4b O 75/09 – Verwahrungskasten II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2262

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. September 2010, Az. 4b O 75/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 125/10

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.

TATBESTAND :

Die Klägerin ist seit dem 11. August 2008 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 819 XXX B2, dessen deutscher Teil das Aktenzeichen DE 596 01 XXX hat (im Folgenden: Klagepatent; Anlage PBP 1). Es wurde am 04.04.1996 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 04.04.1995 angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 03.02.1999. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte erhob Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht gegen den deutschen Teil des Klagepatents am 26. Oktober 2009. Hierüber ist noch nicht entschieden.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Verwahren mindestens einer elastischen verformbaren Halterung und ein Verfahren zum abschnittweisen Betonieren unter Verwendung elastisch verformbarer Halterungen als Betonieranschluss.

Die Klägerin stützt ihre Klage auf den Patentanspruch 1 des Klagepatents:

„Vorrichtung zum Verwahren mindestens einer elastisch verformbaren Halterung (2), wie einer Drahtseilschlaufe, zum Halten von einem Bauteil aus Beton, wie einem Betonfertigteil,
welche zumindest einen Verwahrungskasten (1), Mittel zum Biegen der Halterung (2) im wesentlichen parallel zu einer Biegeebene (4) sowie Mittel zum Positionieren der Halterung bezüglich des Verwahrungskastens aufweist, wobei die Biegemittel zumindest zwei Biegeanschläge (40, 42) und einen Gegenanschlag (41) umfassen,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Positionierungsmittel zumindest ein Formteil (3, 3a) umfassen, welches zumindest einen Biegeanschlag (40) aufweist und mit dem Verwahrungskasten (1) zumindest bezüglich der Biegeebene (4) winkelsteif verrastet oder verrastbar ist, wobei der Biegeanschlag (40) zumindestens parallel zur Oberfläche des zu haltenden Bauteils auftretenden Biegekräften entgegenwirkt.“

Die nachfolgenden Abbildungen stammen aus dem Klagepatent. Figur 2 zeigt eine erfindungsgemäße Verwahrungsvorrichtung im Schnitt. Bei Figur 4b handelt es sich um eine perspektivische Darstellung. Figur 41 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel einer patentgemäßen Verwahrungsvorrichtung in der Frontalansicht. Alle Abbildungen sind verkleinert wiedergegeben.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Verwahrungsvorrichtungen unter der Bezeichnung „A“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform ist wie folgt ausgestaltet:

Das Klagepatent war Gegenstand eines Patentverletzungsverfahrens zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten vor dem Landgericht Düsseldorf (AZ: 4 O 580/99). Die Beklagte wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 27. Januar 2001 zur Unterlassung verurteilt, woraufhin sie die damalige angegriffene Ausführungsform in die derzeitige angegriffene Ausführungsform umgestaltete. Ein Ordnungsgeldbeschluss, der die derzeitige angegriffene Ausführungsform betraf, wurde durch Beschluss am 2. Januar 2002 (AZ: 4a O 580/99 (ZV)) mit der Begründung abgelehnt, dass die angegriffene Ausführungsform als Abwandlung der damals zugrundeliegenden angegriffenen Ausführungsform nicht vom Tenor des Urteils erfasst sei und daher unabhängig von der Frage einer Verletzung des Klagepatents durch diese Ausführungsform der Ordnungsgeldantrag abzulehnen sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent wortsinngemäß. Eine winkelsteife Verrastbarkeit des Formteils mit dem Verwahrungskasten sei auch bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben. Maßgeblich sei allein der Zustand nach Zusammenbau der Verwahrungsvorrichtung.
Zudem sei das Klagepatent rechtsbeständig, da die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung sowohl neu sei als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Bei der Europäischen Patentanmeldung EP 0534XXX A1 sei der Verwahrungskasten nicht an der Verformung der Drahtseilschlaufe beteiligt. Gerade dies fordere aber das Klagepatent.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlungen vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen

Vorrichtungen zum Verwahren mindestens einer elastisch verformbaren Halterung, wie einer Drahtseilschlaufe, zum Halten von einem Bauteil, wie einem Betonfertigteil, welche zumindest einen Verwahrungskasten, Mittel zum Biegen der Halterung im Wesentlichen parallel zu einer Biegeebene sowie Mittel zum Positionieren der Halterung bezüglich des Verwahrungskastens aufweist, wobei die Biegemittel zumindest zwei Biegeanschläge und einen Gegenanschlag umfassen,
herzustellen, anzubieten in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei die Positionierungsmittel zumindest ein Formteil umfassen, welches zumindest einen Biegeanschlag aufweist und mit dem Verwahrungskasten zumindest bezüglich der Biegeebene winkelsteif verrastet oder verrastbar ist, wobei der Biegeanschlag zumindest parallel zur Oberfläche des zu haltenden Bauteils auftretenden Biegekräfte entgegen wirkt;

2. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. August 2008 begangenen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
b) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

und dabei die zugehörigen Einkaufs- und Verkaufsbelege (Lieferscheine oder Rechnungen) mit der Maßgabe vorzulegen, dass Daten, auf sie sich geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 11. August 2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter oben Ziffer I.1. fallenden Verwahrungsvorrichtungen auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

IV. die Beklagte weiter zu verurteilen, die oben unter Ziffer I.1. fallenden, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 819 XXX B2 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte,
den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents eingereichte Nichtigkeitsklage (AZ: 5 Ni 154/09) gemäß § 148 ZPO auszusetzen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletze. Insbesondere sei bei der angegriffenen Ausführungsform keine patentgemäße Verrastung oder Verrastbarkeit gegeben. Das Klagepatent setze voraus, dass das Formteil selbst mit dem Verwahrungskasten verrastet oder verrastbar sein müsse. Bei der angegriffenen Ausführungsform finde eine solche Verrastung nicht statt und sei auch nicht möglich. Dies habe implizit auch das Ordnungsmittelverfahren AZ: 4a O 580/99 (ZV) ergeben. Zudem wirke bei der angegriffenen Ausführungsform der Biegeanschlag des Formteils nicht Biegekräften entgegen, die parallel zur Oberfläche des zu haltenden Bauteils auftreten, da beim Biegen der Drahtseilschlaufe das Formteil durch die angegriffene Ausführungsform durchkippe.
Das Klagepatent sei auch nicht rechtsbeständig. Unter anderem wegen offenkundiger Vorbenutzung fehle es an der Neuheit der technischen Lehre des Klagepatents. Zumindest beruhe die technische Lehre nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum Verwahren mindestens einer elastisch verformbaren Halterung. Insbesondere betrifft die Erfindung eine Verwahrungsvorrichtung für eine Drahtseilschlaufe, wie sie als Verbindungsanker für Betonfertigteile Verwendung findet. Diese Verbindungsanker können auch zum Transport solcher Bauteile dienen. Derartige Verwahrungsvorrichtungen finden im Betonbau Verwendung. Sie dienen dem Bewehrungsanschluss von Betonteilen.

Aus dem Stand der Technik sind derartige Verwahrungsvorrichtungen bekannt. Die in der DE 16 84 XXX B2 beschriebene Verwahrungsvorrichtung besteht aus einem Verwahrungskasten mit einer bauteilseitigen Durchbrechung, einem Anschlag und zumindest einer konvex ausgebildeten Wand, wobei die zu verwahrende Halterung durch die Durchbrechung vom zu haltenden Bauteil aus in den Verwahrungskasten eintritt und der konvexen Wölbung des Verwahrungskastens folgend durch den Anschlag in ihrer Position gehalten wird. Um das Eindringen von Betonmasse zu verhindern, kann die Halterung an der Durchstoßstelle von einem Stahlring umschlossen sein.

