4b O 210/09 – Kamerawagen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1358

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Februar 2010, Az. 4b O 210/09

I. Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise – Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft für die Verfügungsbeklagte an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist,

zu unterlassen,

Kamerawagen mit einem Fahrgestell und einer Hubsäule, an deren oberem Ende eine Kamera und/oder ein Sitz für einen Kameramann anbringbar ist, wobei oberhalb des Fahrgestells zumindest eine demontierbare Trittplatte angeordnet ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die zumindest eine demontierbare Trittplatte mit einer Vielzahl von Bohrungen, insbesondere auch Gewindebohrungen, gleicher und/oder ggf. unterschiedlicher Durchmesser oder Abmessungen zum Anschluss von Peripheriegerät(en), wie beispielsweise von Halte- und Trageinrichtung(en) aufweist, und wobei die zumindest eine Trittplatte und/oder die Trittplatten an dem Kamerawagen oder an einer weiteren Trittplatte über geradlinige, winklige Z- und/oder S-förmige Distanzelemente mittels Steck- und/oder Schraubeinrichtungen so anbringbar sind, dass die jeweiligen Trittplatten in einem vorbestimmten horizontalen und/oder vertikalen Abstand zueinander fixierbar sind, wobei

die zumindest eine Trittplatte unter Ausbildung einer die Hubsäule zumindest teilumfänglich umgebenden Trittleiste mit weiteren, vorzugsweise zwei oder drei Trittplatten kombinierbar ist, wobei

die Trittleiste zumindest teilweise demontierbar ist, wobei

die Bohrungen insbesondere mit Bolzen zusammenwirken, wobei

die Trittplatte(n) eine im Wesentlichen geradlinige Erstreckung aufweist/aufweisen, wobei

die Trittplatten an dem Kamerawagen leiter-, treppen-, tablett oder tischartig anordnenbar sind;

II. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, der Verfügungsklägerin unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter I. beschriebenen Erzeugnisse zu geben, und zwar Angaben zu machen über

1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und

2. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen gezahlt wurden.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

IV. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR erbringt.

V. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2008 017 XXX (in Anlagenkonvolut K 4, im Folgenden: Verfügungsgebrauchsmuster), das am 19. September 2008 angemeldet und am 24. September 2009 eingetragen wurde. Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 20. Oktober 2009 (Anlage K 6) reichte die Verfügungsklägerin neue Gebrauchsmusteransprüche beim Deutschen Patent- und Markenamt ein mit der Erklärung, dass die neuen Ansprüche die in der Anmeldung enthaltenen Ansprüche ersetzen sollen. Mit Schriftsatz vom 24. November 2009 (Anlage AG 1) beantragte die Verfügungsbeklagte die Löschung des Verfügungsgebrauchsmusters im Umfang der eingetragenen Ansprüche 1 bis 5, 7 und 8 sowie der neu eingereichten Schutzansprüche 1 bis 4, 6 und 7. Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft einen Kamerawagen.

Hauptanspruch 1 sowie die Unteransprüche 2 bis 4 sowie 6 und 7 des Verfügungsgebrauchsmusters lauten in der mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 (Anlage K 6) formulierten Fassung:

„1. Kamerawagen (10) mit einem Fahrgestell (15) und einer Hubsäule (20), an deren oberem Ende eine Kamera und/oder ein Sitz (25) für einen Kameramann anbringbar ist, wobei oberhalb des Fahrgestells (15) zumindest eine demontierbare Trittplatte (30) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass
die zumindest eine Trittplatte (30) eine Vielzahl von Bohrungen (35), insbesondere auch Gewindebohrungen, und/oder Schlitze und/oder ggf. unterschiedlicher Durchmesser oder Abmessungen, zum Anschluss von Peripheriegerät(en), wie beispielsweise von Halte- und Trageinrichtung(en) aufweist, und dass zumindest eine Trittplatte (30) und/oder die Trittplatten (30) an dem Kamerawagen (10) oder an einer weiteren Trittplatte (30) über geradlinige, winklige Z- und/oder S-förmige Distanzelemente (45) mittels Steck-, Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen so anbringbar sind, dass die jeweiligen Trittplatten (30) in einem vorbestimmten horizontalten und/oder vertikalen Abstand zueinander fixierbar sind.

2. Kamerawagen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
die zumindest eine Trittplatte (30) unter Ausbildung einer die Hubsäule (20) zumindest teilumfänglich umgebenden Trittleiste (40) mit weiteren, vorzugsweise zwei oder drei, Trittplatten (30) kombinierbar ist.

3. Kamerawagen nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass
die Trittleiste (40) zumindest teilweise demontierbar ist.

4. Kamerawagen nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
die Bohrungen (35) und/oder Schlitze mit Steck-, Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen, insbesondere mit Bolzen (50) Schrauben (55) oder Konussen zusammenwirken.

6. Kamerawagen nach einem der vorhergehenden Ansprüche 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass
die Trittplatte(n) (30) eine im Wesentlichen geradlinige oder kreissegmentartige Erstreckung aufweist/aufweisen.

7. Kamerawagen nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
die Trittplatten (30) an dem Kamerawagen (10) leiter-, treppen-, tablett- oder tischartig anordnenbar sind.“

Nachstehend verkleinert wiedergegebene Zeichnung ist dem Verfügungsgebrauchsmuster entnommen und erläutert die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters anhand eines Ausführungsbeispiels. Die Zeichnung zeigt einen Detailausschnitt eines Kamerawagens gemäß dem Verfügungsgebrauchsmuster:

Die Verfügungsbeklagte stellt her und bietet an ein Kamerawagen-System mit der Bezeichnung „A“, an welches eine Trittplatte mit der Bezeichnung „B“ montiert werden kann. Gegen beide Bestandteile eines entsprechenden Kamerawagens (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), gebildet aus dem System „A“ und einer Trittplatte vom Typ „B“ wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ein von der Verfügungsklägerin zur Gerichtsakte gereichtes, nachstehend verkleinert wiedergegebenes Lichtbild (Anlage K 16) zeigt ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform:

Die Verfügungsbeklagte bietet die „B“ der angegriffenen Ausführungsform zu einem Preis an, der um etwa ein Fünftel unter dem Preis der Verfügungsklägerin für ein vergleichbares Produkt liegt. Die Kamerawagen-Systeme der Parteien sind untereinander nicht kompatibel. Ein Kamerawagen der Verfügungsklägerin kann also nicht mit Zubehör der Verfügungsbeklagten ausgestattet werden oder umgekehrt.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, das Verfügungsgebrauchsmuster sei – wenigstens im Umfang der geltend gemachten neuen Schutzansprüche – schutzfähig und werde auch nicht gelöscht werden. Ferner macht sie geltend, dass die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit bestehe.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr, nachdem sie die ursprünglich geltend gemachte Kombination des Hauptanspruchs 1 des Verfügungsgebrauchsmusters mit den Unteransprüchen 2, 3, 4, 6 und 7 in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2010 konkretisiert hat, sinngemäß,

wie aus der Urteilsformel ersichtlich.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen,

hilfsweise, die Anordnung oder Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 150.000,00 EUR abhängig zu machen.

Die Verfügungsbeklagte stellt zwar nicht in Abrede, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters unter der Voraussetzung verwirklicht, dass es hierfür auf eine Möglichkeit zur Kombination ihrer Elemente, insbesondere der zu ihr gehörenden Trittplatten ankommt. Sie macht jedoch hilfsweise geltend, keine Verletzungshandlungen begangen zu haben, bei denen die angegriffene Ausführungsform in konkreten Kombinationen angeboten worden sei.

