4a O 17/20 – Verschlussvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3185

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. Dezember 2021, Az. 4a O 17/20

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
    II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
  2. Tatbestand
  3. Die Parteien streiten über Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf und Schadensersatzfeststellung wegen Patentverletzung.
    Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 833 XXX B1 (Anlage K 1; nachfolgend: Klagepatent). Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung erfolgte am 12.12.2013 und wurde am 11.02.2015 offengelegt. Die Veröffentlichung im Patentblatt erfolgte am 27.04.2016. Das Klagepatent nimmt eine Priorität vom 14.12.2012 in Anspruch und steht in Kraft. Gegen das Klagepatent ist eine Nichtigkeitsklage unter dem Aktenzeichen 4 Ni 18/20 (EP) beim Bundespatentgericht anhängig.
    Das Klagepatent betrifft eine Verschlussvorrichtung zum lösbaren Verbinden zweier Teile.
    Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
    „Verschlussvorrichtung (1) zum lösbaren Verbinden zweier Teile, mit
    – einem ersten Verschlussteil (2) und einem zweiten Verschlussteil (3), wobei das erste Verschlussteil (2) zum Schließen der Verschlussvorrichtung (1) an das zweite Verschlussteil (3) ansetzbar und in einer Schließstellung an dem zweiten Verschlussteil (3) gehalten ist,
    – einem ersten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (220, 221) des ersten Verschlussteils (2) und einem zweiten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (320, 321) des zweiten Verschlussteils (3), wobei der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) zum Schließen in eine Eingriffsrichtung (Y) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff bringbar ist und in der Schließstellung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (3210, 321) in Eingriff steht,
    gekennzeichnet durch einen
    an dem zweiten Verschlussteil (3) angeordneten Sperrelement (33, 34), das beim Ansetzen des ersten Verschlussteils (2) an das zweite Verschlussteil (3) durch Zusammenwirken mit dem ersten Verschlussteil (2) aus einer Grundstellung herausbewegt wird, so dass der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) in die Eingriffsrichtung (Y) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff bringbar ist, und bei oder nach Herstellung des Eingriffs zurück in seine Grundstellung gelangt, um in der Grundstellung den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs (220, 221) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) entgegen der Eingriffsrichtung (Y) zu sperren, und
    dass zwischen dem ersten Verschlussteil (2) und dem zweiten Verschlussteil (3) magnetische Mittel (25, 35) wirken, die ausgebildet sind, das Ansetzen des ersten Verschlussteils (2) an das zweite Verschlussteil (3) durch Bereitstellen einer magnetischen Anziehungskraft zu unterstützen.“
  4. Unteranspruch 2 des Klagepatents lautet wie folgt:
    „Vorschlussvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) und der zweite Eingriffsvorsprung (320, 321) starr an einem Grundkörper (20, 30) des jeweils zugeordneten Verschlussteils (2, 3) ausgebildet sind.“
  5. Nachfolgend werden in verkleinerter Darstellung die Figuren 1A und 1B des Klagepatents wiedergegeben, die unterschiedliche perspektivische Ansichten eines ersten Ausführungsbeispiels einer patentgemäßen Verschlussvorrichtung zeigen:
  6. Nachfolgend werden zudem die Figuren 5A bis 5F eingeblendet, die eine Schnittansicht des ersten Ausführungsbeispiels einer Verschlussvorrichtung zu verschiedenen Zeitpunkten des Verschlussvorgangs zeigen:
  7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K 1) Bezug genommen.
  8. Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und zu 3) sind, ist ein Unternehmen, das Verschlussvorrichtungen herstellen lässt und vertreibt, unter anderem Führstricke (z.B. für Pferde) unter der Bezeichnung „Z“, die im Original als Anlage K 3/B 4/B 9 zur Akte gereicht wurden (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagten zu 4) und zu 5) bieten die angegriffene Ausführungsform über das Internet zum Erwerb an.
  9. Nachfolgend wird eine leicht verkleinerte, schematische Darstellung der angegriffenen Ausführungsform eingeblendet, die der Anlage B 6 entnommen ist. Die Beschriftung rührt von den Beklagten zu 1) bis 4) her.
  10. Die Parteien führten vorgerichtlich Vertragsverhandlungen über die Erteilung einer Lizenz, die jedoch scheiterten.
  11. Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 5) stelle die angegriffene Ausführungsform her.
    Sie ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
    Den Begriff „Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt“ verstehe der Fachmann dahin, dass das Verschlussteil einen Vorsprung aufweise, der mit Bezug auf die Schließrichtung quer vorspringe und auf diese Weise einen Hinterschnitt ausbilde, und daher geeignet sei, in Eingriff mit einem anderen Bauteil zu gelangen, so dass der Vorsprung die Relativbewegung des anderen Bauteils in der Schließrichtung sperren könne. Hinterschnitt bedeute, dass sich entlang einer bestimmten Richtung der Querschnitt eines Bauteils quer zu der Richtung so verändere, dass in der entgegengesetzten Richtung ein Formschluss entstehen könne, d.h. dass die Bewegung des Bauteils in der bestimmten Richtung gesperrt werde. Auf die Form der Außenfläche des Bauteils oder deren Winkel komme es nicht an.
