4a O 85/18 – Hybridmaterial aus Polyurethan-Matrix

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3007

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. April 2020, Az. 4a O 85/18

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführen zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    a) Schuhsohlen aus Hybridmaterial
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    das eine Matrix aus Polyurethan und darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischem Polyurethan enthält, wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen;
    b) Schuhsohlen aus Hybridmaterial
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    das eine Matrix aus Polyurethan und darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischen Polyurethan enthält, wobei Polyisocyanate mit Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktiven Wasserstoffatomen expandierten Partikeln aus thermoplastischem Polyurethan sowie gegebenenfalls Kettenverlängerern und/oder Vernetzungsmitteln, Katalysatoren, Treibmitteln und weiteren Additiven vermischt und zum Hybridmaterial umgesetzt werden und wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen;
  3. 2. der Klägerin schriftlich in einer geordneten, nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenden Aufstellung darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. August 2018 vorgenommen haben,
    und zwar unter Angabe
    a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung, der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume;
    e) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
    wobei zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind;
    wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    3. die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 25. August 2018 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis auf die Verletzung des Klagepatents ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
    4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
  4. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 25. August 2018 durch die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
    III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
  5. IV. Das Urteil ist insgesamt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
  6. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziffern I.1, I.3 und I.4 des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500.000,00 EUR. Ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffer I.2 des Tenors) gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 EUR. Die Kostenentscheidung (Ziffer III. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  7. Tatbestand
  8. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, Schadensersatz zu leisten, in Anspruch.
  9. Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 XXX 637 (nachfolgend: Klagepatent). Die Klagepatentschrift wurde in Anlage K 1 zur Akte gereicht. Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 09.01.2008 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 16.01.2007 der EP XXX angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 25.07.2018 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
  10. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte zu 2) hat am 01.12.2018 gegen das Klagepatent Einspruch (vorgelegt in Anlage B 2) vor dem Europäischen Patentamt erhoben, über den noch nicht entschieden wurde. Die Einspruchsabteilung hat in ihrem als Anlage K 7 vorgelegten Hinweis vom 23.10.2019 mitgeteilt, dass sie nach vorläufiger Auffassung das Klagepatent für rechtsbeständig erachte.
  11. Das Klagepatent betrifft Hybridsysteme aus geschäumten thermoplastischen Elastomeren und Polyurethanen.
  12. Die geltend gemachten Ansprüche 1 und 19 lauten wie folgt:
  13. Anspruch 1:
    Hybridmaterial, enthaltend eine Matrix aus Polyurethan und darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischem Polyurethan, wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen.
  14. Anspruch 19:
    Verfahren zur Herstellung eines Hybridmaterials, enthaltend eine Matrix aus Polyurethan und darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischen Polyurethan, dadurch gekennzeichnet, dass man a) Polyisocyanate mit b) Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktiven Wasserstoffatomen c) expandierten Partikeln (c“) aus thermoplastischem Polyurethan sowie gegebenenfalls d) Kettenverlängerern und/oder Vernetzungsmitteln, e) Katalysatoren, f) Treibmitteln und g) weiteren Additiven vermischt und zum Hybridmaterial umsetzt, wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen.
  15. Die Klägerin ist ein (…)-konzern.
  16. Der A-Konzern ist ein Hersteller von Sport- und Sport-Lifestyle-Produkten. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die Konzernmuttergesellschaft. Die Beklagte zu 1), eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2), betreibt den (…) Online-Shop des Konzerns.
  17. Die Beklagte zu 1) vertrieb unter anderem die Schuhmodelle „B“ und „C“ (nachfolgend gemeinsam als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet). Die der Seite 12 der Klageschrift entnommenen, unten eingeblendeten Abbildungen zeigen beispielhaft die äußere Gestaltung der angegriffenen Ausführungsformen.
    Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungformen machten unmittelbar und wortsinngemäß von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 sowie als unmittelbares Verfahrenserzeugnis ebenfalls von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 19 Gebrauch. Insbesondere sei eine geschlossene Oberflächenhaut im Sinne des Klagepatents bereits vorhanden, wenn das Matrixmaterial nicht in die entsprechenden Poren auf der Oberfläche der Schaumperlen eindringe. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall.
