4b O 4/17 – Dekodierungsverfahren 1

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2862

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 12. Dezember 2018, Az. 4b O 4/17

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
  3. a) Dekodiervorrichtungen zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wird, das Ortsfrequenzkomponenten zeigt,in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

    wobei die Vorrichtungen umfassen:

    eine Prädiktionseinheit, die ausgestaltet ist, einen Prädiktionswert für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten zu bestimmen, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist,

  4. wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist,
  5. einer Tabellenauswahleinheit, die ausgestaltet ist, eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts auszuwählen, und
  6. einer Einheit zum Dekodieren mit variabler Länge, die ausgestaltet ist, kodierte Daten zu dekodieren, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
  7. wobei die Prädiktionseinheit einen Prädiktionswert mit einem Wert von „A“ bestimmt, wenn keine dekodiertenBlöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden werden;
    (unmittelbare Patentverletzung, Vorrichtungsanspruch 4)

    und / oder

  8. b) Dekodierungsvorrichtungen, die zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes geeignet sind, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen,
  9. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
    mit:
    Bestimmen eines Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist;
  10. wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist;
  11. Auswählen einer Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts; und
  12. Dekodieren von kodierten Daten, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
  13. wobei der Prädiktionswert als ein Wert von „A“ bestimmt wird, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden wurden;
    (mittelbare Patentverletzung, Verfahrensanspruch 1)
  14. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Oktober 2015 begangen hat, und zwar unter Angabea) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  15. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  16. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  17. wobei
  18. zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  19. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Oktober 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  20. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  21. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  22. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  23. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  24. wobei
  25. der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  26. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
  27. 5. die unter 1. a) bezeichneten, seit dem 6. Oktober 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.12.2018, Az. 4b O 4/17) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  28. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. a) und b) bezeichneten, seit dem 6. Oktober 2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  29. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  30. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000.000 EUR, wobei für die Vollstreckung einzelner titulierter Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
    Ziff. I. 1., 4., 5.: 23.000.000 EUR
    Ziff. I. 2., 3.: 6.000.000 EUR
    Ziff. III: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  31. Tatbestand
  32. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP X (Anlage K 1, in deutscher Übersetzung eingereicht als Anlage K 2, im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
  33. Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents. Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 27. März 2003 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 15. April 2002 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 07. Februar 2007. Am 12. August 2009 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Ansehung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen X geführt (Anlage K 3).
  34. Die Beklagte erhob mit Schriftsatz vom 02. Oktober 2017 Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent, über die noch nicht entschieden wurde.
  35. Das Klagepatent betrifft ein Bilddekodierungsverfahren.
  36. Die in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents lauten in der von der Klägerin im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Fassung wie folgt:
  37. Anspruch 1
    „Dekodierverfahren zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen, mit:
    Bestimmen eines Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist, wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist,
    Auswählen einer Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts, und Dekodieren von kodierten Daten, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
    wobei der Prädiktionswert als ein Wert von „A“ bestimmt wird, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden wurden.“
  38. Anspruch 4
    „Dekodiervorrichtung zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wird, das Ortsfrequenzkomponenten zeigt, wobei die Vorrichtung umfasst:
    eine Prädiktionseinheit (X), die ausgestaltet ist, einen Prädiktionswert für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten zu bestimmen, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist, wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist, einer Tabellenauswahleinheit (X), die ausgestaltet ist, eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts auszuwählen, und einer Einheit (X) zum Dekodieren mit variabler Länge, die ausgestaltet ist, kodierte Daten zu dekodieren, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
    wobei die Prädiktionseinheit (X) einen Prädiktionswert mit einem Wert von „A“ bestimmt, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden werden.“
  39. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung. Dabei zeigt Fig. 4B ein Musterdiagramm, das eine physikalische Position eines zu kodierenden aktuellen Blocks und des als Referenz verwendeten kodierten Blocks zeigt. Es handelt sich um einen Fall der Verwendung von zwei benachbarten Blöcken.
    Fig. 19 zeigt den Fall, in dem ein Bitstrom einer Anzahl von Koeffizienten mit Bezug zu Tabellen in die Anzahl von Koeffizienten transformiert wird.
    Fig. 20C schließlich zeigt einen Fall der Verwendung einer VLC-Tabelle ohne Verwendung von Kodetabellen.
  40. Die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Beklagte vertreibt in Deutschland u.a. die Telefone „B“, „C“, „D“, „E“, „F“ und „G“ (angegriffene Ausführungsform).
  41. Die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) entwickelte den Videokompressions-Standard ISO/IEC XXX. 2001 schloss sich die ITU-Gruppe mit MPEG-Visual zusammen und führte die Entwicklung gemeinschaftlich fort. Ziel des Projekts war es, ein Kompressionsverfahren zu entwerfen, das im Vergleich zu bisherigen Standards sowohl für mobile Anwendungen als auch im TV und HD-Bereich die benötigte Datenrate bei gleicher Qualität mindestens um die Hälfte reduziert. 2003 wurde der Standard von beiden Organisationen mit identischem Wortlaut verabschiedet. Die ITU-Bezeichnung lautet H.XXX. Bei ISO/IEC MPEG wird der Standard unter der Bezeichnung H geführt. Es ist der zehnte Teil des I-Standards zu der ISO/IEC-Nr. XXX (achte Ausgabe 01.09.2014; auszugsweise vorgelegt als Anlage K 5, auszugsweise in deutscher Übersetzung eingereicht als Anlage K 5a, im Folgenden: AVC-Standard).
  42. Die angegriffene Ausführungsform ist mit dem AVC-Standard kompatibel. Die auf den angegriffenen Geräten abgespielten „J“ verwenden die Profile „K“, „L“ und „M“ des AVC-Standards.
  43. Das Klagepatent ist Teil eines AVC/H.XXX-Patentpools (nachfolgend: Patentpool). Der Patentpool umfasst derzeit ca. 5.000 Patente, die inklusive der Klägerin von knapp 40 Patentinhabern eingebracht worden sind (vgl. Anlage K 10 – Exhibit C, Exhibit D). Der Pool wird von der Gesellschaft N, LLC (nachfolgend: N) verwaltet.
  44. Die N hält auf ihrer Internetseite (www.A .com) den als Anlage K 10 – Exhibit G/G-a vorgelegten Lizenzvertrag als Standardlizenzvertrag (nachfolgend: Standardlizenzvertrag) vor. Diesen Lizenzvertrag haben derzeit über 2.000 Lizenznehmer mit der N abgeschlossen, wobei im Einzelnen streitig ist, ob jeder dieser Lizenznehmer den konkret in Bezug genommenen Standardlizenzvertrag geschlossen hat. Über die genannte Internetseite können Konkordanzlisten/Cross Reference Charts (Anlage K 10 – Exhibit E) abgerufen werden, die einschlägige Standardpassagen den Poolpatenten zuordnen. Ebenso ist eine Liste der Lizenzgeber einsehbar (Anlage K 10 – Exhibit D).
  45. In dem Standardlizenzvertrag finden sich unter anderem folgende Regelungen in deutscher Übersetzung:
  46. „[Präambel]
    […]
    Jeder Lizenzgeber verpflichtet sich hiermit dazu, Einzelpersonen, Gesellschaften oder sonstigen Rechtsträgern einzelne Lizenzen bzw. Unterlizenzen nach sämtlichen AVC wesentlichen Patenten zu maßvollen, angemessenen, nicht diskriminierenden Bedingungen entsprechend den hier vereinbarten Geschäftsbedingungen zu erteilen, die vom Lizenzgeber (ohne Zahlungen an Dritte) erteilt werden können.
    Jeder Lizenzgeber gewährt dem Lizenzverwalter eine weltweite, nicht-exklusive Lizenz und/oder Unterlizenz an allen vom Lizenzgeber lizenzierbaren oder unterlizenzierbaren für AVC wesentlichen Patenten, um es dem Lizenzverwalter zu ermöglichen, weltweit nicht-exklusive Unterlizenzen an allen diesen für AVC wesentlichen Patenten gemäß der Bestimmungen dieses Vertrages zu gewähren.
    […]
    Nichts aus der vorliegenden Vereinbarung untersagt den einzelnen Lizenzgebern, die Rechte aus den einzelnen AVC wesentlichen Patenten zur Herstellung, Verwendung, zum Verkauf oder zum Angebot eines Verkaufs zu lizensieren oder als Unterlizenzen zu vergeben, zu denen auch unter anderem die Rechte gehören, die nach der AVC-Patentportfolio-Lizenz vergeben werden.
    […]
    2. Gewährung durch den Lizenzverwalter
    2.1
    AVC Produkte(e). Vorbehaltlich der Bestimmungen der vorliegenden Vereinbarungen (einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Artikel 3 und 7), gewährt der Lizenzverwalter hiermit einem Codec-Lizenznehmer eine gebührenpflichtige, weltweite, nicht ausschließliche und nicht übertragbare Unterlizenz nach allen AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio, ein AVC Produkt herzustellen, herstellen zu lassen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten und […].
    […]
    3.
    Gebühren und Bezahlung
    3.1
    Gebühren für die Lizenzen zu den AVC wesentlichen Patenten im AVC-Patentportfolio. Für die Lizenzen, die in Artikel 2 dieser Vereinbarung nach den AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio gewährt werden, muss der Lizenznehmer dem Lizenzverwalter zugunsten der Lizenzgeber für die Laufzeit der vorliegenden Vereinbarung die im Folgenden festgesetzten Gebühren entrichten:
    3.1.1.
    AVC Produkt(e). Vorbehaltlich der Beschränkung aus Artikel 3.1.9. ist in jedem Kalenderjahr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz bei einem Verkauf nach dem 31. Dezember 2004 eines AVC Encoders, eines AVC Decoders oder eines AVC Codec (die nachstehend in diesem Artikel als „Einheit“ bezeichnet werden) und unabhängig davon, ob eine oder mehrere Einheiten in ein einziges Produkt integriert sind, die folgende Gebühr zu entrichten:
  47. Verkauf von Einheiten in einem beliebigen
    Kalenderjahr nach dem 31. Dezember 2004 zu entrichtende Gebühren
    0 bis 100.000 Einheiten 0,00.
    100.001 bis 5.000.000 Einheiten 0,20 $ pro Einheit
    mehr als 5.000.000 Einheiten 0,10 $ pro Einheit
  48. Die Gebühr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz übersteigt jedoch keinesfalls die nachstehend aufgeführten Beträge für den kombinierten Verkauf von AVC Produkten eines Lizenznehmers und seiner Tochtergesellschaften:
  49. Kalenderjahr Zu entrichtende Gebühr nach
    Unternehmen pro Jahr
    Verkauf 2005 und 2006 3.500.000 $
    Verkauf 2007 und 2008 4.250.000 $
    Verkauf 2009 und 2010 5.000.000 $
    Verkauf zwischen 2011 und 2015 6.500.000 $
    Verkauf 2016 8.125.000 $
    Verkauf zwischen 2017 und 2020 9.750.000 $“
  50. Weitere Regelungen zum Umfang der gewährten Lizenz sind in Ziffer 2.2 – Ziffer 2.10 vorgesehen, wobei es in Ziffer 2.9 heißt:
  51. „Vorbehaltlich von Artikel 3.1.7 berechtigen die in den Absätzen 2.1 – 2.7 dieser Vereinbarung gewährten Lizenzen den Lizenznehmer nicht, Unterlizenzen zu gewähren. Der Lizenzverwalter ist bereit, jeder Tochtergesellschaft des Lizenznehmers eine AVC Patentportfolio-Lizenz zu gewähren.“
  52. Schließlich wird als ein „Codec-Lizenznehmer“ gemäß Ziffer 1.17 des Standardlizenzvertrags eine Person oder ein Rechtsträger bezeichnet, der ein AVC Produkt an (i) einen Codec-Lizenznehmerkunden (vgl. dazu Ziffer 1.18 des Vertrags) bzw. (ii) einen Endkunden verkauft.
  53. Im Übrigen wird wegen des weiteren Inhalts des Standardlizenzvertrages auf diesen Bezug genommen.
  54. Seit dem Jahr 2009 führte zunächst die „O“, die wie die Beklagte eine Konzerngesellschaft der chinesischen Muttergesellschaft P Ltd ist (nachfolgend: Muttergesellschaft), mit der B Lizenzverhandlungen, in die später auch die Muttergesellschaft involviert war. Die Verhandlungen hatten zunächst nur den MPEG 2 Standard zum Gegenstand. Ein wesentlicher Punkt, über den die Parteien keine Einigung erzielten, war die Lizenzierung des regionalen Marktes der Volksrepublik China (nachfolgend: VRC). Die Muttergesellschaft favorisierte eine weltweite Lizenzierung mit Ausnahme der VRC, die B bestand hingegen auf eine Einbeziehung des chinesischen Marktes.
    Mit E-Mail vom 6. September 2011 (Anlage K 10 – Exhibit A, A-a) wandte sich die B hinsichtlich des streitgegenständlichen AVC-Standards erneut an die Q. So heißt es dort in deutscher Übersetzung:
  55. (…)
  56. Hierauf reagierte Q per E-Mail vom 15. September 2011 (Anlage B 21, 21 a) durch Herr E , genannt C , worin er um ein Telefonat bat, um die weiteren Einzelheiten dieser Angelegenheit besprechen zu können. Mit E-Mail vom 10. Februar 2012 bestätigte C den Erhalt der Lizenzunterlagen, die zuvor versehentlich an die Adresse seines vorherigen Büros geschickt worden waren.
    In der sich anschließenden Kommunikation wurde – wie im Rahmen der Verhandlungen über den Q-Standard – thematisiert, ob eine Lizenzierung nur an einzelne Konzerngesellschaften möglich sei, ohne dass die chinesische Mutter bzw. der chinesische Markt davon erfasst werde. Im November 2013 endeten die Gespräche, bevor es im Juli 2016 zu einem erneuten Treffen kam, an dem unter anderem über die Lizenzierung des AVC-Standards verhandelt wurde. Eine Lizenzierung fand jedoch nicht statt.
  57. Im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits legte die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung ein erstes Gegenangebot vom (…) vor. Das erste Gegenangebot wurde von (…). Das Angebot übernahm aus dem Standardlizenzvertrag die Staffelung nach Anzahl der Einheiten, aber mit unterschiedlichen Lizenzsätzen für unterschiedliche regionale Märkte (…). Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an.
  58. Mit Schreiben vom (…) legte die Beklagte der Klägerin eine unwiderrufliche Bankbürgschaft (…) über einen Betrag in Höhe von bis zu (…) (Anlage B 42, 42a) vor. Gleichzeitig kündigte die Beklagte die zeitnahe Abrechnung allfälliger Lizenzgebühren gemäß Ziffern 4.4 und 4.5 des Angebots vom (…).
  59. Mit Schriftsatz vom (…) legte die Beklagte ein zweites Gegenangebot vor (Anlage B 87), das sie der Klägerin mit Schreiben vom (…) (Anlagen B 89, 89a) ebenso wie eine Abrechnung der Lizenzgebühren für den Zeitraum (…) (Anlagen B 88, 88a) zukommen ließ. Im Unterschied zum ersten Angebot bieten die Konzerngesellschaften der Beklagten (…) nunmehr eine weltweit einheitliche Lizenz in Höhe von X US-Cent ohne regionale Differenzierung (…). Den Lizenzsatz berechnete die Beklagte pro rata aus dem Betrag, der der Klägerin nach Auffassung der Beklagten nach der Anzahl ihrer Patente im Verhältnis zur Anzahl aller Patente im Patentpool zusteht, inklusive eines Aufschlags von X% für den Mehraufwand der Klägerin, wegen einer Lizenzierung außerhalb des Pools. Das Inkrafttreten des Vertrages bestimmt sich nach der Annahme durch die Klägerin. Verletzungshandlungen in der Vergangenheit sind auf Grundlage der angebotenen Lizenzraten zu vergüten. In der mündlichen Verhandlung lehnte die Klägerin auch dieses Angebot ab.
  60. Abgesehen von hiesigem Rechtsstreit ist ein Verfahren der hiesigen Klägerin gegen die I vor der Kammer anhängig (…). Andere Poolmitglieder (J II LLC, K ; L K.K.) führen gegen die Beklagte ebenfalls Rechtstreitigkeiten. Auch in diesen Verfahren erklärte sich die Beklagte zum Abschluss individueller Portfoliolizenzverträge bereit.
  61. Die Klägerin ist der Auffassung, das Klagepatent sei standardwesentlich für die Benutzung des AVC-Standards. Der AVC-Standard beziehe sich „blockbasierend“, nämlich auf Basis von R, auf ein Dekodierungsverfahren zur Dekodierung eines „kodierten Images“ (eines kodierten Bildes). Das „kodierte Image“ (das kodierte Bild) werde durch Umwandlung eines Bildes in „Koeffizienten, die örtliche Frequenzkomponenten aufweisen“ (Transformationskoeffizienten) erworben. Das gelte auch für die Chroma-Werte. Auch bei den Abtastraten X und X werde das kodierte Bild durch Transformation von Koeffizienten der Chroma-Komponenten S und T, die Ortsfrequenzen zeigten, erhalten. Beim Dekodieren des Bildes müssten diese Ortsfrequenzkomponenten der Chroma-Komponenten S und T zurücktransportiert werden, um zusammen mit den zurücktransformierten Luma-Ortsfrequenzkomponenten das dekodierte Bild zu erhalten.
  62. Es werde weiterhin ein „vorhersagbarer Wert für eine Gesamtzahl von nicht nullwertigen Koeffizienten“ (nC) in einem zu dekodierenden „aktuellen Block“ (einem aktuellen Makroblock) anhand einer „Gesamtzahl von nicht nullwertigen Koeffizienten“ (nB), die in einem „sich oberhalb des aktuellen Blocks befindlichen dekodierten Block“ (blkB) eingeschlossen sind, und eine „Gesamtzahl von nicht nullwertigen Koeffizienten“ (nA), die in einem „sich links des aktuellen Blocks befindlichen dekodierten Block“ (blkA) eingeschlossen sind, bestimmt.
    Dabei genüge die – unstreitige – Bestimmung des Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten für einen U. Denn das Klagepatent erfordere nur die Bestimmung des Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten seien, für einen einzigen Block des Bildes.
  63. Es werde eine „Tabelle der variablen Kodelänge“ (Sp. 2 der Tabelle 9-5 in Kombination mit einer der Sp. 3 bis 6 der Tabelle 9-5 des AVC-Standards) anhand des ermittelten „vorhersagbaren Werts“ (nC) ausgewählt. Dabei genüge bereits die Auswahl einer VLC Tabelle für einen Luma-Block des kodierten Bilds. Eine VLC-Tabelle erfasse zusätzlich die ersten beiden Spalten der Tabelle 9-5 des AVC-Standards, weil sich hieraus die Zuordnung zwischen den VLC Kodewörtern zu den dekodierten Werten „V“ und „W“ ergebe.
    Die Tabelle 9-5 des AVC-Standards enthalte damit mehrere VLC-(Unter )Tabellen. Es erfolge eine Auswahl einer VLC-Tabelle von verschiedenen VLC-Tabellen in Abhängigkeit des Prädiktionswerts, wie vom Klagepatent verlangt.
    Außerdem verenge die Beklagte den Begriff „Tabelle“ zu sehr. Die im Klagepatent bezüglich der Funktion der Tabelle genannte Aufgabe bestehe darin, einem Wert einen Kode mit variabler Länge zuzuweisen, so dass der jeweilige Wert dem Kode variabler Länge entspricht. Entscheidend sei, dass die Tabelle einen Wert in einen Kode transformiere bzw. den Kode in den entsprechenden Wert transformiere. Bei einer VLC-Tabelle stelle dabei der VLC Kode „codierte Daten“ im Sinne des Klagepatents dar und der Wert stelle die dekodierte Repräsentation dieser „codierten Daten dar“. Dabei erfasse die klagepatentgemäße Tabelle sämtliche Implementierungsvarianten, die die Transformation eines VLC Kodes zu entsprechenden dekodierten Daten erlaubten.
    Der AVC-Standard setze die erfindungsgemäße Lehre voraus, weil einem VLC Kodewort der Tabelle 9-5 des Standards über die zweite Spalte der Tabelle 9-5 die entsprechende dekodierte Gesamtzahl von Nicht-Null-Koeffizienten („W(Y))“ zugeordnet sei.
  64. Ein Schlechthinverbot sei gerechtfertigt; ein Warnhinweis wäre wirkungslos und würde die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform nicht davon abhalten, die patentgeschützte Lehre zu benutzen.
  65. Die Klägerin behauptet im Zusammenhang mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand, sie habe alle AVC-pflichtigen Unternehmen, die noch keine Lizenz abgeschlossen hätten, mit Serien-E-Mails kontaktiert, darunter auch die chinesischen Wettbewerber der Beklagten L. Die Klägerin behauptet, dass die N dazu befugt oder bevollmächtigt sei, für die Klägerin hinsichtlich des Klagepatents tätig zu werden. Sie behauptet ferner, dass sämtliche Mitglieder des Pools es stets und ausschließlich mit Lizenzvergaben über den Pool hätten bewenden lassen und keines der Poolmitglieder direkt und außerhalb des Pools eine Individuallizenz an Schutzrechten vergeben habe. Der gesamte Vortrag wird von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten.
    Die Klägerin bestreitet ferner mit Nichtwissen, dass die Erfolgschancen bei der Rechtsdurchsetzung in chinesischen Patentverletzungsverfahren geringer seien.
  66. Die Klägerin ist der Ansicht, die Grundsätze, die der EuGH in der Entscheidung „B /L“ aufgestellt habe, fänden in diesem Fall keine Anwendung, sondern es seien die vom BGH aufgestellten Grundsätze aus der Entscheidung „Orange-Book“ anzuwenden. Es gebe in der Elektronikbranche einen seit Jahren angebotenen und branchenbekannten Standardlizenzvertrag, so dass keine Informationsasymmetrie bestanden habe, wie sie der Entscheidung „B /L“ des EuGH zugrunde gelegen habe. Insofern hätte die Beklagte bereits unmittelbar nach Benutzungsaufnahme der AVC-Technologie ein Angebot unterbreiten und laufend Rechnung legen müssen.
  67. Die Klägerin sowie auch die übrigen Mitglieder des Patentpools hätten N das Mandat und die einfache Lizenz erteilt, in ihrem Namen den Standardlizenzvertrag zu schließen. Es sei offenkundig, dass N ein Lizenzverwalter sei und daher die Lizenzvergabe namens und in Vollmacht der Poolmitglieder also auch der Klägerin besorge.
    Die globale Tätigkeit des B -Konzerns einerseits und die globale Abdeckung des AVC-Standards bzw. der Pool-Patente würden Lizenzgespräche mit der Konzernspitze gebieten. Anderenfalls bestünde darüber hinaus eine Missbrauchsgefahr, dass die hier streitgegenständlichen Mobiltelefone als flüchtige Ware auch in nicht lizensierten Ländern vertrieben würden. Abgesehen davon handele es sich bei der Muttergesellschaft um die Herstellerin, so dass sie die eigentliche Quelle des patentverletzenden Vertriebs sei, was eine Lizenzierung erforderlich mache.
    Bereits in der E-Mail vom (…) (Anlage K 10 – Exhibit A, A-a) sei ein ausreichender Verletzungshinweis zu sehen, weil auf die konkreten Handlungen, den Vertrieb von Mobiltelefonen und Tablets, hingewiesen worden sei. Im Übrigen handele es sich bei den von der Beklagten aufgestellten inhaltlichen Anforderungen an den Verletzungshinweis nur um eine Förmelei, weil die Beklagte als führendes IP-Unternehmen mit einer der größten Patentabteilungen der VRC, sehr wohl mit der streitgegenständlichen Technik vertraut gewesen sei. Das Verlangen von Claim Charts oder einer Proud List sei erstmalig in (…) zur Sprache gekommen.
  68. Weiter läge auch ein schriftliches FRAND-Angebot seitens der Klägerin vor. Der mit E-Mail vom (…) übermittelte Standardlizenzvertrag sei der Vertrag, der nahezu 1.400-mal unverändert ohne jegliche Ausnahme abgeschlossen worden sei, daran ändere auch der Vermerk „Muster“ nichts. Diese Information sei der Klägerin auch frühzeitig übermittelt worden. Der einzige offene Punkt sei die Regelung für die Lizenzschulden der B -Unternehmensgruppe für die Vergangenheit gewesen.
    Die Beklagte habe sich anhand der Essentiality Cross Reference Charts von der Standardessentialität der Pool-Patente überzeugen können, und sei dazu auch ohne weiteres als ein Unternehmen mit einer der größten Patentabteilungen, die mit allen namhaften IP-Kanzleien weltweit in Kontakt stehen, in der Lage gewesen. Jedenfalls hätte die Beklagte externen Sachverständigen Rat einholen können.
    Alle bisherigen Lizenznehmer des Patentpools hätten die Darlegung der Essentialität anhand der genannten Charts als ausreichend angesehen, was bereits ein schlagender Beleg dafür sei, dass die Charts zu den geschäftlichen Gepflogenheiten in der hier interessierenden AVC-Branche zum Zwecke des Nachweises der Essentialität gehörten.
