4b O 145/18 – Abstreifeinheit

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3056

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 13. August 2020, Az. 4b O 145/18I. Die Beklagte wird verurteilt,1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,abgeschlossene Abstreifeinheiten zur Anbringung an einer Stempelhalterung, die eine Stempel-Rückhalteöffnung mit einem darin aufgenommenen Stempel hat, wobei die Abstreifeinheit folgendes aufweist: einen Hohlkörper mit einer Gewindebohrung in dessen unterem Ende und einem oberen Bohrloch in dem oberen Ende des Hohlkörpers, einen beweglichen Abstreifer, der in dem Hohlkörper eingesetzt ist und in dem oberen Bohrloch beweglich ist, eine Matrizenfeder, die mit dem Abstreifer in dem Hohlkörper in Eingriff steht, und einen mit einem Gewinde versehenen Präzisionsverschluss, der in der Gewindebohrung in dem unteren Ende des Hohlkörpers aufgenommen ist und mit der Matrizenfeder in Eingriff steht, wobei der mit einem Gewinde versehene Präzisionsverschluss eine Öffnung hat, die durch diesen hindurch gebildet ist, und wobei die Öffnung derart dimensioniert ist, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, wodurch, wenn die Abstreifeinheit in der Stempelhalterung aufgenommen wird, die Abstreifeinheit automatisch an der Stempelhalterung ausgerichtet wird
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die mittlere Öffnung im Präzisionsverschluss rund ist und neben der mittleren Öffnung im Präzisionsverschluss zwei weitere kleinere Öffnungen vorgesehen sind, mit denen der Präzisionsverschluss mit Hilfe eines Werkzeugs, z.B. einem Stirnschraubenschlüssel oder einer Zange, in die Gewindebohrung hinein- oder hinausgeschraubt werden kann;
2. der Klägerin für die Zeit ab dem 20.3.2013 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter vorstehend zu I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;
3. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 20.2.2013 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege (Rechnungskopien) für die Angaben zu lit. a) und lit. b), insbesondere unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
• der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch seine Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer und/oder Lieferungen in der erteilten Rechnung enthalten sind,
• die Beklagte die Angaben vorstehend zu e) erst für die Zeit seit dem 20.3.2013 zu machen hat;
4. die in unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend I.1. zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
5. die vorstehend zu I.1. bezeichneten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen schriftlich zurückzurufen, und zwar unter Angabe eines verbindlichen Angebots, die infolge des Rückrufs notwendigen Kosten und Auslagen der Adressaten zu tragen, sowie ferner unter Hinweis darauf, dass diese Erzeugnisse das EP 1 922 XXX B1 verletzen;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die vorstehend zu I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 20.2.2013 bis 19.3.2013 begangenen Handlungen zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu l.1. bezeichneten und seit dem 20.3.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 € vorläufig vollstreckbar, wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
1. Ziffer I.1., I. 4. und I. 5. des Tenors: 170.000 €.
2. Ziffer I. 2 und I. 3 des Tenors: 50.000 €
3. Ziffer III. des Tenors: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

  1. Tatbestand
  2. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 922 XXX B1 (Anlage HL 5, in deutscher Übersetzung Anlage HL 6; im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf in Anspruch und beantragt ferner die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Bereicherung sowie der Schadensersatzpflicht.
    Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 2. Juni 2006 unter Inanspruchnahme einer U.S.-Priorität vom 8. August 2005 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 21. Mai 2008 und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 20. Februar 2013 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
    Das Klagepatent betrifft eine Abstreifeinheit für einen Stempelhalter.
    Die Klägerin stützt ihre Klage auf den unabhängigen Vorrichtungsanspruch 1 des Klagepatents, der in der deutschen Übersetzung lautet wie folgt:
    Abgeschlossene Abstreifeinheit (18) zur Anbringung an einer Stempelhalterung (10), die eine Stempel-Rückhalteöffnung (16) mit einem darin aufgenommenen Stempel hat, wobei die Abstreifeinheit (18) folgendes aufweist:
    einen Hohlkörper (20) mit einer Gewindebohrung (30) in dessen unterem Ende und einem oberen Bohrloch (36) in dem oberen Ende des Hohlkörpers (20), einen beweglichen Abstreifer (22), der in den Hohlkörper (20) eingesetzt ist und in dem oberen Bohrloch (36) beweglich ist, eine Matrizenfeder (26), die mit dem Abstreifer (22) in dem Hohlkörper (20) in Eingriff steht, und einen mit einem Gewinde versehenen Präzisionsverschluss (28), der in der Gewindebohrung (30) in dem unteren Ende des Hohlkörpers (20) aufgenommen ist und mit der Matrizenfeder (26) in Eingriff steht, wobei der mit einem Gewinde versehene Präzisionsverschluss (28) eine hexagonale Öffnung (42) hat, die durch diesen hindurch gebildet ist, und wobei die hexagonale Öffnung (42) derart dimensioniert ist, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, wodurch, wenn die Abstreifeinheit (18) in der Stempelhalterung (10) aufgenommen wird, die Abstreifeinheit (18) automatisch an der Stempelhalterung (10) ausgerichtet wird.
    Zur Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre wird nachfolgend die Figur 5 der Patentbeschreibung wiedergegeben, die die Abstreifeinheit im seitlichen Querschnitt zeigt:
  3. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der japanischen A, die konfigurierbare Komponenten und Standardkomponenten für den Sondermaschinen-, Stanzwerkzeug- und Spritzgussformenbau herstellt.
    Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen das Herstellen und Vertreiben der Abstreifeinheit „B“ in der Bundesrepublik Deutschland durch die Beklagte (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform über ihre Webseite X in der Bundesrepublik Deutschland an und stellt über diese Webseite eine entsprechende Produktbroschüre zum Download bereit.
    Die Klägerin ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent im Hinblick auf das Merkmal der hexagonalen Öffnung mit äquivalenten Mitteln und ansonsten wortsinngemäß verletze.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die vom Klagepatent mit der hexagonalen Öffnung vorgesehenen Vorteile dadurch, dass der Schraubverschluss neben einer runden Öffnung noch zwei Löcher aufweise, die das Ein- und Ausschrauben in das Gewinde durch eine handelsübliche Spitzzange, einen Stirnlochschlüssel oder Ähnliches (im Folgenden: Stirnlochschlüssel) ermöglichten. Der Austausch der Befestigungsmöglichkeit mit einem solchen Werkzeug anstelle eines Sechskantschlüssels habe nahegelegen und sei am Sinngehalt des Klagepatents orientiert.
