4c O 52/20 – Verpackungsvorrichtung für Einwegartikel

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3119

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 17. Juni 2021, Az. 4c O 52/20

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
    II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
    III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin verfolgt aus Patentrecht gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach.
    Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents EP 2 045 XXX B1 (Anlage KB 2; im Folgenden: Klagepatent). Es wurde am 05.10.2007 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 08.04.2009 im Patentblatt offengelegt und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 26.06.2019. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Verpackung von Einwegartikeln in einem Folienschlauch.
  4. Anspruch 1 des Klagepatents lautet in englischer Verfahrenssprache:
  5. „An apparatus (10) for packing at least one disposable object into an elongated tube (32) of flexible material, comprising: a bin (12) defining an enclosure (18) with an opening (22) defined at a top (14) thereof for receiving at least one disposable object to be packed; a holder (26) within the bin (12) proximate the opening (22) ; a closing mechanism (50) located below the holder (26) comprising first and second portions (52′, 58), the second portion (58) being biased in a closed position against the fixed first portion (52′) and defining a receiving surface (56, 62) for receiving the at least one disposable object, the second portion (58) being slidable from the closed position to an open position through application of a substantially vertical force against the receiving surface (56, 62) and being slidable from the open position to the closed position under the action of biasing means (67, 66A), the closing mechanism (50) in the open position defining a passage between the opening (22) of the bin (12) and a bottom portion of the enclosure (18) located below the closing mechanism (50), the closing mechanism (50) in the closed position closing the said passage; and a cassette (30) supported by the holder (26) in the opening (22) of the bin (12) and having an annular receptacle (38) to accommodate a length of tubing (32) in an accumulated condition, the annular receptacle (38) having an upper annular opening for dispensing the tubing (32) such that the tubing (32) extends through a central opening (34) of the annular receptacle (38) and with a knotted end (40) thereof into the enclosure (18) of the bin (12) to receive disposable objects, whereby the closing mechanism (50) closes the tubing (32), characterized in that the annular receptacle (38) has a clearance (41) in the shape of a chamfer in a bottom portion of the central opening (34) for a proper orientation of the cassette (30), so that the tubing (32) is deployed from the top of the cassette (30) in order to cover the side walls of the cassette (30) in the opening (34), and in that the fixed first portion (52′) comprises an upper end (54′) extending upwardly in the opening (22) of the bin (12) and into the central opening (34) of the cassette (30) when the cassette (30) is positioned in the holder (26).“
  6. Die deutsche Übersetzung des Anspruchs 1 hat nachfolgenden Wortlaut:
  7. „Vorrichtung (10) zum Verpacken von mindestens einem Einwegartikel in eine langgestreckte Hülse (32) aus flexiblem Material, umfassend: einen Behälter (12), der eine Hülle (18) mit einer auf einem Oberteil (14) darauf definierten Öffnung (22) zum Aufnehmen von mindestens einem zu verpackenden Einwegartikel definiert; eine Halterung (26) innerhalb des Behälters (12) nächstliegend zur Öffnung (22); einen Schließmechanismus (50), der sich unter der Halterung (26) befindet, umfassend einen ersten und einen zweiten Abschnitt (52′, 58), wobei der zweite Abschnitt (58) in einer geschlossenen Position gegen den fixen ersten Abschnitt (52′) vorgespannt ist und eine Aufnahmeoberfläche (56, 62) zum Aufnehmen des mindestens einen Einwegartikels definiert, wobei der zweite Abschnitt (58) durch Anwendung von einer im Wesentlichen vertikalen Kraft gegen die Aufnahmeoberfläche (56, 62) von der geschlossenen Position in eine offene Position verschiebbar ist und unter der Wirkung der Vorspannmittel (67, 66A) von der offenen Position in die geschlossene Position verschiebbar ist, wobei der Schließmechanismus (50) in der offenen Position einen Durchgang zwischen der Öffnung (22) des Behälters (12) und einem unteren Abschnitt der Hülle (18) definiert, der sich unter dem Schließmechanismus (50) befindet, wobei der Schließmechanismus (50) in der geschlossenen Position den Durchgang verschließt; und eine Kassette (30), die von der Halterung (26) in der Öffnung (22) des Behälters (12) gestützt ist und eine ringförmige Aufnahme (38) aufweist, um eine Länge einer Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand zu fassen, wobei die ringförmige Aufnahme (38) eine obere ringförmige Öffnung zum Abgeben der Verhülsung (32) aufweist, sodass sich die Verhülsung (32) durch eine zentrale Öffnung (34) der ringförmigen Aufnahme (38) und mit einem verknoteten Ende (40) davon in die Hülle (18) des Behälters (12) erstreckt, um Einwegartikel aufzunehmen, wobei der Schließmechanismus (50) die Verhülsung (32) verschließt, dadurch gekennzeichnet, dass die ringförmige Aufnahme (38) einen Freiraum (41) in der Form einer Abfasung im unteren Abschnitt der zentralen Öffnung (34) für eine passende Ausrichtung der Kassette (30) aufweist, so dass die Verhülsung (32) vom Oberteil der Kassette (30) entfaltet wird, um die Seitenwände der Kassette (30) in der Öffnung (34) abzudecken, und dass der fixe erste Abschnitt (52′) ein oberes Ende (54′) umfasst, das sich aufwärts in die Öffnung (22) des Behälters (12) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt, wenn der Kassette (30) in die Halterung (26) eingesetzt ist.“
  8. Nachfolgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen und veranschaulichen die erfindungsgemäße Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Die Figur 1 ist eine Querschnittsansicht der Vorrichtung entsprechend einer Hintergrundvorrichtung, die hilfreich ist für das Verständnis der Erfindung (nicht beansprucht). Bei der Figur 2a handelt es sich um eine Unteransicht einer Kassette zur Verwendung mit der Vorrichtung aus Figur 1; in Ergänzung dazu zeigt die Figur 2b eine Draufsicht der Kassette aus 2a.
