4a O 87/20 – Bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung III

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3221

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 31. Mai 2022, Az. 4a O 87/20

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
    1. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die nachfolgenden Handlungen seit dem 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangen hat,
    bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtungen mit einem auf einem Befestigungssockel gehaltenen, mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum oberhalb des Befestigungssockels begrenzenden Leuchtmittel und einem zum Aktivieren oder Deaktivieren des Leuchtmittels als Reaktion auf eine erfasste Bewegung eingerichteten Bewegungssensor
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende- und/oder Empfangsantenne und einer zugeordneten Sensorelektronik ist, das so auf dem Befestigungssockel vorgesehen ist, dass das Trägermodul mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum aufgenommen ist,
    und zwar unter Angabe
    a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
    wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnung, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    2. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin bezeichneten und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    3. der Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.833,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2020 zu zahlen.
    II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. vom 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
    III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
    IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Ziffern I. 1. und 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 € und hinsichtlich Ziffern I. 3. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten wegen einer Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 062 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) geltend, das bereits Gegenstand von Parallelverfahren vor der Kammer unter den Az. 4a O 139/17 (zum stattgebenden Urteil vgl. Anlage K 1) und 4a O 67/20 gewesen ist.
    Die Klägerin war alleinige Inhaberin des am 09.03.1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 298 04 XXX U vom 09.03.1998 und der DE 299 03 XXX U vom 05.03.1999 angemeldeten Klagepatents. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 27.12.2000 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 09.01.2002 bekannt gemacht. Das Klagepatent ist am 09.03.2019 durch Zeitablauf erloschen (vgl. Registerauszug der Anlage K 3).
    Gegen das Klagepatent wurde zuvor eine Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben. Mit Urteil vom 30.10.2019 wies das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage ab und bestätigte den Rechtsbestand des zwischenzeitlich erloschenen Klagepatents vollumfänglich (vgl. Urteil zum Az. 6 Ni 34/18, Anlage K 2).
    Die Beklagte erhob ebenfalls eine Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent (Anlagenkonvolut rop 2). Das Nichtigkeitsverfahren wird beim Bundespatentgericht zum Az. 4 Ni 27/21 geführt. Am 10.02.2022 erging ein qualifizierter Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG (Anlagenkonvolut K 14).
    Das Klagepatent betrifft eine bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 lautet wie folgt:
  4. „Bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung mit einem auf einem Befestigungssockel (12; 20) gehaltenen, mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum (28) oberhalb des Befestigungssockels begrenzenden Leuchtmittel (14; 22), insbesondere einer Gasentladungslampe, und einem zum Aktivieren oder Deaktivieren des Leuchtmittels als Reaktion auf eine erfasste Bewegung eingerichteten Bewegungssensor (26; 32),
    dadurch gekennzeichnet, dass
    der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul (26) gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende- und/oder Empfangsantenne (16; 32) und einer zugeordneten Sensorelektronik ist, das so auf dem Befestigungssockel (12, 24) vorgesehen ist, dass das Trägermodul (26) mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum (28) aufgenommen ist.“
  5. Nachfolgend wird in verkleinerter Form Figur 1 des Klagepatents eingeblendet, die eine erste Ausführungsform der erfindungsgemäßen Leuchtenvorrichtung zeigt:
  6. Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Garching ansässiges Unternehmen, das Lichtprodukte, nämlich LED-Lampen, LED-Röhren, Halogenlampen, Leuchtstofflampen und Smart-Home-Produkte mit Bluetooth-Technologie etc. anbietet und an Geschäftskunden und Endverbraucher vetreibt. Zum Produktprogramm der Beklagten zählt auch die Leuchte „A“, die die Klägerin bei der Beklagten im Jahr 2016 im Rahmen eines Testkaufes erworben hatte (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Wegen des entsprechenden Angebotes auf der Webseite der Beklagten unter www.XXX.de wird auf die Internetauszüge des Anlagenkonvolutes K 7a Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der Ausgestaltung wird auf die nachfolgend eingeblendete Fotografie von der im Wege des Testkaufs erworbenen angegriffenen Ausführungsform des Anlagenkonvoluts K 7a – die von der Klägerin stammt – sowie auf das als Anlage K 12 vorgelegte Produktdatenblatt Bezug genommen.
    Die Klägerin mahnte die Beklagte mit dem aus dem Anlagenkonvolut K 8 ersichtlichen anwaltlichen Schreiben vom 23.04.2020 ab und forderte sie erfolglos zur Auskunft, Rechnungslegung sowie Anerkennung der Schadensersatzverpflichtung auf. Wegen der weiteren Korrespondenz der Parteien wird auf die Anlagen K 10 und K 11 Bezug genommen.
  7. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch.
    Die angegriffene Leuchtenvorrichtung verfüge insbesondere über ein „Leuchtmittel“ im Sinne des Klagepatents. Das klagepatentgemäße Leuchtmittel sei nicht auf die einzelne lichtemittierende Komponente oder die einzelne Leuchtdiode einer LED-Leuchte beschränkt. Für eine solche einschränkende Auslegung gäben weder der Wortlaut noch die Beschreibung oder die Figuren des Klagepatents Anlass. Der Patentanspruch schließe gerade nicht aus, dass die Leuchtenvorrichtung neben dem einzelnen Leuchtmittel weitere Leuchtmittel enthalte oder mehrteilig ausgebildet sei. Dies gehe insbesondere aus Abs. [0010] des Klagepatents hervor, wonach die Erfindung nicht auf eine spezielle Form oder Ausführung eines Leuchtmittels beschränkt sei, sondern sämtliche Formen lichtemittierender Mittel in Betracht kämen, mithin auch solche, die mehrteilig ausgestaltet seien. Es komme allein auf die Möglichkeit der Begrenzung eines lichten Zwischenraumes mit den Außenwänden des Leuchtmittels an. Insbesondere führe auch das Ausführungsbeispiel eines Gasentladungsleuchtmittels gemäß der Figuren 2 bis 6 nicht zu einer Einschränkung auf eine einzelne Leuchtdiode bzw. lichtemittierende Quelle. Darauf, ob die Röhrenpaare im Sockelgehäuse zu einem einstückigen Glaskörper miteinander verbunden seien oder nicht, komme es nicht an, sondern darauf, dass das Glasentladungsleuchtmittel aus drei langgestreckten am oberen Ende gebogenen Röhrenpaaren gebildet sei, die einen dreieckförmigen Zwischen- bzw. Innenraum aufspannten. Auch nach diesem Ausführungsbeispiel bildeten daher mehrere lichtemittierende Bestandteile ein Leuchtmittel im Sinne des Klagepatents. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde das „Leuchtmittel“ durch die drei LED-Leiterplattensegmente gebildet, auf denen jeweils zehn LED angeordnet seien. Darauf, ob die Leiterplattensegmente ihrerseits miteinander verbunden seien, komme es nicht an, auch wenn dies durch die verbindende Verkabelung tatsächlich der Fall sei.
    Die Außenwände des Leuchtmittels der angegriffenen Ausführungsform begrenzten auch einen lichten Zwischenraum oberhalb des Befestigungssockels im Sinne des Klagepatents. Nach Abs. [0008] des Klagepatents verstehe das Klagepatent unter einem Innen- und/oder Zwischenraum jeglichen, oberhalb des Befestigungssockels gelegenen Raum, welcher durch Abschnitte des Leuchtmittels bestimmt, definiert bzw. begrenzt werde, wobei derartige Innen- bzw. Zwischenräume ansonsten ungenutzt blieben. Entscheidend sei, ob sich Außenwände feststellen ließen, die einen lichten Zwischenraum bildeten, der Raum zur Aufnahme des Bewegungssensors biete. Der Zwischenraum sei damit ein Raum, der nicht von dem Leuchtmittel vollständig umschlossen werden müsse, sondern ähnlich einer Waldlichtung von einzelnen Bestandteilen, d.h. von einzelnen LEDs oder aber auch von für sich einheitlichen LED-Bauteilen, gebildet bzw. umfasst werde. Bei der angegriffenen Ausführungsform bilde das Leuchtmittel mit seinen drei halbmondförmigen LED-Leiterplattensegmenten, nämlich deren Außenwänden, einen lichten Zwischenraum.