  69. Nach kartellrechtlicher Beurteilung sei die Vereinbarung mehrerer Patentinhaber, ihre standardessentiellen Patente in einem Patentpool einzubringen und Dritten eine einheitliche Lizenz an allen Poolpatenten – sei es selbst oder durch einen Poolverwalter – anzubieten (Patentpoollizenz), unbedenklich, zumal die Kommission sich in einer ihrer jüngsten Mitteilungen ausdrücklich für die Förderung der Schaffung von Patenpools ausgesprochen habe. Für die Benutzung der AVC-Technologie habe sich die streitgegenständlich seitens der Klägerin angebotene Standardlizenz durchgesetzt. Die tausendfache Lizenzierung belege, dass sie für die AVC-Branche zu den etablierten Lizenzgepflogenheiten gehöre und für andere Formen der Lizenznahme keine Notwendigkeit gesehen werde. Es diene auch den Interessen der Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert werde, weil sie damit der Notwendigkeit und Last enthoben seien, bei jedem einzelnen SchutzrechtN bern um eine Lizenz nachsuchen zu müssen.
  70. Der Standardlizenzvertrag sei ausnahmslos stets mit gleichem Inhalt gewährt worden. Unabhängige, neutrale Gutachter seien zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den im Pool befindlichen Patenten um SEPs handele. Dies belege auch der Umstand, dass fast 1.400 weltweit operierende Unternehmen die Standardlizenz genommen hätten und keines dieser Unternehmen eine Überdeklarierung angenommen habe. Die Vorlage einer sog. „proud list“ bedürfe es angesichts der essentiality Toss reference charts und den Klagepatenten aus den angestrengten Parallelverfahren nicht. Die Gefahr des Überdeklarierens bestünde gegenüber der N nicht, weil die Patente erst dann in den Patentpool aufgenommen würden, wenn die unabhängige sachverständige Prüfung die Standardessentialität bestätige. Eine einseitige nicht überprüfte Erklärung nach ISO/ITU/IEC Regeln spiele daher keine Rolle.
    Alle Lizenznehmer kämen ausnahmslos in den Genuss der Staffellizenzierung und der Kappungsgrenze (royalty cap). Der Konzern der Beklagten erreiche die Kappungsgrenze seit (…) bereits durch Umsätze (…) die X % des globalen Konzernumsatzes ausmachten. Nach seiner Funktionalität handele es sich bei einem Smartphone eben nicht nur um ein mobiles Telefon, sondern auch um ein Videoabspielgerät. Lizensiert werde die Videocodiertechnik. Eine Pflicht zur Gleichbehandlung ungleicher Unternehmen werde vom Diskriminierungsverbot gerade nicht erfasst.
    Eine numerische Pauschalierung ohne Anpassungsklausel sei gerechtfertigt, weil die Poollizenzierung ganz erheblich von der anfänglichen Poollizenzierung aller anfangs bestehenden Poolpatente profitiere.
    Eine Vielzahl nicht chinesischer Lizenznehmer wie L seien auf dem chinesischen Markt erfolgreich tätig und führten dafür Lizenzgebühren ab. Ein global tätiger Weltkonzern, dem die Beklagte angehöre, errechne seine Gewinne global und bewerte seine Vertriebstätigkeiten global. Insofern komme es auf den global gemittelten Preis und nicht auf einen gegebenenfalls künstlich herabgesetzten Preis in einem einzelnen Vertriebsgebiet an. Die einheitlich global festgesetzte Poollizenz diene daher der Gleichbehandlung aller Lizenznehmer.
    (…) gehöre zu den patentstärksten Nationen im Patentpool, so dass keine ungleiche geographische Gewichtung der Pool-Patente vorliege. Es seien auch keine gravierenden Preisunterschiede zwischen (…) erkennbar.
    Dass einige Lizenznehmer für Mobilfunkgeräte nur einige ausgewählte Profile des AVC-Standards nutzten, gelte für alle Lizenznehmer gleichermaßen. Insofern läge keine Ungleichbehandlung vor. Der HEVC Standard sei nicht relevant. Es handele sich um eine andere Technologie, ferner werde das Lizenzprogramm nicht von der B angeboten.
  71. (…)
  72. Die Einräumung von Ratenzahlungen für Lizenzschulden in der Vergangenheit oder einem Tilgungsplan stehe keiner Rabattierung gleich. Diese Maßnahmen würden zudem allen Lizenznehmern angeboten.
  73. Das vermeintliche Auswahlkriterium der Beklagten, nur eine Lizenz an Patenten einer klagenden Poolpartei zu nehmen, sei willkürlich und weder kartellrechtlich noch technisch begründbar. Die tausendfache Lizenzierung belege, dass für AVC-standardkompatible Produkte auch eine Lizenz an den Pool-Patenten der nicht klagenden Pool-Mitglieder erforderlich sei. In diesem Zusammenhang sei das Angebot einer Individuallizenz „unfrand“. Insoweit würde durch Abweichungen von der Standardpoollizenz das eigene Poollizenzprogramm untergraben und die Poolpatentinhaber liefen durch die Gewährung entsprechend individueller Abweichungen Gefahr, sich dem kartellrechtlichen Diskriminierungsvorwurf auszusetzen.
    Im Hinblick auf das erste Gegenangebot sei nicht ersichtlich, wieso die Beklagte eine Differenzierung der Lizenzraten zwischen (…).
  74. Die Klägerin beantragt,
  75. I. die Beklagte zu verurteilen,
  76. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
  77. a) Dekodiervorrichtungen zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wird, das Ortsfrequenzkomponenten zeigt,in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

    wobei die Vorrichtungen umfassen:

    eine Prädiktionseinheit, die ausgestaltet ist, einen Prädiktionswert für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten zu bestimmen, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist,

  78. wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist,
  79. einer Tabellenauswahleinheit, die ausgestaltet ist, eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts auszuwählen, und
  80. einer Einheit zum Dekodieren mit variabler Länge, die ausgestaltet ist, kodierte Daten zu dekodieren, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
  81. wobei die Prädiktionseinheit einen Prädiktionswert mit einem Wert von „A“ bestimmt, wenn keine dekodiertenBlöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden werden;
    (unmittelbare Patentverletzung, Vorrichtungsanspruch 4)

    und / oder

  82. b) Dekodierungsvorrichtungen, die zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes geeignet sind, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen,
  83. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
    mit:
    Bestimmen eines Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist, und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist;
  84. wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist;
  85. Auswählen einer Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts; und
  86. Dekodieren von kodierten Daten, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge,
  87. wobei der Prädiktionswert als ein Wert von „A“ bestimmt wird, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden wurden;
    (mittelbare Patentverletzung, Verfahrensanspruch 1)
  88. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Oktober 2015 begangen hat, und zwar unter Angabea) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  89. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  90. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  91. wobei
  92. zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  93. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Oktober 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  94. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  95. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen, zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  96. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  97. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  98. wobei
  99. der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  100. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
  101. 5. die unter 1. a) bezeichneten, seit dem 6. Oktober 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  102. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. a) und b) bezeichneten, seit dem 6. Oktober 2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  103. Die Beklagte beantragt,
  104. die Klage abzuweisen;
  105. hilfsweise, der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden;
  106. weiter hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die betreffend das Klagepatent beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen.
  107. Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
  108. Die Beklagte ist der Auffassung, das Klagepatent sei nicht standardessentiell. Der AVC-Standard offenbare nicht die Bestimmung der quantisierten Transformationskoeffizienten für sämtliche der Lumasignale (Y) und Chromasignale (U, V). Eine solche Offenbarung sei aber notwendig, weil ansonsten ein kodiertes Bild (zusammengesetzt aus sämtlichen Chroma und Lumasignalen sämtlicher Bildpunkte) nicht sinnvoll übertragen werden könne. Es würden nicht alle „nC“-Werte nach dem AVC-Standard vorausgesagt, nämlich diejenigen nicht, die mit den gängigsten Abtastraten für Chromasignale korrespondierten, und zwar X (für nC = X) und X (für nC = X), vgl. Ziffer 8.7 des AVC-Standards. Daher könne das Bild nicht sinnvoll kodiert bzw. dekodiert werden.
  109. Das Klagepatent bestimme außerdem, dass bei der Ermittlung der Gesamtanzahl der Nicht-Null-Koeffizienten der oberen und linken Nachbarblöcke alle Transformationskoeffizienten mit einem Niveauwert abweichend von „A“ zu berücksichtigen seien. Der laut AVC-Standard bestimmte Prädiktionswert werde jedoch nicht auf Basis der Gesamtanzahlen der Nicht-Nullkoeffizienten des oberen und des linken Nachbarblocks bestimmt, sondern entsprechend der Note 1 in Abschnitt 9.2.1 des AVC-Standards unter Auslassung des Niveauwerts des ChromaDCLevels (Gleichanteil).
  110. Nach der patentgemäßen Lehre werde eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts ausgewählt. Dabei könne, anders als in dem vom Klagepatent zitierten Stand der Technik, unstreitig aus mehreren vorhandenen Tabellen ausgewählt werden. Der Standard definiere demgegenüber nur die Verwendung einer einzigen VLC-Tabelle. Denn die unterschiedlichen Gruppen von Kodewörtern (Spalten 3 bis 6 der Tabelle 9-5) würden sich nicht in mehreren VLC-Tabellen befinden, sondern seien lediglich in einer VLC-Tabelle, der Tabelle 9 5, zusammengefasst.
    Der Begriff „Tabelle“ bezeichne eine spezifische, und nur als solche nach dem Klagepatent „auswählbare“, Datenstruktur, die nach fachmännischem Verständnis eine Anordnung von Daten in Zeilen und Spalten verlange. Die „Tabelle“ sei nach dem Klagepatent außerdem technisch-funktional dadurch bestimmt, dass sie zum „Kodieren mit variabler Länge“ geeignet sein müsse. Das Klagepatent verstehe darunter Tabellen, die eine Zuordnung zwischen Kodeworten variabler Länge (VLC-Kodes) und Kodezahlen treffen. Die Kodezahlen seien dabei Zwischenwerte, die noch einer weiteren Umsetzung in die endgültigen Anzahlen von Nicht-Null-Koeffizienten bedürften. Nach dem AVC-Standard werde aber allenfalls eine bestimmte Spalte einer einzigen Tabelle ausgewählt, die für sich genommen jedoch keine „Tabelle“ im Sinne des Klagepatents darstelle, weil eine einzelne Spalte für sich alleine noch keine Zuordnung der zu (de )kodierenden Werte treffe. Dies sei nur in Kombination mit einer weiteren Spalte möglich, die diese Werte enthalte, was die Klägerin jedoch für den AVC-Standard nicht dargetan habe. Außerdem enthalte die Tabelle 9-5 des AVC-Standards keine Zuordnungen von VLC-Kodewörtern und Kodezahlen.
  111. Nach Anspruch 1 des Klagepatents werde die in Abhängigkeit des Prädiktionswerts ausgewählte Tabelle zum Dekodieren der Anzahl der Nicht-Null-Koeffizienten des aktuellen Blocks verwendet. Aus der patentgemäßen Definition, wonach die kodierten Daten „durch Kodieren der Gesamtzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden“, folge ferner, dass neben dieser Kodierung der Gesamtzahl von Nicht-Null-Koeffizienten keine weiteren Kodierungsschritte erforderlich seien, um die zu dekodierenden Daten zu erhalten.
    Aus der Tabelle 9-5 nach dem AVC-Standard ergebe sich aber, dass die kodierten Daten („Y“) gemäß dem Standard nicht nur durch Kodieren der Gesamtzahl von Nicht-Null-Koeffizienten („W(Y)“) erhalten würden. Vielmehr würden zur Dekodierung des Wertes Y zusätzlich die nachziehenden Koeffizienten („V(Y)“) kodiert. Laut Tabelle 9-5 seien diese nachziehenden Koeffizienten ebenfalls maßgeblich für die Bestimmung der in den Spalten 3 bis 6 aufgelisteten Bitfolgen. Daher sei auch die Länge der Codeworte auf die Häufigkeit dieser Kombination hin optimiert und nicht mehr auf die Häufigkeit der jeweiligen Anzahlen von Nicht Null-Koeffizienten. Dies sei bereits daraus ersichtlich, dass Kombinationen, die jeweils dieselbe Anzahl von Nicht-Null-Koeffizienten beinhalteten (etwa die Anzahl 10), mit unterschiedlichen Kodewörtern korrespondieren, abhängig von der Anzahl der sog. „trailing ones“. Eine solche Kodierung von Kombinationen verschiedener Werte löse jedoch nicht mehr die erfinderische Aufgabe einer möglichst effizienten Kodierung der Anzahl von Nicht-Null-Koeffizienten mit Kodeworten variabler Länge.
  112. Die Klägerin habe die Patentverletzung auch deswegen nicht substantiiert, weil es gegenüber der vom Standard definierten Verwendung einer (einzigen) VLC-Tabelle alternative Implementierungsmöglichkeiten gebe. Die Tabelle 9.5 könne mittels Fallunterscheidung umgangen werden. Außerdem erlaube es der Standard, den nC-Wert auf „X“ zu setzen, wenn es keine Blöcke oberhalb oder links des aktuellen Blocks gebe.
  113. Ein Schlechthinverbot sei hinsichtlich der geltend gemachten mittelbaren Patentverletzung unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt, weil eine wirtschaftlich sinnvolle patentfreie Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen in Betracht komme. Daher könne die Klägerin allenfalls Maßnahmen zur Verhinderung von unmittelbaren Patentverletzungen durch Dritte verlangen.
  114. Die Beklagte behauptet, dass die von ihr vorgebrachten Zahlen betreffend die Verbreitung des Standardlizenzvertrages in der Mobilfunkbranche für den Zeitraum (…) von der Datenbank (…) stammen. Ferner hätten die Mitarbeiter (…) den gesamten AVC-Pool analysiert, Frau N habe diejenigen AVC Poolpatente identifiziert und analysiert, die in englischer Sprache veröffentlicht worden seien. Den gesamten Vortrag bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.
    Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass alle übrigen vorgelegten Lizenzverträge dasselbe Portfolio betreffen und somit vergleichbar seien. Sie bestreitet ferner mit Nichtwissen, dass Prüfungsumfang und Beweismaß des US-Verfahrens N mit der deutschen Gerichtspraxis vergleichbar seien, so dass das Urteil des US District Court of Washington at Seattle vom 25. April 2013 keine Aussage über die FRAND-Gemäßheit der Standardlizenz von X für hiesiges Verfahren treffe.
  115. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die Geltendmachung der Unterlassungs-, Rückruf- und Vernichtungsansprüche durch die Klägerin kartellrechtswidrig sei, weil die Klägerin das vom EuGH in der Entscheidung „B /ZTE“ aufgestellte Prozedere nicht eingehalten habe.
    Die Beklage habe vor Erhebung der Klage in keiner Weise mit der Klägerin in Kontakt gestanden. Aber auch die X habe (…) die Muttergesellschaft nicht hinreichend über die Verletzung informiert.
    Die Klägerin selbst habe nicht gehandelt. Insoweit passe es nicht zusammen, dass die X einerseits namens und in Vollmacht der Poolpatentinhaber Lizenzen schließen können soll – dann wäre sie stellvertretend tätig – oder aber Nutzungsrechte im Wege einer einzigen Unterlizenz vergebe, dann handele es sich um eine Lizenzvergabe an Dritte im eigenen Namen. Sofern die X als Lizenzgeberin mit der Befugnis zur Unterlizenzvergabe tätig sei, schließe das aber eine Handlungszurechnung an die Klägerin aus. Der vom EuGH vorgesehene Dialog werde empfindlich gestört, wenn zunächst mit dem Pool verhandelt werde.
    Eine Verletzungsanzeige liege nicht vor. Der bloße Hinweis auf den Vertrieb der beklagtenseitigen Produkte, die nach dem AVC-Standard arbeiten sollten, sowie die Übersendung einer dem Standardlizenzvertrag beigefügten Patentliste, seien nicht ausreichend.
    Zu keinem Zeitpunkt sei eine Liste repräsentativer Patente (sog. proud list) einschließlich einer Gegenüberstellung der einzelnen Patentansprüche mit den entsprechenden Passagen des Standards übersandt worden. Bei einer Referenzliste von 5.000 Patenten, sei es auch einem mit der Technik vertrauten Experten unmöglich, die konkret geltend gemachten Patentansprüche und deren Verletzung eigenständig zu prüfen. Dies gelte umso mehr für die Beklagte, die selbst über keine AVC-essentiellen Schutzrechte verfüge und insofern mit der dem Klagepatent zugrunde liegenden Technik nicht vertraut sei.
    Die Übersendung der Standardlizenzverträge insbesondere auch im (…) stelle kein wirksames Angebot zum Abschluss eines Vertrages dar. Es habe sich lediglich um Mustervertragsbedingungen gehandelt, die keine Unterschrift enthielten und auch den Lizenznehmer nicht konkretisierten. Insofern stelle dies allenfalls eine invitatio ad offerendum dar. Im Übrigen seien die wesentlichen Erwägungen aufgrund derer die X ihre vorgeschlagenen Vergütungsparameter für FRAND halte, nicht erläutert worden. Dies gelte selbst dann, wenn die Essentialität der (allermeisten) Schutzrechte für den geltend gemachten Standard außer Streit stünde, treffe aber umso mehr zu, wenn – wie hier – Grund zu der Annahme bestehe, dass der ganz überwiegende Teil aller im Pool gebündelten Portfolioschutzrechte tatsächlich nicht essentiell sei. Es liege ein unzulässiges „bundling“ vor. Die gemeinsame Lizenzierung von essentiellen und nicht essentiellen Patenten durch den Pool führe zu einem verbotenen Preiskartell der Poolmitglieder. Die Standard-Poollizenz biete massive Anreize zum Überdeklarieren. Die für den AVC-Standard anwendbaren ISO/ITU/IEC Regeln träfen kaum Vorkehrungen, die geeignet wären, ein unangemessenes Aufblähen von SEP-Portfolios zu verhindern.
    Die Beklagte ist darüber hinaus der Auffassung, dass sie diskriminiert werde, und zwar sowohl mit Blick auf (…).
  116. Das Angebot berücksichtige nicht, dass in unterschiedlichen Absatzmärkten sehr stark unterschiedliche Verkaufspreise und folglich verschiedene Lizenzniveaus vorherrschten. Der erzielte Umsatz (…) bleibe deutlich hinter dem (…) zurück. Sofern die Lizenzierung dies nicht berücksichtige, käme es gemessen am Verkaufspreis zu einer eindeutig exzessiven Gesamtlizenzbelastung. Der Umstand, dass trotz (…) die dort erzielten Umsätze deutlich zurückblieben, sei ein Beleg für die günstigeren Preise (…). Wie sich aus dem englischen Urteil im Verfahren „O /B “ ergebe, sei für die Berechnung der FRAND Lizenzrate in China ein Faktor von 50% dessen, was in anderen Märkten noch als FRAND angesehen werden könne, anzusetzen.
    Ferner vergebe die X die Poollizenzen regional unterschiedlich, so das keineswegs in jedem Fall zwingend auch die Konzernmutter und/oder alle Konzerngesellschaften lizenziert würden. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten könne dann auch die chinesische Muttergesellschaft der Beklagten von der Lizenzierung ausgenommen bleiben.
    Die Deckelung des volumenbasierten Staffellizenzsatzes begünstige überproportional großvolumige Lizenznehmer mit hohen Absatzzahlen. Die Beklagte werde insbesondere gegenüber Multiproduktanbieter benachteiligt, da diese mit TV-Geräten etc. viel schneller die Kappungsgrenze erreichten und von diskriminierenden Effektivlizenzsätzen profitieren. Je größer das Delta zwischen den tatsächlichen Stückzahlen eines Lizenznehmers und den zum Erreichen des Höchstbetrages allein notwendigen Stückzahlen, umso größer die Spreizung der anwendbaren Effektivlizenzsätze.
  117. Die Beklagte erleide überdies Wettbewerbsnachteile, weil der Standard letztlich aus unterschiedlichen Substandards (Profilen) bestehe, die nicht alle von den Geräten der Beklagten unterstützt würden. Und selbst bei dem unterstützten Profil („K“) gebe es optionale Merkmale, deren Unterstützung für das verwirklichte Profil nicht zwingend erforderlich sei (wie FMO, ASO, RS, data partitioning und SI/SP slices und die in den Endgeräten der Beklagten tatsächlich nicht verwirklicht würden. Der Nachfolgestandard H.XXX oder HEVC sehe unterschiedlich hohe Raten vor, je nachdem in welchem Umfang die Produkte eines Lizenznehmers von den Profilen des Standards Gebrauch machten.
  118. Der wirtschaftliche Wert des Patentpools entspreche nicht mehr dem, den der Pool noch im Jahre 2004 hatte. Neben der Abnahme der Essentialitätsrate trage der Vertrag auch nicht dem Umstand Rechnung, dass der Standard insgesamt in seiner Bedeutung und damit an wirtschaftlichem Wert abgenommen habe. Er werde vielmehr schematisch über Jahre hinweg angewendet.
    Die überwiegende Mehrheit der durch den Pool verwalteten Patente stehe (…). Die Anwendung der Standardlizenzsätze auch für (…) führe zu einer vergleichsweise überproportionalen Gewichtung von territorial unterrepräsentierten Schutzrechten.
  119. Der Standardlizenzvertrag habe sich nicht im Wettbewerb mit alternativen Lizenzangeboten am Markt durchgesetzt, da es solche schlichtweg nicht gebe. Die Lizenzpraxis des Patentpools ziele ausschließlich auf die Standardlizenz ab, während gleichzeitig die Poolmitglieder individuelle Portfoliolizenzen verweigerten.
  120. Die Lizenzierungspraxis sei höchst selektiv. Maßgeblich sei die Lizenzierung auf dem relevanten Produktmarkt der Mobiltelefone. Betrachte man diesen relevanten Markt seien auf Grundlage einer weltweiten Betrachtung nach Stückzahlen X % in einem Zeitraum (…) bis einschließlich (…) nicht lizensiert. Von den X % des lizensierten Marktes entfallen X % auf Mitglieder des X Pools. Somit seien nur % des Marktes Lizenznehmer und zugleich Pool-Mitglieder. Eine solche Lizenzierungspraxis sei nicht aussagekräftig und hieraus könnten keine belastbaren Schlüsse für die Marktakzeptanz der Standardlizenz von X gezogen werden.
  121. Die vorgelegten Verträge seien ungeeignet, den FRAND-Charakter zu belegen.
    (…)
    Da die Möglichkeit, individuelle Lizenzen mit den einzelnen Pool-Mitgliedern, weiterhin bestehe müsse, stünden die Individuallizenz und der Standardlizenzvertrag für den Patentpool als Alternativen nebeneinander, die beide FRAND-gemäß seien.
    Das erste Gegenangebot berücksichtige die regionale Verteilung der Poolpatente, den Anteil der Klägerin an allen essentiell-deklarierten Poolpatenten, den Anteil derjenigen Profile und Merkmale, die von mobilen Endgeräten, namentlich denen der Beklagten bzw. des Konzerns der Beklagten typischerweise nicht unterstützt würden und (…) nach der englischen Rechtsprechung vorgenommenen 50%-Abschlag.
  122. Im Übrigen werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen, weil die patentgemäße Lehre durch die Entgegenhaltungen EP X (Anlagenkonvolut Z, dort AA) und JVT-FXXX (NK 7) neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme der in der Klagepatentschrift angegebenen Priorität vom 15.04.2002 unwirksam sei.
    Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche sei darüber hinaus nicht erfinderisch gegenüber der im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigten Druckschrift „Emerging H.XXX Standard: Overview and BB Digital Media Platform Implementation, White Paper“ (NK 8) in Kombination mit dem Fachwissen oder mit den Entgegenhaltungen ISO-IEC CC (Anlage B 62 / NK 15) und VCEG-LXX (Anlage B 63 / NK 16) bzw. gegenüber einer Kombination der im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigten Druckschriften JVT-BXXX (NK 9) und JVT-BXXX (NK 10).
  123. Die beigezogene Akte 4b O 5/17 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
  124. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
  125. Entscheidungsgründe
  126. A.
    Die Klage ist zulässig und begründet.
  127. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2 S. 1, 140a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
  128. I.
    Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Bilddekodierungsverfahren.
  129. Aus dem Stand der Technik war eine Kodierung bewegter Bilder bekannt, die im Allgemeinen ein Bild in Blöcke einer bestimmten Größe unterteilt und eine Intrabildvorhersage und eine Interbildvorhersage für jeden Block durchführt (Anlage K 2, Abs. [0002], die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Klagepatentschrift, soweit nicht anders angegeben). Anschließend wendet sie eine orthogonale Transformation, z.B. eine diskrete Cosinustransformation oder dergleichen, auf jeden Block der kleinsten Einheit eines Bereiches (d.h. 4×4 Pixel) an, um somit eine Kodierung durchzuführen, die eine Kodierung mit variabler Länge auf der Grundlage der Laufebenenkodierung für Koeffizienten verwendet, die mittels orthogonaler Transformation gewonnene Raumfrequenzkomponenten aufweisen.
