4b O 247/09 – Hunde-Gentest

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1364

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. Februar 2010, Az. 4b O 247/09

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz ausschließliche Unterlizenznehmerin des Europäischen Patents EP 1 389 XXX B1 (Anlage K 1, als deutschsprachige Übersetzung Anlage K 16 im Folgenden: Verfügungspatent). Das Verfügungspatent betrifft MDR1-Varianten und Verfahren zu ihrer Verwendung. Es wurde am 10. Januar 2002 unter Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 12. Januar 2001 (US 261XXX P) und vom 24. August 2001 (US 314XXX P) angemeldet und am 18. Februar 2004 veröffentlicht. Die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 18. November 2009 bekannt gemacht.

Die selbstständigen Ansprüche 1 und 21 des in englischer Verfahrenssprache abgefassten Verfügungspatents lauten in deutscher Übersetzung:

„1. Verfahren zur Detektion der Ivermectin-Empfindlichkeit eines hundeartigen Subjekts, welches das Bestimmen umfasst, ob eine homozygote oder heterozygote Gentrunkierungsmutation in einer für mdr1 kodierenden Sequenz des hundeartigen Subjekts oder ein trunkiertes P-Glykoprotein (P-gp) im hundeartigen Subjekt vorhanden ist, worin das trunkierte P-gp keine der ATP-Bindungsstellen, Substratbindungsstellen, Phosphorylierungsstellen und mehreren membrandurchdringenden Motive, von denen die Arzneimittelausscheidungsfunktion des P-gp abhängt, aufweist oder die Gentrunkierungsmutation ein trunkiertes P-gp ergibt, das keine dieser Stellen und Motive aufweist, und worin die Gegenwart der Gentrunkierungsmutation oder Trunkierung von P-gp anzeigt, dass das hundeartige Subjekt empfindlich gegenüber Ivermectin ist.

21. Verfahren zum Erhalt eines nichtmenschlichen Tiermodells, das für die Untersuchung einer durch P-gp beeinflussten biologischen Wirkung einer Verbindung zweckdienlich ist, wobei das Verfahren das Identifizieren eines Collies als homozygot oder heterozygot bezüglich einer Trunkierungsmutation im mdr1-Gen umfasst, worin die Trunkierungsmutation eine Mutation in den Resten 294 – 297 der Seq.-ID Nr. 1 ist.“

Die Verfügungsbeklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Verfügungsbeklage zu 2) ist, bot unter anderem über ihren Internetauftritt „A“ ein Testverfahren betreffend eine sog. „B“ an (im Folgenden: angegriffenes Verfahren). Bis zur Erteilung des Verfügungspatents führte die Verfügungsbeklagte das angegriffene Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland selbst aus, wobei zwischen den Parteien außer Streit steht, dass das von der Beklagten selbst durchgeführte Verfahren von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machte. Noch vor Erteilung des Verfügungspatents verhandelten die Parteien über den Abschluss eines Unterlizenzvertrages betreffend das Verfügungspatent. Mit E-Mail vom 10. November 2008 (Anlage K 4) erklärte die Verfügungsbeklagte zu 2) in Vertretung der Verfügungsbeklagten zu 1), dass sie am Abschluss eines solchen Unterlizenzvertrages kein Interesse habe und dass die Verfügungsbeklagten ab Erteilung des Verfügungspatents verfügungspatentgemäße Untersuchungen in Deutschland nicht mehr durchführen werde. Dies kündigte die Verfügungsbeklagte zu 2) nochmals in einem Schreiben vom 10. November 2009 an. Am selben Tage veröffentlichte die Verfügungsbeklagte zu 1) auf ihrer Homepage eine Mitteilung folgenden Inhalts (Anlage K 6):

„C aktuelle Änderungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
jetzt ist es soweit: das Patent zum Schutz des Verfahrens zur B tritt mit Wirkung vom 18.11.2009 in Deutschland in Kraft.
Was heißt das für Sie?
1. Selbstverständlich akzeptieren wir die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen dergestalt, dass wir ab dem oben genannten Termin die Testung in unserem Labor in Deutschland einstellen werden. Wir können aber versichern, dass auch in Zukunft rechtlich abgesichert die Untersuchung aller Proben, die zu uns gelangen, in einem Partnerlabor unseres Vertrauens im patentfreien Ausland auf höchstem Qualitätsniveau durchgeführt wird. […]
Daher sind wir auch weiterhin in der Lage, im Interesse von Ihnen, den Nutzern eines für viele Hunderassen wichtigen Gentests, die bestmöglichen Untersuchungsmöglichkeiten für den Nachweis der D zu relativ günstigen preislichen und zeitlichen Konditionen zur Verfügung stellen zu können.“

Die Verfügungsbeklagte zu 1) selbst führt das angegriffene Verfahren seit Erteilung des Verfügungspatents nicht mehr aus, sondern übersendet Proben von zu untersuchenden Tieren, welche sie ihrerseits von den jeweiligen Tierhaltern erhält, an ein in der Slowakei ansässiges Labor, welches die Proben einem Untersuchungsverfahren unterzieht.