    Auch das Merkmal 5, wonach das Trägermodul so auf dem Befestigungssockel vorgesehen sei, dass das Trägermodul mit zumindest einem Teilbereich in dem lichten Zwischenraum aufgenommen sei, sei verwirklicht. Dem Befestigungssockel komme nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs sowohl die Funktion zu, das Leuchtmittel zu halten, als auch die Funktion, das Trägermodul jedenfalls teilweise aufzunehmen. Weitere Vorgaben betreffend den Befestigungssockel mache das Klagepatent nicht, insbesondere müsse der Befestigungssockel keine gewisse Bauhöhe im Sinne einer dreidimensionalen Ausdehnung aufweisen. Der Klagepatentanspruch 1 gebe gerade keine Konkretisierung auf eine bestimmte Buchsenform vor oder erfordere, dass der Befestigungssockel zusätzlich eine kompakte Steuer- und Auswertelektronik für Bewegungssensoren enthalte. In den Abs. [0013] und [0014] des Klagepatents würden insoweit lediglich alternative Weiterbildungsmöglichkeiten beschrieben. Das Trägermodul im Sinne des Klagepatents sei ein Teil des Bewegungssensors und nicht ein Trägerelement, auf welchem ein Bewegungssensor montiert sei. Neben dem Trägermodul seien nach dem Klagepatentanspruch 1 sowohl die Sende- und/oder Empfangsantenne als auch die zugeordnete Sensorelektronik Teile des Bewegungssensors oder von diesem umfasst. Diese Sende- und/oder Empfangsantenne und die zugeordnete Sensorelektronik seien dabei gemäß dem Klagepatentanspruch 1 auf einem Trägermodul ausgebildet. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche Merkmal 5, da der Bewegungssensor mit mindestens einem Teilbereich innerhalb des von den Außenwänden des Leuchtmittels begrenzten Zwischenraums angeordnet sei. Das aus drei LED-Leiterplattensegmenten bestehende Leuchtmittel sei zudem durch sechs Schrauben auf der weißen Befestigungsplatte angebracht und werde damit auf dem Befestigungssockel gehalten. Ferner sei das Trägermodul mit dem Mikrowellensensor auf dem Befestigungssockel vorgesehen.
    Weiterhin stünden die von der Beklagten aufgefundenen Entgegenhaltungen D1 (EP 0 797 XXX A2; Anlage NK1) und D2 (JP XXX; Anlage NK2, englische Übersetzung Anlage NK6) dem durch das Bundespatentgericht bereits bestätigten Rechtsbestand des Klagepatents nicht entgegen, so dass der Rechtsstreit nicht auszusetzen sei.
    Der Gegenstand des Klagepatentanspruchs 1 sei neu gegenüber der D1, da zumindest die Merkmale 4 und 5 der klägerischen Merkmalsgliederung gemäß Anlage K6 weder explizit noch implizit offenbart seien. Merkmal 4, wonach „der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul (26) gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende- und/oder Empfangsantenne (16; 32) und einer zugeordneten Sensorelektronik ist“, werde nicht neuheitsschädlich vorweggenommen, da dort (Spalte 20, Zeilen 32-38 der D1) statt einem Bewegungssensor als optionalen Sensor ein „person sensor“ offenbart werde. Ein Personensensor, der die An-/Abwesenheit von Personen detektiere, könne aber unterschiedlich ausgebildet sein, zum Beispiel als Sprachsensor, als Geräuschsensor, als Kamera, als Fotodioden-Array, als Bluetooth-Empfänger, als Ultraschall-Sensor, als Ultraschall-Dopplersensor, als PIR-Sensor, als Infrarot-Sensor und schließlich auch als HF-Sensor. Die Wahl der Art der Sensorik bei einer Leuchtenvorrichtung sei nicht beliebig, sondern hänge von den spezifischen Anforderungen ab. Da ein als Mikrowellensensor ausgestalteter Bewegungssensor gemäß Merkmal 4 aufgrund der durch die Funkwellenlänge vorgegebenen Antennengröße eine Mindestbaugröße erfordere, müsse der Fachmann, wenn er sich bei der D1 für einen Mikrowellensensor entscheide, eine bauliche Umgestaltung der Leuchtenvorrichtung der D1 vornehmen, da ein Mikrowellensensor aufgrund seiner Abmessungen nicht in die Leuchte gemäß Fig. 2 der D1 hineinpasse. Durch die Lehre der D1 sei auch das Merkmal 5, wonach das Trägermodul so auf dem Befestigungssockel (12, 24) vorgesehen ist, dass das Trägermodul (26) mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum (28) aufgenommen ist, weder impliziert noch unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens nahegelegt. Denn um zu erreichen, dass das Trägermodul (als Teil eines Personensensors statt der Fernbedienungseinheit (44)) so auf dem Befestigungssockel (21) vorgesehen sei, dass das Trägermodul mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum zwischen der ringförmigen Leuchtstoffröhre (51, 52) aufgenommen sei, müssten bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Die Ausnehmung (22) in dem Befestigungssockel (21), auf welchem der Personensensor laut Patentanspruch 16 vorgesehen sei, müsse verschlossen und die Arretierungsvorrichtung (12), (13), (14) müsse entfernt werden, um einem Mikrowellen-Sensor Platz zu machen. Ferner müsse die metallene Reflektorplatte (87), welche Mikrowellenstrahlung zurückreflektiere, ausgebaut werden, was die Leuchtkraft der Leuchtenvorrichtung der Druckschrift D1 massiv reduziere. Schließlich sei eine Montage des Mikrowellen-Sensors an dem Haltebügel (11) (oder (61)), nämlich dem „lamp holder member“, vollkommen abwegig, da Patentanspruch 16 der D1 fordere, dass ein Personensensor auf dem Befestigungssockel (21) montiert sei.
    Auch die D2 nehme jedenfalls die Merkmale 4 und 5 nicht neuheitsschädlich vorweg. Denn anders als die Beklagte meine, könne das Trägermodul nicht in dem Halter (45) gesehen werden, auf dem der Bewegungssensor (11) montiert sei. Der Bewegungssensor (11) – der richtigerweise bereits ein Trägermodul aufweise – sei, wie aus der Figur 10 der D2 klar ersichtlich, nicht im (lichten) Zwischenraum der ringförmigen Leuchtstoffröhre (43) angeordnet. Für den Fachmann bestehe auch keine Veranlassung, bei dem Studium der Druckschrift D2 einen Mikrowellensensor bzw. den Bewegungssensor (11) im Zwischenraum der ringförmigen Leuchtstoffröhre (43) anzuordnen. Ein Bewegungssensor (11) hätte dort keinen Platz, da an dieser Stelle ein Arretiermechanismus (48), (49) und (50) vorgesehen sei.
    Das Klagepatent beruhe auch gegenüber der D2 in Kombination mit der DE 196 01 XXX A1 (D3) auf erfinderischer Tätigkeit. Für den Fachmann bestehe in Ansehung der D2 und der D3 kein Anlass bzw. Hinweis dafür, einen auf dem Trägermodul (6) gebildeten Mikrowellen-Sensor im Zwischenraum zwischen der ringförmigen Leuchtstoffröhre (43) anzuordnen, nachdem er die Arretierungsvorrichtung (48), (49) und (50) aus der in der Fig. 10 gezeigten Leuchtenvorrichtung der D2 entfernt habe. Da keinerlei Restriktionen hinsichtlich eines Raumbedarfs bei der Lehre der D2 bestünden, stelle sich das Problem, für welches das Klagepatent mit der Ausgestaltung nach dem Patentanspruch 1 eine Lösung liefere, nicht.
    Die Klägerin beantragt,
  8. I. die Beklagte zu verurteilen,
    1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die nachfolgenden Handlungen seit dem 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangen hat,
    bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtungen mit einem auf einem Befestigungssockel gehaltenen, mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum oberhalb des Befestigungssockels begrenzenden Leuchtmittel und einem zum Aktivieren oder Deaktivieren des Leuchtmittels als Reaktion auf eine erfasste Bewegung eingerichteten Bewegungssensor
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende-und/oder Empfangsantenne und einer zugeordneten Sensorelektronik ist, das so auf dem Befestigungssockel vorgesehen ist, dass das Trägermodul mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum aufgenommen ist,
    und zwar unter Angabe
    a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
    wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnung, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    2. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin bezeichneten und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    3. ihr einen Betrag in Höhe von € 6.833,80 nebst 5% Zinsen seit Rechtshängigkeit über dem Basiszinssatz zu zahlen;
    II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. vom 01. November 2010 bis zum 09. März 2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  9. Die Beklagte beantragt,
  10. die Klage abzuweisen,
  11. hilfsweise,
  12. den Rechtsstreit bis zur Entscheidung im gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.
  13. Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht, da sie nicht von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch mache, insbesondere nicht von den Merkmalen 2.2 und 5.