  130. Die Kodierung mit variabler Länge weist den Werten der im Block enthaltenen Koeffizienten, auf die die orthogonale Transformation angewendet wird (Ebene), sowie den Zahlen bestehend aus einer Serie eines Koeffizienten 0 (Lauf) einen Kode variabler Länge zu (Abs. [0003]). In diesem Fall wird eine Tabelle, die den Werten mit dem Kode variabler Länge entspricht, als VLC-Tabelle bezeichnet. Bei dem herkömmlichen Verfahren wird nur eine Tabelle als VLC-Tabelle jeweils für die Intravorhersagekodierung und die Intervorhersagekodierung vorbereitet (Bezug zu ISO/IEC CC (E) Information Technology — coding of audio-visual objects, Part2: Visual (1.12.1999) S. 119, 7.4.1 Variable length decoding). Es besteht daher das Problem, dass sich die Kodierungseffizienz in Abhängigkeit von einer Qualität eines zu kodierenden aktuellen Bildes stark unterscheidet.
  131. Um dieses Problem zu lösen, ist laut Klagepatentschrift ein Verfahren denkbar, das mehrere Tabellen vorbereitet, um somit auf diese Bezug zu nehmen durch Umschalten zwischen diesen entsprechend der Anzahl der Koeffizienten ungleich 0, die in einem aktuellen Block enthalten sind, auf den die orthogonale Transformation angewendet wird (Abs. [0005]). Um dies zu verwirklichen, sei es notwendig, eine Kodierung durchzuführen, indem eine Kodierung mit variabler Länge für die Anzahl der Koeffizienten ungleich 0 angewendet wird, jedoch seien das Kodierungsverfahren und das Dekodierungsverfahren noch nicht geschaffen worden.
  132. Aus dem Stand der Technik war die Schrift EP X vorbekannt, die sich auf einen Bildkodierer und dekodierer bezieht. Gemäß dieser Anmeldung wird vorgeschlagen, dass die Modusdaten eines zu kodierenden Blocks anhand der Modusdaten der bereits kodierten benachbarten Blöcke vorhergesagt werden und unter Verwendung einer Kodeworttabelle, die gemäß einer Prädiktionstrefferquote umgeschaltet wird, kodiert werden (Abs. [0006]). In der Kodeworttabelle werde die Kodewortlänge kürzer als für die Kodierungsmodi mit höherer Trefferquote eingestellt.
  133. Vorbekannt war auch der Artikel von Gisle Bjontegaard: „Verbesserte Entropiecodierung mit geringerer Komplexität für Transferkoeffizienten“ (Improved low complexity entropy coding for transfer coefficients) bezüglich eines auf der Entropiekodierung beruhenden Vorschlags. Der Grundgedanke der Arbeit ist die Schaffung eines stärker selbstadaptiven Verfahrens und die vorgeschlagene Methode verwendet nur einen einzigen Scan.
  134. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe, ein Bilddekodierungsverfahren sowie ein Bildkodierungsverfahren vorzuschlagen, die die Kodierung der Anzahl von Koeffizienten ungleich 0, die in dem Block enthalten sind, auf den die orthogonale Transformation angewendet wird, mit hoher Effizienz unabhängig von der Qualität des aktuellen Bildes verwirklicht (Abs. [0008]).
  135. Zur Lösung dieses Problems sieht das Klagepatent in Anspruch 1 ein Verfahren und in Anspruch 4 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
  136. Anspruch 1
  137. 1. Dekodierverfahren zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes,
    1.1 wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen,
    1.2 mit:
    1.2.1 Bestimmen eines Prädiktionswertes,
    1.2.2 Auswählen einer Tabelle,
    1.2.3 Dekodieren von kodierten Daten.
  138. 2. Bestimmen eines Prädiktionswertes für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist,
    2.1 auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist,
    2.2 und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist,
    2.3 wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist,
    2.4 wobei der Prädiktionswert als ein Wert von „A“ bestimmt wird, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden wurden.
  139. 3. Auswählen einer Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts.
  140. 4. Dekodieren von kodierten Daten,
    4.1 die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind,
    4.2 unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge.
  141. Anspruch 4
  142. 1. Dekodiervorrichtung zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes,
    1.1 wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wird, das Ortsfrequenzkomponenten zeigt,
    1.2 wobei die Vorrichtung umfasst:
    1.2.1 eine Prädiktionseinheit (X),
    1.2.2 eine Tabellenauswahleinheit (X),
    1.2.3 eine Einheit (X) zum Dekodieren mit variabler Länge.
  143. 2. Die Prädiktionseinheit (X),
    2.1 ist ausgestaltet, einen Prädiktionswert für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten zu bestimmen, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist,
    2.1.1 auf Basis einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der oberhalb des aktuellen Blocks angeordnet ist,
    2.1.2 und einer Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem dekodierten Block enthalten sind, der links von dem aktuellen Block angeordnet ist,
    2.1.3 wobei jeder Nicht-Null-Koeffizient ein Transformkoeffizient mit einem Niveauwert abweichend von „A“ ist,
    2.2 die Prädiktionseinheit (X) bestimmt einen Prädiktionswert mit einem Wert von „A“, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden werden.
  144. 3. Die Tabellenauswahleinheit (X) ist ausgestaltet, eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts auszuwählen.
  145. 4. Die Einheit (X) zum Dekodieren mit variabler Länge ist ausgestaltet, kodierte Daten zu dekodieren,
    4.1 die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind,
    4.2 unter Verwendung der ausgewählten Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge.
  146. II.
    Im Hinblick auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit bedürfen die Merkmale 1 und 1.1, 3, 4.1 sowie die Merkmalsgruppe 2 des Anspruchs 1 und des Anspruchs 4 der Auslegung.
  147. 1.
    Anspruch 1 des Klagepatents setzt ein Dekodierverfahren zum blockweisen Dekodieren eines kodierten Bildes voraus, wobei das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen (Merkmale 1 und 1.1). Anspruch 4 schützt eine entsprechende Dekodiervorrichtung (Merkmale 1 und 1.1).
  148. Das Klagepatent geht davon aus, dass bei der Kodierung bewegter Bilder das Einzelbild zunächst in Blöcke bestimmter Größe unterteilt wird und eine Intrabildvorhersage und eine Interbildvorhersage für jeden Block durchgeführt wird. Anschließend wird eine orthogonale Transformation wie zum Beispiel eine diskrete Cosinustransformation oder dergleichen auf jeden Block der kleinsten Einheit eines Bereiches angewendet (Abs. [0002]). Dadurch werden für die Werte eines Blockes Transformationskoeffizienten erhalten, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen, die anschließend mittels Kodes variabler Länge kodiert werden (vgl. Abs. [0003]).
  149. An ein solches Kodierverfahren knüpft die Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 4 an, wenn es in den Merkmalen 1 und 1.1 heißt, dass die Dekodierung das blockweise Dekodieren eines kodierten Bildes betrifft, wobei das dekodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen. Die Patentansprüche setzen damit voraus, dass das gesamte kodierte Bild durch Transformieren des Bildes bestehend aus sämtlichen Blöcken oder sonstigen Unterteilungen in Koeffizienten erhalten wurde.
  150. Die Unterteilung des Bildes in Blöcke kann beispielsweise dergestalt erfolgen, dass jeweils die Werte für die Leuchtdichte (Lumasignal) und für die Farbdifferenz (Chromasignal) verschiedene Blöcke bilden. Dabei wird jeder Bildpunkt eines Bildes durch einen Lumawert und zwei Chromawerte charakterisiert. Diese Differenzierung zwischen Helligkeit und Farbwert klingt auch in der Klagepatentschrift an (Abs. [0056]). Darauf ist die Lehre des Klagepatents jedoch nicht beschränkt.
  151. Soweit Merkmal 1.1 das kodierte Bild dahingehend beschreibt, das es durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wird, das Ortsfrequenzkomponenten zeigt, ist damit lediglich eine aus dem Stand der Technik bekannte Verfahrensweise beschrieben: Sämtliche Bilddaten, mithin die Pixelwerte eines Blockes werden einer Transformation unterzogen, beispielsweise einer diskreten Cosinustransformation (Abs. [0002]). Es entsteht eine Transformationsmatrix mit Koeffizienten, die die Koeffizienten für die jeweiligen Ortsfrequenzen repräsentieren. Denn jede Position der Matrix korrespondiert mit entsprechenden Ortsfrequenzen fx und fy. Diese geben die im Block des Ausgangsbilds jeweils vorhandenen Frequenzen in horizontaler und vertikaler Richtung wieder, beginnend mit den niedrigsten Frequenzen fx und fy für x = 0 bzw. y = 0 und aufsteigend für höhere x und y. Insbesondere ist im Fall x = y = 0 die Ortsfrequenz Null. An der Position x = y = 0 wird somit regelmäßig der Gleichanteil des Bildes wiedergegeben. Das bedeutet nicht, dass der Transformationskoeffizient an dieser Position ebenfalls Null ist. Vielmehr gibt der Wert an dieser Position den Gleichanteil des Bildes wieder. Es versteht sich von selbst, dass die blockweise Transformation des gesamten Bildes in Koeffizienten für das kodierte Bild sämtliche Bildpunkte erfassen und auch den Gleichanteil wiedergeben muss. Grundsätzlich führt die Transformation zu einer Koeffizientenmatrix mit Einträgen an allen Positionen.
  152. Die angestrebte Kompression wird dadurch erreicht, dass die Transformationkoeffizienten in einem weiteren Schritt quantisiert werden. Die Koeffizienten werden verkleinert und gerundet, wodurch vor allem an den höherfrequenten Positionen der Transformationsmatrix die Koeffizienten regelmäßig den Wert Null annehmen.
  153. Die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents unterscheiden insofern zwischen Nicht-Null-Koeffizienten und Koeffizienten mit einem Wert von Null. Nicht-Null-Koeffizienten sind in Merkmal 2.3 von Anspruch 1 und Merkmal 2.1.3 von Anspruch 4 definiert und sind Transformationskoeffizienten mit einem Niveauwert abweichend von „A“. Jeder Block enthält eine bestimmte Anzahl von Nicht-Null-Koeffizienten. Die Lehre des Klagepatents ist auf die Dekodierung dieser Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten in einem Block gerichtet, wobei dafür die Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten anderer Blöcke verwendet wird. Die Unterscheidung zwischen Nicht-Null-Koeffizienten und Koeffizienten mit einem Wert von Null spielt für Merkmale 1 und 1.1 des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 4 des Klagepatents jedoch keine Rolle.
  154. 2.
    Merkmalsgruppe 2 behandelt die Bestimmung des Prädiktionswerts, und zwar abweichend von Merkmal 1.1 nicht für das gesamte Bild, sondern nur für einen aktuellen Block, der zu dekodieren ist. Merkmale 2 und 4.1 des Anspruchs 1 bzw. Merkmale 2.1 und 4.1 des Anspruchs 4 zeigen, dass mit dem aktuellen Block derjenige gemeint ist, der zu dekodieren ist. Dies wird bestätigt in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele in Abs. [0031], [0042], [0051], [0067], [0124] für die Kodierung und in Abs. [0107], [0112], [0144] für die Dekodierung. Dabei ist nicht maßgeblich, um welche Art von Blöcken es sich handelt. Es ist auch nicht erforderlich, dass für sämtliche Blöcke des gesamten Bildes ein Prädiktionswert gemäß der Merkmalsgruppe 2 zu bestimmen ist. Die Ansprüche 1 und 4 enthalten insoweit keine einschränkende Vorgabe. Der aktuelle Block ist im Übrigen von Referenzblöcken abzugrenzen, deren Nicht-Null-Koeffizienten zur Bestimmung des Prädiktionswerts des aktuellen Blocks herangezogen werden, wie sich aus den Merkmalen 2.1 und 2.2 des Anspruchs 1 sowie aus den Merkmalen 2.1.1 und 2.1.2 des Anspruchs 4 ergibt. Dies kommt im Übrigen anschaulich in Abs. [0124] zum Ausdruck, wo von „Referenzblöcken für den aktuellen Makroblock“ die Rede ist.
  155. Der Prädiktionswert wird anspruchsgemäß für eine Gesamtanzahl von Nicht-Null Koeffizienten, die in einem aktuellen Block enthalten sind, der zu dekodieren ist, anhand der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten in Referenzblöcken, und zwar in bereits dekodierten Blöcken oberhalb und links von dem aktuellen Block, bestimmt. In Abhängigkeit von dem gemäß Merkmalsgruppe 2 ermittelten Prädiktionswert wird dann gemäß Merkmal 3 eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge ausgewählt. Mit Hilfe dieser ausgewählten Tabelle können dann gemäß der Merkmalsgruppe 4 die kodierten Daten, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind, dekodiert werden. Anders als in dem vom Klagepatent gewürdigten Stand der Technik wird die Gesamtanzahl der Nicht-Null-Koeffizienten eines Blocks nach der Lehre des Klagepatents nicht mit nur einer Kodiertabelle kodiert und dekodiert (Abs. [0004]), sondern es findet gemäß Merkmal 3 eine von einem Prädiktionswert abhängige Auswahl aus mehreren Tabellen statt. Dies erlaubt die vom Klagepatent angestrebte höhere Kodiereffizienz bei gleicher Bildqualität (vgl. Abs. [0008] und [0212]). Dafür ist es aber nicht erforderlich, dass für alle Blöcke des gesamten Bildes die Bestimmung des Prädiktionswertes gemäß der Merkmalsgruppe 2 zwingend vorzunehmen ist. Der Effizienzgewinn lässt sich – wenn auch in einem geringeren Umfang – auch dann verwirklichen, wenn nur für einzelne Blöcke eines Bildes die technische Lehre des Klagepatents zur Anwendung gelangt. Genau das kommt auch in dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 4 zum Ausdruck: Die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents enthalten keine Beschränkung dahingehend, dass die Gesamtanzahl der Nicht-Null-Koeffizienten für alle Luma und alle Chroma-Blöcke ermittelt werden muss. Denn die Merkmalsgruppe 2 bezieht sich anders als das Merkmal 1.1 für die Bestimmung des Prädiktionswerts lediglich auf den aktuellen zu dekodierenden Block und nicht auf jeden Block eines Vollbildes (s.o.).
    Etwas anderes folgt auch nicht aus den Merkmalen 1 und 1.1 sowie der Merkmalsgruppe 4 der Ansprüche 1 und 4. Denn in diesen Merkmalen wird nicht Bezug genommen auf die Bestimmung des Prädiktionswerts.
  156. 3.
    Der Prädiktionswert wird gemäß der Merkmale 2.1 und 2.2 dergestalt bestimmt, dass die Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten von bereits dekodierten Blöcken ermittelt wird. Konkret sollen die Koeffizienten der beiden Blöcke verwendet werden, die oberhalb und links von dem aktuellen Block angeordnet sind. Auf Basis dieser Gesamtanzahl wird dann ein Prädiktionswert bestimmt; dieser muss also nicht zwingend mit der ermittelten Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten identisch sein. Der Prädiktionswert wird mit einem Wert von Null bestimmt, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb oder links von dem aktuellen Block aufgefunden werden (Merkmal 2.4 des Anspruchs 1 und Merkmal 2.2 des Anspruchs 4). Dies ist der Fall, wenn sich der aktuelle Block ganz oben links im Bild befindet.
  157. Der Prädiktionswert stellt die Grundlage für die Auswahl der im Merkmal 3 der Ansprüche 1 und 4 genannten Tabelle dar. Insofern stellt die Festlegung, dass bei fehlenden Referenzblöcken oberhalb und links des aktuellen zu dekodierenden Blocks der Prädiktionswert auf Null zu setzen ist, sicher, dass eine bestimmte Tabelle zur Auswahl gelangt.
  158. 4.
    Nach Merkmal 3 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents wird eine Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge auf Basis des bestimmten Prädiktionswerts ausgewählt.
  159. Die Möglichkeit der Auswahl einer Tabelle setzt voraus, dass mehrere Tabellen zum Kodieren mit variabler Länger zur Verfügung stehen, aus denen eine ausgewählt werden kann. Damit unterscheidet sich die Lehre des Klagepatents vom Stand der Technik, der lediglich die Verwendung einer einzigen Tabelle kannte (Abs. [0003]). Die erfindungsgemäße Lehre ermöglicht so eine höhere Kodiereffizienz bei gleicher Bildqualität (vgl. Abs. [0005], [0008] und [0212]), da nunmehr eine Auswahl von (vorteilhafteren) Kodes in Abhängigkeit vom Wert der Gesamtanzahl der Nicht-Null-Koeffizienten erfolgen kann.
  160. Funktional setzt eine Tabelle im Sinne von Merkmal 3 der Patentansprüche 1 und 4 voraus, dass sie jedenfalls die Zuordnung eines längenvariablen Kodes zu einer bestimmten Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten im aktuellen Block leistet. Dies ergibt sich aus dem Merkmal 3 und der Merkmalsgruppe 4: Demnach sollen mit Hilfe der Tabelle Daten dekodiert werden, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von in dem aktuellen Block enthaltenen Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden (Merkmal 4.1), wobei die Kodierung – also die umgekehrte Richtung – mit der Tabelle zum Kodieren mit variabler Länge erfolgte (Merkmal 3). Damit unterscheidet sich die in den Klagepatentansprüchen genannte Tabelle funktional nicht von der im Stand der Technik bekannten VLC-Tabelle, die einem Wert einen Kode mit variabler Länge zuweist, so dass der jeweilige Wert dem Kode variabler Länge entspricht (vgl. Abs. [0003]). Allerdings sieht die erfindungsgemäße Lehre nunmehr mehrere solcher Tabellen vor, von denen eine auf Basis des Prädiktionswertes ausgewählt wird.
  161. Nach dem Wortlaut der Klagepatentansprüche und auch bei funktionaler Betrachtung ist dabei nicht ausgeschlossen, dass mehrere Prädiktionswerte zur Auswahl der gleichen Tabelle führen. Der vom Klagepatent angestrebte Effizienzgewinn setzt nicht voraus, dass jedem möglichen Prädiktionswert genau eine Tabelle zugeordnet wird, die sich von den Tabellen für die anderen Prädiktionswerte unterscheidet. Dies zeigt auch das Diagramm 5 in der Klagepatentschrift, das mehreren Vorhersagewerten eine VLC-Tabelle zuordnet. Zudem weist die Wendung „auf Basis des bestimmten Prädiktionswertes“ im Merkmal 3 darauf hin, dass der Prädiktionswert der Ausgangspunkt der Auswahl ist, nicht aber dass jedem Prädiktionswert genau eine Tabelle und umgekehrt zuzuordnen ist.
  162. Nähere Vorgaben bezüglich der Auswahl der Tabelle enthalten die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents nicht. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass auch bei einem Prädiktionswert abweichend von Null die gleiche Tabelle zur Auswahl gelangt wie im Falle des Prädiktionswertes von Null auf der Grundlage der Merkmale 2.4 des Anspruchs 1 und 2.2 des Anspruchs 4.
  163. Aus Abs. [0065] des Klagepatents folgt nichts anderes. Dieser zeigt, dass bei fehlenden Referenzblöcken oberhalb und links des zu dekodierenden aktuellen Blocks neben dem Prädiktionswert Null prinzipiell auch ein anderer Wert festgelegt werden könnte. Das Klagepatent hat sich in den Ansprüchen 1 und 4 für den Wert Null entschieden. Hierdurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass auch bei höheren Prädiktionswerten die gleiche VLC-Tabelle zur Auswahl gelangt. Entscheidend ist die eindeutige Zuordnung bei dem Prädiktionswert von Null. Die obigen Ausführungen gelten ebenfalls für die Abs. [0032] und [0052] a.E.
  164. Wie letztlich die Zuordnung von Prädiktionswerten zu den Tabellen mit den Kodes variabler Länge erfolgt, überlässt das Klagepatent dem Fachmann. Es ist insofern auch möglich, dass statt mehrerer einzelner Tabellen für jeden Prädiktionswert eine Tabelle existiert, in der die einzelnen Tabellen aufgenommen sind, so dass über die einzelnen Zeilen und Spalten eine Zuordnung von Prädiktionswerten und Kodes zueinander erfolgt, wie dies etwa das Diagramm 4 in Kombination mit dem Diagramm 5 der Klagepatentschrift zeigt.
  165. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass neben einer VLC-Tabelle eine sog. Kodetabelle eingesetzt wird, um die Kodierung durchzuführen (z.B. Abs. [0028], [0116]). Die Kodetabelle ist dabei eine Tabelle zum Transformieren der Anzahl der Koeffizienten in eine Kodezahl, während die VLC-Tabelle eine Tabelle zum Transformieren der mittels der Kodetabelle erhaltenen Kodezahl in einen Kode variabler Länge ist (Abs. [0028]). Die Kodier und Dekodiervorgänge werden z.B. in Fig. 5 und 19 beispielhaft dargestellt. Die Kodetabelle oder die VLC-Tabelle können laut Klagepatent auch „fixiert“ werden, so dass ein Umschalten nicht erforderlich ist (Abs. [0059], [0140]). Das Klagepatent beschreibt ferner die Möglichkeit, keine Kodetabellen zu verwenden (Abs. [0139] sowie Fig. 20C). In diesem Fall findet eine direkte Transformation von der Anzahl der Koeffizienten in einen Kode variabler Länge (Abs. [0139]) statt. Der Einsatz der Kodetabelle ist nach den Ansprüchen 1 und 4 mangels entsprechender Vorgaben jedenfalls nicht zwingend.
  166. Relevant ist nach den Ansprüchen 1 und 4 lediglich, dass die Auswahl der Tabelle auf der Basis eines Prädiktionswerts erfolgt (Merkmal 3), dessen Bestimmung Gegenstand der Merkmalsgruppe 2 der Ansprüche 1 und 4 ist (s.o.). Nicht ausgeschlossen ist daher, dass weitere Werte bei der Auswahl eine Rolle spielen.
  167. Insofern ist denkbar, dass für denselben Prädiktionswert mehrere Tabellen zur Auswahl stehen, wobei in die Auswahl noch andere Parameter einfließen. Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs erfolgt auch dann die Auswahl „auf Basis des bestimmten Prädiktionswertes“. Solange diese Funktion der Zuordnung von Tabellen mit Kodes variabler Länge zu den jeweiligen Prädiktionswerten erfüllt wird, kommt es auch nicht darauf an, ob die Kodierung bzw. Dekodierung mit einem besonderen Rechenaufwand verbunden ist, etwa weil mehrere Tabellen miteinander verbunden sind und die Auswahl der jeweiligen Tabelle von weiteren Parametern abhängig ist.
  168. Die Klagepatentansprüche 1 und 4 enthalten keine Vorgaben, wie die im Merkmal 3 genannten Tabellen software- oder hardware-technisch in einer Dekodiervorrichtung oder für die Anwendung des geschützten Verfahrens zu implementieren sind. Begrifflich sind Tabellen nichts anderes als eine graphisch übersichtliche Darstellung von Daten in Zeilen und Spalten, wobei die Einträge von Zeilen und Spalten regelmäßig untereinander im Zusammenhang stehen. Eine bestimmte Art und Weise der Implementierung ist mit dem Begriff einer Tabelle nicht verbunden und lässt sich so auch nicht der Beschreibung des Klagepatents entnehmen. Vielmehr deutet die Vielgestaltigkeit möglicher Tabellen darauf hin, dass auch ihre Implementierung letztlich dem Fachmann überlassen bleibt, solange nur die vom Klagepatent vorausgesetzte Zuordnung von Prädiktionswerten zu einem Satz von Kodes variabler Länge vorhanden ist, mit denen die Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten im aktuellen Block kodiert wurde. Selbst wenn es besonders vorteilhafte Lösungen für die Implementierung von Tabellen – etwa in Form von Tabellen-Arrays – gibt, überlässt es das Klagepatent letztlich dem Fachmann, wie er die Zuordnung der Prädiktionswerte zu dem jeweiligen Satz von Kodes variabler Länge bewerkstelligt.
  169. 5.
    Anspruch 1 setzt ferner ein Dekodieren von kodierten Daten voraus, die durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, die in dem aktuellen Block enthalten sind (Merkmal 4.1). Anspruch 4 bezieht sich auf eine entsprechende Einheit.
    Das Klagepatent schreibt lediglich vor, dass die kodierten Daten durch Kodieren der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten erhalten wurden, ohne dabei weitere Kodierungsschritte auszuschließen. Aus dem Wortlaut „durch“ folgt keine Verengung der erfindungsgemäßen Lehre dahingehend, dass nur mittels der Gesamtanzahl der Nicht-Null-Koeffizienten eine möglichst effiziente Kodierung erfolgen müsse. Letzteres wird auch vom Klagepatent nicht vorausgesetzt, wonach es auf die Verbesserung der Kodierungseffizienz und nicht etwa auf die Erzielung einer bestmöglichen Effizienz, ankommt (Abs. [0008]).
  170. III.
    Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland verletzt die Beklagte das Klagepatent. Denn die angegriffene Ausführungsform entspricht unstreitig den Vorgaben des AVC-Standards, der wiederum die Benutzung der Lehre des Klagepatents voraussetzt. Dies begründet sowohl eine unmittelbare Verletzung des Klagepatentanspruchs 4 als auch eine mittelbare Verletzung des Klagepatentanspruchs 1.
  171. 1.
    Die angegriffene Ausführungsform entspricht den Vorgaben des AVC-Standards, der die Benutzung der Lehre des Klagepatents voraussetzt.
  172. a)
    Der AVC-Standard geht von kodierten Bildern im Sinne der Merkmale 1 und 1.1 der Ansprüche 1 und 4 aus. Insbesondere wird standardgemäß das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen.
  173. Dies ist mit Blick auf die Luma-Blöcke zwischen den Parteien unstreitig. Für die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre reicht dies jedoch, wie im Rahmen der Auslegung ausgeführt, nicht aus. Denn klagepatentgemäß muss das gesamte kodierte Bild, bestehend aus Luma und Chromasignalen, durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten worden sein.