Ferner ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, das Verfügungsgebrauchsmuster sei nicht rechtsbeständig, da es nicht neu sei, nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe und – im Umfang der geltend gemachten neuen Ansprüche – gegenüber der Anmeldung unzulässig erweitert sei. Insbesondere ihr Produktkatalog „C“ (Anlage AG 1 – D1), der unstreitig aus dem Jahr 2007 stammt und im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D1 eingeführt wurde, offenbare sämtliche Merkmale der geltend gemachten Anspruchskombination in neuheitsschädlicher Weise. Jedenfalls würden sämtliche Merkmale durch eine Kombination der Entgegenhaltung D1 mit der im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D8 eingeführten DE 201 08 XXX U1 (Anlage AG 1 – D8) nahegelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft gemäß §§ 11, 24 Abs. 1, 24b Abs. 7 GebrMG. Die Durchsetzung dieser Ansprüche ist dringlich.

I.

Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft einen Kamerawagen.

In der Filmindustrie sind Kamerawagen seit langem bekannt und werden dort zur Führung einer darauf montierten Kamera verwendet, wobei der Kameramann in der Regel auf dem Kamerawagen sitzt.

Die DE 38 15 852 (Anlage K 7) offenbart einen Kamerawagen, der im Wesentlichen aus einer Rahmenkonstruktion mit Fahrgestell und einer Hubsäule besteht, an deren oberen Ende eine Kamera und ein Sitz für dem Kameramann anbringbar ist. Hieran kritisiert das Verfügungsgebrauchsmuster, dass es für den Kamermann schwierig ist, auf den Sitz auf- und von ihm wieder abzusteigen. Er muss hierfür auf Rahmenteile des Kamerawagens steigen oder andere, zusätzliche Aufstiegshilfen benutzen. Auch kritisiert das Verfügungsgebrauchsmuster an dieser Offenbarung, dass der Rahmen keine Möglichkeiten für das Anbringen oder Ablegen von Gegenständen wie beispielsweise Beleuchtungsmitteln bietet, so dass hier weitere Vorrichtungen oder gar Hilfspersonen notwendig sind.

Das Verfügungsgebrauchsmuster stellt sich daher die Aufgabe, gattungsgemäße Kamerawagen so weiterzubilden, dass die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile behoben werden, dass es also dem Kameramann erleichtert wird, sich auf den Sitz des Kamerawagens zu begeben bzw. von diesem abzusteigen, und dass Möglichkeiten zur Anbringung bzw. Halterung von Zubehör und Peripheriegerät(en) zur Verfügung gestellt werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Verfügungsgebrauchsmuster in der geltend gemachten Kombination seines Hauptanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2, 3, 4, 6 und 7 eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:

(1) Kamerawagen (10) mit einem Fahrgestell (15) und einer Hubsäule (20) und zumindest einer oberhalb des Fahrgestells angeordneten Trittplatte (30).

(2) An dem oberen Ende der Hubsäule ist eine Kamera und/oder ein Sitz (25) für einen Kameramann anbringbar.

(3) Die zumindest eine Trittplatte

(a) ist demontierbar,

(b) weist eine Vielzahl von Bohrungen (35), insbesondere auch Gewindebohrungen, gleicher und/oder ggf. unterschiedlicher Durchmesser oder Abmessungen, zum Anschluss von Peripheriegerät(en), wie beispielsweise von Halte und Trageeinrichtung(en) auf, wobei

(aa) die Bohrungen (35) insbesondere mit Bolzen (50) zusammenwirken;

(c) ist an dem Kamerawagen (10) oder an einer weiteren Trittplatte (30) über geradlinige, winklige Z- und/oder S-förmige Distanzelemente (45) mittels Steck-, und/oder Schraubeinrichtungen so anbringbar, dass die jeweiligen Trittplatten (30) in einem vorbestimmten horizontalen und/oder vertikalen Abstand zueinander fixierbar sind,

(d) ist unter Ausbildung einer die Hubsäule (20) zumindest teilumfänglich umgebenden Trittleiste (40) mit weiteren, vorzugsweise zwei oder drei Trittplatten (30) kombinierbar,

(e) weist eine im Wesentlichen geradlinige Erstreckung auf,

(f) ist an dem Kamerawagen (10) leiter-, treppen-, tablett- oder tischartig anordnenbar.

(4) Die Trittleiste (40) ist zumindest teilweise demontierbar.

Die technische Aufgabe wird dadurch gelöst, dass am Kamerawagen wenigstens eine Trittplatte oberhalb des Fahrgestells angeordnet ist, die zum einen als Aufstiegshilfe verwendet werden kann, und die zum anderen eine Vielzahl von Bohrungen und/oder Schlitzen aufweist, welche wiederum als Anschlusspunkte bzw. Anschlusselemente für Peripheriegeräte und für weiteres Zubehör dienen können. Ferner können mehrere Trittplatten so miteinander kombiniert werden, dass sie eine die Hubsäule zumindest teilweise umlaufende Trittleiste und/oder eine Treppe bilden. Da die zumindest eine Trittplatte wenigstens teilweise demontierbar ist, kann der Kamerawagen jeweils so ausgestattet werden, wie das am jeweiligen Drehort erforderlich ist.

II.

Es besteht ein Verfügungsanspruch.

1.

Zwischen den Parteien steht – zu Recht – außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters insofern verwirklicht, als es auf die Möglichkeit der Bildung von Kombinationen der zur angegriffenen Ausführungsform gehörenden Elemente ankommt. Dem Anspruchswortlaut lässt sich entnehmen, dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters nicht auf die Bereitstellung einer bestimmten Kombination ankommt, sondern auf die eines Systems von Elementen, die in bestimmter Weise kombiniert werden können: Am oberen Ende der Hubsäule muss (gemäß Merkmal (2)) eine Kamera und/oder ein Sitz für einen Kameramann lediglich angebracht werden können, um die technische Lehre zu verwirklichen; die zumindest eine Trittplatte muss demontiert werden können („demontierbar“ gemäß Merkmal (2)(a)); in der in ihr enthaltenen Vielzahl von Bohrungen müssen Peripheriegeräte angeschlossen werden können (gemäß Merkmal (2)(b)); es muss – nur – die Möglichkeit bestehen, an der zumindest einen Trittplatte weitere Trittplatten über Distanzelemente anzubringen (Merkmal (2)(d)); es muss (gemäß Merkmal (2)(d)) die Möglichkeit bestehen, mehrere Trittplatten zu einer Trittleiste zu kombinieren, und/oder (gemäß (Merkmal (2)(f)) die Trittplatten nach Art einer Leiter, einer Treppe, eines Tabletts oder eines Tisches am Kamerawagen anzubringen; schließlich muss – nur – die Möglichkeit bestehen (gemäß Merkmal (4)), die aus mehreren Trittplatten kombinierte Trittleiste zumindest teilweise zu demontieren. Dass es lediglich auf die in den Gebrauchsmustermerkmalen – kumulativ – aufgezählten Möglichkeiten von Kombinationen ankommt, folgt auch aus der Beschreibung (Anlage K 4, Seite 3, Zeilen 20 bis 26): Gemäß der technischen Lehre wird die Möglichkeit geschaffen, den Kamerawagen in seiner Funktionalität auf die am jeweiligen Drehort bestehenden Erfordernisse abzustimmen, nämlich notwendige Elemente anzubringen und nicht notwendige Elemente zu demontieren.