    Die Klägerin ist der Auffassung, die Eingriffsrichtung im Sinne des Klagepatents sei unabhängig von einer Lastrichtung und meine diejenige Richtung, in der der erste Eingriffsvorsprung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff bewegt werde. Die Eingriffsrichtung entspreche dabei einer Richtung, in der die Eingriffsvorsprünge mit Bezug auf die Schließrichtung quer vorspringen und somit miteinander in Eingriff gebracht werden könnten. Miteinander in Eingriff bringen bedeute, dass die beiden Eingriffsvorsprünge relativ in Position gebracht würden, in denen die beiden Eingriffsvorsprünge sich gegenseitig bei einer Relativbewegung entgegen der Schließrichtung sperrten, also einander im Weg seien. Die Schließstellung im Sinne des Klagepatents sei diejenige Stellung, in der beide Verschlussteile nicht mehr durch bloße Relativbewegung voneinander getrennt werden könnten. Ob eine Zugbelastung stattfinde oder das erste Verschlussteil etwas Spiel habe, sei für die Schließstellung irrelevant. Die Schließstellung werde zudem sowohl durch das formschlüssige In-Eingriff-Stehen der Eingriffsvorsprünge als auch das Sperren durch das Sperrelement erreicht. Es gebe gerade keine weitere, nicht gesperrte Schließstellung, in der die Verschlussteile ohne eine Sperrung aneinander gehalten würden. Unter „formschlüssig“ verstehe der Fachmann, dass in der Schließstellung ein Bauteil die Bewegung eines anderen Bauteils in eine Richtung sperre bzw. dem anderen Bauteil in einer Richtung „im Weg sei“. Ein Verhaken der Formen sei hierfür nicht erforderlich. Insoweit verstehe der Fachmann unter einem „Formschluss“ etwas anderes als unter einem „Kraftschluss“, wie er zum Beispiel durch Magnetkraft oder durch Verklemmen erzielt werde. Ein fester Halt der Eingriffsvorsprünge im Sinne des Klagepatents werde sowohl durch die Eingriffsvorsprünge als auch durch das Sperrelement hergestellt. Was passiere, wenn die Schließstellung aufgehoben werde, indem das Sperrelement aus der Grundstellung herausbewegt werde, sei daher irrelevant.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform seien patentgemäße Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt im vorgenannten Sinne zu finden, die in Eingriff miteinander zu bringen seien, wie es anhand der Markierungen auf der Abbildung auf Seite 8 des klägerischen Schriftsatzes vom 15.03.2021 erkennbar sei. Das Schließen in die Schließstellung erfolge in der dort eingezeichneten Eingriffsrichtung (nach unten). Die Schließstellung werde dadurch erreicht, dass sich die Eingriffsvorsprünge am Ankerkopf des ersten Verschlussteils und am zweiten Verschlussteil in einer Richtung quer zur Schließrichtung aufeinander zu, d.h. in Eingriffsrichtung, bewegten und so miteinander in Eingriff gebracht würden. In der Schließstellung, d.h. wenn das Sperrelement (wieder) in seiner Grundstellung sei, sperrten die beiden Eingriffsvorsprünge einander, d.h. sie stünden formschlüssig miteinander in Eingriff, so dass die beiden Verschlussteile entgegen der Schließrichtung nicht auseinander bewegt werden könnten. Der Schließmechanismus der angegriffenen Ausführungsform ergebe sich insoweit aus Fig. 1 der Offenlegungsschrift DE 10 2019 XXX 658 A1 (im Folgenden „DE 658“) der Beklagten zu 1). Es komme bei der angegriffenen Ausführungsform insbesondere auch ohne das Ausüben einer Zugbelastung zu einem Kontakt zwischen dem Ankerkopf und dem „weiblichen Verschlussteil“ entgegen der Schließrichtung. Bei der angegriffenen Ausführungsform stünden die beiden Eingriffsvorsprünge zudem auch nach dem Öffnen des Sperrelements weiterhin in einem formschlüssigen Eingriff, solange sie nicht durch Anwendung einer äußeren Kraft daraus befreit würden. Ferner sperre ihrer Auffassung nach das Sperrelement der angegriffenen Ausführungsform den formschlüssigen Eingriff entgegen der Eingriffsrichtung. Denn das stabförmige Sperrelement verhindere, dass die beiden Eingriffsvorsprünge aus ihrem gegenseitigen formschlüssigen Eingriff (in Bezug auf die Richtung entgegen der Schließrichtung) kommen könnten.
    Schließlich sei auch eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht veranlasst. Denn die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent werde mit hoher Wahrscheinlichkeit abgewiesen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagepatents sei von den Entgegenhaltungen WO 2011/XXX A 1 (NK 6), WO 2009/XXX A2 (NK 7) und US 2004/XXX (NK 8) weder neuheitsschädlich vorweg genommen noch nahe gelegt.