    Unter einem „Leuchtmittel“ gemäß Merkmal 2.2 des Klagepatents sei ein Element zu verstehen, das grundsätzlich in der Lage sei, selbstständig zu leuchten, wobei es nicht darauf ankomme, ob es nach der vorgenommenen elektrischen Schaltung dazu auch in der konkreten Anwendung in der Lage sei. Das Klagepatent enthalte insoweit keine eigene Definition des Begriffs, sondern verwende den Begriff des Leuchtmittels in Übereinstimmung mit der üblichen Terminologie des Fachmanns auf diesem Gebiet, nämlich als Synonym für den in der Normung verwendeten Begriff der Lampe, der ein technisches Bauteil einer Leuchte bezeichne, das durch Energieumwandlung Licht erzeuge und der Beleuchtung diene. Die von der Kammer im Parallelverfahren im Urteil vom 02.07.2019 vertretene Auffassung, für die Frage, ob es sich um ein einheitliches Leuchtmittel handele, komme es weder darauf an, ob die Bestandteile einer solchen mehrteiligen Ausgestaltung miteinander verbunden seien, noch, ob jeder Bestandteil selbst in der Lage sei, Licht zu emittieren oder bei Ausfall eines der Bestandteile die Komponente noch in der Lage sei, Licht zu emittieren, sondern ein einheitliches Leuchtmittel liege immer dann vor, wenn sich einheitliche Außenwände feststellen ließen, entkleide das Leuchtmittel seiner Funktion, zu leuchten, und löse sich damit völlig von dem Begriff „Leuchtmittel“. Diese Auslegung, nach der sogar drei oder mehrere herkömmliche Glühbirnen ein einziges (mehrteiliges) Leuchtmittel bilden könnten, sei zu weitgehend. Auch bei den als Ausführungsbeispiel in der Klagepatentschrift genannten drei Röhrenpaaren sei die vermeintliche Mehrteiligkeit funktional keine, da die Röhrenpaare miteinander derart gasdurchlässig verbunden seien, dass durch alle Röhrenpaare nur eine durchgehende Gasentladung zur Lichterzeugung ermöglicht werde. Die Röhrenpaare seien mithin in ihrer räumlichen Anordnung zueinander nicht frei beweglich, sondern bildeten zusammen einen einstückigen Glaskörper, der nur ein lichterzeugendes Element aufweise. Wenn man mehrere LED zu einem „Leuchtmittel“ im Sinne des Klagepatents zusammenfassen wollte, dann müsse es sich jedenfalls um eine zu einer räumlich-körperlichen Einheit zusammengefasste Anordnung, die mit einer Leuchte lösbar verbunden werden könne, handeln, d.h. um eine Anordnung von LED, die einem der herkömmlichen, vom Klagepatent ins Auge gefassten Leuchtmittel bzw. Lampe entspreche.
    Unter einem „Befestigungssockel“ im Sinne von Merkmal 5 des Klagepatents verstehe der Fachmann – wie es auch das Bundespatentgericht ausgeführt habe –, dass dieser einerseits zur Aufnahme sowie zur elektrischen Kontaktierung des lichtemittierenden Teils und andererseits zur elektrischen Kontaktierung mit der Spannungsversorgung und zur Befestigung diene. Beispielsweise wirke der Befestigungssockel mit einer korrespondierenden Fassung, insbesondere einer Gewinde-, Bajonett- oder Steckbuchse zusammen, wobei der Klagepatentanspruch 1 keine Angaben enthalte, die eine Konkretisierung auf eine bestimmte Buchsenform zur Folge hätten. Der Befestigungssockel sei daher ein separates Bauteil, welches die elektrische und mechanische Verbindung des Leuchtmittels mit der Leuchte vermittle. Aus dieser Funktion ergebe sich noch eine weitere, räumlich-körperliche Anforderung, die bereits in dem Begriff „Sockel“ klar zum Ausdruck komme, nämlich eine dreidimensionale räumliche Ausdehnung bzw. eine gewisse, zahlenmäßig nicht weiter bestimmte Bauhöhe.
    Die angegriffene Ausführungsform verfüge weder über ein „Leuchtmittel“ noch über einen „Befestigungssockel“ im vorgenannten Sinne. Denn bei einer LED sei die einzelne Leuchtdiode das Leuchtmittel, so dass die angegriffene Ausführungsform mit 30 Leuchtmitteln ausgestattet sei. Doch selbst wenn man zugunsten der Klägerin die Zusammenfassung mehrerer LED in einem Gehäuse als ein einziges Leuchtmittel im Sinne des Klagepatents ansehen würde, wären im vorliegenden Fall nur jeweils die in einem Plastikgehäuse aufgenommenen zehn Leuchtdioden als ein Leuchtmittel anzusehen, so dass davon drei bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden seien. Eine vergleichbare Deckenleuchte älteren Datums wäre anstelle der drei mit jeweils zehn LED bestückten Elemente mit drei Glühbirnen ausgestattet gewesen. Selbst wenn man davon ausginge, das einzelne, zehn LED umfassende Element weise innerhalb des Plastikgehäuses von Außenwänden begrenzte lichte Zwischenräume auf, sei der Bewegungssensor jedoch nicht gemäß Merkmal 5 mit mindestens einem Teilbereich innerhalb des von den Außenwänden dieses Leuchtmittels begrenzten Zwischenraumes angeordnet. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien die einzelnen LED, deren Befestigungssockel ihr jeweiliger „Leadframe“ sei, auf einem gemeinsamen (grauen) Befestigungssockel aufgenommen. Auf diesem gemeinsamen (grauen) Befestigungssockel, der alleine den Befestigungssockel im Sinne des Klagepatents darstellen könne, sei der Bewegungssensor bzw. sein Trägermodul aber nicht angeordnet. Dass gerade dieser (graue) Befestigungssockel den Befestigungssockel im Sinne des Klagepatents darstelle, folge auch daraus, dass der elektrische Kontakt zu den einzelnen Leuchtdioden eines Elementes jeweils über diesen hergestellt werde. Insoweit verfüge jedes einzelne Element mit Leuchtdioden jeweils über eine elektrische Verbindung und sei mit einer transparenten Abdeckung versehen.
    Der Rechtsstreit sei aus Sicht der Beklagten zudem hilfsweise auszusetzen. Denn das Klagepatent werde in dem von ihr eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren für nichtig erklärt werden. Insoweit nähmen die D1 und D2, die in dem bereits entschiedenen Nichtigkeitsverfahren noch nicht berücksichtigt worden seien, alle Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg.
    Die D1 offenbare zwar nicht explizit einen Mikrowellensensor gemäß Merkmal 4, sondern nur allgemein einen Bewegungssensor. Zum maßgeblichen Prioritätstag sei die Verwendung von Mikrowellensensoren als Bewegungssensoren jedoch bereits üblich gewesen. Dem Fachmann seien die Gründe geläufig gewesen, warum und wann man bei Bewegungssensoren auf Mikrowellensensoren zurückgreife, nämlich dann, wenn Abdeckungen oder ähnliche undurchsichtige Hindernisse den Strahlenweg eines Sensors blockieren könnten. Da die Leuchte der D1 mit einer Abdeckung versehen sei (vgl. Fig. 1 und 2 der D1), lese der Fachmann die Ausbildung des Bewegungssensors als Mikrowellensensor ohne weiteres mit. Aus diesem Grund fehle es jedenfalls an einer erfinderischen Tätigkeit. Jeder Bewegungssensor, insbesondere auch ein Mikrowellensensor, verfüge zudem zumindest über eine Leiterplatter zur Anordnung der elektronischen Schaltkreise und damit über ein Trägermodul i.S.d. Klagepatents, ebenso wie über eine Sende- und oder Empfangsantenne und entsprechende Elektronik. Die D1 offenbare zudem, den Bewegungssensor dort anzuordnen, wo auch die Fernbedienungseinheit (4) angeordnet werde, gegebenenfalls diese auch komplett zu ersetzen, und zwar in der Mitte der Leuchte. Damit werde eine Anordnung innerhalb des inneren Leuchtstoffrings offenbart und damit in dem zwischen dessen Außenwänden begrenzten lichten Zwischenraum oberhalb des Befestigungssockels der Leuchtstoffröhre im Sinne von Merkmal 5.
    Auch die D2 offenbare eine Leuchte mit einer ringförmigen Gasentladungslampe mit einer Bewegungssteuerung, die ebenfalls innerhalb des Leuchtmittelrings der Gasentladungslampe angeordnet sei. Zwar beschreibe die D2 den Bewegungssensor explizit als pyroelektrischen Sensor, also einen Infrarotsensor. Es beruhe jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt, statt eines Infrarotsenders einen Mikrowellensensor vorzusehen. Welcher Sensor zum Einsatz komme, hänge maßgeblich von den räumlichen Gegebenheiten entweder der Vorrichtung selbst oder dem Einsatzort der Vorrichtung ab. Anregungen dazu ergäben sich aus einer Vielzahl von Dokumenten. Im Übrigen verweist die Beklagte auf ihr Vorbringen in der Nichtigkeitsklage.