In der DE 41 31 XXX A1 und der EP 0 534 XXX A1 wird eine Verwahrungsvorrichtung vorgeschlagen, bei welcher in dem Verwahrungskasten ein Biegeelement angeordnet ist, welches ein Formteil mit zwei Biegeanschlägen und eine Haltevorrichtung für einen Gegenanschlag bildenden Querbolzen umfasst. Die beiden rechtwinklig zueinander angeordneten Biegeanschläge biegen im montierten Zustand die Halterung im wesentlichen rechtwinklig um den Querbolzen bzw. um den Gegenanschlag herum. Auf diese Weise nimmt das Formteil sämtliche der Verbiegung der Halterung entgegenwirkende Kräfte auf. Der Verwahrungskasten dient aufgrund dieser Maßnahme nur noch der Positionierung der rechtwinklig gebogenen Halterung sowie der Verhinderung des Eindringens der Betonmasse bei der Herstellung der Betonfertigteile. Folglich braucht das Material für den Verwahrungskasten nicht mehr so hohen Ansprüchen genügen. Zur Montage dieser Verwahrungsvorrichtung wird zunächst in einer Art Vormontage die Halterung in das Formteil winkelig eingelegt und in dieser Position durch Einstecken oder Einschießen des Querbolzens fixiert. Das Formteil und die abgewinkelte Halterung werden anschließend in den blisterartigen Verwahrungskasten eingesetzt. Hiernach kann einen Deckelplatte auf dem Verwahrungskasten angebracht und die Verwahrungsvorrichtung an der Verschalung befestigt werden.

Das Klagepatent kritisiert am Stand der Technik, dass entweder hohe Anforderungen an das Material zu stellen sind oder die Montage der Verwahrungsvorrichtung sehr aufwendig ist.

Es macht sich zur Aufgabe, die Handhabung, insbesondere die Montage gattungsgemäßer Verwahrungsvorrichtungen zu vereinfachen.

Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Verwahrungsvorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents vor. Der Anspruch kann wie folgt gegliedert werden:

(1) Vorrichtung zum Verwahren mindestens einer elastisch verformbaren Halterung (2), wie einer Drahtseilschlaufe, zum Halten von einem Bauteil, wie einem Betonfertigteil.

(2) Die Vorrichtung weist auf
(a) zumindest einen Verwahrungskasten (1)
(b) Biegemittel für die Halterung (2) im Wesentlichen parallel zu einer Biegeebene (4)
(c) Positionierungsmittel für die Halterung (2) bezüglich des Verwahrungskastens (1).

(3) Die Biegemittel umfassen
(a) zumindest zwei Biegeanschläge (40, 42)
(b) einen Gegenanschlag (41).

(4) Die Positionierungsmittel umfassen zumindest ein Formteil (3, 3a).

(5) Das Formteil (3, 3a) weist zumindest einen Biegeanschlag (40) auf.

(6) Das Formteil (3, 3a) ist mit dem Verwahrungskasten (1) zumindest bezüglich der Biegeebene (4) winkelsteif verrastet oder verrastbar.

(7) Der Biegeanschlag (4) wirkt zumindest parallel zur Oberfläche des zu haltenden Bauteils auftretenden Biegekräften entgegen.

(Anspruch 1)

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre der Erfindung des Klagepatents keinen Gebrauch.
Die Parteien streiten zu Recht nur über die Verwirklichung der Merkmale 6 und 7, sodass sich Ausführungen zu den anderen Merkmalen erübrigen.