  9. Die Abbildungen 3A bis 3C zeigen ferner jeweils eine Querschnittsansicht der Vorrichtung, ohne Verhülsung, mit einem Schließmechanismus in geschlossener, in Richtung einer geöffneten Position verschobenen sowie in vollständig geöffneter Position.
  10. Das Unternehmen der Klägerin ist in Barbados ansässig und gehört zur internationalen A-Firmengruppe. Über die Unternehmen B GmbH & Co. KG und C GmbH & Co. KG, beide in D ansässig, vertreibt sie ihre Produkte, insbesondere Windeleimer und Katzenstreueimer unter den Bezeichnungen A bzw. E.
  11. Die Beklagte zu 1) ist ein italienisches Unternehmen, das auf den Vertrieb von Nachfüllkassetten und Folien für Windeleimer spezialisiert ist. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) betreibt unter der Domain www.F.com eine Website, in deren Datenschutzbestimmungen der Beklagte zu 2) als Inhaber angeführt wird (Anlage KB 3). Auch für Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland bieten die Beklagten auf der Homepage Nachfüllkassetten unter der Produktbezeichnung „F“ an. Ein Produkt ist dabei oktogonal (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform) ausgestaltet. Die angegriffene Ausführungsform wird in Verpackungen zu 4 oder 8 Stück angeboten. Die angegriffene Ausführungsform wird zusammen mit einem Windeleimer zur Entsorgung von Windeln verwendet; sie kann insbesondere mit „A“-Windeleimern wie dem A Classic XL der Klägerin benutzt werden. Entsprechend bewerben die Beklagten die angegriffene Ausführungsform auf der Internetplattform www.G.de mit dem Zusatz, dass sie passend für Windeleimer mit der Bezeichnung A Classic XL wären (Anlage KB 5). Außerdem findet sich schon auf ihrer eigenen Website unter der Überschrift „Produktbeschreibung“ eine Ausführung, wonach Windeleimer eine besonders trendige und effiziente Hilfe in jedem Babyhaushalt seien (Anlage KB 3; Hervorhebung diesseits).
  12. Zwischen den Parteien ist unter dem Az. 4c O 35/20 ein Parallelverfahren vor der Kammer anhängig, welches das EP 2 818 XXX B1 zum Gegenstand hat.
  13. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten das Klagepatent mittelbar verletzen würden. Der unstreitig auch in Deutschland erhältliche Windeleimer A XL der Klägerin verfüge über einen Schließmechanismus, der verschiebbar im Sinne des Klagepatents sei. Denn dieses erfordere keine Bewegung auf einer bestimmten Achse. Entscheidend sei technisch-funktional für die Lehre des Klagepatents, dass der Schließmechanismus durch Einwirken (Drücken) auf die Aufnahmeoberfläche von einer geschlossenen in eine geöffnete Position gebracht und so der zu entsorgende Einwegartikel in den Behälter befördert werden könne. Die angegriffene Ausführungsform weise eine ringförmige Aufnahme auf, innerhalb derer die langgestreckte Verhülsung aufbewahrt wird. Die erfindungsgemäße Lehre verlange keine kreisrunde Form, sondern lasse jede geschlossene Form für die ringförmige Aufnahme ausreichen. Dieses Verständnis leite sich insbesondere daraus ab, dass das Klagepatent erst im Zusammenhang mit der zentralen Öffnung gezielt eine kreisrunde Form beschreibt. Ringförmig sei weiter zu verstehen. Die angegriffenen Ausführungsformen hätten ferner in Gestalt einer schrägen Kante, die den Abschluss der Kassetten nach unten bilde, einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung. Das Klagepatent wolle auf diese Weise eine Aussparung bereitstellen, sodass sich das obere Element des Schließmechanismus der Einrichtung in die Öffnung erstrecken könne. Das Klagepatent verlange für einen abgefasten Freiraum, dass eine Fläche, weggehend von der zentralen Öffnung und hin zum unteren Bereich schräg nach außen gestaltet ist. Auf diese Weise solle hinreichend Raum für das obere Ende des Schließmechanismus bereitgestellt werden, damit sich dieser nach oben in die Öffnung erstrecken könne. Das Vorhandensein eines abgefasten Freiraums ergebe sich für die angegriffene Ausführungsform auch daraus, dass sie konstruktiv genau wie die Figuren 2A, 2B und 4 des Klagepatents ausgestaltet sei, mithin in der Innenwand im unteren Bereich einen anderen Winkel aufweise. Durch ihre Ausformung sei die Ausführungsform in der Lage, mit dem Behälter zusammenzuwirken; ihre achteckige Ausgestaltung stehe dem nicht entgegen.
