4b O 37/21 – Vertragsstrafeversprechen

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3232

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 28. Juli 2022, Az. 4b O 37/21

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 380.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2021 zu zahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus einem Vertragsstrafeversprechen geltend.
  6. Am 23. Oktober 2014 mahnte die A die Beklagte im Hinblick auf die Ausstellung eines Türscharniers auf der Messe „XXX“ 2014 ab. Der Abmahnung (Anlage rop 3a; die Übersetzung ist ebenfalls als Anlage rop3a bezeichnet) war der Entwurf einer Unterlassungserklärung beigefügt, die vorsah es „bei Androhung einer Vertragsstrafe von € 10.000,00 (zehntausend EUR) für jeden Fall der Nichteinhaltung – unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs“ zu unterlassen, ein Türschließdrehgelenk und ein Scharnier wie nach dem EP 2 XXX XXX B1 (nachfolgend: EP‘XXX) und dem EP 2 XXX XXX B1 (nachfolgend: EP‘XXX) geschützt anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu benutzen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder zu importieren. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Abmahnschreiben Bezug genommen.
  7. Die Beklagte gab daraufhin am 29. Oktober 2014, der A am 31. Oktober 2014 zugegangen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage rop3b; deutsche Übersetzung Anlage rop3c). In diese nahm sie einleitend einen Passus auf, ausweislich dessen sie aus wirtschaftlichen Gründen und im Interesse einer schnellen Einigung rechtsverbindlich die Unterlassungserklärung abgebe. Sie erklärte dann weiter „unter Androhung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung – unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs – es zu unterlassen“, Türschließdrehgelenke sowie Scharniere entsprechend der von der A genannten Patente zu benutzen. Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Unterlassungserklärung sowie das diese begleitende Schreiben vom 31. Oktober 2014 (ebenfalls Anlage rop3b; deutsche Übersetzung: Anlage rop3c) verwiesen.
  8. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 (Anlage rop3d) erklärte die A die Annahme der Unterlassungserklärung.
  9. Im Jahre 2017 entschloss sich die Beklagte zum Vertrieb eines Pendeltür-Beschlags (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Im Hinblick auf eine etwaige Verletzung von Patenten ließ sie sich Rechtsgutachten durch den chinesischen Lieferanten vorlegen, die eine solche verneinten. Weiter übermittelte die Beklagte der Klägerin am 14. März 2017 eine angegriffene Ausführungsform und kündigte deren Vertrieb an, ohne dass die Beklagte von der Klägerin im Anschluss eine Reaktion erhielt.
  10. Anfang des Jahres 2018 hielt die Beklagte das aus Anlage rop4a ersichtliche Internetangebot für die angegriffene Ausführungsform, darin bezeichnet mit der Artikelnummer XXX, zum Abruf bereit. Bestandteil des Internetauftritts ist ein Produktdatenblatt der angegriffenen Ausführungsform, in dem deren einzelne Komponenten wie folgt bildlich dargestellt sind (Abbildung entnommen Anlage rop 4a, S. 5, unten rechts):
  11. .
  12. Die angegriffene Ausführungsform verfügt insbesondere über einen kastenförmigen Körper (vgl. nachfolgende Abbildung, entnommen Bl. 20 GA der Verfahrensakte 4b O 80/18),
  13. ,
  14. sowie einen Stift (vgl. nachfolgende Abbildung, entnommen, Bl. 21 GA der Verfahrensakte 4b O 80/18),
  15. .
  16. Über das (in Anlehnung an die zuvor wiedergegebene Figur aus Anlage rop 4a, S. 5, unten rechts) als „base“ bezeichnete Bauteil, in das der Stift der angegriffenen Ausführungsform eingeführt wird, wird das angegriffene Scharnier am Boden befestigt. Über den kastenartigen Scharnierkörper wird die angegriffene Ausführungsform an dem Türblatt befestigt, was folgende Abbildung (entnommen Anlage rop 4a, S.2) veranschaulicht:
  17. .
  18. Bei der angegriffenen Ausführungsform gelangen weiter ein erstes und ein zweites Kolbenelement mit einem Schubkopf zum Einsatz, die die folgende Ausgestaltung haben (linke Abbildung: erstes Kolbenelement mit Schubkopf, entnommen Bl. 53 GA der Verfahrensakte 4b O 80/18 und rechte Abbildung: zweites Kolbenelement mit Schubkopf, entnommen Bl. 54 der Verfahrensakte 4b O 80/18; die Pfeile markieren jeweils die Schubköpfe).
  19. .
  20. Am 25. Januar 2018 lieferte die Beklagte auf einen von der Klägerin initiierten Testkauf die angegriffene Ausführungsform (eine Rechnung liegt der Akte als Anlage rop4c bei).
  21. Mit Schreiben vom 23. Februar 2018 mahnte die Klägerin die Beklagte erneut ab (Anlage rop5). Auch im Anschluss an diese erneute Abmahnung bot die Beklagte die angegriffene Ausführungsform weiter über ihre Internetseite an.