    Die Aufnahme des Merkmals „hexagonal“ in die Ansprüche während des Erteilungsverfahrens sei allein dem Umstand geschuldet gewesen, dass die ursprüngliche Offenbarung als korrespondierende Werkzeugart nur einen Sechskantschlüssel offenbart habe. Jedoch sei das Merkmal weder entscheidend für die Erteilung des Patents gewesen, noch habe die Verwendung gerade eines Sechskantschlüssels einen für die Erreichung der erfindungsgemäßen Vorteile wesentlichen technischen Effekt. Sinn und Zweck der hexagonalen Form sei allein, dass der Präzisionsverschluss mittels jeden handelsüblichen Werkzeugs ein- und abgeschraubt werden könne.
    Sofern die hexagonale Öffnung so ausgestaltet sein müsse, dass sie den Stempel passgenau kontaktiere, meine dies nichts anderes, als dass der Stempel durch die Öffnung des Präzisionsverschlusses geführt werden müsse. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die hexagonale Öffnung kleiner sein könne, wenn sich zugleich in den Längsseiten des Sechsecks Rundungen befänden, die mit den Rundungen der Stanzrückhalteöffnung für die Führung des Stempels korrespondierten.
    Die Klägerin beantragt,
    wie erkannt.
    Die Beklagten beantragen,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagten meinen, dass die angegriffene Ausführungsform die erfindungsgemäße Lehre nicht mit äquivalenten Mitteln verwirkliche.
    Die angegriffene Ausführungsform erreiche mit der runden Öffnung eine weniger gute Ausrichtung der Abstreifeinheit an der Stempelhalterung und führe zu einer erhöhten Reibung am Stempel. Zudem seien die Sacklöcher, die die angegriffene Ausführungsform aufweise, kein naheliegendes, funktionsgleiches Austauschmittel. Mit der Wahl einer hexagonalen Öffnungsform sei eine relevante Zahlenangabe im Hinblick auf sechs Ecken getroffen worden. Zudem führe die hexagonale Öffnung zu einem Kombinationseffekt, der einerseits den Zusammenbau der Abstreifeinheit und andererseits die Ausrichtung an der Stempelhalterung miteinander vereine. Diesen Kombinationseffekt biete die angegriffene Ausführungsform mit der runden Öffnung einerseits und den beiden Sacklochbohrungen andererseits nicht.
    Darüber hinaus erhebt die Beklagte den Formsteineinwand. Sie meint, dass die Merkmale 1 bis 5 des Klagepatents und damit auch der mit einem Gewinde vorgesehene Präzisionsverschluss zum Zwecke des Verschließens der Abstreifeinheit aus dem nächstliegenden Stand der Technik bereits bekannt gewesen seien. Davon ausgehend habe es nahe gelegen, Sacklochbohrungen für die Verwendung mit einem Stirnlochschlüssel vorzusehen.
    Hinzu komme, dass die Beschränkung des Klagepatentanspruchs auf die hexagonale Öffnung des Präzisionsverschlusses wesentlich für die Erteilung des Klagepatents durch das Europäische Patentamt gewesen sei.
  4. Entscheidungsgründe
  5. Die Klage ist zulässig und begründet.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Bereicherung und der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259, 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
    I.
    Das Klagepatent bezieht sich auf eine Abstreifeinheit, die zur Verhinderung des Anhaftens von Werkstücken an Stempeln während des Formens von Löchern und Vertiefungen in Metallen bei der Herstellung mit hoher Geschwindigkeit und Fertigung mit hoher Produktion zur Anwendung kommt, siehe Absatz [0001] des Klagepatents (alle folgenden, nicht näher bezeichneten Absätze sind solche des Klagepatents).
    Im Rahmen des Standes der Technik verweist das Klagepatent auf die U.S.-Patente 5,337,XXX und 5,410,XXX sowie Des. 351,XXX. Insbesondere geht das Klagepatent darüber hinaus auf das U.S.-Patent 1,723,XXX ein, aus welchem ein Hohlkörper mit einem beweglichen Abstreifer und einer Matrizenfeder bekannt gewesen sei.
    Die sich aus dem Stand der Technik ergebenden Probleme beschreibt das Klagepatent ebenso wenig, wie eine konkrete Aufgabe zu formulieren. Im Rahmen der Zusammenfassung der Erfindung in Absatz [0004] werden jedoch die erfindungsgemäßen Vorteile dahingehend beschrieben, dass einerseits die Matrizenfeder vorgespannt und gleichzeitig die Abstreifeinheit auf einer handelsüblichen Kugelverschlussstanzhalterung positioniert werden könne. Die erfindungsgemäße Abstreifeinheit sei eine Verbesserung gegenüber den häufig in der Werkzeug-, Matrizen- und Metallstanzindustrie verwendeten Stempelabstreifeinheiten und die Verwendung der vorgespannten Feder führe zu einer langen Lebensdauer. Dass die Abstreifeinheit in sich abgeschlossen sei, habe zudem den Vorteil, dass die Matrizenfeder- und Abstreifkräfte komplett in der Abstreifeinheit isoliert seien, Absatz [0012].
    Aus den in der Klagepatentbeschreibung erläuterten Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik ergibt sich als Aufgabe des Klagepatents (das technische Problem), eine auf handelsüblichen Kugelverschlussstanzhalterungen verwendbare, vereinfacht zu bedienende, selbständige Abstreifeinheit zu schaffen.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 1 eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:
    1. Abgeschlossene Abstreifeinheit (18) zur Anbringung an einer Stempelhalterung (10), die eine Stempel-Rückhalteöffnung (16) mit einem darin aufgenommenen Stempel hat, wobei die Abstreifeinheit (18) Folgendes aufweist:
    2. einen Hohlkörper (20) mit einer Gewindebohrung (30) in dessen unterem Ende und einem oberen Bohrloch (36) in dem oberen Ende des Hohlkörpers (20),
    3. einen beweglichen Abstreifer (22), der in den Hohlkörper (20) eingesetzt ist und in dem oberen Bohrloch (36) beweglich ist,
    4. eine Matrizenfeder (26), die mit dem Abstreifer (22) in dem Hohlkörper (20) in Eingriff steht,
    5. und einen mit einem Gewinde versehenen Präzisionsverschluss (28), der in der Gewindebohrung (30) in dem unteren Ende des Hohlkörpers (20) aufgenommen ist und mit der Matrizenfeder (26) in Eingriff steht,
    6. wobei der mit einem Gewinde versehene Präzisionsverschluss (28) eine hexagonale Öffnung (42) hat, die durch diesen hindurch gebildet ist,
    7. und wobei die hexagonale Öffnung (42) derart dimensioniert ist, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, wodurch, wenn die Abstreifeinheit (18) in der Stempelhalterung (10) aufgenommen wird, die Abstreifeinheit (18) automatisch an der Stempelhalterung (10) ausgerichtet wird.