  18. Das Klagepatent werde sich im Einspruchsverfahren als rechtsbeständig erweisen, wofür schon die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung spreche.
  19. Die Klägerin beantragt,
  20. wie erkannt.
  21. Die Beklagten beantragen,
  22. die Klage abzuweisen,
  23. hilfsweise,
  24. den Rechtsstreit bis zum erstinstanzlichen Abschluss des Einspruchsverfahrens vor dem EPA auszusetzen.
  25. Sie sind der Auffassung, die Schaumperlen der angegriffenen Ausführungsform verfügten nicht über eine geschlossene Oberflächenhaut im Sinne des Klagepatents. Dieses sei in seinem Schutzbereich auf Grund des Anspruchswortlauts und der Beschreibung auf Schaumperlen beschränkt, die aus an der Oberfläche porenfreien Integralschaumstoffen gebildet seien, welche in ihrem Inneren größere Zellen aufwiesen als im äußeren Bereich.
  26. Ferner werde das Klagepatent im Einspruchsverfahren vollständig widerrufen werden. Sie legen hierzu eine weitere, ihrer Ansicht nach neuheitsschädliche Entgegenhaltung als Anlage B 10, Maschinenübersetzung Anlage B 10a, vor. Diese zeige sämtliche Merkmale der geltend gemachten Klagepatentansprüche.
  27. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 11.02.2020 (Bl. 126 f. GA)
  28. Entscheidungsgründe
  29. Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen sind sowohl patentverletzende Erzeugnisse nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG als auch unmittelbare Verfahrenserzeugnisse nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG der geltend gemachten Klagepatentansprüche (hierzu unter I.). Da die Beklagten entgegen § 9 S. 2 Nr. 1, 3 PatG die angegriffenen Ausführungsformen anbieten, stehen der Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB im tenorierten Umfang zu (hierzu unter II.). Im Rahmen des der Kammer zustehenden Ermessens wird die Verhandlung nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das Einspruchsverfahren ausgesetzt (hierzu unter III.).
  30. I.
    Die angegriffenen Ausführungsformen sind patentverletzend nach § 9 S. 2 Nr. 1, 3 PatG.
  31. 1.
    Das Klagepatent betrifft Hybridsysteme aus geschäumten thermoplastischen Elastomeren und Polyurethanen.
  32. Polyurethane werden nach dem Klagepatent aufgrund ihres weiten Eigenschaftsprofils in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Polyurethane können dabei sowohl in kompakter als auch in geschäumter Form eingesetzt werden, wobei ein sehr weiter Dichtebereich von kompakt mit einer Dichte größer 1,00 g/cm3 bis zu ca. 0,01 g/cm3 für geschäumte Körper möglich ist. Polyurethane können dabei beispielsweise in Form von Duromeren, Elastomeren, thermoplastischen Elastomeren (TPU), mikrozellulären Elastomeren, Integralschaumstoffen, Weichschaumstoffen, Hartschaumstoffen oder Halbhartschaumstoffen vorliegen.
  33. Durch Kombination von Polyurethan mit anderen Materialien können auch Verbundmaterialien hergestellt werden, durch die das Einsatzgebiet des Werkstoffs „Polyurethan“ noch erweitert wird. So ist es möglich, durch Einbringen von geschäumten Partikeln in eine Matrix aus Polyurethan Hybridmaterialien mit reduzierter Dichte und besonderen Eigenschaften zu erhalten und/oder die Materialkosten zu reduzieren.
  34. Aus der US 2003 / XXX XXX ist die Herstellung von Polyurethanschäumen auf der Basis von expandierbaren Kügelchen bekannt. DE XXX beschreibt das Aufschäumen von vernetzten Polystyrolpartikeln zusammen mit einer Polyurethan-Reaktionsmischung. DE XXX beschreibt das Aufschäumen von treibmittelhaltigen thermoplastischen Polymeren, wie Vinylpolymerisate, Polyethylen, Polypropylen, Polyestern, Polyethern und Methacrylaten, in Polyurethanschäumen, die vorzugsweise polyetherbasiert und vorwiegend offenzellig sind. Diese Materialien werden hauptsächlich als Polstermaterialien eingesetzt.