  14. Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben insbesondere die Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2022 Bezug genommen.
  15. Entscheidungsgründe
  16. Die zulässige Klage ist begründet.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch (dazu unter I.). Die Klägerin hat aufgrund der klagepatentverletzenden Handlungen der Beklagten daher die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB (dazu unter II.). Zudem hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (dazu unter III.). Schließlich war der Rechtsstreit auch nicht auszusetzen (dazu unter IV.).
  17. I.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
  18. 1.
    Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Klagepatents) betrifft eine bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung.
    Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents sind derartige Vorrichtungen beispielsweise aus der DE 196 01 XXX A1 bekannt und basieren auf dem Prinzip, gängige Leuchtmittel – Glühlampen, Energiesparlampen o. ä. – in möglichst kompakter Weise mit einem Bewegungsdetektor zu verbinden, um das Leuchtmittel dann bewegungsgesteuert aktivieren und deaktivieren zu können (Absatz [0001]).
    Bei dem bekannten Stand der Technik wurde, so das Klagepatent, der Bewegungssensor in einem bevorzugt in eine Leuchtmittelfassung einsetzbaren Sockelgehäuse aufgenommen, wobei dieses Sockelgehäuse dann seinerseits eine Leuchtmittelfassung zum Einsetzen des Leuchtmittels anbot (Absatz [0002]).
    Eine solche Technologie eignet sich damit insbesondere für solche Leuchten, bei denen das Leuchtmittel hinreichend Platz zum Ein- bzw. Zwischensetzen des Sockelgehäuses bietet (Absatz [0003]).
    Insbesondere unter kompakten Leuchtenschirmen bzw. bei nur begrenztem Raum oberhalb des Leuchtmittelsockels kann es jedoch Umstände geben, die das Einfügen dieses bekannten Sockelgehäuses zwischen Sockel und Leuchtmittel nicht gestatten. Dies gilt insbesondere dann, wenn etwa aufgrund der notwendigen Elektronik oder Antenne das einzusetzende Sockelgehäuse eine bestimmte Mindestgröße überschreitet (Absatz [0004]).
    Davon ausgehend benennt es das Klagepatent als seine Aufgabe, eine gattungsgemäße bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung dahingehend zu verbessern, dass die Gesamtanordnung kompakter und insbesondere auch unter beengten Raumverhältnissen einsetzbar wird (Absatz [0005]).
  19. 2.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung mit den Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 vor, der sich wie folgt gliedern lässt:
  20. 1. Bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung
    2. mit einem Leuchtmittel (14; 22), insbesondere einer Gasentladungslampe,
    2.1 das Leuchtmittel ist auf einem Befestigungssockel (12; 20) gehalten und
    2.2 begrenzt mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum (28) oberhalb des Befestigungssockels,
    3. mit einem zum Aktivieren oder Deaktivieren des Leuchtmittels als Reaktion auf eine erfasste Bewegung eingerichteten Bewegungssensor (26; 32),
    4. wobei der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul (26) gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende- und/oder Empfangsantenne (16; 32) und einer zugeordneten Sensorelektronik ist;
    5. das Trägermodul ist so auf dem Befestigungssockel (12, 24) vorgesehen, dass das Trägermodul (26) mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum (28) aufgenommen ist.
  21. 3.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs 1, insbesondere die Merkmalsgruppe 2 und das Merkmal 5. Die Verwirkli¬chung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es dazu keiner weiteren Ausführungen bedarf.
    Die Kammer hält an ihrer Auslegung des Klagepatentanspruchs 1, wie sie sich aus den Urteilen der Kammer vom 08.08.2019, Az. 4a O 139/17 sowie vom 21.04.2022, Az. 4a O 67/20 bereits ergibt, fest.
  22. a.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 2,
    „mit einem Leuchtmittel (14; 22), insbesondere einer Gasentladungslampe“,
    Merkmal 2.1,
    „das Leuchtmittel ist auf einem Befestigungssockel (12; 20) gehalten“,
    sowie Merkmal 2.2,
    „begrenzt mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum (28) oberhalb des Befestigungssockels“.
  23. aa.
    (1)
    Nach Merkmal 2 handelt es sich um eine Leuchtenvorrichtung „mit einem Leuchtmittel“, insbesondere einer Gasentladungslampe. Das Leuchtmittel bildet die lichtemittierende Komponente der Gesamtvorrichtung, die insbesondere auch den Befestigungssockel, den Bewegungssensor und das Trägermodul umfasst.
    Zwar schließt der Patentanspruch nicht aus, dass die Leuchtenvorrichtung neben dem in Merkmal 2 genannten einzelnen Leuchtmittel weitere Leuchtmittel enthält. Jedoch muss sich nach dem Wortlaut des Anspruchs die Verwirklichung der weiteren Merkmale 2.1 und 2.2 hinsichtlich eines einzelnen Leuchtmittels feststellen lassen.
    Auf eine spezielle Ausführung eines Leuchtmittels ist das Klagepatent, wie Absatz [0010] ausdrücklich klarstellt, nicht beschränkt. Hinsichtlich der Art des Leuchtmittels umfasst das Klagepatent somit neben der nur beispielhaft genannten Gasentladungslampe auch sämtliche andere Formen lichtemittierender Quellen. Bei der Ausgestaltung des Leuchtmittels als Gasentladungs-Leuchtmittel handelt es sich gemäß Abs. [0011] lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel. Eine Beschränkung hinsichtlich der Art des Leuchtmittels ergibt sich aufgrund des klaren Wortlauts auch nicht aus der einleitenden Beschreibung des Klagepatents in Abs. [0001]. Soweit dort im Kontext mit der DE 489 von „gängigen Leuchtmitteln – Glühlampen, Energiesparlampen o.ä. –“ die Rede ist, die mit Bewegungsdetektoren verbunden werden und die durch die Lehre des Klagepatents verbessert werden sollen, so bezieht sich dies lediglich auf solche Vorrichtungen, die aus dem Stand der Technik, insbesondere aus der DE 489, die anders als das Klagepatent eine „Vorrichtung zum Steuern eines Leuchtmittels“ (vgl. Anspruch 1 der DE 489) betrifft, bekannt sind. Unabhängig davon, dass das Klagepatent bereits eine andere Lösung verfolgt als die DE 489, ist die Aufzählung von Glühlampen, Energiesparlampen „o.ä.“ ersichtlich nicht abschließend. Auch soweit in den Ausführungsbeispielen ausschließlich (handelsübliche) Energiesparlampen bzw. -leuchten gezeigt werden, beschränkt dies den weiten Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 nicht.
    Auch nach den Ausführungen des Bundespatentgerichts habe der Fachmann bei dem Begriff „Leuchtmittel“ am Anmelde- bzw. Prioritätszeitpunkt vor allem an die fakultativ genannte Gasentladungslampe (Kompaktleuchtstofflampe oder Energiesparlampe) gedacht, außerdem aber auch an Glühlampen und Halogenlampen, wobei auch Leuchtdioden bereits verbreitet gewesen seien und es sich abgezeichnet habe, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis diese auch für Beleuchtungszwecke einsetzbar sein würden (vgl. BPatG, Anlage K 2, S. 8 unter Ziff. 6.2 sowie Anlagenkonvolut K 14, S. 4 unter Ziff. 6.2).
    Die Form des Leuchtmittels stellt das Klagepatent, wie Absatz [0010] ebenfalls klarstellt, grundsätzlich in das Belieben des Fachmanns. Jedoch ergibt sich eine Anforderung an die Form des Leuchtmittels aus Merkmal 2.2. Danach begrenzt das Leuchtmittel mit seinen Außenwänden einen lichten Zwischenraum. Das in Merkmal 2 genannte Leuchtmittel muss daher seiner Form nach in der Lage sein, einen derartigen Zwischenraum zu begrenzen.