    II.
    Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale 5, 6 und 7 der Auslegung.
    1.
    Merkmal 5 sieht vor, dass in dem unteren Ende des Hohlkörpers der Abstreifeinheit ein mit einem Gewinde versehener Präzisionsverschluss aufgenommen ist und mit der Matrizenfeder in Eingriff steht.
    Der Präzisionsverschluss dient bereits dem Wortlaut nach dazu, den Hohlkörper zu verschließen. Dies geschieht dadurch, dass er in die Gewindebohrung geschraubt wird.
    Das Verschließen des Hohlkörpers führt nicht nur dazu, dass die erfindungsgemäße Abstreifeinheit in sich abgeschlossen ist, siehe auch Merkmal 1, sondern durch diesen Vorgang wird auch die Matrizenfeder, mit der der Präzisionsverschluss in Eingriff steht, vorgespannt und damit sichergestellt, dass diese in der Abstreifeinheit verbleibt, siehe Absatz [0012]:
    „[…] The precision threaded plug 28 locates the stripper unit 18 while simultaneously pre-loading the die spring 26 for improved die spring life. […]“
    2.
    Merkmal 6 erfordert, dass der in Merkmal 5 genannte Präzisionsverschluss eine hexagonale Öffnung hat, die durch den Präzisionsverschluss hindurch gebildet ist.
    Der Präzisionsverschluss muss also eine sechseckige, durchgängige Öffnung aufweisen. Die Öffnung selbst erfüllt dabei mehrere Funktionen. Zum einen dient die Dimensionierung der Öffnung dazu, die Abstreifeinheit am Stempel auszurichten (siehe dazu die Ausführungen unter Ziff. 3.). Zum anderen ermöglicht die Form der Öffnung, dass zum Eindrehen des Verschlusses ein Sechskantschlüssel benutzt werden kann.
    Das Klagepatent beschränkt die Form der Öffnung mit der Wortwahl „hexagonal“ jedoch nicht streng auf ein Sechseck mit sechs geraden Seiten.
    Dies ergibt sich bereits aus dem abhängigen Unteranspruch 5, der vorsieht, dass die Öffnung des Abstreifers eine Form haben kann, die passend zur Form des Stempels ist. Da Stempel nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin üblicherweise einen runden Querschnitt haben, kann die Öffnung entsprechend ausgestaltet werden.
    Um die Öffnung einerseits passend zur runden Stempelform und andererseits sechseckig auszugestalten, kann die hexagonale Öffnung etwas kleiner ausgestaltet sein als der Stempel dies erfordert, siehe Absatz [0010]. Damit der runde Stempel dennoch durch die Öffnung passt, weisen die Seiten der Öffnung eine leichte Wölbung auf. Auf diese Weise werden die sechs Ecken beibehalten, so dass die Möglichkeit bestehen bleibt, zum Anziehen des Verschlusses einen Sechskantschlüssel zu benutzen:
    „[…] Optionally, the hexagonal hole 42 may be made slightly smaller, whereby each flat 44 is formed with a slight concavity matching the curvature of the punch retention hole 16. A hex wrench can be used to tighten the precision threaded plug 28 in place.“
    Eine entsprechende Ausgestaltung wird in Figur 6 gezeigt, in welcher der Verschluss eine mit der Bezugsziffer 42 gekennzeichnete, und – im Sinne des Klagepatents – hexagonale Öffnung aufweist:
  6. Um dem Erfordernis der hexagonalen Form zu genügen, darf die Öffnung also keine beliebige Form annehmen, sondern muss – auch wenn eine Anpassung an die Stempelform erfolgt – weiterhin die in Merkmal 6 des Klagepatentanspruchs 1 vorgesehenen sechs Ecken aufweisen.
    3.
    Merkmal 7 beschreibt die Öffnung des Präzisionsverschlusses näher. Diese soll so dimensioniert sein, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert. Dadurch soll die Abstreifeinheit, wenn die Stempelhalterung in dieser aufgenommen wird, automatisch an dieser ausgerichtet werden.
    Dem passgenauen Kontaktieren kommt damit die Funktion zu, dass die gesamte Abstreifeinheit an dem Stempel ausgerichtet wird. Dazu muss jedoch nicht jede Innenfläche der Öffnung den Stempel passgenau kontaktieren.
    Dies ergibt sich bereits aus dem oben beschriebenen Umstand, dass die hexagonale Öffnung etwas kleiner ausgestaltet sein kann als die Stempelform und die Seiten eine leichte Wölbung aufweisen, damit der Stempel dennoch durch die Öffnung passt. In diesem Ausführungsbeispiel kontaktieren die konkav ausgestalteten Innenflächen der Öffnung den Stempel passgenau, die sechs Ecken kontaktieren den Stempel jedoch nicht. Ein automatisches Ausrichten der Abstreifeinheit am Stempel wird damit dennoch erreicht.
    Dies macht deutlich, dass nicht alle Innenflächen den Stempel passgenau kontaktieren müssen, sondern nur, sofern dies zum automatischen Ausrichten notwendig ist.
    III.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das im Klagepatent vorgesehene Merkmal der hexagonalen Öffnung nicht wortsinngemäß, da der Präzisionsverschluss keine hexagonal ausgestaltete Öffnung aufweist. Jedoch verletzt sie das Klagepatent mit äquivalenten Mitteln, indem sie stattdessen neben einer runden Öffnung zwei Sacklockbohrungen aufweist, die zum Ein- und Ausschrauben des Verschlusses die Benutzung eines Stirnlochschlüssels ermöglichen.
    1.
    Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. ua BGH, Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; Urt. v. 17.4.2007 – X ZR 1/05, in GRUR 2007, 959 – Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, Urt. v. 14.12.2010 – X ZR 193/03, in GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV; Urt. v. 13.1.2015 – X ZR 81/13, in GRUR 2015, 361 – Kochgefäß).
    2.
    Die angegriffene Ausführungsform erreicht nicht nur die Wirkung der erfindungsgemäßen Lehre mit gleichwirkenden Mitteln insgesamt (siehe unten, Ziff. a)), sondern auch diejenige Wirkung, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal der hexagonalen Öffnung im Einzelnen erzielt (siehe unten, Ziff. b)).
    Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale – für sich und insgesamt – zur Lösung der dem Patentanspruch zu Grunde liegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zu Grunde liegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH, Urt. v. 28.06.2000 – X ZR 128/98, in GRUR 2000, 1005 – Bratgeschirr; Urt. v. 17.7.2012 , in GRUR 2012, 1122 – Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, Urt. v. 17.7.2012 , in GRUR 2012, 1122 – Palettenbehälter III; BGH, Urt. v. 13.1.2015 – X ZR 81/13, in GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk).
  7. a)
    Die angegriffene Ausführungsform löst die dem Klagepatent insgesamt zu Grunde liegende Aufgabe mit gleichwirkenden Mitteln.
    Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zu Grunde liegende technische Problem aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – Xa ZR 36/08, in GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; Urt. v. 1.3.2011 – X ZR 72/08, in GRUR 2011, 607 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel III; Urt. v. 17.7.2012 − X ZR 113/11, in GRUR 2012, 1122 – Palettenbehälter III).
    aa)
    Die Beschreibung des Klagepatents formuliert die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe nicht explizit. Absatz [0002] beschreibt die U.S. Patente 5,337,XXX, 5,410,XXX sowie Des. 351,XXX und besagt, dass das Klagepatent einige der Nachteile vermeiden soll, die mit den bisher bekannten Abstreifeinheiten einhergehen. Sodann beschreibt das Klagepatent die in dem U.S. Patent 1,723,XXX offenbarte Abstreifeinheit näher, ohne auf die konkreten Vorteile einzugehen, die die erfindungsgemäße Lehre demgegenüber bietet.
    Im Rahmen der Zusammenfassung der Erfindung in Absatz [0004] heißt es dann, dass nach der erfindungsgemäßen Lehre einerseits die Matrizenfeder vorgespannt und gleichzeitig die Abstreifeinheit auf einer handelsüblichen Kugelverschlussstanzhalterung positioniert werden könne. Die Benutzung der vorgespannten Feder führe zu einer langen Lebensdauer. Dass die Abstreifeinheit in sich abgeschlossen sei, habe zudem den Vorteil, dass die Matrizenfeder- und Abstreifkräfte komplett in der Abstreifeinheit isoliert seien, Absatz [0012].
    bb)
    Ein Vergleich der in der U.S. Patentschrift 1,723,XXX (im Folgenden: US `XXX) offenbarten Abstreifeinheit – die im hiesigen Verfahren von beiden Parteien und auch vom Europäischen Patentamt während des Erteilungsverfahrens als nächstliegender Stand der Technik angesehen worden ist – mit der erfindungsgemäßen Abstreifeinheit zeigt, dass die in der Klagepatentbeschreibung angegebenen Vorteile dem entsprechen, was die erfindungsgemäße Lehre tatsächlich leistet:
    Die U.S. `XXX offenbart eine Abstreifeinheit mit einem beweglichen Abstreifer und einer Matrizenfeder. Im Gegensatz zum Klagepatent lässt sich der U.S. `XXX jedoch nicht eindeutig entnehmen, dass die Abstreifeinheit in sich abgeschlossen ist. Um den Anforderungen an eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung zu genügen, reicht es nicht aus, wenn – wie die Beklagte meint – es nicht ausgeschlossen und sogar wahrscheinlich sei, dass die U.S. `XXX eine in sich abgeschlossene Abstreifeinheit zeige.
    Den gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik bestehenden Vorteil der in-sich-Abgeschlossenheit erreicht die erfindungsgemäße Lehre dadurch, dass der Hohlkörper, in welchem sich die Matrize befindet, durch einen Präzisionsverschluss geschlossen wird. Dieser wiederum weist eine hexagonale Öffnung auf, die so dimensioniert ist, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, wodurch die Abstreifeinheit, wenn diese in der Stempelhalterung aufgenommen wird, automatisch an der Stempelhalterung ausgerichtet wird.
    Die erfindungsgemäß beschriebenen Vorteile werden gerade durch die Unterschiede des Klagepatents zum Stand der Technik erreicht. Durch den Präzisionsverschluss wird die Abstreifeinheit geschlossen, was zu einem Vorspannen der Matrizenfeder sowie dazu führt, dass die Matrizenfeder- und Abstreifkräfte komplett in der Abstreifeinheit isoliert werden. Zudem wird die Abstreifeinheit durch die Öffnung des Präzisionsverschlusses an der Stempelhalterung ausgerichtet.
    cc)
    Die angegriffene Ausführungsform erreicht insgesamt die Wirkung, wie sie auch die erfindungsgemäße Lehre vorsieht.
    Auch die angegriffene Ausführungsform stellt eine in sich abgeschlossene Abstreifeinheit dar. Auch sie weist eine Öffnung mit Gewinde auf, in die ein Verschluss eingedreht werden kann. Dadurch treten dieselben Wirkungen ein, wie sie das Klagepatent vorsieht. Einerseits wird dadurch die Matrize vorgespannt und andererseits die Abstreifeinheit in einen in-sich-abgeschlossenen Zustand versetzt. Durch die runde Öffnung wird zudem die Abstreifeinheit an der Stempelhalterung ausgerichtet.
    b)
    Die angegriffene Ausführungsform erreicht zudem auch die Wirkung, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal der hexagonalen Öffnungsform erzielt.
    Die von dem Schutzrecht im Zusammenhang mit dem fraglichen Merkmal intendierte Wirkung zur Lösung des zugrunde gelegten Problems ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Außer Betracht zu bleiben haben solche Effekte, die zwar mit der Verwendung des im Wortsinn des Patentanspruchs liegenden Mittels objektiv verbunden sein mögen, denen das Patent jedoch keine Beachtung schenkt, weil ihnen im Kontext der erfindungsgemäßen Lehre keine Bedeutung zukommt (BGH, Urt. v. 13.9.2011 – X ZR 69/10, in GRUR 2012, 45 – Diglycidverbindung; BGH, Urt. v. 13.1.2015 – X ZR 81/13, in GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk).
    Betrachtet man isoliert die von der erfindungsgemäßen Lehre vorgesehene hexagonale Öffnung, sind damit zwei Wirkungen verbunden, die auch die angegriffene Ausführungsform erreicht:
    aa)
    Zum einen dient die sechseckige Form der Öffnung dazu, dass zum Eindrehen des Verschlusses ein Sechskantschlüssel benutzt werden kann, siehe Absatz [0010] und [0012]. Die hexagonale Form dient damit dem Ein- und Ausdrehen mit einem handelsüblichen Werkzeug.
