4c O 29/20 – Haubenentfernungssystem

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3130

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 08. Juli 2021, Az. 4c O 29/20

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
    II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
    III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin verfolgt aus Patentrecht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung.
  4. Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents EP 2 844 XXX B1 (Anlage K10, im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 03.05.2013 in englischer Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 03.05.2012 (US XXX P) angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde im Patentblatt am 11.03.2015 offengelegt und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 09.08.2017. Das Klagepatent steht mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft und betrifft ein Haubenentfernungssystem zur Verwendung in Gehäusen in einer gesteuerten Umgebung.
  5. Anspruch 11 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache:
  6. Die deutsche Übersetzung hat folgenden Wortlaut:
  7. „Vorrichtung zum Entfernen einer Behälterabdeckung (116) von einem abgedichteten Behälter (114), wobei die Vorrichtung Folgendes umfasst: eine Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung, eine Gelenkarmvorrichtung (115) und eine Drehgreifvorrichtung (113) innerhalb der Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkarmvorrichtung (115) zum Halten und Bewegen eines Behälters (114) in drei Dimensionen konfigurierbar ist und die Drehgreifvorrichtung (113) dazu konfiguriert ist, einen Greifbereich einer den Behälter (114) abdichtenden Behälterabdeckung (116) in einer im Wesentlichen ortsfesten Position zu ergreifen.“
  8. Nachfolgende Figuren 1 sowie 4 bis 9 und 11 sind der Klagepatentschrift entnommen und veranschaulichen als bevorzugte Ausführungsbeispiele die erfindungsgemäße Lehre. Die Figur 1 zeigt eine Einfassung mit kontrollierter Umgebung, die eine Gelenkarmvorrichtung zur Handhabung von Behältern und eine Vorrichtung zum Greifen von Behälterabdeckungen enthält. Figur 4 zeigt eine Greifvorrichtung mit teilweise geöffneten Greifbacken. Die Figurenfolge 5 bis 8 zeigt eine Draufsicht-Darstellung einer Gelenkarmvorrichtung und einer Greifvorrichtung in den unterschiedlichen Phasen des Entfernens der Behälterabdeckung. Die Figur 9A stellt schematisch ein Ablaufdiagramm für ein Verfahren zum Entfernen einer Behälterabdeckung von einem Behälter in einer Einfassung mit kontrollierter Umgebung dar. Die Figur 11 zeigt ein detailliertes Ablaufdiagramm eines Teils insbesondere aus Fig. 9A.
  9. Bei der Klägerin handelt es sich um ein in Kanada ansässiges Unternehmen, das auf die Herstellung und den internationalen Vertrieb von technologisch fortgeschrittenen aseptischen Füllmaschinen für die pharmazeutische Industrie spezialisiert ist.
  10. Das Unternehmen der Beklagten ist in Italien ansässig und die Muttergesellschaft einer international tätigen Unternehmensgruppe, die automatische Maschinen für die Verarbeitung und Verpackung von pharmazeutischen oder kosmetischen Produkten entwickelt und herstellt. Zu den Produkten der Beklagten zählt insbesondere eine Vorrichtung mit der Bezeichnung „A“, die der Herstellung, Verarbeitung und Verpackung von pharmazeutischen Produkten dient (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Diese Vorrichtung ist so aufgebaut, dass spezialisierte Roboter in einem Gehäuse (auch Isolator genannt) alle Handhabungsaktivitäten ohne Kontakt und ohne Eingreifen des Bedieners durchführen. Die angegriffene Ausführungsform enthält ein Modul, das dazu eingesetzt wird, Behälterabdeckungen zu entfernen.
  11. Auf der in englischer Sprache abgefassten Internetseite der Beklagten, abrufbar unter der Domain XXX vgl. Anlage K1), sind Bilder und Beschreibungen nebst Videos zu der angegriffenen Ausführungsform dargestellt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Angebote und Bewerbungen auch an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sind. Zugleich weist die Beklagte auf ihrer Homepage unter Angabe konkreter Kontaktdaten auf ihr in Deutschland ansässiges und für den Vertrieb zuständiges Tochterunternehmen hin (vgl. Anlage K2). Auf der Unternehmenswebsite der Beklagten besteht für Kunden die Möglichkeit, sich auf dem Kundenportal „B“ zu registrieren (Anlage K5). Die Beklagte kündigte außerdem für die vom 25.02. bis 03.03.2021 in Düsseldorf geplante „C“ ihre Teilnahme auf ihrer Homepage an, welche tatsächlich aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie nicht stattfand.
  12. Nachfolgende Einblendungen sind den Anlagen K1 und K19 entnommen und veranschaulichen – mit Anmerkungen der Klägerin – den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform.
  13. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.09.2018 wurde die Beklagte auf die nach Ansicht der Klägerin vorliegende Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform hingewiesen. Dagegen wandte diese sich mit Schreiben vom 10.10.2018 (Anlagen K8, K9).
  14. Die Klägerin meint, dass die Klage sowohl zulässig als auch begründet sei. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorfs ergebe sich daraus, dass das Internetangebot der Beklagten uneingeschränkt im deutschen Inland abgerufen werden könne. Für eine Angebotshandlung in Deutschland spreche der umfassende Hinweis auf ihrer Homepage, dass ca. 90% ihrer Produkte in 80 Länder geliefert würden. Eine italienische Domain sowie die Fassung der Homepage in englischer Sprache stünden einem Angebot im Inland nicht entgegen. Vielmehr stehe die Verwendung des Englischen für eine internationale Tätigkeit und werde zudem auch von inländischen Interessenten verstanden. Hinweise auf nur geografisch beschränkte Angebote würden jedenfalls fehlen.