  174. Doch auch die Chroma-Blöcke werden standardgemäß in Transformationskoeffizienten transformiert, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen. Dies gilt insbesondere für ein kodiertes Bild bei den zwischen den Parteien umstrittenen Abtastraten X (ChromaArrayType = 1) und X (ChromaArrayType = 2). Relevant sind in diesem Zusammenhang Transformationskoeffizienten für die Chroma-Komponenten S und T (zu diesen Symbolen vgl. Ziff. 3.24 des Standards).
    Nach Abschnitt 8.5.4 des AVC-Standards wird bei den o.g. Abtastraten für jeden 4×4 Chroma-Block eine Variable „chromaList“, eine Liste mit 16 Einträgen, abgeleitet. 15 Einträge hiervon weisen ChromaACLevel auf (Abschnitt 8.5.4.2.a a.E. des AVC-Standards). Bei den AC-Einträgen handelt es sich um Transformationskoeffizienten (vgl. Abschnitt 8.5.4 des AVC-Standards), die Ortsfrequenzen zeigen und wieder dekodiert werden (vgl. die Bildung des Arrays u laut Abschnitt 8.5.4 a.E. sowie den Bildkonstruktionsprozess laut Abschnitt 8.5.14 des AVC-Standards).
    Der erste Eintrag in der „chromaList“ ist ein Wert aus dem Array dcC (Abschnitt 8.5.4.2.a des AVC-Standards), der – unstreitig – einen DC-Transformationskoeffizienten darstellt (vgl. Abschnitt 8.5.4.1 des AVC-Standards). Ein DC-Transformationskoeffizient ist nach Ziff. 3.38 des AVC-Standards ein Transformationskoeffizient, bei dem der Frequenzindex in allen Dimensionen Null ist. Damit handelt es sich bei dem Wert ChromaDCLevel um den Gleichanteil des entsprechenden Chroma-Blocks, d.h. die Ortsfrequenzen für diesen Wert sind Null. Dass der korrespondierende Transformationskoeffizient in Form des Wertes ChromaDCLevel Teil des kodierten Bildes bzw. Blocks ist, ergibt sich unmittelbar aus dem AVC-Standard, weil die aus den kodierten Daten abgeleitete chromaList genau diesen Wert neben den 15 ChromaACLevel-Werten aufweist (Abschnitt 8.5.4.2.a des AVC-Standards), der dann im Rahmen des Transformations-Dekodierungsprozesses in das Array u eingeht und innerhalb dieses Arrays dem Bildkonstruktionsprozess unterworfen ist (Abschnitt 8.5.14 des AVC-Standards). Dies kann auch gar nicht anders sein, weil jedes Bild und jeder Block eines Bildes grundsätzlich einen Gleichanteil aufweisen, der kodiert und dann wieder dekodiert wird. Eine andere, für die Merkmale 1 und 1.1 nicht relevante Frage ist es, ob der Wert ChromaDCLevel auch für die Bestimmung des Prädiktionswertes berücksichtigt wird.
  175. b)
    Auch die Merkmalsgruppe 2 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents wird durch den AVC-Standard verwirklicht.
    Nach zutreffender Auslegung genügt für die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre, wenn die in der Merkmalsgruppe 2 vorgegebene Bestimmung des Prädiktionswerts für einen aktuellen Block erfolgt, wie dies nach dem AVC-Standard im Fall der Luma-Blöcke geschieht.
  176. Der Einwand, statt als ein Wert von „A“ könne der Prädiktionswert nach dem AVC-Standard auch als ein Wert von „1“ bestimmt werden, weil ein Prädiktionswert nC von „1“ gemäß der Tabelle 9-5 zur Anwendung derselben Kodes führe, dringt nicht durch. In einem solchen Fall ist der Wert „1“ mit dem Wert „A“ gleichzusetzen, weil beide Werte zur Anwendung derselben Tabelle führen. Wie im Rahmen der Auslegung zu Merkmal 3 ausgeführt, ist nicht ausgeschlossen, dass verschiedene Prädiktionswerte zur selben Tabelle führen. Funktional verlangt das Merkmal 2.4 auch nur, dass die Tabelle zur Anwendung kommt, die einem Prädiktionswert von „A“ zugeordnet ist, wenn sich oberhalb und links vom aktuellen Block keine dekodierten Blöcke befinden. Das ist nach dem AVC-Standard aber der Fall (vgl. Abschnitt 9.2.1 und 6.4.11.4 des AVC-Standards).
  177. c)
    Der AVC-Standard verwirklicht auch Merkmal 3 der Ansprüche 1 und 4. Die Tabelle 9-5 laut AVC-Standard stellt eine klagepatentgemäße Tabelle dar. Nach zutreffender Auslegung ist unschädlich, dass es sich letztlich um eine Tabelle mit mehreren (Unter )Tabellen handelt und dass eine Kodetabelle nicht eingesetzt wird. Die Auswahl der längenvariablen Codes erfolgt im Rahmen der Kodierung anhand der Zuordnung zu den Werten in den beiden ersten Spalten (V und W) sowie anhand des Prädiktionswerts nC, der mittels der Blöcke links bzw. oberhalb des zu dekodierenden Blocks bestimmt wird. Letzterer stellt den bestimmten Prädiktionswert dar (Abschnitt 9.2.1 des AVC-Standards). Nach zutreffender Auslegung ist die Heranziehung weiterer Werte neben dem bestimmten Prädiktionswert, um eine Kodiertabelle auszuwählen, unschädlich.
    Es kommt außerdem nicht darauf an, ob zwischen der Verwendung mehrerer Tabellen laut Klagepatent und der Tabelle 9-5 laut AVC-Standard ein Unterschied bezüglich des Rechenaufwands besteht.
  178. d)
    Schließlich verwirklicht der AVC-Standard Merkmal 4.1 der Ansprüche 1 und 4. Die standardgemäße Dekodierung erfolgt anhand der Tabelle 9-5. Die ursprüngliche Kodierung der Daten wird in umgekehrter Richtung rückgängig gemacht und die Daten werden dekodiert, indem in Abhängigkeit vom Prädiktions-wert (nC) die für die Dekodierung maßgebliche Spalte der Tabelle 9-5 ausgewählt und anhand der im Bitstrom ausgelesenen Bitfolge – des längenvariablen Kodes – die Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten (W) und weitere Werte (hier: V) ermittelt wird. Dass die Tabelle somit nicht nur der Dekodierung der Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten sondern auch anderer Werte dient, ist bei zutreffender Auslegung unbeachtlich.
  179. e)
    Soweit die Beklagte einwendet, der AVC-Standard gebe nicht vor, wie eine Zuordnung („mapping“) zwischen längenvariablen Kodeworten und kodierten Informationen zu implementieren sei, und neben einer Implementierung mittels Tabelle bestünden andere Implementierungsmöglichkeiten, die von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machten, greift dies nicht durch. Auch wenn ein Array oder dergleichen für die Implementierung einer Tabelle programmiertechnisch vorteilhaft ist, ist der allgemeine Begriff der Tabelle im Merkmal 3 und in der Merkmalsgruppe 4 der Klagepatentansprüche bei zutreffender Auslegung nicht auf eine bestimmte Implementierung beschränkt, sondern – wie ausgeführt – als Zuordnung von längenvariablen Codes zur Gesamtanzahl von Nicht-Null-Koeffizienten aufzufassen.
  180. Dem Argument der Beklagten, dass die Tabelle 9-5 durch eine einfache Fallunterscheidung umgangen werden könne, vermag die Kammer daher nicht zu folgen. Nach der Auslegung der Klagepatentansprüche kann offen bleiben, wie die konkrete Implementierung des Standards in den angegriffenen Ausführungsformen erfolgt, solange diese dasjenige leisten, was die Klagepatentansprüche voraussetzen. Dass sie dies tun, ergibt sich aus dem Standard, der die erforderlichen Zuordnungen in Form der Tabelle 9-5 vorgibt.
  181. Im Übrigen behauptet die Beklagte selbst nicht, in der angegriffenen Ausführungsform einen Entscheidungsbaum oder eine anderweitige Implementierung des AVC-Standards zu verwenden, die nicht der von ihr als patentgemäße Implementierung einer Tabelle verstandenen Umsetzung des AVC-Standards entspricht.
  182. 2.
    Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellen aufgrund der AVC-Standardkompatibilität der angegriffenen Geräte eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents in Form des Patentanspruchs 4 gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG dar. Die angegriffene Ausführungsform weist eine Prädiktionseinheit, eine Tabellenauswahleinheit und eine Einheit zum Dekodieren mit variabler Länge auf, die in der Lage sind, die Merkmale 2 bis 4 zu verwirklichen, wie es der AVC-Standard voraussetzt.
  183. 3.
    Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellen zudem eine mittelbare Verletzung des Klagepatents in Form des Patentanspruchs 1 gemäß § 10 Abs. 1 PatG dar.
  184. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG, das objektiv geeignet ist zur Anwendung des durch den Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens. Denn die AVC-Standardkompatibilität eines Mobilgeräts setzt – wie gezeigt – die Eignung zur Anwendung des geschützten Verfahrens voraus. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um solche AVC-standardkompatiblen Geräte.
  185. Damit bezieht sich die angegriffene Ausführungsform auch auf ein wesentliches Element der Erfindung. Das ist nämlich der Fall, wenn das Mittel geeignet ist, mit einem wesentlichen, nämlich im Patentanspruch genannten Erfindungselement funktional so zusammenzuwirken, dass es zu einer Verwirklichung des Erfindungsgedankens kommt (BGH, Urt. v. 04.05.2004, X ZR 48/03, GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler; Urt. v. 07.06.2005, X ZR 247/02, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug; Urt. v. 22.11.2005, X ZR 79/04, GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe). Im Streitfall kann das klagepatentgemäße Dekodierungsverfahren durch die angegriffene Ausführungsform ins Werk gesetzt werden, weil die angegriffene Ausführungsform entsprechend programmiert bzw. eingerichtet ist.
  186. Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform unstreitig im Inland zur Benutzung der Erfindung an und liefert sie. Dabei ist es auf Grund der Umstände offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Insofern ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, Urt. v. 09.01.2007, X ZR 173/02, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGH, Urt. v. 13.06.2006, X ZR 153/03, GRUR 2006, 839 – Deckenheizung).
  187. Im Streitfall ist die Herstellung der AVC-Standard-Kompatibilität Folge der ziel und zweckgerichteten Implementierung durch die Beklagte. Das Abspielen von AVC-Videoinhalten ist nur in patentverletzender Weise möglich. Dass die Beklagte subjektiv damit rechnet, dass es praktisch sicher dazu kommt, dass Nutzer AVC-Videos abspielen werden, liegt dabei schon deswegen auf der Hand, weil sie den Nutzern diese Funktion ziel- und zweckgerichtet durch das Vorsehen der entsprechenden Kompatibilität eröffnet. Auch aus Sicht eines Dritten ist praktisch sicher zu erwarten, dass Nutzer auch AVC-Inhalte abspielen werden. Zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals kann auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden (BGH, Urt. v. 07.06.2005, X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 851 – Antriebsscheibenaufzug). Danach gehört das Abspielen von Videoinhalten auf Mobiltelefonen heute zu den Kernfunktionen moderner Smartphones, von der nach allgemeiner Lebenserfahrung praktisch fast jeder Smartphonenutzer Gebrauch macht. Da das mit Abstand gebräuchlichste Videoformat unstreitig das AVC-Format ist, ist die Anwendung des patentgeschützten Verfahrens durch die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform sicher zu erwarten.
  188. IV.
    Der seitens der Beklagten geltend gemachte kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greift nicht durch.
  189. Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (dazu unter 1.) missbräuchlich ausgenutzt hat (dazu unter 2.).
  190. 1.
    Die Klägerin hat eine marktbeherrschende Stellung inne.
  191. a)
    Unter Marktbeherrschung ist in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht zu verstehen, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich) relevanten Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1221 – Mobiles Kommunikationssystem m.w.N.). Die notwendige exakte Abgrenzung des (sachlichen und räumlichen) Markts, auf dem Unternehmen konkurrieren, kann nach Auffassung des OLG Düsseldorfs mittels des so genannten Bedarfsmarktkonzepts erfolgen. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu berücksichtigen, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (etwa Marktanteil; Unternehmensstruktur; Wettbewerbssituation; Verhalten auf dem Markt; grundsätzlich aber nicht der Preis). Einzelne Faktoren müssen jeweils für sich betrachtet nicht notwendig den Ausschlag geben. Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt – wie jeder Mitgliedstaat – insoweit zugleich einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Markts dar (vgl. zu allem OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1221 – Mobiles Kommunikationssystem).
    Im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Rechten aus dem Klagepatent erfolgt die Abgrenzung bezüglich des Lizenzvergabemarktes. Anbieter ist der Patentinhaber, Nachfrager ist der an der geschützten Technologie interessierte Benutzer. Grundsätzlich führt jedes Patent zu einem eigenen sachlich relevanten Markt, es sei denn es steht eine gleichwertige Technologie für dasselbe technische Problem zur Verfügung. Von einer Marktbeherrschung ist dennoch nur bei weiteren Umständen auszugehen, wenn der Patentinhaber aufgrund des Patents wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Produktmarkt verhindern kann. Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen. Dafür genügt die Standardessentialität nicht allein. Dies ist aber dann der Fall, wenn ohne eine Lizenz am standardessentiellen Klagepatent ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich wäre, weil die Technik für den Nachfrager am Produktmarkt eine nicht nur untergeordnete Bedeutung hat (vgl. zu allem OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1222 – Mobiles Kommunikationssystem). Die Beklagte trägt für die Marktbeherrschung die Darlegungs- und Beweislast (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1222 – Mobiles Kommunikationssystem).
  192. b)
    Als Inhaberin des Klagepatents hat die Klägerin unstreitig eine marktbeherrschende Stellung inne. Abzustellen ist hier wie gesehen nicht auf den Lizenzvergabemarkt, sondern auf den nachgelagerten Produktmarkt. Daher handelt es sich nicht um AVC-fähige Produkte im Allgemeinen, vielmehr ist weiter zu differenzieren zwischen einzelnen AVC-kompatiblen Produkten, die gegebenenfalls jedes für sich einen eigenen Produktmarkt begründen können. Im vorliegenden Fall der hier allein angegriffenen mobilen Endgeräte bilden diese einen eigenen Produktmarkt.
    Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten sind aktuell so gut wie alle marktfähigen mobilen Endgeräte mit dem geltend gemachten AVC-Standard ausgerüstet. Dies ergibt sich auch aus dem Anlagenkonvolut B 43, in dem die Features zehn namhafter Modelle verschiedener Hersteller beispielhaft betrachtet und alle als AVC-kompatibel bezeichnet werden. In Zeiten, in denen Videoformate jeglichen Angebots (Streaming-Dienste; Mediatheken; Kurzfilme in Nachrichten-Apps, eigene Kurzfilme der Nutzer in messanger-Apps etc.) existieren und auch breit genutzt werden, ist die Dekodierungstechnik zum Abspielen von I Files ein „Must-Have“ für den durchschnittlichen Nutzer von mobilen Endgeräten, insbesondere eines Smartphones. Nicht in diesen relevanten sachlichen Markt fallen andere I fähigen Aufzeichnungs-, Abspiel- oder Übertragungsgeräte wie Fernseher, Notebooks, PCs, etc., die gegebenenfalls einen eigenen Produktmarkt begründen. Denn ein Kunde, der ein Smartphone erwerben möchte, mit dem er außerdem unterwegs Videos oder Nachrichten in Mediatheken schauen kann, wird nicht stattdessen einen Fernseher, ein Notebook und wahrscheinlich nicht einmal ein Tablet wählen. Diese Produkte sind nicht austauschbar, da die Kunden das Smartphone gerade wegen der überschaubaren Größe, der Möglichkeit eine Telefonverbindung aufzubauen und auch der im Regelfall längeren Akkulaufzeiten wählen. Darüber hinaus ist der AVC-Standard nicht austauschbar, weil das jeweilig verwendete Videoformat durch den Inhalte-Anbieter und nicht den Hersteller des Endgeräts definiert wird. Deswegen unterstützen alle Endgeräte verschiedene Standards, um in jedem Fall eine korrekte Wiedergabe des Videos zu gewährleisten. Die Klägerin hat daher eine marktbeherrschende Stellung auf dem sachlich relevanten Markt der Smartphones. Der räumlich-relevante Markt ist der weltweite Markt. Smartphones werden als sog. „flüchtige Ware“ weltweit gehandelt und es liegen homogene Wettbewerbsbedingungen vor. Insbesondere für die hier streitgegenständliche Funktion des (mobilen) Abspielens von Bildmaterial bestehen keine regionalen Besonderheiten. Die Abnehmer werden weltweit die unterschiedlichen Modelle der Mobiltelefone – insbesondere für die Videofunktion – austauschen. Selbst wenn man die Kernfunktion des Telefonierens ebenfalls für ausschlaggebend hält, erfolgt eine regionale Beschränkung nicht durch die Mobiltelefon-Hardware, sondern – wenn überhaupt – durch den Einsatz einer entsprechenden SIM-Karte.
    Dies trifft auch für die technische Funktion zu, die das Klagepatent schützt. Die Klägerin selbst beruft sich darauf, dass das Klagepatent standardwesentlich für die Nutzung des AVC-Standards ist (siehe oben unter Ziffer III.).
  193. 2.
    Es kann hingegen nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt, indem sie der im Urteil „B /ZTE“ aufgestellten „Roadmap“ (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764; die einzelnen Schritte zusammenfassend statt aller: OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1223 – Mobiles Kommunikationssystem) nicht nachgekommen ist.
    Sinn und Zweck des skizzierten Verhandlungsablaufs ist es, eine Situation zu erreichen, die derjenigen im freien Wettbewerb am ehesten entspricht. Der EuGH stellt Mindestanforderungen auf, die von redlichen Parteien beiderseitig ernsthaft und ausgeglichen geführte Verhandlungen repräsentieren sollen. Hierfür bedarf es nach einer Verletzungsanzeige seitens des SEP-Inhabers und einem Zeichen der Lizenzwilligkeit des Verletzers eines Lizenzangebotes nach FRAND-Grundsätzen durch den SEP-Inhaber, worauf der Verletzer seinerseits mit einem Gegenangebot nach FRAND-Grundsätzen reagieren muss und – sofern der SEP-Inhaber dies ablehnt – eine Sicherheitsleistung hinterlegen und Auskunft für die Vergangenheit leisten.
    Anhand dieser Maßstäbe (dazu unter a)) ist zu beurteilen, ob die Parteien den Abschluss eines Lizenzvertrages anstrebten.
  194. Da nach der Verletzungsanzeige (dazu unter b)) sich die Beklagte lizenzwillig gezeigt hat (dazu unter c), die Klägerin ein Angebot abgegeben hat, dass angemessen, fair und nicht diskriminierend (FRAND; dazu unter d)), aber die Beklagte kein Gegenangebot vorgelegt hat, dass ebenfalls diesen Grundsätzen entspricht (dazu unter e), sind der Unterlassungs-, sowie der Rückruf- und Vernichtungsanspruch durchsetzbar.
  195. a)
    Sofern die Klägerin die Ansicht vertritt, die Grundsätze der B- Rechtsprechung kämen hier nicht zur Anwendung, vermag die Kammer dem nicht näher zu treten. Die Grundsätze finden auch auf die streitgegenständliche Fallgestaltung Anwendung.
    Das Wortlaut-Argument der Klägerin, in Rn. 64 des Urteils heiße es, außerdem (in der englischen Fassung „furthermore“) sei der Inhaber des SEP, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht seien, in einer besseren Lage als der angebliche Verletzer, um zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzungen der Gleichbehandlung wahre, und daher würde im Falle eines Standardlizenzvertrages das vorgegebene Verhandlungsmuster eben nicht einzuhalten sein, überzeugt nicht. Der Passus markiert keine Ausnahme, sondern ist nur ein zusätzliches Argument für das initiative Verhalten des Patentinhabers. Gleichermaßen kann auch beim Vorliegen eines Standardlizenzvertrages ein Informationsdefizit seitens des Beklagten hinsichtlich der Benutzung des klägerischen SEPs bestehen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018 – 4a O 17/17). Erschwerend kommt hinzu, dass das Abgrenzungskriterium der „etablierten Lizenzierungspraxis“ konturlos ist und in der Praxis zu weiteren Abgrenzungsproblemen hinsichtlich der Frage führt, wann eine Lizenzierungspraxis als etabliert zu bezeichnen ist (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018 – 4a O 17/17). Die berechtigten Erwartungen, die der SEP-Inhaber mit der FRAND-Erklärung geweckt hat, werden schließlich vielmehr verstärkt, wenn es bereits eine gelebte Lizenzierungspraxis gibt (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018 – 4a O 17/17).
  196. b)
    Es liegt eine hinreichende Verletzungsanzeige seitens der Klägerin vor. Die Verletzungsanzeige ist in (…) (Anlage K 10, Exhibit A) zu sehen.
  197. aa)
    Unerheblich ist, dass die Verletzungsanzeige (…) der maßgeblicher Ansprechpartner für konzernweite Lizenzierungsangelegenheiten ist.
    So besteht gar keine Anzeigepflicht, wenn aufgrund der Umstände mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass der angebliche Verletzer Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents hat und sein Einwand, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1224 – Mobiles Kommunikationssystem). Der Anzeigepflicht ist jedenfalls bereits schon dann genüge getan, wenn Hinweise an den Mutterkonzern des angeblichen Verletzers erfolgen, da regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass dieser die betreffenden Tochtergesellschaften in den einzelnen Ländern, in denen das SEP benutzt wird, (…) (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1224 – Mobiles Kommunikationssystem). Von der gleichen Sachlage (…) werden, wenn eine Tochtergesellschaft bzw. dort ein bestimmter Mitarbeiter in jahrelangen Lizenzverhandlungen eine führende Rolle eingenommen und in erster Linie mit den entsprechenden Ansprechpartnern auf Klägerseite verhandelt hat. Die Tochtergesellschaft (…) stand mit der X seit dem Jahr 2009 anfänglich nur über den Standard MPEG 2, später dann auch über den hier streitgegenständlichen AVC-Standard in Verhandlungen. Bereits seit (…) der hinsichtlich der Lizenzierung im Austausch mit den anderen Konzerngesellschaften der Beklagten stand. So ergibt sich beispielsweise aus (…) sowohl mit den anderen regionalen Niederlassungen außerhalb von China als auch mit der chinesischen Niederlassung der Beklagten in Kontakt stand und die Lizenzverhandlungen koordinierte. Daher wendet sich (…) von der X auf Empfehlung von (…) auch (…) als er auf die Verletzung des AVC-Standards durch die Mobiltelefone und Tablets der Beklagten und dem daraus resultierenden Erfordernis einer Lizenz hinwies. So benennt er die Rolle von (…) zu Beginn der (…) und (…) sah sich auch offensichtlich in der Verpflichtung, die Verhandlungen weiterzuführen, da er (…) den Vorschlag eines Telefonats unterbreitet. Insbesondere verwies (…).
  198. bb)
    Die Verletzungsanzeige ist jedenfalls mit Zustimmung der Klägerin erfolgt und stellt damit eine Verletzungsanzeige der Klägerin dar.
    Die Beklagte bestreitet eine etwaige Vollmachtserteilung der Klägerin für die X bzw., dass die X dazu befugt gewesen sei und ist, im Namen der Klägerin eine Poollizenz zu schließen, die auch das Klagepatent umfasse, mit Nichtwissen. Auch wenn dieses Bestreiten im Streitfall konkret auf das Lizenzangebot der Klägerin gerichtet ist, hat es auch Auswirkungen im Zusammenhang mit der Verletzungsanzeige, die ebenfalls seitens der Klägerin erfolgen muss.
    Sowohl das Lizenzvertragsangebot (Anlage K 10, Exhibit G) als auch die Verletzungsanzeige (…) sind als solche der Klägerin anzusehen. Die Beklagte dringt mit ihrem Bestreiten nicht durch, da die Kammer nach den Grundsätzen von § 286 ZPO zu der Überzeugung gelangt, dass die X in Kenntnis und mit Zustimmung der Klägerin handelte (dazu unter (aaa)). Überdies erscheint grundsätzlich fraglich, ob im vorliegenden Fall ein Bestreiten mit Nichtwissen bereits wegen Treuwidrigkeit ausscheidet (dazu unter (bbb)).
  199. (aaa)
    Zunächst ist das Bestreiten mit Nichtwissen im Grundsatz zulässig, da die Klägerin bei einer etwaigen Vollmachtserteilung bzw. Lizenzerteilung von der Klägerin an die X nicht persönlich anwesend gewesen ist und insofern der Vorgang ihrer Wahrnehmung entzogen war. Das Gericht darf deshalb die betreffende Tatsache danach ausschließlich dann zugrunde legen, wenn es von ihr im Rahmen der freien Beweiswürdigung überzeugt ist. § 286 Abs. 1 ZPO ordnet insoweit an, dass das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden hat, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2017, I-2 U 39/26).
    Die Kammer ist nach dem in weiten Teilen unstreitigen Parteivortrag zu den vorgerichtlichen Lizenzverhandlungen der Überzeugung, dass die X Lizenznehmerin der Klägerin ist und mit deren Zustimmung gehandelt hat. Jedenfalls hat die Klägerin spätestens mit Klageeinreichung das Handeln der X genehmigt.