    Die gleiche Wirkung erzielt auch die angegriffene Ausführungsform, indem sie zwei Sacklochbohrungen an dem Verschluss vorsieht. Durch diese beiden Bohrungen ist die Verwendung eines Stirnlochschlüssels möglich, um den Verschluss ein- und auszuschrauben. Mit der Verwendung eines solchen Werkzeugs wird die gleiche Wirkung erzielt wie mit der patentgemäß vorgesehenen hexagonalen Öffnung. Wie auch von der erfindungsgemäßen Lehre vorgesehen muss ein handelsübliches Werkzeug herangezogen werden, um den Verschluss in das dafür vorgesehene Gewinde einzudrehen.
    Dabei bleibt die Verwendung eines Stirnlochschlüssels nicht hinter der Verwendung eines Sechskantschlüssels zurück, weil letzterer eher oder einfacher verfügbar wäre. Schließlich sieht Merkmal 6 nicht vor, dass die hexagonale Öffnung derart dimensioniert sein muss, dass sie tatsächlich einem handelsüblichen Sechskantschlüssel entspricht und keine Sondergröße erforderlich ist. Gerade im Fall einer Sondergröße wäre aber ein passender Sechskantschlüssel nicht einfacher zu bekommen als ein Stirnlochschlüssel. Abgesehen davon ist weder vorgetragen, noch erkennbar, dass ein Stirnlochschlüssel weniger gut verfügbar oder schwieriger zu handhaben wäre als ein Sechskantschlüssel.
    bb)
    Merkmal 7 des Klagepatents sieht darüber hinaus vor, dass die Öffnung des Präzisionsverschlusses so dimensioniert ist, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert. Das Merkmal beschreibt den damit verbundenen Vorteil dahingehend, dass die Abstreifeinheit automatisch an der Stempelhalterung ausgerichtet wird, sobald diese in der Stempelhalterung aufgenommen wird.
    Die automatische Ausrichtung erreicht auch die angegriffene Ausführungsform, indem sie eine passgenaue, runde Öffnung für die Stempelhalterung vorsieht. Mit einer runden anstatt einer eckigen Öffnung bleibt die angegriffene Ausführungsform in ihrer Wirkung nicht hinter der erfindungsgemäßen Lehre zurück. Es ist zwar denkbar, dass die Abstreifeinheit mit einem hexagonal geformten Stempel verwendet wird, was zur Folge hätte, dass alle sechs Ecken in die Öffnung passen und dadurch eine seitliche Drehbewegung der Stempelhalterung ausgeschlossen würde. Dabei handelt es sich jedoch um einen objektiv denkbaren Vorteil der erfindungsgemäßen Lehre, dem diese keine Beachtung schenkt.
    Dies liegt zum einen darin begründet, dass die erfindungsgemäße Abstreifeinheit mit handelsüblichen Kugelverschlussstempelhalterungen zum Einsatz kommen soll, Absatz [0004]. Deren Stempel sind nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin typischerweise nicht hexagonal, sondern rund ausgestaltet, so dass dieser Vorteil mit derartigen Stempeln ohnehin nicht erreicht werden könnte.
    Zum anderen sieht die Beschreibung des Klagepatents eine andere Lösung für das Problem vor, dass sich der Abstreifer verdrehen oder spannen und verklemmen kann, siehe Absatz [0009] und [0015]:
    „The upper bore 36 in the stripper body 20 includes a flat 38, and the stripper 22 is ‚D‘ shaped to match 40 and thereby provide assembly only in its correct position. […]“
    „The stripper 22 is guided not only by the ‚D‘ body shape, but also by the stripper’s head diameter or hole size and shape 24. This provides a much improved condition that will ensure the stripper 22 cannot twist or cock and jam during production and will better facilitate side load to the stripper when stripping non-flat surfaces.“
    Das Verhindern einer seitlichen Drehbewegung innerhalb der Abstreifeinheit erreicht das Klagepatent dadurch, dass der Stempel D-förmig ausgestaltet ist und durch diese Form fixiert wird. Dieser Aspekt hat auch in dem abhängigen Unteranspruch 2 seinen Niederschlag gefunden.
    Die Beklagte hat nicht vorgetragen, inwiefern eine runde Öffnung davon abgesehen den Vorteil einer Positionierung der Abstreifeinheit an der Stempelhalterung in nur geringerem Maße erreichen würde als eine hexagonale Öffnung. Sofern sie auf eine höhere Reibung verweist, ist nicht erkennbar, inwiefern diese tatsächlich besteht und sich negativ auswirkt. Schließlich ist die Reibung auch in der patentgemäßen Ausführungsform erhöht, deren Öffnungsinnenflächen abgerundet sind und dadurch den Stempel in größerem Umfang kontaktieren als bei einer streng hexagonalen Form.
    cc)
    Die hexagonale Öffnung weist keinen über die oben beschriebenen Vorteile hinausgehenden Kombinationseffekt auf, hinter dem die angegriffene Ausführungsform zurückbleiben würde.
    Die hexagonale Ausgestaltung der Öffnung dient allein dazu, dass ein Sechskantschlüssel zum Ein- und Ausschrauben verwendet werden kann. Die Dimensionierung der Öffnung derart, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, ist unabhängig von der hexagonalen Form der Öffnung zu betrachten. Denn durch die Dimensionierung wird der Vorteil der automatischen Ausrichtung an der Stempelhalterung erreicht. Zur Erreichung dieses Vorteils trägt die hexagonale Form an sich nichts bei.
    3.
    Die von der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Mittel waren für den Fachmann auffindbar.
    a)
    Die Auffindbarkeit der abgewandelten Lösung liegt dann vor, wenn die bereits bei der Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehenden Kenntnisse und Fähigkeiten der Fachwelt bei der Befassung mit dem Patent die Bewertung erlauben, dass aus fachlicher Sicht von einem oder einzelnen Merkmalen des Patentanspruchs abgesehen und stattdessen ein oder mehrere bestimmte andere der Fachwelt zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt werden können (vgl. Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 14 Rn. 109). Der Fachmann muss befähigt sein, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (BGH, Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; Urt. v. 10.5.2011 – X ZR 16/09, in GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; Urt. v. 10.5.2016 – X ZR 114/13, in GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher). Entscheidend ist, ob dieser beim Studium der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung die bei der angegriffenen Vorrichtung eingesetzten abgewandelten Mittel unter Einsatz seines Fachwissens auffinden konnte. Wenn der Durchschnittsfachmann durch die in den Patentansprüchen beschriebene Vorrichtung nicht auf den Gedanken gebracht wurde, dass er die dort beschriebene Vorrichtung auf Grund fachmännischer Überlegungen zur Erzielung der im wesentlichen gleichen Wirkungen abwandeln kann, wie das hinsichtlich der angegriffenen Vorrichtung behauptet wird, scheidet eine Benutzung der im Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung aus (BGH, Urt. v. 14.06.1988 – X ZR 5/87, in GRUR 1988, 896 – Ionenanalyse).
    b)
    Ausgehend von diesem Maßstab war das Ersetzen einer hexagonalen Öffnung durch eine runde Öffnung und zwei Sacklochbohrungen im Verschluss naheliegend.