  35. Als nachteilig an diesen im Stand der Technik bekannten Hybridmaterialien kritisiert das Klagepatent die schlechte Haftung zwischen Polyurethanmatrix und geschäumten Partikeln und damit eine nur eingeschränkte Verwendbarkeit. Die bekannten Verbundmaterialien sind beispielsweise nicht geeignet für Anwendungen, in denen das Verbundmaterial auf wiederkehrende Belastungen elastisch reagieren muss. Ein weiterer Nachteil bekannter Hybridmaterialien ist, dass das Recycling von nicht sortenreinem Material nur eingeschränkt möglich ist. Weiter führt die Verwendung von Materialien mit hoher Glastemperatur, wie beispielsweise Polystyrol, als in dem Matrixmaterial enthaltene, geschäumte Partikel dazu, dass die Elastizität des Hybridmaterials unterhalb dieser Glastemperatur nur gering ist.
  36. Als weiteren Stand der Technik benennt das Klagepatent die WO 2006/XXX. Diese offenbart Hybridmaterialien aus einer Polyurethanmatrix und darin enthaltenen geschäumten Polyurethanteilchen, beispielsweise Recyclingmaterial. Nachteile solcher Verbundmaterialien aus Polyurethan und recyceltem Polyurethanschaum seien eine nur schlechte Haftung zwischen den geschäumten Recyclingteilchen und dem Matrixmaterial. Weiter seien auch die mechanischen Eigenschaften eines solchen Materials verbesserungswürdig.
  37. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die technische Aufgabe, ein Hybridmaterial zu entwickeln, welches eine bessere Haftung zwischen dem Matrixmaterial und den geschäumten Partikeln zeigt sowie eine verbesserte Elastizität und Reißfestigkeit.
  38. Zur Lösung schlägt das Klagepatent ein Hybridmaterial nach Anspruch 1 bzw. ein Verfahren zur Herstellung eines Hybridmaterials nach Anspruch 19 vor. Die betreffenden Ansprüche lassen sich wie folgt gliedern:
  39. Anspruch 1:
    Hybridmaterial,
    1. enthaltend eine Matrix aus Polyurethan und
    2. darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischem Polyurethan,
    3. wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen.
  40. Anspruch 19:
    Verfahren zur Herstellung eines Hybridmaterials,
    1. enthaltend eine Matrix aus Polyurethan und
    2. darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischen Polyurethan,
    3. wobei die geschäumten Partikel eine geschlossene Oberflächenhaut aufweisen,
    dadurch gekennzeichnet, dass man
    a) Polyisocyanate mit
    b) Verbindungen mit gegenüber Isocyanaten reaktiven Wasserstoffatomen
    c) expandierten Partikeln (c“) aus thermoplastischem Polyurethan sowie gegebenenfalls
    d) Kettenverlängerern und/oder Vernetzungsmitteln,
    e) Katalysatoren,
    f) Treibmitteln und
    g) weiteren Additiven vermischt und
    h) zum Hybridmaterial umsetzt.
  41. 2.
    Die angegriffenen Ausführungsformen sind ein patentverletzendes Erzeugnis nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Sie machen von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
  42. a)
    Die Beklagten stellen zu Recht nicht in Abrede, dass die Sohlen der angegriffenen Ausführungsformen aus einem Hybridmaterial bestehen, welches eine Matrix aus Polyurethan und darin enthaltenen geschäumten Partikeln aus thermoplastischem Polyurethan umfasst. In der unten eingeblendeten Abbildung einer angegriffenen Ausführungsform ist das Matrixmaterial als schwarze Schicht erkennbar, in welcher sich weiße, geschäumte Partikel befinden.
  43. Mithin bedarf es keiner weiteren Erörterung der Verwirklichung der Merkmale 1. und 2.
  44. b)
    Die geschäumten Partikel weisen ebenfalls eine geschlossene Oberflächenhaut im Sinne des Mehrmals 3. auf.