  12. Die Klägerin beantragt,
    I. die Beklagten zu verurteilen,
    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    Verschlussvorrichtungen zum lösbaren Verbinden zweier Teile, mit
    – einem ersten Verschlussteil und einem zweiten Verschlussteil, wobei das erste Verschlussteil zum Schließen der Verschlussvorrichtung an das zweite Verschlussteil ansetzbar und in einer Schließstellung an dem zweiten Verschlussteil gehalten ist,
    – einem ersten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt des ersten Verschlussteils und einem zweiten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt des zweiten Verschlussteils, wobei der erste Eingriffsvorsprung zum Schließen in eine Eingriffsrichtung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff bringbar ist und in der Schließstellung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff steht,
    einem an dem zweiten Verschlussteil angeordneten Sperrelement, das beim Ansetzen des ersten Verschlussteils an das zweite Verschlussteil durch Zusammenwirken mit dem ersten Verschlussteil aus einer Grundstellung herausbewegt wird, so dass der erste Eingriffsvorsprung in die Eingriffsrichtung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff bringbar ist, und bei oder nach Herstellung des Eingriffs zurück in seine Grundstellung gelangt, um in der Grundstellung den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs mit dem zweiten Eingriffsvorsprung entgegen der Eingriffsrichtung zu sperren,
    wobei zwischen dem ersten Verschlussteil und dem zweiten Verschlussteil magnetische Mittel wirken, die ausgebildet sind, das Ansetzen des ersten Verschlussteils an das zweite Verschlussteil durch Bereitstellen einer magnetischen Anziehungskraft zu unterstützen,
    in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    insbesondere, wenn der erste Eingriffsvorsprung und der zweite Eingriffsvorsprung starr an einem Grundkörper des jeweils zugeordneten Verschlussteils ausgebildet sind.
    2. ihr darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 27. Mai 2016 begangen haben, und zwar unter Angabe
    a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (namentlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    3. ihr darüber Rechnung zu legen in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 27. Mai 2016 begangen haben, und zwar unter Angabe
    a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
    wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt ihr einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, ihr auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    4. nur die Beklagten zu 1), 4) und 5): die ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von ihr zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben oder – nach ihrer Wahl – selbst zu vernichten;
    5. nur die Beklagten zu 1), 4) und 5): die unter Ziffer 1 bezeichneten seit dem 27. Mai 2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
    II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 27. Mai 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  13. Die Beklagten beantragen,
  14. die Klage abzuweisen,
  15. hilfsweise,
  16. den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem parallel anhängigen Nichtigkeitsverfahren betreffend den Rechtsbestand des deutschen Teils des EP 2 XXX 754 (DE 50 2013 XXX 852.6) auszusetzen.
  17. Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche bereits nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs.
    Sie sind der Auffassung, bei „Eingriffsvorsprüngen mit Hinterschnitt“ im Sinne des Klagepatents handele es sich um eine qualifizierte Ausgestaltung eines Eingriffsvorsprungs. Hinterschnitte im Sinne des Klagepatents seien flächige Ausformungen der jeweiligen Eingriffsvorsprünge, deren – in der Schließstellung anliegenden – Flächen (mindestens) parallel zur Eingriffsrichtung (Y) orientiert seien und so keine Querbewegungen zuließen. Dies gehe insbesondere aus den Ausführungsbeispielen hervor. Das Merkmal des Hinterschnitts müsse im Funktionszusammenhang mit den weiteren Merkmalen ausgelegt werden. Auch wenn sich der Anspruch nicht auf bestimmte Flächen oder Winkel festlege, sei danach ein Hinterschnitt im Sinne des Klagepatents nur eine Gestaltung, die einen Formschluss der beiden Eingriffsvorsprünge der Verschlussteile miteinander ermögliche, so dass diese in der Schließstellung einen festen Halt der Verschlussteile aneinander herstellten. Ausgenommen vom Sinngehalt des Merkmals seien damit insbesondere alle Gestaltungen, bei denen es zwar zu einem Kontakt zwischen den Elementen (Flächen) komme, aber damit kein Formschluss erreicht werden könne. Um das Sperren quer zur Eingriffsrichtung sicherzustellen, dürften die flächigen Ausformungen der Eingriffsvorsprünge (Hinterschnitte) insbesondere nicht in einem stumpfen Winkel in Belastungsrichtung quer zur bzw. entgegen der Eingriffsrichtung abgeschrägt sein. Nach ihrer Ansicht sei ferner das Sperrelement nicht Teil des zu erzielenden Formschlusses und habe an dem festen Halt der Verschlussteile keinen Anteil. Insoweit setze der Anspruchswortlaut einen bereits bestehenden Formschluss voraus, der durch die Gestaltung der miteinander in Eingriff stehenden Elemente bewirkt worden sei, so dass es nicht ausreiche, wenn das Sperrelement dazu diene, überhaupt erst einen Formschluss herbeizuführen. Das Sperrelement sichere vielmehr den bereits erzielten Formschluss entgegen der Eingriffsrichtung, wie es insbesondere aus Absatz [0012] der Beschreibung des Klagepatents hervorgehe.
