4b O 130/18 – Medikamentenabgabevorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3079

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 06. Oktober 2020, Az. 4b O 130/18

  1. Die Klage wird abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2539XXX (nachfolgend Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
  4. Eingetragene Inhaberin des Klagepatents (Anlage K 1, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage K 1.1), das am 23. Februar 2011 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 26. Februar 2010 angemeldet wurde, ist die A Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 20. Januar 2016 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
  5. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft eine Medikamentenausgabevorrichtung. Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 12 lauten in deutscher Übersetzung wie folgt:
  6. 1. Abgabevorrichtung zur Abgabe eines Medikaments, die eine metallische Komponente mit mindestens einer nichtmetallischen Oberfläche aufweist, die während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt, wobei die nichtmetallische Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist, die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten umfasst, und wobei die Grenzfläche weniger als 15 At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS.
  7. 12. Metallische Komponente für eine Abgabevorrichtung, die ein Medikament abgibt, wobei die Komponente mindestens eine nichtmetallische Oberfläche aufweist, die während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt, wobei die Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist, die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten und weniger als 15 At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS.
  8. Hinsichtlich der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 3, 4, 5, 6, 8, 10, 11 und 13 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  9. Zur Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre wird nachfolgend Figur 1 der Patentbeschreibung wiedergegeben, die eine erfindungsgemäße, unter Druck stehende Abgabevorrichtung zeigt:
  10. Die Beklagte zu 1. ist ein Hersteller von Aluminiumteilen für die Verpackung von Kosmetika und Pharmazeutika mit Sitz in B. Sie bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Aerosoldosen, die sie auf der CPhL-Konferenz auf dem Messegelände in Frankfurt am 24. Oktober 2017 wie folgt ausgestellt hat (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“):
  11. Gemäß dem als Anlage K 4 vorgelegten Verkaufsprospekt der Beklagten zu 1. weisen diese plasmabeschichteten Dosierinhalatoren-Behälter eine hydrophobe, niedrig energetische Oberfläche auf.
    Die Beklagte zu 2. ist ein mit der Beklagten zu 1. verbundenes Unternehmen mit Sitz in C, an deren Standort diese Aluminiumteile hergestellt werden.
  12. Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellen eine mittelbare Verletzung des Anspruchs 1 sowie eine unmittelbare Verletzung des Anspruchs 12 des Klagepatents dar. Die Aerosolbehälter der Beklagten seien sinnfällig hergerichtet für die Verwendung in einem Dosierinhalator und wiesen eine Innenoberfläche mit einer Grenzfläche zu der darunterliegenden metallischen Komponente auf. Eine Analyse der angegriffenen Ausführungsform mittels Röntgen-Photoelektronenspektroskopie (XPS) habe ergeben, dass diese Grenzfläche im Wesentlichen Aluminiumfluorid-Einheiten umfasse. Sowohl in der Grenzschicht als auch in der darüber liegenden Beschichtung seien hauptsächlich die Elemente Fluor und Kohlenstoff, in geringerem Maße auch Sauerstoff, Aluminium und Phosphor zu erkennen. Dies bedeute, dass Sauerstoffatome durch Fluoratome ersetzt worden seien, mit der Folge, dass der Sauerstoffgehalt in der Oberfläche weniger als 15 Atom-% betrage.
  13. Die Messmethode XPS sei auch geeignet, die Beschaffenheit der nichtmetallischen Oberfläche einschließlich der Grenzschicht zu ermitteln. Da die Informationstiefe der XPS-Messung 5 bis 10 nm betrage, lasse sich daraus folgern, dass die XPS-Messung gerade diese Grenzschicht umfasse und die Analyseergebnisse daher deren Zusammensetzung wiedergeben würden. Auch bei Vorliegen einer optionalen Beschichtung – wie sie die angegriffene Ausführungsform aufweise – sei die Messmethode XPS mit ihrer Eindringtiefe erkennbar geeignet, die nichtmetallische Oberfläche mit ihrer Grenzfläche vollständig bis zu der darunterliegenden metallischen Komponente zu erfassen. Zudem wähle das Klagepatent gerade diese Messmethode, weil die patentgeschützte Oberfläche sehr dünn sei. Diese betrage nur wenige Nanometer, selbst dann, wenn auf der Grenzfläche noch eine weitere Schicht, z.B. eine Polymerbeschichtung, aufgetragen sei.
  14. Die Klägerin beantragt,
  15. 1. die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    a. metallische Komponenten für eine Abgabevorrichtung, die ein Medikament abgibt, wobei die Komponenten mindestens eine nichtmetallische Oberfläche aufweisen, die während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder anbieten oder In Verkehr bringen zu lassen und/oder zu den genannten Zwecke entweder einzuführen, einführen zu lassen oder zu besitzen,
  16. wenn die Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist, die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten und weniger als 15
    At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS;
    (unmittelbare Verletzung von Anspruch 12 der EP 2 539 XXX)
  17. aa. insbesondere, wenn die metallische Komponente in Form eines metallischen Dosenkörpers zur Verwendung in einer unter Druck stehenden Abgabevorrichtung, die ein Medikament in einem Trägerfluid abgibt, vorliegt, wobei die nichtmetallische Oberfläche eine Innenfläche des Dosenkörpers ist;
    (unmittelbare Verletzung von Anspruch 13 in Verbindung mit Anspruch 12 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  18. b. metallische Komponenten geeignet für eine Abgabevorrichtung zur Abgabe eines Medikaments,
    Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern bzw. anbieten und/oder liefern zu lassen,
    wenn die metallischen Komponenten mindestens eine nichtmetallische Oberfläche aufweisen, die während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt, wobei die nichtmetallische Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist, die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten umfasst, und wobei die Grenzfläche weniger als 15 At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 1 der EP 2 539 XXX)
  19. insbesondere, wenn
  20. aa. die nichtmetallische Oberfläche eine Beschichtung aufweist, die auf der Grenzfläche aufgetragen ist, sodass die Beschichtung während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 3 i. V.m. Anspruch 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  21. bb. die Beschichtung eine Polymerbeschichtung oder eine anorganische Beschichtung ist;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 4 i.V.m. den Ansprüchen 3 und 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  22. cc. die Beschichtung eine plasmapolymerisierte Polymerbeschichtung ist;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 5 i. V.m. den Ansprüchen 4, 3 und 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  23. dd. die Grenzfläche im Wesentlichen Metallfluorideinheiten umfasst und die Polymerbeschichtung ein Flurkohlenstoffpolymer ist;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 6 i. V.m. den Ansprüchen 4, 3 und 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  24. ee. die Grenzfläche weniger als 10 At.-%, bevorzugt weniger als 7 At.-% am bevorzugtesten weniger als 5 At.-%, Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 8 i. V.m. Anspruch 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  25. ff. die Abgabevorrichtung einen metallischen Dosenkörper aufweist, wobei die nichtmetallische Oberfläche eine Innenfläche des Dosenkörpers ist;
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 10 i. V.m. Anspruch 1 der EP 2 539 XXX)
    und/oder
  26. gg. die metallische Komponente aus Aluminium gebildet ist.