    Dabei ist, wie oben bereits aufgezeigt, einerseits zwischen der hexagonalen Form der Öffnung und andererseits der Dimensionierung der Öffnung derart, dass sie den Stempel passgenau kontaktiert, zu unterscheiden.
    aa)
    Die hexagonale Form dient dem Ein- und Ausschrauben des Präzisionsverschlusses mit einem Sechskantschlüssel. Da sich die Wirkung darauf beschränkt, die Kompatibilität mit einem bestimmten Werkzeug zu gewährleisten, war ein Fachmann aus dem Bereich Maschinenbau unter Einsatz seiner Kenntnisse dazu befähigt, die hexagonale Form durch zwei Sacklochbohrungen auszutauschen, die die Kompatibilität mit einem alternativen, aber ebenso handelsüblichen Werkzeug sicherstellen.
    Bei diesem Austausch handelt es sich um rein handwerkliches Können, das keine überdurchschnittliche konstruktive Begabung erfordert und aus diesem Grund grundsätzlich auch bei der Beurteilung der Erfindungshöhe für das Naheliegen spricht (Schulte/Moufang, PatG § 4 Rn. 109). Zudem gehörte die Verwendung eines Stirnlochschlüssels zum allgemeinen Fachwissen des einschlägigen Fachmanns und dessen Nutzung stellte sich in dem betreffenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig dar. Es sind keine besonderen Umstände festzustellen, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen, so dass der Fachmann bereits aus diesem Grund Veranlassung dazu hatte, den Präzisionsverschluss so auszugestalten, dass er mit einem anderem handelsüblichen Werkzeug als einem Sechskantschlüssel – wie beispielsweise einem Stirnlochschlüssel – kompatibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2017 – X ZR 109/15, in GRUR 2018, 509; Urt. v. 11.3.2014 – X ZR 139/10, in GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem).
    bb)
    Sofern Merkmal 7 vorsieht, dass die Öffnung den Stempel passgenau kontaktiert, steht dies nicht mit der hexagonalen Form in Zusammenhang, sondern gibt lediglich die Dimensionierung der Öffnung vor. Diese soll derart sein, dass die Abstreifeinheit in der Stempelhalterung aufgenommen und die Abstreifeinheit automatisch an der Stempelhalterung ausgerichtet wird.
    Dem Fachmann wird also vorgegeben, dass der Präzisionsverschluss eine durchgängige Öffnung aufweisen muss, durch die der Stempel geführt wird. Dieses Erfordernis besteht unabhängig von der Möglichkeit, den Verschluss ein- und ausschrauben zu können. Vor diesem Hintergrund hat dem Fachmann nichts näher gelegen, als entsprechend der typischerweise runden Form eines Stempels eine runde Öffnung vorzusehen.
    cc)
    Wie oben bereits ausgeführt, kommt der hexagonalen Öffnung kein darüber hinausgehender Kombinationseffekt zu. Insofern ändert es auch nichts an der Auffindbarkeit für den Fachmann, dass die angegriffene Ausführungsform die passgenaue Dimensionierung der Öffnung mittels einer runden Form verwirklicht und die hexagonale Form als Angriffspunkt für ein Werkzeug durch zwei Sacklochbohrungen ersetzt. Schließlich sah die erfindungsgemäße Lehre eine durchgängige Öffnung zwingend vor, so dass auch dem Fachmann klar war, dass diese als weiteres Merkmal neben den Sacklochbohrungen bestehen bleiben muss.
    4.
    Die notwendige Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urt. v. 29.11.1988 – X ZR 63/87, in GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; Urt. v. 03.10.1989 – X ZR 33/88 in GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; Urt. v. 20.04.1993 – X ZR 6/91, in GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I; Urt. v. 12. 3. 2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; Urt. v. 12. 3. 2002 – X ZR 135/01, in GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; Urt. v. 12. 3. 2002 – X ZR 73/01 GRUR 2002, 527, 528 – Custodiol II; Urt. v. 31. 5. 2007 – X ZR 172/04, in GRUR 2007, 1059 – Zerfallszeitmessgerät; Urt. v. 10. 5. 2011 – X ZR 16/09, in GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk). Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, dass die erfindungsgemäße Wirkung als solche über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte (BGH, Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I). Deshalb ist eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGH, Urt.v. 10.5.2011 – X ZR 16/09, in GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; Urt. v. 13.9.2011 – X ZR 69/10, in GRUR 2012, 45 – Diglycidverbindung; Urt. v. 14.6.2016 – X ZR 29/15, in GRUR 2016, 921, Rn. 50 – Pemetrexed).
    Die angegriffene Ausführungsform orientiert sich bei der Wahl der äquivalenten Mittel am Patentanspruch und schließt den Schutz für eine runde Öffnung des Präzisionsverschlusses mit zwei daneben vorliegenden Sacklochbohrungen nicht aus.
    Statt einer hexagonalen Form der zentralen Bohrung zwei weitere Bohrungen am Rand für den Eingriff eines Stirnschraubenschlüssels vorzusehen, ist sowohl am Zweck der hexagonalen Form – und zwar den Präzisionsverschluss montieren und demontieren zu können – als auch an der für die Erreichung dieses Zwecks maßgeblichen Funktionsweise der hexagonalen Öffnung ausgerichtet – nämlich eine Öffnung für den Eingriff eines Werkzeugs zur Drehung des Verschlusses vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2016 – X ZR 114/13, in GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher).
    Die Patentbeschreibung nennt die hexagonale Form in den Absätzen [0010] und [0012] immer im Zusammenhang mit der Benutzung eines Sechskantschlüssels (hex wrench oder allen wrench hex) und misst der hexagonalen Form der Öffnung keine weitergehende Bedeutung bei. Die Wahl der äquivalenten Mittel durch die angegriffene Ausführungsform orientiert sich insofern an der erfindungsgemäßen Lehre, als dass die Möglichkeit der Benutzung eines handelsüblichen Werkzeugs zum Ein- und Ausschrauben zu Grunde gelegt und statt einer Kompatibilität mit einem Sechskantschlüssel eine Kompatibilität mit einem anderen gleichwertigen und ebenso handelsüblichen Werkzeug gewählt wurde. Damit konnte der Fachmann mit Überlegungen, die am Zweck des Merkmals und seiner Funktion zur Erreichung dieses Zwecks ausgerichtet sind – und zwar die Kompatibilität mit einem handelsüblichen Werkzeug herzustellen – auf die von der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Sacklochbohrungen kommen.
