4a O 96/21 – Werkzeugeinrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3204

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 8. Februar 2022, Az. 4a O 96/21

  1. I. Den Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft der Verfügungsbeklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer Herrn A zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    ohne Zustimmung der Verfügungsklägerinnen
    eine Werkzeugeinrichtung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    welche zur Verwendung mit einer, insbesondere handgeführten, Werkzeugmaschine geeignet ist, die eine sich um eine Antriebsachse oszillierend bewegende Antriebseinrichtung aufweist,
    und welche eine Anschlusseinrichtung aufweist, mit der sie an einer Werkzeugmaschine derart befestigbar ist, dass deren Antriebsachse und eine Werkzeugdrehachse im Wesentlichen zusammenfallen,
    wobei diese Anschlusseinrichtung zur Aufnahme einer Antriebskraft wenigstens zwei im Abstand zu dieser Werkzeugdrehachse angeordnete Antriebsflächenbereiche mit je einer Vielzahl von Flächenpunkten aufweist,
    wobei Tangentialebenen an diesen Flächenpunkten gegenüber einer Axialebene, welche diese Werkzeugdrehachse einschließt, geneigt sind,
    wobei diese Tangentialebenen gegenüber einer Radialebene, welche sich senkrecht zu der Werkzeugdrehachse erstreckt, geneigt sind,
    wobei die Anschlusseinrichtung eine Seitenwandung aufweist, wobei diese Seitenwandung radial beabstandet von der Werkzeugdrehachse verläuft,
    wobei sich diese Seitenwandung zwischen einer ersten, oberen Begrenzungsebene und einer zweiten, unteren Begrenzungsebene erstreckt und,
    wobei diese Seitenwandung die Antriebsflächenbereiche aufweist,
    wobei durch die Seitenwandung ein im Wesentlichen hohlkegeliger Abschnitt im Bereich der Anschlusseinrichtung entsteht, der einen Querschnitt mit variablem Abstand der Seitenwandung zur Werkzeugdrehachse in einer zu dieser Werkzeugdrehachse orthogonalen Ebene aufweist, und
    dass die Anschlusseinrichtung eine gerade Anzahl von Antriebsflächenbereichen aufweist, vorzugsweise 4 oder mehr, bevorzugt 8 oder mehr und besonders bevorzugt 16 oder mehr, und weiter vorzugsweise 64 oder weniger, bevorzugt 48 oder weniger und besonders bevorzugt 32 oder weniger, ganz besonders bevorzugt 24,
    wobei diese Antriebsflächenbereiche insbesondere im Wesentlichen sternartig, vorzugsweise in Form eines sternförmigen Polygons, mit Abrundungen an den Übergangsbereichen zwischen den einzelnen Antriebsflächenbereichen ausgebildet sind, wobei
    diese Seitenwandung im Wesentlichen eine mittlere Wandstärke (t1) aufweist, welche größer oder gleich 0,2 mm, bevorzugt größer als 0,5 mm und besonders bevorzugt größer 0,8 mm, weiter vorzugsweise kleiner oder gleich 4 mm, bevorzugt kleiner als 2 mm und besonders bevorzugt kleiner als 1,5 mm, außerdem besonders bevorzugt im Wesentlichen 1 mm oder 1,5 mm oder bevorzugt zwischen 1 mm und 1,5 mm beträgt,
    weiter dadurch gekennzeichnet,
    dass diese Werkzeugeinrichtung im Bereich der Anschlusseinrichtung im Wesentlichen eine Wandstärke t aufweist,
    dass diese erste Begrenzungsebene und diese zweite Begrenzungsebene um einen Abstand T voneinander beabstandet sind; und
    dass dieser Abstand T größer ist als 1 mal t, bevorzugt größer als 2 mal t und besonders bevorzugt größer oder gleich 3 mal t, und weiter kleiner als 20 mal t, bevorzugt kleiner als 10 mal t und besonders bevorzugt kleiner oder gleich 5 mal t, und weiter bevorzugt entspricht T im Wesentlichen 3,5 mal t +/- 0,75 mal t.
    II. Die Kosten des Verfahrens haben die Verfügungsbeklagten zu tragen.
    III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich Ziffer I. wird von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € abhängig gemacht. Hinsichtlich Ziffer II. ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  2. Tatbestand
  3. Die Verfügungsklägerinnen nehmen die Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 3 027 XXX B1 (nachfolgend: Verfügungspatent) auf Unterlassung in Anspruch.
    Die Verfügungsklägerinnen sind Hersteller von Elektrowerkzeugen, insbesondere von dreh-oszillierend angetriebenen Werkzeugmaschinen (im Folgenden: Oszillationsmaschinen).
    Anfang des Jahres 2016 führten die Verfügungsklägerinnen zusammen die sogenannte „B“-Aufnahme in den Werkzeugmarkt ein. Diese betraf Oszillationsmaschinen mit einer dreidimensional ausgebildeten Werkzeugaufnahme und dazu angepassten Werkzeugen, insbesondere zum Sägen, Schleifen und Schaben, die höhere Standzeiten der Werkzeuge und höhere Antriebsleistungen ermöglichen sollten. Wegen Abbildungen der verschiedenen Werkzeuge mit den Werkzeugmaschinen der Verfügungsklägerinnen wird auf die Anlage WR 24 Bezug genommen. Die Verfügungsklägerinnen vertreiben die Werkzeuge selbst und beliefern zudem „OEM“-Kunden, die die von ihnen hergestellte Werkzeuge unter eigenen Zeichen vertreiben.
    Die Verfügungsklägerinnen sind gemeinschaftliche Inhaberinnen des Verfügungspatents EP 3 027 XXX B1, das am 25. Juli 2014 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung DE 2013 200 XXX 20 U vom 1. August 2013 angemeldet und dessen Eintragung am 11. April 2018 veröffentlicht und bekannt gemacht wurde.
    Am 11. Januar 2019 legte die Verfügungsbeklagte zu 1) Einspruch gegen das Verfügungspatent ein (Anlage WR 9). Das Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2021 (Anlage WR10) verneinte die erste Instanz des EPA eine Aufrechterhaltung des Verfügungspatents in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4 aufgrund Neuheitsschädlichkeit durch die Entgegenhaltung DE 21 20 XXX (im Folgenden: DE 669, Anlage WR 11/Replik12) und hielt das Verfügungspatent aber in der Fassung des (in der mündlichen Verhandlung weiter geänderten) Hilfsantrags 5 (Anlage Replik14) aufrecht. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf die als Anlage WR 10 eingereichte Information des EPA sowie auf die als Anlage Triplik01 eingereichte Begründung der Entscheidung Bezug genommen.
    Anspruch 1 des Verfügungspatents in der hier geltend gemachten geänderten und von der Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt (Änderungen markiert):
    „Werkzeugeinrichtung (1, 1b), welche zur Verwendung mit einer, insbesondere handgeführten, Werkzeugmaschine (22) geeignet ist, die eine sich um eine Antriebsachse, insbesondere oszillierend, bewegende Antriebseinrichtung aufweist,
    und welche eine Anschlusseinrichtung (12) aufweist, mit der sie an einer Werkzeugmaschine (22) derart befestigbar ist, dass deren Antriebsachse und eine Werkzeugdrehachse (5) im Wesentlichen zusammenfallen,
    wobei diese Anschlusseinrichtung (12) zur Aufnahme einer Antriebskraft wenigstens zwei im Abstand zu dieser Werkzeugdrehachse (5) angeordnete Antriebsflächenbereiche (2, 2a, 2b) mit je einer Vielzahl von Flächenpunkten (3) aufweist,
    wobei Tangentialebenen (4) an diesen Flächenpunkten (3) gegenüber einer Axialebene (7), welche diese Werkzeugdrehachse (5) einschließt, geneigt sind,
    wobei diese Tangentialebenen (4) gegenüber einer Radialebene (6), welche sich senkrecht zu der Werkzeugdrehachse (5) erstreckt, geneigt sind,
    wobei die Anschlusseinrichtung (12) eine Seitenwandung aufweist,
    wobei diese Seitenwandung radial beabstandet von der Werkzeugdrehachse (5) verläuft,
    wobei sich diese Seitenwandung zwischen einer ersten, oberen Begrenzungsebene (8a) und einer zweiten, unteren Begrenzungsebene (8b) erstreckt und,
    wobei diese Seitenwandung die Antriebsflächenbereiche (2, 2a, 2b) aufweist,
    wobei durch die Seitenwandung ein im Wesentlichen hohlkegeliger Abschnitt im Bereich der Anschlusseinrichtung entsteht, der einen Querschnitt mit variablem Abstand der Seitenwandung zur Werkzeugdrehachse in einer zu dieser Werkzeugdrehachse orthogonalen Ebene aufweist, und
    dass die Anschlusseinrichtung (12) eine gerade Anzahl von Antriebsflächenbereichen (2, 2a, 2b) aufweist, vorzugsweise 4 oder mehr, bevorzugt 8 oder mehr und besonders bevorzugt 16 oder mehr, und weiter vorzugsweise 64 oder weniger. bevorzugt 48 oder weniger und besonders bevorzugt 32 oder weniger,_ganz besonders bevorzugt 24,
    wobei diese Antriebsflächenbereiche (2, 2a, 2b) insbesondere im Wesentlichen sternartig. vorzugsweise in Form eines sternförmigen Polygons, vorzugsweise mit Abrundungen an den Übergangsbereichen zwischen den einzelnen Antriebsflächenbereichen, ausgebildet sind, wobei
    diese Seitenwandung im Wesentlichen eine mittlere Wandstärke (t1) aufweist, welche vorzugsweise größer oder gleich 0,2 mm, bevorzugt größer als 0,5 mm und besonders bevorzugt größer 0,8 mm, weiter vorzugsweise kleiner oder gleich 4 mm, bevorzugt kleiner als 2 mm und besonders bevorzugt kleiner als 1,5 mm, außerdem besonders bevorzugt im Wesentlichen 1 mm oder 1,5 mm oder bevorzugt zwischen 1 mm und 1.5 mm beträgt,
    weiter dadurch gekennzeichnet,
    dass diese Werkzeugeinrichtung (1, 1b), insbesondere im Bereich der Anschlusseinrichtung (12), im Wesentlichen eine Wandstärke t aufweist,
    dass diese erste Begrenzungsebene (8a) und diese zweite Begrenzungsebene (8b) um einen Abstand T voneinander beabstandet sind; und
    dass dieser Abstand T vorzugsweise größer ist als 1 mal t, bevorzugt größer als 2 mal t und besonders bevorzugt größer oder gleich 3 mal t, und weiter vorzugsweise kleiner als 20 mal t, bevorzugt kleiner als 10 mal t und besonders bevorzugt kleiner oder gleich 5 mal t, und weiter bevorzugt entspricht T im Wesentlichen 3,5 mal t +/- 0,75 mal t.“
  4. Nachfolgend werden in verkleinerter Darstellung eine Seitenansicht (Fig. 1a) und eine Draufsicht (Fig. 1b) einer erfindungsgemäßen Werkzeugeinrichtung mit zwei Antriebsflächenbereichen (2) eingeblendet:
  5. Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Figur 4 des Verfügungspatents zeigt eine Schnittdarstellung eines Ausschnitts einer erfindungsgemäßen Werkzeugeinrichtung:
  6. Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist eine in (…) ansässige Herstellerin von Werkzeugen für Elektromaschinen, die ihre Werkzeuge vorwiegend unter der Marke bzw. Bezeichnung „C“, anbietet. Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist der Geschäftsführer und – nach eigenen Angaben – auch Inhaber der Verfügungsbeklagten zu 1).