  45. aa)
    Unter Berücksichtigung der bekannten Auslegungsgrundsätze liegt eine geschlossene Oberflächenhaut dann vor, wenn die Oberfläche der Schaumpartikel einen derart hohen Grad an Geschlossenzelligkeit aufweist, dass das Matrixmaterial nicht in erheblichem Maße in das Innere der Partikel eindringt.
  46. (1)
    Einen ersten Hinweis darauf, was das Klagepatent unter dem Begriff „geschlossen“ versteht, findet sich in Abschnitt [0005] des Klagepatents. Hier bezeichnet das Klagepatent im Stand der Technik vorhandene Schäume aus Polymeren als „vorwiegend offenzellig“. Die Verwendung dieser vorwiegend offenzelligen Schäume habe den Nachteil, dass eine schlechte Haftung der Hybridmaterialien gegeben sei (Abschnitt [0006]). Nach der klagepatentgemäßen Aufgabe soll die Haftung der Materialien im Vergleich zum Stand der Technik verbessert werden. Das Klagepatent hat mithin die Zellstruktur der Oberfläche der Partikel als maßgeblich identifiziert und wandelt die offenzellige Struktur aus dem Stand der Technik in die klagepatentgemäße geschlossene, also geschlossenzellige Struktur um, die dazu führt, dass das Matrixmaterial nicht mehr in erheblichem Maße in das Innere der Partikel eindringt.
  47. (2)
    Nicht als notwendig erachtet es das Klagepatent hingegen, dass die Oberfläche absolut porenfrei ist. Denn diese Porenfreiheit wird in Abschnitt [0018] lediglich als bevorzugte Ausführungsform beschrieben. Bevorzugte Ausführungsformen erlauben regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). So liegt der Fall auch hier. Das Klagepatent kennt den Begriff der Porenfreiheit ausweislich des Abschnitts [0018], verwendet ihn aber nicht im Anspruchswortlaut, sondern benennt die Porenfreiheit ausdrücklich als bevorzugt. Dies zeigt dem Fachmann, dass der Sinngehalt des Anspruchs nicht auf eine Porenfreiheit der Oberflächenhaut einzuschränken ist, sondern auch Ausführungsformen umfasst, deren Oberfläche nicht porenfrei ist.
  48. (3)
    Eine kompakte Haut, die nach Abschnitt [0018] des Klagepatents dann vorliegt, wenn die Zellen im äußeren Bereich der geschäumten Partikel kleiner sind als im Innern, ist ebenfalls nicht erforderlich für das Vorliegen einer geschlossenen Oberflächenhaut im Sinne des Merkmals 3.
  49. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich dieses Verständnis nicht aus der Verwendung des Begriffs „Haut“ im Anspruchswortlaut herleiten. Der Klagepatentanspruch ist insoweit nicht auf Integralschaumstoffe beschränkt.
  50. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien handelt es sich bei Schaumstoffen, deren Zellen im äußeren Bereich kleiner sind als im Innern, um sogenannte Integralschaumstoffe. Dieser Begriff ist dem Klagepatent, wie aus Abschnitt [0003] ersichtlich, bekannt. Dem Klagepatent lässt sich aber an keiner Stelle ein Zusammenhang zwischen den Integralschaumstoffen und der Verwendung des Begriffs „Haut“ entnehmen. Diesen Zusammenhang stellen die Beklagten allein über die Aufzählung diverser D- und Lexika-Einträge her, die das allgemeine Fachwissen darstellen sollen. Es ist bereits zweifelhaft, ob D-Einträge, die ungeprüft sind und aus einer nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Quelle stammen, das allgemeine Fachwissen darstellen. Darüber hinaus stellt die Patentschrift ihr eigenes Lexikon dar und hierin enthaltene Begriffe sind aus sich heraus unter Berücksichtigung der Ansprüche, der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen (vgl. BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Die Klagepatentschrift selbst vermittelt, wie oben dargelegt, einen solchen Zusammenhang gerade nicht.
  51. Mit der Formulierung in Abschnitt [0018], „dass die Schaumzellen im äußeren Bereich der geschäumten Partikel kleiner sind als in deren Innern“, definiert das Klagepatent ausdrücklich nicht den Begriff „Haut“ als solches, sondern den Begriff „kompakte Haut“. Hieraus zieht der Fachmann den Schluss, dass es sich bei einer solchen kompakten Haut um einen Spezialfall des allgemeinen Begriffs der Haut handelt, den das Klagepatent im Anspruchswortlaut verwendet.