    Sie sind weiter der Auffassung, der angegriffenen Ausführungsform fehle es bereits an klagepatentgemäßen Eingriffsvorsprüngen mit Hinterschnitt. Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolge auch weder das Schließen in die Schließstellung in Eingriffsrichtung noch seien die Eingriffsvorsprünge in die Eingriffsrichtung formschlüssig in Eingriff miteinander zu bringen. Denn in die Verschluss-Stellung gelange die angegriffene Ausführungsform erst durch Applikation einer Zugbelastung, so dass der Kugelanker in entgegengesetzter Richtung zur von der Klägerin angenommenen Eingriffsrichtung aufgleite. Soweit sich die Klägerin in ihrer Begründung einer Patentverletzung auf die Zeichnung aus der offengelegten Anmeldeschrift DE 10 2019 XXX 658 A1 der Beklagten zu 1) beziehe, sei dies nicht korrekt, da sich die dort in Fig. 1 gezeigte Verschlussvorrichtung und die angegriffene Ausführungsform zwar ähnelten, sich aber in bedeutenden konstruktiven Details unterschieden. Insbesondere stehe der Ankerkopf in der Schließstellung (ohne Zugbelastung) nirgends mit dem weiblichen Verschlussteil in Eingriff, sondern habe „Spiel“, weil der Kugelkopf durch Magnetkraft in Schließrichtung am hinteren Magneten gehalten werde. Während des Schließvorgangs bewegten sich die von der Klägerin so bezeichneten „Eingriffsvorsprünge“ kontinuierlich voneinander weg und seien in der Schließstellung radial und axial voneinander beabstandet. Dies sei funktional und konstruktiv beabsichtigt, um das Auslösen des Ankerkopfes unter Zugbelastung zu garantieren und ein Verklemmen des Ankerkopfes zu vermeiden. Erst die Ausübung einer Zugbelastung auf den Ankerkopf führe dazu, dass es zu einer Berührung der zwei Abschrägungen entgegen der Schließrichtung komme. Insoweit ermöglichten die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen Abschrägungen bzw. Auflaufschrägen mangels Hinterschnitts nur ein Ab- bzw. Aufgleiten in bzw. entgegen der Eingriffsrichtung entlang der Abschrägungen, jedoch weder ein „Eingreifen“ noch einen Formschluss. Ein Ausgleiten des Kugelankers aus der Verschlussöffnung unter Zugbelastung werde allein dadurch verhindert, dass der obere Fortsatz der Schiebeeinheit die aufgleitende Bewegung des Kugelankers in vertikaler Richtung begrenze. Ein Formschluss werde daher gerade nicht allein durch die beiden Eingriffsvorsprünge gebildet, sondern höchstens erst im Zusammenwirken mit dem Schiebeelement, was nicht ausreiche. Insbesondere bleibe auch eine relative Bewegung der Bauteile zueinander möglich. Ohne das Schiebelement könne der Ankerkopf in der Schließstellung nicht gehalten werden, sondern gleite ungehindert entlang der Schrägflächen hinaus, wenn die Anziehungskraft des Magnetteils weggedacht würde. Im Gegensatz zur patentgemäßen Lehre habe dies zwar den Nachteil, dass sich die beiden Verschlussteile nicht gegenseitig in Eingriff hielten, es erlaube indes ein einfaches und zuverlässiges Lösen der Verbindung im Notfall. Der wesentliche funktionale Unterschied gegenüber der Klageerfindung bestehe gerade darin, dass ein Ineinandergreifen der Verschlussteile vermieden werden soll, so dass diese unter Zugbelastung auslösen können, wenn das Sperrelement aus seiner Grundstellung herausbewegt werde. Es handele sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Weiterentwicklung einer Steckschnalle, von der sich das Klagepatent ausdrücklich abgrenze, indem auf federnd ausgelegte (elastische) Rastelemente verzichtet werde. Die Eingriffsrichtung sei bei der angegriffenen Ausführungsform ferner entgegen der Ansicht der Klägerin die Richtung der Zugbelastung. Das Schiebelement der angegriffenen Ausführungsform sperre zudem insbesondere nicht entgegen der (von der Klägerin angenommenen) Eingriffsrichtung, sondern quer, und entspreche damit nicht dem klagepatentgemäßen Sperrelement.
  18. Hilfsweise sei der Rechtsstreit auszusetzen, da der nach dem Klagepatent beanspruchte Schutzgegenstand nicht neu sei, so dass der deutsche Teil des Klagepatents mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit für nichtig erklärt werde. Insoweit verweist sie zur Begründung der mangelnden Neuheit auf die Entgegenhaltungen NK 6 – dort die in den Figuren 1a bis 1e und 3a bis 3f gezeigten Ausführungsbeispiele – sowie NK 7. Zudem fehle es an einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der NK 8 (Anlage B 2).
  19. Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben insbesondere die Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
  20. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
  21. Entscheidungsgründe
  22. Die zulässige Klage ist unbegründet.
  23. I.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen der geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach sowie auf Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB.
  24. 1.
    a.
    Das Klagepatent betrifft eine Verschlussvorrichtung zum lösbaren Verbinden zweier Teile.
    In seiner einleitenden Beschreibung erläutert das Klagepatent in Absatz [0002] (nachfolgend sind Absätze ohne Quellenangaben solche des Klagepatents), dass eine derartige Verschlussvorrichtung ein erstes Verschlussteil und ein zweites Verschlussteil umfasst. Das erste Verschlussteil ist zum Schließen der Verschlussvorrichtung an das zweite Verschlussteil ansetzbar und wird in einer Schließstellung an dem zweiten Verschlussteil gehalten. Ein erster Eingriffsvorsprung des ersten Verschlussteils kann zum Schließen der Verschlussvorrichtung in einer Eingriffsrichtung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff gebracht werden und steht in der Schließstellung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff. An dem zweiten Verschlussteil ist weiterhin ein Sperrelement angeordnet, das beim Ansetzen des ersten Verschlussteils an das zweite Verschlussteil durch Zusammenwirken mit dem ersten Verschlussteil aus einer Grundstellung herausbewegt wird, so dass der erste Eingriffsvorsprung in die Eingriffsrichtung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff gebracht werden kann. Bei oder nach Herstellung des Eingriffs zwischen dem ersten Eingriffsvorsprung und dem zweiten Eingriffsvorsprung gelangt das Sperrelement zurück in seine Grundstellung, um in der Grundstellung den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs mit dem zweiten Eingriffsvorsprung entgegen der Eingriffsrichtung zu sperren.