Hiernach lässt sich eine Verwirklichung sämtlicher Merkmalen des Verfügungsgebrauchsmusters durch die angegriffene Ausführungsform feststellen, zumal da die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2010 ausdrücklich erklärt hat, dass sie die angegriffene Ausführungsform so anbietet, wie es aus der von der Verfügungsklägerin zum Beleg einer Verletzungshandlung vorgelegten Internet-Werbung hervorgeht.

2.

Das Verfügungsgebrauchsmuster ist schutzfähig, § 13 Abs. 1 GebrMG. Die in ihm offenbarte technische Lehre ist neu und nicht durch den Stand der Technik nahegelegt. In der Einreichung neuer Schutzansprüche liegt eine zulässige Neufassung und teilweise Einschränkung der Ansprüche und damit des Schutzbereichs des Verfügungsgebrauchsmusters. Dies ist unabhängig von der zeitlichen Beschränkung des § 4 Abs. 5 GebrMG möglich (Bühring, GebrMG, 7. Aufl., § 4 Rn. 144). Durch die neuen Gebrauchsmusteransprüche ist der Schutzbereich des Verfügungsgebrauchsmusters nicht unzulässig erweitert worden.

a)

Die dem Verfügungsgebrauchsmuster entgegengehaltenen Publikationen nehmen die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters nicht neuheitsschädlich vorweg.

aa)

Der Katalog der Verfügungsbeklagten „C“ aus dem Jahr 2007 (im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D1 eingeführt) offenbart nicht sämtliche Merkmale des Verfügungsgebrauchsmusters.

(1)

Jedenfalls wird durch diese Entgegenhaltung nicht Merkmal (3)(b)(aa) neuheitsschädlich offenbart, gemäß dem die Bohrungen (35) in der zumindest einen Trittplatte mit Bolzen (50) zusammenwirken.

Eine neuheitsschädliche Offenbarung setzt voraus, dass die Offenbarung aus der Entgegenhaltung selber, hier einer Druckschrift, vollständig hervorgeht. Aus Rechtsgründen unbeachtlich ist eine Offenbarung in Kombination mit anderen Offenbarungsquellen oder denkbare und ausführbare Verwendungen von Elementen, die in der Druckschrift offenbart sind. Denn eine neuheitsschädliche Vorwegnahme eines Gebrauchsmusters ist nur möglich durch die Offenbarung aller Merkmale in einer einzigen Beschreibung oder Benutzung; die Offenbarung sämtlicher Merkmale darf nicht in einer mosaikhaften Betrachtung aus mehreren Entgegenhaltungen zusammengetragen werden (Bühring, GebrMG, 7. Aufl., § 3, Rn. 40 und 55).

Gemessen an diesem Maßstab lässt sich der D1 nicht entnehmen, dass die Bohrungen zum Anschluss von Peripheriegeräten dienen und dabei mit Bolzen zusammenwirken. Auch das von der Verfügungsbeklagten hierfür in Bezug genommene, nachstehend verkleinert wiedergegebene Lichtbild auf Seite 10 der D1 lässt dies nicht erkennen:

Hierzu hat die Verfügungsbeklagte vorgebracht, dieses Lichtbild auf Seite 10 der offenbare, dass an einer Trittplatte (nämlich an der bereits erwähnten „E“, Bestellnummer XXX gemäß der D1) mithilfe von Bolzen Peripheriegeräte angebracht seien, nämlich an einer von insgesamt vier Trittplatten ein Akkumulator und an einer anderen ein Ausleger. Die Verfügungsklägerin hat dies in qualifizierter Weise bestritten, indem sie vorbringt, in Wahrheit seien die Peripheriegeräte in der aus der Entgegenhaltung D1 offenbarten Konstellation nicht über Bolzen an den Trittplatten, sondern über Aufnahmehülsen und Verbindungszapfen, die durch die Ausnehmungen der Trittplatten hindurch ragen, am Kamerawagen selber angebracht. Trotz dieses erheblichen Bestreitens hat die Verfügungsbeklagte ihr Vorbringen zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D1 insoweit nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen der Herren F (Anlage eV1, Bl. 66ff. GA), G (Anlage eV2, Bl. 70ff. GA) und H (Anlage eV3, Bl. 74ff. GA) enthalten keine Angaben zu der entsprechenden Behauptung der Verfügungsbeklagten.

Ferner zeigt die D1 auf Seite 28 unter der Rubrik „I“ zwar Bolzen, die mit der Artikelnummer XXX bezeichnet werden. Die Rubrikenbezeichnung „General“ könnte zwar darauf hindeuten, dass die dort gezeigten Zubehörteile (Accessories) mit allen anderen Geräten und Elemente, die in dem Prospekt im Übrigen gezeigt werden, kombinierbar sind. Ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis hierauf findet sich jedoch nicht. Vielmehr wird gerade eine Verwendung des Bolzens an anderen Stellen gezeigt. Insbesondere die Darstellungen des Kamerawagens „A“ auf den Seiten 4 bis 11 der D1 enthalten keinen Hinweis darauf, dass Bolzen (Artikelnummer XXX) in die Bohrungen der Trittplatte eingesetzt werden bzw. mit diesen zusammenwirken können. Stattdessen ist dieser Bolzen (Artikelnummer XXX) auf Seite 8 der D1 in der rechten Spalte als „Verbindungsbolzen“ aufgeführt, mit dem Varianten von Sitzarmen „kombiniert“ oder „senkrecht montiert werden können.“ Das zeigt gerade eine andere Verwendung dieses Bolzens als im Zusammenwirken mit Bohrungen der Trittplatte.

Auch die weiteren Darstellungen des Bolzens in der Entgegenhaltung D1 zeigen ihn in einer anderen Verwendung: Auf Seite 5 der D1 ist der Bolzen erkennbar in der Verwendung an der elektromechanischen Hubsäule des Kamerawagens. Auch auf Seite 7, rechte Spalte, ist ein Element zu sehen, das dem Bolzen zumindest ähnelt, und das mit einer „Tiefplattform“ (Artikelnummer XXX) über ein anderes Element, nämlich einer Lenkauslegung, verbunden ist.

Aus Rechtsgründen unbeachtlich ist das Vorbringen der Verfügungsbeklagten, mit den in der D1 aufgeführten Elementen könnten Kombinationen nachgebaut werden, welche die Merkmale des Verfügungsgebrauchsmusters erfüllen. Insbesondere könne auch der Bolzen (Artikelnummer XXX) mit den Bohrungen der Trittplattform zusammenwirkend verwendet werden. Indem die Verfügungsbeklagte heute Konstruktionen mit Bauteilen erstellt, die in der Entgegenhaltung D1 (oder auch D2) gezeigt sind, vermag sie keine für die Frage der Neuheit der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters relevanten Umstände darzulegen. Wie ausgeführt enthält die D1 keinen Hinweis auf die Möglichkeit, den Bolzen gemäß Merkmal (3)(b)(aa) zu verwenden, so dass es an der neuheitsschädlichen Offenbarung dieses Merkmals fehlt. Indem die Verfügungsbeklagte diese Offenbarungslücke durch eine weitere Offenbarungsquelle zu schließen versucht, nämlich durch „Nachkonstruktion“ bestimmter Kombinationen aus Bauteilen gemäß der Anlage D1, stellt sie eine unstatthaft mosaikartige Betrachtungsweise durch gemeinsame Betrachtung mehrerer Entgegenhaltungen an. Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme folgt daraus nicht.