    Das Klagepatent schließt ferner nicht aus, dass das (einzelne) Leuchtmittel, auf das es hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen des Anspruchs ankommt, mehrteilig ausgestaltet ist. Vielmehr geht das Klagepatent selbst von der Möglichkeit einer mehrteiligen Ausgestaltung aus. So werden die drei Röhrenpaare (22) des in den Figuren 2 bis 6 gezeigten Ausführungsbeispiels in Absatz [0027] als „ein Gasentladungs¬leuchtmit¬tel“ bezeichnet. Ob die einzelnen Bestandteile einer solchen mehrteiligen Ausgestaltung miteinander verbunden sind, ist dabei ebenso unerheblich wie die Frage, ob bei Ausfall eines der Bestandteile die Komponente noch in der Lage ist, Licht zu emittieren. Bei einer mehrteiligen Ausgestaltung des Leuchtmittels ist auch nicht erforderlich, dass jeder Bestandteil selbst in der Lage ist, Licht zu emittieren. Ein einheitliches Leuchtmittel liegt immer dann vor, wenn sich ein oder mehrere einheitliche Außenwände feststellen lassen (vgl. auch BPatG, Anlage K 2, S. 9 unter Ziff. 6.7 sowie Anlagenkonvolut K 14, S. 5 unter Ziff. 6.7). Nur dann lässt sich die Vorgabe aus Merkmal 2.2 erfüllen, wonach ein (einzelnes) Leuchtmittel durch seine Außenwände einen lichten Zwischenraum im Sinne des Merkmals 2.2 begrenzt.
    Dass durch die Möglichkeit der mehrteiligen Ausgestaltung des Leuchtmittels grundsätzlich die Option besteht, dass dessen Teile so weit auseinander angeordnet werden, dass für die Anordnung zumindest eines Teils des Trägermoduls ausreichend Platz besteht, steht der hiesigen Auslegung auch unter Berücksichtigung der technischen Funktion nicht entgegen. Denn die klagepatentgemäße Aufgabe des Vorsehens einer kompakteren Gesamtanordnung der bewegungssensorgesteuerten Leuchtenvorrichtung für den Einsatz unter beengten Raumverhältnissen (vgl. Abs. [0005]) stellt sich weiterhin. Denn auch in diesem Fall kann es insbesondere unter kompakten Leuchtenschirmen und bei nur begrenztem Raum oberhalb des Leuchtmittelsockels, wie beispielsweise bei flach gestalteten Leuchtenvorrichtungen, von Vorteil sein, anstatt der Anordnung des Bewegungssensors in einem separaten Sockelgehäuse – wie aus dem Stand der Technik vorbekannt – eine platzsparende Anordnung innerhalb des durch die Außenwände des mehrteiligen Leuchtmittels gebildeten lichten Zwischenraums vorzusehen.
  24. (2)
    Das Klagepatent definiert nicht ausdrücklich, was es unter einem „Befestigungssockel“ im Sinne des Merkmals 2.1 versteht. Allerdings ergeben sich aus dem Anspruchswortlaut Vorgaben an dessen räumlich-körperliche Anordnung innerhalb der Gesamtvorrichtung. Nach Merkmal 2.1 ist auf dem Befestigungssockel das Leuchtmittel gehalten. Ferner befindet sich der durch das Leuchtmittel mit seinen Außenwänden begrenzte Zwischenraum oberhalb des Befestigungssockels (Merkmal 2.2). Schließlich ist das Trägermodul auf dem Befestigungssockel vorgesehen, und zwar so, dass es mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum aufgenommen ist (Merkmal 5). Daraus ergibt sich zugleich die Funktion des Befestigungssockels, nämlich einerseits das Leuchtmittel zu halten und andererseits auf ihm die Anordnung des Trägermoduls in der vom Klagepatent erstrebten platzsparenden Weise zu ermöglichen.
    Weitergehende Vorgaben an den Befestigungssockel lassen sich dem Klagepatent nicht entnehmen. Zwar enthält der Befestigungssockel nach der Beschreibung darüber hinaus Schaltungen, wie insbesondere ein übliches elektronisches Vorschaltgerät (EVG) für das Leuchtmittel, und kann im Rahmen einer möglichen Weiterbildung zusätzlich die (kompakte) Steuer- bzw. Auswertelektronik für den Bewegungssensor enthalten (Absätze [0007] und [0013]). Auch in den Ausführungsbeispielen ist die Steuer- bzw. Vorschaltelektronik in dem Befestigungssockel angeordnet (vgl. Absätze [0018], [0028]). Jedoch darf der Schutzbereichs eines Patents nicht auf gezeigte Ausführungsbeispiele beschränkt werden, weil sie die Lehre des Hauptanspruchs bloß exemplarisch aufzeigen (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Eine Vorgabe, wonach die Steuer- und Vorschaltelektronik für das Leuchtmittel zwingend im oder am Befestigungssockel anzuordnen ist, hat im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Patentschriften stellen insoweit im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar, so dass letztlich der einer Patentschrift zu entnehmende Begriffsinhalt maßgebend ist (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Das Klagepatent stellt bereits mit dem Wortlaut Befestigungssockel die oben erläuterte Halte- und Anordnungsfunktion in den Vordergrund. Für die Erfüllung dieser Funktion ist weder die Einsetzbarkeit in eine vorhandene Lampe erforderlich noch muss der Befestigungssockel notwendigerweise zugleich die Steuer- bzw. Vorschaltelektronik enthalten. Dass der Befestigungssockel die Vorschaltelektronik für das Leuchtmittel aufweisen muss, findet sich – neben einer weiteren Vorgabe – erst in dem abhängigen Unteranspruch 5. Zwar können bei additiv hinzugefügten Merkmalen von der Beschaffenheit des Zusatzmerkmals Rückschlüsse auf das „richtige“ Verständnis des Hauptanspruchs nicht ohne weiteres gezogen werden (vgl. BGH, GRUR 2016, 1031, 1033 [15] – Wärmetauscher). Die Erwähnung erst im Unteranspruch 5 spricht aber auch nicht gegen die dargestellte Auffassung.
    Selbst wenn man entgegen der vorgenommenen Auslegung – wie es das Bundespatentgericht ohne nähere Begründung annimmt (vgl. BPatG, Anlage K 2, S. 8 unter Ziff. 6.3 sowie Anlagenkonvolut K 14, S. 4 unter Ziff. 6.3) – davon ausginge, dass der erfindungsgemäße Befestigungssockel neben der Aufnahme des lichtemittierenden Teils sowohl der elektronischen Kontaktierung des lichtemittierenden Teils als auch der elektrischen Kontaktierung mit der Spannungsvorrichtung und zur Befestigung dienen muss, müssen die entsprechenden Schaltungen für das Leuchtmittel jedenfalls nicht im Sinne eines umschlossenen Raums innerhalb des Befestigungssockels aufgenommen sein. Denn dem Klagepatent ist keine Konkretisierung auf eine bestimmte Buchsenform des Befestigungssockels zu entnehmen. Insbesondere gibt das Klagepatent entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor, dass der Befestigungssockel eine gewisse, zahlenmäßig nicht weiter bestimmte Bauhöhe aufweisen muss. Weiterhin setzt das Klagepatent an keiner Stelle voraus, dass der Befestigungssockel selbst Schaltungen aufweisen müsste, um der elektronischen Kontaktierung zu dienen. Vielmehr führt das Klagepatent in Abs. [0007] der Beschreibung aus, dass Schaltungen „im Befestigungssockel vorhanden“ sind bzw. in Abs. [0013], dass er die Vorschaltelektronik „enthält“ und nimmt somit lediglich Bezug auf eine Anordnung bzw. Platzierung von Schaltungen und der Vorschaltelektronik im Zusammenhang mit dem Befestigungssockel.
  25. (3)
    Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 wird der „lichte Zwischenraum“ gemäß Merkmal 2.2, der sich oberhalb des Befestigungssockels befindet, von den Außenwänden des Leuchtmittels begrenzt und ist in der Lage, zumindest einen Teilbereich des Trägermoduls aufzunehmen.
    Nach Absatz [0008] versteht das Klagepatent unter einem Innen- und/oder Zwischenraum jeglichen, oberhalb des Befestigungssockels gelegenen Raum, welcher durch Abschnitte des Leuchtmittels bestimmt, definiert bzw. begrenzt wird, wobei derartige Innen- bzw. Zwischenräume ansonsten ungenutzt blieben. Insbesondere im Fall von röhrenförmigen Leuchtmitteln – langgestreckten, gebogenen oder gewendelten Leuchtmittelröhren – sind als erfindungsgemäße Innen- bzw. Zwischenräume sämtliche Raumbereiche zu verstehen, die innerhalb einer berührend um das Leuchtmittel gelegten, gedachten Schale liegen. Diese insbesondere genannten Ausführungsbeispiele der röhrenförmigen Leuchtmittel begrenzen den Schutzbereich des Klagepatents indes nicht, sondern stellen für den Fachmann lediglich erläuternde Beispiele dar. Insoweit sind auch andere Formen von Leuchtmitteln als die genannten Leuchtmittelröhren denkbar (s.o.). Auch diese können daher nach dem Klagepatent grundsätzlich in der Lage sein, durch ihre Außenwände erfindungsgemäß einen oberhalb des Befestigungssockels gelegenen Raum zu begrenzen. Insoweit gibt der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 auch nicht vor, dass die Begrenzung des lichten Zwischenraums durch die Außenwände des Leuchtmittels zwingend zu allen Seiten (vertikal und horizontal) erfolgen muss.