    (mittelbare Verletzung von Anspruch 11 i.V.m. Anspruch 1 der EP 2 539 XXX);
  27. 2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. Februar 2016 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses und unter Vorlage von Belegen (in Kopie), nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, sowie unter Angabe
  28. a) der Herstellermengen und -zeiten,
    b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Domain, der Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagnen,
    f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  29. wobei
  30. – sich die Belegvorlage auf die Angaben zu b) und c) beschränkt und
    – den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
  31. 3. die Beklagten zu verurteilen, die vorstehend zu Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagten seit dem 20. Januar 2016 oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert; werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;
  32. 4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin und der Patentinhaberin, A, D, durch die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 20. Februar 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  33. Die Beklagten beantragen,
  34. die Klage abzuweisen.
  35. Die Beklagten sind der Ansicht, sie verletzten das Klagepatent nicht. Weder die Patentansprüche des Klagepatents noch seine Beschreibung legten fest, dass die nichtmetallische Oberfläche eine maximale Stärke von 5 bis 10 nm aufweisen solle. Die Angabe der Messmethode XPS in den Patentansprüchen stelle lediglich klar, mit welcher Methode der Sauerstoffgehalt der Grenzfläche gemessen werden solle. Was die Untersuchungen der Klägerin angehe, habe diese bei ihrer Messung nicht berücksichtigt, dass das Aluminium von einer organischen Schicht belegt sei, die die Signalintensität des Aluminiums abschwäche. Da in dieser Schicht hauptsächlich die Elemente Fluor und Kohlenstoff vorhanden seien, folge für die verbleibenden oberen 5-10 nm, dass diese hinsichtlich ihrer atomaren Zusammensetzung zum größten Teil aus Aluminium bestehen müssten. Nach der eigenen Analyse der Beklagten bestehe die untersuchte Schicht aus oxidiertem und nicht aus fluoridiertem Aluminium. Auch ein erstelltes Tiefenprofil habe ausschließlich Aluminiumoxid detektiert. Dabei sei der Sauerstoffgehalt mit wenigstens 25 Atom-% Sauerstoff deutlich höher als der vom Klagepatent festgelegte Grenzwert. Schließlich begründe eine mittelbare Patentverletzung keinen Rückrufanspruch.
  36. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  37. Entscheidungsgründe
  38. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
  39. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Rückruf und Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
  40. I.
    Das Klagepatent betrifft eine Medikamentenausgabevorrichtung sowie ein Verfahren zum Herstellen derselben und ein Verfahren zum Behandeln einer Komponente derselben.
  41. Nach der Beschreibung des Klagepatents ist es bekannt, einem Patienten Medikamente durch Inhalation unter Verwendung von unter Druck stehenden Spendervorrichtungen – beispielsweise Druck-Dosierinhalatoren – zu verabreichen, die das Medikament in einer Trägerflüssigkeit abgeben. Ein solches Medikament kann als partikuläre Suspension, in Lösung oder als Kombination von beiden vorliegen (Abs. [0002], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage K1.1).
  42. Mit dieser Art der Abgabevorrichtung, sind, so das Klagepatent weiter, Probleme verbunden betreffend die nicht gewünschte Absorption, Bindung oder den Abbau des aktiven Medikaments an der inneren Oberfläche der Vorrichtung und die Korrosion der Komponenten der Abgabevorrichtung durch das Medikament selbst. Dies kann zu einem Potenzverlust und/oder zu einer unberechenbaren Dosierung während der Haltbarkeit des Geräts führen. In einigen Fällen kann sogar ein Clustering von Arzneimittelteilchen auftreten (Abs. [0003]).
  43. Im Stand der Technik ist mit der EP 0642XXX, EP 1066XXX und WO 2008/146XXX eine Plasmapolymerisation auf verschiedene Komponenten der Abgabevorrichtung bekannt. Mit dieser Art von Beschichtungen geht jedoch eine Anzahl von Lieferproblemen einher (Abs. [0003]). Bei Vorrichtungen, die eine Partikelsuspension als Abgabesystem verwenden, kann das Abgabesystem durch das Anhaften der Medikamentpartikel und das „Verbacken“ dieser Partikel an den Wänden der Dose oder an anderen Oberflächen innerhalb der Abgabevorrichtung beeinflusst werden. Dies kann zu einer Agglomeration führen, die die Medikamentendosis beeinflusst. Das Klagepatent beschreibt in Absatz [0003] zudem das Problem des autokatalytischen Abbaus einiger Medikamente durch Kontakt mit bestimmten Materialien, insbesondere mit Metalloxiden, wie Aluminiumoxid und Magnesiumoxid oder aber andere Reaktionen wie Korrosion. Bestimmte Komponenten von Abgabevorrichtungen, insbesondere der Dosenkörper sind aus Aluminium gebildet und weisen folglich eine Aluminiumoxid-Oberflächenschicht auf, die auch Legierungsverbindungen wie Magnesiumoxid enthält. Das Beschichten solcher Komponenten mit einer Barriere, so das Klagepatent weiter, stellt eine Möglichkeit bereit, bei der sowohl der Abbau als auch, mit einer Antihaft-Barriere, das Anhaften von Medikamentpartikeln an Oberflächen verhindert werden kann (Abs. [0003]). Die Leistung einer solchen Beschichtung kann jedoch aus verschiedenen Gründen nicht optimal sein, beispielsweise weil die Beschichtungen Fehler oder Nadellöcher aufweisen können, die es ermöglichen, dass Medikamentmoleküle, die in einer Lösung vorhanden sind, die Oberfläche der Komponenteneile wie die Aluminiumoxidoberfläche einer Dose erreichen, wo Degradation und/oder Korrosion stattfinden kann.