  15. Die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents.
    Die Einfassung mit kontrollierter Umgebung meine, dass innerhalb der Einfassung andere Bedingungen herrschten als außerhalb. Ein aktives oder konkretes Feststellen, Regeln, Einstellen oder Steuern der Umgebungsbedingungen innerhalb der Einfassung sei nicht erforderlich; zumal die Anforderungen an die kontrollierte Umgebung stark von dem verarbeiteten Material abhingen. Das Klagepatent gebe auch nicht abschließend eine zwingende Ausgestaltung der Einfassung vor. So seien Gehäuse mit Öffnungen oder auch vollständig verschlossene Gebilde zulässig. Gleichermaßen könnten innerhalb der Einfassung auch andere Maschinen als solche zur Entfernung des Deckels enthalten seien. Die angegriffene Ausführungsform weise danach eine Einfassung mit kontrollierter Umgebung auf; sie habe Wände mit Fenstern zur Umhüllung einer Verarbeitungsstraße („XXX“), wobei durch zusätzliche Wände innerhalb separierte Abschnitte bereitgestellt würden – dieser grundlegende Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist zwischen den Parteien unstreitig. Insbesondere seien die Gelenkarm- und Drehgreifvorrichtung in einem dieser Abschnitte enthalten, welcher zudem mit seitlichen Öffnungen ausgestattet sei, um eine Verbindung zur Verarbeitungsstraße herzustellen. Jedenfalls könnten die Umgebungsbedingungen auch aktiv kontrolliert werden.
    Für die Drehgreifvorrichtung sei es ausreichend, wenn diese im Zeitpunkt der Erfassung/der Ergreifung des Greifbereichs im Wesentlichen ortsfest sei. Für den weiteren Verfahrensverlauf der Entfernung der Abdeckung, mithin das Halten des Greifbereichs, sei dies nicht erforderlich. Das Klagepatent unterscheide zwischen einem Ergreifen und Halten des Greifbereichs. Außerdem sei die Drehgreifvorrichtung von vornherein so ausgestaltet, dass sie eine Drehbewegung ausführen könne, sodass sie nicht komplett starr sein könne. Der Abziehvorgang beruhe auf dem Zusammenspiel der Gelenkarmvorrichtung mit der Drehgreifvorrichtung. Die angegriffene Ausführungsform weise danach eine erfindungsgemäße Drehgreifvorrichtung auf, welche den Greifbereich des abgedichteten Behälters ergreife und dabei im Wesentlichen ortsfest sei. Die angegriffene Ausführungsform habe im Moment des Ergreifens des Greifbereichs eine ortsfeste Drehgreifvorrichtung. Im Übrigen, so behauptet die Klägerin, bewege sich die Drehgreifvorrichtung während des gesamten Abziehvorgangs nicht wesentlich, sondern allenfalls um 5° bzw. 38°.
  16. Die Klägerin beantragt,
  17. I. die Beklagte zu verurteilen,
    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    Vorrichtungen zum Entfernen einer Behälterabdeckung (116) von einem abgedichteten Behälter (114), wobei die Vorrichtung Folgendes umfasst: eine Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung, eine Gelenkarmvorrichtung (115) und eine Drehgreifvorrichtung (113) innerhalb der Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkarmvorrichtung (115) zum Halten und Bewegen eines Behälters (114) in drei Dimensionen konfigurierbar ist und die Drehgreifvorrichtung (113) dazu konfiguriert ist, einen Greifbereich einer den Behälter (114) abdichtenden Behälterabdeckung (116) in einer im Wesentlichen ortsfesten Position zu ergreifen,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  18. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 09.08.2017 begangen hat und zwar unter Angabe
    a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  19. – wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  20. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 09.09.2017 die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen hat und zwar unter Angabe
    a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  21. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind;
  22. 4. die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziff. 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu bestimmenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
  23. 5. die unter Ziff. 1 bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache (Urteil des..vom..) und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  24. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziff. 1 bezeichneten, in der Zeit seit dem 09.09.2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  25. Die Beklagte beantragt,
  26. die Klage abzuweisen.
  27. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Es liege kein Anbieten der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland vor. Es handele sich um eine Website mit italienischer Topleveldomain und bloß allgemeinen in englischer Sprache gehaltenen Produktinformationen. Auch der Verweis auf die Unternehmensstruktur der Beklagten begründe kein Anbieten konkret der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland, zumal das Produktportfolio der Beklagten mehr als 500 Produkte umfasse. Der Hinweis auf einen Messestand in Düsseldorf könne zur Herleitung eines Inlandsangebots nicht weiterhelfen, da diese Messe tatsächlich nicht stattgefunden habe. Auch die Auswahlmöglichkeit bei der Registrierung im Online-Portal der Beklagten genau eines spezifischen Landes spreche dafür, dass die unterschiedlichen Produkte länderspezifisch angeboten würden. Es sei überhaupt nicht ersichtlich, weshalb deutsche Kunden den Internetauftritt der Beklagten aufrufen sollten.
  28. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die erfindungsgemäße Lehre auch nicht. Sie verfüge nicht über eine Einfassung mit kontrollierter Umgebung. Diese setze neben einer Feststellung der Umgebungsbedingungen auch deren Regelung voraus. Eine nicht luftdichte Umhausung einer Maschine entspreche diesen Vorgaben nicht. Gegen Luftdichtheit und Partikelfilterung oder einen Druckunterschied zur Umgebung spreche schon der große Ausschnitt, durch welchen das Fördersystem in die Umhausung eingeführt werde. Eine Einfassung im Sinne des Klagepatentes dürfe nur die unmittelbare Umgebung der Drehgreifvorrichtung und der Gelenkarmvorrichtung einbeziehen und nicht größer als der Arbeitsraum sein. Neben der Gelenkarmvorrichtung und der Drehgreifvorrichtung dürften daher keine anderen Vorrichtungen innerhalb der Einfassung mit kontrollierter Umgebung angeordnet sein. Auch dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erfüllt, weil die Umhausung auf die Maschine insgesamt und nicht nur auf einzelne Stationen bezogen sei.