  14. Die Klägerin beantragt,

    I. die Beklagten zu verurteilen,

    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) am gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,

  15. eine Kassette, die eine ringförmige Aufnahme aufweist, um eine Länge einer Verhülsung in einem akkumulierten Zustand zu fassen, wobei die ringförmige Aufnahme eine obere ringförmige Öffnung zum Abgeben der Verhülsung aufweist, sodass sich die Verhülsung durch eine zentrale Öffnung der ringförmigen Aufnahme erstreckt und die Verhülsung vom Oberteil der Kassette entfaltet wird, um die Seitenwände der Kassette in der Öffnung abzudecken und wobei die ringförmige Aufnahme einen Freiraum in der Form einer Abfasung im unteren Abschnitt der zentralen Öffnung für eine passende Ausrichtung der Kassette aufweist,
  16. welche geeignet ist für eine Vorrichtung zum Verpacken von mindestens einem Einwegartikel in eine langgestreckte Hülse aus flexiblem Material, umfassend:
  17. einen Behälter, der eine Hülle mit einer auf einem Oberteil darauf definierten Öffnung zum Aufnehmen von mindestens einem zu verpackenden Einwegartikel definiert, wobei sich die Verhülsung mit einem verknoteten Ende in die Hülle des Behälters erstreckt, um Einwegartikel aufzunehmen; eine Halterung innerhalb des Behälters nächstliegend zur Öffnung, die die Kassette in der Öffnung des Behälters stützt, einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet, umfassend einen ersten und einen zweiten Abschnitt, wobei der zweite Abschnitt in einer geschlossenen Position gegen den fixen ersten Abschnitt vorgespannt ist und eine Aufnahmeoberfläche zum Aufnehmen des mindestens einen Einwegartikels definiert, wobei der zweite Abschnitt durch Anwendung von einer im Wesentlichen vertikalen Kraft gegen die Aufnahmeoberfläche von der geschlossenen Position in eine offene Position verschiebbar ist und unter der Wirkung der Vorspannmittel von der offenen Position in die geschlossene Position verschiebbar ist, wobei der Schließmechanismus in der offenen Position einen Durchgang zwischen der Öffnung des Behälters und einem unteren Abschnitt der Hülle definiert, der sich unter dem Schließmechanismus befindet, wobei der Schließmechanismus in der geschlossenen Position den Durchgang verschließt und der Schließmechanismus die Verhülsung verschließt, und wobei der fixe erste Abschnitt ein oberes Ende umfasst, das sich aufwärts in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in die Halterung eingesetzt ist,
  18. Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
  19. es sei denn, die ringförmige Aufnahme der Kassette misst im Außendurchmesser mindestens 19 cm oder im Innendurchmesser im Bereich des Freiraums in der Form einer Abfasung im unteren Abschnitt der zentralen Öffnung maximal 11 cm;
  20. 2. darüber Auskunft zu erteilen in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 26. Juni 2019 begangen haben, und zwar unter Angabe
    a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Kassetten bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Kassetten sowie der Preise, die für die betreffenden Kassetten bezahlt wurden;
    – zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  21. 3. darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 26. Juli 2019 begangen haben, und zwar unter Angabe:
    a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  22. II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit seit dem 26.07.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  23. Die Beklagten beantragen,
  24. die Klage abzuweisen.
  25. Sie sind der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents mache. Diese haben keine ringförmige Aufnahme. Denn ringförmig könne nicht anders als kreisförmig verstanden werden. So zeigten auch die Figuren des Klagepatents durchgehend kreisförmige Kassetten. Ebenso hätte es in der Stammanmeldung „kreisförmige zentrale Öffnung“ geheißen. Sofern im Zusammenhang mit der zentralen Öffnung von kreisförmig gesprochen werde, der Behälter aber nicht auf kreisförmige Öffnungen beschränkt sei, könne daraus für das Verständnis der ringförmigen Aufnahme deshalb nichts hergeleitet werden, da es ein anderes Vorrichtungselement sei. Für den abgefasten Freiraum an der Kassette sei nach der erfindungsgemäßen Lehre ein konkretes Zusammenwirken mit einem Behälter verlangt; darin liege das wesentliche Element der Erfindung, um eine passende Ausrichtung der Kassette im Verhältnis zum oberen Ende des fixen Abschnitts des Schließmechanismus zu erhalten. Denn lediglich abgefaste Unterseiten seien im Stand der Technik hinlänglich bekannt gewesen. Das Entscheidende sei mithin, dass ein Zusammenwirken gerade mit einem Teil des Behälters, nämlich dessen Schließmechanismus, herbeigeführt werden solle. Daran fehle es der angegriffenen Ausführungsform, weil es im Behälter der Klägerin die Ausgestaltung der Halterung sei, die für die korrekte Ausrichtung der Kassette sorge. Im Hinblick auf den Behälter der Klägerin fehle es zudem an einem Schließmechanismus, der von der geschlossenen in die geöffnete Position verschiebbar ist. Während ein Verschieben eine Lageveränderung entlang einer Achse meine, handele es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Verdrehen, mithin eine Bewegung um eine Achse. Dieses Verständnis der Verschiebbarkeit ergebe sich auch als Abgrenzung zur PCT-Anmeldung (WO 2013/132XXX A1) der Klägerin, worin diese gerade die Verschwenkbarkeit des Verschlusselements unter Schutz stellen wolle, wie sie in den Produkten der Klägerin zum Einsatz komme.