    Die Berechtigung der X ergibt sich bereits aus dem Text des übersendeten Standardlizenzvertrages, wonach der Lizenzgeber (Klägerin) dem Lizenzverwalter (X) eine Lizenz gewährt, um ihr die Lizenzverwaltung zu ermöglichen (vgl. Anlage K 10 Exhibit G, Seite 1, vorletzter Absatz).
    Keine der Konzerngesellschaften der Beklagten hatte im Rahmen der vorgerichtlichen Lizenzverhandlungen jemals die Berechtigung der Lizenzverwalterin in Zweifel gezogen, die in den Unterlizenzverträgen, die der Pool mit den jeweiligen AVC-Standardnutzern abschließt, wie gesehen konkret angesprochen worden ist. Auch vor (…) ist die Lizenz an dem AVC-Standard mehrfach angesprochen worden und auch in diesen Zusammenhängen haben die Konzerngesellschaften der Beklagten die Berechtigung nie hinterfragt. So hat bereits in der E-Mail vom (…) Mitarbeiter der X, an den Vizepräsidenten der (…). In einer E-Mail vom (…) von (…) Vizepräsident der Lizenzabteilung der X an (…) Ltd. (vgl. Anlage B 11) werden wiederum der AVC Standard und erste Einzelheiten zum Inhalt der Lizenz (Lizenzen, royalty cap und Begriff der geschützten Einheit) angesprochen. Die Klägerin war zudem im Internet als Poolmitglied öffentlich genannt (Anlage B 1), so dass in den einschlägigen Industriekreisen bekannt war, dass über die X Lizenzen für die klägerischen SEPs erhalten werden konnten. Es besteht daher keinerlei Anhaltspunkt, dass die X nicht mit Wissen und in Kenntnis der Klägerin für diese in der Lizenzvergabe tätig war.
    Spätestens mit der Klageeinreichung und mit ihrem Vortrag im Prozess hat die Klägerin das Handeln der X genehmigt, da sie sich damit deren Handeln zu eigen macht.
    Insofern sind Handlungen eines Pool-Lizenzverwalters im Rahmen von Lizenzverhandlungen als solche der SEP-Inhaber, welche Mitglieder des Pools sind, anzusehen. Es bestehen daher nach § 286 ZPO nicht die geringsten Zweifel, dass die X berechtigterweise für die Klägerin gehandelt hat.
  200. (bbb)
    Auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben, der auch im Prozessrecht gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.12.2001- 2 BvR 527/99 u.a., NJW 2002, 2456), kann die Beklagte mit einem Bestreiten mit Nichtwissen nicht durchdringen. Das Verhalten der Beklagten ist widersprüchlich. Nach Auffassung der Kammer kann die Beklagte nicht für sich ins Feld führen, dass sie selbst nicht widersprüchlich gehandelt habe. Auch wenn hier bestimmte andere mit den Konzernlizenzfragen befasste Konzerngesellschaften im Vorfeld tätig waren, was im Bereich der Poollizenzierung bei standardessentiellen Patenten der Üblichkeit entspricht und die Beklagte auch nicht ernsthaft in Frage stellen kann, muss sie sich an dem Verhalten ihrer Konzerngesellschaft festhalten lassen. Die Überlegung, ein solches Bestreiten würde – wie nicht – in eine Beweisaufnahme führen, kann bei objektiver Betrachtung letztlich nur als Versuch einer Prozessverschleppung gewertet werden. Umstände, die der rege am Wirtschaftsleben teilhabenden Beklagten bei lebensnaher Betrachtung unzweifelhaft klar sind und von ihr in der Vergangenheit nie, nicht einmal geringfügig, angezweifelt wurden, werden nunmehr aufgrund von prozesstaktischen Überlegungen im Rahmen des § 138 Abs. 4 ZPO in Abrede gestellt. Diese Vorschrift schützt eine im Wissen unterlegene Prozesspartei. Die Beklagte ist angesichts ihres gesamten Verhaltens nicht als solche anzusehen.
  201. cc)
    Inhaltlich erfordert die Hinweispflicht keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen des Verletzungsvorwurfs, sondern es genügt, wenn der andere Teil in die Lage versetzt wird, sich selbst ein Bild von der Berechtigung des ihm unterbreiteten Vorwurfs machen zu können (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219 – Mobiles Kommunikationssystem).
    Zwar hat die X weder die Veröffentlichungsnummer noch konkret die angegriffenen Ausführungsformen genannt, sondern hat pauschal auf die Verletzungsprodukte Bezug genommen (…). Im vorliegenden Fall bedarf es indes keiner konkreteren Angaben. Denn die Lizenz für den AVC-Standard ist bereits in der sich jahrelang hinziehenden Vorkorrespondenz thematisiert worden.
    So ist sie bereits in der E-Mail vom (…) von (…) Vizepräsident der Lizenzabteilung der X, an (…) (Anlage B 11) angesprochen worden. Erwähnt werden der AVC Standard (…) sowie die Mobiltelefone mit T-DMB Funktionen als Verletzungsprodukte. In der Email (…) (Anlage K 10, Exhibit A) hat die X mit dem nochmaligen Hinweis auf die AVC-Lizenz letztlich nur unterbrochene Gespräche wieder aufgegriffen. (…)
    Sofern die Beklagte sich darauf zurückzieht, dass keine konkrete Bezugnahme auf das Klagepatent erfolgt, ist dies unschädlich. So konnte die Beklagte bzw. ihre Konzerngesellschaften ausweislich der Anlage K 10 Exhibit E im Internet unter www.A .com die einschlägige SEP-Liste für den Pool nebst cross-reference-charts unter Nennung der zugehörigen Standard-Abschnitte, die von den zugehörigen SEPs Gebrauch machen, einsehen. Auch wenn es sich hierbei nicht um klassische claim-charts handelt – welche die Düsseldorfer Rechtsprechung in diesem Stadium der Verhandlungen nicht einmal verlangt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.03.2017, Az. I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1223 – Mobiles Kommunikationssystem) – bedurfte es deren auch nicht mehr, weil die Klägerin bereits die Möglichkeit hatte, Kenntnis zu nehmen. Dass die Muttergesellschaft jedenfalls Kenntnis von der Tätigkeit der X hatte – was nahelegt, dass ihr auch ihr Internetauftritt nicht unbekannt ist –, ergibt sich bereits aus (…).
    Schließlich ist auch im Rahmen der inhaltlichen Anforderungen zu beachten, dass eine Verletzungsanzeige bloße Förmelei bzw. ein Berufen auf ihr Fehlen rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn von der Kenntnis bereits ausgegangen werden kann. Dies ist aus den bereits geschilderten Umständen bei der Beklagten der Fall.
  202. c)
    Der für die Beklagte als maßgeblicher Konzernansprechpartner fungierende Mitarbeiter C signalisierte der X, die die Lizenzierungsinteressen der Klägerin vertrat, die Lizenzwilligkeit des Konzerns.
  203. aa)
    An die Lizenzierungsbitte sind keine hohen Anforderungen zu stellen, sondern es genügt eine formlose und pauschale Erklärung des Lizenzsuchers, in der seine Lizenzwilligkeit eindeutig zum Ausdruck kommt, selbst schlüssiges Handeln kann je nach Lage des Einzelfalls ausreichend sein (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.03.2017, Az. I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1225 – Mobiles Kommunikationssystem).
  204. bb)
    Auf die Verletzungsanzeige beinhaltete die Rückanwort von C am (…) (Anlage B 21, 21a) die Bitte um ein Telefonat, um Einzelheiten der Angelegenheiten zu besprechen. Hierin kann bereits ein schlüssiges Handeln gesehen werden, dass eine Lizenzbereitschaft signalisiert. Insofern entkräften auch die vorherigen Verhandlungen zum MPEG 2-Standard, bei der sich die Beklagte (…) den generellen Willen an einer Lizenz für den AVC-Standard nicht. Letztlich (…)
  205. d)
    In der Zusendung des Standardlizenzvertrages der Klägerin (…) an den konzerninternen Ansprechpartner für Lizenzfragen bei der Beklagten, C , ist ein Lizenzangebot zu sehen, das FRAND-Grundsätzen entspricht. Insofern handelten die an dem Angebotsaustausch beteiligten Personen für die jeweils am Rechtsstreit beteiligten Parteien (dazu unter aa)), die formellen Voraussetzungen eines Angebots nach FRAND-Grundsätzen liegen vor (dazu unter bb)) und auch die inhaltlichen Anforderungen an ein FRAND-Angebot sind gegeben (dazu unter cc)).
  206. aa)
    Wie bereits im Rahmen der Verletzungsanzeige ausgeführt wurde, handelt es sich bei C um den richtigen Adressaten, der im Konzern der Beklagten die mit Lizenzfragen betraute Person darstellte. C erhielt den Standardlizenzvertrag (Anlage K 10 Exhibit G) (…) wie sich aus der Email vom (…) (Anlage B 20, 20a) ergibt.
    Der Standardlizenzvertrag wurde von der X übersendet und ist ausweislich des Wortlauts der Präambel als ein Angebot der Klägerin an den Konzern der Beklagten zu verstehen. Jeder Lizenzgeber verpflichtet sich dazu, Einzelpersonen, Gesellschaften oder sonstigen Rechtsträgern einzelne Lizenzen bzw. Unterlizenzen nach sämtlichen AVC wesentlichen Patenten zu maßvollen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen entsprechend den hier vereinbarten Geschäftsbedingungen zu erteilen, die vom Lizenzgeber (ohne Zahlung an Dritte) erteilt werden können (vgl. Anlage K 10 Exhibit G-a, Seite 2, 3. Absatz). Die Lizenzgeberin (die Klägerin) gewährt der Lizenzverwalterin (N) weiterhin eine Lizenz, um ihr die Lizenzverwaltung zu ermöglichen (vgl. Anlage K 10 Exhibit G-a, Seite 2, letzter Absatz).
    Sofern die Beklagte das Handeln der X der Klägerin nicht zurechnen lassen möchte, mag zwar ein eigenes Handeln der X vorliegen, weil sie eine Unterlizenz vergibt. Dennoch stellt dieses Handeln durch Unterlizenzierung letztlich nur eine Tätigkeit dar, die die X anstelle der Klägerin (und aller anderen Pool-Mitglieder) vornimmt. Dass diese Verwaltungstätigkeit berechtigt erfolgt, ergibt sich aus den genannten Passagen des Standardlizenzvertrages selbst. Die Beklagte hat während der gesamten außergerichtlichen Verhandlungen die Berechtigung der X für die Pool-Mitglieder zu handeln, nicht in Frage gestellt, sondern hat sich nur (…) vergewissert, dass die X nicht selbst klageberechtigt sei (vgl. Anlage B 26a). Selbst wenn man nicht von einer vorherigen Berechtigung der B hinsichtlich aller Handlungen, die die Lizenzierung des Klagepatents als Bestandteil des Patentpools betrafen, ausgehen wollte, ist jedenfalls in der Klageerhebung eine Genehmigung der Klägerin zu sehen. Warum der vom EuGH vorgesehene Dialog zwischen SEP-Inhaber und Lizenzinteressent empfindlich gestört sei soll, wenn zunächst mit einem Pool-Verwalter anstelle des einzelnen Pool-Mitglieds verhandelt wird, sieht die Kammer schon vor dem Hintergrund nicht, dass es augenscheinlich im Bereich der SEP-Lizenzierung üblich ist, dass Unternehmen ihre Patente im Wege einer Poollösung zur Verfügung stellen und es insofern einen Ansprechpartner für den gesamten Pool gibt.
  207. bb)
    In der Zusendung des Standardlizenzvertrages im (…) ist aufgrund ihres objektiven Erklärungswerts eine hinreichend konkrete Angebotshandlung zu sehen.
    Der für die Koordination der konzernweiten Lizenzverhandlungen zuständigen Person C lag ein vollständiges Vertragsdokument vor, aus dem sämtliche Vertragsbedingungen für eine Lizenz an den AVC-Standard essentiellen Patenten hervorgehen. Insbesondere der Ziffer 3.1.1. lassen sich die erforderlichen Parameter der Lizenzberechnung entnehmen. Art. 2.1. enthält die Gewährung der Lizenz für AVC Produkte, wobei sich aus Art. 1.10 die Definition der AVC-Produkte ergibt. Die essentialia negotii der Lizenzierung sind damit bestimmt.
  208. Das Dokument diente entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur als Mustervertrag reinen Informationszwecken. Es handelte sich erkennbar um ein in sich geschlossenes Vertragsdokument, das nicht gezielt auf eine der Konzerngesellschaften zugeschnitten ist, sondern als Standardvertrag für eine Vielzahl von Lizenzwilligen gelten soll (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17). Datum und Name des Lizenznehmers sind frei gelassen. Der Hinweis in der Email der X (…) dass die elektronischen Kopien lediglich zur Informationszwecken dienen und nicht als Ausfertigungen verwendet werden können, zeigt gerade, dass im Umkehrschluss die postalisch zugesandten Schriftstücke die Funktion als Unterzeichnungsexemplare erfüllen sollten (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17).
  209. Im Ergebnis ist auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr ausreichend dargelegt.
  210. Die Düsseldorfer Rechtsprechung fordert in diesem Zusammenhang, dass der SEP-Inhaber die wesentlichen Gründe erläutern muss, aufgrund derer er die von ihm vorgeschlagenen Vergütungsparameter für FRAND hält. Sofern er zuvor bereits Lizenzen an Dritte vergeben hat, hat er je nach den Umständen des Einzelfalls mehr oder weniger substantiiert insbesondere zu begründen, warum die von ihm vorgesehene Lizenzvergütung gerade vor diesem Hintergrund FRAND ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219, 1227 – Mobiles Kommunikationssystem). Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer so nachgewiesenen Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weiteren Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 311 – zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az. 4c O 77/17, BeckRS 2018, 25099, Rn. 137). Grundsätzlich muss auch die Berechnungserläuterung ebenso wie das Angebot selbst so rechtzeitig erfolgen, dass dem Verletzer eine ausreichende Reaktionszeit verbleibt (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 319 – zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2018, Az. 4c O 77/17, BeckRS 2018, 25099, Rn. 144). Sofern zum Zeitpunkt des Angebots aufgrund der angesprochenen Einzelfallumstände das Bedürfnis von konkreteren Erläuterungen noch nicht vorliegt, kann dieses während des Prozesses entstehen, wenn einzelne materielle FRAND-Voraussetzungen substantiiert vom Verletzer bestritten werden, so dass jedenfalls dann sämtliche Berechnungsfaktoren konkret darzulegen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az. I-15 U 66/15, Rn. 19 – zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2016, Az. 4a O 126/14 Rn. 254). Die konkreten weiteren Angaben dürfen sich freilich nicht zu den ursprünglichen allgemeineren Angaben in Widerspruch setzen, ansonsten ist das Angebot mangels vorliegender FRAND-Bedingungen als missbräuchlich anzusehen.
  211. Zwar enthält der Standardlizenzvertrag selbst keine Ausführungen zur Art und Weise der Berechnung der Lizenz, solche sind aber im konkreten Einzelfall nach den zuvor aufgestellten Maßstäben entbehrlich. Die Klägerin hat einen Standardlizenzvertrag vorgelegt, den sie mit diesen gleichen Bedingungen einer Vielzahl von Lizenznehmern vorgelegt hat. Je mehr abgeschlossene Lizenzverträge mit gleichartigen Lizenzbedingungen abgeschlossen wurden, umso stärker ist die Vermutung, dass die geforderten Lizenzgebühren FRAND sind (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 31.03.2016, Az. 4a O 126/14 Rn. 219 – zitiert nach juris). Vorliegend handelt es sich um einen Standardlizenzvertrag, wie es sich bereits aus dem vorformulierten Vertragstext ergibt, der C , als zuständigem Verhandlungspartner des Konzerns der Beklagten, aus den jahrelangen Verhandlungen zuvor bereits im Wesentlichen bekannt war.
    Abgesehen davon, dass die Liste der Lizenznehmer, welche den Vertrag bereits abgeschlossen hatten, im Internet abrufbar ist (Anlage K 10 – Exhibit F), kannte C ausweislich (…) Lizenznehmer, wie z.B. die (…) die den Vertrag – allerdings nicht konzernweit – abgeschlossen hatten. Insofern hatte die Konzerngesellschaft bereits alle Informationen, um sich auf die Verhandlungen einzulassen, die sie dann auch mit der bereits zum Q Standard angeführten Begründung weitergeführt hat, dass sie ebenso wie diese Unternehmen nur (…) lizensieren lassen wolle. Hinzu tritt, dass die Beklagte (…).
    Schließlich bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Erläuterung der Berechnungsparameter oder eine Vorlage der geschlossenen Lizenzverträge selbst üblicherweise im Rahmen des Vertragsangebotes erfolgen. Eine dahingehende Branchenüblichkeit ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
  212. cc)
    Das Angebot der Klägerin ist darüber hinaus fair, angemessen und nicht diskriminierend.
  213. (aaa)
    Als „faire und angemessene“ Vertragsbedingungen sind solche zu verstehen, die dem Lizenzwilligen nicht unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angeboten werden. Die Vertragsbedingungen müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.11.2016, Az. I-15 U 66/15, Rn. 15, zitiert nach juris). Ein Angebot des Lizenzgebers kann sich insbesondere dann als unfair/unangemessen erweisen, wenn eine Lizenzgebühr verlangt wird, die den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Preisbildung (LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 225, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018, Az. 4a O 17/17). Eine streng mathematische Herleitung ist nicht erforderlich, hinreichend ist – sofern möglich – die Akzeptanz der verlangten Lizenzsätze am Markt über bereits abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az. 4a O 154/15, Rn. 311 – zitiert nach juris). Die Darlegung über bereits abgeschlossene Verträge ist vorrangig. Über das Ergebnis verschiedener, schon erfolgreicher, tatsächlich Lizenzverträge lässt sich die FRAND-Gemäßheit einfacher belegen und sicherer feststellen, als über den Vortrag der einzelnen Faktoren, die in Lizenzvertragsverhandlungen jeweils eine näher zu bestimmende, mehr oder weniger gewichtige Rolle spielen können oder sollen (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az. 4a O 154/15, Rn. 312 – zitiert nach juris). Der allgemeine Einwand (vgl. Kurtz/Straub, GRUR 2018, 136), es handele sich schon nicht um ein taugliches Indiz, weil diese Verträge den Anschein eines Ausnutzen der Marktmacht per se in sich trügen, verfängt schon deswegen nicht, weil zusätzlich zur Vorlage der Verträge ebenfalls die Darlegung der Akzeptanz am Markt notwendig ist, die sich insbesondere aus einer Vergleichbarkeit der Lizenznehmer und der Lizenzsucher ergeben kann.
    Das Vertragsangebot hat sich des Weiteren auch im Hinblick auf die übrigen Vertragsbedingungen (lizenzpflichtige Schutzrechte, Lizenzgebiet usw.) als angemessen zu erweisen.
  214. Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem es Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 173 – Mobiles Kommunikationssystem). Das Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich nur auf Sachverhalte, die auch vergleichbar sind. Eine Rechtspflicht zu schematischer Gleichbehandlung aller Handelspartner besteht nicht. Vielmehr ist es auch dem marktbeherrschenden Unternehmen nicht verwehrt, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren. Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 173 – Mobiles Kommunikationssystem). Der dem Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts grundsätzlich zustehende weite Spielraum für eine sachliche Rechtfertigung ist eingeschränkt, wenn neben die marktbeherrschende Stellung weitere Umstände treten, aus denen sich ergibt, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 174 – Mobiles Kommunikationssystem). Diese können insbesondere darin bestehen, dass der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist oder das Produkt – wie hier – erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 173 – Mobiles Kommunikationssystem).
  215. Der Lizenzsucher ist darlegungs- und beweispflichtig für eine Ungleichbehandlung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 177 – Mobiles Kommunikationssystem). Jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers, insbesondere über mit Dritten bestehende Lizenzverträge und deren Regelungsgehalt, besitzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Inhaber, der naturgemäß Kenntnis von den Vertragsverhältnissen mit anderen Lizenznehmern hat, und dem nähere Angaben hierzu auch zumutbar sind, insoweit eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 177 – Mobiles Kommunikationssystem). Die Angabe zu den Lizenznehmern hat in diesem Zusammenhang vollständig zu erfolgen, und darf nicht auf einige namhafte Unternehmen der Branche reduziert werden (LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, 4a O 17/17). Der Vortrag hat auch Angaben dazu zu enthalten, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Konditionen eine Lizenz genommen haben (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 177 – Mobiles Kommunikationssystem). Steht eine Ungleichbehandlung fest, so obliegt es dem Patentinhaber, etwaige die unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, GRUR 2017, 1219, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 173 – Mobiles Kommunikationssystem).
  216. (bbb)
    Gemessen an diesen Maßstäben ist das vorgelegte Angebot auf Abschluss des Standardlizenzvertrages FRAND.
    Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass die angebotene Standardlizenz im Markt akzeptiert wurde, die bereits tausendfach abgeschlossen worden ist, wie die Vorlage der Lizenzverträge zeigt. Dieses Indiz vermochte die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht zu erschüttern. Ihrem Vortrag lässt sich weder eine Unangemessenheit der Lizenzbedingungen entnehmen, noch hat sie einen sachlichen Grund aufgezeigt, warum nur für sie andere Lizenzbedingungen in Betracht kommen, noch, dass sie mit Lizenznehmern vergleichbar wäre, die ebenfalls nicht den Standardlizenzvertrag zu den aus Anlage K 10 Exhibit G ersichtlichen Konditionen abgeschlossen haben.
  217. (i)
    Die Kammer kann weder feststellen, dass der Pool als solcher kartellrechtswidrig zusammengesetzt ist (unter (1)), noch dass die sog. „Royalty-Cap“-Klausel eine unangemessene bzw. diskriminierende und daher unzumutbare Lizenzierung nach sich zieht (unter (2)), noch dass die Lizenzhöhe aufgrund einer fehlenden Anpassungsklausel unangemessen ist (unter (3)).
  218. (1)
    Die Lizenzierung mittels einer Poollizenz als solche ist kartellrechtlich unbedenklich. Auch zwischen den Parteien steht im Grundsatz außer Streit, dass eine gewisse Pauschalierung, die mit einer Poollizenz zwingend einhergeht, als solche nicht beanstandungswürdig ist.
    Die Poollizenz vereint verschiedene Vorteile in sich, allen voran eine mögliche vereinfachte Nutzung des erfassten Standards, indem die Lizenzsucher die Lizenz aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen erhalten (sog. „one-stop-shop“-Lösung; vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17 m.w.N.). In den Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen vom 28.03.2014 (nachfolgend: Leitlinien) sind die im Grundsatz positiven und wettbewerbsfördernden Wirkungen wie Senkung der Transaktionskosten, Kumulierung von Lizenzgebühren und eine zentrale Lizenzvergabe angeführt (Leitlinien, Rn. 245). Damit einher geht eine bessere Durchsetzungsmöglichkeit der Lizenz für SEP-Inhaber aufgrund der leichteren Kontrolle der Verträge und eine leichtere Verfolgung von Rechtsverstößen. Die Kommission nimmt eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung erst dann an, wenn ein Pool ausschließlich oder zu einem erheblichen Teil aus substituierbaren Technologien besteht, die zu kollektiven Koppelungsgeschäften und Preisfestsetzung zwischen den Wettbewerbern führen (Leitlinien, Rn. 246, 255). Ein Ausbeutungstatbestand wird regelmäßig zu bejahen sein, wenn in einem Pool planmäßig für die Einhaltung des Standards nicht notwendige Schutzrechte Eingang in den Lizenzvertrag finden, so dass der Zweck erkennbar wird, die Lizenzgebühren durch die Aufnahme möglichst vieler Patente ungerechtfertigt zu steigern (LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17 m.w.N.).
  219. Dass letzteres bei dem streitgegenständlichen Patentpool der Fall ist, kann die Kammer nicht feststellen.
  220. Zunächst erfordert die Feststellung eines fairen und angemessenen Lizenzangebots für einen Pool substantiierten Sachvortrag zur Benutzung der Patente aus dem Pool (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az. I-15 U 66/15, Rn. 26). Ein entsprechender Vortrag kann durch die Vorlage einer sog. proud-list mit claim-charts erfolgen, sofern diese branchenüblich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2016, Az. I-15 U 66/15, Rn. 26). Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe ihr keine proud-list mit claim-charts zur Verfügung gestellt, anhand derer die Beklagte bzw. ihre Schwestergesellschaft die Verletzung und die Standardessentialität habe prüfen können, verfängt nicht. Es kann dahinstehen, ob man die im Internet einsichtsfähigen Cross-Reference-Charts (Anlage K 10 – Exhibit E) bereits als claim- charts ansehen mag, da sie die konkret einschlägigen AVC-Standard-Passagen sämtlichen Pool-Patenten zuordnen (so LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17), oder ob jedenfalls diese Liste branchenüblich war und es einer Vorlage gesonderter Claim-Charts nicht mehr bedurfte. Es erscheint in mehrfacher Hinsicht lebensfern, dass die mit IP-Fragen befasste Abteilung im Konzern der Beklagten nicht in der Lage gewesen sein soll, die Frage der Standardessentialität zu prüfen: Zum einen verfügt der Konzern der Beklagten unstreitig über eine der größten Patentabteilungen der (…). Zum anderen erscheint es wenig plausibel, dass die Beklagte mit der dem Klagepatent zugrundeliegenden AVC-Technik nicht vertraut sein soll, wenn eben jene Technik in ihren Produkten Anwendung findet – wie der zugrundeliegende Fall zeigt. Schließlich erklärt sich auch nicht, dass die Muttergesellschaft der Beklagten erst (…) erstmalig Claim-Charts anfragte, obwohl (…) und offensichtlich tausende andere Lizenznehmer sich in der Lage sahen, anhand der Cross-Reference-Charts die Standardessentialität zu prüfen. Auffällig ist ebenfalls, dass (…). Mehr noch findet sich in (…) dass der Konzern der Beklagten mit dem Gedanken spielte, das von X aufgestellte Zertifizierungsverfahren für essentielle Patente zu übernehmen.