Eine am 11. Dezember 2009 entnommene Probe des Collie-Mischlings „E“ (vgl. Untersuchungsauftrag als Anlage A 1) ließ die Verfügungsbeklagte untersuchen. Im zugehörigen Untersuchungsbefund heißt es unter anderem:

„Der Gentest wird entsprechend der Veröffentlichung von F et al. (2991) „Ivermectin sensitivity in collies is associated with a deletion mutation of the mdr1 gene“ durchgeführt und weist die Mutation MDR1 nt 230 (del4) nach. […]
Die Durchführung des MDR1-Gentets erfolgt nach den Vorgaben der DIN EN ISO/IEC 17025 im Partnerlabor“

Den Verfügungsbeklagten als auch anderen Wettbewerbern der Verfügungsklägerin ist die technische Lehre des Verfügungspatents schon seit längerer Zeit bekannt. Die Verfügungsbeklagten beabsichtigen nicht – wie sie in mündlicher Verhandlung vom 2. Februar 2010 nochmals bestätigten –, das Verfügungspatent anzugreifen. Einspruch wurde gegen das Verfügungspatent bislang nicht eingelegt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Verfügungsbeklagten ließen das angegriffene Verfahren auch nach Erteilung des Verfügungspatents in unveränderter Weise im Ausland durchführen. Das im Ausland durchgeführte Untersuchungsverfahren sei identisch zu demjenigen, welches die Verfügungsbeklagte zu 1) bis zur Erteilung des Verfügungspatents selbst im Inland ausgeführt habe. Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, die aus diesem Verfahren gewonnenen Testergebnisse und Diagnosen betreffend die Ivermectin-Überempfindlichkeit von Hunden seien „Erzeugnisse“ im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG, weswegen es die Verfügungsbeklagten zu unterlassen hätten, diese Testergebnisse und/oder Diagnosen zum Zwecke des Inverkehrbringens oder des Gebrauchens ins Inland einzuführen und/oder zu besitzen. Ferner meint die Verfügungsklägerin, die Verfügungsbeklagte zu 1) mache auch insofern von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch, als sie ein Verfahren gemäß Anspruch 21 des Verfügungspatents im Inland ausführe, denn die Verfügungsbeklagte zu 1) selbst führe die Identifizierung der getesteten Hunde durch, und zwar im Inland.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

den Verfügungsbeklagten es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,

I. Testergebnisse und/oder Diagnosen zum Zwecke des Inverkehrbringens oder des Gebrauchens in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und/oder zu besitzen,

wenn diese durch ein Verfahren ermittelt wurden

zur Detektion der Ivermectin-Empfindlichkeit eines hundeartigen Subjekts, welches das Bestimmen umfasst, ob eine homozygote oder heterozygote Gentrunkierungsmutation in einer für mdr1 kodierenden Sequenz des hundeartigen Subjekts oder ein trunkiertes P-Glykoprotein (P-gp) im hundeartigen Subjekt vorhanden ist, worin das trunkierte P-gp keine der ATP-Bindungsstellen, Substratbindungsstellen, Phosphorylierungsstellen und mehreren membrandurchdringenden Motive, von denen die Arzneimittelausscheidungsfunktion des P-gp abhängt, aufweist oder die Gentrunkierungsmutation ein trunkiertes P-gp ergibt, das keine dieser Stellen und Motive aufweist, und worin die Gegenwart der Gentrunkierungsmutation oder Trunkierung von P-gp anzeigt, dass das hundeartige Subjekt empfindlich gegenüber Ivermectin ist;

II. ein Verfahren zum Erhalt eines nichtmenschlichen Tiermodells anzuwenden und/oder in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, das für die Untersuchung einer durch P-gp beeinflussten biologischen Wirkung einer Verbindung zweckdienlich ist, wobei das Verfahren das Identifizieren eines Collies als homozygot oder heterozygot bezüglich einer Trunkierungsmutation im mdr1-Gen umfasst, worin die Trunkierungsmutation eine Mutation an den Resten 294 – 297 der Seq.ID Nr. 1 gemäß Sequenzprotokoll der EP 1 389 XXX B1 ist.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten bestreiten, das Verfügungspatent zu verletzen. Sie bestreiten es mit Nichtwissen, dass das Testverfahren, welches durch ihr Partnerlabor in der Slowakei zur Prüfung der von ihnen dorthin übersandten Proben durchgeführt wird, von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch mache. Ihnen sei unbekannt, ob dieses Partnerlabor „das patengemäße Verfahren überhaupt“ anwende. Ferner sind die Verfügungsbeklagten der Auffassung, dass die in der Slowakei gewonnen Testergebnisse jedenfalls keine „Erzeugnisse“ im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG seien. Ein Verfahren gemäß Anspruch 21 des Verfügungspatents führe die Verfügungsbeklagte zu 1) nicht aus, da nicht sie selbst die untersuchten Hunde als Träger einer Genmutation identifiziere. Vielmehr übersende sie an ihr Partnerlabor einem bestimmten Tier zugeordnete und entsprechend gekennzeichnete Proben. Das Partnerlabor übermittele sodann nach Durchführung des Testverfahrens Testübersichten, in denen die Testergebnisse den einzelnen Tieren bereits in einer Weise zugeordnet seien, wie dies aus einem beispielhaften Testbericht (Anlage AG 1) ersichtlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist mangels Verfügungsanspruchs unbegründet. Der Verfügungsklägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Verfügungsbeklagte gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9 Satz 2 Nr. 2 und 3, 139 PatG nicht zu.