  29. Die Beklagte behauptet, dass sich in der angegriffenen Ausführungsform die Greifvorrichtung unabdingbar mitbewegen müsse, um die Behälterabdeckung zu entfernen. Dieser Bewegungsablauf würde schon in den als Anlage K16 vorgelegten Screenshots gezeigt. Allein durch eine Bewegung des Behälters könne dies nicht erreicht werden. Zudem reiche der Platz in der angegriffenen Ausführungsform nicht aus, dass sich nur der Behälter bewegen könnte. Dagegen verlange das Klagepatent, dass ein ortsfestes Ergreifen des Greifbereichs erfolge und die Entfernung der Abdeckung durch ein gleichzeitiges Wegbewegen des Behälters, gesteuert durch die Gelenkarmvorrichtung, bewirkt werde. Die Drehgreifvorrichtung halte während dieses Abziehvorgangs eine ortsfeste Position aufrecht. Es sei keine Unterscheidung zwischen dem Ergreifen und dem Halten vorzunehmen.
  30. Die geltend gemachten Rückruf- und Vernichtungsansprüche seien unverhältnismäßig. Denn von einer Patentverletzung wäre nicht nur die Bearbeitungsstation mit Gelenkarmvorrichtung und Drehgreifvorrichtung umfasst, sondern auch sämtliche andere patentfreien Stationen, die lediglich auch von der Einfassung umhüllt seien. Die Patentverletzung könnte ebenso effektiv auf andere Weise behoben werden. Im Übrigen scheitere der Vernichtungsanspruch schon an Besitz oder Eigentum der Beklagten in Deutschland.
  31. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
  32. Entscheidungsgründe
  33. A.
    Die Klage ist zulässig, da das angerufene Gericht insbesondere international zuständig ist.
  34. Gem. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Abgestellt werden darf sowohl auf den Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort) als auch auf den Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort).
  35. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts vorliegt. Es reicht für die Zuständigkeitsbeurteilung aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (OLG Düsseldorf, GRUR 2019, 725 – Improving Handovers). Ob die Handlungen der Beklagten tatsächlich die geltend gemachte Patentverletzung begründen, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung)
  36. Diese Anforderungen sind hier erfüllt. In Fällen der Internetwerbung genügt es für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, dass die geschützten Rechte im Inland belegen sind und die Internetseite im Inland zugänglich ist. Daran besteht vorliegend im Hinblick auf die in Rede stehenden Internetseiten kein Zweifel. Ob die angeführte Website und das über sie verbreitete Angebot auch subjektiv für den Abruf im Inland bestimmt ist, hat für die Frage der internationalen Zuständigkeit keine Bedeutung (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl., Kap. D, Rn. 18).
  37. B.
    In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
  38. I.
    Das Klagepatent betrifft Einfassungen mit kontrollierter Umgebung und insbesondere Verfahren und eine Vorrichtung zum Entfernen von Behälterabdeckungen von abgedichteten Behältern in Einfassungen mit kontrollierter Umgebung (Abs. [0001]).
  39. Aus dem Stand der Technik waren, wie das Klagepatent in Abs. [0002] erläutert, Einfassungen mit kontrollierter Umgebung bekannt und werden zur Eindämmung von Gefahrenstoffen oder zur Bereitstellung kontrollierter Umgebungen mit einer begrenzten Anzahl von Partikeln benutzt. In der Regel wiesen diese vorbekannten Einfassungen, wie dem Abs. [0003] zu entnehmen ist, Anschlüsse für den Transfer von Materialien hinein und hinaus auf. Diese Anschlüsse waren mit Handschuhen zur manuellen Handhabung durch den Benutzer ausgestattet; auf diesem Wege war die Bedienung von Geräten, Teilen oder Maschinen möglich. Die Einfassungen mit kontrollierter Umgebung kamen auch zum Einsatz, um die Exposition gegenüber lebensfähigen Partikeln wie Bakterien und Pilzen zu beschränken. Dies betrifft insbesondere Zellkulturen oder Arzneimittel und andere Medizinprodukte, die aseptisch hergestellt werden. Die Einfassung mit kontrollierter Umgebung muss in diesen Fällen dekontaminiert sein. Zu bewerkstelligen war dies thermisch mittels Dampf oder chemisch mit entsprechend geeigneten Wirkstoffen (vgl. Abs. [0004]).
  40. In Abs. [0005] führt das Klagepatent zur Beschaffenheit der vorbekannten Einfassungen mit kontrollierter Umgebung weiter aus, dass sie automatisierte Geräte enthalten konnte, welche für die Handhabe von insbesondere Behältern benutzt werden können. Denn Teile, die in den vorbekannten Einfassungen behandelt wurden, waren üblicherweise in Wannen oder Behältern verpackt (Abs. [0006]). Aufgrund ihrer Größe und Komplexität konnten die automatisierten Geräte regelmäßig nicht ohne menschliches Eingreifen betrieben werden (Abs. [0007]).
  41. Das Klagepatent würdigt die US 2005/160704 A1 in Abs. [0008] als vorbekannt. Diese Druckschrift betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Entfernen einer Abdeckung von einer Aufbewahrungsbox.