    Die Verfügungsbeklagte zu 1) bietet auf ihrer Webseite unter XXX unter anderem Sägeblätter für Oszilliermaschinen und verschiedene Werkzeugaufnahmen für derartige Sägeblätter an, wie aus den Internetauszügen der Anlagen WR 14 und WR 15 ersichtlich. Es werden insbesondere Werkzeuge mit sogenannter „Quick-Aufnahme“ vorgestellt, die auf alle Varianten der „B“-Maschinen passen sollen, wie folgt (vgl. Internetauszug der Anlage WR 16):
    Wegen einer Übersicht verschiedener Werkzeuge mit „Quick-Aufnahme“ unter den Serienbezeichnungen „(…) (angegriffene Ausführungsformen) wird auf den Internetauszug der Anlage WR 17 Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der einheitlich ausgestalteten „Quick-Aufnahme“ der angegriffenen Ausführungsformen wird auf die als Anlage WR 23 vorgelegten Fotoaufnahmen verwiesen, von denen eine perspektivische Ansicht im Folgenden abgebildet wird:
  7. Auf dem Internetauftritt der Verfügungsbeklagten zu 1) wird, wie aus dem Internetauszug der Anlage WR 19 ersichtlich, eine Liste in Deutschland ansässiger Händler angezeigt, über die ihre Produkte bezogen werden können.
    Mit Schreiben vom 7. November 2017 stellten die Verfügungsklägerinnen der Verfügungsbeklagten zu 1) die aus der Anlage AG 2 ersichtliche Berechtigungsanfrage wegen der mutmaßlichen Verletzung ihrer Gebrauchsmuster DE 20 2013 XXX 920, DE 20 2013 XXX 900 sowie DE 20 2013 XXX 901 durch das deutschlandweite Angebot und den Vertrieb von Werkzeugen mit sog. „Quick-Aufnahme“ unter anderem unter den Bezeichnungen „(…)“ durch die D GmbH.
    Mit dem aus der Anlage WR 1 ersichtlichen anwaltlichen Schreiben vom 5. Februar 2018 stellten die Verfügungsklägerinnen der Verfügungsbeklagten zu 1) eine weitere Berechtigungsanfrage unter anderem wegen Verwendung des zu diesem Zeitpunkt bereits angemeldeten Verfügungspatents. Mit Antwortschreiben vom 1. März 2018 (Anlage WR 2) wies die Verfügungsbeklagte zu 1) darauf hin, dass ihr zu der Anmeldung des Verfügungspatents „Stand der Technik vorliege, der auch die Ansprüche aus der Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ zu Fall bringen könnte“ und legte am 11. Januar 2019 schließlich Einspruch gegen das Verfügungspatent ein.
    Nach der erstinstanzlichen Entscheidung des EPA mahnten die Verfügungsklägerinnen die Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 9. November 2021 (Anlage WR 4/AG 1) wegen Verletzung des Verfügungspatents durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen ab und forderten sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 10. November 2021 auf.
    Die Parteien führen in (…) parallele Rechtsstreitigkeiten. Dort wurde am 9. November 2018 ein Maßnahmengesuch (vergleichbar mit dem deutschen Verfügungsverfahren) gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) (Anlage WR 31) sowie am 19. September 2019 eine Hauptsacheklage vor dem Bundespatentgericht in (…) wegen Verletzung des schweizerischen Teils des Verfügungspatents eingeleitet (Anlage WR 32). Mit Teilurteil vom 30. August 2021 verurteilte das Schweizer Bundespatentgericht die Verfügungsbeklagte zu 1) antragsgemäß (zum Urteil s. Anlage WR 3). Die Verfügungsbeklagte zu 1) legte gegen das Urteil Beschwerde zum Schweizerischen Bundesgericht ein.
  8. Die Verfügungsklägerinnen sind der Auffassung, die Verfügungsbeklagten verletzten das Verfügungspatent, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen im Inland angeboten hätten. Die Darstellung auf der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) stelle ein Angebot i.S.d. § 9 PatG dar, da nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Angaben auf der Webseite die angegriffenen Ausführungsformen der inländischen Nachfrage zur Verfügung gestellt würden, indem in deutscher Sprache die jeweiligen Produkteigenschaften sowie Möglichkeiten zum inländischen Bezug dargestellt würden. Es reiche insoweit aus, wenn die Befriedigung der Nachfrage durch die ebenfalls auf der Webseite aufgeführten Händler in Aussicht gestellt werde. Zudem liefere die Verfügungsbeklagte zu 1) die von ihr hergestellten Werkzeuge an die deutschen Vertriebshändler selbst aus und bringe diese damit unmittelbar in den Verkehr. Dies erfolge entweder direkt aus der Schweiz oder über ihre Zweigstelle in Konstanz. Jedenfalls seien der Verfügungsbeklagten zu 1) ihrer Ansicht nach die Angebots- und Vertriebshandlungen der von ihr belieferten deutschen Händler zuzurechnen. Denn der ausdrückliche Hinweis auf Bezugsquellen in Deutschland unter Angabe der Namen und Internetseiten der deutschen Händler stelle eine vorsätzliche Mitverursachung der inländischen Angebots- und Vertriebshandlungen dar, die die Verfügungsbeklagte zu 1) aktiv fördere und sich zu eigenen Zwecken zunutze mache. Insoweit sei es nach objektiver Betrachtung naheliegend, dass die Kunden infolge der Angaben auf Bezugsmöglichkeiten in Deutschland die Ware bei diesen inländischen Händlern nachfragten und es damit zu verletzenden Vertriebshandlungen im Inland komme.
    Sie sind weiter der Auffassung, es liege auch ein Verfügungsgrund vor. Die Angelegenheit sei weiterhin dringlich. Das Abwarten der Rechtsbestandsentscheidung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens sei insoweit nicht dringlichkeitsschädlich, genausowenig wie der Umstand, dass sie noch kein Hauptsacheverfahren eingeleitet hätten. Die Verfügungsbeklagte zu 1) habe in ihrem Antwortschreiben vom 1. März 2018 (Anlage WR 02) insoweit den Rechtsbestand des Verfügungspatents in Zweifel gezogen. Während des laufenden Einspruchsverfahrens habe aufgrund der unsicheren Schutzrechtslage keine Veranlassung dazu bestanden, gerichtliche Schritte einzuleiten. Sie hätten insoweit erst am 12. Oktober 2021 mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung über den Einspruch der Verfügungsbeklagten zu 1) Kenntnis von dem gesicherten Rechtsbestand des Verfügungspatents erhalten. Die Tatsache, dass die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent nur im eingeschränkten Umfang aufrechterhalten habe, bestätige die Berechtigung dieser Vorgehensweise. Aufgrund der Berechtigungsanfrage sowie der Auseinandersetzung in der Schweiz und dem Rechtsbestandsverfahren zu dem Verfügungspatent habe bei den Verfügungsbeklagten ihrer Auffassung nach auch kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend entstehen können, nicht (weiter) von ihnen in Anspruch genommen zu werden. Die Berechtigungsanfrage aus dem Jahr 2017 sei ebenfalls nicht dringlichkeitsschädlich, da diese nicht das Verfügungspatent, sondern mehrere Gebrauchsmuster betroffen habe.
    Der Rechtsbestand des Verfügungspatents sei ferner in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert, da das Verfügungspatent in diesem Umfang im Einspruchsverfahren als rechtsbeständig bestätigt worden sei. Anhaltspunkte dafür, warum diese Einspruchsentscheidung offensichtlich unrichtig sein sollte, hätten die Verfügungsbeklagten weder aufgezeigt noch seien solche Gründe ersichtlich. Soweit sich die Verfügungsbeklagten auf die Entgegenhaltung DE 669 (Anlage WR 12) beriefen, sei diese bereits Gegenstand ausführlicher Erörterung im Einspruchsverfahren gewesen (dort „D3“), an dem die Verfügungsbeklagte zu 1) – unstreitig – als Einsprechende beteiligt gewesen sei. Darüber hinaus werde die Wandstärke der Seitenwandungen in der DE 669 nicht offenbart. Insbesondere sei diese nicht aus den Figuren 5 und 6 der DE 669 erkennbar. Die DE 669 führe selbst aus, dass die Zeichnungen lediglich schematisch und nicht maßstabsgerecht seien, was man ihnen auch selbst ohne weiteres entnehmen könne. Selbst falls die Wandstärke der Seitenwandungen – wie nicht – bei anderen Ausführungsbeispielen, z.B. der Figur 4, zu erkennen sein sollte, spiele dies bei der Neuheitsprüfung keine Rolle, da die Offenbarung verschiedener Ausführungsbeispiele nicht vermischt werden dürfe.
    Es sei zudem wahrscheinlich, dass die für das noch nicht eingeleitete Beschwerdeverfahren zuständige Beschwerdekammer bei ihrer bisherigen Rechtsprechung verbleibe und die erteilte Fassung des Verfügungspatents wiederherstelle. Denn ihrer Auffassung nach unterschieden sich alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 von der Offenbarung der DE 669.
    Sie sind ferner der Ansicht, auch die Interessenabwägung falle zu ihren Gunsten aus. Soweit die Verfügungsbeklagten eigene Rufschädigungen behaupteten, so entstünden solche – wenn überhaupt – ausschließlich aus der Vollstreckung der Unterlassungsverfügung und stellten damit die üblichen und jedermann treffenden Folgen einer Unterlassung dar. Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs sei für sie zudem auch deshalb von Bedeutung, um das Ansehen ihrer mit der „B“-Schnittstelle ausgestatteten Maschinen zu schützen. Denn bei der Verwendung der sechseckigen Anschlusseinrichtung des Werkzeugs der Verfügungsbeklagten würden die Kontaktstellen in der Maschine doppelt so hoch belastet wie bei dem „B“-Standardwerkzeug der Verfügungsklägerinnen in Form eines 12-eckiges Polygons, so dass zu befürchten sei, dass die Qualität ihrer Maschinen und der „B“-Schnittstelle in Zweifel gerate. Sie behaupten zudem, die Verfügungsbeklagte zu 1) unterbiete mit ihren Preisen die ihrer Lizenznehmer, was sie gegenüber diesen rechtfertigen müsse. Zudem seien die Verfügungsbeklagten gegenüber möglichen, durch die Unterlassung eintretenden Einbußen aus § 945 ZPO gesichert. Sie hingegen seien auf den Erlass der einstweiligen Verfügung angewiesen, unter anderem um Irritationen bei ihren Kunden angemessen begegnen zu können. Es sei zudem zu befürchten, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) die Verkäufe in Deutschland mit noch mehr Nachdruck betreiben und es zu einer Steigerung der Verletzungshandlungen kommen werde, da sie nach dem Urteil des schweizerischen Bundespatentgerichts keine der von ihr hergestellten Werkzeuge mehr an schweizer Händler ausliefern dürfe.