  44. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es das Klagepatent als Aufgabe (technisches Problem), die beschriebenen Probleme der Abgabevorrichtung zu beheben (Abs. [0004]). Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung schlägt das Klagepatent eine Abgabevorrichtung zur Abgabe eines Medikaments mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie eine metallische Komponente für eine Abgabevorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 12 vor:
  45. 1.1 Abgabevorrichtung zur Abgabe eines Medikaments
    1.2 die eine metallische Komponente mit mindestens einer nichtmetallischen Oberfläche aufweist, die während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt,
    1.3 wobei die nichtmetallische Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist,
    1.3.1 die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten umfasst, und
    1.3.2 wobei die Grenzfläche weniger als 15 At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS.
  46. 12.1 Metallische Komponente für eine Abgabevorrichtung, die ein Medikament abgibt,
    12.2 wobei die Komponente mindestens eine nichtmetallische Oberfläche aufweist, die mit dem Medikament während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt,
    12.3 wobei die Oberfläche eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente aufweist,
    12.3.1 die im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten umfasst, und
    12.3.2 wobei die Grenzfläche weniger als 15 At.-% Sauerstoff umfasst, bestimmt mittels XPS.
  47. II.
    Eine erfindungsgemäße Abgabevorrichtung zur Abgabe eines Medikaments gemäß Klagepatentanspruch 1 und eine erfindungsgemäße metallische Komponente für eine Abgabevorrichtung gemäß Klagepatentanspruch 12 weisen nach Merkmal 1.2 und 12.2 eine nichtmetallische Oberfläche auf, die während der Lagerung oder Verwendung der Vorrichtung in Kontakt mit dem Medikament kommt. Diese nichtmetallische Oberfläche weist nach den Merkmalsgruppen 1.3 und 12.3 eine Grenzfläche mit der darunterliegenden metallischen Komponente auf. Die Grenzfläche umfasst dabei im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten gemäß Merkmal 1.3.1 und 12.3.1 sowie weniger als 15 At.% Sauerstoff, bestimmt mittels XPS gemäß Merkmal 1.3.2 und 12.3.2.
  48. Soweit nachfolgend nur auf die Merkmale des Anspruchs 1 eingegangen wird, gelten die Ausführungen auch für die Merkmale des Anspruchs 12. Eine Einschränkung ist damit nicht verbunden, weil die Merkmale der beiden Ansprüche weitgehend identisch sind.
  49. 1.
    Das Merkmal 1.2 beschreibt den Aufbau einer erfindungsgemäßen Abgabevorrichtung. Demnach besteht sie aus einer metallischen Komponente – einem Metallsubstrat – mit mindestens einer nichtmetallischen Oberfläche. Bei dieser handelt es sich um den Teil der Vorrichtung, der während der Lagerung oder der Verwendung der Vorrichtung mit dem Medikament in Kontakt kommt; beschrieben wird damit die innenliegende Oberfläche des Körpers der Abgabevorrichtung.
  50. Die nichtmetallische Oberfläche wird durch die Merkmalsgruppe 1.3 näher charakterisiert. Gemäß Merkmal 1.3 weist sie eine Grenzfläche mit der darunter liegenden metallischen Komponente auf, wobei die Grenzfläche gemäß den Merkmalen 1.3.1 und 1.3.2 besondere Materialeigenschaften haben soll.
  51. Bereits aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs ergibt sich, dass die nichtmetallische Oberfläche nicht auf diese Grenzfläche im Sinne der Merkmalsgruppe 1.3 beschränkt ist, da sie eine solche nur aufweisen soll. Weitere Bestandteile der nichtmetallischen Oberfläche über die Grenzfläche sind also nicht ausgeschlossen. Dementsprechend wird auch in der Klagepatentschrift ausgeführt, dass in einer Ausführungsform die Schnittstelle – das ist die Grenzfläche – keine darauf abgeschiedene Beschichtung aufweist (Abs. [0007]). In einer solchen Ausführungsform ist es also die Grenzfläche selbst, die auch mit dem Medikament in Kontakt kommt. Die nichtmetallische Oberfläche besteht daher im Wesentlichen aus der Grenzfläche (Abs. [0007]). In anderen Ausführungsformen umfasst die nichtmetallische Oberfläche hingegen eine Beschichtung, die an der Grenzfläche abgeschieden ist, so dass es diese Beschichtung ist, die mit dem Medikament in Kontakt kommt (Abs. [0008]). Diese beiden möglichen Ausführungsformen finden sich auch in den Unteransprüchen 2 und 3 wieder.
  52. Demnach ergibt sich für den Aufbau einer erfindungsgemäßen Abgabevorrichtung, dass sie aus einer metallischen Komponente mit einer darauf befindlichen nichtmetallischen Oberfläche besteht, wobei letztere eine Grenzfläche zur metallischen Komponente und optional eine weitere Beschichtung aufweist.
  53. 2.
    Die weiteren Merkmale 1.3.1 und 1.3.2 betreffen die Materialeigenschaften der Grenzfläche.
  54. Gemäß Merkmal 1.3.1 umfasst die Grenzfläche im Wesentlichen Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten. Dadurch sind reine Metallatome oder Metall-Oxifluoride in der nichtmetallischen Oberfläche weitgehend ausgeschlossen. Durch den Begriff „im Wesentlichen“ wird zwar keine zahlenmäßige Größenordnung für den Anteil der Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten genannt. Aus dem Merkmal 1.3.2 ergibt sich aber jedenfalls, dass der atomare Sauerstoffanteil unter 15 At.-% liegen soll.
  55. a)
    Bereits der Begriff nichtmetallische Oberfläche macht deutlich, dass Metallatome in Reinform soweit es geht ausgeschlossen sind. Aus der Wendung „im Wesentlichen“ ergibt sich aber auch, dass Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten den weit überwiegenden Anteil der Metallverbindungen in der Grenzfläche bilden, Metalloxide und Oxifluorid- oder Oxicarbid-Verbindungen hingegen nur einen geringen Anteil haben dürfen. Soweit Merkmal 1.3.2 einen Sauerstoffanteil von weniger als 15 At.-% verlangt, ergibt sich bereits rechnerisch, dass die Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Verbindungen den weitaus größeren Teil an Verbindungen gegenüber Metalloxiden und -oxifluoriden bzw. -oxicarbiden ausmachen.