  42. Hieran kritisiert das Klagepatent als nachteilig, dass bei der manuellen Bedienung der automatisierten Geräte durch die Verwendung von Handschuhen ein Punktionsrisiko besteht.
  43. Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, Einfassungen mit kontrollierter Umgebung bereitzustellen, die kein menschliches Eingreifen einschließlich der Nutzung von Handschuhen erfordern.
  44. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent deshalb eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
  45. 1. Vorrichtung zum Entfernen einer Behälterabdeckung (116) von einem abgedichteten Behälter (114),
    wobei die Vorrichtung Folgendes umfasst:
    2. eine Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung,
    3. eine Gelenkarmvorrichtung (115)
    3a. die Gelenkarmvorrichtung ist innerhalb der Einfassung mit kontrollierter Umgebung angeordnet;
    3b. die Gelenkarmvorrichtung ist zum Halten und Bewegen eines Behälters in drei Dimensionen konfigurierbar;
    4. eine Drehgreifvorrichtung (113)
    4a. die Drehgreifvorrichtung ist innerhalb der Einfassung (120) mit kontrollierter Umgebung angeordnet;
    4b. die Drehgreifvorrichtung (113) ist dazu konfiguriert, einen Greifbereich einer den Behälter (114) abdichtenden Behälterabdeckung (116) in einer im Wesentlichen ortsfesten Position zu ergreifen.
  46. II.
    Die Parteien streiten insbesondere um das Verständnis des Merkmals 4b, dessen Verwirklichung die Kammer nicht festzustellen vermag, sodass es zu den übrigen Anspruchsmerkmalen keiner Ausführungen bedarf.
  47. 1.
    Das Klagepatent schützt in Merkmal 4b) eine Drehgreifvorrichtung, die dazu konfiguriert ist, einen Greifbereich einer den Behälter abdichtenden Behälterabdeckung in einer im Wesentlichen ortsfesten Position zu ergreifen.
  48. Darunter, einen Greifbereich in einer im Wesentlichen ortsfesten Position zu ergreifen, versteht das Klagepatent, dass die Drehgreifvorrichtung nur durch Bewegungen ihres oberen und/oder unteren Arms einen dazu vorgesehenen Rand der Behälterabdeckung in Eingriff nimmt und anschließend dort hält, während der Deckel durch Bewegen der Gelenkarmvorrichtung entfernt wird. Eine Bewegung der Drehgreifvorrichtung findet währenddessen nicht statt; allenfalls dürfen sich die Greifelemente der Drehgreifvorrichtung einzeln oder gemeinsam bewegen, um eine optimale Ausrichtung des Greifbereichs zu erlangen.
  49. a.
    Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der Patentanspruch 11 nicht nur den Moment des (ersten) Greifens des Greifbereichs unter Schutz, sondern auch das sich hieran anschließende Halten.
  50. Für eine Trennung des Greifens und Haltens sprechen weder der deutschsprachige noch der maßgebliche englischsprachige Wortlaut des Anspruchs, die von „ergreifen“ bzw. „being configured for gripping“ sprechen. Dabei ist unerheblich, ob die deutsche Übersetzung „ergreifen“ exakt ist oder ob lediglich „greifen“ zutreffender wäre. Denn auch nach dem rein-philologischen Verständnis beinhaltet ein „Ergreifen“ sowohl das erstmalige Greifen als auch das Halten. Andernfalls käme es schon begrifflich zu einer künstlichen Aufspaltung eines natürlichen Greif-/Halte-Vorgangs. Ein Greifen ohne gleichzeitiges Halten ist nicht denkbar. Aber auch Halten geht immer mit Greifen einher.
  51. Ungeachtet dessen macht der maßgebliche englischsprachige Begriff des „gripping“ deutlich, dass hierunter sowohl das Greifen wie auch das Halten der Behälterabdeckung umfasst ist, was sich ohne Weiteres anhand der Begriffsverwendung „gripping“ in der Beschreibung entnehmen lässt. So verwendet das Klagepatent den Begriff der „gripping area“. Hierbei handelt es sich um den Bereich der Behälterabdeckung, in welchem diese während des Abziehvorgangs von der Drehgreifvorrichtung gegriffen und gehalten wird. Der Begriff der „gripping area“ beschreibt daher nicht nur den Bereich des ersten Ergreifens, sondern insgesamt den Bereich, in welchem die Behälterabdeckung während des Abziehvorgangs von der Drehgreifvorrichtung gegriffen und gehalten wird. Gleiches kann der Formulierung „(rotary) gripping apparatus“ entnommen werden, welche die „gripping area“ greift und hält und hierfür „gripping elements“ aufweist. Dabei ist vom „gripping apparatus“ nicht nur die Vorrichtung umfasst, welche die Behälterabdeckung im Sinne eines ersten Ergreifens erfasst, sondern die Vorrichtung insgesamt, welche die Behälterabdeckung während des gesamten Abziehvorgangs greift und hält.
  52. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass in dem im Anspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahren der Begriff des Greifens keinen Eingang gefunden hat, sondern nur von einem Halten die Rede ist. Ungeachtet dessen, dass die Formulierung des Verfahrensanspruchs keinen zwingenden Schluss auf das Verständnis des hier maßgeblichen Vorrichtungsanspruchs 11 geben kann, ist das erstmalige Ergreifen als vorgelagerter Schritt zu einem Halten aber zwingend erforderlich und für den Fachmann selbstverständlich. Denn die für die Deckelentfernung notwendigen Arbeitsschritte können erst ausgeführt werden, nachdem der Greifbereich im Sinne einer vorbereitenden Maßnahme sicher gefasst wurde. Insofern bedurfte es daher einer ausdrücklichen Formulierung eines erstmaligen Greifens nicht. Etwas anderes kann auch dem Unteranspruch 12 nicht entnommen werden. Denn dort wird wie schon im hier streitigen Anspruch 11 der Begriff des Ergreifens in Bezug auf die Drehgreifvorrichtung benutzt. Der daneben separat verwendete Ausdruck des Haltens kann indes keinen Anhaltspunkt für eine differenzierte Betrachtung von (Er-) Greifen und Halten mehr bieten, da er auf die Gelenkarmvorrichtung bezogen ist.