  22. Die Klägerin leitete mit am 30. August 2018 eingehender Klageschrift vor der hiesigen Kammer ein Verfahren gegen die Beklagte ein (Az.: 4b O 80/18; das Verfahren wird nachfolgend auch mit „der Vorprozess“ in Bezug genommen). Die Klageschrift wurde der Beklagten am 19. September 2018 zugestellt. In dem Verfahren machte die Klägerin unter anderem auf die Unterlassungserklärung aus dem Jahre 2014 gestützte Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 20.000,- geltend. Als Zuwiderhandlungen gegen das abgegebene Unterlassungsversprechen führte die Klägerin das Internetangebot von Anfang 2018, die Lieferungshandlung vom 25. Januar 2018 sowie das Internetangebot, das nach Abgabe der Unterlassungserklärung am 23. Februar 2018 noch abrufbar war, an, wobei sie für das Angebot und die Lieferung aus Januar 2018 die Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10.000,- insgesamt nur einmal in Ansatz brachte.
  23. Während des laufenden Vorprozesses wandte sich die Beklagte erneut an den chinesischen Lieferanten, der weiter die Meinung vertrat, dass eine Patentverletzung nicht bestehe, vielmehr eigene Patente vorliegen würden.
  24. Mit rechtskräftigem Urteil vom 2. April 2020 (Anlage rop VS 1 der Gerichtsakte zu dem hiesigen Verfahren; Anlagen ohne Bezugnahme auf eine bestimmten Akte sind nachfolgend solche des hiesigen Verfahrens) verurteilte die Kammer die Beklagte in dem Vorprozess unter anderem zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 20.000,- (Tenor Ziff. III. des Urteils). Darüber hinaus sprach sie ein Unterlassungsgebot (Tenor Ziff. I.1. des Urteils) sowie eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Tenor Ziff. I.2.) aus. Weiter wurde festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz für seit dem 31. Oktober 2014 begangene Verletzungshandlungen verpflichtet ist (Tenor Ziff. I. auf Seite 6 des Urteils; gemeint ist wohl Ziff. II.). Wegen des genauen Inhalts der Verurteilung wird auf den Tenor des Urteils Bezug genommen.
  25. Mit Schreiben vom 9. September 2020 (Anlage rop VS 2) machte die Beklagte in Erfüllung der gegen sie ausgeurteilten Auskunfts- und Rechnungslegungsverpflichtung unter anderem Angaben zu von ihr im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform getätigten Verkäufen. Daraus ergeben sich für den Zeitraum vom 25. September 2017 bis zum 23. Februar 2018 (= Zeitraum ab Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform bis zur erneuten Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin) 51 Lieferungshandlungen mit angegriffenen Produkten, in dem Zeitraum vom 24. Februar 2018 bis zum 19. September 2018 (= Zeitraum ab der erneuten Abmahnung bis zur Zustellung der Klageschrift in dem Vorprozess) 78 Lieferungshandlungen mit angegriffenen Produkten und für den Zeitraum vom 20. September 2018 bis zum 26. September 2019 129 Lieferungshandlungen mit angegriffenen Produkten. Dabei ergeben sich im Einzelnen die folgenden Zeitpunkte für die Lieferungshandlungen, wobei als eine Lieferungshandlung auch eine solche Handlung erfasst wird, durch die an einem Tag an einen Kunden mehrere angegriffene Produkte geliefert worden sind:
  26. Zeitraum 25. September 2017 bis 23. Februar 2018
  27. Die Daten sind den mit Anlage rop VS 4a und Anlage rop VS 4b vorgelegten Tabellen entnommen, wobei es sich dabei um die von der Klägerin „grün“ markierten Daten handelt. Wegen weiterer Informationen zu den Lieferdaten (insbesondere Kunde usw.) wird auf die Tabellen aus den Anlagen Bezug genommen. Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass für den hier in Rede stehenden Zeitraum 50 Lieferungshandlungen vorliegen, ist dies darauf zurückzuführen, dass sie eine Lieferungshandlung vom 13. Februar 2018 versehentlich dem nachfolgenden Zeitraum vom 24. Februar 2018 bis zum 19. September 2018 zuordnet.
  28. In der Tabelle enthalten ist auch die Lieferungshandlung vom 25. Januar 2018 an die „B“ (lfd. Nummer XXX), wegen der im Rahmen des Vorprozesses eine Vertragsstrafe ausgeurteilt wurde.
  29. Zeitraum 24. Februar 2018 bis 19. September 2018
  30. Die Daten sind den mit Anlage rop VS 4a und Anlage rop VS 4b vorgelegten Tabellen entnommen, wobei es sich dabei um die von der Klägerin „blau“ markierten Daten handelt. Wegen weiterer Informationen zu den Lieferdaten (insbesondere Kunde usw.) wird auf die Tabellen aus den Anlagen Bezug genommen. In den hier maßgeblichen Zeitraum fallen insbesondere auch die in der Tabelle aufgeführten Lieferungshandlungen vom 4. Mai 2018 und vom 13. Juni 2018, die die Klägerin versehentlich dem nachfolgenden Zeitraum zugeordnet hat. Aus dem hier aufgeführten Zeitraum waren hingegen die Lieferungshandlungen vom 15. Oktober 2018 und vom 13.November 2018 herauszunehmen. Diese unterfallen dem nachfolgenden Zeitraum vom 20. September 2018 bis 26. September 2019.