    Schließlich liege auch keine unzulässige Rechtsausübung vor. Die Verfügungsbeklagten hätten insbesondere nicht dargelegt, dass das einstweilige Verfügungsverfahren geeignet sei, sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. Insoweit sei der Geschäftsbetrieb der Verfügungsbeklagten zu 1) nicht nur auf die angegriffenen Ausführungsformen ausgerichtet. Auch kartellrechtliche Bedenken stünden der Rechtsdurchsetzung nicht entgegen. Der Vorwurf einer angeblichen Marktbeherrschung sei völlig unsubstantiiert und inhaltlich auch unzutreffend. Bei „B“ handele es sich weder um einen Marktstandard noch um einen Standard, der von einer Standardisierungsorganisation zum Marktstandard erklärt worden sei. Ferner habe die Verfügungsbeklagte zu 1) auch nicht um eine Lizenz an dem Verfügungspatent gegen Zahlung von angemessenen Lizenzgebühren nachgesucht.
    Die Verfügungsklägerinnen beantragen mit ihrem am 12. November 2021 bei Gericht eingegangen Verfügungsantrag,
  9. wie erkannt.
  10. Die Verfügungsbeklagten beantragen,
  11. den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
  12. Die Verfügungsbeklagten sind der Auffassung, es liege bereits kein Verfügungsanspruch vor. Denn es mangele an einem die Wiederholungsgefahr begründenden inländischen Angebot. Auf Verletzungshandlungen in der Vergangenheit komme es insoweit nicht an, weil die Verfügungsbeklagte zu 1) die Verletzungsgegenstände nach Anlage WR 3 an ihrem Produktionsstandort in der Schweiz nicht mehr produzieren dürfe. Sie behaupten insoweit, was die Verfügungsklägerinnen mit Nichtwissen bestreiten, dass die angegriffenen Ausführungsformen ausschließlich in der Schweiz hergestellt würden. Zudem gehe aus der als Anlage WR 14 ersichtlichen Webseite ihrer Ansicht nach kein Angebot mit Bezug für den deutschen Rechtsraum hervor. Insoweit lasse sich nirgends auf der Homepage ein Kauf direkt abschließen. Es fehle ihrer Ansicht nach daher an dem in der Rechtsprechung geforderten objektiven Erklärungswert, dass die Produkte der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitgestellt würden. Auf der Homepage könne man sich lediglich als Händler eines bestimmten Landes bewerben, wobei sie alle ihre Händler auf den bestehenden Rechtsstreit hinweise. Dass mögliche Verletzungsgegenstände bei anderen Händlern in der Schweiz erhältlich seien, habe mit ihnen zudem nichts zu tun. Vielmehr müssten sich die Verfügungsklägerinnen an die entsprechenden Händler wenden.
    Sie sind weiter der Auffassung, dem Verfügungsantrag fehle es auch an einem Verfügungsgrund. Die Angelegenheit sei nicht mehr dringlich. Denn die Verfügungsklägerinnen hätten bereits im Jahr 2017 von der vermeintlichen Schutzrechtsverletzung sowie allen die Schutzrechtsverletzung begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt, so dass sie bereits seit über vier Jahren ein Hauptsacheverfahren, gestützt auf ihr Gebrauchsmuster DE 20 2013 XXX 920 U, hätten einleiten können, dessen Priorität das Verfügungspatent in Anspruch nehme und dessen Ansprüche mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen des Verfügungspatents deckungsgleich seien. Das Risiko fehlender Rechtsbeständigkeit habe nicht bestanden, da sich die Rechtsbeständigkeit bei einem Gebrauchsmuster anders als im Patentrecht auch im Wege der Widerklage an ordentlichen Gerichten prüfen lasse. Die Verfügungsklägerinnen hätten daher mit der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens ungebührlich lange zugewartet und hierdurch zu erkennen gegeben, dass sie ihre Rechte nur zögerlich verfolgten und es eines umgehenden Verbots nicht bedürfe.
    Zudem sei der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht hinreichend gesichert. Der Verletzungsgegenstand mit der sechseckigen Grundfläche und dem konischen Verlauf der Werkzeugaufnahme sei bereits aus Figur 5 der am 20. Januar 1972 veröffentlichten DE 669 bekannt, so dass das Verfügungspatent neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Insbesondere seien auch die Merkmale des Hilfsanspruchs 5 des Verfügungspatents neuheitsschädlich aus Figur 7 der DE 669 offenbart. Denn dort sei der Abstand T ungefähr 5 mal t und liege genau in dem beanspruchten Intervall. Für den Fachmann sei ersichtlich, dass die relativen Größenverhältnisse richtig wiedergegeben seien, da der Wertebereich so extrem gewählt sei, dass alle praxisrelevanten Ausführungsmöglichkeiten darunterfielen. Die entgegengesetzte Argumentation der Einspruchsabteilung widerspreche der gängigen Rechtsprechung des EPA zu Auswahlerfindungen. Insoweit habe die Verfügungsbeklagte zu 1) als Einsprechende in der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens (dies sei nicht dokumentiert worden) ausgeführt, dass im Falle einer Auswahlerfindung die Neuheit und erfinderische Tätigkeit zusammen betrachtet werden müsse. Die Entgegenhaltung lasse dem Fachmann die freie und technisch sinnvolle Wahl für den Wertebereich T/t des Anspruchs 1 des Verfügungspatents und offenbare somit einen Wertebereich T/t zwischen ]1; ∞[, denn Werte zwischen ]-∞; 0] seien grundsätzlich nicht möglich und Werte zwischen ]0; 1] seien für den Fachmann technisch offensichtlicher Unfug, weil sich so kein Anschlussstück realisieren lasse. Zwar habe sie nichts dazu vorgetragen, ob der mit Anspruch 1 beanspruchte Wertebereich T/t zwischen ]1; 20[ als ausreichend eng gegenüber der Offenbarung nach der DE 669 angesehen werden könne, allerdings überlappe der beanspruchte Wertebereich T/t von ]1; 20[ mit dem Wertebereich T/t von ]1; ∞[ aus der DE 669 an der unteren Grenze und habe daher eindeutig nicht genügend Abstand von dem – durch Beispiele belegten – bekannten Bereich, was Voraussetzung für die Neuheit sei. Die Argumentation der Einspruchsabteilung, dass die Wandstärke t übertrieben dargestellt sei, überrasche sehr, denn je übertriebener die Wandstärke t dargestellt werde, desto näher komme der Fachmann der unteren Grenze des Wertebereichs T/t zwischen ]1; ∞[. Sollten die Größenverhältnisse tatsächlich als nicht offenbart angesehen werden, sei zudem weder dargelegt worden noch ersichtlich, worin die Erfindung liegen solle. Zudem dringe die Begründung der Einspruchsabteilung nicht durch, ein Naheliegen des Wertebereichs scheitere daran, dass der Stand der Technik sich nicht mit dem der Erfindung zugrundeliegenden technischen Problem beschäftige, Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich zu erreichen. Denn die durch den gewählten Wertebereich zu erzielenden „günstigen Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich der Werkzeugeinrichtung“ seien mit der isolierten Angabe eines Wertebereichs T/t von ]1; 20[ nicht ausführbar. Weder Anspruch 1 noch die Beschreibung des Verfügungspatents würden Einschränkung bezüglich des Materials treffen. Zwar könne man davon ausgehen, dass der Fachmann das Material sachgerecht wählen werde, allerdings setze eine sachgerechte Auswahl technisch eindeutige Randbedingungen voraus, die nicht vorgegeben seien. Zudem stelle der ausgewählte Wertebereich lediglich eine praxisgerechte Wahl der Wandstärke des Tiefziehteils aus der DE 669 dar. Die praxisgerechte Wahl schematisch dargestellter technischer Sachverhalte liege aber im fachmännischen Handeln und stelle gerade keine Erfindung dar.
    Auch eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Parteien falle zu Lasten der Verfügungsklägerinnen aus. Der Verfügungsbeklagte zu 2) sei der ursprüngliche Erfinder hinter dem Verletzungsgegenstand und die Verfügungsklägerin zu 1) habe seit dem Jahre 2000 den Vorläufer des mutmaßlichen Verletzungsproduktes von ihm bezogen. Die Produkte der Verfügungsklägerinnen (sternförmig mit zwölf Zacken) und die angegriffene Ausführungsform (Hexagon) grenzten sich auf dem Markt deutlich voneinander ab, so dass eine dringlich abzuwendende Rufschädigung nicht zu befürchten sei. Zudem verwässerten die Preise der Verfügungsbeklagten zu 1) die Preise der Verfügungsklägerinnen nicht, da die Verfügungsklägerin zu 1) ihre Produkte zum Teil zu Preisen unterhalb der Preise der Verfügungsbeklagten zu 1) anbiete.
    Die Verfügungsbeklagten erheben weiter die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung. Die Verfügungsklägerinnen versuchten, sie mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu schikanieren und in den finanziellen Ruin zu treiben. Insoweit könnten sie, nachdem es ihnen durch das Teilurteil untersagt sei, in der Schweiz zu produzieren und aus der Schweiz zu exportieren, in Deutschland keine Verletzungshandlungen mehr begehen. Ziel der Verfügungsklägerinnen sei es nicht, Schaden von ihnen abzuwehren, sondern ihnen, den Verfügungsbeklagten, irreparablen Schaden zuzufügen und ihren Ruf zu ruinieren. Hierzu trete man auch an ihre Abnehmer heran und mache neben der unwahren Aussage, es gebe in Deutschland bereits eine einstweilige Verfügung, unlautere Angebote, wie es aus der E-Mail der Anlage Replik02 beispielhaft hervorgehe. Zudem werde die sogenannte „B“-Aufnahme von der Fachpresse als „neuer Standard“ angesehen. Die Verfügungsklägerinnen besäßen gemeinsam einen Marktanteil von mehr als 40 %, so dass sie nach § 18 (4) GWB als marktbeherrschend gelten würden.
    Das Gericht hat den Parteien und den Verfahrensbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben insbesondere die Verfahrensbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2022 (Bl. 383 f. GA) Bezug genommen.
  13. Entscheidungsgründe
  14. Der zulässige Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet.
    Den Verfügungsklägerinnen steht gegen die Verfügungsbeklagten ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 EPÜ
    i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu. Die Verfügungsbeklagten machen mit dem Angebot der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Neben dem deshalb gegebenen Verfügungsanspruch (dazu unter I.) besteht auch ein Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO (dazu unter II.).
  15. I.
    Die Verfügungsklägerinnen haben einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Verfügungspatents in der hier geltend gemachten Fassung unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch. Die Verfügungsklägerinnen haben daher gegen die Verfügungsbeklagten den geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
  16. 1.
    Das Verfügungspatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Verfügungspatents) betrifft eine Werkzeugeinrichtung, welche dafür geeignet ist, mit einer insbesondere handgeführten Werkzeugmaschine verwendet zu werden, die eine sich um eine Antriebsachse bewegende Antriebseinrichtung aufweist (Abs. [0001]).