I.

Der Verfügungsantrag begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken. In der Neufassung des Antrags durch Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 21. Januar 2010 (Bl. 96 f. GA) liegt – entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten – keine Antragsänderung im Sinne von § 263 ZPO. Die Verfügungsklägerin hat lediglich, nachdem die Kammer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat, klarstellend die im ursprünglichen, auf eine Beschlussverfügung gerichteten Antrag vom 10. Dezember 2009 (Bl. 2 f. GA) enthaltenen Worte „der besonderen Dringlichkeit wegen“ und „ohne mündliche Verhandlung“ weggelassen. Eine Änderung in der Sache ist damit nicht verbunden.

II.

Das Verfügungspatent betrifft ein Verfahren sowie Kits zur Detektion der Empfindlichkeit eines hundeartigen Subjekts gegenüber pharmazeutischen Wirkstoffen, insbesondere gegenüber der Verabreichung von Arzneimitteln, die mit P-Glykoprotein interagieren.

Aus dem Stand der Technik ist zum einen das Konzept einer Blut-Hirn-Schranke bekannt, nämlich die Beobachtung, dass bestimmte, in den peripheren Blutkreislauf injizierte Substanzen zwar Zugang zu den meisten Organen, nicht aber zum Gehirn haben. Bekannt ist ferner, dass im Kapillarendothel (zum Gefäßinnenraum (Kapillarlumen) gerichtete Zellen der innersten Wandschicht eines Kapillargefäßes, welche die Blut-Hirn-Schranke physiologisch im Wesentlichen bilden) Transportersysteme den Influx und Efflux von Substanzen durch die Kapillar-Endothelzellen selektiv regulieren. Als wichtigster Efflux-Transporter der Blut-Hirn-Schranke für Arzneimittel ist das P-Glykoprotein identifiziert, ein Produkt des mdr1-Gens (mdr für multidrug resistance), das als Zelloberflächenprotein die Zellmembran durchspannt. Die Expression von P-Glykoprotein ist nicht nur in Tumorzellen, sondern auch in normalem Gewebe nachgewiesen worden, unter anderem in zerebralen Kapillarendothelzellen des Gehirns. P-Glykoprotein funktioniert als ATP-(Adenosin-Triphosphat)-abhängige Efflux-Pumpe und bewirkt bei bestimmten Substanzen unter anderem eine geringere Arzneimittelakkumulation (bei Transport von Arzneimitteln) oder reduzierte Zytotoxizität (beim Transport entsprechender Toxine). Dies wurde unter anderem für Substrate von P-Glykoprotein in Tumorzellen beobachtet. Diese Funktion des P-Glykoprotein beruht auf seiner Fähigkeit, seine Substrate zu binden und aus der Zelle zu schleusen.

Auf der anderen Seite sind aus dem Stand der Technik Avermectine bekannt als Substanzen mit einer breiten antiparasitären Wirkung. Zur Gruppe der Avermectine gehört Ivermectin, ein halb-synthetisches Lacton, das in der Veterinärmedizin häufig zur Behandlung und Kontrolle von parasitär ausgelösten Infektionen verwendet wird. Die Wirkung des Ivermectins, das ein Substrat des P-Glykoproteins ist, gegenüber Parasiten beruht darauf, dass es in wirbellosen Organismen eine tonische Lähmung erzeugt, indem es die Glutamat-gesteuerte und/oder Gamma-Aminobuttersäure-(GABA)-gesteuerte Chloridkanäle des peripheren Nervensystems beeinflusst. Bei den meisten Säugetieren verhindert die Blut-Hirn-Schranke den Zugang von Ivermectin ins zentrale Nervensystem, so dass diese Tiere – weil bei Säugetieren GABA-Rezeptoren nur im zentralen Nervensystem vorhanden sind – vor den neurologischen Wirkungen des Ivermectins geschützt sind. Spezifische Untergruppen von Mäusen und Hunden sind jedoch ausgeprägt empfindlich für die neurologischen Wirkungen des Ivermectins. Gentechnisch veränderte Mäuse (mdr1a-Knockout (mdr1a(-/-))) reagieren 50 bis 100fach empfindlicher auf die Neurotoxizität und akkumulieren im Gehirn eine 80 bis 90fach höhere Konzentration von Ivermectin. Es ist bekannt, dass dies mit der Funktion von P-Glykoprotein in seiner Funktion als Transmembranproteinpumpe zusammenhängt: wird P-Glykoprotein außer Kraft gesetzt, kann es seine Substrate nicht mehr binden und aus der Zelle schleusen. Daher fällt die Blut-Hirn-Schranke aus und es kommt – beispielsweise – zu hohen, neurotoxischen zerebralen Konzentrationen von Ivermectin.