1.
Es fehlt an Merkmal 6.

a)
Merkmal 6 verlangt, dass das Formteil (3, 3a) mit dem Verwahrungskasten (1) zumindest bezüglich der Biegeebene (4) winkelsteif verrastet oder verrastbar ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss das Formteil selbst die Verrastung ggf. durch weitere Hilfsmittel wie einem Keil herbeiführen können. Auf die Halterung als zusätzliches Rastmittel kann nicht zurückgegriffen werden. Die Halterung darf nicht als Rastmittel dienen.
Zwar ist der Wortlaut des Patentanspruchs diesbezüglich offen. Merkmal 6 verlangt die Verrastbarkeit des Formteils mit dem Verwahrungskasten. Die Halterung oder ein sonstiges zusätzliches Element findet hier keine Erwähnung, sodass hiernach nicht festgelegt ist, wie und mit welchen Mitteln die Verrastung bzw. Verrastbarkeit zustande kommt.
Der Patentanspruch schreibt auch keine bestimmte Ausgestaltung oder bestimmte Funktionsweise des Formteils vor. Dies wird auch in der Beschreibung ausdrücklich offen gelassen (vgl. Sp. 3, Z. 8-12 des Klagepatents, Anlage PBP1). Selbst mehrteilige Formteile oder die Verwendung eines Keils sind denkbar (vgl. Sp. 3, Z. 28 des Klagepatents, Anlage PBP1). Die Klemmelemente können sowohl elastisch als auch plastisch ausgebildet sein, sodass die Baugruppen des Klemmelementes zur Verrastung umgebogen werden müssen (Abschnitt [0026] des Klagepatents, Anlage PBP1).
Gleichwohl darf die Halterung patentgemäß nicht an der Verrastung des Formteils beteiligt sein. Dies gebietet die Funktion, die die Verrastung bzw. Verrastbarkeit des Formteils hat.

„Die bezüglich der Biegeebene winkelsteife Verrasterung ermöglicht ein Biegen der Halterung, nachdem diese mittels des Formteils positioniert ist, unter Ausnutzung der durch den Verwahrungskasten verlängerten Hebelwirkung.“ ([0010] Sp. 3. Z. 3-7 des Klagepatents, Anlage PBP 1).