  31. Zeitraum 20. September 2018 – 26. September 2019
  32. Die Daten sind den mit Anlage rop VS 4a und Anlage rop VS 4b vorgelegten Tabellen entnommen, wobei es sich dabei um die von der Klägerin „orangefarben“ markierten Daten handelt. Wegen weiterer Informationen zu den Lieferdaten (insbesondere Kunde usw.) wird ein weiteres Mal auf die Tabellen der Anlagen Bezug genommen.
  33. Aus diesen Lieferungshandlungen ergibt sich insgesamt ein Nettoumsatz in Höhe von EUR 68.362,23.
  34. Mit Schreiben vom 22. Januar 2021 (Anlage rop VS 3a) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 400.000,- bis zum 16. Februar 2021 auf und drohte für den Fall des nicht rechtzeitigen Zahlungseingangs die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen an. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf dieses Bezug genommen. Die Beklagte zahlte EUR 20.000,- und lehnte die Zahlung einer weiteren Vertragsstrafe mit Schreiben vom 27. Januar 2021 (Anlage rop VS 3b) ab.
  35. Die Klägerin meint, wegen der mit Schreiben aus September 2020 beauskunfteten weiteren Lieferungshandlungen sei eine weitere Vertragsstrafe verwirkt.
  36. Das Urteil aus dem Vorprozess entfalte keine entgegenstehende Rechtskraft, weil dieses andere Zuwiderhandlungen zum Gegenstand habe als diejenigen, auf die die hier geltend gemachte Vertragsstrafe gestützt werde.
  37. Auch einen Verzicht auf die Geltendmachung einer weitergehenden Vertragsstrafe habe sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder stillschweigend erklärt. Das gelte schon deshalb, weil sie, die Klägerin, sich mit der hiesigen Klage auf Lieferungshandlungen beziehe, die ihr erst im Zuge der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Vorprozesses zur Kenntnis gelangt seien.
  38. Sie sei als Vertragspartnerin auch zur Geltendmachung eines aus dem Unterlassungsvertrag erwachsenden Zahlungsanspruchs sachlich berechtigt. In diesem Zusammenhang behauptet sie unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in dem Vorprozess, dass es am 27. Juli 2015 zur Umwandlung der „A“ in die – jetzt im Aktivrubrum genannte – „C“, das heißt von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (XXX) in eine Aktiengesellschaft (XXX), gekommen sei.
  39. Die Beklagte habe die Vertragsstrafe auch verwirkt. Die im Januar 2018 beworbenen und vertriebenen Tür-Schließsysteme würden die in der Unterlassungsverpflichtungserklärung beschriebenen Merkmale nach den Feststellungen der Kammer in dem Urteil aus dem Vorprozess verwirklichen. Die nach den Zäsuren am 23. Februar 2018 (erneute Abmahnung der Beklagten) und der Erhebung der Patentverletzungsklage ausgelieferten Produkte seien mit den aus dem Vorprozess identisch.
  40. Bei der Bemessung der Vertragsstrafe sei zu berücksichtigen, dass sich einerseits das erneute Abmahnschreiben der Klägerin vom 23. Februar 2018 (Anlage rop5 der Verfahrensakte) und andererseits die Zustellung der Klage in dem Verfahren 4b O 80/18 am 19. September 2018 als Zäsuren erweisen würden.
  41. Die Frage, ob die Vereinbarung einer Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte erlaube, stelle sich hier nicht, weil die Parteien das Entstehen einer Vertragsstrafe von EUR 10.000,00 unter den Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs gestellt hätten. Diese Vereinbarung sei auch wirksam, bei der der Beklagten mit Abmahnschreiben vom 23. Oktober 2014 zugesandten Erklärung handele es sich schon um keine für eine Vielzahl gleichartig gelagerter Fälle vorformulierte Erklärung der Klägerin, die in großer Zahl versandt worden sei.
  42. Eine Zusammenfassung einzelner Handlungen sei hier aber auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich bei den Zuwiderhandlungen nach der Zäsur vom 23. Februar 2018 und der Zäsur vom 19. September 2018 um vorsätzliche und hartnäckige Verstöße handele und die Lieferungen jeweils auf neuem aktivem Tun beruhen würden.