    Das Klagepatent erörtert verschiedene aus dem Stand der Technik bekannte Verschlussvorrichtungen. So schildert es, dass die KR 20 1996 XXX XXX Y1 eine Verschlussvorrichtung offenbart, bei der ein Verschlussteil über eine Befestigungsplatte an einem Gegenstand befestigt wird, wobei diese Öffnungen aufweist, die mit Eingriffsvorsprüngen des Verschlussteils in Eingriff gebracht werden können. An den Öffnungen sind Federzungen vorgesehen, die beim Ansetzen des Verschlussteils an die Befestigungsplatte elastisch ausweichen und nach Herstellen einer formschlüssigen Verbindung der Eingriffsvorsprünge des Verschlussteils mit dem Rand der Öffnungen der Befestigungsplatte zurück in ihre Grundstellung gelangen, um in der Grundstellung ein Lösen der Eingriffsvorsprünge aus ihrem Eingriff zu sperren (Absatz [0003]). Das Klagepatent nennt im Stand der Technik zudem die DE 43 XX 032 C2 (im Folgenden „DE 032“, Anlage KMG-B 1), die einen Verschluss offenbart, bei dem an einem ersten Verschlussteil ein Zapfen angeordnet ist, der mit einer Eingriffsaussparung an einem zweiten Verschlussteil in Eingriff gebracht werden kann. Beim Ansetzen drängt der Zapfen ein Sperrelement beiseite, das nach Herstellen des Eingriffs des Zapfens des ersten Verschlussteils mit der Eingriffsaussparung des zweiten Verschlussteils zurück in eine Grundstellung gelangt, in der der Eingriff des Zapfens mit der Eingriffsaussparung gesperrt ist. Zum Lösen des Zapfens aus der Eingriffsaussparung kann das Sperrelement betätigt werden, um den Zapfen freizugeben und aus der Eingriffsaussparung zu entfernen. Das Klagepatent beschreibt es als nachteilig, dass bei diesem Verschluss Zapfen und Eingriffsaussparung vergleichsweise exakt manuell in Eingriffsrichtung in Eingriff gebracht werden müssen, was z.B. bei Dunkelheit schwierig sein kann (Absatz [0033]). Das Klagepatent nennt weiter die WO 2008/XXX A2 (im Folgenden „WO XX“, Anlage KMG-B 2), die eine Magnetsteckschnalle offenbart, bei der ein erstes Verschlussteil in ein zweites Verschlussteil eingesteckt werden kann, wobei an dem zweiten Verschlussteil an einer Federplatte eine Rastnase angeordnet ist, die in einer Schließstellung der Verschlussvorrichtung mit einer Rastausnehmung an dem ersten Verschlussteil in Eingriff gebracht werden kann (Absatz [0006]), sowie in Absatz [0007] die NK 8 (Anlage KMG-B 3), ohne Letztere näher zu beschreiben oder an ihr Kritik zu üben.
    Davon ausgehend nennt es das Klagepatent als seine Aufgabe, eine Verschlussvorrichtung bereitzustellen, die ein leichtes Schließen in haptisch angenehmer, leichtgängiger Weise, einen festen Halt in der Schließstellung und damit eine sichere Verbindung zwischen zu verbindenden Teilen gewährleistet und zudem in leichter, komfortabler Weise zu öffnen ist (Absätze [0005] und [0008]).
  25. b.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Verschlussvorrichtung zum lösbaren Verbinden zweier Teile gemäß Anspruch 1 vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
    1.1 Verschlussvorrichtung (1) zum lösbaren Verbinden zweier Teile;
    1.2 Die Verschlussvorrichtung weist ein erstes Verschlussteil (2) und ein zweites Verschlussteil (3) auf.
    1.3 Das erste Verschlussteil (2) ist zum Schließen der Verschlussvorrichtung (1) an das zweite Verschlussteil (3) ansetzbar und ist in einer Schließstellung an dem zweiten Verschlussteil (3) gehalten.
    1.4 Das erste Verschlussteil (2) weist einen ersten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (220, 221) und das zweite Verschlussteil (3) weist einen zweiten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (320, 321) auf.
    1.5 Der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) ist zum Schließen in eine Eingriffsrichtung (Y) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff bringbar und steht in der Schließstellung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff.
    1.6 Ein an dem zweiten Verschlussteil (3) angeordnetes Sperrelement (33, 34) wird beim Ansetzen des ersten Verschlussteils (2) an das zweite Verschlussteil (3) durch Zusammenwirken mit dem ersten Verschlussteil (2) aus einer Grundstellung herausbewegt, so dass der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) in die Eingriffsrichtung (Y) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff bringbar ist.
    1.7 Das Sperrelement gelangt bei oder nach Herstellung des Eingriffs zurück in seine Grundstellung, um in der Grundstellung den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs (220, 221) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) entgegen der Eingriffsrichtung (Y) zu sperren.
    1.8 Zwischen dem ersten Verschlussteil (2) und dem zweiten Verschlussteil (3) wirken magnetische Mittel (25, 35), die ausgebildet sind, das Ansetzen des ersten Verschlussteils (2) an das zweite Verschlussteil (3) durch Bereitstellen einer magnetischen Anziehungskraft zu unterstützen.