  52. (4)
    Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Definition der kompakten Haut in Abschnitt [0018] in der Offenlegungsschrift des Klagepatents noch als „vorzugsweise“ bezeichnet wurde und nunmehr in der erteilten Fassung als „erfindungsgemäß“ bezeichnet wird.
  53. Grundsätzlich benennen § 14 PatG und Art. 69 EPÜ das zulässige Auslegungsmaterial. Die Erteilungsakte und damit auch die Offenlegungsschrift werden dort nicht genannt und sind mithin grundsätzlich kein Auslegungsmaterial. Bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob in einem Fall, in dem die Patentanmeldung allgemeiner gehalten ist und bei einem Vergleich von Ursprungsoffenbarung mit dem erteilten Patentanspruch deutlich wird, dass von letzterem bestimmte (ursprünglich offenbarte) Lösungen ausgenommen worden sind, die Offenlegungsschrift als Auslegungsmaterial heranzuziehen ist (vgl. zum Meinungsstand: Scharen in Benkard, PatG, 11. Auflage 2015, § 14 Rn 33). Ein solcher Fall liegt allerdings hier nicht vor. Denn es erfolgte lediglich eine Änderung der Beschreibung des Klagepatents. Die von den Beklagten vorgetragene, angebliche Schutzbereichsbeschränkung hat hingegen keinen Niederschlag im Anspruchswortlaut gefunden. Dieser verwendet weiter den Begriff „geschlossen“. Anhaltspunkte dahingehend, dass der Fachmann „kompakt“ und „geschlossen“ gleichsetzt, sind weder der Offenlegungsschrift noch der Klagepatentschrift zu entnehmen. Eine solche Gleichsetzung würde zu einer – insoweit unzulässigen – Einengung des Schutzbereichs unterhalb des Wortsinns des Patentanspruchs führen.
  54. bb)
    Die Schaumpartikel der angegriffenen Ausführungsformen weisen eine geschlossene Oberflächenhaut im Sinne des Merkmals 3 unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegung auf.
  55. Aus der unten eingeblendeten, der Klageschrift (S. 18) entnommenen Abbildung, die eine lichtbildmikroskopische Vergrößerung der Schaumperlen einer angegriffenen Ausführungsform zeigt, ist erkennbar, dass das Matrixmaterial nicht in das Innere der Schaumperlen eindringt. Dies wird dadurch ersichtlich, dass das schwarze Matrixmaterial die weißen Schaumperlen nicht durchfärbt. Hiervon hat sich die Kammer ebenfalls in der mündlichen Hauptverhandlung durch Inaugenscheinnahme einer aufgeschnittenen Sohle einer angegriffenen Ausführungsform überzeugt.
  56. Die unten eingeblendeten, als Anlagen B 1 und B 4 vorgelegten Abbildungen führen zu keinem anderen Ergebnis.
  57. Diese zeigen zwar Ausnehmungen in einer ansonsten geschlossenen Oberfläche. Allerdings ist eine absolute Porenfreiheit der Oberfläche – wie oben dargestellt – keine Voraussetzung für die Merkmalsverwirklichung. Es genügt vielmehr, dass das Matrixmaterial nicht durch entsprechende Poren in das Innere der Partikel vordringt. Hierzu hat die Klägerin substantiiert unter Vorlage der oben eingeblendeten Vergrößerungsaufnahme vorgetragen. Dazu, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen das Matrixmaterial tatsächlich in erheblichem Maße durch die in den obigen Abbildungen gezeigten Ausnehmungen in das Innere der Partikel eindringt, fehlt substantiierter Vortrag der Beklagten.
  58. Unerheblich ist es unter vorgenannter Auslegung schließlich, welche Größe die Zellen im Inneren der Schaumpartikel im Vergleich zu den Zellen am äußeren Rand der Partikel haben.
  59. 3.