  56. Die Funktion dieser Materialzusammensetzung besteht darin, den Abbau von Medikamenten an der Oberfläche des Abgabevorrichtungskörpers im Vergleich zu den Abgabevorrichtungen aus dem Stand der Technik zu eliminieren oder jedenfalls zu reduzieren und die Anfälligkeit der metallischen Komponente gegenüber Korrosion zu verringern (Abs. [0006]). Das Klagepatent sieht es bei den aus dem Stand der Technik bekannten Abgabevorrichtungen als Problem an, dass sich einige Medikamente durch den Kontakt mit bestimmten Materialien, insbesondere Metalloxiden wie Aluminiumoxid oder Magnesiumoxid, autokatalytisch abbauen oder es zu anderen Reaktionen wie zum Beispiel Korrosion kommt (Abs. [0003]). Als Lösung für dieses Problem schlägt das Klagepatent vor, die Grenzfläche der nichtmetallischen Oberfläche im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder -carbid-Einheiten zu bilden (Merkmal 1.3.1) und zudem den Anteil des Sauerstoffs, insbesondere der Oxidverbindungen zu beschränken (Merkmal 1.3.2). Das Klagepatent beschreibt die Metallfluorid- und Metallcarbid-Einheiten als extrem stabil; sie können eine Oberfläche bilden, die viele Arzneimittelformulierungen nicht abbaut und eine Korrosionsinhibierung bereitstellt (Abs. [0007], [0043]). Auch der geringe Sauerstoffanteil sorgt dafür, dass der Abbau des Medikaments minimiert und die Korrosionsbeständigkeit maximiert wird (Abs. [0011]). Dies hat seine Ursache darin, dass Metallfluorid- und -carbid-Verbindungen beständiger sind als Metalloxid-Verbindungen. Letztere sorgen durch Oxidations- und Reduktionsprozesse unter Einbeziehung der Arzneimittelverbindungen für deren autokatalytischem Abbau und/oder zur Korrosion der Oberfläche. Das Klagepatent hat insofern vor allem Abgabevorrichtungen mit einem Dosenkörper aus Aluminium und einer Aluminiumoxid-Oberflächenschicht vor Augen, bei denen diese Probleme auftreten (Abs. [0003]). Dem begegnet das Klagepatent dadurch, dass die Grenzfläche stattdessen im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten besteht und der atomare Sauerstoffanteil auf unter 15 At.-% beschränkt ist.
  57. b)
    Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zweierlei:
  58. Zum einen gehören Oxifluorid- oder Oxicarbid-Verbindungen nicht zu den in Merkmal 1.3.1 genannten Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten. Denn Sauerstoff ist in der Grenzfläche ausweislich Merkmal 1.3.2 grundsätzlich unerwünscht. Es wäre widersprüchlich, wenn gemäß Merkmal 1.3.1 die Grenzfläche im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten bestehen soll, zu denen auch Oxifluorid- und/oder Oxicarbid-Verbindungen gehörten, umgekehrt gemäß Merkmal 1.3.2 der Sauerstoffanteil und damit auch der Anteil an Oxifluorid- und/oder Oxicarbid-Verbindungen möglichst gering sein soll. Die vorgenannten Verbindungen führen zudem aufgrund ihres Sauerstoffanteils zu den am Stand der Technik als nachteilig angesehenen autokatalytischen Prozessen und Korrosionsprozessen, so dass der Fachmann sie nicht zu den in Merkmal 1.3.1 genannten Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten zählt. Es sind die reinen Metallfluorid- bzw. Metallcarbid-Verbindungen, die die vom Klagepatent geforderte extreme Stabilität aufweisen.
  59. Zum anderen wird der Fachmann aus dem Merkmal 1.3 und dem Begriff der metallischen Komponente nicht ableiten, dass die metallische Komponente keine Metalloxide mehr aufweisen darf. Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis gehört ein Metalloxid zwar nicht zu den Metallen. Auch geht das Klagepatent in seiner Beschreibung davon aus, dass die metallische Komponente einer Oberflächenmodifikation unterzogen wird (Abs. [0007], [0042]); insbesondere soll in einem Ausführungsbeispiel infolge der Oberflächenmodifikation der in der Oberfläche vorhandene Sauerstoff durch Fluor ersetzt werden (Abs. [0043]). Allerdings ist der Klagepatentanspruch weder auf das allgemeine fachmännische Verständnis von Begriffen beschränkt noch auf ein bestimmtes Verfahren zur Oberflächenmodifikation. Geschützt ist eine Vorrichtung, deren nichtmetallische Schicht auf dem Metallsubstrat bestimmte Materialeigenschaften haben soll, um autokatalytische Abbauprozesse und Korrosionsprozesse zu verhindern oder jedenfalls zu reduzieren. Dafür mag eine gewisse Dicke der nichtmetallischen Oberfläche notwendig sein. Funktional ist es aber nicht erforderlich, jeglichen Sauerstoff, der in dem Dosenkörper vorhanden ist, zu ersetzen. Insbesondere weiß der Fachmann – so die Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung –, dass die Dosenkörper der Abgabevorrichtung vorzugsweise durch Tiefziehprozesse von Aluminium hergestellt werden, bei denen auf der Oberfläche vorhandenes Aluminiumoxid infolge der Verarbeitung in tiefere Schichten verschoben werden kann. Solange diese Metalloxide aufgrund der aus Metallfluoriden und/oder -carbiden bestehenden nichtmetallischen Oberfläche an Abbau- und Korrosionsprozessen nicht teilnehmen können, ist der in diesen tieferen Schichten vorhandene Sauerstoff unschädlich, so dass entsprechende Metalloxide als Teil der metallischen Komponente angesehen werden können.