    Das Verfügungspatent erläutert die Erfindung in seiner einleitenden Beschreibung vorwiegend am Beispiel einer Werkzeugeinrichtung, die dafür vorgesehen ist, mit einer insbesondere handgeführten Werkzeugmaschine verwendet zu werden, die eine sich um eine Antriebsachse oszillierend bewegende Antriebseinrichtung aufweist (Abs. [0002]). Eine Werkzeugmaschine ist eine Vorrichtung, die ein oder mehrere Antriebsmotoren und gegebenenfalls eine oder mehrere Getriebeeinrichtungen aufweist. Die Antriebseinrichtung einer Werkzeugmaschine ist das Bauteil bzw. sind die Bauteile, mit denen das Drehmoment auf das Werkzeug aufgebracht wird, also üblicherweise eine An-/Abtriebswelle, eine An-/Abtriebsspindel oder dergleichen (Abs. [0004]). Eine handgeführte Werkzeugmaschine weist eine Trageeinrichtung, insbesondere Griffe und dergleichen auf, mit denen die Werkzeugmaschine mit dem daran befestigten Werkzeug von einer Bedienungskraft getragen und geführt werden kann. Typischerweise sind handgeführte Werkzeugmaschinen mit einem elektrischen Antriebsmotor versehen, es sind aber auch andere Bauarten, wie z. B. hydraulisch oder pneumatisch oder mit Muskelkraft betriebene Werkzeugmaschinen bekannt (Abs. [0005]).
    Das Verfügungspatent führt aus, dass im Stand der Technik eine Vielzahl von Werkzeugen bekannt ist, die dafür vorgesehen sind, mit einer Werkzeugmaschine verwendet zu werden, die eine umlaufende Antriebseinrichtung aufweist. Derartige Werkzeugeinrichtungen sind z. B. Bohrer, Schleif- und Trennscheiben, Kreissägen, etc. Diese Werkzeuge sind an der Abtriebseinrichtung befestigt, die sich – je nach Einsatz, Werkzeug und Maschine – mit einer Drehzahl zwischen nahe 0 bis zu einigen 1000 Umdrehungen/min., in Extremfällen aber auch deutlich höher, dreht. Das Werkzeug wird beim Betrieb mit mehr oder weniger hohem Anpressdruck in Kontakt mit einem Werkstück gebracht, an dem es dann den entsprechenden Bearbeitungsvorgang ausführt. Die dabei im Abstand zur Drehachse auftretenden Bearbeitungskräfte, also beispielsweise Schnitt- oder Schleifkräfte, führen zu einem Drehmoment um die Antriebsachse, welches durch das von der Werkzeugmaschine auf die Werkzeugeinrichtung übertragende Antriebsmoment ausgeglichen wird. Die Übertragung dieses Antriebsmoments auf das Werkzeug erfolgt über die Anschlusseinrichtung des Werkzeugs, mit der dieses an der Antriebseinrichtung befestigt ist. Bei einem Werkzeug, welches bei der Bearbeitung im Wesentlichen immer in gleicher Richtung rotiert, treten somit die während des Werkzeugeinsatzes auf die Anschlusseinrichtung wirkenden Kräfte im Wesentlichen in gleicher Richtung auf, sind aber in der Höhe unterschiedlich (Abs. [0006]).
    Im Stand der Technik sind ferner Werkzeugmaschinen mit oszillierender Antriebseinrichtung bekannt, wobei das Verfügungspatent als oszillierenden Antrieb der Werkzeugeinrichtung ein drehoszillierenden Antrieb versteht und nicht ein huboszillierender Antrieb, wie dieser insbesondere von Hubsägeeinrichtungen bekannt ist. Unter einer Hubsägeeinrichtung ist insbesondere eine Stichsäge-, Säbelsäge- oder Fuchsschwanzsägeeinrichtung oder dergleichen zu verstehen. Unter einer Werkzeugmaschine mit oszillierender Antriebseinrichtung wird nach dem Verfügungspatent eine Werkzeugmaschine mit einer Bewegung der Antriebseinrichtung verstanden, bei der die Antriebseinrichtung sich ausgehend von einer Mittellage in einer ersten Drehrichtung bewegt, zum Stillstand abgebremst wird und sich dann in umgekehrter Drehrichtung wieder bis zum Stillstand bewegt (Abs. [0007]). Der Winkelabstand von der Mittellage zur jeweiligen Endlage kann typischerweise bis zu 5 betragen, üblich sind allerdings bei ausgeführten Maschinen meist geringere Winkel von 1 bis 2,5, was einer Gesamtwinkelbewegung (1. – 2. Endlage) von 2 bis 5 entspricht. Diese Oszillationsbewegung wird typischerweise zwischen 5.000 und 50.000 mal pro Minute ausgeführt, es sind allerdings geringere und auch höhere Oszillationsfrequenzen (ausgedrückt als Schwingungen/min.) möglich (Abs. [0008]). Die Umkehr der Drehrichtung bewirkt, dass auch die Bearbeitungskräfte des Werkzeugs, die immer entgegen der Bewegungsrichtung bzw. hier entgegen der Drehrichtung wirken, ebenfalls ihre Richtung ändern. Aus den ihre Richtung wechselnden Bearbeitungskräften ergibt sich entsprechend dem Hebelarm, d.h. dem Abstand des Bearbeitungspunktes des Werkzeugs zur Drehachse, ein Drehmoment, das mit der Oszillation die Richtung umkehrt. Dem aus den Bearbeitungskräften herrührenden Drehmoment überlagert sich ein weiteres Moment, das sowohl während der Bearbeitung aber auch im Leerlauf wirksam ist, nämlich das aus dem Massenträgheitsmoment des Werkzeugs herrührende Drehmoment zum Abbremsen des Werkzeugs nach seiner höchsten Geschwindigkeit (z. B. dem jeweiligen Amplitudenmaximum der Sinuskurve bei einer sinusförmigen Drehgeschwindigkeitsänderung der Antriebseinrichtung) und der nach der Drehrichtungsumkehr erfolgenden erneuten Beschleunigung des Werkzeugs in die Gegenrichtung (Abs. [0009]). Die Drehmomente, die durch die Bearbeitungskräfte und durch die kinematischen Gegebenheiten des Oszillationsantriebs entstehen, werden im Wesentlichen von der Werkzeugmaschine aufgebracht und über die Antriebseinrichtung in die Werkzeugeinrichtung eingeleitet (Abs. [0010]).
    Das Verfügungspatent nennt als Stand der Technik vorbekannte Werkzeugeinrichtungen, wie sie beispielsweise in den deutschen Patentanmeldungen DE 10 2011 XXX 818 A1 und in der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung DE 296 05 XXX U1 dargestellt sind. Dort sind die Werkzeuge im Verbindungsbereich zur Antriebseinrichtung der Werkzeugmaschine im Wesentlichen eben gestaltet, d.h. sie erstrecken sich in diesem Bereich in einer Ebene, die senkrecht zur Werkzeugdrehachse angeordnet ist (Abs. [0023]). In der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung DE 20 2011 XXX 511 U1 wird ein Arbeitsbauteil zum Ankuppeln an vielfältige Wellenenden von Vielfachwerkzeugen offenbart. Das Arbeitsbauteil umfasst einen Rumpfbereich und einen Spannbereich, der mit dem Rumpfbereich verbunden und zur Montage des Arbeitsbauteils an den Wellenenden geeignet ist, wobei der Rumpfbereich einen Werkstück-Bearbeitungsbereich zum Einwirken auf ein zu bearbeitendes Werkstück aufweist, der Spannbereich ein Montageloch mit einer Längsachse Y aufweist und der Spannbereich einen Trägerbereich und einen Kuppelbereich enthält, die sich entlang der Richtung der Längsachse Y überlappen (Abs. [0025]). Des Weiteren nennt das Verfügungspatent die europäische Patentanmeldung EP 1 852 XXX A1, die einen Oszillationsantrieb mit einer Abtriebswelle offenbart, die um ihre Längsachse drehoszillierend antreibbar ist und ein freies Ende aufweist, einer Aufnahme am freien Ende der Abtriebswelle, die eine Anlagefläche zur Anlage eines Werkzeugs aufweist, einem Befestigungsabschnitt an der Aufnahme, der gegenüber der Anlagefläche erhaben in Richtung der Längsachse nach außen hervorsteht und der zur formschlüssigen Verbindung mit einer Befestigungsöffnung eines an der Anlagefläche anliegenden Werkzeugs ausgebildet ist und mit einem Befestigungsmittel zur Befestigung des Werkzeugs mit seiner Befestigungsöffnung an der Aufnahme, wobei das Befestigungsmittel ein axiales Ausweichen des Werkzeugs unter der Wirkung eines Drehmoments gegen eine Vorspannung erlaubt und der Befestigungsabschnitt bei axialem Ausweichen des Werkzeugs eine Verdrehung des Werkzeugs um einen gewissen Verdrehwinkel erlaubt (Abs. [0026]).
    Das Verfügungspatent beschreibt die Biege-Wechsel-Beanspruchung, der der Bereich des Werkzeugs, in dem das Drehmoment eingeleitet wird, durch die oszillierende Bewegung unterliegt, bei metallischen Werkstoffen, aus denen die beschriebenen Werkzeuge üblicherweise gefertigt werden, als besonders problematisch. Metalle weisen ein Kristallgefüge auf. Kommt es in einem Bereich eines metallischen Bauteils zu örtlichen Überlastungen, d.h. dass die im Bauteil wirkenden Spannungen an dieser Stelle höher sind als die vom Bauteil ertragbaren Spannungen, so entstehen zwischen den einzelnen Körnern des Metallgefüges Mikrorisse. Diese beeinträchtigen die Festigkeit des Bauteils in doppelter Hinsicht. Zum einen können in dem Bereich, in dem Mikrorisse entstanden sind, keine Spannungen im Bauteil übertragen werden. Dies bedeutet, dass durch die Rissbildung die Belastungen innerhalb dieses Bereiches erhöht werden, da sich die wirksame Fläche zur Kraftübertragung vermindert (Abs. [0027]). Zum anderen entsteht ein Phänomen, das im Maschinenbau üblicherweise als „Kerbwirkung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung rührt daher, da im Bereich einer Kerbe, insbesondere wenn die Kerbe scharfkantig ist, eine örtliche Spannungskonzentration entsteht, die im Bereich des die Kerbe umgebenden Werkstoffes zu Schubspannungen führt, die höher sind, als die Schubspannungen in den Bereichen des Bauteils, die nicht durch eine solche Geometrie beeinflusst werden (Abs. [0028]). Diese erhöhten Belastungen führen dazu, dass die Rissbildung fortschreitet und schließlich zu einem Versagen des Bauteils führt (Abs. [0029]), wobei dieser Vorgang als „Schadensakkumulation“ bezeichnet wird (Abs. [0030]). Ferner erläutert das Verfügungspatent, dass die untere Dauerfestigkeitsgrenze des Wöhler-Versuchs bei oszillierend angetriebenen Werkzeugen bereits nach 2 Stunden Betriebszeit überschritten wird (Abs. [0032], [0033]).