Durch die Verrastung des Formteils kann die durch den Verwahrungskasten verlängerte Hebelwirkung ausgenutzt werden, um die Halterung einzubiegen. Dies ist nur dann möglich, wenn bereits vor dem Verbiegen der Halterung das Formteil eingerastet ist und winkelsteif bezüglich der Biegeebene verrastet ist. Die bloße Positionierung des Formteils reicht hierfür noch nicht aus. Diese kann nicht mit der Verrastung des Formteils gleich gesetzt werden. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht um eine bevorzugte Ausführung, sondern um eine zwingende Vorgabe des Klagepatents. Gerade dies erleichtert die Montage der Verwahrungsvorrichtung und ist daher maßgeblich an der Lösung der Aufgabe, die sich das Klagepatent gestellt hat, beteiligt, die sich vom Stand der Technik abhebt. Eine mittelbare Positionierung der Halterung durch eine Fixierung mit einem Querbolzen war auch bereits im Stand der Technik bekannt (vgl. [0004] des Klagepatents, Anlage PBP1), aber keine Verrastung des Formteils, die die Halterung positioniert und das Einbiegen unmittelbar ermöglicht. Eine winkelsteife Verrastung des Formteils war allenfalls unter Zuhilfenahme der Halterung bekannt.
Diese Anforderung an die Verrastung bzw. Verrastbarkeit des Formteils ist ferner im allgemeinen Beschreibungsteil des Klagepatents (vgl. [0006] des Klagepatents, Anlage PBP1) aufgeführt und gilt daher einschränkungslos für alle patentgemäßen Vorrichtungen. Dabei wird nicht verkannt, dass durch Anspruch 1 eine patentgemäße Verwahrungsvorrichtung im fertig montierten Zustand geschützt wird, d.h. wenn die Halterung bereits eingebogen ist. Dennoch ist die Funktion des Merkmals 6 im Rahmen der Montage der Verwahrungsvorrichtung maßgeblich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich das Klagepatent gerade zur Aufgabe gemacht hat, die Montage gattungsgemäßer Verwahrungsvorrichtungen zu vereinfachen (vgl. Abschnitt [0005], Sp. 2, Z. 13-15 des Klagepatents, Anlage PBP1). Hierfür wird es durch die Verrastung des Formteils ermöglicht, zunächst die Halterung aufrecht bezüglich des Verwahrungskastens zu positionieren und anschließend in den Verwahrungskasten hinein zu verbiegen (Abschnitt [0006] Sp. 2, Z. 17-23 des Klagepatents, Anlage PBP 1). Der Verrastung bzw. Verrastbarkeit des Formteils ist damit für den Montagevorgang maßgeblich.
Auch die im Patentanspruch aufgeführte Alternative der Verrastbarkeit führt zu keinem anderen Verständnis. Das Klagepatent differenziert in seinem beschreibenden Teil nicht zwischen Verrastung und Verrastbarkeit, sodass nach allgemeinem Sprachverständnis die Alternative der Verrastbarkeit als eine dem Formteil innewohnende Eigenschaft verstanden werden kann, durch welche eine tatsächliche Verrastung des Formteils mit dem Verwahrungskasten erreicht werden kann. Eine andere Betrachtung der Funktionsweise des Formteils ergibt sich hierdurch nicht. Vielmehr ist die Verrastbarkeit eine zeitlich der Verrastung vorgelagerte Stufe.
Dabei verlangt Merkmal 6 eine winkelsteife Verrastung bzw. Verrastbarkeit bezüglich der Biegeebene. Das Klagepatent definiert die Biegeebene als eine Ebene, zu welcher sowohl die senkrechten als auch die waagerechten Biegekräfte parallel verlaufen (Abschnitt [0009], Sp. 2, Z. 57 – Sp. 3, Z. 2 des Klagepatents, Anlage PBP1). Dabei handelt es sich um die Ebene, in der die Seilschlaufe um ca. 90 Grad gebogen wird. Mit der winkelsteifen Verrastung bzw. Verrastbarkeit bezüglich der Biegeebene wird gerade die oben geschilderte Funktion der Verrastung erreicht, mithin die Verbiegung der Halterung unter Ausnutzung der durch den Verwahrungskasten verlängerten Hebelwirkung. Beim Einbiegen der Halterung wird aufgrund der winkelsteifen Verrastung den Biegekräften entgegengewirkt und somit ein müheloses Einbiegen der Halterung ermöglicht, ohne dass das Formteil gehalten werden muss o.ä.
Zu einem anderen Verständnis zwingen auch nicht die in den Figuren 33 bis 44 dargestellten Formteile, die selbst alle Biegekräfte aufnehmen. Auch hier wird das Einbiegen der Halterung durch die Ausnutzung der Hebelwirkung des Verwahrungskastens erleichtert. Ferner ist die Halterung nicht an der Verrastung beteiligt, sondern wird allein durch das Formteil erreicht.
Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass die im allgemeinen Teil der Beschreibung des Klagepatents vorgegebene zeitliche Reihenfolge der Verrastung bei dem in den Figuren 29 bis 32 dargestellten Ausführungsbeispiel nicht eingehalten wird, da bei dem in den Figuren 29 bis 32 dargestellten Ausführungsbeispiel eine zunächst aufrechte Positionierung der Halterung aufgrund des L-förmigen Formteils nicht möglich ist (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 2. August 2010). Aber auch hier ist die Halterung nicht an der Verrastung beteiligt. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer solchen Ausgestaltung nicht notwendigerweise eine Berührung der Halterung mit dem Verwahrungskasten gegeben sein muss. Zwar ist dies bei dem in Figur 29 dargestellten Ausführungsbeispiel der Fall. Das lässt aber keinen zwingenden Rückschluss für alle denkbaren Ausgestaltungen zu. Bei diesem Ausführungsbeispiel, die ein zweiteiliges Formteil einsetzt, findet ausnahmsweise beim Einsetzen des zweiten Teils des Formteils die Positionierung als auch das Einbiegen der Halterung zeitgleich statt. Dennoch dient das Verrasten des Formteils der Positionierung der Halterung und ermöglicht das Einbiegen derselben. Umgekehrt dient das Einbiegen der Halterung auch bei diesem Ausführungsbeispiel aber nicht zur Verrastung.
Ein weiteres Verständnis gebietet auch die Alternative der „Verrastbarkeit“ im Patentanspruch nicht. Insbesondere wird hiervon nicht die Verrastung eines Formteils, in welches das Formteil bereits hinein gebogen ist, erfasst. Ein solches Verständnis gibt der Wortlaut nicht her. Wie bereits dargestellt, differenziert der beschreibende Teil des Klagepatents nicht zwischen Verrastung und Verrastbarkeit, sodass der Alternative der Verrastbarkeit keine andere Funktion zukommt als die bloße Möglichkeit des patentgemäßen und bereits dargestellten Verrastens. Die Verrastbarkeit betrifft daher lediglich eine Eigenschaft des Formteils bevor es in den Verwahrungskasten eingesetzt wird.