  60. Dies ergibt sich auch aus der Beschreibung des Klagepatents. In einem der Ausführungsbeispiele geht es lediglich darum, die auf einem Dosenkörper vorhandene native Aluminiumoxidschicht dahingehend zu modifizieren, dass der Sauerstoff ersetzt und die Oberflächenschicht zu einer Aluminiumfluoridschicht gewandelt wird (vgl. Abs. [0043]). Da erst durch die Oberflächenmodifikation die nichtmetallische Oberfläche im Sinne des Klagepatents entsteht, kann die native Aluminiumoxidschicht ohne weiteres noch als Teil der metallischen Komponente aufgefasst werden. Aus den Ausführungen des Erfinders des Klagepatents in einer im Erteilungsverfahren vorgelegten Beschreibung der Erfindung ergibt sich zudem, dass die native Aluminiumoxidschicht gerade einmal 5-8 nm dick ist (S. 6 der Anlage rop 5a; vgl. auch S. 3 der Anlage rop 5a). Wird diese Schicht zu Aluminiumfluorid modifiziert, ändert dies nichts an der Qualifizierung des gegebenenfalls darunter noch befindlichen, aus Tiefziehprozessen stammenden Aluminiumoxids als Teil der metallischen Komponente.
  61. In diesem Sinne genügt für eine Grenzfläche eine Oberfläche, die im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten besteht, wenn jedenfalls in diesem Teil der Oberfläche der Sauerstoffanteil unter 15 At.-% liegt. Dass diese Grenzfläche dann in eine metallische Komponente mit Metalloxiden übergeht, ist unschädlich, solange die Grenzfläche selbst die geforderten Materialeigenschaften aufweist.
  62. c)
    Weder die nichtmetallische Oberfläche noch die Grenzschicht sind auf eine Dicke von 5 bis 10 nm beschränkt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sauerstoffgehalt der Grenzfläche gemäß Merkmal 1.3.2 mittels XPS zu bestimmen ist und XPS eine Nachweistiefe von gerade einmal 5 bis 10 nm hat.
  63. Die Benennung der Röntgen-Photoelektronenspektroskopie (XPS) als Messmethode hat die Funktion sicherzustellen, dass der tatsächlich vorhandene Sauerstoffanteil nicht größer ist als dies der ermittelte Messwert ausweist. Es geht um die Festlegung einer verlässlichen und vergleichbaren Methode zur Bestimmung einer physikalischen Größe.
  64. Die XPS ist dafür grundsätzlich geeignet. Es ist unstreitig, dass mit ihr die atomare Zusammensetzung der Oberfläche einer Probe quantitativ bestimmt werden kann. Dabei können alle Elemente außer Wasserstoff und Helium nachgewiesen werden. Zudem können durch Hochauflösungsspektren Informationen zu chemischen Bindungszuständen einzelner Elemente gewonnen werden. Die Informationstiefe liegt bei dieser Methode bei etwa 5 bis 10 nm, die Nachweisgrenze liegt bei etwa 0,1 bis 1 At.-% (S. 24 der Anlage K 6 und S. 12 der Anlage rop 3).
  65. Eine Beschränkung der Dicke der nichtmetallischen Oberfläche oder der Grenzfläche geht mit der Benennung von XPS als Methode zur Bestimmung des Sauerstoffanteils in der Grenzfläche nicht einher. Dies lässt sich schon dem Klagepatentanspruch nicht entnehmen. Zudem ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatents, dass die auf der Grenzfläche abgeschiedene zusätzliche Beschichtung eine gewünschte typische Dicke im Bereich von 15 nm bis 200 nm aufweisen kann. Bereits diese Schichtdicke zeigt, dass die Bestimmung des Sauerstoffanteils in der Grenzfläche nicht ohne Entfernen der zusätzlichen Schicht möglich ist, wenn die Bestimmung mittels XPS erfolgen soll. Ein in der Fachwelt anerkanntes und probates Mittel stellt dafür die Erstellung von Tiefenprofilen mittels Sputtern dar. Die Oberflächenschicht wird nach und nach durch Sputtern abgetragen. Nach jedem Abtrag wird eine neue XPS-Messung vorgenommen, um die atomare Zusammensetzung des Materials zu bestimmen. Es ergibt sich ein über mehrere 100 nm tiefes Sputter-Tiefenprofil (vgl. etwa S. 13 der Anlage rop 3).
  66. Ob die Benennung von XPS jegliche andere Messmethode auch dann ausschließt, wenn eine abweichende Methode im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse erwarten lässt (vgl. dazu für den Fall, dass die Messmethode nur in der Beschreibung des Patents genannt wird: BGH Urt. v. 12.03.2019, Az. X ZR 32/17 – Cer-Zirkonium-Mischoxid I), kann dahinstehen. Selbst wenn ein Sputter-Tiefenprofil erstellt wird, erfolgt die Bestimmung der atomaren Zusammensetzung der Schicht in jeder Tiefe mittels XPS. Dass die Bestimmung des Sauerstoffanteils zwingend zerstörungsfrei erfolgen muss, verlangt das Klagepatent nicht. Ebenso ist es unschädlich, dass durch das Sputtern bestimmte Atome und Verbindungen gegebenenfalls stärker entfernt werden als andere. Diese Unschärfe gegenüber der XPS ohne jegliches Sputtern nimmt der Fachmann hin. Sie macht die Erstellung eines Tiefenprofils nicht zu einer gänzlich untauglichen Vorgehensweise. Vielmehr weiß der Fachmann die daraus resultierenden Unsicherheiten einzuordnen, die sich zudem auch bei den Tiefenprofilen anderer Oberflächen ergeben. Insofern geht es nicht um das absolut richtige Maß des tatsächlichen Sauerstoffanteils, sondern um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Im Übrigen geht im Streitfall im Hinblick auf die hier interessierenden Aluminiumfluorid-Verbindungen mit dem Sputtern nicht zwingend eine Zerstörung dieser Verbindungen einher (vgl. S. 1 der Anlage rop 10).
  67. Dass die Erstellung eines Sputter-Tiefenprofils eine gängige Maßnahme ist, die auch das Klagepatent zur Bestimmung des atomaren Sauerstoffanteils nicht ausschließt, ergibt sich auch aus der Stellungnahme des von den Parteien beauftragten Sachverständigen Dr. E von F (Anlage rop 3) und der Stellungnahme des Erfinders des Klagepatents im Erteilungsverfahren zur Erläuterung der Erfindung (Anlage rop 5a). Ihre Stellungnahmen können jedenfalls als sachverständige Äußerungen bei der Auslegung Berücksichtigung finden. Da beide Personen als Fachleute in dem Gebiet der Oberflächenanalyse und Oberflächenbehandlung anzusehen sind, die keine Schwierigkeiten damit hatten, im Rahmen der erfindungsgemäßen Lehre den Sauerstoffanteil mit Hilfe eines Sputter-Tiefenprofils zu bestimmen, wird auch der Fachmann solche Tiefenprofile als probates Mittel zur Bestimmung des Sauerstoffanteils in Schichttiefen ansehen, die mit der gewöhnlichen XPS nicht mehr erreicht werden können.