  26. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
  27. Entscheidungsgründe
  28. A.
    Die zulässige Klage ist unbegründet.
  29. I.
    Das Klagepatent betrifft eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung und zur Verwendung mit einer Einrichtung zur Verpackung von Einwegmaterial in einen Schlauch aus flexibler Kunststofffolie (vgl. Abs. [0001]). Durch eine solche Verpackung von Abfällen, wie z.B. Wegwerfwindeln, soll eine hygienische Lagerung des Abfalls ermöglicht werden, die zudem weitgehend geruchlos bis zur endgültigen Entsorgung ist.
  30. Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagepatent in Abs. [0002] erläutert, schon ähnliche Vorrichtungen bekannt, die einen Behälter mit einem offenen/zu öffnenden Oberteil, in das der zu entsorgende Abfall eingelegt wird, und einem Unterteil, in dem der Abfall gelagert wird, aufweisen. Das Oberteil sah zudem eine ringförmige Kassette mit einem Schlauch aus zusammengefalteter flexibler Kunststofffolie vor, der an einem Ende verknotet ist und in welchen das Abfallprodukt eingeführt und temporär aufbewahrt werden kann. Die vorbekannten Vorrichtungen sahen ferner einen Schließmechanismus vor, um den Schlauch, in welchen der Abfall eingebracht wurde und der sodann durch die Öffnung der Kassette in Richtung des Unterteils des Behälters geschoben wurde, unterhalb der Kassette zu verschließen und zu verhindern, dass unangenehme Gerüche aus dem Schlauch austreten (Abs. [0003]).
  31. Das Klagepatent führt in Abs. [0004] das kanadische Patent Nr. 1,298,191 insoweit an, um einen vorbekannten Verschließmechanismus zu beschreiben; dort war er als drehbarer Kern ausgestaltet. Mithilfe einer Kappe über einen Zylinder konnte eine Drehbewegung ausgeführt werden, um den Schlauch in regelmäßigen Abständen in fortlaufende Beutel zu formen, die während der Aufbewahrung versiegelt bleiben. Als weitere vorbekannte Vorrichtungen würdigt das Klagepatent in den Abs. [0005] und [0006] die kanadischen Druckschriften Nr. 2,383,XXX und 2,441,XXX. Auch diese wiesen eine Kassette mit einem Schlauch auf und eine Quetschvorrichtung innerhalb des Behälters, welche den den zu entsorgenden Artikel enthaltenden Schlauch zusammendrückt und zur Verwahrung in das Unterteil des Behälters befördert.
  32. Hieran kritisiert das Klagepatent in Abs. [0007] als nachteilig, dass die vorbekannten Vorrichtungen aus vielen Teilen bestehen und anfällig für Bruchschäden sind. Sie sind nicht benutzerfreundlich und in der Erstbenutzung schwer verständlich. Hinzukamen hohe Herstellungskosten sowie hohe Nutzungskosten, weil übermäßig viel Folie aus den Kassetten gezogen wurde. Weiterhin als nachteilig beschreibt das Klagepatent, dass die Kassetten nicht immer richtig ausgerichtet waren und die Kassettenwände verschmutzt wurden.
  33. Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung bereitzustellen (Abs. [0008]). Insbesondere sollte die Kassette einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung der ringförmigen Aufnahme haben, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung aufnimmt (vgl. Abs. [0009]).