    Die in Merkmal 2.2 weiter enthaltene Vorgabe, dass es sich um einen „lichten“ Zwischenraum handelt, versteht der Fachmann dahingehend, dass der Zwischenraum freie Fläche bzw. Raum bieten muss. Dieses Verständnis deckt sich auch mit den Ausführungsbeispielen. Insoweit wird in den Ausführungsbeispielen der Figuren 3 und 4 veranschaulicht, dass die drei Röhrenpaare (22) bzw. deren Außenwände den lichten Zwischenraum (28) begrenzen, in dem die Trägerplatine (26) angeordnet ist. Dem Klagepatent lässt sich hingegen an keiner Stelle entnehmen, dass ein Zwischenraum nur „licht“ ist, wenn ein Großteil der freien Fläche nicht anderweitig eingenommen bzw. genutzt wird. Maßgeblich ist allein, dass ein freier Raum bzw. eine freie Fläche besteht, der bzw. die ausgenutzt werden kann, um die Gesamtanordnung kompakter zu gestalten, wie es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht hat (vgl. Abs. [0005]).
    Auch nach den Ausführungen des Bundespatentgerichts versteht der Fachmann den Begriff „lichten Zwischenraum“, dem die Begriffe „lichte Weite“ sowie „lichte Höhe“ geläufig sind, als Raumvolumen, das ihm zur Platzierung des Trägermoduls des Bewegungssensors zur Verfügung steht (vgl. BPatG, Anlage K 2, S. 9 unter Ziff. 6.6 sowie Anlagenkonvolut K 14, S. 5 unter Ziff. 6.6).
  26. (4)
    Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 begrenzt das Leuchtmittel mit seinen Außenwänden den lichten Zwischenraum gemäß dem Merkmal 2.2 zudem „oberhalb des Befestigungssockels“. Der Fachmann erkennt dies als Bezugnahme auf die Orientierung in der zeichnerischen Darstellung in der Patentschrift, verbindet mit dieser räumlichen Angabe aber keine bestimmte Einbaulage des Leuchtmittels (vgl. BPatG, Anlagenkonvolut K 14, S. 4 unter Ziff. 6.3).
  27. bb.
    Unter Berücksichtigung dieser Auslegung verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die vorgenannten Merkmale.
  28. (1)
    Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um eine Leuchtenvorrichtung mit „einem Leuchtmittel“ in dem so verstandenen Sinne, wobei das Leuchtmittel eine dreigliedrige LED-Leiterplatte mit halbmondförmigen LED-Leiterplattensegmenten umfasst, auf denen jeweils LED montiert und gleichmäßig verteilt sind, wie es aus der nachfolgenden, von der Klägerin beschrifteten Abbildung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 7a) hervorgeht:
    Dass die LED-Leiterplatte mehrteilig ausgestaltet ist, indem sie über drei Segmente mit jeweils mehreren LED verfügt, führt nach obiger Auslegung nicht aus der Verletzung heraus. Für die Merkmalsverwirklichung ebenfalls unerheblich ist, dass mit den grauen Leiterplattensegmenten nicht lichtemittierende Bauteile vorhanden sind. Denn maßgeblich ist, dass die Leiterplattensegmente mit den Leuchtdioden in ihrer Gesamtheit über mehrere einheitliche Außenwände verfügen, die ihrer Form nach geeignet sind, einen lichten Zwischenraum zu begrenzen.
  29. (2)
    Ein lichter Zwischenraum im Sinne des Merkmals 2.2 des Klagepatentanspruchs ist mit der Aussparung im inneren Teil des Leuchtmittels der angegriffenen Ausführungsform vorhanden.
    Dass ein Großteil der freien Fläche von weiteren (elektronischen) Bauteilen eingenommen wird, wie es aus der vorherigen Abbildung hervorgeht, ist nach der vorgenommenen Auslegung unerheblich, da maßgeblich ist, dass ein freier Raum zur Verfügung steht, unabhängig davon, wie groß dieser ist. Zudem wird der lichte Zwischenraum nicht durch einen hinzugedachten Deckel bzw. eine Schale, die über den Tragring gelegt wird, nach oben hin begrenzt.
  30. (3)
    Die angegriffene Ausführungsform verfügt zudem über einen Befestigungssockel im Sinne des Merkmals 2.1 in Gestalt der (Metall-)Befestigungspfanne. Auf dieser ist bei der angegriffenen Ausführungsform das Leuchtmittel – die LED-Leiterplatte – gehalten, indem dieses mit der Befestigungspfanne unmittelbar verschraubt wird.
    Zudem ermöglicht die Befestigungspfanne die Anordnung des Trägermoduls. Das Trägermodul ist auf dem Befestigungssockel vorgesehen, indem es auf ihm gehalten ist (dazu unter Ziff. I. 3. c. bb. näher).
    Soweit man entgegen der hier vorgenommenen Auslegung weiter verlangt, dass ein patentgemäßer Befestigungssockel darüber hinaus sowohl der elektronischen Kontaktierung des lichtemittierenden Teils als auch der elektrischen Kontaktierung mit der Spannungsvorrichtung dient, so wird auch dies von der angegriffenen Ausführungsform erfüllt. Insofern ist auf dem Befestigungssockel – wie aus der nachfolgenden farblich bearbeitetenAbbildung der Anlage K 7a ersichtlich – jedenfalls ein Loch für ein Stromkabel vorhanden, um die Leuchtenvorrichtung – über die Buchsen „N“ und „L“ und darüber schließlich das Leuchtmittel – mit Elektrizität zu versorgen.
    Dass der elektrische Kontakt zu den neun einzelnen Leuchtdioden eines LED-Leiterelementes jeweils auch über das jeweilige Element hergestellt wird, indem dieses jeweils über eine elektrische Verbindung verfügt, steht dem nicht entgegen.
    Dass die Befestigungsplatte selbst keine Schaltungen aufweist, führt, wie dargelegt, nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus. Gleiches gilt für den Umstand, dass die elektrische Versorgung des Leuchtmittels, insbesondere die Vorschaltelektronik, nicht im Sinne eines umschlossenen Raums von der Befestigungsplatte umschlossen ist, sondern auf dieser angeordnet ist.
  31. (4)
    Der lichte Zwischenraum, der von den Außenwänden der LED-Leiterplatte begrenzt wird, befindet sich bei der angegriffenen Ausführungsform zudem oberhalb des Befestigungssockels – hier in Gestalt der Befestigungspfanne – im Sinne von Merkmal 2.2, auf dem das Leuchtmittel gehalten wird.
  32. b.
    Schließlich wird auch Merkmal 5,
    „das Trägermodul ist so auf dem Befestigungssockel (12, 24) vorgesehen, dass das Trägermodul (26) mit zumindest einem Teilbereich in dem Zwischenraum (28) aufgenommen ist“,
    von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
  33. aa.
    Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 ist das Trägermodul auf dem Befestigungssockel vorgesehen. Dabei muss zumindest ein Teilbereich des Trägermoduls in dem lichten Zwischenraum aufgenommen sein.
    Aus dem Merkmal 4, wonach der Bewegungssensor ein auf einem Trägermodul (26) gebildeter Mikrowellensensor mit einer Sende- und/oder Empfangsantenne (16; 32) und einer zugeordneten Sensorelektronik ist, folgt zudem, dass das Trägermodul jedenfalls aus dem Mikrowellensensor gebildet wird und diesen trägt. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 gibt nicht vor, dass das Trägermodul ausschließlich den Mikrowellensensor trägt. Insoweit geht auch aus Abs. [0014] der Beschreibung hervor, dass es in einer Ausführungsform möglich ist, die (kompakte) Steuer- bzw. Auswertelektronik für den Bewegungssensor nach Abs. [0013] „auf dem flächigen Träger für die Sende/Empfangsantenne vorzusehen“.