b)
Ausgehend von diesem Verständnis verletzt die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht. Merkmal 6 wird durch sie nicht verwirklicht, da das Formteil nicht winkelsteif bezüglich der Biegeebene verrastet oder verrastbar ist.
Wie bereits dargestellt, muss das Formteil mit dem Verwahrungskasten auch ohne Einbiegen der Halterung verrastet sein bzw. diese Eigenschaft besitzen, mithin verrastbar sein. Dies lässt sich bei der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellen.
Dort lässt sich das Formteil in die Biegeebene kippen. Gerade bezüglich der Ebene, in die die Halterung eingebogen wird, fehlt ein Verrastungselement, sodass beim Einbiegen der Halterung das Formteil aus seiner Position herauskippt. Die Halterung kann so nicht mehr unter den Biegeanschlag geführt werden. Das Formteil muss vielmehr in dieser Position durch zusätzliche Kräfte gehalten werden, um die Halterung unter den Biegeanschlag zu führen. Die Hebelkräfte des Verwahrungskastens werden so gerade nicht ausgenutzt.
Diese Beweglichkeit ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht minimalst. Sie liegt vielmehr außerhalb des Bereichs üblicher Fertigungstoleranzen. Das Formteil verfügt an dem kippbaren Ende über kein Rastelement an der Innenseite des Formteils, welches innerhalb der Profilschiene angebracht ist. Lediglich an der Außenseite sind kleine Rastnasen angebracht, die verhindern, dass das Formteil in die Profilschiene kippt. Auf der Innenseite ist eine entsprechende Verrastungsvorrichtung nicht angebracht, so dass das Formteil nach außen kippt. Dies geschieht insbesondere beim Einbiegen der Halterung und war bei allen Formteilen des zur Akte gereichten Musters der angegriffenen Ausführungsform (Anlage PBP7) zu beobachten. Damit wird gerade die Funktion der Verrastung nicht erreicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist vergleichbar mit dem Stand der Technik eine Vormontage notwendig.
Zwar ist nach dem Einbiegen der Halterung das Formteil unbeweglich in der hierfür vorgesehenen Öffnung und damit winkelsteif verrastet. Eine Verrastung mithilfe der Halterung fällt aber nicht in den Schutzbereich des Klagepatents, da das Merkmal 6 so zu verstehen ist, dass die Verrastung ohne die Halterung stattfinden muss. Nur dann wird die vom Klagepatent beabsichtigte leichte Montage mit dem Formteil erreicht. Das patentgemäße Verrasten dient dem Einbiegen der Halterung – nicht umgekehrt.
Daher kommt es auch nicht darauf an, dass bei der angegriffenen Ausführungsform eine Verkippung im eingebauten Zustand der Verwahrungsvorrichtung nicht mehr möglich. Dann ist ein Teil der Halterung und des Verwahrungskastens fest einbetoniert ist. Die Verrastung und Verrastbarkeit des Formteils soll gerade die patentgemäße Montage ermöglichen, so dass bereits dann die Verrastung möglich sein muss.

III.
Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.