  26. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform macht nicht von allen Merkmalen der geltend gemachten Anspruchskombination unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
    Zwischen den Parteien steht zutreffender Weise nicht in Streit, dass die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 1.1 – 1.3 und 1.8 Gebrauch macht, so dass es in dieser Hinsicht keiner weiteren Ausführungen bedarf. Allerdings fehlt es bereits an einer Verwirklichung der Merkmale 1.4 sowie 1.5, so dass es dahinstehen kann, ob die angegriffene Ausführungsform darüber hinaus auch die Merkmale 1.6 und 1.7 verwirklicht.
  27. a.
    Merkmal 1.4 der geltend gemachten Anspruchskombination des Klagepatents, wonach
    „das erste Verschlussteil (2) einen ersten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (220, 221) und das zweite Verschlussteil (3) einen zweiten Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt (320, 321) aufweist“
    und Merkmal 1.5, wonach
    „der erste Eingriffsvorsprung (220, 221) zum Schließen in eine Eingriffsrichtung (Y) mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff bringbar ist und in der Schließstellung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung (320, 321) in Eingriff steht“,
    sind bei der angegriffenen Ausführungsform nicht unmittelbar und wortsinngemäß verwirklicht.
  28. aa.
    Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 weisen die zwei Verschlussteile der Verschlussvorrichtung jeweils einen Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt auf, wobei der erste Eingriffsvorsprung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung miteinander in Eingriff bringbar ist und die Eingriffsvorsprünge in der Schließstellung schließlich formschlüssig miteinander in Eingriff stehen.
    Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Form bzw. konstruktiven Ausgestaltung der „Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt“. Allerdings wird der Fachmann dem Wortlaut entnehmen, dass die Eingriffsvorsprünge einen Hinterschnitt aufweisen und räumlich dergestalt ausgestaltet sein müssen, dass sie sich dazu eignen, formschlüssig miteinander in Eingriff zu stehen. Insoweit hebt die Formulierung „zum Schließen (…) in Eingriff bringbar“ die technische Funktion bzw. den Zweck des erfindungsgemäßen Gegenstands hervor. Zweckangaben in einem Sachanspruch beschränken als solche dessen Gegenstand zwar regelmäßig nicht (BGH, GRUR 2012, 475 Rn. 17 – Elektronenstrahltherapiesystem; BGH GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II). Die Zweckangabe ist damit aber nicht bedeutungslos. Mittelbar hat sie regelmäßig die Wirkung, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, um für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar zu sein bzw. die angegebene Funktion erfüllen zu können (BGH, a.a.O., Rn. 17 – Elektronenstrahltherapiesystem BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze; BGH GRUR 2018, 1128 Rn. 12 – Gurtstraffer; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2019 – I-15 U 65/17 – Rn. 35, zitiert nach Juris).
    Unter Berücksichtigung der Beschreibung wird der Fachmann den Anspruchswortlaut so verstehen, dass die beiden Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt der Verschlussteile geometrisch so ausgebildet sind, dass sie ineinander greifen und so die zwei Verschlussteile miteinander in einem festen Halt verbinden können, ohne dass sich die Verschlussteile bei hoher Belastung voneinander lösen. Insoweit sieht die patentgemäße Verschlussvorrichtung nach Absatz [0011] des allgemeinen Teils der Beschreibung an zwei Verschlussteilen
    „jeweils einen Eingriffsvorsprung mit Hinterschnitt vor, der insbesondere starr an einem Grundkörper des jeweils zugeordneten Verschlussteils angeordnet sein kann. Diese Eingriffsvorsprünge werden zum Schließen der Verschlussvorrichtung miteinander in Eingriff gebracht, wobei hierzu die Eingriffsvorsprünge so weit aneinander vorbeibewegt werden müssen, bis der erste Eingriffsvorsprung in die Eingriffsrichtung formschlüssig in Eingriff mit dem zweiten Eingriffsvorsprung geschoben werden kann. In der Schließstellung stellen die Eingriffsvorsprünge einen festen Halt der Verschlussteile aneinander her, so dass die Verschlussvorrichtung hoch belastet werden kann, ohne dass sich die Verschlussteile voneinander lösen.“
    Demnach müssen die patentgemäßen Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt geometrisch dergestalt aufeinander abgestimmt sein, dass sie in der Schließstellung einen festen Halt aneinander herstellen, wenn sie in Eingriff gebracht werden.
    Weitere Elemente bzw. Mittel, um diesen festen Halt zu gewährleisten, sind weder nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs noch nach der Beschreibung und den Zeichnungen vorgesehen. Insbesondere erfüllt das im Anspruch 1 beschriebene Sperrelement eine andere Funktion. Denn das Sperrelement gelangt nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 bei oder nach Herstellung des Eingriffs der Eingriffsvorsprünge zurück in seine Grundstellung, um dort den formschlüssigen Eingriff der Eingriffsvorsprünge entgegen der Eingriffsrichtung (Y) „zu sperren“ und damit zu sichern. Entsprechend beschreibt das Klagepatent in Absatz [0012] des allgemeinen Teils der Beschreibung, dass „zusätzlich“ ein Sperrelement vorgesehen ist, um in der Schließstellung ein ungewünschtes Lösen der Verschlussteile voneinander auszuschließen. Denn dort heißt es, dass der Halt des ersten Eingriffsvorsprungs an dem zweiten Eingriffsvorsprung und somit des ersten Verschlussteils an dem zweiten Verschlussteil damit gesichert ist, so dass die Verschlussvorrichtung nicht in unbeabsichtigter Weise geöffnet werden kann.
    Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 ist die „Schließstellung“, in der das Sperrelement den Eingriff sichert, erreicht, wenn der erste Eingriffsvorsprung mit dem zweiten Eingriffsvorsprung formschlüssig in Eingriff steht, wie es beispielhaft in den Figuren 4D/4E und 5D/5E illustriert ist. Auch nach dem vorgenannten Absatz [0011] der Beschreibung ist die Schließstellung erreicht, wenn die Eingriffsvorsprünge einen festen Halt der Verschlussteile aneinander herstellen, so dass die Verschlussvorrichtung hoch belastet werden kann, ohne dass sich die Verschlussteile voneinander lösen. Das Sperrelement kann nach Absatz [0017] der Beschreibung zwar das In-Eingriff-Bringen der Eingriffsvorsprünge beim Herstellen des Eingriffs unterstützen, indem es aufgrund seiner elastischen Ausgestaltung eine Vorspannung auf das erste Verschlussteil bewirkt, die den ersten Eingriffsvorsprung in die Eingriffsrichtung in Eingriff mit dem zweiten Eingriffsvorsprung drückt. In der somit durch den formschlüssigen Eingriff der zwei Eingriffsvorsprünge erreichten Schließstellung beschränkt sich das Sperrelement gemäß Absatz [0018] der Beschreibung jedoch auf das Sperren des erzielten Eingriffs,
    „(…) indem das Sperrelement ein Bewegen des ersten Verschlussteils und somit auch des ersten Eingriffsvorsprungs entgegen der Eingriffsrichtung verhindert, so dass der erste Eingriffsvorsprung nicht entgegen der Eingriffsrichtung außer Eingriff von dem zweiten Eingriffsvorsprung gebracht werden kann“.
    Dementsprechend sehen auch alle Ausführungsbeispiele, wobei auf die Ausführungsbeispiele der Figuren 1A/1B, 2A/2B, 4A bis 4G sowie 5A bis 5G besonders verwiesen wird, Eingriffsvorsprünge vor, die sich durch ihre geometrische Ausbildung ineinander „verhaken“ lassen, um so eine hinreichend feste Verbindung der Verschlussteile herzustellen. Die dort gezeigte Sperrnase (24) nimmt dagegen an dem Eingriff der zwei Verschlussteile nicht unmittelbar teil, sondern sperrt in ihrer Grundstellung den (bereits) durch die Eingriffsvorsprünge erzielten formschlüssigen Eingriff entgegen der Eingriffsrichtung. Wie bereits ausgeführt ist der Halt des ersten Eingriffsvorsprungs an dem zweiten Eingriffsvorsprung und somit des ersten Verschlussteils an dem zweiten Verschlussteil damit gesichert, so dass die Verschlussvorrichtung nicht in unbeabsichtigter Weise geöffnet werden kann (vgl. Absatz [0012]).
    Der Fachmann versteht unter „Eingriffsrichtung (Y)“ zudem die Richtung, in die die Eingriffsvorsprünge bewegt werden müssen, um einen festen Halt der Verschlussteile aneinander herzustellen, mithin um die Schließstellung zu erreichen. So sperrt das Sperrelement in seiner Grundstellung nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs mit dem zweiten Eingriffsvorsprung „entgegen der Eingriffsrichtung“ (Merkmal 1.7). Gleiches ist in den Ausführungsbeispielen der Figuren 4D und 5D dargestellt. Die Eingriffsrichtung Y ist die Richtung, in der die Eingriffsvorsprünge bewegt werden, um sich zu „verhaken“ oder „ineinander greifen“. Daraus, dass erst das Sperrelement, wenn es wieder in seine Grundstellung gelangt, den formschlüssigen Eingriff des ersten Eingriffsvorsprungs mit dem zweiten Eingriffsvorsprung entgegen der Eingriffsrichtung sperrt, folgt zudem, dass in der Schließstellung ohne das Sperrelement eine Relativbewegung entgegen der Eingriffsrichtung noch möglich bleibt. Der durch das In-Eingriff-Bringen der Eingriffsvorsprünge erzielte „feste Halt“ erfordert daher nicht, dass eine Relativbewegung entgegen der Eingriffsrichtung blockiert wird, jedoch dass ein In-Eingriff-Bringen jedenfalls zu einem Formschluss in Richtung der Eingriffsrichtung führen muss.
    Soweit die Klägerin vorträgt, für einen „formschlüssigen Eingriff“ der Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt reiche es aus, wenn deren Form aufeinander so abgestimmt sei, dass sie sich gegenseitig „im Weg“ stünden– insoweit verstehe der Fachmann unter einem „Formschluss“ etwas anderes als einen Kraftschluss, beispielsweise durch ein „Verklemmen“ der Formen – ist dem zwar im Grundsatz zuzustimmen. Aber es stellt keinen klagepatentgemäßen Formschluss dar, wenn die Form der Eingriffsvorsprünge bzw. deren Hinterschnitte aufgrund von Abschrägungen dazu führt, dass sie in und gegen der Eingriffsrichtung aneinander auf- oder abgleiten können. Nach dem technischen Gesamtzusammenhang der Klagepatentschrift bewirkt das formschlüssige In-Eingriff-Stehen der Vorsprünge mit Hinterschnitt einen festen Halt der Verschlussteile aneinander. Letzterer ist bei einem aneinander Auf-/Abgleiten der Vorsprünge freilich nicht vorhanden, so dass sich die Vorsprünge auch nicht „im Weg“ stehen.
