt.

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