Schließlich ist bekannt, dass etwa ein Viertel der Population eines bestimmten Mausstamms (CF1) viel empfindlicher gegen die Neurotoxizität von Ivermectin ist als unbehandelte Mäuse desselben Stamms. Die empfindlichen Tiere exprimieren kein P-Glykoprotein in ihren zerebralen Endothelzellen. Dieser Defekt lässt sich im Hinblick auf einen Gendefekt (nämlich einen Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus im mdr-Gen) vorhersagen. Bei der Vererbung des Defekts wurde ein Muster nach der Mendel’schen Genetik beobachtet. Bei Hunden wurde eine rasseabhängige Ivermectin-Empfindlichkeit bei 30 bis 50 Prozent der Population von Collies beobachtet (letale Dosis Ivermectin in Höhe von 0,5 Prozent der Dosis Beagle letal).

Das Verfügungspatent stellt sich vor diesem technischen Hintergund die Aufgabe (vgl. Abschnitt [0010]), ein Verfahren bereitzustellen, mit dem sich feststellen lässt, ob ein individuelles hundeartiges Subjekt empfindlich gegenüber Ivermectin ist, indem eine Mutation im mdr1-Gen identifiziert wird, durch welche die Produktion von trunkiertem und nicht funktionellem P-Glykoprotein und hieraus folgend eine Empfindlichkeit gegenüber Ivermectin und anderen als Arzneimitteln dienenden P-Glykoprotein-Substraten verursacht wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Verfügungspatent in seinem Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

A) Verfahren zur Detektion der Ivermectin-Empfindlichkeit eines hundeartigen Subjekts,

B) welches das Bestimmen umfasst, ob
a. eine homozygote oder heterozygote
b. Gentrunkierungsmutation
c. in einer für mdr1 kodierenden Sequenz des hundeartigen Subjekts

C) oder ein trunkiertes P-Glykoprotein (P-gp) im hundeartigen Subjekt vorhanden ist,

D) worin das trunkierte P-gp keine der ATP-Bindungsstellen, Substratbindungsstellen, Phosphorylierungsstellen und mehreren membrandurchdringenden Motive, von denen die Arzneimittelausscheidungsfunktion des P-gp abhängt, aufweist

E) oder die Gentrunkierungsmutation ein trunkiertes P-gp ergibt, das keine dieser Stellen oder Motive aufweist,

F) und worin die Gegenwart der Gentrunkierungsmutation oder Trunkierung von P-gp anzeigt, dass das hundeartige Subjekt empfindlich gegenüber Ivermectin ist.

Ferner schlägt das Verfügungspatent in seinem Anspruch 21 ein weiteres Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

A) Verfahren zum Erhalt eines nichtmenschlichen Tiermodells, das für die Untersuchung einer durch P-gp beeinflussten biologischen Wirkung einer Verbindung zweckdienlich ist,

B) wobei das Verfahren das Identifizieren eines Collies

C) als homozygot oder heterozygot

D) bezüglich einer Trunkierungsmutation im MDR-1 Gen umfasst,

E) worin die Trunkierungsmutation eine Mutation an den Resten 294 – 297 der Seq.-ID Nr. 1 ist.

III.

Aufgrund des wechselseitigen Parteivorbringens lässt sich feststellen, dass das angegriffene Verfahren, welches das slowakische „Partnerlabor“ der Verfügungsbeklagten zu 1) bei der Untersuchung der dorthin übersandten Proben durchführt, von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass das angegriffene Verfahren, welches die Verfügungsbeklagte zu 1) bis zur Erteilung des Verfügungspatents selbst und im Inland ausführte, von der technischen Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß Gebrauch machte. Die Verfügungsklägerin hat auf dieser unstreitigen Tatsachengrundlage im Einzelnen vorgetragen, in welcher Weise das damals von der Verfügungsbeklagten zu 1) ausgeführte Verfahren sämtliche Merkmale sowohl des Anspruchs 1 des Verfügungspatents als auch des Nebenanspruchs 21 verwirklicht. Ferner hat die Verfügungsklägerin konkrete Belege für ihre Behauptung vorgebracht, dasselbe Verfahren werde nunmehr, nach Erteilung des Verfügungspatents, zwar nicht mehr von der Verfügungsbeklagten zu 1) selbst, dafür in identischer Weise von deren „Partnerlabor im patentfreien Ausland“, nämlich in der Slowakei ausgeführt.