    Es handelt sich bei den angegriffenen Ausführungsformen ebenfalls um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG des in Klagepatentanspruch 19 unter Schutz gestellten Verfahrens. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Erzeugnisanspruch unter Ziffer I.2. Bezug genommen.
  60. II.
    Die Beklagten verletzen das Klagepatent durch Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen im Inland sowie durch die Einfuhr zu diesen Zwecken.
  61. Die Beklagte zu 1) betreibt den Online-Shop, in welchem die angegriffenen Ausführungsformen erworben werden können. Der Beklagten zu 2) sind entsprechende Vertriebshandlungen zuzurechnen. Die Beklagte zu 2) wird auf den Seiten des Online-Shops in der Rubrik „A (…)“ als Unternehmen vorgestellt. Die Seiten des Online-Shops tragen den Vermerk „…“. Außerdem werden die Gewinne der Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2) abgeführt. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont zeigt sich die Beklagte zu 1) mithin für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen im Internet mitverantwortlich.
  62. Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:
  63. 1.
    Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes im Inland ohne Berechtigung erfolgt. Die Verwirklichung einer Benutzungshandlung verursacht grundsätzlich Wiederholungsgefahr für alle in § 9 PatG, hier § 9 S. 2 Nr. 3, geschützten Handlungen (Voß/Kühnen in Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 50).
  64. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
  65. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
  66. Die Beklagten haften insoweit als Gesamtschuldner, § 421 BGB.
  67. 3.
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Rechnungslegungspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  68. 4.
    Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG. Durch die Formulierung „aus den Vertriebswegen“ wird klargestellt, dass der Verletzer keinen Rückruf an private Endverbraucher richten muss.
  69. Dass sich Exemplare der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich in den Vertriebswegen befinden, ist keine Anspruchsvoraussetzung und daher auch nicht von der Klägerin darzulegen.
  70. Letztlich ist keine Unverhältnismäßigkeit feststellbar.
  71. 5.
    Der Klägerin steht auch ein Vernichtungsanspruch nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 S. 1 PatG gegen die Beklagten zu.
  72. Eine Klarstellung im Tenor dahingehend, dass nur diejenigen Gegenstände zu vernichten sind, die sich in der Bundesrepublik Deutschland im Besitz oder Eigentum befinden, ist bei den im Inland ansässigen entbehrlich. Auch ohne eine solche Klarstellung bleiben ausländische Erzeugnisse patentfrei und werden in Fällen des mittelbaren Besitzes und des bloßen Eigentums nur solche Gegenstände vom Vernichtungsanspruch erfasst werden, die im Inland belegen sind (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. D Rn. 643).
  73. Die Vernichtung ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 140a Abs. 4 PatG). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagten nach ihrem Vorbringen über eine Logistikstruktur verfügen, die ihnen den weltweiten Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform ermöglichen würden. Anders als bei einer nur mittelbaren Patentverletzung (dazu BGH, GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe; Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 633), ist den Beklagten eine patentfreie Verwendung der im Inland befindlichen angegriffenen Ausführungsform durch Lieferung ins Ausland nicht möglich. Insbesondere stellt auch der Export der unmittelbar patentverletzenden Ware ein Inverkehrbringen im Inland dar (vgl. Ensthaler, in: BeckOK Patentrecht, 13. Edition Stand: 25.07.2019, § 9 Rn. 46).
  74. III.
    Das Verfahren wird nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das Einspruchsverfahren ausgesetzt.
  75. 1.
    Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gegeben. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. I-2 U 64/14, S. 29 f.).
  76. 2.
    In Bezug auf die mit der Klagerwiderung vorgelegten Entgegenhaltungen, aus welchen die Beklagten eine fehlende erfinderische Tätigkeit herleiten, liegt der als Anlage K 7 vorgelegte vorläufige Hinweis der Einspruchsabteilung vor. Diese würdigt sämtliche von den Beklagten in das Verletzungsverfahren eingeführten sowie weitere Entgegenhaltungen und kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, dass sie das Klagepatent für rechtsbeständig erachtet. Hierbei setzt sich die Einspruchsabteilung mit sachlicher Begründung mit der Argumentation der Beklagten auseinander. Der Hinweis lässt keine offenkundigen Fehler erkennen. Die Einspruchsabteilung weicht zwar in ihrer Bewertung des nächstliegenden Stands der Technik von der Argumentation der Beklagten ab. Sie führt allerdings ebenfalls aus, dass das die Lehre des Klagepatents auch unter Heranziehung des von der Beklagten als nächstliegend bewerteten Standes der Technik erfinderisch wäre.