  68. III.
    Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht. Die Feststellungen, die die Klägerin aufgrund der durchgeführten Messungen getroffen hat, sind von den Beklagten erheblich bestritten worden. Die Klägerin hat weitere Messungen zur Substantiierung ihres Vortrags nicht durchgeführt; es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform eine Grenzfläche mit den Merkmalen 1.3.1 und 1.3.2 aufweist (für die Merkmale 12.3.1 und 12.3.2 gilt Gleiches).
  69. 1.
    Die auf Veranlassung der Klägerin durchgeführten Messungen erfolgten mittels XPS, wobei Tiefenprofile nicht erstellt wurden. Die Klägerin geht davon aus, dass die Messmethode mit einer Eindringtiefe von 5 bis 10 nm für den Fachmann erkennbar geeignet sei, auch bei Vorliegen einer optionalen Beschichtung die nichtmetallische Oberfläche mit ihrer Grenzfläche vollständig bis zu der darunterliegenden metallischen Komponente zu erfassen. Der mit den Messungen beauftragte Sachverständige Dr. E konnte in seinem Prüfbericht vom 5. Dezember 2017 (Anlage K 6) anhand dieser Messmethode feststellen, dass die Oberfläche der Innenseite der Aerosoldosen – was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist – eine ca. 1 nm dicke, stark fluoridhaltige Kohlenstoffverbindung bzw. ein stark fluorhaltiges Polymer aufweist (Seite 6 der Anlage K 6). Zudem konnte die Elementzusammensetzung der obersten 5 bis 10 nm der Probenoberfläche ermittelt werden, die im Mittel zwischen 48,4 und 50,5 At.-% Fluor (F), zwischen 33,6 und 37,9 At.-% Kohlenstoff (C), zwischen 9,0 und 12,1 At.-% Sauerstoff (O), zwischen 2,8 und 5,3 At.-% Aluminium (Al) und zwischen 0,3 und 0,5 At.-% Phosphor (P) enthält. Die Ergebnisse der Auswertung der Übersichtsspektren lässt sich im Einzelnen der nachfolgenden Tabelle entnehmen (Tabelle 2 der Anlage K 6):
  70. Dabei hat der Sachverständige den Kohlenstoffdetailspektren folgende Kohlenstoffzusammensetzungen der obersten 5 bis 10 nm der Probenoberfläche entnommen (Tabelle 3 der Anlage K 6, Seite 8):
  71. Die Aluminiumdetailspektren für die obersten 5 bis 10 nm der Probenoberfläche hat der Sachverständige wie folgt zugeordnet (Tabelle 4 der Anlage K 6, Seite 9):
  72. mit Al1 als elementarem Aluminium und Al2 als fluoridiertem Aluminium.
  73. Der Sachverständige Dr. E kommt aufgrund dieser Messergebnisse zu dem Schluss, dass die Innenseiten der Aerosoldosen der Beklagten eine fluoridierte Aluminiumoberfläche mit einer Schichtdicke von maximal 5 bis 10 nm aufweisen, auf der sich eine ca. 1 nm dicke, stark fluoridhaltige Kohlenstoffverbindung bzw. ein stark fluoridhaltiges Polymer befindet.
  74. Die Klägerin schließt aus den XPS-Analysen des von ihr beauftragten Sachverständigen Dr. E, insbesondere der Tabelle 2 (S. 7 der Anlage K 6), dass der Sauerstoffgehalt in der Oberfläche weniger als 15 At.-% beträgt. Zudem beruft sich die Klägerin auf die Tabelle 4 der XPS-Analysen von Dr. E (S. 9 der Anlage K 6), aus der sie ableitet, dass die Messung tatsächlich die Grenzfläche aus fluoriertem Aluminium sowie einen kleinen Abschnitt des darunter liegenden metallischen Aluminiums erfasse. Unter Verweis auf die Detailspektren (S. 10 bis 18 der Anlage K 6) ist sie der Auffassung, dass die Grenzfläche im Wesentlichen aus Metall-Fluorid bestehe, weil ausschließlich Aluminiumfluorid, aber kein Aluminiumoxid detektiert worden sei.
  75. 2.
    Diese Ausführungen sind im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten nicht geeignet, eine Verwirklichung der Merkmale 1.3.1 und 1.3.2 substantiiert darzulegen.
  76. Zunächst ist festzuhalten, dass die von Dr. E vorgenommene Zuordnung der Kohlenstoff- und Aluminiumdetailspektren zu den verschiedenen Kohlenstoff- und Aluminiumzusammensetzungen letztlich eine Interpretation von Daten darstellt, die auf der Gesamtheit der Daten einschließlich Detailspektren, Übersichtsspektren und Tiefenprofilen, aber auch auf Erfahrungswerten und Literaturdaten basiert (vgl. S. 2 der Anlage rop 10). Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Daten auch anders ausgewertet werden können.
  77. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte behauptet, die Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform werde dahingehend behandelt, dass sie zunächst mit Edelgasen unter Ausschluss von Fluor gereinigt und dann eine Fluorpolymerschicht mittels eines Fluormonomers abgeschieden werde. Wird unterstellt, dass die angegriffene Ausführungsform in dieser Art und Weise hergestellt wird, unterschiede sich das Herstellungsverfahren nicht zwangsläufig von den aus dem Stand der Technik bekannten Herstellungsverfahren. Durch den Reinigungsschritt wird Sauerstoff aus der Oberfläche des Aluminiums entfernt. Bei dem nachfolgenden Beschichtungsvorgang bildet sich auf dem Substrat eine Fluorpolymerschicht, wobei sich an der Grenzfläche unter anderem Oxifluoride herausbilden. Reines Metallfluorid muss nicht notwendigerweise vorhanden sein.