Angesichts dieses hinreichend substantiierten klägerischen Vorbringens genügen die Verfügungsbeklagten nicht ihrer prozessualen Darlegungspflicht gemäß § 138 ZPO, indem sie sich hinsichtlich der Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents darauf berufen, entsprechende tatsächliche Umstände mit Nichtwissen zu bestreiten unter Verweis darauf, dass ihnen unbekannt sei, welches Verfahren dieses Partnerlabor anwende. Zum einen ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, die Einzelheiten des von ihrem Partnerlabor ausgeführten Untersuchungsverfahrens sind Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Verfügungsbeklagten. Entweder sind der Verfügungsbeklagten zu 1) die Einzelheiten dieses Verfahrens dadurch bekannt, dass sie diese dem Partnerlabor als Auftraggeber für die durchzuführenden Untersuchungen vorgibt, oder die Verfügungsbeklagte zu 1) hat zumindest die Möglichkeit, sich bei ihrem Partnerlabor nach diesen Einzelheiten zu erkundigen. Entsprechende Erkundigungen einzuholen, obliegt den Verfügungsbeklagten auch aus prozessrechtlichen Gründen. Sie sind, da sie zielgerichtet die Durchführung des angegriffenen Verfahrens veranlassen, prozessual gehalten, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihnen zur Einholung von Erkundigungen über die konkreten Verfahrensschritte zur Verfügung stehen. Gibt es solche Möglichkeiten nicht, müssten sie dies, unter nachvollziehbarerer Erläuterung konkreter Hinderungsgründe darlegen. Es genügt jedenfalls nicht, dass die Verfügungsbeklagten pauschal auf das ihnen in den Einzelheiten angeblich unbekannte (und von ihnen auch nicht in Erfahrung gebrachte) Handeln des „Partnerlabors“ – das sie namentlich auch nicht individualisieren – zu verweisen und auf diese Weise der Verfügungsklägerin jede Möglichkeit eines Beleges für eine Patentverletzung abzuschneiden.

Zum anderen bieten die zwischen den Parteien unstreitigen Tatsachen eine ganze Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass die Verfügungsbeklagten mit Erteilung des Verfügungspatents dazu übergegangen sind, dasselbe, in den Verfahrensschritten unveränderte Verfahren nicht mehr selbst durchzuführen, sondern in identischer Weise von einem im Ausland belegenen Labor durchführen zu lassen. Dies ergibt sich zunächst bereits deutlich aus der im Internet verbreiteten Mitteilung der Verfügungsbeklagten zu 1) vom 10. November 2009 (Anlage K 6), in welcher die Verfügungsbeklagte ankündigt, „die Untersuchung“ weiterhin durchzuführen, und zwar „rechtlich abgesichert […] im patentfreien Ausland“. Dieser Mitteilung ist nicht zu entnehmen, dass und in welcher Weise die Verfügungsbeklagte zu 1) beabsichtigt, das bislang von ihr selbst durchgeführte Verfahren abzuwandeln und von Dritten ausführen zu lassen. Im Gegenteil kündigt die Verfügungsbeklagte zu 1) an, „die Untersuchung“, also das unveränderte Verfahren, auch zukünftig durchführen zu lassen und eine Patentverletzung allein dadurch vermeiden zu wollen, dass sie ein Partnerlabor mit der Durchführung des Verfahrens im Ausland beauftragen wollen. Dafür spricht auch die Anpreisung „weiterhin in der Lage“ zu sein, „den Gentest“ anbieten zu können.

Ferner bietet der von der Verfügungsbeklagten zu 1) erst nach Patenterteilung – ebenfalls auf ihrer Homepage – veröffentlichte „Newsletter“ einen Anhaltspunkt für die unveränderte Beibehaltung des schon vor Patenterteilung durchführten Verfahrens. Dieser Newsletter ist im Wesentlichen wortgleich zu der genannten, am 10. November 2009, also vor der Erteilung des Verfügungspatents gemachten Mitteilung. Dies deutet darauf hin, dass auch die Erteilung selbst ebenso wie die bloße Erwartung der Erteilung der Verfügungsbeklagten zu 1) keinen Anlass bot, in ihrer Werbung auf eine Abänderung des Testverfahrens hinzuweisen.

Schließlich hat die Verfügungsbeklagte zu 1) in dem zur Gerichtsakte gereichten, ebenfalls erst nach Erteilung des Verfügungspatents erstellten Untersuchungsbefund (Anlage A 2) ausgeführt, der Gentest entspreche der Veröffentlichung von F et al. (2001) „Ivermectin sensitivity in collies is associated with a deletion mutation the mdr1 gene“. Die beiden zuerst genannten Autoren dieser Veröffentlichung (Anlage A 4) sind die im Verfügungspatent benannten Erfinder F und G. Die Veröffentlichung betrifft ebenso wie das Verfügungspatent Möglichkeiten zur genetischen Erkennung sowie Erkenntnisse über die Vererblichkeit einer Ivermectin-Überempfindlichkeit bei Collies. Sie ist stellenweise wortgleich zur Beschreibung des Verfügungspatents und enthält insbesondere eine identische Tabelle zur Darstellung der für die Untersuchung verwendeten Primer der Polymerase-Kettenreaktion (Anlage A 4, Seite 729 oben).

Aufgrund dieser hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die weiterhin unveränderte Durchführung des Untersuchungsverfahrens hätte es den Verfügungsbeklagten oblegen, ihrerseits gegenläufige Anhaltspunkte dafür darzutun, dass und inwiefern das Untersuchungsverfahren verändert wurde. Dieser Darlegungsobliegenheit sind die Verfügungsbeklagten nicht nachgekommen.

IV.

Gleichwohl erwachsen der Verfügungsklägerin aus der Durchführung eines Untersuchungsverfahrens gemäß der technischen Lehre Verfügungspatents in einem Partnerlabor der Verfügungsbeklagten nicht die geltend gemachten Unterlassungsansprüche. Die Verfügungsbeklagte zu 1) begeht durch ihr Angebot, von Tierhaltern eingesandte Proben weiter an das Partnerlabor zu übersenden und die dort gewonnenen Testergebnisse sodann den Tierhaltern mitzuteilen, keine Patentverletzung. Dieses Handeln erfüllt aus Rechtsgründen keinen Verletzungstatbestand.