(2)

Auch Merkmal (3)(c), gemäß dem die wenigstens eine Trittplatte über geradlinige, winklige Z- und/oder S-förmige Distanzelemente am Kamerawagen oder an einer weiteren Trittplatte angebracht werden kann, offenbart die Entgegenhaltung D1 unter Beachtung der oben dargelegten Maßstäbe für die Neuheitsprüfung nicht. Geradlinige und winklige Distanz- und Verbindungselemente, wie sie die Verfügungsbeklagte für ihre „Nachkonstruktionen“ verwendet hat (vgl. dazu Lichtbild Bl. 42 GA), sind in der D1 auf Seite 28 – wiederum unter der Rubrik „General Accessories“ – als Zubehörteile mit den Artikelnummern XXX und XXX gezeigt. Diese Zubehörteile werden dort jeweils als „Sitzarm“ bezeichnet, deuten also gerade nicht auf die Verwendung zur Verbindung einer Trittplatte im Zusammenwirken mit deren Bohrungen hin, sondern zur Ausbildung eines Sitzes auf dem Kamerawagen. Dazu passt, dass auf derselben Seite der D1 ein Sitz (Artikelnummer XXX) und ein Bezug für den Sitz (Artikelnummer XXX) gezeigt werden. Ferner passt dazu eine Darstellung auf Seite 4 der D1, in der ein Kamerawagen gezeigt ist, an dem – möglicherweise – Elemente gemäß der Artikelnummer XXX angebracht sind, diese Elemente aber jedenfalls ersichtlich dazu dienen, Sitze mit der elektromechanischen Hubsäule des Kamerawagens zu verbinden. Gleiches gilt für die Darstellung auf Seite 6 der D1, bei der ein Sitz an einem Kamerawagen gegenüber einer auf dem Kamerawagen stehenden Person zu erkennen ist. Schließlich zeigt die D1 auf Seite 7 noch eine andere Verwendung eines Elements, das dem Zubehörteil mit der Artikelnummer XXX ähnelt, das dort allerdings dazu dient, ein als „Mitfahrplatte“ bezeichnetes Zubehörteil (Artikelnummer XXX, vgl. Seite 7 der D1 links unten) mit dem Kamerawagen zu verbinden. Mithin ist in der D1 nirgends ein Anhalt für die Möglichkeit gezeigt, ein Distanzelement zur Anbringung einer weiteren Trittplatte zu verwenden.

Sofern die Verfügungsbeklagte auch insofern geltend gemacht, aus Nachbauten mit den in der D1 gezeigten Bauteilen ließe sich eine solche Verwendung belegen, ist dies aus den genannten rechtlichen Gründen unbeachtlich: Es kommt allein auf den Offenbarungsgehalt der D1 an, eine weitere Offenbarungsquelle kann nicht ergänzend geschaffen werden.

(3)

Schließlich offenbart die Entgegenhaltung D1 Merkmal (3)(b) des Verfügungsgebrauchsmusters nicht, gemäß dem die zumindest eine Trittplatte eine Vielzahl von Bohrungen zum Anschluss von Peripheriegerät(en) aufweist. Der Begriff der „Vielzahl“ deutet aus Sicht des Fachmanns bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch – von dem abzuweichen die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters keinen Anlass bietet – auf eine Anzahl, die über „mindestens zwei“ als bloße „Mehrzahl“ erheblich hinausgeht. Nach fachmännischem Verständnis ist bei der geltend gemachten Kombination des Hauptanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2, 3, 4, 6 und 7 des Verfügungsgebrauchsmusters eine Vielzahl von Bohrungen in der Weise zu verstehen, dass die wenigstens eine Trittplatte so viele Bohrungen aufweisen muss, dass an ihr mehrere, nämlich mindestens zwei weitere Elemente hinreichend stabil angebracht werden können und zugleich die konkrete Position der Anbringung flexibel gewählt werden kann.

Dies folgt aus der Zusammenschau des Merkmals (3)(b) mit den Merkmalen (3)(c) und (3)(f) unter Anwendung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung des Verfügungsgebrauchsmusters, also der Deutung der Merkmale und Begriffe des Gebrauchsmusteranspruchs dahingehend, wie dies angesichts der ihnen nach der offenbarten Erfindung zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH GRUR 2001, 232, 233 – Brieflocher; OLG Düsseldorf GRUR 2000, 599, 601 – Staubsaugerfilter): Gemäß Merkmal (3)(b) muss die Möglichkeit bestehen, an der zumindest einen Trittplatte mindestens ein Peripheriegerät anzubringen. Die Merkmale (3)(c) und (3)(f) lehren darüber hinaus, dass die Möglichkeit bestehen muss, an der wenigstens einen Trittplatte eine weitere Trittplatte über geradlinige und/oder winklige (Z- und/oder S-förmige) Distanzelemente nach Art einer Leiter, einer Treppe, eines Tabletts oder eines Tisches anzuordnen, mithin, wenigstes eine weitere Trittplatte auf einer vertikal anderen Ebene anzubringen. Bei der geltend gemachten Kombination der Ansprüche muss die Möglichkeit der Anbringung von wenigstens einem Peripheriegerät sowie die Möglichkeit zur Anbringung einer weiteren Trittplatte auf einem anderen Höhenniveau kumulativ gegeben sein. Das bedeutet, dass wenigstens so viele Bohrungen in der zumindest einen Trittplatte vorhanden sein müssen, dass die entsprechenden hinreichend stabilen Verbindungen der Trittplatte mit den wenigstens drei weiteren Elementen gleichzeitig hergestellt werden können.

Der Beschreibung ist zu entnehmen, dass es auf die kumulative und zugleich in der Auswahl flexible Möglichkeit zur Verbindung der zumindest einen Trittplatte mit weiteren Elementen ankommt. Die Anbringung von wenigstens einem Peripheriegerät und wenigstens einer weiteren Trittplatte auf einer anderen Ebene ist jeweils als Beschreibung der entsprechenden Unteransprüche aufgenommen: Die Vielzahl von Bohrungen schafft die Möglichkeit des Anschlusses wenigstens eines Peripheriegeräts (Anlage K 4, Seite 2, Zeile 16f.); auch muss eine weitere Trittplatte über ein Distanzelement nicht nur in derselben, sondern in einer anderen Ebene zur Ausbildung einer leiter-, treppen-, tablett- oder tischartigen Formgebung angebracht werden können (Anlage K 4, Seite 3, Zeilen 28 bis 35). Durch die Geltendmachung der genannten Kombination des Hauptanspruchs mit den Unteransprüchen sind die aufgeführten Passagen der Beschreibung nicht als Darstellung von bloßen Ausführungsbeispielen zu verstehen, sondern als allgemeine Darstellung der Erfindung. Überdies bewirkt die Anspruchskombination, dass die Anschluss- und Anbringungsmöglichkeiten kumulativ gegeben sein müssen.