  29. bb.
    Die angegriffene Ausführungsform verfügt nicht über klagepatentgemäße Verschlussteile, die Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt aufweisen, miteinander zum Schließen in eine Eingriffsrichtung in Eingriff bringbar sind und in der Schließstellung formschlüssig miteinander in Eingriff stehen.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform wird durch das Ansetzen des Ankerkopfes an das zweite Verschlussteil und bei Eintreten desselben in die Durchtrittsöffnung die Sperrzunge des Schiebeelements aus der Grundstellung nach hinten herausbewegt. Hierdurch kann der Ankerkopf in die Aufnahmeaushöhlung gelangen. Die Sperrzunge gelangt wieder in ihre Grundstellung und verschließt damit die Durchtrittsöffnung des Aufnahmeelements wieder. Der Ankerkopf wird sodann durch die Anziehungskraft des Magnetteils weiter in die Aufnahmeaushöhlung hineinbewegt und stellt Kontakt mit dem Magnetteil her. In dieser Stellung berühren sich die abgeschrägte Fläche des Ankerkopfes und die abgeschrägte Verbindungsfläche des Aufnahmeelements des zweiten Verschlussteils nicht. Vielmehr hat der Ankerkopf in der Aufnahmeaushöhlung in radialer und axialer Richtung „Spiel“, wie es in den nachfolgenden Abbildungen, die von den Beklagten zu 1) bis 4) stammen, illustriert wird:
  30. Ein Kontakt der abgeschrägten Flächen des Ankerkopfes sowie des Aufnahmeelements wird erst durch das Ausüben einer Zugbelastung in horizontaler Richtung hergestellt, so dass der Ankerkopf wieder rückwärts in Richtung Durchtrittsöffnung gezogen wird. Die Durchtrittsöffnung wird dabei durch die sich wieder in ihrer Grundstellung befindliche Sperrzunge versperrt, so dass der Ankerkopf nicht aus der Durchtrittsöffnung aus dem zweiten Verschlussteil hinaus gelangen kann, wie folgt:
  31. Die Klägerin ist den substantiierten Ausführungen der Beklagten zur Ausgestaltung und Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform nicht qualifiziert entgegen getreten. Soweit sie behauptet, auch ohne Zugbelastung bestehe zwischen dem Ankerkopf und dem „weiblichen“ bzw. zweiten Verschlussteil der angegriffenen Ausführungsform Kontakt entgegen der Schließrichtung, hat sie dies nicht weiter substantiiert. Zudem vermochte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme der eingereichten Originale der angegriffenen Ausführungsform selbst davon zu überzeugen, dass ein gewisses „Spiel“ des Ankerkopfes in der Aufnahmeaushöhlung vorhanden ist.
    Nach der hiesigen Auslegung weist die angegriffene Ausführungsform bereits keine klagepatentgemäßen Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt auf. Zwar wirken die abgeschrägte Fläche des Ankerkopfes und die Verbindungsschräge des zweiten Verschlussteils zusammen, sobald Zug auf die Vorrichtung ausgeübt wird. Insoweit sind die beiden Verbindungsschrägen auch geometrisch aufeinander abgestimmt. Allerdings handelt es sich bei den abgeschrägten Flächen nicht um „Eingriffsvorsprünge mit Hinterschnitt“ im Sinne des Klagepatents, da sie nicht geometrisch so ausgebildet sind, dass sie die zwei Verschlussteile miteinander in einem festen Halt verbinden können, ohne dass sich die Verschlussteile bei hoher Belastung voneinander lösen, beispielsweise indem sie so ausgebildet wären, dass sie ineinandergreifen oder sich verhaken. Denn ein formschlüssiger Eingriff im Sinne des Klagepatents wird – wenn überhaupt – nicht durch die glatten Abschrägungen, sondern nur durch die zusätzliche Blockade durch die als Sperrelement fungierende Sperrzunge erzielt. Ohne dieses wird der Ankerkopf bei horizontaler und auch vertikaler Zugbelastung nach oben aus dem zweiten Verschlussteil herausgezogen, indem die beiden Schrägen ein Aufgleiten des Ankerkopfes und damit des ersten Verschlussteils an dem zweiten Verschlussteil unterstützen. Die Eingriffsvorsprünge stellen ohne das Sperrelement gerade keinen festen Halt ineinander her, insbesondere nicht in Eingriffsrichtung. Diese ist hier in 270° (links) zu sehen, da nur bei einer Bewegung des Ankerkopfes in diese Richtung die abgeschrägten Flächen aufeinandertreffen und damit überhaupt in Eingriff gebracht werden könnten.
    Dementsprechend wird auch eine klagepatentgemäße Schließstellung, in der der erste Eingriffsvorsprung formschlüssig mit dem zweiten Eingriffsvorsprung in Eingriff steht, nicht erreicht. Denn der feste Halt der Verschlussteile wird nicht allein durch die Eingriffsvorsprünge – hier die abgeschrägten Flächen – hergestellt, sondern nur durch die Sperrzunge in ihrer Grundposition.
  32. II.
    Mangels Patentverletzung kommt es auf den lediglich hilfsweise geltend gemachten Antrag der Beklagten auf Aussetzung nicht an.
  33. III.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
  34. IV.
    Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt

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