    5.
    Die Orientierung der Überlegungen des Fachmanns, mit denen er ein im Sinne des Merkmals der Erfindung gleichwirkendes Austauschmittel als gleichwirkend auffinden kann, am Patentanspruch und damit die Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln kann regelmäßig nicht mit der Begründung verneint werden, der Patentinhaber habe sich mit der konkreten Formulierung des Merkmals auf eine dessen Wortsinn entsprechende Ausgestaltung festgelegt (BGH, Urt. v. 23.8.2016 – X ZR 76/14, in GRUR 2016, 1254 – V-förmige Führungsanordnung).
    Zutreffend ist, dass das Gebot der Rechtssicherheit gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung steht. Daraus leitet der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGH, Urt. v. 29.11.1988 – X ZR 63/87, in GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; Urt. v. 03.10.1989 – X ZR 33/88, in GRUR 1989, 903 – Batteriekastenschnur; Urt. v. 20.04.1993 – X ZR 6/91, GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I; Urt. v. 12 3.2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 135/01, in GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 73/01, in GRUR 2002, 527, 528 – Custodiol II; Urt. v. 31.5.2007 – X ZR 172/04, in GRUR 2007, 1059, 1062 – Zerfallszeitmessgerät; Urt. v. 10.5.2011 – X ZR 16/09 GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk). Mit dem Gebot der Rechtssicherheit soll erreicht werden, dass der Schutzbereich eines Patentes für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist; sie sollen sich darauf verlassen können, dass der im Patent unter Schutz gestellte Gegenstand mit den Merkmalen des Patentanspruches vollständig umschrieben ist (BGH, Urt. v. 05.05.1992 – X ZR 9/91, in GRUR 1992, 594 – Mechanische Betätigungsvorrichtung; Urt. v. 19.11.1991 – X ZR 9/89, in GRUR 1992, 305, 307 – Heliumeinspeisung). Der Anmelder hat dafür zu sorgen, dass in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (BGH, Urt. v. 24.03.1987 – X ZR 20/86, in GRUR 1987, 626 – Rundfunkübertragungssystem; Urt. v. 03.10.1989 – X ZR 33/88, in GRUR 1989, 903 – Batteriekastenschnur; Urt. v. 05.05.1992 – X ZR 9/91, in GRUR 1992, 594 – mechanische Betätigungsvorrichtung; Urt. v. 12. 3. 2002 – X ZR 43/01, in GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 135/01, in GRUR 2002, 519 – Schneidmesser II; Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 73/01, in GRUR 2002, 527 – Custodiol II); die Leser der Patentschrift müssen sich darauf verlassen können, dass das, was im Patent unter Schutz gestellt ist, im Patentanspruch hinreichend deutlich bezeichnet ist (BGH, Urt. v. 24.03.1987 – X ZR 20/86, in GRUR 1987, 626, 628 – Rundfunkübertragungssystem; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk).
    Das bedeutet aber nicht, dass eine äquivalente Patentbenutzung immer dann ausscheiden muss, wenn das von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Ersatzmittel in der Patentschrift zwar nicht expressis verbis als Austauschmittel angesprochen wird, es aber für den Fachmann, etwa aufgrund seiner Erwähnung in der Patentschrift in einem anderen Zusammenhang, in einem solchen Maße auf der Hand lag, dass das Ersatzmittel auch dem Anmelder nicht verborgen geblieben sein kann. Auch das Gebot der Rechtssicherheit, das prinzipiell jeder Äquivalenzüberlegung wegen des – unzureichend formulierten – Wortlauts des Patentanspruchs entgegengehalten werden könnte, gebietet die Verneinung einer äquivalenten Patentverletzung nur dann, wenn die Patentschrift mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung herbeigeführt werden kann, aber nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist und die angegriffene Ausführungsform die nicht in den Anspruch aufgenommene Lösungsmöglichkeit oder einer dieser Lösungsmöglichkeit vergleichbare, sich in ähnlicher Weise wie diese von der im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidende Lösungsmöglichkeit benutzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk).
    Das ist hier jedoch nicht der Fall. Hier zeigt die erfindungsgemäße Lehre einen Weg zum Ein- und Ausschrauben des Präzisionsverschlusses auf, ohne damit andere Ausgestaltungen auszuschließen, die die Kompatibilität mit alternativen Werkzeugen ermöglichen würden. Das Klagepatent beschäftigt sich mit der Wahl des Werkzeugs gar nicht im Einzelnen, weil diese nur von untergeordneter Bedeutung ist. Entscheidend für das Erreichen der erfindungsgemäßen Vorteile ist der Umstand, dass der Präzisionsverschluss überhaupt in das Gewinde des Hohlkörpers geschraubt wird, nicht aber, welches Werkzeug dazu verwendet wird.
    Die Gleichwertigkeit ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sich der Patentanspruch mit der hexagonalen Form auf sechs Ecken beschränken wollte. Es handelt sich nicht um eine Zahlenangabe, durch die der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit begrenzt werden sollte (siehe BGH, Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 168/00, in GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I).
    6.
    Der Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents steht auch das Ergebnis des Erteilungsverfahrens nicht entgegen.
    Für die Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents kommt es grundsätzlich nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren an, die der Patenterteilung vorausgegangen sind. Denn die Erteilungsakten des Patents bilden, weil sie in Art. 69 EPÜ nicht erwähnt und auch nicht allgemein veröffentlicht sind, kein zulässiges Auslegungsmaterial (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 43/01, in GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). In der Entscheidung „Okklusionsvorrichtung“ hat der Bundesgerichtshof zwar in Erwägung gezogen, aus einer dem Klagepatent zugrunde liegenden und weiter als das erteilte Patent gefassten Offenlegungsschrift beschränkende Rückschlüsse auf den Schutzbereich des späteren Patents zu ziehen (BGH, Urt. v. 10. 5. 2011 – X ZR 16/09, in GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Da es sich bei der Offenlegungsschrift im Grunde genommen um nichts anderes als einen öffentlich zugänglichen Teil der Erteilungsakte handelt, welcher nach der gesetzlichen Regelung in Art. 69 EPÜ – mithin aus Rechtsgründen – keine Relevanz für die Patentauslegung zukommt, bestehen jedoch Bedenken gegen einen solchen Vergleich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2013, Az. I-2 U 29/12, in GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk; Kühnen, Die Erteilungsakte – Verbotenes oder gebotenes Auslegungsmittel bei der Schutzbereichsbestimmung europäischer Patente?, in GRUR 2012, 664).