1.

Durch die Versendung der an sie eingesandten Proben ins Ausland und Weitergabe der Testergebnisse im Inland bietet die Verfügungsbeklagte zu 1) weder ein gemäß § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG unmittelbar durch ein patentgemäßes Verfahren hergestelltes Erzeugnis an, noch bringt sie ein solches Erzeugnis in Verkehr oder gebraucht, führt ein oder besitzt sie ein solches Erzeugnis. Die im Ausland durch die Ausführung des angegriffenen Verfahrens gewonnenen Testergebnisse bzw. Diagnosen sind keine „Erzeugnisse“ im Sinne dieser Vorschrift.

Zwar ist die Regelung des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nach einhellig anerkannter Meinung jedenfalls anwendbar auf körperliche Gegenstände, also Sachen im Sinne von § 90 BGB, die unmittelbar auf der Ausführung eines Klagepatents beruhen (Benkard / Scharen, PatG, 10. Aufl., § 9 Rn. 53, Busse / Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 9 Rn. 100 f.; Mes, GRUR 2009, 305, 306; LG Düsseldorf, Urteil vom 30. November 2006, Az. 4b O 546/05 = InstGE 7, 70, 86 – Videosignal-Codierung I). Die Testergebnisse als Ergebnis des hier streitgegenständlichen Klagepatents sind aber entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin keine solchen körperlichen Gegenstände. Sowohl in den Übersichtsberichten (beispielhaft vorgelegt als Anlage AG 1) als auch in den individuellen Untersuchungsbefunden (beispielsweise wie als Anlage A 2 zur Gerichtsakte gereicht), ist zwar der semantische Gehalt des Testergebnisses bzw. der Diagnose verkörpert. Diese Verkörperung zum Zwecke der Übermittlung, Dokumentation und ähnlichem bewirkt aber nicht, dass das Testergebnis bzw. die Diagnose selbst eine körperliche Ausprägung erhält. Das Testergebnis bzw. die Diagnose bleibt, da sie den semantischen Gehalt an sich darstellt, unkörperlich. Das zeigt sich etwa daran, dass sie auch nach einer ersten schriftlichen Verkörperung beliebig häufig weitere Male verkörpert werden kann, also nicht „verbraucht“ wird, oder dass sie auch ohne jede Verkörperung sinnvoll übermittelt werden kann, etwa indem das Testergebnis bzw. die Diagnose in einem Telefonat mitgeteilt wird.

Indes ist der Anwendungsbereich von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG, welcher derivativen Erzeugnisschutz für Verfahrenserzeugnisse gewährt, nicht von vornherein auf körperliche Gegenstände, also beherrschbare und abgrenzbare Sachen im Sinne von § 90 BGB begrenzt. Auch solche Verfahrensergebnisse, die, ohne Sachen zu sein, bestimmbare physikalische Eigenschaften aufweisen, können als Erzeugnisse im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich Schutz genießen. Hierzu können Verfahrensergebnisse wie elektrische Energie, Schall, Wärme, Licht- oder sonstige elektromagnetische Wellen zählen (so im Ergebnis auch Mes, a.a.O.; Tetzner, Mitt. 1967, 5 für elektrische Energie als Verfahrenserzeugnis; a.A. Busse / Keukenschrijver, a.a.O.; Benkard / Scharen a.a.O.; von Meibom / vom Feld, FS Bartenbach, 2005, Seite 385, 397). Um die Anwendung der Vorschrift auf derartige nichtkörperliche Verfahrensergebnisse zu rechtfertigen, müssen aber besondere, den Schutz rechtfertigende Umstände hinzutreten. Denn bei Anwendung des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG darf nicht der begrenzte Schutzumfang dieser Vorschrift contra legem überschritten werden. Von Gesetzes wegen erstreckt sich der Schutz nicht auf schlechthin alle Verfahrensergebnisse, sondern er ist in zweifacher Hinsicht begrenzt: Zum einen auf Erzeugnisse, also auf Verfahren, die überhaupt irgendein Erzeugnis hervorbringen, und zum anderen auf unmittelbare Verfahrenserzeugnisse. Die bereits im Jahre 1891 eingeführte Gewährung derivativen Stoffschutzes soll zwar den Inhaber eines Verfahrenspatents in die Lage versetzen, den wirtschaftlichen Wert der Erfindung auch bei einer Ausführung des geschützten Verfahrens im „patentfreien“ Ausland auszuschöpfen, jedoch nicht in jedem Fall, sondern eben beschränkt auf den Schutz des unmittelbaren Erzeugnisses (vgl. zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Busse / Keukenschrijver, a.a.O. Rn. 96ff.). Demgemäß kann ein Verfahren zur Erzeugung von elektromagnetisch übertragenen Fernsehbildnern ein dem Schutz der Vorschrift unterfallendes Erzeugnis hervorbringen, weil das Verfahrenserzeugnis (das elektromagnetische Signal als elektromagnetische Welle) bestimmte physikalische Eigenschaften besitzt (vgl. hierzu LG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 201, 204 = InstGE 1, 26 – Cam-Carpet, wo die Anwendung von § 9 Abs. 2 Satz 3 auf Fernsehbilder im Einzelfall bejaht wurde).