    Das Verfügungspatent führt weiter aus, dass ein Teil der bei Oszillationsmaschinen üblicherweise verwendbaren Werkzeugeinrichtungen einen Arbeitsbereich hat, der in Umfangsrichtung angeordnet ist, wie beispielsweise Säge- und Schneidwerkzeuge, und der sich im Wesentlichen in einer Ebene senkrecht zur Drehachse des Werkzeugs erstreckt (Abs. [0037]). Bei derartigen Werkzeugen ist es im Stand der Technik üblich, dass der Anschlussbereich ebenfalls eben ausgeführt ist. Das Antriebsmoment wird dann als Kraft in einer Richtung senkrecht zur Werkzeugebene, z. B. durch Stifte, einen Antriebsstern oder dergleichen eingeleitet. Als nachteilig kritisiert das Verfügungspatent, dass, da das Werkzeug in der Werkzeugebene besonders steif ist, die Krafteinleitung nur über einen relativ kleinen Bereich erfolgt und es in diesem Bereich daher zu höheren örtlichen Belastungen kommen kann, die zu einer Reduzierung der Betriebsfestigkeit des Werkzeugs führen (Abs. [0038]).
    Das Verfügungspatent stellt sich ausgehend vom Stand der Technik daher die Aufgabe, die Werkzeugeinrichtung so zu gestalten, dass das über die Antriebseinrichtung eingeleitete Drehmoment zuverlässig aufgenommen wird (Abs. [0011]). Explizit formuliert das Verfügungspatent darüber hinaus keine Aufgabe mehr. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen bestimmter Aspekte der Erfindung ergibt sich für den Fachmann indes, dass ebenfalls höhere örtliche Belastungen am Werkzeug vermindert werden sollen (Abs. [0038], [0039]).
  17. 2.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Verfügungspatent eine Werkzeugeinrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
    1. Werkzeugeinrichtung, welche zur Verwendung mit einer, insbesondere handgeführten, Werkzeugmaschine geeignet ist, die eine sich um eine Antriebsachse oszillierend bewegende Antriebseinrichtung aufweist.
    2. Die Werkzeugeinrichtung weist eine Anschlusseinrichtung auf, mit der sie an einer Werkzeugmaschine derart befestigbar ist, dass deren Antriebsachse und eine Werkzeugdrehachse im Wesentlichen zusammenfallen.
    3. Die Anschlusseinrichtung weist zur Aufnahme einer Antriebskraft wenigstens zwei im Abstand zu dieser Werkzeugdrehachse angeordnete Antriebsflächenbereiche mit je einer Vielzahl von Flächenpunkten auf.
    4. Die Tangentialebenen sind an diesen Flächenpunkten gegenüber einer Axialebene, welche diese Werkzeugdrehachse einschließt, geneigt.
    5. Die Tangentialebenen sind gegenüber einer Radialebene, welche sich senkrecht zu der Werkzeugdrehachse erstreckt, geneigt.
    6. Die Anschlusseinrichtung weist eine Seitenwandung auf.
    7. Die Seitenwandung verläuft radial beabstandet von der Werkzeugdrehachse.
    8. Die Seitenwandung erstreckt sich zwischen einer ersten, oberen Begrenzungsebene und einer zweiten, unteren Begrenzungsebene.
    9. Die Seitenwandung weist die Antriebsflächenbereiche auf.
    10. Durch die Seitenwandung entsteht ein im Wesentlichen hohlkegeliger Abschnitt im Bereich der Anschlusseinrichtung, der einen Querschnitt mit variablem Abstand der Seitenwandung zur Werkzeugdrehachse in einer zu dieser Werkzeugdrehachse orthogonalen Ebene aufweist.
    11. Die Anschlusseinrichtung weist eine gerade Anzahl von Antriebsflächenbereichen auf, vorzugsweise 4 oder mehr, bevorzugt 8 oder mehr und besonders bevorzugt 16 oder mehr, und weiter vorzugsweise 64 oder weniger, bevorzugt 48 oder weniger und besonders bevorzugt 32 oder weniger, ganz besonders bevorzugt 24.
    12. Die Antriebsflächenbereiche sind insbesondere im Wesentlichen sternartig, vorzugsweise in Form eines sternförmigen Polygons mit Abrundungen an den Übergangsbereichen zwischen den einzelnen Antriebsflächenbereichen ausgebildet.
    13. Die Seitenwandung weist im Wesentlichen eine mittlere Wandstärke (t1) auf, welche größer oder gleich 0,2 mm, bevorzugt größer als 0,5 mm und besonders bevorzugt größer 0,8 mm, weiter vorzugsweise kleiner oder gleich 4 mm, bevorzugt kleiner als 2 mm und besonders bevorzugt kleiner als 1,5 mm, außerdem besonders bevorzugt im Wesentlichen 1 mm oder 1,5 mm oder bevorzugt zwischen 1 mm und 1,5 mm beträgt.
    14. Die Werkzeugeinrichtung weist im Bereich der Anschlusseinrichtung im Wesentlichen eine Wandstärke t auf.
    15. Die erste Begrenzungsebene und die zweite Begrenzungsebene sind um einen Abstand T voneinander beabstandet.
    16. Der Abstand T ist größer als 1 mal t, bevorzugt größer als 2 mal t und besonders bevorzugt größer oder gleich 3 mal t, und weiter kleiner als 20 mal t, bevorzugt kleiner als 10 mal t und besonders bevorzugt kleiner oder gleich 5 mal t, und weiter bevorzugt entspricht T im Wesentlichen 3,5 mal t +/- 0,75 mal t.
  18. 3.
    Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen – was zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist und deshalb keiner eingehenden Erörterung bedarf – alle Merkmale des Verfügungspatentanspruchs 1 in der hier geltend gemachten Fassung. Die Verfügungsbeklagten stellen insoweit nicht in Abrede, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Verfügungspatents unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch macht.
    Mit Blick auf die Einwände hinsichtlich des Rechtsbestandes erscheinen einige kurze Ausführungen zur Auslegung der Merkmale 14 bis 16 gerechtfertigt.
    Die Merkmale 14 bis 16 definieren die Wandstärke t im Bereich der Anschlusseinrichtung und setzen sie in das Verhältnis zum Abstand T zwischen der ersten und der zweiten Begrenzungsebene.
    Die Bestimmung dieser Größen ist in der nachfolgenden Figur 4 des Verfügungspatents, die einen Teil einer Werkzeugeinrichtung (1) in Schnittdarstellung zeigt, näher dargestellt:
    In Abs. [0107] der Beschreibung erläutert das Verfügungspatent die Abstände näher. Die Werkzeugeinrichtung weist danach eine (fiktive, geometrische) Werkzeugdrehachse (5) auf. Um diese ist die Werkzeugeinrichtung (1) dreh-oszillierend antreibbar. Der Antriebsflächenbereich (2) ist zur Werkzeugdrehachse (5) beabstandet angeordnet und erstreckt sich in Richtung der Werkzeugdrehachse (5) zwischen einer unteren (8b) und einer oberen (8a) Begrenzungsebene. Diese obere (8a) und diese untere (8b) Begrenzungsebene sind um den Abstand T voneinander beabstandet. Dabei ist der Abstand T von der Dicke t der Wandung, welche auch die Antriebsflächenbereiche (2) aufweist, abhängig. Durch diese Abhängigkeit soll nach dem Verfügungspatent eine besonders günstige Abhängigkeit zwischen der Steifigkeit der Antriebsflächenbereiche und deren Baugröße erreicht werden. Zudem führt das Verfügungspatent in Abs. [0048] seiner Beschreibung aus, dass es sich als vorteilhaft herausgestellt hat, den Abstand T und die Wandstärke t in eine Beziehung zu setzen, da dadurch insbesondere günstige Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich der Werkzeugeinrichtung erreichbar sind und damit eine günstige Drehmomenteinleitung von der Werkzeugmaschine in die Werkzeugeinrichtung erreichbar ist.
  19. 4.
    Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat die angegriffenen Ausführungsformen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zudem im Sinne des § 9 PatG angeboten, indem diese auf der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) beworben wurden.
    Der in § 9 PatG verwendete Begriff des „Anbietens” ist in wirtschaftlichem Sinne zu verstehen und fällt nicht mit dem juristischen Begriff eines Vertragsangebots zusammen. Dies folgt aus dem Zweck von § 9 PatG der dahin geht, dem Inhaber des Schutzrechts – sieht man von den im Gesetz geregelten Ausnahmefällen ab – alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentgeschützten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Deshalb unterfällt dem Tatbestand des Anbietens nicht nur ein Angebot i.S. des § 145 BGB. Er umfasst vielmehr jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das beworbene Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679, Rn. 57 – Verbindungsstück, m.w.N.; BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; BGH, GRUR 1970, 358 – Heißläuferdetektor). Umfasst sind daher auch vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das – wie es etwa bei Abschluss eines Kauf-, Miet- oder Pachtvertrags der Fall ist – die Benutzung dieses Gegenstands einschließt (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Dies kann in dessen Ausbieten geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Auch dieses Verhalten muss deshalb dem Patentinhaber vorbehalten sein, wenn das Werbemittel zur Förderung des Absatzes eines Erzeugnisses dient, das – wie es in § 9 PatG heißt – Gegenstand des Patents ist, also von der hiermit unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch macht (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler).
    Danach handelt es sich bei der Anzeige und detaillierten Beschreibung der angegriffenen Ausführungsformen auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten zu 1) um eine Maßnahme bzw. Werbung, die bestimmt und geeignet ist, Interesse an den beworbenen Gegenständen zu wecken und durch den Verweis auf Bezugsmöglichkeiten bei verschiedenen Händlern diese betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Denn die angegriffenen Ausführungsformen werden auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten zu 1) im Detail unter Verwendung von Abbildungen beschrieben. Zudem wird aufgezeigt, über welche Händler diese bezogen werden können. Es ist weder erforderlich, dass das angebotene Erzeugnis bereits fertig gestellt ist oder sich im räumlichen Geltungsbereich des verletzten Schutzrechtes – hier Deutschland – befindet, dass tatsächlich eine Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft des Anbietenden besteht oder dass das Angebot Erfolg hat, es also zu einem Inverkehrbringen führt (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679 Rn. 57, m.w.N.). Genausowenig kommt es darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten – hier insbesondere den Händlern der Verfügungsbeklagten zu 1), über die die beworbene Ware bezogen werden kann – zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679, Rn. 57 – Verbindungsstück, m.w.N.). Denn auch mit einem drittbegünstigenden Angebot wird eine Nachfrage für das Verletzungsprodukt generiert, die in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift.
    Die Internetwerbung der Verfügungsbeklagten zu 1) betraf zudem einen Gegenstand, der von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht. Dass patentverletzende Erzeugnisse angeboten und beworben werden, ergibt sich aus dem objektiven Erklärungswert der Werbung, der aus der Sicht der angesprochenen Kreise unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ermittelt wird (vgl. BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer). Insoweit entspricht das mittels der Werbung angebotene Erzeugnis bei objektiver Betrachtung dem Gegenstand des Verfügungspatents. Denn anhand der auf der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) abrufbaren Informationen und Abbildungen der angegriffenen Ausführungsformen lässt sich die Gestalt und Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsformen hinreichend verlässlich beurteilen. Insoweit wird die „Quick-Aufnahme“ auf der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) unter anderem anhand einer dreidimensionalen, drehbaren Abbildung wie folgt präsentiert, der die Beschaffenheit detailliert zu entnehmen ist:
  20. Dass die angegriffenen Ausführungsformen, die beworben werden, von der technischen Lehre des Verfügungspatents – Anspruch 1 – unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch machen, ist – wie bereits ausgeführt – zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig.
    Nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Angaben auf der Webseite werden die angegriffenen Ausführungsformen ferner der inländischen Nachfrage zur Verfügung gestellt. Denn die Webseite und somit auch die Angaben zu den angegriffenen Ausführungsformen sind zum einen in deutscher Sprache gehalten, zum anderen werden ausdrücklich die Möglichkeiten zum inländischen Bezug über verschiedene in Deutschland ansässige Händler dargestellt, wie es aus dem nachfolgenden Internetauszug der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) hervorgeht:
    Zudem tragen die Verfügungsbeklagten selbst vor, dass sich das Internetangebot „aus der Schweiz heraus an interessierte Händler in der gesamten Welt“ richte.
    Nach alledem liegt ein inländisches Angebot im Sinne des § 9 PatG vor, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob die Verfügungsbeklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen auch selbst innerhalb Deutschlands vertreibt oder inländische Händler tatsächlich selbst mit den angegriffenen Ausführungsformen beliefert. Weiterhin kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Verfügungsbeklagte zu 1) als Mittäterin oder Teilnehmerin für die von ihren Händlern in Deutschland durchgeführten Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen haftet, obgleich in dem Verhalten der Verfügungsbeklagten ein objektives Ermöglichen bzw. Fördern des Vertriebs der Händler zu sehen ist, das für eine Haftung spricht (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import).
  21. 5.
    Der Verfügungsbeklagte zu 2) haftet als (alleiniger) Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1).
    Für die von einer Handelsgesellschaft begangene Patentverletzung hat deren gesetzlicher Vertreter grundsätzlich persönlich einzustehen, weil er kraft seiner Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen hat. Aufgrund seiner satzungsgemäßen Funktion ist er in der Regel Täter und nicht bloß Gehilfe. Er haftet dem Verletzten daher grundsätzlich bei jedweder Schutzrechtsverletzung deliktisch auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.6.2015 – 2 U 64/14, GRUR-RS 2015, 18679 Rn. 64, m.w.N.).
    Selbst wenn man davon ausginge, eine Haftung des gesetzlichen Vertreters erfordere eine positive Beteiligung an der Verletzungshandlung der Gesellschaft oder einer auf Grund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung, aufgrund derer er die Verletzungshandlung habe verhindern müssen (vgl. BGH, GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung; BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 80 – Videospiel-Konsolen II), so sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Denn eine Garantenpflicht kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Betroffene ein Schutzgut der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut hat oder wenn aus sonstigen Gründen eine konkrete Gefahrenlage für das Schutzgut besteht und der Geschäftsführer für die Steuerung derjenigen Unternehmenstätigkeit verantwortlich ist, aus der sich die Gefahrenlage ergibt. Die Haftung des Geschäftsführers folgt in diesen Fällen nicht aus seiner Geschäftsführerstellung als solcher, sondern aus der – von der Rechtsform des Unternehmens unabhängigen – tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit und Zumutbarkeit der Beherrschung einer Gefahrenlage für absolut geschützte Rechte Dritter (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 113 – Glasfasern II). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Schutz von Patenten jedenfalls dann typischerweise erfüllt, wenn ein Unternehmen technische Erzeugnisse herstellt oder in den inländischen Markt einführt, da für praktisch jeden Bereich der Technik eine Vielzahl von Patenten mit unterschiedlichsten Gegenständen in Kraft steht (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 114 f. – Glasfasern II). Die Verpflichtung, die Schutzrechtslage zu überprüfen, beruht nicht allein auf der allgemeinen Pflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesteigerten Gefährdungslage, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 115 f. – Glasfasern II). Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 117 – Glasfasern II). Für die Annahme, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft, die ein Produkt herstellt oder in den inländischen Markt einführt, auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters beruht, bedarf es daher im Regelfall keines näheren Klägervortrags und keiner näheren tatrichterlichen Feststellungen zu den dafür maßgeblichen Handlungen des gesetzlichen Vertreters (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 118 – Glasfasern II).
    Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist mangels gegenteiligen Vortrags als alleiniger Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 1) für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs betreffend die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen verantwortlich. Dass er die gebotenen Überprüfungen der Schutzrechtslage veranlasst hätte, ist nicht ersichtlich. Insofern beruht die schuldhafte Verletzung des Verfügungspatents auch auf dem schuldhaften Fehlverhalten des Verfügungsbeklagten zu 2).
  22. 6.
    Es besteht zudem Wiederholungsgefahr.
    Dem steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) bereits in der Schweiz zur Unterlassung verurteilt worden ist und somit keine der angegriffenen Ausführungsformen in der Schweiz herstellen oder exportieren darf. Denn die Wiederholungsgefahr kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung – das heißt durch eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung – ausgeräumt werden (st. Rspr.; BGH, GRUR 1996, 290 – Wegfall der Wiederholungsgefahr, m.w.N.). Eine solche haben die Verfügungsbeklagten unstreitig nicht abgegeben. Auf das Urteil des Schweizer Bundesgerichts können sich die Verfügungsbeklagten nicht berufen, da dieses nur das Gebiet der Schweiz betrifft und sie grundsätzlich nicht davon abhält, patentverletzende Handlungen in Deutschland vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen. Darüber hinaus bietet die Verfügungsbeklagte zu 1) auf ihrer Webseite weiterhin die angegriffenen Ausführungsformen zum Bezug im Inland an, so dass die Wiederholungsgefahr, selbst wenn sie – wie nicht – entfallen wäre, mittlerweile wieder neu entstanden wäre.
    Liegt mindestens ein Angebot vor, so begründet dies zudem eine ausreichende Begehungsgefahr für die weiteren Benutzungsformen des Inverkehrbringens, Gebrauchens, Einführens und Besitzens (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 (262) = InstGE 7, 139 – Thermocycler).
  23. 7.
    Da die Verfügungsbeklagten durch das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen das Verfügungspatent verletzen, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, sind sie den Verfügungsklägerinnen gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.
  24. a.
    In der bloßen Behauptung, die Verfügungsklägerinnen hätten mit über 40 % Marktanteilen eine marktbeherrschende Stellung inne, liegt noch nicht die Erhebung eines kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes. Einem solchen wäre auch kein Erfolg beschieden. Dass es ist seitens der Verfügungsbeklagten weder dargelegt, dass sie sich um den Erhalt einer konkreten Lizenz bemüht hat, noch, dass es sich bei dem durch das Verfügungspatent geschützten Werkzeug um eine standardgebundene Technik handelt.
  25. b.
    Ferner ist die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung explizit in Bezug auf die Verfahrenswahl des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben worden. Insofern haben sich die Verfügungsbeklagten – völlig zu Recht, da aussichtslos – nicht auf § 139 Abs. 1 S. 3 PatG n.F. berufen.
  26. II.
    Die Verfügungsklägerinnen können die ihr zustehenden Ansprüche auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen. Das Vorliegen des nach den §§ 935, 940 ZPO notwendigen Verfügungsgrundes haben die Verfügungsklägerinnen glaubhaft gemacht.
    Das Bestehen eines Verfügungsgrundes verlangt nicht nur eine Dringlichkeit in einem rein zeitlichen Sinne, sondern darüber hinaus eine materielle Rechtfertigung des vorläufigen Unterlassungsgebotes. Diese erfordert eine Interessenabwägung zwischen den dem Schutzrechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen und den Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung aus einem Patent, insbesondere wenn sie auf Unterlassung gerichtet ist, kommt nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Schutzrechtsverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechtes im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12).
    Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Verfügungsklägerinnen glaubhaft gemacht. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist hinreichend gesichert (dazu unter 1.). Die Dringlichkeit im zeitlichen Sinne ist ebenfalls gegeben (dazu unter 2.). Die überwiegenden Interessen der Verfügungsklägerinnen rechtfertigen somit den Erlass der einstweiligen Verfügung (dazu unter 3.).
  27. 1.
    Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist hinreichend gesichert.
  28. a.
    Von einer für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinlänglichen Sicherheit des Rechtsbestands kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15 – Cinacalcet III; Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15; GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; Urteil vom 29.05.2008 – I-2 W 47/07, Olanzapin).
    Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15 – Cinacalcet III, m.w.N.). Ungeachtet seiner Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (OlG Düsseldorf, InstGE 8, 122 – Medizinisches Instrument; Urt. v. 18.12.2014 – I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829), hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15 – Cinacalcet III, m.w.N.).
    Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15 – Cinacalcet III, m.w.N.). Demgegenüber ist es regelmäßig ausgeschlossen, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene (laienhafte) Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15 – Cinacalcet III, m.w.N.).
  29. b.
    Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert. Denn es liegt bereits eine positive Rechtsbestandsentscheidung vor, indem das Verfügungspatent in der hier geltend gemachten Anspruchsfassung vom EPA aufrechterhalten worden ist.
    Zwar kann das Verletzungsgericht in Fällen evidenter Unrichtigkeit ausnahmsweise von der Beurteilung der Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung abweichen. Eine evidente Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung des EPA ist jedoch von den Verfügungsbeklagten nicht dargelegt worden. Sie haben keine besonderen Umstände aufgezeigt, die es aus Sicht der Kammer rechtfertigten, von der erstinstanzlichen Entscheidung des EPA zugunsten der Verfügungsbeklagten abzuweichen. Weder haben sie aufgezeigt, dass die Argumentation des EPA unvertretbar ist noch dass ein mit einem – noch einzulegenden – Rechtsbehelf gegen die Einspruchsentscheidung unternommener Angriff auf das Verfügungspatent auf erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die das EPA noch nicht berücksichtigt und beschieden hätte.
  30. aa.
    Soweit sich die Verfügungsbeklagten auf mangelnde Neuheit wegen der Entgegenhaltung DE 669 berufen, so ist diese Entgegenhaltung bereits nach eigenen Angaben nicht neu, sondern wurde von der technisch fachkundige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes bereits bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
  31. bb.
    Auch im Übrigen haben die Verfügungsbeklagten nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des EPA evident unrichtig ist und die vorgebrachten Angriffe Aussicht auf Erfolg hätten.
    Da im Streitfall lediglich die nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung bereits eingeschränkte Fassung des Verfügungsanspruchs 1 geltend gemacht wird, kommt es lediglich auf die Einwendungen der Verfügungsbeklagten an, nicht jedoch darauf, ob in einem – noch einzuleitenden – Rechtsmittelverfahren die Entscheidung der Einspruchsabteilung zugunsten der Verfügungsklägerinnen aufgehoben und das Verfügungspatent in seiner ursprünglichen Fassung wiederhergestellt wird, mithin nicht auf die von den Verfügungsklägerinnen gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vorgebrachten Angriffe. Insbesondere kann in diesem Verfahren daher dahinstehen, ob der Begriff „zur Aufnahme einer Antriebskraft“ im Anspruch als Zweckangabe zu verstehen ist oder als funktionelle Angabe.
  32. (1)
    Die Verfügungsbeklagten wenden ein, dass der Gegenstand des Verfügungspatents ausgehend von der DE 669 nicht neu ist, da entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung des EPA auch das Merkmal 16 des Verfügungspatents neuheitsschädlich offenbart sei. Dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in diesem Punkt evident unrichtig ist, sieht die Kammer nicht.