    Ausgehend von dem Leitbild des EuGH der redlichen verhandelnden Parteien im unverfälschten Wettbewerb ist die Kammer geneigt anzunehmen, dass Parteien, die tatsächlich an einem Vertragsschluss interessiert sind, ihre konstruktiven Bedenken hinsichtlich gegenseitiger Forderungen nicht „scheibchenweise“ vortragen, sondern den Verhandlungsstoff konzentrieren. Dies umso mehr, wenn es um grundlegende Fragestellungen wie die Zusammensetzung des Pools geht.
    Auch das weitere Vorbringen der Beklagten trägt die Behauptung nicht, dass sich erheblich mehr nicht-standard essentielle Patente (sog. NEPs) als SEPs im streitgegenständlichen Patentpool befinden.
    Die Beklagte hat insoweit eine Essentialitätsanalyse des IP Beratungsunternehmens V nebst dazugehöriger Erläuterung als Anlagen B 37, 37a, B 38, 38a vorgelegt. Danach sollen neben Poolpatenten der Unternehmen X und J auch die Poolpatente der Klägerin nicht standardessentiell sein. Hierbei handelt es sich um das Ergebnis einer stichprobenartigen Untersuchung, deren Gegenstand ist, einige ausgewählte Patente auf ihre Standardessentialität zu überprüfen. Danach sind von insgesamt (…) angemeldeten Patenten (…) Patente in Englisch analysiert worden. Darunter befinden sich (…) Patente von der Klägerin. Von diesen (…) Patenten sollen (…) Patente SEPs darstellen, dagegen (…) lediglich NEPs. Der Untersuchung ist nicht zu entnehmen, welche Pool-Patente (Veröffentlichungsnummer) untersucht wurden und welche Defizite genau im Hinblick auf den Standard vorliegen. Die Auswahl der Patente ist – mit Ausnahme der Sprache – nicht nachvollziehbar. (…) Patentfamilien der vier Klägerinnen aus hiesigem Verfahren sowie den Parallelverfahren sind nicht untersucht worden. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass die Untersuchung repräsentativ sei und unzweifelhaft eine realistische Verteilung darlege, könnte sich im Hinblick auf die eingebrachten Pool-Patente der Klägerin die Verteilung nur auf die Höhe der angebotenen Lizenz auswirken, (…). Auch dann bliebe jedenfalls die Frage offen, ob die Freiheit, pauschal mehrere tausend Patente rechtmäßig nutzen und sich im Rahmen der one-stop-shop-Lösung frei innerhalb des AVC-Standards bewegen zu können, eine Monetarisierung in gewisser Höhe rechtfertigt, auch wenn ein Risiko besteht, dass sich unter diesen Patenten NEPs befinden.
    Demgegenüber hat die Klägerin die geltend gemachten Zahlen bestritten und darauf verwiesen, dass die eingebrachten Patente zuvor von unabhängigen Gutachtern auf ihre Standardessentialität geprüft werden, wie es die Leitlinien im Rahmen der Safe-Harbour-Regelung (Rn. 261, b)) vorsehen. Vor diesem Hintergrund spielen die Regularien bei der Standardisierungsorganisation (ISO/ITU/IEC Regeln) keine erhebliche Rolle.
    Im Hinblick auf den geltend gemachten Kartellverstoß reüssiert die Beklagte schließlich ohnehin nicht, weil ihre Zahlen gerade nicht belegen, dass insgesamt erheblich mehr NEPs Bestandteil des Patentpools sind als SEPs. Denn selbst nach ihrer Untersuchung befinden sich insgesamt X % SEPs im streitgegenständlichen Pool. Auch aus der Anlage B 50, 50a ergeben sich keine anderen Ergebnisse. Zu guter Letzt bleibt auch hier der Einwand, dass das Ergebnis auf einer Stichprobe fußt und eben gerade nicht alle Poolpatente untersucht wurden.
    Die Kammer vermag auch kein systematisches Vorgehen zur Überdeklarierung in der Gründung von J , der Klägerin aus dem Parallelverfahren Az. 4a O 17/17, erkennen, wodurch der wirtschaftliche Wert ihres Portfolios teilweise durch übertragene Teilanmeldungen und Abzweigungen vollständig in dem Portfolio von W aufgehe. Gleiches gilt für die Geltendmachung eines W -SEPs außerhalb des Pools durch die X und andere von W außerhalb des Pools gehaltene SEPs. Die insoweit vorgelegte Untersuchung der V (Anlage B 54) begegnet den gleichen durchgreifenden Bedenken wie die Untersuchung in Anlage B 37, 37a, B 38, 38a. Die geschilderten Vorgänge sind als solche „neutral“ und die Beklagte trägt darüber hinaus nichts vor, was einen systematischen Missbrauch rechtfertigt, zumal mit der Erhöhung der Patentzahl keine Erhöhung der Lizenzgebühr einhergeht (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17). Hinzu tritt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, dass jedes Pool-Mitglied sich bei dem Eintritt in den Patentpool verpflichtet, alle SEPs einzubringen. Sofern das Mitglied SEPs außerhalb des Patentpools hält und einen Lizenznehmer des Patentpools damit in Anspruch nimmt, kann der Lizenznehmer auch diesem (non-pool-)SEP die Standardlizenz am Patentpool entgegenhalten. Die Standardlizenz entfaltet dann sozusagen eine Drittwirkung gegenüber dem außerhalb des Patentpools gehaltenen SEP. Dieser Umstand spricht ebenfalls gegen einen systematischen Missbrauch.
  221. (2)
    Die Klausel in Art. 3.1 des Standardlizenzvertrages ist im Hinblick auf die Kappungsgrenzen ebenfalls angemessen und nicht-diskriminierend.
    Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, die „royalty caps“ seien nicht angemessen und diskriminierend, weil Multiproduktanbieter durch ihre breitere Produktpalette eher in den Genuss der Kappungsgrenze, die 2016 bei $ 8.125.000 lag, kommen.
    Generell besteht keine Verpflichtung zur Meistbegünstigung. Auch einem marktbeherrschenden Unternehmen kann nicht verwehrt werden, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren. Damit geht einher, dass mit der Marktgegenseite abgeschlossene Verträge nicht in jedem Fall zu dem gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führen müssen (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17 m.w.N.). Eine Diskriminierung scheidet aus, wenn es bereits an einer unterschiedlichen Behandlung fehlt.
    Die Regelung des Art. 3.1 sieht eine Kappungsgrenze ab einer bestimmten gezahlten Lizenzhöhe ebenso wie eine Freilizenz für die ersten 100.000 verkauften Einheiten vor.
    Die mögliche Quersubventionierung bei Unternehmen, die AVC-Produkte aus verschiedenen Sparten der Elektronikbranche anbieten und so durch ein diversifiziertes Produktsortiment schneller die Kappungsgrenze erreichen als ein Ein-Produkt-Hersteller, ist weder Folge einer Ungleichbehandlung noch lässt sich die Klausel deswegen als unangemessen qualifizieren.
    Die Kappungsgrenze setzt zunächst einen wirtschaftlichen Anreiz, hohe Stückzahlen zu verkaufen, um bei hohem Umsatz lizenzfrei zu werden. So wird aber der natürliche Wettbewerb gerade gefördert. Eine Wettbewerbsförderung hat gleichzeitig eine gute Durchsetzung des Standards zur Folge. Es entspricht natürlichen Markt- und Wettbewerbsverhältnissen, dass Unternehmen mit gewissen Marktanteilen und einer gewissen Marktpräsenz belohnt werden. So ist der Mechanismus der Rabattierung – nichts anderes passiert bei Erreichen der Kappungsgrenze – bei großen Stückzahlen ein gängiges Mittel in der Wirtschaft.
    Es liegt auch keine Ungleichbehandlung von Ein-Produkt-Herstellern im Vergleich zu Multi-Produktherstellern vor. Eine Ungleichbehandlung setzt voraus, dass beide Herstellergruppen überhaupt vergleichbar sind. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil durch die Lizenzierung des AVC-Produkts verschiedene nachgelagerte Produktmärkte erfasst werden, wobei die Produkte untereinander nicht substituierbar sind (Fernseher und Handy). Insofern bietet die Klägerin allen Herstellern die gleichen Kappungsgrenzen an, eine Pflicht zur Differenzierung besteht nicht. Sofern die Beklagte Multi-Produkt-Hersteller als Beispiel einer überproportionalen Begünstigung heranzieht, lässt sie zudem außer Acht, dass die Multi-Produkthersteller auch schneller den Bereich der lizenzfreien Herstellung der ersten 100.000 Einheiten verlassen. Dass der Standardlizenzvertrag das Kodieren und Dekodieren von AVC-Videos und somit verschiedene nachgelagerte Märkte erfasst (mobile Endgeräte, Fernseher, etc.), auf denen diese Technik zum Einsatz kommt, stellt kein unzulässige Kopplung (Bundling) dar. Es wird die Technologie des Videoformats lizenziert, unabhängig in welcher Einrichtung/auf welchem Endgerät sie Anwendung findet. Schon die Kopplung ist nicht ersichtlich, weil die Verwendung des AVC-Formats gerade einheitlich zur entgeltlichen Nutzung bereitgestellt wird. Die vom Patentpool erfasste Technik des AVC-Formats ist als solche auch nicht substituierbar. Die Substituierbarkeit wird wie gesehen gerade nicht dadurch statuiert, dass das Format in verschiedenen Empfangs- oder Sendegeräten zum Einsatz kommt.
    Darüber hinaus gelangt die festgesetzte Kappungsgrenze ebenfalls für Ein-Produkt-Hersteller, deren Vertriebstätigkeit auf mobile Endgeräte beschränkt ist, zur Anwendung. Das Erreichen hoher Verkaufszahlen liegt nicht allein in der Auswahl der Produkte, sondern ist auch auf das individuelle Geschäftsgebaren des jeweiligen Wettbewerbers zurückzuführen. So spielen ein gutes Marketing und eine gute Markenpflege, ausgebaute Infrastrukturen und zuverlässige Vertriebsnetze eine Rolle. Der wirtschaftliche Erfolg eines Produktes fußt auf zahlreichen Gründen.
    Diese ganzen Faktoren führen dazu, dass die streitgegenständliche Klausel letztlich keinen kartellrechtlichen Missbrauch darstellt und die Folge einer Quersubventionierung, die bei einem am Markt erfolgreichen Unternehmen auftreten kann, hinzunehmen ist.
  222. (3)
    Die in dem Standardlizenzvertrag angebotene Lizenzhöhe erweist sich auch nicht deshalb als unangemessen, weil keine Anpassungsklausel vorgesehen ist.
  223. Einer Anpassungsklausel bedarf es grundsätzlich, um eine Preiskorrektur zu ermöglichen, wenn sich spürbare Änderungen in Bezug auf den Schutzrechtsbestand ergeben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 32 – zitiert nach juris). Es ist jedoch auch möglich, eine in der Variabilität des Schutzrechtsbestandes angelegte unangemessene Höhe der Lizenzgebühren durch andere Mechanismen zu kompensieren (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17).
    Der Standardlizenzvertrag schreibt den Preis gerade unabhängig vom Anstieg und Fallen der Anzahl der lizensierten AVC-Patentportfolio-Patente fest (vgl. Art. 4.9 des Standardlizenzvertrages). Im Tatsächlichen haben sich die Lizenzgebühren trotz wachsendem Poolportfolios (aktuell über 5.000 Patente) bislang nicht zuungunsten der Lizenznehmer verändert, lediglich die Kappungsgrenze nach oben ist in unregelmäßigen Jahresabständen hochgesetzt worden. Sofern die Beklagte anführt, dass sich die Nicht-Essentialitätsrate verändert hat, ist dies zum einen nicht substantiiert genug belegt (siehe obige Ausführungen) und zum anderen hat die Veränderung noch keinen Grad angenommen, der die Lizenz als unangemessen erscheinen lässt. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wert des AVC-Standards ist nicht ersichtlich, dass seine Bedeutung so dermaßen abgenommen hätte, dass eine Lizenzreduktion angezeigt ist. So behauptet auch die Beklagte nicht, dass die hier streitgegenständliche AVC-Technologie vollständig vom Nachfolgestandard abgelöst worden sei.
    Abgesehen davon hält der Standardlizenzvertrag für solche sich verändernden Umstände weitere Anpassungsmöglichkeiten vor. So ergibt sich aus Art. 6.4 ein ordentliches Kündigungsrecht innerhalb einer Frist von 30 Tagen und anderenfalls regelt Art. 6.1 eine Laufzeit von 5 Jahren, wobei die (automatische) Verlängerung seitens X unter die Bedingung gestellt werden kann, dass angemessene Vertragsänderungen vorgenommen werden können. Veränderungen können vorherrschende Marktbedingungen, Änderungen im Technologieumfeld und die verfügbaren handelsüblichen Produkte berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, dass X sich einer Kündigung verschließt, wenn die Lizenznehmer den einseitigen Vertragsänderungen der X widersprechen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Anlagenkonvolut K 38 zur Anlage K 34 vorgelegten Verlängerungsmitteilungen, die standardisiert an alle Lizenznehmer versendet wurden und Vertragsänderungen beinhalteten.
    Insofern ist gewährleistet, dass der Standardlizenzvertrag die Schutzrechtslage zeitgemäß und wirklichkeitsgetreu abbildet. Schließlich ist auch der jedenfalls tausendfache Abschluss des Vertrages ein Indiz dafür, dass die vorhandene Kompensation branchenüblich anzusehen ist.
  224. (ii)
    Die Kammer kann auch nicht feststellen, dass das Angebot gegenüber der Beklagten in sonstiger Weise unangemessen oder diskriminierend ist.
    Die FRAND-Gemäßheit wird durch die im Mobiltelefonbereich geschlossenen Standardlizenzverträge indiziert (dazu unter (1)). Die Beklagte hat in der Auseinandersetzung mit den vorgelegten Verträgen auch sonst keine Umstände aufgezeigt, die der Indizwirkung der bereits abgeschlossenen Lizenzverträge entgegenstehen (dazu unter (2)). Eine weltweite Lizenz unter Einschluss der VRC ist weder unter dem Aspekt der selektiven Durchsetzung der Schutzrechte eine kartellrechtswidrige Diskriminierung (dazu unter (3)), noch ist die Lizenzgebührenhöhe (…) (dazu unter (4)) und unter Einbeziehung sämtlicher Standard-Profile (dazu unter (5)) unangemessen hoch.
  225. (1)
    Dass die Hälfte des Mobilfunkmarktes nicht von X lizensiert ist und der weit überwiegende Anteil der Lizenznehmer gleichzeitig Pool-Mitglieder darstellt, lässt die Kammer nicht an der Marktakzeptanz im Mobiltelefonsegment zweifeln.
    Die Beklagten haben in der Anlage B 90, 90a Zahlen basierend auf Informationen aus der (…) vorgelegt, die belegen, dass nach Stückzahlen X % des relevanten Marktes für Mobiltelefone im Zeitraum (…) nicht lizensiert sind. Von den X % des lizensierten Marktes entfallen 42% auf Pool-Mitglieder. Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Zahlen (…) erhoben wurden, ist nicht ersichtlich, welche Schlussfolgerung sie daraus ziehen will. Sie hat angeführt, dass sich die Erstellerin der Daten – wie normalerweise – nicht aus der Anlage B 90, 90a ergebe, sondern die Zahlen aufbereitet seien.
    Die Klägerin hat selbst aufbereitete aktuelle Zahlen in der mündlichen Verhandlung anhand der Exceltabelle (B Data) und des Säulendiagramms (AVC Handset Sales Worldwide) vorgelegt, die auf den Marktkenntnissen der X und Daten der (…) – wie der Klägervertreter auf Nachfrage des Gerichts bestätigte –beruhen, ohne dass die Quellenangaben auf der Tabelle/dem Diagramm ersichtlich sind. Insofern sieht die Kammer nicht, dass in dem Bestreiten der Herkunft konkludent ein Bestreiten des Inhalts liegt.
    Die Zahlenwerke beider Parteien sind nur eingeschränkt repräsentativ, weil sie die weltweite Anzahl von Verkäufen von Mobiltelefonen berücksichtigt. Darin eingeschlossen sind offensichtlich auch Verkaufsstellen, die weder zu den üblichen Herstellern noch Händlern gehören, wie z.B. (…) oder (…).
    Auch die Klägerin kommt jedoch annähernd auf gleiche Zahlen hinsichtlich der Lizenzierung im Mobilfunksektor, nämlich auf 42,69% lizensierter Mobiltelefone, wobei X % lizensierte Geräte von Pool-Mitgliedern (Licensor) sind (vgl. Exceltabelle Klägerin, letzte Seite unten).
    Der Umstand, dass zwischen X % und X % der verkauften Mobiltelefone von der X lizensiert sind, lassen den Schluss zu, dass die Standardlizenz in weiten Teilen im Mobilfunkmarkt Akzeptanz gefunden hat. Diese Zahl repräsentiert einen fast hälftigen Marktanteil. Die Klägerin hat darüber hinaus anhand des in der mündlichen Verhandlung überreichten Säulendiagramms dargelegt, dass die Lizenzierungsrate noch (…) über X % lag (blaue Säule ganz links) und ab dem Jahr (…) stetig abgenommen hat. Diese Entwicklung (…) geht Hand in Hand mit dem wachsenden Marktanteil chinesischer Unternehmen (blauer Balken ganz rechts), zu denen auch der Konzern der Beklagten ebenso gehört wie die Unternehmen X die allesamt bis heute keine Standardlizenz genommen haben. Darüber hinaus zählen zu den unlizensierten Mobiltelefonen auch solche, deren Anbieter die lizenzfreie Stückzahlgrenze von 100.000 Mobiltelefonen nicht überschreiten.
    Dass nur X % der Telefone von Lizenznehmern stammen, die nicht zugleich Pool-Mitglieder sind, steht der allgemeinen Akzeptanz der Vertragsbedingungen nicht entgegen. Der Einwand der Beklagten, die Poolmitglieder würden Mehrausgaben aufgrund der Lizenzzahlungen gleichzeitig mit steigenden Lizenzeinnahmen kompensieren, konnte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung entkräften. Insoweit hat sie vorgetragen, dass die generierten Lizenzgebühren anteilmäßig abhängig von den eingebrachten Patenten ausgezahlt werden. Ein Beispiel eines reinen Netto-Zahlers, der nur neun Patente in dem Pool hält (vgl. Anlage 10 – Exhibit C), ist der Y -Konzern, der die weltweit zweithöchsten Stückzahlen von AVC-fähigen Mobilfunkgeräten produziert und vertreibt. Eine Korrelation von Pool-Patenten und Bedeutsamkeit am Markt gebe es nicht, es erfolge vielmehr eine völlige Separierung der Pool-Daten von den Marktdaten mit der Folge, dass Pool-Mitglieder wie jeder andere Lizenznehmer auch behandelt würden. Es ist insoweit nicht ersichtlich, warum die abgeschlossenen Lizenzen kein valides Indiz für die Marktakzeptanz sein sollten. Auch die Beklagte hat dem nichts mehr substantiiert entgegenzuhalten außer, dass die Pool-Mitglieder ein allgemeines Interesse am Funktionieren des Pool-Systems hätten. Zum einen verfolgt jeder Lizenznehmer ein solches Interesse, der von dem Vorteil des One-Stop-Shop-Systems profitieren möchte. Zum anderen zeigt sich, dass sogar marktführende Unternehmen wie Samsung und Y sich auf die Lizenzbedingungen eingelassen haben, wobei Y unstreitig keinen Gewinn aus seiner Pool-Mitgliedschaft zieht. Beide Unternehmen haben eine große Marktmacht und sind durchaus in der Lage, in Lizenzverhandlungen angemessene Bedingungen durchzusetzen. Der Umstand, dass auch sie diese Lizenzen abgeschlossen haben, spricht dafür, dass die Bedingungen FRAND-gemäß sind. Sofern die Beklagte anführt, dass sie die Membership Verträge der Pool-Mitglieder nicht kennt, besteht zu deren Vorlage kein Anlass, da bereits die objektiven Umstände – soweit bekannt – keinen Sachverhalt auch nur andeutungsweise aufzeigen, der die Befürchtung der Beklagten stützt, dass sich mehrere große Marktteilnehmer zusammengeschlossen haben, um bestimmte Lizenzbedingungen am Markt durchzusetzen.
  226. (2)
    Der Beklagten ist es nicht gelungen, für den hiesigen Rechtsstreit relevante Unterschiede der vorgelegten, bereits abgeschlossenen Lizenzverträge aufzuzeigen, die dazu führen könnten, dass die Kammer an der grundsätzlichen FRAND-Gemäßheit zweifelt.
  227. (α)
    (…)
    (β)
    (…)
    (3)
    Die weltweite Erstreckung des Standardlizenzvertrags (…) stellt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der selektiven Rechtsdurchsetzung als kartellrechtswidrige Diskriminierung dar.
    Eine selektive Rechtsdurchsetzung liegt dann vor, wenn ein Patentinhaber in marktbeherrschender Stellung selektiv gegen einzelne Verletzer (gerichtliche) Maßnahmen ergreift, während er andere Verletzer insoweit gewähren lässt, sofern er die Selektion nicht rechtfertigen kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.11.2016, I-15 U 66/15). Dabei handelt es sich um eine Diskriminierung, wenn bestimmten Wettbewerbern ohne sachlichen Grund eine unentgeltliche Benutzung erlaubt ist, anderen wiederum nicht.
    Zunächst ist der Vortrag der Klägerin mangels erheblichen Bestreiten seitens der Beklagten zugestanden, das ein großer Teil der auf dem chinesischen Markt tätigen Anbieter, insbesondere Y, Lizenzen auch für (…) genommen haben. Sofern die (…) anführt, handelt es sich hierbei um Lizenznehmerinnen für den nicht streitgegenständlichen Standard MPEG 2 (vgl. Anlage B 7, B 7a). Der Umstand ist für den vorliegenden Fall daher ohne jede Aussagekraft.
    Die Klägerin hat weiter dargelegt, dass die X bemüht ist, die bislang unstreitig nicht lizenzierten großen chinesischen Unternehmen ebenfalls zu lizenzieren. So hat sie in der mündlichen Verhandlung insbesondere vorgetragen, dass alle vier großen chinesischen Wettbewerber B Lizenzen mit der gleichen Begründung abgelehnt hätten, nämlich dass die jeweiligen Wettbewerber sich ebenfalls lizenzfrei im chinesischen Markt aufhielten. Eine Woche vor hiesiger mündlicher Verhandlung am 6. November 2018 habe sich die Klägerin/X noch mit Vertretern von X getroffen. Diese hätten mitgeteilt, dass sie den Ausgang der Verfahren in Düsseldorf abwarten wollten und erst gegebenenfalls dann zum Abschluss der Standardlizenz bereit seien.
    Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Lediglich die in diesem Zusammenhang ebenfalls geäußerte Behauptung der Klägerin, die X habe alle AVC-pflichtigen Unternehmen, die noch keine Lizenz abgeschlossen hätten, mit Serien-E-Mails kontaktiert, darunter auch die chinesischen Wettbewerber der Beklagten X, hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Ob die Verhandlungen so ihren Anfang nahmen, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Selbst wenn das Bestreiten mit Nichtwissen generell auf die parallelen Verhandlungen mit den Wettbewerbern und deren Reaktionen gerichtet war, dringt die Beklagte damit nicht durch. Zum einen ist die Kammer nach dem bereits erläuterten Maßstab für das Bestreiten mit Nichtwissen zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bzw. X mit anderen chinesischen Unternehmen in Verhandlungen stand und weiterhin steht. So ergibt sich bereits aus dem (…) dass X (…). Aus dem Protokoll ergibt sich gerade nicht, dass die Muttergesellschaft diese Information angezweifelt hätte. Zum anderen ist der Kammer aus dem parallel verhandelten Verfahren der Klägerin gegen die Beklagte I (Az. 4b O 5/17) bekannt, dass dort ebenfalls bis zum anhängigen Rechtsstreit der Abschluss des Standardlizenzvertrages durch deren Muttergesellschaft abgelehnt wurde. Diese Umstände bestätigen aber den Vortrag, dass die Klägerin sich bemüht, auch die anderen noch nicht lizenzierten (…) Unternehmen zum Abschluss einer Lizenz zu bewegen.