Bei der „Einfuhr“ der hier streitgegenständlichen Testergebnisse und Diagnosen sind Umstände, die eine Anwendung von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG rechtfertigen, nicht gegeben. Das angegriffene Verfahren – von dessen Ausführung durch das slowakische Partnerlabor aus den oben unter III. dargelegten Gründen auszugehen ist – kann zu drei möglichen Ergebnissen führen, welche die Verfügungsbeklagten zu 1) mit folgenden Kurzformeln ausdrückt (vgl. Anlage K 12, Seite 4, rechte Spalte): „N/N“ (keine Genmutation festgestellt), „N/MDR1“ (Genmutation festgestellt, hälftige Wahrscheinlichkeit der Vererbung), „MDR1/MDR1“ (Genmutation und Vererbung festgestellt). Damit beschränkt sich das Ergebnis des angegriffenen Verfahrens auf eine Information, die in drei möglichen Varianten vorkommen kann und insoweit einem bloßen binären Schaltungszustand entspricht. Zudem richtet sich diese Information, die ja auch abweichend von der genannten Notation sprachlich umschrieben werden kann, unmittelbar an den menschlichen Geist, ohne dass es einer technischen Weiterverarbeitung der Information bedarf. Eine solche einfache, unmittelbar an den menschlichen Geist gerichtete Information genießt keinen derivativen Erzeugnisschutz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Zum einen geht die Übermittlung solcher Informationen regelmäßig nicht mit Umständen einher, welche die Gewährung patentrechtlichen Schutzes gebieten würden. Der patentrechtliche Schutz zielt nicht auf die Eingrenzung von Informationen, was auf einen Geheimnisschutz hinausliefe. Zum anderen spricht – ex negativo – gegen die Anwendung der Vorschrift auf solche einfachen Informationen die Wertung von § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG. Hiernach besitzt die bloße Wiedergabe von Informationen mangels Technizität keinen Erfindungscharakter, wenn die Information unmittelbar an den menschlichen Geist zum Zwecke der Einwirkung auf die menschliche Vorstellung gerichtet ist und keiner Weiterverarbeitung in einem seinerseits technischen Verfahren oder durch ein technisches Erzeugnis voraussetzen (Benkard / Bacher / Melullis, a.a.O., § 1 Rn. 148; Busse / Keukenschrijver, § 1 Rn. 77). Zwar setzt die Anwendung von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nicht voraus, dass das Verfahrenserzeugnis unter einem Erzeugnisanspruch schutzfähig (nämlich: technisch, neu und erfinderisch) ist. Umgekehrt spricht es aber gegen die Gewährung derivativen Erzeugnisschutzes, wenn das Verfahrenserzeugnis aufgrund einer gesetzlich angeordneten Exemtion – wie vorliegend § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG – als nicht technisch und deswegen nicht patentfähig zu beurteilen ist. Schließlich kann für derlei einfache Informationen eine Betrachtung angestellt werden, zu welchen offensichtlich untragbaren Ergebnissen die Gewährung derivativen Erzeugnisschutzes – auf die Spitze getrieben – führen würde: Eine solche Information könnte eine Person im patentfreien Ausland geistig aufnehmen und sich merken. Um nun eine Patentverletzung unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr abzuwehren, könnte dieser Person, wollte man § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG für anwendbar halten, womöglich durch einen privatrechtlichen Unterlassungstitel die Einreise verwehrt werden, da mit ihrer Einreise ja auch die von ihr geistig „gespeicherte“ Information ihren Weg in den territorialen Schutzbereich fände (vgl. U.S. Court of Appeals for the Federal Circuit GRUR Int. 2003, 1040, 1043 – Bayer AG. vs. Housey Pharm., Inc. zur Anwendung der vergleichbaren US-amerikanischen Vorschrift Patent Code Sec. 271(g); von Meibom / vom Feld, a.a.O. 385, 392).

Darin, dass das Verfügungspatent lediglich eine einfache, an den menschlichen Geist gerichtete Information hervorbringt, liegt der Unterschied zu Konstellationen begründet, in denen das Verfahrenserzeugnis ein Fernsehbild oder eine andere elektromagnetische oder digitale Datenübertragung ist: Anders als im Streitfall ist die Information in solchen Konstellationen keine einfache und bedarf zur Mitteilung an den menschlichen Geist einer weiteren technischen Verarbeitung in einem Verfahren oder durch ein Erzeugnis. Im Übrigen müssen auch bei der Übermittlung von Fernsehbildern besondere Umstände hinzutreten, um die Anwendung von § 9 Abs. 2 Satz 3 PatG zu rechtfertigen, wie beispielsweise die Tatsache, dass das fragliche Verfahren unter Verwendung eines körperlichen Gegenstandes unweigerlich und unabhängig vom Kenntnisstand und den Absichten der mit dem Gegenstand umgehenden Personen zu einer patentgemäßen Verfahrensausführung und zu einem patentgemäßen Verfahrensergebnis führt (so in der Fallkonstellation von LG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 201, 204 = InstGE 1, 26 – CamCarpet).