Der technische Sinn und Zweck dieser zahlreichen, durch die „Vielzahl“ von Bohrungen ermöglichten kumulativen Kombinationsmöglichkeiten wird in der Weise erläutert (Anlage K 4, Seite 3, Zeilen 20 bis 22), dass der Kamerawagen nach der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters in seiner Funktionalität als Trägervehikel für Kamera, Kameramann, weitere Hilfspersonen (vgl. Anlage K 4, Seite 3, Zeile 24f.) und Peripheriegeräte exakt auf die konkreten filmtechnischen Erfordernisse am jeweiligen Drehort abgestimmt werden kann. Durch die Kombinationsmöglichkeiten soll allein die Möglichkeit der Anbringung weiterer Elemente an die zumindest eine Trittplatte geschaffen werden, ohne dass es erforderlich wäre, diese Elemente dauerhaft am Kamerawagen anzubringen und dadurch auch in Situationen bereit zu halten, in denen sie gar nicht erforderlich sind. Hieraus folgt ein Weiteres: mit Blick auf den technischen Sinn und Zweck genügt es nicht, wenn gerade so viele Bohrungen an der zumindest einen Trittplatte zur Verfügung stehen, dass genau eine Kombination mit den genannten wenigstens zwei weiteren Elemente möglich ist. Die funktionsorientierte Auslegung gebietet vielmehr eine so große Anzahl von Bohrungen, dass mehrere Kombinationen ausgeführt werden können.

Zugleich müssen die Bohrungen einem weiteren im Verfügungsgebrauchsmuster beschriebenen Zweck genügen. Sie müssen eine so stabile Verbindung der Trittplatten in beispielsweise treppenartiger Anordnung gewährleisten, dass die Trittplatten als Aufstiegshilfe genutzt, also von einer Person sicher betreten werden können. Dies steigert die Anforderungen an die Festigkeit der durch die Bohrungen zu bewirkenden Verbindungen.

Hiernach offenbart die Entgegenhaltung D1 keine Vielzahl von Bohrungen in der zumindest einen Trittplatte. Die „E“ (Bestellnummer XXX gemäß Seite 6 der Anlage AG 1 – D1) weist zwei Ausnehmungen sowie zwei senkrechte Bohrungen mit zwei – den senkrechten Bohrungen jeweils zugeordneten – waagerechten Bohrungen auf. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und auch auf dem von der Verfügungsbeklagten zur Gerichtsakte gereichten (Bl. 37 GA), unstreitig diese „E“ darstellenden Lichtbild erkennbar, das nachstehend verkleinert wiedergegeben und mit durch die Verfügungsbeklagte hinzugefügten beiden unteren Pfeilen versehen ist:

Die beiden mit den oberen Pfeilen gekennzeichneten Ausnehmungen an dieser Platte sind jeweils halbkreisförmig, wie nachstehend wiedergegebene, der Entgegenhaltung D1 (dort Seite 6) entnommene Abbildung der angegriffenen Ausführungsform zeigt:

Sie sind deshalb nicht als Bohrungen gemäß der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters zu beurteilen, da sie entgegen Merkmal (3)(b)(aa) nicht geeignet sind, mit Steck- Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen zusammenzuwirken. Aufgrund ihrer Halbkreisform kann eine Haltewirkung in ihnen nicht erzielt werden, da sie nach einer Seite, nämlich der nicht umschlossenen Hälfte des Kreisbogens, offen sind.

Die beiden vorhandenen senkrechten Bohrungen reichen nicht aus, um in der beschriebenen Weise eine Mehrzahl von Kombinationsmöglichkeiten für die Anbringung von wenigstens zwei weiteren Elementen zu schaffen. Dies wird auch nicht durch die beiden waagerechten Bohrungen ermöglicht, da diese jeweils auf der Höhe einer der beiden senkrechten Bohrungen ausgeführt sind und dadurch verdeckt werden können, wenn die senkrechten Bohrungen benutzt werden. Daher fehlt es bei der D1 an der Offenbarung einer Vielzahl von Bohrungen.

Hinzu kommt, dass der Fachmann die Notwendigkeit erkennt, bei der Anbringung einer weiteren Trittplatte nicht nur eine Verbindung über ein Distanzelement zu schaffen, sondern zwei Verbindungen über zwei Distanzelemente herzustellen. Dem Fachmann offenbart die D1 eine symmetrische Ausführung von zwei Paar Bohrungen an der Trittplatte, nämlich links und rechts. Dem entnimmt er, dass zur Schaffung einer hinreichend stabilen Verbindung einer weiteren Trittplatte mit der wenigstens einen Trittplatte diese Symmetrie genutzt werden muss, also beide Bohrungspaare der zumindest einen Trittplatte bereits „belegt“ bzw. verdeckt werden müssen und keine Bohrung mehr für die Anbringung von Peripheriegeräten zur Verfügung steht. Dies belegen im Übrigen die von der Verfügungsbeklagten ausgeführten „Nachbauten“ unter Verwendung von in der D1 gezeigten Bauteilen: Bei diesen Nachbauten sind die Trittplatten in treppen- oder leiterförmiger Anordnung über jeweils zwei Distanzelemente, also unter Ausführung von zwei Verbindungspunkten miteinander verbunden.

bb)

Auch der weitere Katalog der Verfügungsbeklagten „K“ aus dem Jahre 1999 (Anlage AG 1 – D2a, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D2 eingeführt) offenbart nicht sämtliche Merkmale des Verfügungspatents. Zwar ist dort (Seite 11) mit der Artikelnummer „XXX“ ein als Mitfahrplattform bezeichnetes Bauteil gezeigt, das allein als Trittplatte im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters in Frage kommt. Indes offenbart die D2 an diesem Bauteil keine einzige Bohrung; ebenso wenig ist offenbart, dass an diesem Bauteil weitere Elemente wie Trittplatten oder Peripheriegeräte angebracht werden können, so dass es insgesamt an einer Offenbarung des Merkmals (3)(b) fehlt.

Auch Merkmal (3)(c), gemäß dem die wenigstens eine Trittplatte am Kamerawagen über geradlinige und/oder winklige Z- und/oder S-förmige Distanzelemente am Kamerawagen anbringbar ist, wird durch die D2 nicht offenbart. Der dort (Seite 11) gezeigte Haltearm (Artikelnummer „XXX“) ist weder geradlinig noch winklig in Form eines Z oder S. Dass die S- bzw. Z-förmigen Elemente „Sitzarm senkrecht“ (Anlage AG 1 – D2a, Seite 23) zur Verbindung der Mitfahrplattform mit dem Kamerawagen verwendet werden könnten, ist nicht ersichtlich.

Schließlich fehlt es auch an einer Offenbarung des Merkmals (3)(f), da der D2 nicht zu entnehmen ist, dass die Mitfahrplattform am Kamerawagen leiter-, treppen, tablett- oder tischartig angeordnet werden könnte.

cc)

Der Katalog „L“ der Verfügungsbeklagten aus dem Jahre 1995 (Anlage AG 1 – D3, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D3 eingeführt), offenbart ebenso wenig sämtliche Merkmale der vorliegend geltend gemachten Anspruchskombination. Zwar zeigt der Katalog einen gattungsgemäßen Kamerawagen mit zumindest einer demontierbaren Trittplatte. Diese weist jedoch keine Vielzahl von Bohrungen gemäß Merkmal (3)(b) auf. Das nachstehend verkleinert wiedergegebene Lichtbild ist der Anlage AG 1 – D3 entnommen (dort Seite 4) und zeigt, dass die im Katalog offenbarten Trittplatten über zwei Paare von Bohrungen verfügen, nämlich jeweils eine kleinere und eine größere Bohrung an jedem seitlichen Ende einer Trittplatte:

Wie oben unter aa) ausgeführt setzt eine Vielzahl von Bohrungen gemäß Merkmal (3)(b) voraus, dass die Trittplatte über so viele Bohrungen verfügt, dass an der Trittplatte wenigstens zwei weitere Elemente in beliebigen Kombinationen angebracht werden können, was durch die Ausführung von zwei Paar von Bohrungen nicht ermöglicht wird.