  43. Von diesen Erwägungen ausgehend bemisst die Klägerin die von ihr in Höhe von EUR 380.000,00 begehrte Vertragsstrafe wie folgt:
  44. Für den Zeitraum vom 25. September 2017 bis zum 23. Februar 2018 (= Zugang des zweiten Abmahnschreibens der Klägerin) geht sie von 50 Lieferungshandlungen aus und setzt hierfür einen Betrag von EUR 500.000,00 (50 x EUR 10.000,00) an. Für den Zeitraum vom 24. Februar 2018 bis zum 19. September 2018 (= Zustellung der Klage) geht sie von 79 Lieferungshandlungen und einem daraus folgenden Betrag in Höhe von EUR 790.000,00 (79 x EUR 10.000,00) aus. Zuletzt stellt sie für den Zeitraum vom 20. September 2018 bis zum 26. September 2019 auf 129 Lieferungshandlungen und einen Betrag in Höhe von EUR 1.290.000,00 (129 x EUR 10.000,00) ab. Soweit sich die Zuordnung der beauskunfteten Lieferungshandlungen zu den jeweiligen Zeiträumen nach Maßgabe der vorherigen Ausführungen in geringem Umfang als fehlerhaft darstellt, ändert dies an der Gesamtanzahl der Lieferungshandlungen nichts, weshalb sich dies auch auf die Bemessung der Gesamtvertragsstrafe durch die Klägerin nicht auswirkt.
  45. Den sich aus den Lieferungshandlungen in Höhe von EUR 2.580.000,00 ergebenden Gesamtbetrag reduziert die Klägerin zur Vermeidung eines gegen § 242 verstoßenden Missverhältnisses auf ca. das 5,8-fache des Nettoumsatzes (in Höhe von EUR 68.362,23) der beauskunfteten Lieferungshandlungen, so dass sie zu einem Betrag in Höhe von EUR 400.000,00 gelangt. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die in Höhe von EUR 10.000,00 vereinbarte Vertragsstrafe in ihrer Sicherungsfunktion dreimal versagt habe, nämlich vor und nach der ersten Zäsur (23. Februar 2018) und dann noch einmal nach der zweiten Zäsur (19. September 2018).
  46. Von der so mit EUR 400.000,00 bezifferten Vertragsstrafe bringt die Klägerin die bereits mit Urteil vom 2. April 2021 in Höhe von EUR 20.000,00 ausgeurteilte Vertragsstrafe in Abzug.
  47. Die Klägerin beantragt,
  48. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 380.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2021 zu zahlen.
  49. Die Beklagte beantragt,
  50. die Klage abzuweisen.
  51. Die Beklagte ist der Auffassung, der hiesigen Klage stehe bereits die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils vom 2. April 2020 aus dem Vorprozess entgegen.
  52. Der identische Streitgegenstand zwischen dem Vorprozess und dem hiesigen Verfahren sei dadurch begründet, dass der Vorprozess alle drei von der Klägerin in der hiesigen Klage in Bezug genommenen Zeiträume (1. Zeitraum bis zur erneuten Abmahnung am 23. Februar 2018; 2. Zeitraum ab der erneuten Abmahnung bis zur Zustellung der Klage in dem Vorprozess am 19. September 2018 und 3. Zeitraum ab der Zustellung der Klage in dem Vorprozess) streitgegenständlich erfasst habe.
  53. Jedenfalls habe die Klägerin auf die Geltendmachung einer weitergehenden Vertragsstrafe in dem Vorprozess verzichtet, weil sie trotz Kenntnis „weiterer Handlungen“ keine Erhöhung der geltend gemachten Vertragsstrafe begehrt habe. Ihr Verhalten stelle sich insofern jedenfalls als rechtsmissbräuchlich dar. Denn die Klägerin habe den Eindruck erweckt, dass die Angelegenheit mit Zahlung der in dem Vorprozess beantragten Vertragsstrafe erledigt sei.
  54. Es fehle aber auch an einem Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung.
  55. Die Lehre des EP‘XXX und des EP‘XXX würden lediglich vertikale stationäre Stützkonstruktionen zur Befestigung des Scharniers, wie einen Türrahmen, umfassen. Nicht hingegen seien Konstruktionen erfasst, die – wie die angegriffene Ausführungsform – am Fußboden befestigt werden müssten.
  56. Im Zusammenhang mit der Lehre des EP‘XXX fehle es weiter auch an einem ersten Schubkopf im Sinne des Patents, weil dieser als Doppel-Schubkopf ausgestaltet sein müsse. Des Weiteren seien auch die Schubköpfe nicht plattenartig ausgestaltet.
  57. Die Beklagte treffe aber auch kein Verschulden. Denn sie habe der Klägerin die angegriffene Ausführungsform vorab zur Kenntnis gebracht, ohne dass eine Reaktion erfolgt sei.
  58. Nach dem Willen der Vertragsparteien habe der Vertrieb eines in bestimmter Weise ausgestalteten Produkts als eine einheitliche natürliche Handlungseinheit gewertet werden sollen. Auf einzelne Auslieferungen oder gar die Lieferung jedes einzelnen Produkts habe es hingegen nicht ankommen sollen.