Die Anwendbarkeit von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG auf die Übermittlung von Informationen lässt sich daher entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin auch nicht der Entscheidung der Kammer „Videosignal-Codierung I“ (Urteil vom 30. November 2006, Az. 4b O 546/05 = InstGE 7, 70) entnehmen. Bei dem dort streitgegenständlichen Verfahrenspatent führte die Ausführung des Verfahrens zu einer bestimmten Struktur von elektromagnetisch übermittelten Informationen, nämlich Videosignalen. Für ein solches Verfahrenserzeugnis ist die Anwendung von § 9 Abs. 2 Nr. 3 PatG schon deshalb möglich, weil das Verfahrenserzeugnis als körperlicher Gegenstand zu beurteilen ist: Elektromagnetische Signale, die in einer bestimmten technischen Informations- und Aufzeichnungsstruktur geordnet werden, genießen als Erzeugnisse im Sinne dieser Regelung derivativen Patentschutz, wenn sie aufgrund der Herausbildung der Informations- und Aufzeichnungsstruktur physikalische Eigenschaften besitzen, die wiederum die Auswertbarkeit und Aufzeichnung der Information verbessert oder gegebenenfalls erst ermöglicht (LG Düsseldorf, a.a.O., Seite 85 Rn. 61 – Videosignal-Codierung I). Derlei Umstände führen zu einem körperlichen, von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG erfassten Erzeugnis, weil die Herausbildung der Struktur in zielgerichteter Weise die Herstellung des Datenträgers, also eines körperlichen, abgrenzbaren und beherrschbaren Gegenstandes im Sinne von § 90 BGB unmittelbar vorbereitet.

Auch mit dem Argument, die realen Bedingungen und der wirtschaftliche Wert von Schutzrechten wie dem Verfügungspatent, bei denen der wirtschaftliche Wert zu einem unkörperlichen Testergebnis führt, geböten eine Ausdehnung des Schutzbereiches von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG, kann die Verfügungsklägerin im Ergebnis nicht durchdringen. Es ist nicht zu verkennen, dass durch die bloße territoriale Verlagerung der Verfahrensausführung die Möglichkeit besteht, patentrechtlichen Ansprüchen zu entgehen, und dass diese Gefahr insbesondere bei technischen Lehren zur Diagnose von menschlichen oder tierischen Befunden droht (vgl. von Meibom / vom Feld, a.a.O.). Diese Schutzlücke folgt aber aus dem oben aufgezeigten fragmentarischen Schutzcharakter im Zusammenspiel mit dem Territorialitätsgrundsatz. Beides geht auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurück, so dass für eine Lückenschließung durch Ausdehnung des Schutzes contra legem kein Anlass besteht.

2.

Auch den Verletzungstatbestand gemäß § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG erfüllt die Verfügungsbeklagte zu 1) nicht. Weder wendet sie selbst ein von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machendes Verfahren an, noch bietet sie es zur Anwendung im Inland an.

Die Anwendung eines Verfahrens setzt voraus, dass wesentliche Verfahrensschritte, die zum verfahrensgemäßen Erfolg führen, verwirklicht werden, wobei Handlungsbeiträge eines Mittäters zugerechnet werden (Schulte / Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 9 Rn. 69). Die Verfügungsbeklagte zu 1) selbst führt, indem sie die Proben an das Partnerlabor übersendet und die in Listen wie der als Anlage AG 1 enthaltenen individualisierten Testergebnisse in Untersuchungsbefunde überführt, keine wesentlichen Verfahrensschritte, sondern allenfalls bloße Vorarbeiten aus. Es handelt sich insoweit, indem nämlich die Verfügungsbeklagte zu 1) die ihr eingesandten Proben entgegennimmt und an das slowakische Partnerlabor weitersendet, um bloße, im Hinblick auf die technische Lehre des Verfügungspatents neutrale Vorbereitungen für die Durchführung des angegriffenen Verfahrens. Entsprechendes gilt für die Entgegennahme von listenartigen Testergebnissen und die kundengerechte Aufbereitung der aus den Listen ablesbaren Testergebnisse bzw. Diagnosen. Das mit der Verfügungsbeklagten zusammenarbeitende Partnerlabor ist kein Mittäter, da es in der Slowakei tätig ist, mithin in einem Territorium, in welcher die technische Lehre des Verfügungspatents keinen patentrechtlichen Schutz genießt. Da die Verfügungsbeklagte zu 1) selbst keinen wesentlichen Beitrag zur Durchführung des Verfahrens leistet, sind ihr die Handlungen des slowakischen Partnerlabors auch nicht unter dem Gesichtspunkte einer bloßen „Vorarbeit“ zurechenbar (vgl. zu dieser Möglichkeit Kühnen/Geschke, 4. Auflage, Rn 116; OLG Düsseldorf, InstGE 11, 164 – Prepaid-Verfahren).

An einem Anbieten der Anwendung des Verfahrens im Inland fehlt es aus demselben Grunde.

3.

Mangels Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) besteht ein solcher auch nicht gegen die Verfügungsbeklagte zu 2) als deren Organ.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.