  34. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent deshalb eine Vorrichtung mit den nachfolgenden Merkmalen vor:
  35. 1. Vorrichtung (10) zum Verpacken von mindestens einem Einwegartikel in eine langgestreckte Hülse (32) aus flexiblem Material, umfassend:
    2. einen Behälter (12), der eine Hülle (18) mit einer auf einem Oberteil (14) darauf definierten Öffnung (22) zum Aufnehmen von mindestens einem zu verpackenden Einwegartikel definiert;
    3. eine Halterung (26) innerhalb des Behälters (12) nächstliegend zur Öffnung (22);
    4. einen Schließmechanismus (50), der sich unter der Halterung (26) befindet, umfassend
    4.1 einen ersten Abschnitt (52‘)
    4.2 einen zweiten Abschnitt (52′, 58),
    4.2.1 wobei der zweite Abschnitt (58) in einer geschlossenen Position gegen den fixen ersten Abschnitt (52′) vorgespannt ist und
    4.2.2 eine Aufnahmeoberfläche (56, 62) zum Aufnehmen des mindestens einen Einwegartikels definiert,
    4.2.3 wobei der zweite Abschnitt (58) durch Anwendung von einer im Wesentlichen vertikalen Kraft gegen die Aufnahmeoberfläche (56, 62) von der geschlossenen Position in eine offene Position verschiebbar ist und
    4.2.4 unter der Wirkung der Vorspannmittel (67, 66A) von der offenen Position in die geschlossene Position verschiebbar ist,
    4.3 wobei der Schließmechanismus (50) in der offenen Position einen Durchgang zwischen der Öffnung (22) des Behälters (12) und einem unteren Abschnitt der Hülle (18) definiert,
    4.3.1 der sich unter dem Schließmechanismus (50) befindet,
    4.3.2 wobei der Schließmechanismus (50) in der geschlossenen Position den Durchgang verschließt;
    4.4 wobei der Schließmechanismus (50) die Verhülsung (32) verschließt
    5. eine Kassette (30),
    5.1 die von der Halterung (26) in der Öffnung (22) des Behälters (12) gestützt ist und
    5.2 eine ringförmige Aufnahme (38) aufweist,
    5.2.1 um eine Länge einer Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand zu fassen,
    5.2.2 die ringförmige Aufnahme (38) eine obere ringförmige Öffnung zum Abgeben der Verhülsung (32) aufweist,
    5.2.3 sodass sich die Verhülsung (32) durch eine zentrale Öffnung (34) der ringförmigen Aufnahme (38) und mit einem verknoteten Ende (40) davon in die Hülle (18) des Behälters (12) erstreckt, um Einwegartikel aufzunehmen,
    5.2.4 die ringförmige Aufnahme (38) einen Freiraum (41) in der Form einer Abfasung im unteren Abschnitt der zentralen Öffnung (34) für eine passende Ausrichtung der Kassette (30) aufweist,
    5.2.4.1 so dass die Verhülsung (32) vom Oberteil der Kassette (30) entfaltet wird, um die Seitenwände der Kassette (30) in der Öffnung (34) abzudecken, und dass
    5.2.4.2 der fixe erste Abschnitt (52′) ein oberes Ende (54′) umfasst, das sich aufwärts in die Öffnung (22) des Behälters (12) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt, wenn der Kassette (30) in die Halterung (26) eingesetzt ist.
  36. II.
    Zwischen den Parteien stehen zu Recht nur das Verständnis der Merkmale 4.2.3, 5.2 sowie 5.2.4 in Streit, wobei die Kammer bereits die Verwirklichung des Merkmals 4.2.3 nicht festzustellen vermag. Ausführungen der Kammer zu den weiteren Merkmalen sind daher entbehrlich.
  37. 1.
    Das Klagepatent sieht in den Merkmalen 4.2.3 und 4.2.4 vor, dass der zweite Abschnitt [des Schließmechanismus] durch Anwendung von einer im Wesentlichen vertikalen Kraft gegen die Aufnahmeoberfläche von einer geschlossenen Position in eine offene Position bzw. von der offenen Position in die geschlossene Position verschiebbar ist.
  38. Das Klagepatent versteht unter dem verschiebbaren zweiten Abschnitt, dass dieser in unterschiedliche Positionen verbracht werden kann, indem er entlang einer vorgegebenen Achse linear bewegt wird. Nicht entscheidend ist, dass diese Bewegung bei einer rein äußerlichen Betrachtung der Vorrichtung auch als eine Verschiebung zu erkennen ist, solange eine lineare Bewegung des zweiten Abschnitts, ggf. vermittelt über dessen innenliegende Bestandteile, vorhanden ist.
  39. Rein-philologisch meint „schieben“, dass ein Gegenstand durch Druckausübung von einer Stelle bewegt wird. „Verschiebbar“ bezeichnet deshalb einen Gegenstand, der geeignet ist, auf diese Weise fortbewegt zu werden. Entsprechendes besagt der Begriff „slidable“ in der englischen Verfahrenssprache. Schon begrifflich folgt aus der Umschreibung, dass Druck ausgeübt werden soll, ein Hinweis auf eine angestrebte lineare Bewegungsrichtung, weil Kräften in der Physik – in der Regel durch Vektoren dargestellt – eine lineare Wirkungsrichtung immanent ist. Selbst wenn dem allgemeinen Sprachverständnis des Schiebens auch eine weitergehende Bedeutung zugemessen werden könnte, hat diese jedenfalls keinen Eingang in das Klagepatent gefunden.