  53. In dem erläuterten Verständnis wird der Fachmann durch die Beschreibungsstellen unterstützt. Diese zeigen zwar in derselben Weise wie die Ansprüche 1 und 11, dass dem Klagepatent neben dem (Er-)Greifen auch ein Halten bekannt ist. Dass eine Differenzierung beabsichtigt ist und unterschiedliche technische Aspekte beschrieben werden sollen, lässt sich der Klagepatentschrift nicht entnehmen. Es werden vielmehr das Greifen und Halten einerseits, dem Bewegen andererseits gegenübergestellt. Darin liegt die maßgebliche Unterscheidung, die die erfindungsgemäße Lehre im Hinblick auf die Funktionsweise der Drehgreifvorrichtung vornehmen will.
  54. Die Absätze der allgemeinen Beschreibung bestätigen dieses Verständnis, wenn in Abs. [0011] zunächst erläutert wird, dass das Verfahren zum Bewegen des Behälters umfasst, dass ein Greifbereich der Behälterabdeckung im Wesentlichen ortsfest gehalten wird:
  55. „[…] das Verfahren das Bewegen des Behälters umfasst, während ein Greifbereich der Behälterabdeckung im Wesentlichen ortsfest gehalten wird. Das Bewegen des Behälters umfasst das Halten des Behälters mit einer in der kontrollierten Umgebung angeordneten Gelenkarmvorrichtung während das Entfernen der Behälterabdeckung durch ein erstes Handhaben der Gelenkarmvorrichtung erfolgt.“
  56. Der Fachmann kann dem entnehmen, dass nachdem der Greifbereich des Behälters gegriffen wurde dieser auch gehalten wird. Dahin ist auch Abs. [0019] zu verstehen, der unter weitgehender Wiederholung des Anspruchswortlauts ausführt (Hervorhebung hinzugefügt):
  57. „[…] Die Drehgreifvorrichtung kann zwei Greifelemente mit Flächen umfassen, die sich gegenüberliegen und sich gegenseitig in Eingriff nehmen können, mindestens eins der beiden Greifelemente ist mit dem anderen der beiden Greifelemente um eine gemeinsame Achse drehbar, um den Greifbereich der Behälterabdeckung zwischen den beiden Flächen, die sich gegenüberliegen und sich gegenseitig in Eingriff nehmen können, zu greifen. […].“
  58. An dieser Stelle wird in der deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift mithin ausdrücklich der Begriff des „greifens“ verwendet. Mit der Beschreibungsstelle wird dem Fachmann wiederum verdeutlicht, dass das Greifen dem Halten dient, auch ohne explizit das Halten anzusprechen. Dieses Verständnis findet weitere Bestätigung darin, dass die Abs. [0011] und [0019] auf die Handhabe desselben Vorrichtungsteils bezogen sind und der Unterschied in der Darstellung nur darin liegt, dass Abs. [0019] stärker die Drehgreifvorrichtung mit ihren Bestandteilen in den Blick nimmt, während Abs. [0011] allgemein die Deckelentfernung betrifft.
  59. In ähnlicher Weise verwenden auch die Beschreibungsabsätze [0050]ff. zwar jeweils die Ausdrücke (er)greifen und halten für die Konfiguration der Drehgreifvorrichtung, ohne dass eine Trennung der damit beschriebenen Vorgänge zu erkennen wäre.
  60. Abs. [0050]
    „[…] Sobald die Greifvorrichtung den Greifbereich ergriffen hat und den Greifbereich im Wesentlichen ortsfest hält, kann das Verfahren mit dem Handhaben der Gelenkarmvorrichtung fortfahren […]:“
  61. Abs. [0051]
    „[…] kann die Behälterabdeckung 116 durch Bewegen des Behälters 114 in einer im Wesentlichen diagonalen Bahn durch Handhaben [582] der Gelenkarmvorrichtung 115, während die Greifvorrichtung 113 den Greifbereich 301 im Wesentlichen ortsfest hält, entfernt werden.“
  62. Abs. [0052]:
    „In einer weiteren Ausführungsform kann die Behälterabdeckung durch eine allgemeine Bewegungsrichtung des Behälters entfernt werden durch Handhaben der Gelenkarmvorrichtung während die Greifvorrichtung den Greifbereich im Wesentlichen ortsfest hält. […].“
  63. Diese genannten Stellen beschreiben damit das erforderliche Zusammenwirken von Greifen und Halten und die Notwendigkeit des Haltens des Greifbereichs für die eigentliche Entfernung der Abdeckung. Damit geht wiederum einher, dass der Greifbereich gegriffen ist. Zudem wird auch hier der zeitliche Zusammenhang vom Halten und der Bewegung des Behälters zur Deckelentfernung ersichtlich.