  78. Auch wenn die Klägerin diese Art und Weise der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform mit Nichtwissen bestritten hat, lassen sich die von ihr – der Klägerin – vorgelegten XPS-Analysen von Dr. E auch dahingehend interpretieren, dass die angegriffene Ausführungsform keine Grenzfläche aufweist, die im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten besteht. Eine Verletzung des Klagepatents hat die Klägerin infolgedessen nicht dargelegt.
  79. a)
    Die Beklagte hat ihrerseits eine metallische Komponente einer Abgabevorrichtung von Dr. E untersuchen lassen (vgl. Anlage rop 3), von der sie behauptet, es handele sich um die angegriffene Ausführungsform. Ungeachtet dieser streitigen Tatsache ist die Materialzusammensetzung dieser metallischen Komponente in den ersten 5 bis 10 nm ihrer Oberfläche ausweislich der von Dr. E vorgelegten Daten weitgehend mit der Materialzusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform, wie sie sich aus der von der Klägerin in Auftrag gegebenen Untersuchung ergeben hat, identisch. Allerdings hat Dr. E die Aluminiumverbindungen nicht als Aluminiumfluorid, sondern als Aluminiumoxid interpretiert:
  80. In der für die Beklagte erstellten Analyse, die zusätzlich ein Sputter-Tiefenprofil enthielt, kommt Dr. E dementsprechend zu dem Ergebnis, dass die Aluminiumdetailspektren vom Signal des oxidierten Aluminiums dominiert werden (vgl. S. 3 der Anlage rop 3). Von Aluminiumfluorid ist überhaupt keine Rede.
  81. Damit ist die Interpretation dahin, es handele sich gemäß Tabelle 4 der klägerischen Untersuchung um Aluminiumdetailspektren von elementarem Aluminium und Aluminiumfluorid, durchgreifend in Frage gestellt. Denn die mittels XPS ermittelten Messergebnisse sind insoweit nicht eindeutig. Die Bindungsenergie des Fremdatome enthaltenden Aluminiums bewegt sich im Bereich von 76 eV. Dies zeigt sich hinsichtlich der untersuchten Proben 1 bis 3 anhand der nachfolgenden Aluminiumdetailspektren (Seiten 10, 11 der 12 der Anlage K 6):
  82. Diese Bindungsenergie kann – unter der Annahme, dass die Messergebnisse leicht versetzt sind – dem bekannten Referenzwert für Aluminiumfluorid entsprechen (Moulder et. alii, Handbook of X-Ray Photoelectron Spectroscopie, Auszug Anlage K 13, deutsche Übersetzung Anlage K 13.1). Allerdings ist dieser Rückschluss nicht zwingend, wie die Stellungnahme von Dr. E in seinem Prüfbericht vom 18. September 2018 (Anlage rop 3) zeigt. In diesem Prüfbericht wurde die Bindungsenergie des Fremdatome enthaltenden Aluminiums unter Berücksichtigung der Tiefenprofile ermittelt und ausgewertet. In Kenntnis der in der Tiefe ermittelten Werte für Al, C, O und F konnte Dr. E feststellen, dass die Aluminiumdetailspektren vom Signal des oxidierten Aluminiums dominiert werden (Anlage rop 3 Seite 3), obwohl die Detailspektren ähnliche Bindungsenergien zeigten wie in den von der Klägerin vorgelegten Untersuchungen. Da die Werte für die Aluminiumverbindungen in den Detailspektren sehr dicht beieinander liegen und sich zum Teil überschneiden, hat Dr. E diese anhand aller ihm zur Verfügung stehender Daten interpretiert. Dabei hat er ausweislich seiner Stellungnahme vom 10. Juni 2020 (Anlage rop 10) nach den Untersuchungen der Klägerin aufgrund des hohen Anteils von Fluor und der Signallage von Al2 eine Aluminiumfluoridschicht postuliert. Anhand der durch das Tiefenprofil ergänzten Daten konnte er indes feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform eine Aluminiumoxidschicht umfasst und dass Fluor direkt nach wenigen Nanometern abnimmt (Seite 2 unten der Anlage rop 10).
  83. Dr. E stellt somit fest, dass beide Analysen vergleichbar sind, aber unterschiedlich interpretiert werden können. Allerdings ist aus verschiedenen Gründen davon auszugehen, dass nicht Aluminiumfluorid, sondern Aluminiumoxid detektiert wurde: Die Klägerin hat keine Sputter-Tiefenprofile erstellen lassen. Ihren Untersuchungen fehlen damit weitere Daten, die Dr. E dazu hätten veranlassen können, die Aluminiumdetailspektren dahingehend zu interpretieren, dass sie von Aluminiumoxid dominiert werden. Stattdessen ist zu berücksichtigen, dass die Informationstiefe des XPS-Verfahrens ohne Sputtern bei 5 bis 10 nm liegt und somit eine Vermischung der Signale zu erwarten ist, wenn eine wenige Nanometer dicke Aluminiumfluoridlage auf Aluminiumoxid vorhanden sein sollte. Jedenfalls – so Dr. E – reichten die Daten aus der von der Klägerin beauftragten Untersuchung nicht aus, um eine reine Aluminiumfluoridschicht ohne Anwesenheit einer Aluminiumoxidschicht zu bestätigen (s. 3 der Anlage rop 10).
  84. b)
    Die Ausführungen von Dr. E lassen weiterhin nicht erkennen, dass er auch die mögliche Anwesenheit von metallischen Oxifluoriden in der untersuchten Schicht in Erwägung gezogen hat. Nach den Ausführungen des Erfinders in seiner Eingabe im Erteilungsverfahren wird bei den aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren keine reine Fluoridbildung erzielt, sondern lediglich eine Fluorierung in Form von Oxifluorverbindungen. Erst bei höheren Behandlungsenergien bildeten sich die nach der Lehre des Klagepatents erforderlichen Metallfluorideinheiten (S. 2 der Anlage rop 5a). Demnach ist – den Vortrag der Beklagten zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsform als zutreffend unterstellt – auch nicht ausgeschlossen, dass die angegriffene Ausführungsform statt einer Grenzfläche aus Metallfluorid- oder Metalloxid-Einheiten im Wesentlichen Oxifluorid-Verbindungen aufweist. Die Bindungsenergie für diese Verbindungen hat der Erfinder in seiner Eingabe mit Werten von 75 bis 75,8 eV angegeben, also etwa 2,4 bis 2,9 eV oberhalb der Bindungsenergie von Aluminiumoxid und etwa 1,9 eV unterhalb der von Aluminiumfluorid (vgl. S. 4 der Anlage rop 5a). Insofern ist mit Blick auf die Aluminiumdetailspektren der von der Klägerin vorgelegten XPS-Analysen (S. 10 ff. der Anlage K 6) auch nicht ausgeschlossen, dass die Peaks für Oxifluorid-Verbindungen des Aluminiums in der Grenzfläche stehen. Auch dies steht der Annahme einer im Wesentlichen aus Aluminiumfluorid-Einheiten bestehenden Grenzfläche im Sinne von Merkmal 1.3.1 entgegen.