  228. Dass die Klägerin neben der I – insoweit stellvertretend für den X Konzern – keine weiteren der näher benannten nicht lizensierten Unternehmen gerichtlich in Anspruch genommen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Klägerin ist eine differenzierte Geltendmachung aufgrund des damit verbundenen Kostenrisikos zuzugestehen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018, Az. 4b O 17/17). Insoweit hat die Klägerin ihre Auswahl plausibel damit begründet, dass sie ihre Rechte zunächst gegen den größten Marktteilnehmer – die Beklagte – mit den meisten Stückzahlen durchsetzen will. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um den größten Schaden handelt, verspricht sich die Klägerin einen Abschreckungseffekt gegenüber den anderen Unternehmen. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die größten chinesischen Hersteller nicht nur (…) insoweit nicht als kartellrechtswidriges, sondern als probates Mittel zu fungieren, um ein solches Verhalten zu durchbrechen, das eher den Eindruck einer Verzögerungstaktik erweckt, um sich ernstzunehmenden Verhandlungen verschließen zu können.
  229. (4)
    Die weltweite Lizenzgebühr erscheint weder unter Berücksichtigung (…) als unangemessen hoch, noch wird die Beklagte hierdurch gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert.
    Die Beklagte hat in der Auseinandersetzung mit den vorgelegten Lizenzverträgen nicht aufgezeigt, dass es entsprechend ihrer Behauptung andere Lizenznehmer gibt, die geringere Lizenzgebühren für Verkäufe in der (…) abführen. Sofern sie auf ein angebliches diskriminierendes Verhalten der X rekurriert, weil Lizenzen unter Aussparung der Muttergesellschaften geschlossen worden seien, ist auch ein solches Verhalten der X in Bezug auf den streitgegenständlichen AVC-Standard nicht hinreichend dargetan. Die Lizenzierungspraxis im Hinblick (…) hat die Klägerin insoweit konkretisiert, als dass gesonderte Lizenzen an Konzernunternehmen nur dann vergeben werden, wenn sich die patentrechtlichen Benutzungshandlungen auf dieses konkrete Konzernunternehmen einschränken lassen. Die Beklagte hat demgegenüber nicht dargetan, dass bei ihrem Konzern eine vergleichbare Situation vorliegt. Vielmehr agiert der Konzern der Beklagten unstreitig weltweit, wie sich auch (…).
    Die Klägerin hat durch die zahlreichen bereits abgeschlossenen Lizenzverträge bereits gezeigt, dass es branchenüblich ist, konzernweite Lizenzen zu schließen.
    Dass der Beklagten bei der Lizenzgestaltung des Standardlizenzvertrages kein Eigengewinn mehr verbleibt, kann die Kammer angesichts der Staffelung von 0,20 $ pro Einheit (Verkauf von 100.001 bis 5.000.000 Einheiten pro Jahr) bzw. von 0,10 $ pro Einheit (Verkauf von mehr als 5.000.000 Einheiten pro Jahr) nicht feststellen.
    Sofern die Beklagte eine umsatzbezogene Betrachtungsweise heranzieht und pauschal vorträgt, dass der auf Endgeräteverkäufe in der VRC auf das Portfolio des Pools entfallende Wertanteil am Gesamtwert der AVC-Technologie bzw. am Preis pro verkaufter Einheit um ein Vielfaches höher sei als in anderen Ländern, verfängt dieser Einwand nicht ohne Weiteres. Die Klägerin hat konkrete Verkaufspreise des Konzerns der Beklagten in (…) vorgelegt, die den von der Beklagten behaupteten Unterschied gerade nicht wiedergeben. Danach sind sich die Preise in allen drei Segmenten sehr ähnlich:
    (…)
    Der Preisverteilung hat die Beklagte nicht widersprochen. Die Beklagte führt lediglich an, ihr Konzern habe (…) Mio. Einheiten (…) abgesetzt und davon (…) Mio. in der (…), weltweit seien es (…) Mio. gewesen (Anlage B 49, 49a). Das belege bei überwiegendem Umsatz außerhalb (…) den niedrigeren Preis innerhalb der (…). Abgesehen davon, dass die konkreten Mobiltelefonpreise des Konzerns der Beklagten nicht bestritten werden, stehen diesen Zahlen wiederum andere Absatzzahlen der Klägerin gegenüber. Danach soll sich der weltweite Absatz des Konzerns der Beklagten (…) auf (…) Mio. Einheiten belaufen, wobei die Verkäufe in (…) bereits ausgenommen seien. Schließlich ist bei beiden Zahlenangaben nicht ersichtlich, ob sie sich ausschließlich auf Mobiltelefone oder insgesamt auf AVC-fähige Produkte (z.B. inklusive Tablets) beziehen. Eine Benachteiligung aufgrund der chinesischen Preisentwicklung ergibt sich aus diesem Tatsachenvortrag gerade nicht, was sich zur Lasten der Beklagten auswirkt.
    Es sind keine weiteren Umstände ersichtlich, die den Schluss zulassen, dass der Gebührenanteil bei Vertriebshandlungen in (…) unzumutbar hoch ist, so dass dies keinem wirtschaftlich vernünftig handelnden Lizenznehmer zugemutet werden könnte.
    Dass eine unangemessene exzessive Gesamtlizenzbelastung vorliege, behauptet die Beklagte selbst nicht. Sofern die Beklagte eine solche befürchtet, legt sie weder konkrete Gründe dafür dar, noch lassen sich solche aus den bereits erörterten Umständen entnehmen.
    Der pauschale Verweis auf das englische O /B Urteil und der Angemessenheit eines 50%-Abschlags für Verkäufe in (…) erklärt ebenfalls nicht, wieso nur eine dementsprechend reduzierte Lizenz im Gegensatz zur streitgegenständlichen Lizenzstaffelung FRAND sein sollte. Die Erkenntnisse, die das englische Gericht nach umfassender Sachverhaltsaufklärung – wie die Beklagte ausführt – gewonnen haben soll, werden nicht mitgeteilt. Insofern bestehen auch Zweifel, inwiefern Ergebnisse, die einen gänzlich anderen Fall mit einem anderen Standard und anderen Verhandlungsmodalitäten betreffen und nach einer völlig anderen Prozessordnung erhalten wurden, ohne weiteres auf diesen Fall in einer anderen Gerichtsbarkeit übertragbar sind. Letzterem Argument kann sich auch die Beklagte nicht verschließen, da sie in anderem Zusammenhang den Prüfungs- und Beweisumfang, der im US-Verfahren vorherrscht, mit Nichtwissen bestreitet.
    Dass chinesische Patente schlechter durchzusetzen sind, ist zum einen mit Nichtwissen bestritten worden und zum anderen bei dem konkreten Patentpool wohl schon deswegen kein Argument für eine Lizenzreduktion, weil die Beklagte in anderem Zusammenhang gerade anführt, dass nur X % chinesische Patente im Rahmen des Patentpools in Kraft ständen. Abgesehen davon kommt es auf die Möglichkeit einer Patentdurchsetzung auch nicht in erster Linie an, weil ein Patent grundsätzlich dann zu beachten ist, wenn es besteht (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17).
  230. (5)
    Der Einwand der Beklagten, der Standardlizenzvertrag differenziere nicht zwischen den verschiedenen Profilen und Merkmalen des AVC-Standards und sei daher nicht FRAND, greift nicht durch. Die Beklagte ist insofern der Auffassung, der AVC-Standard normiere verschiedene Profile und Merkmale, die nicht alle Endgeräte und auch nicht die angegriffene Ausführungsform der Beklagten vollständig unterstützten. Der AVC-Standard begründe quasi Substandards, die sämtlich in einer Poollizenz gebündelt seien. Da der Standardlizenzvertrag hinsichtlich der Lizenzhöhe nicht zwischen verschiedenen Profilen differenziere, profitierten Unternehmen mit Geräten, die von sämtlichen Profilen Gebrauch machten gegenüber Anbietern von mobilen Endgeräten. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen.
  231. Die mit dem Standardlizenzvertrag vorgenommene einheitliche Lizenzierung von den AVC-Standard betreffenden Schutzrechten ohne Differenzierung zwischen einzelnen Profilen und deren Merkmalen stellt eine zulässige Pauschalierung dar, die im Streitfall nicht zur Unangemessenheit der Lizenz oder Diskriminierung der Beklagten gegenüber anderen Lizenznehmern führt.
  232. Aus dem als Anlage B 33 / B 33a vorgelegten Ausdruck des Wikipedia-Eintrags zu H.XXX/I AVC ergibt sich, dass ein Profil im Sinne des AVC-Standards einen Satz von Fähigkeiten umfasst, die sich an spezielle Klassen von Anwendungen richten. Insbesondere gehören zu den Profilen für nicht skalierbare 2D-Videoanwendungen die Profile K, Extended, L und M, wobei weitere Profile wie Constrained K, Progressive L oder Constrained M den Profilen den vorgenannten Profilen mit gewissen Einschränkungen entsprechen. Die vorgenannten Profile beschreiben die typischen Fähigkeiten von Mainstream-Verbraucherprodukten (vgl. S. 12 der Anlage B 33 / B 33a zum L 10-Profil). Dass der Standardlizenzvertrag nicht zwischen diesen Profilen differenziert, ist unbeachtlich. Zunächst ist durch die als Anlage K 8 vorgelegten Tests belegt, dass die angegriffene Ausführungsform in der Lage ist, Dateien zu dekodieren, die die Profile K, L und M verwenden. Infolgedessen ist die Beklagte nicht schlechter gestellt als andere Anbieter mobiler Endgeräte, da sie sämtliche für mobile Endgeräte üblichen Profile nutzt. Soweit das Profil Extended nicht aufgeführt ist, kann dahinstehen, ob dieses nicht ohnehin aufgrund der Eignung für die Profile L und M verwendet werden kann. Jedenfalls handelt es sich bei der einheitlichen Lizenzierung um eine zulässige Pauschalierung der Lizenzbedingungen und -sätze, weil eine Differenzierung im Hinblick auf jedes einzelne Profil mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre. Das gilt erst Recht für einzelne Merkmale der Profile. Es müsste für jeden Gerätetyp nachgehalten werden, welche Profile und Merkmale es unterstützt. Software-Updates, die mit einer Änderung der Profil-Kompatibilität einhergingen, wären für einen Lizenzgeber ohnehin nicht nachvollziehbar. Dabei kann mangels gegenteiligem Vortrag der Beklagten auch nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Aufwand durch deutliche Unterschiede in der Lizenzhöhe gerechtfertigt wäre, wenn tatsächlich zwischen einzelnen Profilen differenziert würde. Soweit daher Lizenznehmer verschiedene Typen mobiler Endgeräte in ihrem Produktportfolio haben, von denen die einfacheren Geräte nur Profile wie K oder L bedienen, während höherwertige Geräte auch das Profil M zur Verfügung stellen, ist die vom Standardlizenzvertrag vorgenommene Vereinheitlichung hinzunehmen, zumal sie die Möglichkeit bietet, mit der Entwicklung neuer mobiler Endgeräte mit noch höherer Leistung auch im unteren Segment Profile wie L und M zu verwenden, ohne einen neuen Lizenzvertrag abschließen zu müssen.
  233. Letztlich bietet der Standardlizenzvertrag eine einheitliche Lizenz für die im Markt übliche Nutzung des AVC-Standards: War die Nutzung anfangs aufgrund beschränkter Rechenleistung der Geräte überwiegend auf die Verwendung des Profils K beschränkt, ergab sich durch Geräte mit höherer Rechenleistung die Möglichkeit der Benutzung anderer Profile (vgl. Anlage B 34 / B 34a). Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass mit Fortschreiten der Technologie zwingend höhere Lizenzsätze verbunden sind, selbst wenn die verschiedenen technologischen Möglichkeiten in einem Standard festgelegt sind.
  234. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Betrachtung der weiteren Profile, die der AVC-Standard anbietet und die vom Standardlizenzvertrag umfasst sind. Die weiteren Profile wie M 10 und darauf aufbauend M X und M X gehen über die Anforderungen an Mainstream-Verbraucherprodukte hinaus; die beiden zuletzt genannten Profile richten sich zudem an professionelle Anwendungen (vgl. S. 12 f der Anlage B 33 / B 33a zum M 10- und M X-Profil). Ob und inwieweit auf dem hier relevanten Produktmarkt überhaupt Geräte zum Einsatz kommen, die Profile jenseits von M verwenden, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist nicht vorgetragen, dass diese Profile in mobilen Endgeräten in einem Umfang zur Verfügung gestellt werden, dass sich eine einheitliche Lizenz für sämtliche Profile als unangemessen und diskriminierend gegenüber Anbietern von Geräten, die nicht sämtliche Profile umfassen, darstellt. Gerade weil sich die Profile jenseits von M-10 an professionelle Anwender richten, ist davon auszugehen, dass sie im hier relevanten Markt allenfalls in einem so kleinen Umfang genutzt werden, dass sich eine Differenzierung in dieser Hinsicht aus den oben genannten Gründen als unangemessen erweist.
  235. Gleiches gilt schließlich für die Profile DD, EE, EE und FF. Diese Profile sind für Camcorder, Kameras und Videoschnittsysteme und ähnliche professionelle Anwendungen gedacht (vgl. S. 13 der Anlage B 33 / 33a) und betreffen daher schon nicht den hier relevanten Markt der mobilen Endgeräte. Insofern kann nicht von einer Diskriminierung gegenüber den Anbietern anderer Produkte wie Kameras, Fernsehern oder dergleichen gesprochen werden. Dass sich die Lizenz bei Betrachtung ausschließlich der Anbieter mobiler Endgeräte als unangemessen oder gar ausbeuterisch erweist, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Ähnliches gilt für die Profile mit der Multiview Video Coding Erweiterung wie Stereo M und Multiview M. Auch wenn sie typischerweise in mobilen Endgeräten nicht zur Anwendung gelangen, handelt es sich dabei um so spezielle Erweiterungen, die etwa stereoskopisches Dual-3D-Video ermöglichen, dass ihre Lizenzierung gemeinsam mit den grundlegenden Profilen nicht ins Gewicht fällt und eine Pauschalisierung gerechtfertigt ist. Gleiches gilt für Erweiterungen im Hinblick auf Scalable Video Coding, die den bestehenden Profilen lediglich ein Skalierbarkeit-Tool hinzufügen.
  236. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf den Nachfolgestandard HEVC, da es sich um eine andere Technologie handelt. Dass die Lizenzierung dort eine Aufteilung in Profilgruppen vornimmt, kann mannigfaltige Gründe haben und mag unter Berücksichtigung aller sonstigen einzubeziehenden Umstände bei dieser Lizenzierung geboten sein (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4a O 17/17). Es können daraus aber keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den hier zu entscheidenden Fall des AVC-Standards gezogen werden.
  237. iii)
    Auch die weiteren Einwände der Beklagten begründen keine Unangemessenheit der Lizenzgebühr oder führen zu einer Diskriminierung der Beklagten.
  238. (1)
    Die Unangemessenheit der angesetzten Lizenzgebühr ergibt sich nicht daraus, dass nur X % in dem Patentpool befindlichen Poolpatente in (…) in Kraft stehen.
    Vorliegend geht es nicht um die Situation, dass eine Gebühr auch für eine lizenzpflichtige Handlung in einem Land gefordert wird, in dem nur ein einziges SEP in Kraft steht und benutzt wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.11.2016, Az. I-15 U 66/15).
    Es steht ein bestimmter Anteil der Poolpatente (…) in der VRC in Kraft. Die in der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf adressierte Sondersituation liegt gerade nicht vor. In diesem Fall ist vielmehr die gegensätzliche Sichtweise des Landgerichts Düsseldorf heranzuziehen, dass die Zahl der in einem Land in Kraft stehenden Schutzrechte nicht überbewertet werden darf, weil andererseits auch bereits ein Patent ausreicht, einen Interessenten von dem standarddefinierten Markt fernzuhalten. Ob daneben auch weitere Schutzrechte für den lokalen Markt lizenziert werden müssen, um die standardisierte Technologie im betreffenden Vertriebsgebiet vermarkten zu können, kann für das Interesse des Lizenzsuchers, einen legalen Marktzutritt zu erlangen, dann nur eine untergeordnete Rolle (vgl. LG Düsseldorf, Urt. vom 11.09.2008, Az. 4b O 78/07 – Videosignal-Codierung III, Rn. 102 – zitiert nach juris). Diese Pauschalierung ist ein Stück weit für den Vorteil, die standardessentielle Technik weltweit nutzen zu können, hinzunehmen. Hinzu tritt der Umstand, dass es sich bei (…) um die viertstärkste Nation bezogen auf den Anteil an den Poolpatenten handelt (vgl. Anlage B 29).
  239. (2)
    Der Umstand, dass Poolmitglieder den Abschluss von Individuallizenzen verweigern und den Abschluss der Standardlizenz anbieten – wie es die Klägerin ebenfalls tut – stellt keinen Marktmissbrauch dar.
    Es wurden bereits oben die Vorzüge der Poollizenz dargestellt, die der Lizenznehmer mit einer one-stop-shop-Lösung erhält, die zudem der Durchsetzung des AVC-Standards dienen und auch von der europäischen Kommission hervorgehoben und begrüßt werden. Es erfolgt auch keine Schlechterstellung der Lizenznehmer des Pools gegenüber jenen Lizenznehmern, die individualvertraglich Lizenzen mit den jeweiligen Pool-Mitgliedern abschließen, weil die Pool-Mitglieder intern dazu verpflichtet sind, auch alle außerhalb des Patentpools gehaltenen SEPs den Pool-Lizenznehmern ebenfalls zu lizensieren (vgl. oben). Insofern hat die Klägerin das Recht, das ihr im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit zusteht, den von ihr favorisierten Standardlizenzvertrag über die X anzubieten.
    Dass die Business-Strategie des Konzerns der Beklagten im Abschluss von Kreuzlizenzen liege (…) ist kein Umstand, der die Klägerin zwingt, eine Individuallizenz anzubieten. Das Meistbegünstigungsprinzip greift gerade nicht.
    Der Umstand, dass es vereinzelte Unternehmen gibt, die weder Pool-Mitglieder sind noch Lizenznehmer des Patentpools und gegebenenfalls dennoch AVC-standardessentielle Patente halten, wie z.B. CC , spricht für sich ebenfalls nicht gegen den FRAND-Charakter des Standardlizenzvertrages.
  240. (3)
    Inwiefern die Vereinbarung der Konzerngesellschaften der Beklagten mit der NTT M gegen den FRAND-Charakter des klägerischen Angebots sprechen soll, ist nicht ersichtlich.
    Dass es den Pool-Mitgliedern freisteht, ihre SEPs auch außerhalb des Pools zu lizenzieren, ergibt sich bereits aus der Präambel des Standardlizenzvertrages ([…] Nichts aus der vorliegenden Vereinbarung untersagt den einzelnen Lizenzgebern, die Rechte aus den einzelnen AVC wesentlichen Patenten […] zu lizenzieren oder als Unterlizenzen zu vergeben, zu denen auch unter anderem die Rechte gehören, die nach der AVC-Patentportfolio-Lizenz vergeben werden. […]). Der Standardlizenzvertrag sieht dies vor, weil er anderenfalls den Leitlinien nicht gerecht würde, die für den Safe-Harbour-Bereich ausdrücklich festlegen, dass Lizenzen für zusammengeführte Technologien nicht exklusiv an den Pool vergeben werden dürfen (vgl. Leitlinien Rn. 261). Würde die Poolverwaltungspraxis diese Möglichkeit nicht eröffnen, wäre sie allein deswegen kartellrechtswidrig.
    (…)
    (4)
    Etwaige Ratenzahlungs- und Anrechnungsvereinbarungen stellen keine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Ungleichbehandlung dar, sondern Zahlungsmodalitäten, die die nach dem Standardvertrag der Höhe nach zu entrichtenden Gebühren im Grundsatz jedoch nicht berühren (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018, Az. 4a O 17/17). In Hinblick auf etwaige Anrechnungsvereinbarungen – deren Bedürfnis im konkreten Fall nicht substantiiert und allenfalls im Hinblick auf den offenbar auch die Beklagte erfassenden Vertrag mit NTT M vorgetragen sind, wobei es dort wiederum an Vortrag in Bezug auf die Voraussetzungen fehlt (vgl. oben) – scheidet eine Ungleichbehandlung aus, weil es sich lediglich um eine Kompensation etwaiger von dem Lizenznehmer bereits erbrachter Leistungen handelt und insofern ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.11.2018, Az. 4a O 17/17).
  241. e)
    Die Beklagte hat von der ihr im Falle eines FRAND-Angebots der Klägerin zustehenden Möglichkeit, ihrerseits ein Gegenangebot zu unterbreiten, das FRAND-Grundsätzen entspricht, keinen Gebrauch gemacht. Weder das mit der Klageerwiderung vorgelegte erste Gegenangebot (…) noch das zweite Gegenangebot (…) waren FRAND.
  242. aa)
    Ob das erste Gegenangebot FRAND ist, kann im Grundsatz dahinstehen, da es vom zweiten Gegenangebot abgelöst wurde. Nur bei letzterem handelt es sich um die aktuellen Lizenzbedingungen, die die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zur Disposition stellte und an die sie sich gebunden fühlte.
    Selbst wenn man das anders sehen wollte, widerspricht das erste Gegenangebot den FRAND-Grundsätzen.
    Das Angebot enthielt eine unfaire Unterscheidung von Lizenzraten in Bezug auf die regionale Nutzung. (…)
    Die regionale Unterscheidung als solche erscheint bereits vor dem Umstand fragwürdig, dass die Preisgestaltung der Beklagten bezüglich ihrer Mobiltelefone zwischen den Kontinenten so gut wie keine Unterschiede zeigt. In allen drei Ländern sind die Preise für Mobiltelefone im Premium-Segment (…), Basic-Segment (…) und Utility-Segment (…) ähnlich. Diese Preise sind von der Beklagten – wie bereits ausgeführt – nicht erheblich bestritten worden.
    Jedenfalls ist aber nicht schlüssig dargetan, warum neben (…) zum niedrigpreisigen Mobilfunkmarkt zählen (…). Die Definition (…) erfasst ausweislich Ziffer 1 (…) Das ist insofern zweifelhaft, als die Beklagte selbst (…) als einen hochpreisigen Markt bezeichnet. Da die Beklagte gerade die angeblich unterschiedlichen Marktbedingungen als Kriterium für eine Differenzierung heranzieht, kann sie dieses nicht willkürlich vernachlässigen, indem sie einen hochpreisigen mit einem niedrigpreisigen Markt kombiniert (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.11.2018, Az. 4b O 17/17). Es ist sachlich nicht begründet, wieso Nutzungen (…) das ansonsten auch von der Beklagten in ihren Absatzübersichten sogar separat von Asien geführt wird, nunmehr ebenso wie (…) vergütet werden sollen.
  243. bb)
    Aber auch das zweite Gegenangebot entspricht nicht FRAND-Grundsätzen.
    Angesichts des Streits der Parteien in diesem Punkt ist festzuhalten, dass allein der Umstand, dass ein Angebot auf eine weltweite Lizenz ausschließlich am gesamten klägerischen AVC-essentiellen Portfolio gerichtet wird (einschließlich der Poolpatente und der außerhalb des Pools gehaltenen SEPs), nicht per se als missbräuchlich zu qualifizieren ist.
    Beide Parteien haben ein Wahlrecht, sowohl eine Individuallizenz als auch eine Poollizenz anzubieten. Diese Möglichkeit wird zu Recht im Standardlizenzvertrag vorgesehen, da ansonsten die Poolverwaltungspraxis der X ihrerseits kartellrechtswidrig wäre (s.o.). Etwas anderes folgt insoweit auch nicht aus der Entscheidung Videosignal-Codierung III (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, 4b O 78/07): Dort hat die Kammer hinsichtlich des Vorgängerstandards und dem Vorgänger-Standardlizenzvertrag, der ebenfalls die Option einer Poollizenz oder Einzellizenz an dem Klagepatent vorsah, geurteilt, dass die Beklagte keine dritte Option in Form einer Poollizenz nur für Deutschland zustehe (Poollizenz nur für Deutschland). Im Unterschied dazu hat die hiesige Beklagte aber einfach nur Gebrauch von einer der zwei möglichen Optionen gemacht.
    Die reine Wahrnehmung der Wahlmöglichkeit, sich nur das klägerische Portfolio lizenzieren zu lassen, ist für sich genommen kartellrechtlich neutral.
    Aus dem Passus in der Präambel resultiert allerdings kein Anspruch der Beklagten auf den Abschluss einer solchen Individuallizenz. Die Klägerin hat ihr Wahlrecht zugunsten der Poollizenz ausgeübt. Ihre Vertragsfreiheit wäre nur dann durch das Kartellrecht beschränkt, wenn Umstände vorliegen, die es sachlich rechtfertigen, die Beklagte anders als die anderen Lizenznehmer zu behandeln und die Klägerin insoweit zum Abschluss einer Individuallizenz gezwungen würde.