    Weiterhin gibt der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 die Form des Trägermoduls nicht vor. Lediglich in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele ist – wie bereits erwähnt – in Abs. [0014] die Rede von einem „flächigen Träger“ und in den Abs. [0019] und [0028] von einer „flächigen Trägerplatine“, wie sie auch in Figur 5 dargestellt ist, was jedoch den insoweit offenen Wortlaut des Patentanspruchs nicht beschränkt. Maßgeblich ist daher allein, dass das Trägermodul räumlich so ausgestaltet ist, dass es jedenfalls den Mikrowellensensor tragen kann. Zudem muss es hinsichtlich seiner Längen- und Breitenabmessungen so ausgebildet sein, dass es in den lichten Zwischenraum jedenfalls teilweise aufgenommen werden kann.
    Das Klagepatent schreibt zudem nicht vor, dass sich der Mikrowellensensor selbst in dem lichten Zwischenraum befinden muss (vgl. so auch BPatG, Anlagenkonvolut K 14, S. 5 unter Ziff. 6.6). Es reicht daher aus, dass sich dort (irgend-)ein Teilbereich des Trägermoduls befindet. Das Klagepatent gibt andererseits auch nicht vor, dass in den lichten Zwischenraum nur das Trägermodul bzw. ein Teil davon aufgenommen wird, so dass es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht herausführt, wenn in dem lichten Zwischenraum weitere Vorrichtungen, Verkabelungen o.ä. angeordnet sind.
    Das Klagepatent gibt ferner nicht vor, in welcher Art und Weise das Trägermodul auf dem Befestigungssockel vorgesehen ist. So geht weder aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 noch aus der Beschreibung hervor, dass das Trägermodul unmittelbar auf dem Befestigungssockel angebracht oder mit ihm verbunden sein muss. Maßgeblich ist danach allein, dass es so auf dem Befestigungssockel angeordnet ist, dass ein Teilbereich desselben in dem lichten Zwischenraum aufgenommen ist. Soweit die Figuren nur Ausführungsbeispiele zeigen, aus denen kein weiteres Element zwischen Trägermodul und Befestigungssockel ersichtlich ist, so schränkt dies den insoweit offenen Anspruchswortlaut nicht ein.
  34. bb.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform ist das Trägermodul im Sinne des Merkmals 5 auf dem Befestigungssockel vorgesehen. Das Trägermodul wird insoweit durch die Einheit von Mikrowellensensor mit Antenne sowie zugehöriger Sensorelektronik gebildet, wie es anhand der nachfolgenden, von der Klägerin markierten Abbildung ersichtlich ist:
    Das so gestaltete Trägermodul ist zentriert in der Mitte des lichten Zwischenraums unmittelbar auf der Befestigungspfanne gehalten und ist somit jedenfalls mit einem Teilbereich in dem lichten Zwischenraum aufgenommen.
  35. c.
    Da die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 in deren räumlich-körperlicher Ausgestaltung identisch Gebrauch macht, ist für die Prüfung der Patentverletzung im Übrigen unerheblich, ob die identisch vorhandenen Merkmale demselben Zweck dienen und dieselbe Wirkung und Funktion haben wie diejenigen des Klagepatents (BGH, GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II). Wenn eine angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Patentanspruchs wortsinngemäß erfüllt, so ist zudem auch dann eine Patentverletzung gegeben, wenn die Vorteile des Patents nicht oder nur unvollständig verwirklicht werden (sog. „verschlechterte Ausführungsform“, vgl. BGH, GRUR 2006, 131 – Seitenspiegel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – I-15 U 22/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – I-2 U 5/13 – S.23 Abs. 2 des Umdrucks; Benkard PatG/Scharen, 11. Aufl. 2015, PatG § 14 Rn. 92). Insbesondere ist für die Verwirklichung nicht maßgeblich, dass sich zwischen dem mehrteilig ausgestalteten Leuchtmittel in Gestalt der drei LED-Segmente mehr Platz für die Anordnung des Trägermoduls bietet als bei einer handelsüblichen Gasentladungslampe bzw. den in den Figuren 2 bis 6 gezeigten drei Röhrenpaaren. Denn das Platzproblem ergibt sich – wie bereits bei der Auslegung dargelegt – daraus, dass die Leuchtenvorrichtung nur einen begrenzten Platz vorgibt, in dem die verschiedenen Komponenten angeordnet werden müssen. Vergrößerte man den Abstand der verschiedenen Teile des Leuchtmittels voneinander, würde dies zugleich eine – ebenfalls ungewollte – Vergrößerung der Gesamtvorrichtung mit sich bringen. Zudem ist die Anordnung jedenfalls eines Teils des Trägermoduls in dem durch die Außenwände des mehrteiligen Leuchtmittels gebildeten lichten Zwischenraums nicht zwingend. So käme bei der angegriffenen Ausführungsform beispielsweise auch eine Anordnung des Trägermoduls und des Bewegungssensors neben den verschiedenen LED-Segmenten am Rand der Leuchtenvorrichtung in Betracht. Eine solche Anordnung wurde aber gerade nicht gewählt, sondern es wurde auf die vom Klagepatentanspruch 1 unter Schutz gestellte platzsparende(re) Lösung zurückgegriffen.
  36. II.
    Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben. So hat die Klägerin bei der Beklagten im Jahre 2016 im Rahmen eines Testkaufes die angegriffene Ausführungsform erworben.
    Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen:
  37. 1.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagte handelte schuldhaft, da sie als Fachunternehmen die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, § 276 BGB.
    Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
  38. 2.
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Rechnungslegungspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die ihr abverlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  39. III.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in geltend gemachter Höhe für das aus dem Anlagenkonvolut K 8 ersichtliche anwaltlichen Schreiben vom 23.04.2020, der sich aus §§ 683 Abs. 1, 677, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. § 139 Abs. 2 PatG ergibt.
    Die Abmahnung war begründet und berechtigt, da die geltend gemachten Ansprüche bestanden (s. hierzu Ziff. II.) und der Beklagten Gelegenheit gegeben wurde, die Klägerin klaglos zu stellen.
    Die Klägerin kann auch grundsätzlich Ersatz der für die Einschaltung eines Patent-anwalts im Rahmen der Abmahnung entstandenen Gebühren verlangen. Die Mitwirkung eines Patentanwalts war aufgrund des technischen Sachverhalts und der erforderlichen Analyse der angegriffenen Ausführungsformen notwendig. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.
    Die Höhe der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 6.833,80 € ergibt sich insoweit aus einem angemessenen und von der Beklagten auch nicht angegriffenen Gegenstandswert in Höhe von 350.000,00 € aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale in Höhe von jeweils 20,00 €.
    Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Die Klage ist der Beklagten am 09.11.2020 zugestellt worden, so dass sie sich ab dem 10.11.2020 in Zahlungsverzug befindet.
  40. IV.
    Der Rechtsstreit ist auch nicht hilfsweise bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem parallel anhängigen Nichtigkeitsverfahren betreffend den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen.
    Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gegeben. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.).
    In Fällen wie dem hiesigen, in denen das Klagepatent während des Verletzungsprozess schon abgelaufen ist, kann regelmäßig der normale Aussetzungsmaßstab angewendet werden. Es besteht bei einem abgelaufenen Schutzrecht für den Patentinhaber zwar eine geringere zeitliche Dringlichkeit bei der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, die ein Abwarten auf das Rechtsbestandsverfahren leichter hinnehmbar machen kann. Auf der anderen Seite sind aber auch die Folgen der Patentdurchsetzung für den Patentverletzer weniger gravierend, wenn ein Unterlassen nicht mehr im Raum steht.
    Zudem ist bei der Entscheidung über die Aussetzung der qualifizierte Hinweis des Bundespatentgerichts gemäß § 83 Abs. 1 PatG vom 10.02.2022 (Anlagenkonvolut K 14) zu berücksichtigen. Die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung ist zwar nicht bindend und sie nimmt die spätere Entscheidung selbstverständlich auch nicht vorweg. Andererseits ist davon auszugehen, dass der vorläufigen Auffassung bereits eine umfassende und sorgfältige Prüfung zugrunde liegt und die Einspruchsabteilung in einem solchen Bescheid entsprechende Hinweise nicht leichtfertig erteilt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2021 – 2 U 25/20, GRUR-RS 2021, 4420 Rn. 23, m.w.N.). Vorliegend hat das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis eine eindeutige Position bezogen („nach vorläufiger Auffassung des Senats dürfte der Gegenstand nach Anspruchs 1 sowohl neu sein als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, mithin rechtsbeständig sein.“) und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es das Klagepatent im Umfang des hier streitgegenständlichen Patentanspruchs 1 für schutzfähig erachtet. Die Ausführungen des Bundespatentgerichts sind nachvollziehbar begründet, so dass nicht mit der für eine Aussetzung des Rechtsstreits erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem Nichtigkeitsverfahren nicht standhalten wird. Insbesondere hat die Beklagte hat keine besonderen Umstände aufgezeigt, die darauf hindeuten, das Bundespatentgericht werde von seiner aus dem Hinweis ersichtlichen Rechtsauffassung abweichen.