  59. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform, auf den die Klägerin vorliegend die Zahlung einer weitergehenden Vertragsstrafe stütze, gehe auf einen einheitlichen Entschluss der Beklagten zurück. Insoweit habe auch die Zustellung der Klage in dem Vorprozess zu keinem neuen Willensentschluss bei der Beklagten geführt. Für eine natürliche Handlungseinheit spreche weiter, dass sich die beanstandete Verletzungsform nicht verändert habe.
  60. Ein Anknüpfen an jede einzelne Lieferungshandlung stehe zudem völlig außer Verhältnis zu einem mit dem Vertrieb eines solchen Scharniers erzielbaren Gewinns oder auch nur erzielbaren Umsatzes.
  61. Der vereinbarte Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs sei unbeachtlich. Es handele sich dabei um eine unwirksame inhaltsleere Floskel.
  62. Schließlich habe sie, die Beklagte, auch nicht vorsätzlich, sondern vielmehr in der Annahme gehandelt, die angegriffene Ausführungsform in zulässiger Weise zu vertreiben.
  63. Unbeschadet dessen sei aber auch ein Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen, weil diese sich – insoweit unstreitig – auf die Ankündigung des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform nicht bei ihr, der Beklagten, gemeldet habe.
  64. Jedenfalls sei eine Vertragsstrafe unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf den doppelten Betrag der mit EUR 10.000,00 vereinbarten Vertragsstrafe zu reduzieren. Den sich danach ergebenden Betrag aber habe die Beklagte – insoweit unstreitig – bereits auf das Urteil in dem Vorverfahren gezahlt.
  65. Die Akte des Verfahrens 4b O 80/18 ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
  66. Entscheidungsgründe
  67. Die Klage ist zulässig und begründet.
  68. A.
    Die Klage ist zulässig.
  69. Insbesondere steht der Geltendmachung des aus dem Vertragsstrafeversprechen erwachsenden Zahlungsanspruchs vorliegend nicht die Rechtskraft des Urteils vom 2. April 2020 in dem Verfahren 4b O 80/18 vor der hiesigen Kammer entgegen.
  70. I.
    Gem. § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile der Rechtskraft insoweit fähig, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. „Erhobener Anspruch“ in Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO meint den prozessualen Anspruch im Sinne des Streitgegenstands (Gottwald, in: Müko, ZPO, Kommentar, 6. Auflage, 2020, § 322, Rn. 111). Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff beschränkt sich die Rechtskraft auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat (BGH, NJW 1993, 3204 (3205)). Rechtskräftig wird nur die Entscheidung über den (prozessualen) Anspruch selbst (ebd., § 322, Rn. 84). Die einzelnen Elemente des Subsumtionsschlusses erwachsen dagegen nicht „in absolute Rechtskraft“, auch nicht, soweit es sich um Kernfragen des früheren Prozesses handelt (ebd., § 322, Rn. 92). Tatsächliche Feststellungen über den Streitgegenstand sind nur innerhalb der Entscheidung über den damaligen Streitgegenstand bindend (ebd., § 322, Rn. 97).
  71. Bei Identität der Streitgegenstände wirkt die Rechtskraft als negative Prozessvoraussetzung (Gruber, in: Beck’OK, ZPO, 44. Ed., Stand: 01.03.2022, § 322, Rn. 10), steht mithin der Zulässigkeit einer Klage, die auf das Rechtskraft entfaltende Urteil folgt, entgegen (ebd., § 322, Rn. 12).
  72. II.
    Das Urteil des Vorprozesses begründet hier keine entgegenstehende Rechtskraft in dem dargestellten Sinn.
  73. Es fehlt an einer Identität des Streitgegenstands der hiesigen Klage mit dem Streitgegenstand, der in dem Vorprozess zur Entscheidung stand.
  74. 1.
    Bei zur Begründung des Vertragsstrafeversprechens vorgebrachten Zuwiderhandlungen handelt es sich im Regelfall um jeweils unterschiedliche Streitgegenstände (BGH, GRUR 2015, 258, Rn. 24 – CT-Paradies; Zigann/ Werner, in Cepl/ Voß, 2. Auflage, 2018, § 253, Rn. 151; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 14. Auflage, 2022, Kap. C., Rn. 104).
  75. So ist es auch hier.
  76. Gegenstand des Vorprozesses war die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR
    20.000,-, gestützt wurde dieses Verlangen auf eine Angebotshandlung eines Türscharniers (Art.-Nr. 45.0106.000.12) Anfang des Jahres 2018 (Anlage rop4a der Verfahrensakte), eine Lieferungshandlung vom 25. Januar 2018 (Anlage rop4c der Verfahrensakte) und auf die Fortsetzung der Angebotshandlung nach erneuter Abmahnung am 23. Februar 2018. Dabei handelt es sich – wie ein Abgleich mit den hier streitgegenständlichen Lieferungshandlungen (vgl. Darstellung im unstreitigen Teil des Tatbestandes) zeigt – um von den hier geltend gemachten Zuwiderhandlungen abweichende Handlungen. Soweit die tabellarische Aufstellung auch die Verletzungshandlung vom 25. Januar 2018 enthält, die bereits Gegenstand des Vorverfahrens war, hat die Klägerin in ihrer Klagebegründung zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Vertragsstrafe für diese nicht mehr verlangt, sie eine solche vielmehr von dem geforderten Betrag in Höhe von EUR 400.000,00 in Abzug bringt, so dass auch insoweit eine entgegenstehende Rechtskraft nicht besteht.