    Es ist nicht ersichtlich, dass das EPA evident unrichtig das Merkmal 16,
    „Der Abstand T ist größer als 1 mal t, bevorzugt größer als 2 mal t und besonders bevorzugt größer oder gleich 3 mal t, und weiter kleiner als 20 mal t, bevorzugt kleiner als 10 mal t und besonders bevorzugt kleiner oder gleich 5 mal t, und weiter bevorzugt entspricht T im Wesentlichen 3,5 mal t +/- 0,75 mal t“,
    ausgehend von der DE 669 als nicht neuheitsschädlich offenbart angesehen hat.
    Die DE 669 bezieht sich auf das Fertigbearbeiten von Werkstücken und betrifft insbesondere mit einem Schleifmaterial versehene Schleifblätter. Die Erfindung sieht ein Schleifblatt in Gestalt einer Vorrichtung bzw. eines Werkzeugs vor, das mit einem Mitnehmer versehen ist, damit es mit einem eine Drehbewegung erzeugenden kraftbetriebenen Werkzeug verbunden werden kann.
    Das EPA hat in seiner Begründung (Anlage Triplik 1) ausgeführt, der Figur 5, die perspektivisch eine Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Mitnehmers (50) und einen Teil eines Schleifblatts (56) vor dem Anbringen des Mitnehmers (50) an dem Schleifblatt (56) zeigt und nachfolgend eingeblendet wird,
    könne, auch wenn es sich bei den Zeichnungen der Entgegenhaltung DE 669 um eine schematische Zeichnung handele, zwar eindeutig entnommen werden, dass der Abstand zwischen den Begrenzungsebenen deutlich größer sei als 1 mal die Wandstärke. Nicht eindeutig offenbart sei aber ein Abstand von kleiner als 20 mal die Wandstärke.
    Gleiches gelte für Figur 4 der DE 669, die in einem Schnitt in einer vergrößerten Darstellung den Mitnehmer, einen Teil des Schleifblatts und ein Aufnahmeteil (31) für den Mitnehmer zeigt und nachfolgend eingeblendet wird:
    Zwar scheine dort der Abstand so groß zu sein wie ca. 8-10 mal die Wandstärke, es sei aber wahrscheinlich, dass zum Zwecke der guten Lesbarkeit die Wandstärke übertrieben dargestellt sei, insbesondere im Bereich des Ansatzes, welcher aufgrund der Herstellung mittels Umformen eine gegenüber dem Ausgangsmaterial verringerte Dicke aufweisen müsse. Somit könne nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die zweite Bedingung erfüllt sei.
    Die Verfügungsbeklagten stellen sich auf den Standpunkt, die Abstände gemäß dem Merkmal 16 seien jedoch jedenfalls aus der Figur 7 der DE 669, die einen Querschnitt durch eine Ausführungsform einer ein Schleifblatt (62) und einen Mitnehmer (60) umfassenden Baugruppe zeigt und im Folgenden eingeblendet wird, für den Fachmann ersichtlich und damit offenbart.
  33. Denn dort sei der Abstand T ungefähr 5 mal t und liege genau in dem beanspruchten Intervall (größer als 1x t und kleiner als 12x t), wie es die Verfügungsbeklagten anhand der nachfolgenden Abbildung veranschaulichen:
  34. Für den Fachmann sei ersichtlich, dass die relativen Größenverhältnisse richtig wiedergegeben seien. Die Verfügungsbeklagten stellen damit ihre Ansicht lediglich anstelle der durch das EPA begründeten Entscheidung.
    So entspricht die Figur 7 hinsichtlich ihrer Größenverhältnisse im Wesentlichen der bereits durch das EPA gewürdigten Figur 4. Diese weist lediglich zusätzlich zu dem Mitnehmer und dem Schleifblatt noch ein Aufnahmeteil für den Mitnehmer und das eingezeichnete Gewinde auf, die jedoch keinen Einfluss auf die Bestimmung der hier relevanten Abstände haben. Es ist insoweit nicht ersichtlich, warum das EPA bei Betrachtung der Figur 7 zu einem anderen Ergebnis kommen sollte als unter Berücksichtigung der Figur 4.
    Zudem haben die Verfügungsbeklagten nicht aufzuzeigen vermocht, dass die Einspruchsabteilung evident unrichtig entschieden hat, indem sie sich auf den Standpunkt gestellt hat, der Fachmann könne den Abbildungen nicht entnehmen, dass der Abstand der Begrenzungsebenen kleiner als 20 mal die Wandstärke sei. Ihre Ansicht, zum Zwecke der guten Lesbarkeit sei die Wandstärke (wahrscheinlich) insbesondere im Bereich des Ansatzes übertrieben dargestellt, hat sie nachvollziehbar damit begründet, dass der Ansatz aufgrund der Herstellung mittels Umformen eine gegenüber dem Ausgangsmaterial verringerte Dicke aufweisen müsse. Insoweit entspricht die Auffassung auch der Rechtsprechung des EPA, dass es sich bei Zeichnungen grundsätzlich um prinzipielle Darstellungen ohne Anspruch auf Maßgenauigkeit handelt und der Fachmann ihnen Informationen über Abmessungen in der Regel nicht entnehmen wird (Benkard EPÜ/Melullis, 3. Aufl. 2019, EPÜ Art. 54 Rn. 62; vgl. a. EPA ABl. EPA 1985, 310 – Venturi/CHARBONNAGES; ABl. EPA 1990, 188 – Ionisationskammer/SCANDITRONIX; EPA 16.11.1993 – T 857/91 – Heat-transfer tubes with grooved inner surface; 17.1.2003 – T 4/00 – Refusal of request for correction of the minutes of oral proceedings is not within the competence of the formalities officer).
    Da es sich nicht um technische Zeichnungen, sondern nur um schematische Darstellungen handelt, können den Figuren der DE 669 nicht eindeutig und unmittelbar bestimmte Abstände entnommen werden. Dies bedeutet indes nicht, dass ein durch die Eckwerte 0 bis Unendlich bestimmter Abstandsbereich offenbart würde, aus dem nunmehr der hier in Merkmal 16 beanspruchte Teilbereich herausgegriffen wurde. Eine eindeutige Unrichtigkeit der Entscheidung ist daher nicht erkennbar.
  35. (2)
    Die Verfügungsbeklagten haben zudem nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA, das Merkmal 16 des Verfügungspatents sei dem Fachmann auch nicht nahegelegt, evident unrichtig ist.
    Die Einspruchsabteilung des EPA begründet die Annahme der erfinderischen Tätigkeit in Ziff. 9.3 der Begründung (Anlage Triplik 1) wie folgt:
    „Das durch die beanspruchte Beziehung zwischen Abstand und Wandstärke gelöste technische Problem besteht darin, Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich zu erreichen, welche in einer günstigen Drehmomenteinleitung und somit in einer erhöhten Lebensdauer der Werzeugeinrichtung bzw. der Verbindungseinrichtung resultieren. Kein vorliegender Stand der Technik beschäftigt sich mit diesem technischen Problem oder macht überhaupt Angaben zu dem beanspruchten Verhältnis.“
    Die Verfügungsbeklagten haben nicht darzulegen vermocht, dass diese Annahme evident unrichtig wäre.
    Soweit die Verfügungsbeklagten angemerkt haben, dass die Verfügungsklägerinnen nichts zu der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der DE 669, die das EPA festgestellt hat, vorgetragen hätten, so reicht dies nicht aus, um die Entscheidung im Einspruchsverfahren in Zweifel zu ziehen.
    Soweit die Verfügungsbeklagten anführen, der ausgewählte Wertebereich gemäß dem Merkmal 16 des Verfügungspatents stelle lediglich eine praxisgerechte Wahl der Wandstärke des Tiefziehteils aus der DE 669 und damit keine Erfindung dar, legen sie nicht dar, dass der Fachmann ausgehend von der DE 669 hinreichenden Anlass dazu hatte, genau den in Merkmal 16 des Verfügungspatents benannten Wertebereich als praxisgerecht auszuwählen. Insbesondere haben die Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt, dass entgegen der Ausführungen der Einspruchsabteilung des EPA im Stand der Technik sich bereits mit dem technischen Problem der Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich, das durch die Vorgabe der Abstandsverhältnisse gemäß Merkmal 16 des Verfügungspatents gelöst werden soll, beschäftigt wurde oder dazu Angaben gemacht wurden. Soweit die Verfügungsbeklagten weiter ausführen, die durch den Wertebereich erreichbaren „günstigen Steifigkeitsverhältnisse im Anschlussbereich der Werkzeugeinrichtung“ seien mit der isolierten Angabe eines Wertebereichs T/t von ]1; 20[ ohne nähere Vorgaben zum Material überhaupt nicht ausführbar, spricht bereits gegen eine evidente Unrichtigkeit das von den Verfügungsbeklagten selbst angeführte Argument, dass der Fachmann das Material sachgerecht auswählen wird. Darüber hinaus ist in der Entscheidung des EPA von günstigen Steifigkeitsverhältnissen nicht die Rede, sondern von Steifigkeitsverhältnissen, die in einer günstigen Drehmomenteinleitung resultieren.
  36. 2.
    Die Dringlichkeit im zeitlichen Sinne ist ebenfalls gegeben. Den Verfügungsklägerinnen kann kein zögerliches Verhalten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vorgeworfen werden.
  37. a.
    Für die Beurteilung der Dringlichkeit ist maßgeblich, ob sich der Verletzte bei der Verfolgung seiner Ansprüche in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten hat, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, dem Verletzten sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, weswegen es auch nicht angemessen ist, ihm die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu gestatten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat). Grundsätzlich beginnt die „Uhr“ für die Verfügungsklägerin mit der zuverlässigen Kenntnis von den rechtsverletzenden Ausführungsformen an „zu ticken“. Liegt ein solches Wissen vor, hat sich der Verfügungskläger unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will und im Anschluss daran alles Notwendige zu tun, um den Sachverhalt gegebenenfalls in einer solchen Weise aufzuklären und (durch Beschaffung von Glaubhaftmachungsmitteln) aufzubereiten, dass mit Aussicht auf Erfolg ein gerichtliches Verfahren angestrengt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012 – I-2 U 12/12, BeckRS 2014, 01174). Der Verfügungskläger muss bei der Rechtsverfolgung keinerlei Prozessrisiko eingehen. Er muss das Gericht deshalb erst dann anrufen, wenn er verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist. Der Verfügungskläger darf sich dabei auf jede mögliche prozessuale Situation, die nach Lage der Umstände eintreten kann, vorbereiten, so dass er – wie immer sich der Verfügungsbeklagte auch einlassen und verteidigen mag – darauf eingerichtet ist, erfolgreich erwidern und die nötigen Glaubhaftmachungsmittel präsentieren zu können (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat).
    Der Dringlichkeit steht es nicht entgegen, dass der Schutzrechtsinhaber zunächst die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung abwartet, wenn der Rechtsbestand streitig ist und ein vor der aufrechterhaltenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung eingereichtes Verfügungsbegehren mutmaßlich keine Erfolgsaussicht hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2016 – I-2 U 48/15, GRUR-RS 2016, 03306 – Ballonexpandierende Stents; Beschluss vom 13.11.2008 – I-2 U 35/08, InstGE 10, 124 – Inhalator).
  38. b.
    Daran gemessen ist den Verfügungsklägerinnen kein zögerliches Verhalten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vorzuwerfen.