  40. Das Klagepatent bekräftigt nämlich vielmehr das erläuterte Verständnis in seinen Beschreibungsstellen, in denen hinsichtlich des zweiten Abschnitts vom Schließmechanismus ausschließlich von einem Verschieben gesprochen wird. Das Klagepatent lässt in Abs. [0019] ff. zwar zunächst erkennen, dass synonym zu dem zweiten Abschnitt auch der Ausdruck „beweglicher Abschnitt“ verwendet werden kann. „Beweglich“ erläutert grundsätzlich, dass es sich um ein Vorrichtungselement handelt, das seine Position verändern kann; eine bestimmte Vorgabe dazu, wie dies zu bewerkstelligen ist, macht das Adjektiv nicht und würde daher auch andere als lineare Verfahrweisen erfassen. Allerdings konkretisiert das Klagepatent diese Beweglichkeit ausschließlich durch eine bestimmte Art des Bewegens, nämlich Verschieben.
  41. Nachdem das Klagepatent ab Abs. [0018] in allgemeiner Weise mit Erläuterungen zu dem Schließmechanismus der Vorrichtung beginnt, wird ab Abs. [0020] auch unter Verweis auf die Abb. 1 gezielt der bewegliche Abschnitt thematisiert. Diese folgenden Beschreibungsstellen können unbeschadet dessen zur Auslegung des Klagepatents herangezogen werden, dass in Abs. [0011] zur Abb. 1 ausgeführt ist, dass „es eine Querschnittansicht der Vorrichtung entsprechend einer Hintergrundvorrichtung ist, die hilfreich für das Verständnis der Erfindung ist (nicht beansprucht)“. Denn zum einen besagt das Klagepatent selbst, dass diese Darstellung jedenfalls eine hilfreiche Orientierung für die Erfindung insgesamt darstellt und hierzu Berücksichtigung finden können muss. Zum anderen beziehen sich die Absätze [0018] auch auf die Figuren 3A bis 3C, die im Grundsatz eine zumindest der Figur 1 sehr ähnliche Darstellung zeigen und (trotzdem) unstreitig Gegenstand des Anspruchs sind.
  42. So heißt es in Abs. [0021]:
  43. „Der bewegliche Abschnitt 58 wird verschiebbar von einem Paar voneinander getrennten, im allgemeinen vertikalen Wänden 64 […] getragen, die sich von der Halterung 26 nach unten erstrecken, wobei die Öffnung 22 dazwischen ausgerichtet ist. Jede der Wände 64 hat einen schrägen Schlitz 66. Im gezeigten Beispiel sind die Schlitze 66 in einem Winkel von etwa 40 Grad zur Horizontalen angeordnet, wobei auch alle anderen Arbeitswinkel geeignet sind.“
  44. Hierin erläutert das Klagepatent einen bevorzugten konstruktiven Aufbau des zweiten Abschnitts näher und erklärt, wie er in verschiedene Positionen verbracht werden kann. Der folgende Abs. [0022] formuliert weiter:
  45. „Der bewegliche Abschnitt 58 beinhaltet ausgerichtete verschiebbare Elemente 66A, die sich von dort herausschieben und in die Schlitze 66 hineinschieben, so dass der bewegliche Abschnitt 58 entlang einer durch die Schlitze 66 definierten Winkelrichtung und damit entlang der Richtung A verschiebbar ist.“
  46. Die Bewegung des zweiten Abschnitts wird durch die Elemente 66A gesteuert; diese sind es, die linear verlaufen und dadurch die Öffnung/Schließung des zweiten Abschnitts bewirken. Weil sich die Elemente in die Schlitze erstrecken, haben sie keinen anderen Bewegungsspielraum als sich entlang der Längsachse der Schlitze zu bewegen. Dies geht aus dem zuvor genannten Beschreibungsabsatz ausdrücklich hervor und es wird ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Winkelrichtung der Schlitze und einer dadurch vorbestimmten Bewegungsrichtung für die Elemente hergestellt. Diese an den Schlitzen orientierte Bewegung bezeichnet das Klagepatent ausdrücklich als Verschieben. Da weder die Schlitze, noch die in sie hineinragenden Elemente vom Klagepatentanspruch 1 unter Schutz gestellt sind, können sie hier zwar nur als eine mögliche Gestaltungsvariante dienen, die einen Verschiebemechanismus lehrt. Denkbar ist daher, dass für eine erfindungsgemäße Vorrichtung andere Mittel vorgesehen werden, anhand derer eine Verschiebung stattfinden kann. Dass indes – auch ohne diese Elemente und Schlitze – ein anderer Bewegungsverlauf als eine Verschiebung überhaupt in Betracht käme, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Indem die nicht beanspruchten verschiebbaren Elemente technisch-funktional dem beweglichen Teil zugeordnet werden, ist es zudem möglich, den zweiten Abschnitt insgesamt als „verschiebbar“ zu beschreiben.
  47. Durch die grundsätzliche Eignung auch anderer Arbeitswinkel für die Anordnung der Schlitze (vgl. Abs. [0021] a.E.) stellt das Klagepatent ebenso wenig den Bewegungsverlauf des zweiten Abschnitts zur Disposition, indem auch andere als Schiebebewegungen innerhalb einer vorgegebenen Bewegungsbahn zulässig wären. Der zugestandene Gestaltungsfreiraum bezieht sich ausschließlich auf die Ausrichtung der Schlitze im Verhältnis zu den Wänden 64; der von den Schlitzen gelenkte lineare Bewegungsverlauf des zweiten Abschnitts wird dadurch nicht tangiert.