Ferner lässt sich dem Katalog gemäß D3 nicht entnehmen, ob diese Bohrungen gemäß Merkmal (3)(b)(aa) mit Steck-, Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen zusammenwirken, da im Katalog keine Angaben dazu enthalten sind, wie die an der Trittplatte anzubringenden Elemente in den Bohrungen befestigt werden.

Ebenfalls nicht offenbart ist, ob gemäß Merkmal (3)(c) eine weitere Trittplatte an der wenigstens einen Trittplatte oder am Kamerawagen selber über ein geradliniges oder winkliges Distanzelement angebracht werden kann. Zu Unrecht verweist die Verfügungsbeklagte insofern auf das – nachstehend verkleinert wiedergegebene – Lichtbild auf der letzten Seite der D3:

Dieses Lichtbild lässt zwar ein winkliges Bauelement erkennen; nicht offenbart ist in der D3 jedoch, ob dieses Element als Distanzelement zur Befestigung einer Trittplatte verwendet werden kann.

Schließlich ist durch die D3 auch nicht offenbart, dass die zumindest eine Trittplatte gemäß Merkmal (3)(f) am Kamerawagen nach Art einer Leiter, einer Treppe, eines Tabletts oder eines Tisches angeordnet werden kann.

Das hierzu gehaltene Vorbringen der Verfügungsbeklagten, die neuheitsschädliche Offenbarung der Merkmale (3)(c) und (3)(f) ergebe sich aus der Kombination von Bauteilen, die im Katalog gemäß D3 enthalten seien, ist wiederum – wie ob unter aa) ausgeführt – aus Rechtsgründen unbeachtlich. Auch insofern zieht die Verfügungsbeklagte neben dem Katalog selber eine weitere Offenbarungsquelle heran – nämlich Versuche mit Bauteilen, die im Katalog abgebildet sind – und kombiniert diese weitere Offenbarungsquelle mit dem Katalog gemäß D3 in mosaikhafter Betrachtungsweise. Dies ist für den Nachweis einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme indes nicht statthaft.

dd)

Das oben unter ee) Ausgeführte gilt für den Katalog „M“ der Fa. N aus dem Jahre 1993 (Anlage AG 1 – D3, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D4 eingeführt) in entsprechender Weise. Das dort offenbarte Kamerawagensystem „O“ entspricht dem im Katalog D3 offenbarten Kamerawagensystem „P“ der Verfügungsbeklagten. Der Katalog D4 offenbart keine weiteren, über den Offenbarungsgehalt der D3 hinausgehenden technischen Einzelheiten.

ee)

Die Zeitschrift „Q“ vom 20. Mai 1996 (Anlage AG 1 – D 5, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D5 eingeführt) zeigt zwar (dort Seite 177) die Abbildung eines Kamerawagens mit Fahrgestell, Hubsäule und einer Trittplatte, jedoch sind die für das Verfügungsgebrauchsmuster relevanten technischen Einzelheiten nicht offenbart: Es ist nicht ersichtlich, ob die Trittplatte demontierbar ist (Merkmal (3)(a)), ob und wie viele Bohrungen sie aufweist (Merkmal (3)(b)), ob etwaige Bohrungen mit Steck- Schraub und/oder Klemmeinrichtungen zusammenwirken (Merkmal (3)(b)(aa)), ob sie am Kamerawagen über Distanzelemente anbringbar ist (Merkmal (3)(c)) und ob sie mit weiteren Trittplatten nach Art einer die Hubsäule wenigstens teilweise umlaufenden Trittleiste kombiniert werden kann (Merkmal (3)(d)). Auch ist nicht erkennbar, ob eine solche Trittleiste wenigstens teilweise demontierbar wäre (Merkmal (4)).

ff)

Die Ausführungen unter e) gelten in entsprechender Weise für die Zeitschrift „Q vom 20. April 1999 (Anlage AG 1 – D 6, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D6 eingeführt). Dort ist zwar ein Kamerawagen mit Hubsäule und Sitz für den Kameramann abgebildet (Seite 28 der Anlage AG 1 – D 6), wobei eine aus Trittplatten aufgebaute Trittleiste rund um die Hubsäule erkennbar ist. Nicht erkennbar ist hingegen, ob die Trittplatte demontierbar ist (Merkmal (3)(a) sowie Merkmal (4)), ob sie im dargelegten Sinne eine Vielzahl von Bohrungen aufweist (Merkmal (3)(b)), ob die Bohrungen mit Steck- Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen zusammenwirken (Merkmal (3)(b)(aa)), ob sie über Distanzelemente mit dem Kamerawagen verbunden werden können (Merkmal (3)(c)) und ob sie leiter-, treppen, tablett- oder tischartig angeordnet werden können (Merkmal (3)(f)).

gg)

Die Zeitschrift „Q vom 20. Dezember 2006 schließlich (Anlage AG 1 – D7, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D7 eingeführt) lässt in der bildlichen Darstellung eines Kamerawagens (Anlage AG 1 – D7, Seite 4) wiederum keine technischen Einzelheiten erkennen: Zwar ist eine Trittplatte an dem dort abgebildeten Kamerawagen erkennbar, es ist jedoch weder offenbart, ob diese Trittplatte demontierbar ist (Merkmal (3)(a)), noch ob sie über Bohrungen verfügt, die einerseits zum Anschluss von Peripheriegeräten geeignet sind und die andererseits mit Steck-, Schraub und/oder Klemmeinrichtungen zusammenwirken (Merkmalsgruppe (3)(b)). Ebenfalls ist nicht erkennbar, ob an der Trittplatte weitere Trittplatten mithilfe von Distanzelemente weitere Trittplatten nach Art einer Leiter, einer Treppe, eines Tabletts oder eines Tisches angeordnet werden können (Merkmale (3)(c) und (3)(f)).

hh)

Dass die DE 201 08 XXX (Anlage AG 1 – D8, im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D8 eingeführt) alle in der vorliegend streitgegenständlichen Kombination enthaltenen Merkmale neuheitsschädlich vorwegnimmt, macht die Verfügungsbeklagte – zu Recht – selber nicht geltend; die DE ‘XXX offenbart bereits keinen gattungsgemäße Kamerawagen mit einem Fahrgestell, einer Hubsäule und zumindest einer Trittplatte gemäß Merkmal (1).

b)

Die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters wird – entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten – nicht durch eine Kombination der DE 201 08 XXX (Anlage AG 1 – D8; im Löschungsverfahren als Entgegenhaltung D8 eingeführt) mit der Entgegenhaltung D1 nahegelegt. In Betracht kommt dies selbst nach Auffassung der Verfügungsbeklagten nur im Hinblick darauf, ob durch die Entgegenhaltung D8 das von der Entgegenhaltung D1 nicht offenbarte Merkmal (3)(b) nahegelegt wird, ob nämlich der Fachmann durch eine Kombination beider Entgegenhaltungen veranlasst wird, bei einem in der Entgegenhaltung D1 offenbarten Kamerawagen eine Vielzahl von Bohrungen in der zumindest einen Trittplatte auszuführen. Da für die Beurteilung des Naheliegens der technischen Lehre eines Gebrauchsmusters auf die für das Patentrecht entwickelten entsprechenden Grundsätze zurückgegriffen werden kann (BGH GRUR 2006, 842 – Demonstrationsschrank) würde dies voraussetzen, dass der Fachmann in der Lage gewesen wäre, die technische Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters aufgrund seines allgemeinen Wissens und Könnens und durch etwaige Routineversuche aufzufinden; dabei ist – unter anderem – zu prüfen, ob der Fachmann Veranlassung hatte, Überlegungen in der entsprechende Richtung anzustellen (vgl. für das Patentrecht Benkard / Asendorf / Schmidt, PatG, 10. Aufl., § 4 Rn. 10 m.w.N.). Dies ist vorliegend zu verneinen.