    Zwar haben sie bereits im Jahr 2017 ausweislich ihrer Berechtigungsanfrage vom 7. November 2017 Kenntnis von dem Angebot der angegriffenen Ausführungsformen auf der Webseite der Verfügungsbeklagten zu 1) gehabt. Allerdings war das Verfügungspatent zu diesem Zeitpunkt nur angemeldet, jedoch noch nicht eingetragen. Die Verfügungsklägerinnen waren nicht verpflichtet, bereits aus dem Gebrauchsmuster, dessen Priorität das Verfügungspatent in Anspruch nimmt, vorzugehen. Insoweit bleibt es den Verfügungsklägerinnen vorbehalten, zu entscheiden, aus welchem Schutzrecht sie gegen die Verfügungsbeklagten vorgehen wollen. Die Eintragung des Verfügungspatents erfolgte im April 2018. Die darauf bezogene Dinglichkeitsfrist begann daher erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen.
    Zwar richteten die Verfügungsklägerinnen bereits zuvor, im Februar 2018, mit dem aus der Anlage WR 1 ersichtlichen Schreiben eine weitere Berechtigungsanfrage an die Verfügungsbeklagten und wiesen auf die Anmeldung des Verfügungspatentes und die bevorstehende Eintragung hin. Allerdings haben die Verfügungsklägerinnen die Dringlichkeit nicht selbst widerlegt, indem sie nicht gleich nach Eintragung des Verfügungspatents gerichtliche Schritte gegen die Verfügungsbeklagten – im Wege eines Hauptsacheverfahrens oder eines einstweiligen Verfügungsverfahrens – eingeleitet haben. Denn in ihrem Antwortschreiben vom 1. März 2018 (Anlage WR 2) wiesen die Verfügungsbeklagten bereits auf den ihrer Ansicht nach mangelnden Rechtsbestand des angemeldeten Verfügungspatentes hin, indem sie ausführten, dass ihnen Stand der Technik vorliege, „der auch Ansprüche aus der Mitteilung nach Regel 71 (3) zu Fall bringen könnte“. Es war daher absehbar, dass die Verfügungsbeklagten gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents vorgehen würden, sobald Ansprüche aus dem Verfügungspatent geltend gemacht würden. Insoweit legten die Verfügungsbeklagten schließlich auch am 11. Januar 2019 Einspruch gegen das Verfügungspatent ein. Da der Rechtsbestand des Verfügungspatents zwischen den Parteien damit von Anfang der Auseinandersetzung an in Streit stand und die Verfügungsklägerinnen bei der Rechtsverfolgung – wie bereits dargelegt – keinerlei Prozessrisiko eingehen müssen, ist es ihnen nicht vorzuwerfen, dass sie den Ausgang des Einspruchsverfahrens bis zur erstinstanzlichen Entscheidung abgewartet haben, bevor sie den hiesigen Antrag gestellt haben. Darüber hinaus ist es im Einspruchsverfahren tatsächlich zu einer Einschränkung des Verfügungspatents gekommen, so dass sich die Befürchtungen der Verfügungsklägerinnen auch objektiv als berechtigt erwiesen haben.
    Nach der erstinstanzlichen Entscheidung des EPA in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2021, mit der die Verfügungsklägerinnen schließlich hinreichend verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hatten, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, mahnten die Verfügungsklägerinnen die Verfügungsbeklagten schließlich zeitnah mit Schreiben vom 9. November 2021 (Anlage WR 4/AG 1) wegen Verletzung des Verfügungspatents durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen ab und forderten sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 10. November 2021 auf. Indem die Verfügungsklägerinnen am 12. November 2021 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung eingereicht haben, haben sie gezeigt, dass ihnen die Sache dringlich ist.
    Hinzu tritt, dass eine positive Rechtsbestandsentscheidung nach hiesiger Rechtsprechung grundsätzlich eine Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung darstellt. Ihr Vorliegen führt nach der Inhalator-Rechtsprechung dazu, dass neue, tatsächliche Umstände bestehen, so dass deren Abwarten in der Regel nicht als dringlichkeitsschädlich angesehen wird.
    Zudem erscheint es ebensowenig dringlichkeitsschädlich, dass die Verfügungsklägerinnen gegen die Verfügungsbeklagten nicht (auch) im Wege der Hauptsacheklage vorgegangen sind. Selbst in einer Situation, in der der Antragsteller bei Beantragung der einstweiligen Verfügung bereits im Besitz eines Hauptsachetitels sein könnte, sofern er alsbald nach Entdeckung der Verletzungshandlungen (während des noch laufenden Rechtsbestandsverfahrens) Klage zur Hauptsache erhoben hätte, kann ihm nicht entgegen gehalten werden, ihm sei die Rechtsverfolgung nicht dringlich. Die gegenteilige Argumentation des Verletzers hätte zur Konsequenz, dass dem Verletzer allein deshalb, weil er nicht schon (längst) einen Hauptsachetitel gegen sich hat, auch weiterhin gestattet bleiben muss, seine eindeutig patentverletzenden Handlungen weiterhin fortsetzen zu können. Abgesehen davon kann es gute Gründe geben, auch vor Erhebung einer Hauptsacheklage den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten. Ist der Bestand des Verfügungspatents ernstlich zweifelhaft, wird ein besonnener Kläger schon wegen der ansonsten bestehenden Schadenersatzpflicht davon absehen, einen erstrittenen Hauptsachetitel zu vollstrecken. Ein derartiges kostenbewusstes Taktieren kann nicht als nachlässige Rechtsverfolgung ausgelegt werden, die nach außen dokumentiert, dass es dem Anspruchsteller mit seinen Ansprüchen nicht eilig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2016 – I-2 U 48/15, BeckRS 2016, 3306 Rn. 97, GRUR-RS 2016, 03306 – Ballonexpandierende Stents). Wie ausgeführt, hätte im hiesigen Fall durchaus die Möglichkeit bestanden, dass sich entweder das aufgezeigte Risiko eines nicht verwertbaren Titels realisiert hätte oder aber die Kammer zu einer Aussetzungsentscheidung gekommen wäre, so dass den Verfügungsklägerinnen auch im Hauptsacheverfahren kein Titel (eher) zur Verfügung gestanden hätte.
  39. 3.
    Einer Abwägung der den Verfügungsklägerinnen drohenden Nachteile mit den Interessen der Verfügungsbeklagten erübrigt sich letztlich. Denn das überwiegende Interesse der Verfügungsklägerinnen wird bereits durch die festgestellte Patentverletzung bei gesichertem Rechtsbestand und gegebener Dringlichkeit indiziert. Die Einwände der Verfügungsbeklagten vermögen im Übrigen nicht ausnahmsweise ihre Interessen als überwiegend zu bewerten.
    Soweit die Verfügungsbeklagten eigene Rufschädigungen anführen, die aus der Vollstreckung der Unterlassungsverfügung resultieren können, so handelt es sich dabei um mit der Verfügung üblicherweise einhergehende Folgen, die im Rahmen der Interessenabwägung nicht zugunsten der Verfügungsbeklagten herangezogen werden können.
    Auf die Frage einer Marktverwirrung oder auf die Marktsituation kommt es nicht entscheidend an, sondern darauf, dass das technische Schutzrecht der Verfügungsklägerinnen durch das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen ohne besondere Rechtfertigungsgründe verletzt wird.
    Den Interessen der Verfügungsbeklagten kann zudem in hinreichender Weise – wie geschehen – wirksam durch die Anordnung einer angemessenen Sicherheitsleistung begegnet werden, von deren Erbringung die Vollziehung der einstweiligen Verfügung abhängig ist (§ 938 ZPO).
  40. III.
    Schließlich greift auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht durch. Die Verfügungsbeklagten haben keine Gründe für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Verfügungsklägerinnen dargelegt, das ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz ausnahmsweise ausschließen könnte.
    Anhaltspunkte dafür, dass es den Verfügungsklägerinnen vornehmlich um eine Schädigung der Verfügungsbeklagten und nicht um die Durchsetzung ihres Schutzrechts ginge, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
    Soweit die Verfügungsbeklagten vortragen, es gehe den Verfügungsklägerinnen allein darum, sie wirtschaftlich zu schädigen und nicht darum, ihre Rechtsposition zu sichern, verfängt dies mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht. Insbesondere ist die Sicherung der Rechte der Verfügungsklägerinnen nicht bereits dadurch erreicht, dass es den Verfügungsbeklagten untersagt ist, ihre Produkte aus der Schweiz zu exportieren, so dass es ihnen nicht möglich sei, Patentverletzungen in Deutschland zu begehen. Selbst unterstellt, die Verfügungsbeklagten betrieben außerhalb der Schweiz keine Produktionsstätten, so kann – wie bereits ausgeführt – die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung für die Zukunft ausgeräumt werden. Es besteht jedenfalls weiterhin die Gefahr, dass die Verfügungsbeklagten die sich bereits im deutschen Markt befindlichen angegriffenen Ausführungsformen vertreiben (lassen). Zudem betreiben die Verfügungsbeklagten – wie bereits festgestellt – weiterhin Werbung für die angegriffenen Ausführungsformen und weisen auf die Möglichkeit eines Bezugs derselben über in Deutschland ansässige Vertriebspartner bzw. Händler hin, was bereits eine Patentverletzung darstellt.
    Auch vorsätzliche Rufschädigungen der Verfügungsbeklagten durch die Verfügungsklägerin sind nicht hinreichend dargelegt worden. Soweit sie behaupten, die Verfügungsklägerinnen würden gegenüber Abnehmern behaupten, es sei bereits eine einstweilige Verfügung gegen sie, die Verfügungsbeklagten, ergangen, so ist dies unter Berücksichtigung des Bestreitens der Verfügungsklägerinnen, unter anderem auch des Bestreitens mit Nichtwissen, dass die E-Mail der Anlage Replik 02 vom Geschäftsführer der E GmbH stamme, nicht weiter substantiiert worden.
    Schließlich kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte zu 2), wie von den Verfügungsbeklagten behauptet, das Werkzeug mit der Funktion „stirnseitiges Sägen“ ursprünglich erfunden hat. Denn aus diesem Umstand und auch aus einer Zusammenarbeit mit der Verfügungsbeklagten zu 1) in der Vergangenheit kann kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerinnen hergeleitet werden. Es wird insbesondere nicht in Abrede gestellt, dass die Verfügungsklägerinnen Inhaberinnen des Verfügungspatents und damit berechtigt sind, aus diesem gegen Verletzungen vorzugehen.
  41. IV.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
    Die Anordnung der Sicherheitsleistung beruht auf §§ 936, 921 S. 2 ZPO. Sie ist sinnvoll und geboten, weil damit gewährleistet wird, dass der Unterlassungsanspruch nicht unter geringeren Bedingungen vollstreckbar ist, als er es bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil wäre (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15). Von einer Sicherheitsleistung kann im Allgemeinen nur abgesehen werden, wenn der Antragsteller entweder zu ihr nicht in der Lage ist oder weil eine Sicherheitsleistung in der Kürze der Zeit nicht beizubringen ist, wofür hier nichts dargetan oder ersichtlich ist. Da keine Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden Schaden der Verfügungsbeklagten durch Vollziehung der einstweiligen Verfügung vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, hat die Kammer die Sicherheitsleistung in Höhe des Streitwerts festgesetzt.
    V.
    Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

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