  48. Gegen das Erfordernis einer linearen Schiebebewegung entlang einer Achse spricht auch nicht die im Anspruch vorgesehene Krafteinbringung auf die Aufnahmeoberfläche (56, 62). Diese soll zwar vertikal, mithin von oben kommend, ausgeübt werden, was gegen eine lineare Bewegung des zweiten Abschnitts sprechen könnte, weil eine lineare Bewegung häufig mit einer seitlichen Krafteinwirkung assoziiert werden dürfte. Allerdings wird diese einwirkende Kraft von der Aufnahmeoberfläche auf die in der Behälteröffnung liegenden Elemente des zweiten Abschnitts weitergegeben, welche sodann eine lineare Bewegung ausführen, mithin verschoben werden.
  49. Demgegenüber hat die Klägerin kein anderes Begriffsverständnis aufzuzeigen vermocht. Sie hat auf das Verschieben von Möbeln oder auf die Bewegung eines Ruders verwiesen, um darzulegen, dass für ein Verschieben die Bewegung entlang einer Achse nicht erforderlich sei. Indes handelt es sich in beiden Fällen nicht um Bereiche, die uneingeschränkt auf den Bewegungsvorgang von Schließmechanismen in Kassetten für Windelbehälter übertragen werden könnten. Jedenfalls fehlen dazu hinreichende Anhaltspunkte. Solche Hinweise wären deshalb umso wichtiger, als das Klagepatent, wie gezeigt, keinen anderen Ausdruck als verschieben zur Beschreibung des zweiten Abschnitts verwendet.
  50. Die Figuren der Klagepatentschrift unterstützen das aufgezeigte Verständnis. Die Figuren 3A bis 3C zeigen den Öffnungsvorgang des Schließmechanismus. Es ist zu erkennen, dass der gebogene Teil des beweglichen Abschnitts in jeder Position am Schließmechanismus anliegt und sich daran orientiert, also linear nach unten bewegt. Auch die Aufnahmeoberfläche verändert in den unterschiedlichen Stadien ihren Winkel nicht. Die Figuren veranschaulichen damit, dass die ganze Bewegung des Vorrichtungsbestandteils durch die Elemente 66A, welche nicht separat in den Abbildungen zu erkennen sind, und die korrespondierenden und zu ersehenden Schlitze geregelt wird. Der zweite Abschnitt führt in keinem Bereich eine andere als eine lineare Bewegung (etwa Drehbewegung der Aufnahmeoberfläche) aus.
  51. Technisch funktional ist es für ein Verschieben ausreichend, wenn sich der zweite Abschnitt linear bewegt und dadurch seine Positionen wechselt. Hierzu ist nicht erforderlich, dass die lineare Verschiebebewegung nach außen sichtbar erfolgt. Auch die auf die vom beweglichen Abschnitt definierte Aufnahmeoberfläche einwirkende vertikale Kraft führt nicht zum Erfordernis eines anderen Bewegungsverlaufs. Durch die „Drückbewegung“, wenn der Einwegartikel aufgelegt wird, soll dieser direkt weiter durch den Schließmechanismus verbracht werden, der sich dazu öffnen muss. Der ausgeübte Druck führt wie oben schon gezeigt dazu, dass sich die Elemente 66A nach unten entlang der Winkelrichtung der Schlitze bewegen. Ein unmittelbares Verschieben der Aufnahmeoberfläche wäre zudem untauglich für eine unkomplizierte und schmutzlose Entsorgung. Denn der dort aufgelegte Müll würde entweder mit der Fläche seitlich bewegt (und somit nicht in die Öffnung) oder es wäre erforderlich, den beweglichen Teil erst zu verschieben, um die Öffnung freizulegen und anschließend den Müll einzubringen. Dies würde indes wiederum die Handhabe der Vorrichtung in nicht wünschenswerter Weise erschweren.
  52. Der Stand der Technik spricht überdies für das Verständnis des Verschiebens als Ausführen einer linearen Bewegung. Abs. [0004] beschreibt einen Verschlussmechanismus als „drehbares Mittelstück“ und Abs. [0005] bezieht sich auf eine Quetschvorrichtung mit einem Paar gegenüberliegender drehbarer Elemente, zwischen denen der Schlauch eingeführt wird. Sodann wird in Abs. [0006] eine Senkvorrichtung erläutert, die zwei Arme mit Schwenkklappen und gegenüberliegenden schwenkbaren Schiebern aufweist. Unabhängig davon, ob die erfindungsgemäße Lehre an den dargestellten Mechanismen Verbesserungsbedarf gesehen hat, der mit dem Klagepatent umgesetzt werden sollte, belegen diese Beschreibungsstellen, dass das Klagepatent andere Bewegungsarten als das Verschieben hinsichtlich des (Schließ-)Mechanismus im Behälter kannte. Dennoch hat es zur Beschreibung nur den Begriff des Verschiebens herangezogen, was zeigt, dass eine bewusste Auswahl des Bewegungsablaufs stattgefunden hat.