  77. 2.
    Umstände, die vorliegend eine andere Bewertung rechtfertigen, sieht die Kammer hier nicht.
  78. Solche folgen insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte meint, das von ihr abgegebene Vertragsstrafeversprechen sei derart zu verstehen, dass der gesamte Vertrieb einer konkreten Ausführungsform – hier der angegriffenen Ausführungsform – eine einzige Zuwiderhandlung darstelle.
  79. Unbeschadet dessen, dass die Kammer ein solches Verständnis von dem streitgegenständlichen Unterlassungsvertrag nicht teilt (dazu nachfolgend ausführlich unter Pkt. B., I., 2. a), bb), (2)), ist dieses Beklagtenvorbringen im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung unbeachtlich. Bei der Frage, was die vertragsschließenden Parteien als „eine Zuwiderhandlung“ im Sinne des hier vorliegenden Vertragsstrafeversprechens verstanden haben, handelt es sich in dem hiesigen Kontext um eine sog. doppeltrelevante Tatsache. Denn das Verständnis der Vertragsschließenden von dem Inhalt des Vertrags ist auch für das Bestehen des eingeklagten Anspruchs erheblich. Maßgeblich aber ist dann im Rahmen der Zulässigkeit der schlüssige Klägervortrag, dieser bestimmt den jeweiligen Streitgegenstand (BGH, NJW 2010, 873, Rn. 13). Nach dem Klägervortrag stellen an unterschiedlichen Tagen und/ oder an unterschiedliche Kunden erfolgende Lieferungshandlung voneinander zu trennende Zuwiderhandlungen dar, die jede für sich die Vertragsstrafe auslösen.
  80. B.
    Die Klage ist begründet.
  81. I.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in der geltend gemachten Höhe gem. § 339 Satz 2 BGB i. V. m. dem Unterlassungsvertrag zu.
  82. 1.
    Die Vertragsstrafe ist verwirkt.
  83. Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, dass er seine Unterlassungsverpflichtung nicht erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe gem. § 339 Satz 2 BGB mit der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung verwirkt.
  84. So ist es hier.
  85. a)
    Die Beklagte hat gegen die sich aus dem zwischen ihr und der Klägerin bestehenden, wirksamen Unterlassungsvertrag ergebende Pflicht verstoßen, indem sie die hier streitgegenständlichen Lieferungshandlungen vornahm.
  86. aa)
    Zwischen der Klägerin und der Beklagten liegt ein wirksamer Unterlassungsvertrag vor, welcher die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet.
  87. (1)
    Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus (BGH, GRUR 2017, 823, Rn. 12 – Luftentfeuchter).
  88. Ein solcher liegt hier vor.
  89. (aaa)
    Die Beklagte hat auf die Abmahnung der A (Anlage rop3a) mit schriftlicher Erklärung vom 29. Oktober 2014 (Anlage rop3b) eine Unterlassungserklärung abgegeben, die der A am 31. Oktober 2014 zugegangen ist.
  90. Mit der Unterlassungserklärung gab die Beklagte zu erkennen, dass sie sich an eine Verpflichtung, die in der Erklärung näher bezeichneten Handlungen zu unterlassen, gebunden sah. In diesem Kontext kann dahinstehen, ob es sich bei der Erklärung der Beklagten um die Annahme der mit der Abmahnung der A übersandten Unterlassungserklärung handelte, was bereits den Vertragsschluss begründen würden, oder aber ob damit ein abgeändertes und daher neues Angebot im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB vorlag, weil die Beklagte darin den Zusatz aufnahm, dass sie sich zur Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht verpflichtet sehe, eine solche aber gleichwohl rechtsverbindlich abgebe. Gegen ein abgeändertes und damit neues Angebot spricht, dass die Unterlassungserklärung in ihrem wesentlichen Aussagegehalt durch den in Bezug genommenen Passus nicht verändert wird (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2015, Az.: 15 U 129/14, Rn. 26 bestätigt durch BGH, GRUR 2017, 823, Rn. 14 – Luftentfeuchter). Selbst wenn man aber der Ansicht folgt, dass ein neues Angebot vorliegt, so hat die Klägerin dieses jedenfalls mit Erklärung vom 4. Dezember 2014 (Anlage rop3d) angenommen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Annahme erst gut einen Monat nach Abgabe der Unterlassungserklärung erfolgte. Gem. § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Maßgeblich ist hierbei die Verkehrsanschauung (Busche, in: Müko, BGB, Kommentar, 9. Auflage, 2021, § 147, Rn. 36). Keiner der Parteien, insbesondere auch die Beklagte nicht, hat im Kontext der ihr zugegangenen Annahmeerklärung oder zu einem späteren Zeitpunkt, geltend gemacht, dass die Annahme in dem Verkehrskreis, in dem sie sich bewegen, nämlich dem gewerblichen Anbieten und Vertreiben von Produkten zum Schließen von Türen, außerhalb der erwarteten Frist zugegangen ist. Auch die Kammer sieht vor diesem Hintergrund Anknüpfungspunkte für eine solche Würdigung nicht. Schließlich kann deshalb auch dahinstehen, ob der Zugang einer Annahmeerklärung nach Maßgabe von § 151 Satz 1 BGB entbehrlich war (ebenfalls offengelassen von OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 30).