    Von einer Auswahlentscheidung kann nur unter engen Voraussetzungen ausgegangen werden kann. Im Einzelfall kann der Umstand, dass der Patentinhaber in einem bestimmten Stadium des Verfahrens Schutz für eine Gruppe von Verbindungen beansprucht, die Patentansprüche später aber so gefasst hat, dass ihr Wortsinn nur noch eine einzelne Verbindung erfasst, dies im Einzelfall darauf hindeuten, dass er die übrigen Verbindungen aus dem Schutzbegehren ausgenommen hat. In diesem Zusammenhang spricht der BGH auch von einer Konkretisierung (BGH, Urt. v. 14.6.2016 – X ZR 29/15, in GRUR 2016, 921 – Pemetrexed).
    Der vorliegende Fall ist damit jedoch nicht vergleichbar, weil hier auch im Erteilungsverfahren durchweg nur von der Befestigung des Präzisionsverschlusses mittels eines Sechskantschlüssels ausgegangen wurde. Insofern kann dahinstehen, ob die Erteilungsakte herangezogen werden kann, weil sich daraus keine beschränkenden Rückschlüsse auf den Schutzbereich des Klagepatents ziehen lassen.
    Die Erteilungsakte stützt auch nicht die Auffassung der Beklagten, dass es gerade die hexagonale Form der Öffnung sei, durch die sich das Klagepatent vom Stand der Technik abgrenze. Wie oben bereits aufgezeigt, erreicht die erfindungsgemäße Abstreifeinheit die Vorteile gegenüber dem Stand der Technik vor allem dadurch, dass sie durch den Präzisionsverschluss in einen in sich abgeschlossenen Zustand gebracht und die im Hohlraum befindliche Matrize vorgespannt werden kann. Dafür kommt es nicht entscheidend auf die hexagonale Form der Öffnung an.
    Sofern die Klägerin im Rahmen des Erteilungsverfahrens darauf abstellte, dass das Klagepatent die Verwendung mit einem sechseckigen Stempel vorsehe, steht dies in Widerspruch zur Beschreibung des Klagepatents, das die Möglichkeit abgerundeter Kanten der Öffnung vorsieht. Außerdem ist nicht erkennbar, dass gerade dieser Umstand entscheidend für die Erteilung des Klagepatents war. Schließlich räumt die Beklagte selbst ein, dass nicht mehr nachvollziehbar sei, aus welchem Grund die Einschränkung auf eine hexagonale Öffnung erfolgt sei.
    7.
    Der von der Beklagten vorgebrachte Formsteineinwand greift nicht durch.
    Nach dem Formsteineinwand fällt eine angegriffene Ausführungsform dann nicht in den Schutzbereich eines Patents, wenn sie mit der Gesamtheit ihrer teils wortsinngemäßen, teils äquivalent verwirklichten Merkmale in demjenigen Stand der Technik vorweggenommen ist oder sich aus demjenigen Stand der Technik naheliegend ergibt, der für das Klagepatent maßgeblich ist (Kühnen, Hdb der Patentverletzung, 12. Aufl. 2020, Kap. A Rn. 207).
    Der Beklagten ist es nicht gelungen, aufzuzeigen, dass die angegriffene Ausführungsform ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, der U.S. `XXX, für den Fachmann nahe lag. Anders als die Beklagte meint, liegt der Unterschied zwischen der U.S. `XXX und der erfindungsgemäßen Lehre nicht allein in der hexagonalen Ausgestaltung der Öffnung des Präzisionsverschlusses, sondern in dem Umstand, dass die erfindungsgemäße Abstreifeinheit in sich abgeschlossen ist. Die Beklagte konnte weder aufzeigen, dass in der U.S. `XXX eine in sich abgeschlossene Abstreifeinheit offenbart war, noch, dass es für den Fachmann nahe lag, die aus der U.S. `XXX bekannte Abstreifeinheit in Richtung der Erfindung weiterzuentwickeln und zwei Sacklochbohrungen im Präzisionsverschluss vorzusehen. Zunächst einmal beschäftigt sich die U.S. `XXX nicht damit, wie die Abstreifeinheit am Werkzeughalter befestigt wird, außer dass Gewinde vorgesehen sind, so dass auf die werkzeugseitige Buchse eine Mutter (nut) und auf die Mutter die Abstreifeinheit geschraubt werden kann. Selbst wenn die Reihenfolge, in der die Bauteile zusammengebaut werden können, beliebig ist, hat der Fachmann keinen Anlass, die Mutter – die man in dieser Konstellation als Präzisionsverschluss ansehen müsste – mit Bohrungen für einen Stirnschraubenschlüssel zu versehen. Soll nämlich die Mutter auf die Buchse geschraubt werden oder sitzt sie sogar auf der Buchse, sind die entsprechenden Löcher für den Stirnschraubenschlüssel nicht zugänglich. Aus Sicht des Fachmanns würde es daher nicht nahe liegen, Sacklochbohrungen vorzusehen, um die Mutter an der Abstreifeinheit befestigen zu können. Vielmehr würde der Fachmann den Begriff der Mutter ernst nehmen und diese mit einem Schraubenschlüssel auf der Abstreifeinheit und auf der Buchse festschrauben.
    Zudem hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass in der U.S. `XXX das An- und Abschrauben eines Verschlusses nicht thematisiert wird und damit auch eine etwaige Werkzeugauswahl irrelevant war.
    IV.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach.
    1.
    Die Beklagte ist der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die Wiederholungsgefahr wird dabei aufgrund der bereits begangenen Verletzung vermutet (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2003 – X ZR 179/02, in GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte).
    2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG in tenoriertem Umfang.
    Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
    Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Schutzrechtsverletzung ein Schaden entstanden ist.
    3.
    Daneben hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
    Die Beklagte hat die Lehre des Klagepatents ohne rechtlichen Grund seit der Veröffentlichung der Patenterteilung benutzt und hat der Klägerin für den Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Patenterteilung und dem Zeitpunkt des Kennenmüssens einen Monat nach der Patenterteilung das Erlangte herauszugeben.
    4.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG im tenorierten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
    5.
    Die Klägerin hat schließlich im tenorierten Umfang einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung gegen die Beklagte aus § 140a Abs. 1 und 3 PatG, da diese das Eigentum bzw. Besitz an der angegriffenen Ausführungsform hatte.
  8. V.
    Der Schriftsatz der Beklagten vom 21. Juli 2020 enthält ausschließlich Rechtsausführungen, die eine Wiedereröffnung der Verhandlung oder eine auch nur abweichende Entscheidung nicht rechtfertigen.
  9. VI.
    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.
  10. VII.
    Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

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