Die Entgegenhaltung D8 offenbart zwar einen Kamerawagen, der über eine Platte verfügt, in der eine Vielzahl von Löchern angebracht ist. Indes offenbart die Entgegenhaltung D8 nicht die Ausführung einer Vielzahl von Löchern in einer Platte, die erstens als Trittplatte zum Hinaufsteigen benutzt werden kann und die zweitens mit weiteren Trittplatten stabil kombinierbar ist. Vielmehr ist gemäß der Offenbarung der D8 die Platte, welche eine Vielzahl von Löchern aufweist, bereits Teil des Kamerawagens selbst, so dass weitere Elemente hiernach nicht an eine Trittplatte als Zwischenelement zwischen Kamerawagen und weiterem Element angebracht werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann im Rahmen routinemäßiger Überlegungen zu der Erkenntnis gelangt, er könne die Verbindung zu den weiteren Elementen auch über eine Trittplatte als Zwischenelement in diesem Sinne herstellen, hat die Verfügungsbeklagte nicht dargetan und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.

Es ist auch nicht ersichtlich, wieso der Fachmann zu dieser von der Verfügungsbeklagten geltend gemachten Kombination der D8 mit der D1 Veranlassung haben sollte. Bei der dort offenbarten Grundplatte (5) handelt es sich für den Fachmann ersichtlich um ein Bauteil, das ein die Stabilität gewährleistendes Bestandteil des Kamerawagens selber ist und kein beliebig an- und abmontierbares Zubehörteil. Diese Grundplatte wird in einem Ausführungsbeispiel (Anlage AG 1 – D8, Seite 5, Zeile 12f.) als „Gerüst des Wagens“ bezeichnet, auf dem alle anderen Teile angebracht werden können. Insbesondere ersieht der Fachmann aus diesem Ausführungsbeispiel der D8 (Anlage AG 1 – D8, Seite 5, Zeilen 1 bis ), dass die Grundplatte (vorzugsweise) mit einem Gewicht von etwa 10 Kilogramm sowie einer Breite von 775 bis 800 Millimetern, einer Länge von 500 bis 550 Millimetern und einer Dicke von 10 bis 12 Millimetern deutlich größer dimensioniert ist als eine mehrfach kombinierbare Trittplatte, die ein bloßes Zubehörteil für den ohnehin in Größe und Gewicht begrenzten Kamerawagen in Betracht kommen muss. So sind die in der D1 offenbarten Trittplatten unstreitig nur etwa halb so dick, nämlich 5,5 Millimeter.

Hinzu kommt, dass das in der D1 als Trittplatte in Frage kommende Bauteil, also die „E“ bereits anhand ihrer Produktbezeichnung als Bauteil aus Aluminium erkennbar ist. Die Verfügungsklägerin hat vorgebracht und durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn R vom 4. Dezember 2009 (Bl. 95f. GA) glaubhaft gemacht, dass bei einem Aluminiumbauteil eine Bohrung, die zur Anbringung weiterer Elemente dienen soll, durch das Einschweißen eines Blechteils, nämlich einer Hülse ausgeführt wird, und dass hierbei grundsätzlich die Gefahr besteht, dass sich das Aluminiumbauteil selber oder die eingeschweißte Hülse verziehen. Dem ist die Verfügungsbeklagte entgegengetreten mit dem durch eidesstattliche Versicherung des Herrn H vom 7. Januar 2010 (Anlage eV 5, Bl. 132) glaubhaft gemachten Vorbringen, das für die „E“ verwendete Material sei so beschaffen, dass ein Verzug durch die Einarbeitung von Hülsen nicht entsteht, wenn die Plattform nach dem Schweißvorgang gerichtet und die Hülsen mit einer Fräsmaschine auf das richtige Maß bearbeitet werden. Mithin steht zwischen den Parteien außer Streit, dass grundsätzlich die Gefahr eines auftretenden Verzugs beim Einschweißen von Blech-Hülsen in eine Aluminiumplatte besteht. Diese Gefahr wird den Fachmann von der genannten Kombination der D8 mit der D1 abhalten. Dass aufgrund der Materialbeschaffenheit der „E“ und unter Anwendung geeigneter Verarbeitungsschritte dieser Gefahr begegnet werden kann, ist dem Offenbarungsgehalt D1 nicht zu entnehmen. Die Verfügungsbeklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, dass der Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungsgebrauchsmusters anhand eines konkreten Exemplars der „E“ deren Materialbeschaffenheit und deren Eignung für die Einbringung (beliebig) vieler Blechhülsen hätte erkennen können.

c)

Dem Verfügungsgebrauchsmuster steht auch nicht der Löschungsgrund der unzulässigen Erweiterung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG entgegen. Zu Unrecht wendet die Verfügungsbeklagte ein, dieser Löschungsgrund sei durch die Aufnahme von Merkmal (3)(c) entstanden. Eine unzulässige Erweiterung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG liegt vor, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters über den ursprünglichen Inhalt der gesamten Anmeldeunterlagen insoweit hinausgeht, als der Fachmann anhand dieser Unterlagen nicht erkennen konnte, dass der (nunmehr) beanspruchte Gegenstand bereits durch diese Unterlagen als zur Erfindung gehörig beschrieben wurde; Vergleichsmaßstab ist dabei der Offenbarungsgehalt der gesamten ursprünglichen Anmeldeunterlagen (Bühring, a.a.O., § 15 Rn. 26; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 15 GebrMG Rn. 13). Zum Offenbarungsgehalt der gesamten ursprünglichen Anmeldeunterlagen tragen allerdings im Allgemeinen nicht solche Merkmale bei, die nur aus Zeichnungen in der Anmeldung ersichtlich sind, und die nicht in der Beschreibung als zur Erfindung gehörig erläutert werden (BGH GRUR 1982, 406, 409 – Verteilergehäuse). Gemessen hieran lässt sich eine unzulässige Erweiterung durch Aufnahme des Merkmals (3)(c) in Anspruch 1 des Verfügungsgebrauchsmusters nicht feststellen.