  64. Das vorgenannte Verständnis wird auch unter Berücksichtigung eines technisch-funktionalen Verständnisses unterstützt. Die erfindungsgemäße Drehgreifvorrichtung dient dazu, die Behälterabdeckung durch das Greifen von dieser zu entfernen, was in der Zweckbestimmung des Anspruchs auch verdeutlicht wird. Insofern wird mithin eine Vorrichtung beansprucht, die in der Lage ist eine Behälterabdeckung zu greifen und zu entfernen. Die Ansicht, es komme nur auf ein (erstmaliges) Ergreifen der Behälterabdeckung an, wird der angestrebten Funktionsweise keinesfalls gerecht. Der Fachmann ist jedoch stets bedacht, die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und ihren Gesamtinhalt im Zweifel so zu verstehen, dass der Anspruch einen schlüssigen Sinn ergibt. Ein Verständnis hat daher auszuscheiden, wenn damit der patentgemäß angestrebte Zweck nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung).
  65. b.
    Unter einer im Wesentlichen ortsfesten Position versteht das Klagepatent die Position der Drehgreifvorrichtung während des Abziehvorgangs der Behälterabdeckung. Während die Gelenkarmvorrichtung den Behälter bewegt, hält die Drehgreifvorrichtung den Greifbereich der Behälterabdeckung „im Wesentlichen ortsfest“. Die Drehgreifvorrichtung bewegt sich folglich während des Abziehvorgangs im Wesentlichen nicht.
  66. Entsprechendes folgt aus der Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift. Danach wird in der allgemeinen Beschreibung in Abs. [0012] der Greifvorgang näher erläutert. Durch Drehungen eines oder beider Greifelemente ist es möglich, den Greifbereich gut zwischen den Greifelementen zu positionieren. Ebenso befasst sich der bereits zuvor angeführte Abs. [0019] mit dem grundlegenden Aufbau einer Drehgreifvorrichtung. In den Abs. [0037] ff. der speziellen Beschreibung werden dessen Aufbau und Funktionsweise unter Verweis auf die Figur 4 konkretisiert. Insbesondere werden der obere und der untere Arm („Greifelement“) in den Blick genommen und dazu erläutert, dass dies diejenigen Vorrichtungsbestandteile sind, die für die ordnungsgemäße Positionierung des Greifbereichs in der Drehgreifvorrichtung sorgen.
  67. Abs. [0042] befasst sich konkret mit der Initiierung der Abdeckungsgreifsequenz:
  68. „Die Abdeckungsgreifsequenz kann durch Drehen [520] des oberen Arms 406 und des unteren Arms 404 der Greifvorrichtung 113 gegeneinander um einen Winkel eingeleitet werden, der die einander zugewandten Greifbereiche 407 und 408 um mindestens die Breite des Behälters 114 trennt, die sich jeweils an dem unteren Arm 404 und dem oberen Arm 406 befinden.“
  69. Hinsichtlich potentieller Bewegungen der Drehgreifvorrichtung im Zusammenhang mit dem Greifvorgang zeigen die zuvor genannten Beschreibungsstellen somit, dass sich nur ihre einzelnen Bestandteile drehen können/dürfen, um als im Wesentlichen ortsfest den Vorgang des Greifens durchführen zu können. Eine Bewegung der gesamten Vorrichtung ist an keiner Stelle gelehrt. Dies dient dem Fachmann als Hinweis, dass insoweit eine Beweglichkeit der Drehgreifvorrichtung grundsätzlich nicht gewünscht ist.
  70. Abs. [0018] steht diesem Verständnis nicht entgegen, wenn er das Bewegen der Greifvorrichtung weg von einem Betriebsbereich der Gelenkarmvorrichtung nach dem Entfernen der Behälterabdeckung beschreibt. Denn diese Beschreibungsstelle betrifft nicht mehr die Entfernung der Abdeckung selbst, sondern davon abzugrenzende potentielle Bewegungen, welche im Anschluss vorgesehen werden können.
  71. In Abs. [0051] am Ende gibt das Klagepatent wiederum Aufschluss über diejenigen Vorrichtungsbestandteile, die beweglich sein sollen. Auszugsweise heißt es:
  72. „[…] Diese bestimmte Wahl der Bewegung kann alle an der Entfernung der Behälterabdeckung 116 beteiligten beweglichen Teile auf einen kleinen Raum innerhalb der Einfassung mit kontrollierter Umgebung 420 beschränken.“
  73. Hierin wird keinerlei eigene Bewegung der Drehgreifvorrichtung gelehrt. Die Gelenkarmvorrichtung soll die maßgeblichen für die Deckelentfernung nötigen Bewegungen durchführen, damit insgesamt der Vorteil einer Vorrichtungsanordnung auf kleinem Raum möglich ist. Dem würde zuwiderlaufen, wenn ein Drehen der Drehgreifvorrichtung als solcher und nicht nur ihrer beiden Greifelemente als zulässig erachtet würde.
  74. Die in der Klagepatentschrift abgebildeten Figuren unterstreichen das zuvor dargestellte Verständnis sowohl im Hinblick auf das Ergreifen als auch auf die im Wesentlichen ortsfeste Position. Insbesondere sprechen die Figuren 5 ff. für das Verständnis des Vorrichtungsanspruchs und der Position der Drehgreifvorrichtung, weil sie die Entfernung der Abdeckung in verschiedenen Phasen veranschaulichen, wenn der Greifbereich schon gegriffen und gehalten wurde. Dabei ist zu erkennen, dass die Drehgreifvorrichtung 113 jedenfalls keine erkennbare Ortsveränderung durchführt, wohingegen die Gelenkarmvorrichtung 115 nach links rotiert und den Behälter nach links unter der Drehgreifvorrichtung hindurchführt. Es finden sich keine Hinweise, wonach diese figürlichen Darstellungen aus den Figuren 5 bis 8 für das Verständnis des Anspruchs 11 nicht herangezogen werden könnten, sondern ausschließlich Geltung für den Verfahrensanspruch hätten. Die Figurenbeschreibung in Abs. [0022] gibt den Hinweis, dass diese Figuren eine Draufsicht-Darstellung einer Gelenkarmvorrichtung und einer Greifarmvorrichtung jeweils in unterschiedlichen Phasen des Entfernens zeigen. Ein Bezug zum Verfahren wird erst für die Figuren 9 ff. aufgestellt. Auch anderen Beschreibungsstellen, etwa Abs. [0051] und [0053], welche sich auf diese Figuren beziehen, ist auch kein einschränkendes Verständnis zu entnehmen. Gegen die Ansicht der Klägerin spricht im Übrigen, dass die beanspruchten Vorrichtungselemente diejenigen Komponenten sind, die das Verfahren ausführen müssen und deshalb eine entsprechende Konfiguration aufweisen müssen. Daher gibt eine Darstellung das Verfahrensablaufs hier auch Aufschluss über die Vorrichtung als solche. Dies trifft sodann auf die Figur 11 zu, welche in Gestalt eines Ablaufdiagramms zeigt, dass der Behälter diagonal bewegt wird, während die Drehgreifvorrichtung den Greifbereich im Wesentlichen ortsfest hält.