  91. (bbb)
    Die Klägerin kann als Rechtsnachfolgerin der „A“ auch Rechte aus dem Unterlassungsvertrag herleiten.
  92. Die in der Rechtsform „s.p.a“ firmierende Klägerin ist anspruchsberechtigt. Sie ist durch Rechtsformwechsel aus der A hervorgegangen. Dies ergibt sich aus dem als Anlage rop 1c in italienischer Sprache vorgelegten Registerauszug nebst deutscher Übersetzung. Dort ist auf Seite 2 unter dem 27. Juli 2015 ausgewiesen, dass in Folge eines Firmenzusammenschlusses („XXX“) ein Rechtsformwechsel in „C“ erfolgt ist. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die beigefügte deutsche Übersetzung (ebenfalls Anlage rop 1c) diesen Umstand unzutreffend wiedergibt.
  93. Das Bestreiten der ausschließlichen Lizenzinhaberschaft und der Übertragung des deutschen Teils der Rechte aus den zugrundeliegenden Patenten ist unbeachtlich. Streitgegenständlich sind vorliegend Ansprüche aus der von der Beklagten abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung. Die Beklagte hat diese gegenüber der Klägerin – damals noch in der Rechtsform der s.r.l. – verbindlich abgegeben. Auf die Frage der Lizenzinhaberschaft sowie der Frage einer rechtswirksamen Abtretung von Patentansprüchen kommt es somit nicht an.
  94. (2)
    Der Unterlassungsvertrag ist auch wirksam.
  95. Insbesondere ist er nicht gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB deshalb unwirksam, weil die abgegebene Unterlassungserklärung eine von der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vorformulierten Erklärung gewesen ist, die die Beklagte unangemessen benachteiligt.
  96. Eine Unterlassungserklärung, die – wie die hier streitgegenständliche – einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs enthält, ist von der Rechtsprechung in der Vergangenheit grundsätzlich – sofern auf Seiten des Gläubigers keine den Ausschluss rechtfertigenden besonderen Umstände vorliegen – als den Schuldner unangemessen benachteiligend gewertet worden (BGH, NJW 1993, 721 (722) – Fortsetzungszusammenhang; auch nach Aufgabe der Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht: OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2020, 556, Rn. 22 – VENOM; kritisch: Kühnen, ebd., Kap. C., Rn. 92). Da im Rahmen des AGB-Rechts das Verbot geltungserhaltenden Reduktion gilt, hat eine solche Klausel die Unwirksamkeit des Unterlassungserklärung insgesamt zur Folge (OLG Frankfurt a. M., ebd., Rn. 23).
  97. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass es sich bei der abgegebenen Unterlassungserklärung um eine von der Klägerin formularmäßige Erklärung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt mit der Folge, dass diese der AGB-rechtlichen Kontrolle unterfällt.
  98. Jedenfalls einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Erklärung der Klägerin nicht veränderbar ist bzw. darauf, dass diese für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, enthält diese nicht. Gleichwohl kann sich dies aus den Umständen des Vertragsschlusses ergeben, was jedoch für den hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht dargelegt ist.
  99. Die bloße Tatsache, dass die A die Erklärung formuliert und der Beklagten hat zukommen lassen, reicht insoweit nicht. Die Beklagte hat die Erklärung um den Passus, dass sie sich zu deren Abgabe nicht verpflichtet sieht, ergänzt und die Formulierung „für jeden Fall der Nichteinhaltung“ geändert in „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“. Auch wenn diese Modifikationen eine Änderung im Hinblick auf den rechtlichen Umfang der Unterlassungserklärung nicht bedeuten (dazu bereits zuvor unter Ziff. (1), (aaal)), sprechen sie dafür, dass die Beklagte nicht der Vorstellung unterlag, dass sie sich einer unabänderlichen Erklärung gegenüber sah, wobei davon auszugehen ist, dass der Beklagten als gewerblich tätiges Unternehmen die Verwendung von AGB grundsätzlich bekannt ist. Die Beklagte hat in dem Vorverfahren dann auch vorgetragen, dass sie die Unterlassungserklärung (Anlage rob 3b) bewusst inhaltlich abweichend zu dem ihr übermittelten Entwurf der A ausgestaltet habe (Schriftsatz der Beklagten v. 13. Januar 2020, S. 3, unter Ziff. 2., 1. Abs., Bl. 101 der Verfahrensakte 4b O 80/18; hiesiges Verfahren: Schriftsatz v. 29. November 2021, S. 8f., Bl. 45f. GA). Als nachvertragliches Verhalten bietet dies jedenfalls in einer Gesamtschau mit den bereits dargelegten Umständen ein weiteres Indiz dafür, dass die Beklagte nicht von der Unveränderbarkeit der ihr vorgeschlagenen Unterlassungserklärung ausging. Schließlich trägt auch die Beklagte im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht vor, dass sie der Vorstellung unterlag, sie könne an dem Vertragstext nichts ändern
  100. bb)
    Die Beklagte handelte dem Unterlassungsvertrag auch objektiv zuwider.