  77. Mangels offensichtlicher Fehleinschätzungen der Einspruchsabteilung in ihrem vorläufigen Hinweis kann die Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die Einspruchsabteilung das Klagepatent ausgehend von den bereits gewürdigten Entgegenhaltungen vernichten wird.
  78. 3.
    Eine eindeutige neuheitsschädliche Offenbarung ausgehend von der Entgegenhaltung US 6 XXX 429 (Anlage B 10, Maschinenübersetzung Anlage B 10a) kann die Kammer ebenfalls nicht feststellen.
  79. a)
    Die betreffende Entgegenhaltung offenbart ein Matrixmaterial mit darin eingeschlossenen Schaumperlen oder Granulat (Anlage B 10, Sp. 6, Z. 8 ff.).
  80. In der Aufzählung des möglichen Matrix- und Partikelmaterials (Anlage B 10, Sp. 6, Z. 44) finden sich unter anderem auch Polyurethan und thermoplastisches Polyurethan.
  81. Die in der Entgegenhaltung offenbarten geschäumten Körnchen können entweder eine offenzellige Schaumstruktur, eine geschlossenzellige Schaumstruktur oder eine Hybridstruktur aufweisen (Anlage B 10, Sp. 7, Z. 4 ff.).
  82. b)
    Um aus der betreffenden Entgegenhaltung zum klagepatentgemäßen Hybridmaterial zu gelangen, muss der Fachmann allerdings vier Auswahlentscheidungen treffen. Er muss sich aus einer Auswahl aus mehr als 15 Materialien, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist, für das klagepatentgemäße Material Polyurethan für die Matrix und thermoplastisches Polyurethan für die Partikel entscheiden. Ferner muss er sich für die Partikelform anstelle der Granulatform entscheiden. Schließlich muss er eine Auswahl aus drei möglichen Zellstrukturen für den Schaumpartikel treffen.
  83. Eine hinreichend individualisiert offenbarte Lehre lässt sich dementsprechend für die technisch nicht fachkundig besetzte Kammer der betreffenden Entgegenhaltung nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. (vgl. BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin).
  84. c)
    Etwas anderes folgt nicht aus dem von den Beklagten in der mündlichen Hauptverhandlung diskutierten Beispiel 15 der Tabelle 6 in Spalte 23 der betreffenden Entgegenhaltung. Es lässt sich hier ebenfalls keine hinreichend individualisierte Offenbarung der klagepatentgemäßen Lehre feststellen.
  85. Zum einen handelt es sich laut der Ausführungen in Spalte 22, Z. 56 ff. lediglich um Versuchsvorschläge für die Produktion von Golfbällen.
  86. Darüber hinaus benennt das Beispiel 15 als Matrixmaterial ein „thermosetting PU“ und als Partikelmaterial ein „polyurethane“. Weder die Verwendung eines thermoplastischen Polyurethans als Partikelmaterial noch die Geschlossenheit der Oberflächenhaut der Partikel sind in der Tabelle 6 unmittelbar offenbart. Die Beklagten leiten eine Offenbarung der Verwendung des thermoplastischen Polyurethans als Partikelmaterial daraus ab, dass sich die betreffende Entgegenhaltung in der Spalte 6, Z. 50 ff. vom Stand der Technik dahingehend abgrenzt, dass das Matrixmaterial und das Partikelmaterial aus unterschiedlichen Materialien bestehen und dass der Fachmann deshalb zwangsläufig für das Partikelmaterial des Beispiels 15 thermoplastisches Polyurethan verwenden würde. Es erscheint bereits fraglich, ob hierin eine hinreichend individualisierte Offenbarung zu sehen ist. Jedenfalls fehlt es weiterhin an einer hinreichend individualisierten Offenbarung der geschlossenen Oberflächenhaut der Partikel.
  87. IV.
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten festzusetzen.

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