  85. c)
    Es ist auch zu berücksichtigen, dass auf dem Metallsubstrat der angegriffenen Ausführungsform unstreitig eine etwa 1 nm dicke Fluorpolymerschicht abgeschieden ist. Die XPS-Messungen betreffen allein die ersten 5 bis 10 nm der Oberfläche einschließlich der darauf abgeschiedenen Fluorpolymerschicht. Nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin ist es nicht möglich, die Röntgenstrahlung auf die Grenzfläche zu beschränken, wenn sich über dieser Grenzfläche – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – eine weitere Beschichtung befindet. In diesem Fall erfolgt eine Bestimmung des Sauerstoffgehalts bezogen auf die gesamte nichtmetallische Oberfläche in einem Bereich von 5 bis 10 nm. Daher wird auch die Schlussfolgerung der Klägerin, die Grenzfläche und die darüber liegende Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform beständen hauptsächlich aus den Elementen Fluor und Kohlenstoff, nicht durch die von ihr vorgelegten Messergebnisse bestätigt. Vielmehr erfolgt eine Bestimmung des Sauerstoffgehalts bezogen auf die gesamte nichtmetallische Oberfläche in einem Bereich von 5 bis 10 nm.
  86. Wird weiterhin angenommen, dass die zusätzliche Beschichtung durch das Abscheiden eines Fluormonomers wie CF4 oder C2F6 hervorgegangen ist, kann das in den XPS-Analysen detektierte Fluor in erster Linie dieser zusätzlichen Beschichtung zugeordnet werden, nicht aber einer vermeintlich darunter liegenden Grenzfläche aus Aluminiumfluorid. Darauf hat auch die Beklagte unter Verweis auf die Tabelle 3 in den klägerischen Untersuchungsergebnissen (S. 8 der Anlage K 6) hingewiesen: Fast die Hälfte der Kohlenstoffverbindungen entfällt demnach auf CF2. Mit Blick auf die Tabelle 2 und die atomaren Anteile der einzelnen Elemente – insbesondere C und F – wird deutlich, dass über die Hälfte des Fluor-Anteils in der zusätzlichen Schicht im Fluorpolymer gebunden ist. Dass sich darunter noch eine Grenzfläche, die im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten besteht, befindet, kann vor dem Hintergrund nicht angenommen werden.
  87. Umgekehrt kann die Klägerin auch nicht erklären, warum in der zusätzlichen Beschichtung Sauerstoff enthalten sein sollte; dieser ist vielmehr dem unter dieser Schicht befindlichen Material zuzuordnen. Ob es sich dabei um reines Aluminiumoxid handelt oder auch nur um Aluminiumoxifluoride, kann dahinstehen. Denn auch letzteres kann nicht als Metallfluorid im Sinne des Klagepatents angesehen werden.
  88. Die von der Klägerin in Auftrag gegebenen XPS-Analysen lassen daher – auch im Vergleich mit den von der Beklagten beauftragten Untersuchungen – durchaus die Annahme zu, dass die angegriffene Ausführungsform lediglich – wie von der Beklagten behauptet – einem Reinigungsprozess unterworfen wurde und auf der so behandelten Oberfläche lediglich ein Fluormonomer ohne die Bildung von Metallfluorid-Einheiten abgeschieden wurde. Eine Grenzfläche, die im Wesentlichen aus Metallfluorid- und/oder Metallcarbid-Einheiten besteht, wird so nicht ausgebildet.
  89. d)
    Schließlich möchte die Klägerin daraus, dass in den von ihr beauftragten XPS-Analysen metallisches Aluminium zu erkennen sei, schlussfolgern, dass sich die Messungen (auch) auf die Grenzfläche beziehen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich unmittelbar unterhalb der vermessenen Oberflächenschicht von bis zu 10 nm unmittelbar elementares Aluminium anschließe, das teilweise bei der Messung detektiert worden sei. Allein aus dem Vorliegen von Aluminium in atomarer Form kann allerdings nicht geschlossen werden, dass hierdurch die unter der Grenzschicht liegende metallische Komponente „mitdetektiert“ wurde. Insbesondere schließt diese Feststellung nicht aus, dass die angegriffene Ausführungsform – wie die Beklagten darlegen – aus einer metallischen Komponente besteht, auf deren Oberfläche nach einem Reinigungsprozess ein Fluorpolymer als Deckschicht aufgetragen wurde und eine erfindungsgemäße Grenzfläche nicht vorhanden ist. Das elementare Aluminium kann auch aus dem Reinigungsprozess resultieren, bei dem Sauerstoff aus der nativen Aluminiumoxid-Schicht entfernt wird. Werden weiterhin die von der Beklagten vorgelegten Ergebnisse der XPS-Analyse herangezogen, wird sogar deutlich, dass sich unterhalb der im Auftrag der Klägerin vermessenen Schicht durchaus große Mengen an Aluminiumoxid befinden können. Fasst man sogar – abweichend von der Auslegung der Kammer – Aluminiumoxid nicht als Teil der metallischen Komponente auf, fehlt es ohnehin an einer Grenzfläche, weil die Klägerin nicht gezeigt hat, dass die von ihr vermeintlich identifizierte Grenzfläche an die metallische Komponente grenzt. Nach der von der Beklagten beauftragten XPS-Analyse einschließlich der Sputter-Tiefenprofile kann sich auch eine Aluminiumoxid-Schicht anschließen.
  90. IV.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  91. V.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
  92. Streitwert: 500.000 Euro

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