  75. Die Figur 4 veranschaulicht die einzelnen Bestandteile einer Drehgreifvorrichtung und stellt insbesondere den oberen und den unteren Arm dar und erläutert deren Bewegungsmöglichkeiten. Die Flussdiagramme in den Figuren 9 ff. beschreiben weiterhin den Greifvorgang anhand einer bevorzugten Ausführungsform, die einen Sensor beinhaltet, um Informationen des Greifbereichs zu erfassen. Sämtliche dieser Figuren belegen nur, dass die beiden Arme der Drehgreifvorrichtung bewegt/gedreht werden können. Hinweise auf andere Bewegungen wie etwa eine solche der gesamten Vorrichtung finden sich dort nicht. Dies betrifft auch die Phase während der eigentlichen Entfernung der Abdeckung.
  76. Der seitens der Beklagten angeführte Stand der Technik (Anlagen MW 5a und MW 5b) gibt schließlich weitergehenden Aufschluss über das Verständnis des Klagepatents. Im Klagepatent wird in Abs. [0008] zur US2005/XXX A1, was der D1 nach der Anlage MW5b entspricht, ein Verfahren nebst Vorrichtung erläutert, wo bereits bekannt war, eine Abdeckung ausgehend von derjenigen Stelle abzuziehen, die eine nur verringerte Haftfestigkeit aufweist. Aussagen zu notwendigen Bewegungen von Vorrichtungselementen werden nicht getroffen. Aus den Ausführungen der Prüfungsabteilung ergibt sich aber, dass der Unterschied zwischen der D1 und der erfindungsgemäßen Lehre gerade in dem im Wesentlichen ortsfesten Halten des Greifbereichs liegt, während der Behälter zur Entfernung der Abdeckung bewegt wird. Dies spricht für eine gemeinsame Betrachtung des eigentlichen Greifens mit dem Halten und betont wiederum, dass der herbeigeführte Haltezustand das entscheidende Kriterium für eine erfindungsgemäße Deckelentfernung ist.
  77. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform macht bei dem vorstehend beschriebenen Verständnis der Lehre des Klagepatentes keinen Gebrauch von Merkmal 4.b).
  78. Die angegriffene Ausführungsform besteht aus verschiedenen Modulen, die eine Verarbeitungsstraße bilden. Diese Abfolge von Komponenten wird zum Füllen und Fertigstellen von Produkten eingesetzt und zwar derart, dass diese gebrauchsfertig ausgegeben werden. Die einzelnen Arbeitsstationen können dabei modular an den jeweiligen Produktionszweck angepasst werden. Außerdem weist die angegriffene Ausführungsform eine an allen sechs Seiten verschlossene Umhausung auf, welche alle Stationen umgibt und eine Isolation bereitstellt. Die Verarbeitungsstraße in Alleinstellung trägt die Bezeichnung „A“ und die Umhüllung wird als „Isolator“ beschrieben. Dieser grundsätzliche Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist zwischen den Parteien unstreitig.
  79. a.
    Die Darlegungs- und nötigenfalls Beweislast für die Funktionsweise und den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform trifft hier gemäß der allgemeinen zivilprozessualen Regeln im Sinne des § 138 ZPO die Klägerin, weil sie aus diesen Tatsachen die Verletzung des Anspruchs, als für sie günstigen Umstand aufzeigen will. Sie muss daher entsprechenden Vortrag in schlüssiger Weise präsentieren. Die Beklagtenseite ist sodann gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Er kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten in der gleichen Weise substantiiert sein, wie es das Vorbringen des Klägers ist. Prinzipiell gilt der Grundsatz, dass je substantiierter der Sachvortrag des Klägers ist, desto strenger auch die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten sind (Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 147 m.w.N.).
  80. b.
    Diesen Anforderungen genügt das tatsächliche Vorbringen der Klägerin nicht.
  81. In der Klageschrift hat die Klägerin nur pauschal vorgetragen, dass das Entfernen des Deckels im Wesentlichen durch die Bewegung des Behälters mittels des Gelenkarms erfolgt. Hierzu behauptet die Klägerin lediglich, dass die Drehgreifvorrichtung nichts weiter tue, als den Greifbereich zu ergreifen. Die in Bezug genommene Anlage K 17, die einen Screenshot vom „Peeling“ zeigen soll, macht die einzelnen Vorrichtungsbestandteile der angegriffenen Ausführungsform nicht deutlich, weil sie von Dampf überlagert werden. Auch im Übrigen ist sie bezüglich näherer Hinweise zum ortsfesten Ergreifen in der angegriffenen Ausführungsform unbrauchbar, da das erste Bild verpixelt und das zweite Bild eine Phase mit schon gelöster Abdeckung zeigt. Weitere Belege oder eine detaillierte Beschreibung des Bewegungsablaufs der Drehgreifvorrichtung fehlen an dieser Stelle.