    Dafür dass auf diesem Feld der Technik mit unterschiedlichen Begriffen jeweils gezielt verschiedene Bewegungsabläufe und -mechanismen adressiert werden, spricht ebenso die eigene Patentanmeldung der Klägerin (WO 2013/132XXX A1, Anlage B5), worin eine Tür als bewegender Bestandteil des Schließmechanismus vorgesehen ist, die drehbar (pivotable) ist (vgl. Abs. [0039]). Auf diese Weise hat sich die Klägerin auf einen bestimmten Öffnungsmechanismus festgelegt, ohne dass ersichtlich ist, dass sämtliche andere Bewegungsarten in dessen Verständnis einbezogen werden könnten. Derlei hat auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet.
  53. 2.
    Das erläuterte Verständnis vom in eine offene Position verschiebbaren zweiten Abschnitt des Schließmechanismus führt dazu, dass unabhängig von der Frage der Anspruchsgemäßheit der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls die erforderlichen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung gem. § 10 PatG nicht erfüllt sind.
  54. a.
    Danach ist erforderlich, dass sich das Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht und objektiv geeignet ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Ob die erforderliche Eignung des Mittels vorliegt, beurteilt sich nach seiner objektiven Beschaffenheit (vgl. Schulte/Mes, PatG, 10. Aufl., § 10, Rn. 12 m.w.N.). Bei ihrem Einsatz zusammen mit anderen Mitteln oder zur Anwendung eines Verfahrens muss mithin eine unmittelbare Patentverletzung möglich sein. Dies ist inzident festzustellen, indem die Verwirklichung einer unmittelbaren Patentverletzung geprüft wird. Wenn das Patent ein Kombinationspatent ist und die mittelbare Verletzung in der Bereitstellung eines Teils der geschützten Kombination liegen soll, muss beim Zusammenfügen mit dem Rest die unter Patentschutz stehende Gesamtkombination entstehen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl., Kap. A, Rn. 502).
  55. b.
    Bei der angegriffenen Kassette handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen würde, weil sie geeignet ist, mit einem solchen, nämlich dem geschützten Behälter, bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Indes leistet hier der Behälter keinen Beitrag zu einer unmittelbaren Patentbenutzung. Er verwirklicht seinerseits nicht die für die unmittelbare Patentverletzung nötigen Anspruchsmerkmale, insbesondere nicht Merkmal 4.2.3.
  56. Die Kammer ist nicht von der Verschiebbarkeit des zweiten Abschnitts vom Schließmechanismus in den Windeleimern der Klägerin überzeugt. Die Klägerin hat sich zum Nachweis der Bewegung des Vorrichtungselements zunächst auf Lichtbildaufnahmen beschränkt. Zur Veranschaulichung werden diese, entnommen der Klageschrift und teils mit Einfärbungen durch die Klägerin versehen, nachfolgend eingeblendet:
  57. Vorstehende Lichtbilder lassen, gemäß des insoweit auch schriftsätzlich erfolgten Vorbringens der Klägerin, erkennen, dass der bewegliche Teil des Schließmechanismus (grün eingefärbt) durch von oben wirkenden Druck in die Öffnung bewegt wird und sich dabei entlang der Achse des Endes des zweiten Abschnitts, an dem die beiden Federn zur Vorspannung in geschlossener Position installiert sind, orientiert. Dabei handelt es sich nach Ansicht der Kammer um eine reine Klappbewegung/Drehbewegung; eine lineare Bewegung erfolgt nicht. Weder anhand des schriftsätzlichen Vortrags noch anhand der Lichtbilder ist zu erkennen, dass der Windeleimer darüber hinaus über einen sich in die Behälteröffnung hineinerstreckenden Abschnitt des Schließmechanismus verfügen würde, der eine lineare Bewegung ausführt. Außer der Federn und des beweglichen Elements sind keinerlei Bestandteile für den Schließmechanismus vorhanden.
  58. Nichts anderes hat hierzu die Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Produkte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben. Die Klägerin hat einen Behälter mit aufgesetzter Kassette präsentiert und sodann die Öffnungs- und Schließbewegung des zweiten Abschnitts des Schließmechanismus vorgeführt, indem eine zu entsorgende Windel mit vertikaler Kraft auf die Aufnahmeoberfläche geführt wurde und so durch die geöffnete Behälteröffnung verbracht werden konnte. Hierbei haben die Klägervertreter den Schließmechanismus damit beschrieben, dass der bewegliche Teil durch eine Feder an dem einen Ende vorgespannt ist und so stets in der geschlossenen Position gehalten wird. Die bei Kraftausübung ausgeführte Bewegung erfolgt orientiert an der durch die Feder vorgegebene (Längs-)Achse. Andere zu diesem Schließmechanismus gehörende Bestandteile (abgesehen von dem fixen ersten Abschnitt) wurden auch in der mündlichen Verhandlung weder von den Klägervertretern erläutert noch waren sie von der Kammer in der mündlichen Verhandlung zu ersehen.
  59. III.
    Mangels Rechtsgutverletzung stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
  60. B.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
  61. Streitwert: 100.000,- Euro

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