    Der Vortrag der Beklagten konzentriert sich auf die Entgegenhaltungen D1 und D2, die bei der ersten Nichtigkeitsentscheidung noch keine Berücksichtigung gefunden hatten, so dass sich auch im Folgenden auf diese beschränkt wird. Die D1 und D2 nehmen aus Sicht der Kammer indes nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg oder legen diese nahe.
  41. 1.
    Gegen eine Aussetzung spricht bereits, dass die Beklagte keine deutschen Übersetzungen der englisch-sprachigen Entgegenhaltungen D1 und D2 vorgelegt hat (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2013 – 4b O 13/12 – Rn. 70 bei Juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 12. Aufl. 2020, Kap. E. Rn. 792). Den Parteien ist in der prozessleitenden Verfügung vom 03.11.2020 (Bl. 28 GA) aufgegeben worden, von fremdsprachigen Unterlagen mit demselben Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen. Dieser Auflage ist die Beklagte nicht nachgekommen.
  42. 2.
    Die D1 (EP 0 797 044 A2; Anlage NK1) nimmt nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg.
  43. a.
    Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Schrift aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (BGH, BeckRS 2017, 111691; BGH, BeckRS 2015, 14874; BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Zu dem danach Offenbarten gehört allerdings nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist vielmehr der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, BeckRS 2017, 111691; BGH GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung). Die Berücksichtigung solcher Umstände zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern auf die Erfassung der technischen Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit. Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Gleichfalls unzulässig ist es, Erkenntnisse in die Offenbarung hineinzuinterpretieren, die erst die Lehre des Patents gebracht hat (BGH, GRUR 1989, 899 – Sauerteig).
  44. b.
    Die D1, die ein Beleuchtungsgerät betrifft, offenbart bereits keinen Mikrowellensensor gemäß Merkmal 4. Vielmehr offenbart die D1 in Abs. [0093] statt einem Bewegungssensor als optionalen Sensor einen „person sensor“:
    „It is also appropriate that a person sensor for sensing the presence or absence of a person or a brightness sensor for sensing the brightness of the ambience is provided together with or in place of the remote control section 44. In addition, in the case of providing the person sensor, it is possible to light the lamp when a person exists and to put out the lamp when a person is absent thus surely lighting and certainly putting out as occasion demands.(…)“
    Nach Anspruch 16 der D1 ist ein Personensensor weiterhin an dem Vorrichtungskörper montiert. Weitere Angaben macht die D1 zu dem Personensensor nicht, insbesondere nicht dazu, welche Art von Sensor vorgesehen ist. Ein Personensensor, der die Anwesenheit/Abwesenheit von Personen detektiert, kann indes unterschiedlich ausgebildet sein, unter anderem – wie die Klägerin ausführt – als Kamera, als Infrarot- oder Ultraschallsensor. Aus der D1 ergeben sich indes keine unmittelbaren und eindeutigen Anhaltspunkte für den Fachmann, gerade einen Mikrowellensensor als Personensensor auszuwählen. Dass diese dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bereits bekannt waren und es grundsätzlich möglich erscheint, einen solchen in dem offenbarten Beleuchtungsgerät vorzusehen, reicht insoweit nicht aus.
    Darüber hinaus offenbart die D1 auch nicht Merkmal 5, wonach das Trägermodul so auf dem Befestigungssockel vorgesehen ist, dass es mit zumindest einem Teilbereich in dem lichten Zwischenraum aufgenommen ist, so dass dahinstehen kann, ob das Vorsehen eines Mikrowellensensors auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
    Der in der D1 offenbarte Personensensor „is provided together with or in place of the remote control section 44“ (Abs. [0093]), d.h. er ist zusammen mit oder statt der vorgesehenen „remote control section 44“ (Fernsteuerung) vorgesehen. Diese „remote control section 44“ ist nach Abs. [0028] der D1 in der Nähe eines zentralen Abschnitts des Leuchtengehäuses bzw. Vorrichtungskörpers (21) angebracht bzw. befestigt („Besides, a remote control section 44 acting as a remote control unit or a mode change-over switch 45 is attached to the vicinity of a central portion of the apparatus body 21.“), nicht, wie die Beklagte meint, in der Mitte des Beleuchtungsgerätes. Das Leuchtengehäuse (21) ist in der nachfolgenden, vom Bundespatentgericht kolorierten Figur 1 der D1 grün markiert.
  45. Das Leuchtmittel wird durch die ringförmigen Leuchtstoffröhren (51, 52, hier gelb markiert) gebildet. Nach Anspruch 15 der D1 ist der Vorrichtungskörper (21) mit einem Substratteil (42) vorgesehen, an dem ein Beleuchtungssteuerschaltmittel montiert ist, das durch das Fernsteuermittel (44) („remote control section 44“) gesteuert wird, das für den Vorrichtungskörper vorgesehen ist. Selbst wenn man das Substratteil (42) als Trägermodul im Sinne des Klagepatents auffassen sollte und der Personensensor auf diesem angeordnet wäre, so wäre das Trägermodul jedenfalls nicht mit zumindest einem Teilbereich in dem lichten Zwischenraum aufgenommen. Anhand der nachfolgend eingeblendeten und vom Nichtigkeitssenat kolorierten Figur 2 der D1
    wird veranschaulicht, dass sich das vermeintliche Trägermodul (42) und auch der im Leuchtengehäuse angeordnete Personensensor – bezogen auf die Zeichnung – komplett oberhalb des Leuchtmittels in Gestalt der gelb eingefärbten Leuchtstoffröhren befinden. Unabhängig davon, ob man den lichten Zwischenraum – wie das BPatG – (nur) in dem Raum innerhalb der inneren kreisringförmigen Leuchtstoffröhre (52) sieht oder aber ohne Begrenzung der Höhe nach auch noch in dem freien Raum – bezogen auf die Zeichnung – unterhalb der Leuchtstoffröhren, befindet sich das vermeintliche Trägermodul komplett außerhalb desselben. Es ist nicht ersichtlich, wo die D1 dem Fachmann eindeutig und unmittelbar offenbaren würde, den Personensensor abweichend davon innerhalb des lichten Zwischenraums anzuordnen. Auch dass eine dahingehende Anordnung dem Fachmann nahegelegt würde, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
  46. 3.
    Auch die D2 (JP XXX; Anlage NK2, englische Übersetzung Anlage NK6), die ebenfalls eine bewegungssensorgesteuerte Leuchtenvorrichtung offenbart, nimmt nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg oder legt diese nahe.
    Unabhängig davon, ob die D2 dem Fachmann offenbart, dass das Trägermodul mit zumindest einem Teilbereich gemäß Merkmal 5 im lichten Zwischenraum angeordnet ist, der durch die Außenwände des Leuchtmittels begrenzt wird und den das Bundespatentgericht in der Kreisfläche innerhalb der Leuchtstoffröhre (43) sieht, wie nachfolgend in der vom Nichtigkeitssenat kolorierten Fotomontage aus den Figuren 6 und 10 der D2 ersichtlich
    (das BPatG entsprechend seiner vorläufigen Auffassung in seinem qualifizierten Hinweis insoweit ablehnend), ist die D2 nicht neuheitsschädlich, weil auch sie jedenfalls das Merkmal 4 nicht offenbart. Insoweit handelt es sich bei dem offenbarten Bewegungssensor (19) um einen Temperaturänderungen detektierenden Infrarotsensor („pyroelectric element“) und nicht um einen Mikrowellensensor (vgl. auch Hinweis des BPatG, Anlagenkonvolut K 14, dort Ziff. 7.2., S. 9).
    Ferner hat die Beklagte im Verletzungsverfahren nicht aufgezeigt, warum der Fachmann Anlass dazu haben sollte, in der D2 anstelle eines Infrarotsensors einen Mikrowellensensor im Sinne des Klagepatents vorzusehen. Der Vortrag, eine Anregung hierzu ergebe sich aus einer Vielzahl von Dokumenten, mit dem pauschalen Verweis auf ihre Ausführungen in der Nichtigkeitsklage genügt hierfür nicht. In Bezug auf die Erfindungshöhe liest sich der qualifizierte Hinweis des Bundespatentgerichts an dieser Stelle zudem nicht derart umfassend begründet, dass es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Bundespatentgericht seine diesbezügliche Meinung nach der Verhandlung nicht mehr ändert.
    V.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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