  82. Soweit die Klägerin in der Replik auf die Kritik und die weiteren Ausführungen der Beklagten zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform auf Videoausschnitte und Screenshots verweist, um die im Wesentlichen ortsfeste Position der Drehgreifvorrichtung aufzuzeigen, gelingt dies nicht.
  83. Die seitens der Klägerin in der Replik eingeblendeten Ausschnitte aus dem Video „XXX“ über die angegriffene Ausführungsform vermögen die Position der Drehgreifvorrichtung nicht zu veranschaulichen (vgl. auch Screenshots Anlage MW 3, teils identisch mit der Anlage K 15). Nach dem Vorbringen der Klägerin sollen die ersten vier Abbildungen schon nur den Vorgang der Positionierung des Behälters in Richtung auf die Drehgreifvorrichtung bis hin zum anschließenden Ergreifen des Greifbereichs darlegen und somit nicht den gesamten Vorgang der Deckelentfernung zeigen. Zudem ist aufgrund der farblichen Gestaltung dieser Screenshots und der teilweisen Überlagerung der Drehgreifvorrichtung durch einen Schriftzug die Drehgreifvorrichtung nur schwerlich zu erkennen und deren konkrete Positionierung nicht auszumachen.
  84. Anderes folgt nicht aus der Gesamtschau der Abbildungen gemäß Anlagen K 22 und K 15. Die Abbildung gemäß der Anlage K 22 (Auszüge aus dem Video „A Move 6 – Advanced Compliance“, stammend von der Website der Beklagten) soll den Beginn des Abziehvorgangs nach dem Ergreifen der Behälterabdeckung zeigen und die Abbildung auf Seite 1 der Anlage K 15 einen fortgeschrittenen Zeitpunkt während der Deckelentfernung. Ein Vergleich dieser Ansichten soll nach Auffassung der Klägerin ergeben, dass der Greifarm der Greifvorrichtung in demselben Winkel stehe wie zu Beginn des Abziehvorgangs.
  85. Anlage K 22:
  86. Anlage K 15:
  87. Diesem klägerischen Vorbringen vermag die Kammer nicht beizutreten. Wie die Klägerin selbst einräumt, handelt es sich um Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform aus unterschiedlichen Perspektiven, die einen Vergleich der Position der Drehgreifvorrichtung zu unterschiedlichen Zeitpunkten nicht ermöglichen. Es fehlen objektive Anhaltspunkte in den Screenshots, die eine solche Gegenüberstellung auf verlässliche Weise zulassen könnten.
  88. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Klägerin, wonach sich die Drehgreifvorrichtung allenfalls um 5° in ihrer Position verändern würde. Die Klägerin legt hierzu als Anlage K 23 drei Screenshots vor, welche zur Veranschaulichung nachfolgend eingeblendet werden:
  89. Unbeschadet dessen, dass der maßgebliche Bereich der Drehgreifvorrichtung in der ersten Abbildung durch einen Schriftzug überlagert ist und die angegriffene Ausführungsform in ihrer Ausgangsposition nur schwerlich zu erkennen ist, sind auch bei den ersten beiden Aufnahmen die Kamerapositionen nicht identisch und ein Vergleich der Position der Drehgreifvorrichtung ist nicht möglich. Für die Bemessung der Drehung der Drehgreifvorrichtung um angeblich 5°, veranschaulicht durch den kleinen roten Pfeil in der dritten Abbildung, orientiert sich die Klägerin an den Abbildungen 4a und 5a aus der Klageerwiderung (vgl. Anlage MW 3), in denen die Beklagte ein Lot zur Veranschaulichung der Positionierung der Drehgreifvorrichtung eingezeichnet hat. Wie die Klägerin sodann diese Bemessung im Einzelnen vorgenommen hat, ist aber nicht dargelegt worden und für die Kammer daher nicht nachvollziehbar.
  90. Bei dieser Bewertung verbleibt es auch nach dem ergänzenden Vorbringen in dem Termin zur mündlichen Verhandlung. Denn auf das substantiierte und mit Lichtbildern, welche den – seinem Ablauf nach unstreitig gebliebenen –Vorgang der Deckelentfernung sukzessive und vor allem aus derselben Perspektive darstellen (vgl. Anlage MW 6), untermauerte Vorbringen der Beklagten in der Duplik hat die Klägerin nicht mit weiteren überzeugenden Tatsachen reagiert. Soweit sie behauptet, der aus der Abb. 8 erkennbare Winkel, um welchen sich die Drehgreifvorrichtung bewegt habe, betrage allenfalls 38° und nicht, wie die Beklagten schätzungsweise angegeben hätten 50°, entbehrt diese Behauptung jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Zu diesem Ergebnis gelangt die Klägerin nämlich nur durch eine Winkelmessung mittels Geodreieck auf dem Lichtbild in dem Schriftsatz selbst. Ebenso wenig erläutert die Klägerin, wie diese Messung mit ihrem vorherigen Vortrag in der Replik, es handele sich um eine Bewegung um 5°, in Einklang zu bringen ist. Dieses Vorbringen ist somit widersprüchlich und es bedarf keiner Aufklärung, ob eine Drehung um 38° überhaupt noch als im Wesentlichen ortsfest angesehen werden könnte.
  91. III.
    Mangels Patentverletzung stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
  92. C.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
  93. Streitwert: 500.000,- Euro

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