    Dies ist hier jedoch nicht der Fall, so dass sich die Beklagte auf eine Poollizenz hätte einlassen müssen. Es wäre mit der Vertragsfreiheit unvereinbar, könnte die Beklagte ohne sachlichen Grund auf ihrer Forderung bestehen und die Klägerin abweichend von dem von ihr praktizierten Lizenzierungsmodell einer Poollizenz in einen Individuallizenzvertrag zwingen. Denn die Klägerin hat in einer Vielzahl von Fällen eine Poollizenz erteilt. Die Beklagte, die sich bereits mit einem FRAND-gemäßen Angebot seitens der Klägerin konfrontiert sieht, hat nicht dargelegt, warum für sie ausschließlich ein individueller Lizenzvertrag mit der Klägerin gerechtfertigt ist. Zu berücksichtigen ist hier, dass auch die SEPs, die die Klägerin außerhalb des Pools hält, mit dem Standardlizenzvertrag aufgrund der internen Absprache der Pool-Mitglieder mitlizenziert werden. Insofern wird sie mit der Wahl des Standardlizenzvertrages nicht schlechter gestellt. Das geäußerte Interesse der Beklagten, ihr gewohntes Lizenzierungsmodell in Gestalt von Kreuzlizenzen beizubehalten ist für sich genommen nichts, was einen zwingenden Grund darstellt, warum die Annahme einer Poollizenz für die Beklagte ausscheidet. Dies vor allem dann nicht, weil sie selbst keine AVC-SEPs hält und insofern nur mit Schutzrechten aus anderen Technologien kreuzlizenzieren könnte. Objektiv betrachtet bevorzugt die Beklagte eine vertragliche Vereinbarung, die sie nach objektiven Kriterien schlechter stellt: Sie muss einzelne Lizenzvertragsverhandlungen mit allen Pool-Mitgliedern durchführen, auf sie kommen insgesamt höhere Lizenzzahlungen zu sowie mehr Transaktionskosten, und sie bekommt im Ergebnis nicht mehr Rechte lizenziert, als sie über den Standardlizenzvertrag faktisch auch erhalten würde.
    Selbst wenn man dies anders sehen wollte, steht dem FRAND-Charakter des Gegenangebots noch ein weiterer grundlegender und für die Kammer ausschlaggebender Punkt entgegen.
    Wie bereits zu Beginn erwähnt, ist Sinn und Zweck des skizzierten Verhandlungsablaufs nach der EuGH-Rechtsprechung, eine Verhandlungssituation anzustreben, die derjenigen im freien Wettbewerb am ehesten entspricht. Dort stehen sich redliche Parteien gegenüber, die ernsthaft und ausgeglichen Verhandlungen führen und beiderseitig an einer Lizenz interessiert sind. Dabei postuliert der EuGH im Hinblick auf das Gegenangebot (vgl. Urt. v. 16.07.2015, Az. C-170/13 (B Co.Ltd ./. X), GRUR 2015, 764, Rn 65, 66): Dem angeblichen Verletzer obliegt es hingegen, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und unter anderem impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird.
    Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich nach den gegebenen Umständen dieses Einzelfalles nicht mehr um ein sorgfältiges Angebot, das nach Treu und Glauben abgegeben wurde, handelt. Hierfür ist das gesamte Verhalten der Beklagten und ihres Konzerns in den Blick zu nehmen. (…) seit dem Anfang der Verhandlungen (…).
    So verhält sich keine Partei, die ernsthaft eine FRAND-Lizenz erhalten möchte. Eine Partei, die überhaupt erst unter dem Druck des Prozesses mit einem Gegenangebot fünf Jahre nach dem Angebot der Klägerin reagiert, handelt wie eine Partei, die im Grundsatz nicht an einer Lizenz interessiert ist bzw. diese so lange wie möglich herauszögern möchte.
    Damit hat sich die Beklagte aber den Grundvoraussetzungen der seitens des EuGH intendierten Verhandlungssituation enthoben. Es handelt sich hier nicht um das vielzitierte Verhandlungs-Ping-Pong, sondern die Beklagte hat bis zur Klageerhebung jede Gegenseitigkeit vermissen lassen. Vor diesem Hintergrund bewegt sich die Beklagte mit ihren Angeboten nicht mehr im Rahmen des Verhandlungskorridors, der desjenigen im freien Wettbewerb entspricht.
  244. f)
    Vor dem Hintergrund, dass der Einwand bereits an dem Gegenangebot scheitert, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine hinreichende Sicherheit geleistet worden ist.
  245. V.
    Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatentanspruchs 4 ist, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt ist (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), und die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform den Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar verletzt (§ 10 Abs. 1 PatG), rechtfertigen sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  246. 1.
    Die Beklagte ist gemäß Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet, es zu unterlassen, patentverletzende Smartphones in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu liefern, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben hat. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr, dass sich in Zukunft weitere Rechtsverletzungen wiederholen werden, ergibt sich in Bezug auf alle oben genannten Benutzungsarten der §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10 PatG daraus, dass die Beklagte die patentierte Erfindung in der Vergangenheit benutzt hat. Da sie hierzu nach §§ 9, 10 PatG nicht berechtigt war, ist sie zur Unterlassung verpflichtet.
  247. Die Verhängung eines Schlechthinverbots ist dabei auch gerechtfertigt, soweit der Unterlassungsanspruch auf Benutzungshandlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gestützt ist. Ein Schlechthinverbot kommt im Rahmen einer nur mittelbaren Patentverletzung regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei benutzt werden kann (vgl. Schulte/Rinken, PatG, 10. Aufl., 2017, § 10 Rn. 40 ff.). Etwas anderes gilt aber dann, wenn weder ein Warnhinweis, noch eine Vertragsstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten können, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den SchutzrechtN ber praktisch nicht feststellbar ist und dem Lieferant ohne weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann (Schulte/Rinken, PatG, 10. Aufl., 2017, § 10 Rn. 43).
    Dies ist im Streitfall zu bejahen. Denn die Nutzung der patentverletzenden AVC-Anwendung erfolgt erst beim Endabnehmer der angegriffenen Smartphones, in der Regel einem privaten Endverbraucher. Diesem gegenüber verbieten sich Vertragsstrafenvereinbarungen. Aber auch ein Warnhinweis kommt nicht in Betracht, weil dieser regelmäßig ins Leere liefe: Ein Hinweis, die AVC-Kompatibilität nicht nutzen zu dürfen, ist gegenüber einem Endverbraucher nicht nur unzutreffend, sondern dürfte auch ein ernsthaftes Kaufhindernis darstellen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die angegriffene Ausführungsform nicht AVC-fähig sei. Darüber hinaus lässt sich seitens der Klägerin nicht feststellen, ob die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform entgegen einem Warnhinweis doch das patentgemäße Dekodierungsverfahren anwenden. Der Beklagten ist es hingegen ohne weiteres zumutbar, die angegriffene Ausführungsform dergestalt abzuwandeln, dass den Nutzern das geschützte Dekodierungsverfahren nicht mehr zur Verfügung steht, indem die entsprechenden Codec-Programmbestandteile entfernt werden (auch wenn die hardware-technischen Voraussetzungen noch gegeben sind).
  248. 2.
    Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für Benutzungshandlungen seit dem 06.10.2015 Schadensersatz zu leisten, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG.
    Die Beklagte beging die Patentverletzung schuldhaft, weil sie als Fachunternehmen die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können, § 276 BGB.
    Die Klägerin ist derzeit nicht in der Lage, den konkreten Schaden zu beziffern. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein weiterer Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Ersatzansprüchen droht.
  249. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden demgegenüber durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.
  250. 4.
    Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse und auf Rückruf aus den Vertriebswegen gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG zu, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzte, ohne dazu berechtigt zu sein. Für die Unverhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte und diese wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
  251. B.
    Eine Aussetzung der Verhandlung gem. § 148 ZPO bis zur Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens ist nicht veranlasst. Denn die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage lässt sich nicht feststellen (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 16.09.2014, X ZR 61/13, GRUR 2014, 1237, 1238, Rn. 4 – Kurznachrichten).
  252. I.
    Die Inanspruchnahme der im Klagepatent angegebenen Priorität vom 15.04.2002 ist wirksam.
  253. Die materiellen Voraussetzungen einer beanspruchten Priorität sind im Verletzungsverfahren nachprüfbar (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1962, I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 566 – Aufhängevorrichtung; BeckOK Patentrecht/Beckmann, 9. Edition, Stand: 26.07.2018, § 41 Rn. 52).
  254. 1.
    Nachanmeldung (das Klagepatent) und das Prioritätsdokument enthalten nur dann dieselbe Erfindung nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ, wenn die diesbezügliche Offenbarung in beiden Dokumenten identisch ist (Schulte/Moufang, PatG, 10. A., 2017, § 41 Rn. 33 m. w. N.). Der Inhalt der Prioritätsanmeldung bestimmt sich nach der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen, nicht etwa nach dem Inhalt der dortigen Ansprüche; maßgeblich ist das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchten Anmeldung (Schulte/Moufang, PatG, 10. A., 2017, § 41 Rn. 33 m. w. N.).
    Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Priorität einer Voranmeldung auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urt. v. 11.02.2014, X ZR 107/12, GRUR 2014, 542, 544 Rn. 25 – Kommunikationskanal). Der Umstand, dass alle in einer Anmeldung geschilderten Ausführungsbeispiele ein bestimmtes Merkmal aufweisen, steht der Beanspruchung von Schutz für Ausführungsformen ohne dieses Merkmal allerdings nicht entgegen, wenn sich dem Inhalt der Anmeldung kein konkreter Bezug zwischen dem betreffenden Merkmal und den im Anspruch vorgesehenen Mitteln zur Lösung eines geschilderten technischen Problems entnehmen lässt (BGH, Urt. v. 07.11.2017, X ZR 63/15, GRUR 2018, 175, 177 Rn. 35 – Digitales Buch).
  255. a)
    Die Merkmale 1 und 1.1 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents sind in der Voranmeldung (Anlage NK 6, in deutscher Übersetzung eingereicht als Anlage NK 6a) ursprünglich offenbart, insbesondere, dass das kodierte Bild durch Transformieren des Bildes in Koeffizienten erhalten wurde, die Ortsfrequenzkomponenten zeigen. Insoweit heißt es in Abs. [0035] der Voranmeldung, es könne ebenfalls der Fall gehandhabt werden, dass eine Längenkodierung an Koeffizienten durchgeführt werde, die durch Frequenzumwandlung abweichend von DCT erzeugt wurden. Jedenfalls in der Bezugnahme auf die Frequenzumwandlung ist die Bezugnahme auf Ortsfrequenzkomponenten zu sehen. Im Übrigen stellt die DCT-Transformation eine Bildtransformation dar, die die Bestimmung von Ortsfrequenzkomponenten eines Bildes erlaubt.
    Insoweit ist nicht schädlich, dass Ansprüche 1 und 2 der Voranmeldung keinen direkten Bezug zu Ortsfrequenzen enthalten. Denn dieser Bestandteil der späteren Ansprüche 1 und 4 ist jedenfalls implizit offenbart.
  256. b)
    Merkmalsgruppe 4 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents ist ebenfalls in der Voranmeldung offenbart. In den Ansprüchen 1 und 2 der Voranmeldung wird Bezug genommen auf einen Kodierschritt mit der Funktion, eine Anzahl von Koeffizienten mithilfe einer Kodetabelle in eine Kodezahl umzuwandeln und die Kodezahl mithilfe einer VLC-Tabelle in einen variablen Längencode umzuwandeln. Zudem folgt aus Abs. [0011] und [0012] der Voranmeldung implizit, dass die Anzahl von Nicht-Null-Koeffizienten des zu kodierenden Bildes kodiert werden soll. Hinzu kommt, dass in diesen Absätzen auf die Kodierung mit variabler Länge (VLC) Bezug genommen wird. Die per VLC durchgeführte Kodierung der Anzahl der Nicht-Null-Koeffizienten erzeugt einen VLC-Kode (eine Bitfolge) für die entsprechende Gesamtzahl von Nicht-Null-Koeffizienten, so dass der VLC-Kode den kodierten Daten nach der Merkmalsgruppe 4 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents darstellt. Es werden mithin kodierte Daten, die durch Kodieren der Gesamtzahl von Nicht Null-Koeffizienten erhalten wurden, in der Voranmeldung offenbart.
  257. Die Verwendung einer VLC-Tabelle zum Kodieren im Sinne des Merkmals 4.2 der Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents ohne die zusätzliche Auswahl einer Kodetabelle wird in der Voranmeldung ebenfalls offenbart. Insoweit heißt es in Abs. [0006], die Kodier und Dekodierverfahren der Erfindung wählten eine optimale Kodetabelle oder VLC-Tabelle oder beide aus, basierend auf der Anzahl der Koeffizienten in den benachbarten Blöcken, und führten die Kodierung und Dekodierung durch.
    Dabei ist unschädlich, dass die Ansprüche und Ausführungsbeispiele der Voranmeldung neben dem Einsatz einer VLC-Tabelle auch eine Kodetabelle vorsehen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass Ansprüche in einer (Vor )Anmeldung nur vorläufigen Charakter haben. Denn erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt (BGH, Urt. v. 07.11.2017, X ZR 63/15, GRUR 2018, 175, 177 Rn. 33 – Digitales Buch). Zum anderen enthält die Voranmeldung hinreichend technische Anweisungen, die die Ausgestaltung eines Verfahrens bzw. einer Vorrichtung darstellen, wie sie im Klagepatent offenbart sind, und die in ihrer Allgemeinheit der Voranmeldung entnehmbar sind.
    Die Voranmeldung beschreibt zunächst das Ziel in Abs. [0005], Kodier und Dekodierverfahren für bewegte Bilder bereitzustellen, die die Anzahl der Nicht-Null-Koeffizienten, die in einem Block enthalten sind, mit konstant hoher Effizienz kodieren zu können, unabhängig von der Art des aktuellen Bildes. Die Erzielung einer hohen Effizienz steht jedoch nicht für die Erzielung der maximalen Effizienz, sondern für ihre Verbesserung.
    Funktion der Kodetabelle ist die Erfassung der Koeffizientenanzahl und ihrer Verteilung (vgl. Abs. [0037]). Selbst wenn die Kodetabelle im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Voranmeldung der „Übersetzung“ diente, weil es viele VLC-Tabellen für verschiedene Arten von Kodierung gab, so hätte dies den Fachmann nicht davon abgehalten, auf die Kodetabelle zu verzichten. Denn die Absätze [0034], [0090], [0110], [0119] und [0127] zeigen dem Fachmann, dass es nach der technischen Lehre der Voranmeldung möglich ist, eine der Tabellen – die Kodetabelle oder die VLC-Tabelle – festzulegen. Er erkennt damit, dass die begründete Auswahl zwischen Tabellen nur eines Typs zur Erfindung gehört und die damit verbundene Verringerung der Codierungseffizienz hingenommen wird (vgl. Abs. [0034]).
    Über die in der Beschreibung dargestellten Kodetabellen und VLC-Tabellen erschließt sich dem Fachmann weiter, dass bei fester Kodetabelle (z.B. der Kodetabelle 1 in Abs. [0017]) die Koeffizientenzahl dem Kode der jeweiligen VLC-Tabelle in Abhängigkeit vom Prädiktionswert auch unmittelbar zugeordnet werden kann. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen in Abs. [0006] zu sehen, wo es prägnant heißt, dass es das Mittel zur Lösung des technischen Problems sei, eine optimale Kodetabelle oder VLC-Tabelle oder beide auszuwählen.
    Dieses Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn ein Mehrwert der Kodetabellen darin gesehen werden sollte, dass sie auf Basis von Statistiken aufgesetzt werden (vgl. Abs. [0037]). Denn diese Funktionsweise entspricht letztlich der oben genannten Übersetzungsfunktion der Kodetabellen. Gleichfalls spricht ein etwaiger Zusatzwert durch Einsatz mehrerer Kodetabellen, vgl. nur Abs. [0018], nicht gegen die obigen Ausführungen. Entscheidend ist, dass der Fachmann den Einsatz auch nur der VLC-Tabelle alleine zur Zuordnung von Koeffizienten zu Bitfolgen aus der Voranmeldung aufgrund der Ausführungen in den Absätzen [0034], [0090], [0110], [0119] und [0127] ableitet und als zur technischen Lehre der Voranmeldung zugehörig wertet.
  258. c)
    Eine Dekodiervorrichtung nach Anspruch 4 des Klagepatents wird jedenfalls in Fig. 14 (i. V. m. Abs. [0075]) sowie in Fig. 16A der Voranmeldung offenbart.
  259. 2.
    Ob eine materielle Prüfung der Priorität durch den EPA-Prüfer tatsächlich erfolgt ist, mag vor dem Hintergrund des oben Ausgeführten dahingestellt bleiben. Selbst wenn eine solche stattgefunden haben sollte, entbindet dies die Kammer nicht davon, die materiellen Voraussetzungen einer beanspruchten Priorität selbst nachzuprüfen (hierzu bereits oben). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine beanspruchte Entgegenhaltung in die Prioritätsphase zwischen Prioritätsdatum und Anmeldetag fällt, wie im hiesigen Rechtsstreit die Schrift JVT-F100 (NK 7).
  260. II.
    Es erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Erfindung nach dem Klagepatent gem. Art. 64 Abs. 3 EPÜ i. V. m. § 3 PatG neuheitsschädlich vorweggenommen wurde.
  261. 1.
    Im Hinblick auf die Entgegenhaltung WO X (= EP X, Anlagenkonvolut Z, dort AA) ist die Vernichtung des Klagepatents wegen mangelnder Neuheit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
  262. Bei der Schrift handelt es sich um nachveröffentlichten Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 2 PatG.
    Die Entgegenhaltung offenbart nicht unmittelbar und eindeutig Merkmal 2.4 des Anspruchs 1 und Merkmal 2.2 des Anspruchs 4 des Klagepatents. Die Gleichungen auf S. 34 f. zeigen nicht auf, dass der Prädiktionswert auf Null bestimmt wird, wenn keine dekodierten Blöcke oberhalb und links von dem aktuellen Block aufgefunden wurden. Bereits die Erwähnung von Nc_L und Nc_T zeigt, dass nach den Gleichungen prinzipiell davon auszugehen ist, dass es die Blöcke gibt. Dabei kann der einzusetzende Wert durchaus Null betragen.
    Der Fachmann entnimmt der Entgegenhaltung vielmehr, dass für die ersten zu (de )kodierenden Blöcke der Dekodierer die VLC-Tabelle kennen muss, aus der die Koeffizientenanzahl ausgewählt wurde (vgl. S. 40, Z. 14-28 der AA). Hieraus folgt, dass der Prädiktionswert für die nicht vorhandenen Nachbarblöcke nicht zwingend auf Null gesetzt wird, um anhand der zugehörigen VLC-Tabelle die Koeffizientenzahl zu ermitteln. Die Koeffizientenzahl kann vielmehr durch die Mitteilung der VLC-Tabelle unmittelbar dekodiert werden.
    Soweit die Entgegenhaltung sog. Skip-Blöcke in Tabelle 3 erwähnt, so genügt dies für eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Merkmale 2.4 bzw. 2.2 der Ansprüche 1 und 4 nicht. Denn Referenzblöcke oberhalb und links des Skip-Blocks werden insoweit nicht in Bezug genommen.
  263. 2.
    Die erfindungsgemäße Lehre wird von der Entgegenhaltung JVT-FXXX (NK 7) nicht neuheitsschädlich vorweggenommen, denn es handelt sich nicht um vorveröffentlichten Stand der Technik. Die Entgegenhaltung stammt vom 16. Februar 2003 (siehe Deckblatt) und ist damit nicht vor-prioritär.
  264. 3.
    Die übrigen Entgegenhaltungen werden von den Parteien nicht schriftsätzlich diskutiert, so dass sich eine Auseinandersetzung mit diesen erübrigt.
  265. III.
    Es erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Erfindung nach dem Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Art. 64 Abs. 3 EPÜ i. V. m. § 4 PatG.
  266. 1.
    Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Fachmann anhand der Kombination der Schrift NK 8 mit dem allgemeinen Fachwissen zur erfindungsgemäßen technischen Lehre gelangen würde.
  267. Ob die Entgegenhaltung NK 8 zum vorveröffentlichtem Stand der Technik gehört, mag dahingestellt bleiben. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, warum der Fachmann zusätzlich zu der Entgegenhaltung NK 8 aus dem allgemeinen Fachwissen die Lösung auswählen sollte, den Prädiktionswert auf Null zu setzen, wenn Referenzblöcke links und oben von dem aktuellen Block fehlen (Merkmale 2.4 bzw. 2.2 der Ansprüche 1 und 4). Denn für den Fachmann waren weitere Alternativen denkbar, wie z.B. der Rückgriff auf feststehende Werte einer Kodetabelle.
    Darüber hinaus offenbart die Entgegenhaltung NK 8 nicht die Bestimmung von Prädiktionswerten. Die NK 8 nimmt auf S. 10 sowie auf S. 6, Abs. 2, und S. 11, Abs. 1, keinen Bezug auf Prädiktionswerte.
  268. 2.
    Ebenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Fachmann anhand der Kombination der Schrift NK 8 mit der Entgegenhaltung B 63 / NK 16 zur erfindungsgemäßen technischen Lehre gelangen würde. Die Beklagte zeigt bereits nicht auf, welchen Anlass der Fachmann gehabt haben soll, um zu der Lehre nach der Schrift NK 16 zu gelangen.
    Gleiches gilt für eine Kombination mit der Schrift B 62 / NK 15 und etwaigem allgemeinen Fachwissen.
  269. 3.
    Es ist weiterhin nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Fachmann anhand der Kombination der Schriften JVT-B101 (NK 9) und JVT-B045 (NK 10) mit dem allgemeinen Fachwissen zur erfindungsgemäßen technischen Lehre gelangen würde – auch unter ergänzender Heranziehung der Schriften NK 16 und NK17. Die Beklagte hat insoweit bereits nicht aufgezeigt, welchen Anlass der Fachmann gehabt haben soll, die Entgegenhaltung NK 10 oder die Schriften NK 16, NK 17, ausgehend von der Schrift NK 9 heranzuziehen.
    Die Erkenntnis, dass die Schriften NK 9 und NK 10 Entropie-Kodierverfahren betreffen, reicht hierfür nicht aus. Denn die NK 9 bezieht sich unstreitig auf die adaptive VLC-Kodierung und die NK 10 auf die adaptive CABAC-Kodierung. Beide Kodierverfahren haben, wie die Beklagte selbst vorträgt, verschiedene Anwendungen, so dass noch weniger erkennbar ist, warum der Fachmann die Schrift NK 10 korrespondierend heranziehen soll.
  270. C.
    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 S. 1 und 2, 108 ZPO. Dabei war die Sicherheitsleistung in Höhe des Streitwerts festzusetzen.
  271. Die Vollstreckungsschäden – und damit die Sicherheitsleistung – entsprechen in aller Regel dem festgesetzten Streitwert. Denn die Bestimmung des Streitwerts richtet sich nach dem Interesse der klagenden Partei an der begehrten gerichtlichen Entscheidung, für dessen Berechnung bei einem – auch hier im Vordergrund stehenden – Unterlassungsanspruch nicht nur der Wert und die Bedeutung der verletzten Rechtsposition des Klägers, sondern ebenso der Umfang der angegriffenen Handlungen maßgeblich sind (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 256 – Sicherheitsleistung/Kaffeepads). Jedenfalls ist die Vollstreckungssicherheit typischerweise nicht höher als der Streitwert einzuschätzen. Denn während es für die Höhe der vom Landgericht anzuordnenden Vollstreckungssicherheit nur auf den mutmaßlichen Vollstreckungsschaden des Schuldners im kurzen Zeitraum bis zur Berufungsverhandlung und der sich daran anschließenden Verkündung der Berufungsentscheidung ankommt, weil mit ihr eine eigene, neue Vollstreckungsgrundlage geschaffen wird, und darüber hinaus nicht vollstreckbare Teile des Urteilsausspruchs (wie der Feststellungstenor) außer Betracht zu bleiben haben, fallen für die Streitwertbemessung sämtliche Klageansprüche und der gesamte Zeitraum bis zum regulären Ende der Patentlaufzeit ins Gewicht (OLG Düsseldorf, GRUR RR 2012, 304 – Höhe des Vollstreckungsschadens). Ist dagegen – ausnahmsweise – zu erwarten, dass eine in Höhe des Streitwerts festgesetzte Sicherheit den drohenden Vollstreckungsschaden nicht vollständig abdecken wird, ist es Sache des Beklagten, dem Gericht die dafür bestehenden konkreten Anhaltspunkte darzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47). Hierfür bedarf es weder einer ins Einzelne gehenden Rechnungslegung noch der Ausbreitung von Geschäftsinterna. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr eine generalisierende Darstellung, die die behaupteten Umsatz- und Gewinnzahlen nachvollziehbar und plausibel macht. Hierzu wird es vielfach genügen, auf Dritte ohnehin zugängliche Unterlagen wie Geschäftsberichte oder dergleichen zurückzugreifen oder eine nach Maßgabe der obigen Ausführungen spezifizierte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers oder eines sonst zuständigen Mitarbeiters vorzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47).
    (…)
    D.
    Vollstreckungsschutz im Sinne des § 712 ZPO ist der Beklagten nicht zu gewähren, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt noch gem. § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
  272. E.
    Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 30. November 2018 und 11. Dezember 2018, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, haben bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden und gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung, §§ 296a, 154 ZPO.
  273. F.
    Der Streitwert wird auf 30.000.000 EUR festgesetzt. Der Streitwert war nach den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung allerdings auf € 30.000.000,00 hochzusetzen. Hiernach beläuft sich nur das klägerische Interesse – nicht das des gesamten Patentpools – allein bereits auf $ 100.000.000 Lizenzschulden. Damit ist letztlich nur das Interesse im Hinblick auf die Feststellung des Schadensersatzes adressiert. Unter Berücksichtigung der Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf, Vernichtung und Auskunft erscheint der vorläufig festgesetzte Streitwert in Höhe von € 5.000.000,00 als weit untersetzt.

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