Die Ausführung von geradlinigen oder winkligen Z- und/oder S-förmigen Distanzelementen, die mittels Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen so anbringbar sind, dass die jeweiligen Trittplatten in einem vorbestimmten horizontalen und/oder vertikalen Abstand zueinander fixierbar sind, ist in der ursprünglichen Anmeldung durch den ursprünglichen Unteranspruch 4, durch den Beschreibungstext sowie durch die Zeichnungen offenbart. Der ursprüngliche Unteranspruch 4 offenbart die Ausführung wenigstens eines Distanzelements (45), über welches eine oder mehrere Trittplatten (30) am Kamerawagen (10) oder an einer weiteren Trittplatte mittels Steck-, Schraub- und/oder Klemmeinrichtungen anbringbar sind. In der Beschreibung wird die Verwendung von Distanzelementen als zur technischen Lehre der Anmeldung gehörig näher erläutert: Durch die Verwendung des Distanzelements ist es möglich, mehrere Trittplatten nicht nur horizontal, auf einer Ebene liegend, einander zuzuordnen, sondern auch in mehreren Ebenen zu kombinieren (Anlage K 4, Seite 3, Zeilen 30 bis 35). Ferner wird erläutert (Anlage K 4, Seite 6, Zeilen 23 bis 37). Mithilfe eines winkligen Distanzelements ist eine Anordnung von Trittplatten nach Art einer Treppe möglich und mithilfe einer senkrechten stehenden geradlinigen Trittplatte die Anordnung von zwei Trittplatten übereinander.

Die Formgebung dieses wenigstens einen Distanzelements ist im ursprünglichen Unteranspruch 4 zwar nicht offenbart, ergibt sich für den Fachmann aber aus mehreren der in der bereits in der ursprünglichen Anmeldung enthaltenen und durch die erläuternden Beschreibungspassagen (Anlage K 4, Seite 6, Zeilen 21 bis 35) in Bezug genommenen Zeichnungen: Die oben wiedergegebene Figur 5 zeigt das mit dem Bezugszeichen 45 versehene und eine Trittplatte verbindende Distanzelement jeweils in der Form eines „S“ bzw. eines „Z“. Gleiches ergibt sich aus den nachstehend verkleinert wiedergegebenen Darstellungen in den Figuren 6, 7, 8, 11 und 12:

Somit konnte der Fachmann bereits der ursprünglichen Anmeldung die nunmehr im Hauptanspruch 1 als Merkmal (3)(c) beanspruchte technische Lehre als zur Erfindung gehörig entnehmen.

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, winklige Z- oder S-förmige Distanzelemente seien ausschließlich in den Zeichnungen der Anmeldung enthalten und könnten daher nicht zum Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung beitragen, greift demgemäß nicht durch. Zum einen ist die Ausführung von winkligen Distanzelementen auch im ursprünglichen Unteranspruch 4 sowie in den genannten zugehörigen Beschreibungspassagen offenbart und durch die in Bezug genommenen Zeichnungen als entweder gerade oder winklig in Form eines S und/oder eines Z erläuternd dargestellt. Zum anderen wird durch die Konkretisierung der jedenfalls in der ursprünglichen Anmeldung offenbarten winkligen Form als S- und/oder Z-förmig der Schutzbereich nicht erweitert, sondern eingeschränkt, nämlich auf die S- und/oder Z-Form begrenzt.

Schließlich greift aus den dargelegten Gründen auch der von der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2010 erhobene Einwand nicht durch, in der ursprünglichen Anmeldung sei jedenfalls nicht als zur Erfindung gehörig offenbart, dass die Distanzelemente nicht nur unmittelbar am Kamerawagen, sondern auch an einer bereits am Kamerawagen angebrachten Trittplatte angebracht werden können: Genau dies ist der Offenbarungsgehalt des bereits angeführten ursprünglichen Unteranspruchs 4, gemäß dem die zumindest eine Trittplatte am Kamerawagen oder an einer weiteren Trittplatte, gegebenenfalls über wenigstens ein Distanzelement angebracht werden kann.

III.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Nach Durchführung der gebotenen Interessensabwägung erscheint die Durchsetzung der Ansprüche der Verfügungsklägerin aus dem Verfügungsgebrauchsmuster dringlich: Der Verletzungstatbestand ist zwischen den Parteien unstreitig, die Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters erscheint auf Grundlage der oben unter II.2. angestellten Erwägungen gesichert. Die erforderliche zeitliche Dringlichkeit ist dadurch belegt, dass die Verfügungsklägerin etwa einen Monat nach Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters, nämlich am 20. Oktober 2009, die Verfügungsbeklagte abgemahnt hat (vgl. Anwaltsschreiben gemäß Anlage K 18) und nach erfolglosem Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist bereits am 29. Oktober 2009 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte hinsichtlich eines Zubehörteils der angegriffenen Ausführungsform, der Trittplattform vom Typ „B“ die Preise der Verfügungsbeklagten in nicht unerheblicher Weise – etwa um ein Fünftel – unterbietet. Zudem sind die Kamerawagen-Systeme der Parteien untereinander nicht kompatibel, die Verfügungsklägerin kann daher Abnehmer, welche die angegriffene Ausführungsform bezogen haben, nicht mit eigenen Zubehörteilen beliefern.

IV.

Da die Verfügungsbeklagte das Verfügungsgebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Verfügungsklägerin gemäß §§ 11, 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. Ferner hat die Verfügungsklägerin aus § 24b Abs. 7 GebrMG den geltend gemachten Auskunftsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte wegen offenkundiger, im vorliegenden Fall unstreitiger Verletzung des Verfügungsgebrauchsmusters.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung war im Hinblick darauf geboten, dass das Verfügungsgebrauchsmuster ein erst vor kurzem eingetragenes Gebrauchsmuster ist und der Verfügungsbeklagten im Falle der Aufhebung der einstweiligen Verfügung ein erheblicher Schaden durch Gewinnausfälle droht. Die Verfügungsbeklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2010 unwidersprochen vorgebracht, die Gewinnmarge pro Exemplar der angegriffenen Ausführungsform, die unstreitig zu einem Preis von etwa 60.000,00 EUR verkauft wird, liege bei etwa 50 Prozent, da die Entwicklungskosten fast vollständig amortisiert seien.

Der Streitwert, welcher auf Grundlage des Angriffsinteresses der Verfügungsklägerin zu bestimmen ist, war über die Angabe der Verfügungsklägerin hinaus auf ebenfalls 500.000,00 EUR festzusetzen. Das Verfügungsgebrauchsmuster steht am Anfang seiner Laufzeit. Unstreitig verkauft die Verfügungsklägerin eigene Produkte, die im Wettbewerb zur angegriffenen Ausführungsform stehen und die von der technischen Lehre des Verfügungsgebrauchsmusters Gebrauch machen, zu einem Preis von jeweils mehreren zehntausend EUR. Es ist daher zu erwarten, dass die Verfügungsklägerin mit vom Verfügungsgebrauchsmuster geschützten Produkten einen Millionenumsatz erzielen wird. Hinzu kommt, dass das Angriffsinteresse der Verfügungsklägerin in der Höhe auch durch den Umsatz der Verfügungsbeklagten mit der angegriffenen Ausführungsform beeinflusst wird. Wie dargelegt, erzielt die Verfügungsbeklagte mit der angegriffenen Ausführungsform einen jährlichen Umsatz von etwa 3 Mio. EUR bei einer Gewinnmarge von etwa 50 Prozent. Demnach ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren ein deutlicher Abschlag bei der Streitwertfestsetzung vorzunehmen ist, der Streitwert auf 500.000,00 EUR festzusetzen.