  101. Denn die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Anspruchs 1 des EP‘XXX (dazu unter Ziff. (1)) sowie des Anspruchs 1 des EP‘XXX (dazu unter Ziff. (2)) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Ausführungsform entspricht insoweit im Kern auch dem Produkt, das im Jahre 2014 Anlass für die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung war. Aus dem Vorbringen der Beklagten folgt insbesondere konkrete abweichende technische Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, die für die Merkmalsverwirklichung erheblich ist.
  102. (1)
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des EP‘XXX (Ziff. 1a) des Unterlassungsvertrags) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
  103. (aaa)
    Das EP‘XXX (Patentschrift liegt als Anlage rop 9a; deutsche Übersetzung: Anlage rop 9b vor) hat ein „Scharnier zum Schließen von Türen, insbesondere für Glastüren“ zum Gegenstand (Abs. [0001] der EP‘XXX).
  104. Zum Stand der Technik heißt es einleitend, Türschließdrehgelenke seien allgemein zum Schließen einer Tür in Gebrauch, die durch eine ortsfeste Struktur gestützt sei (Abs. [0002] der EP‘XXX), beispielhaft wird ein Türrahmen genannt (Abs. [0002] der EP‘XXX). Gewöhnlich würden die vorbekannte Türschließdrehgelenke ein bewegliches Element erfassen, das an einem Teil der Tür und der ortsfesten Struktur befestigt sei und ein starres Element, das an einem anderen Teil der Tür und der ortsfesten Struktur gehalten sei (Abs. [0003] der EP‘XXX).
  105. Zudem seien Schließmittel vorbekannt, die zum automatischen Rückstellen der Tür oder dergleichen in die geschlossene Position auf das bewegliche Element einwirken würden (Abs. [0004] der EP‘XXX).
  106. Sodann nimmt der einleitende Teil Bezug auf die EPXXX, die einen Türschließer mit einem kastenartigen Körper und einem externen Arm offenbare (Abs. [0005] der EP‘XXX). Im Hinblick auf die Vorrichtung wird beschrieben, dass diese sich aufgrund des kastenartigen Körpers als sehr sperrig erweise, was kostenaufwändige und schwierige Aufbrecharbeiten des Bodens erfordere (Abs. [0005] der EP‘XXX). Wegen des sperrigen Arms sei auch die Optik des Türschließers nicht ansprechend (Abs. [0006] der EP‘XXX). Des Weiteren könne die Vorrichtung für den Benutzer sehr unsicher sein, weil sie dem Schließen beim Ziehen einen hohen Widerstand entgegen setze (Abs. [0007] der EP‘XXX).
  107. Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik nimmt es sich das EP‘XXX zur Aufgabe (technisches Problem), ein Türschließdrehgelenk bereitzustellen, dass die im Stand der Technik festgestellten Problem zumindest teilweise überwindet (Abs. [0009] der EP‘XXX).
  108. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß mit einer Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gelöst werden, dessen Merkmale in gegliederter Form wie folgt dargestellt werden können (die Wiedergabe des Wortlauts orientiert sich an der deutschen Übersetzung des Anspruchs in der Patentschrift):
  109. 1 Türschließdrehgelenk für eine Tür, vorzugsweise eine Glastür, die durch eine ortsfeste Stützstruktur stützbar ist, wobei die Tür zwischen einer offenen und einer geschlossenen Position beweglich ist, das Türschließdrehgelenk umfassend:
  110. 1.1 einen kastenartigen Körper (10),
  111. 1.1.1 der an einem der ortsfesten Stützstruktur und der Tür verankerbar ist,
  112. 1.2 einen Stift (20), der eine erste Längsachse (X) definiert und
  113. 1.2.1 am anderen der ortsfesten Stützstruktur (S) und der Tür verankerbar ist,
  114. 1.2.2 wobei der Stift (20) und der kastenartige Körper (10) wechselseitig zum Drehen um die erste Achse (X) zwischen der offenen Türposition und der geschlossenen Türposition angekuppelt sind,
  115. 1.3 Schließmittel (30) zum automatischen Rückstellen der Tür aus der offenen in die geschlossene Position,
  116. 1.4 Bremsmittel (40), die auf das Schließmittel (30) zum Wirken gegen dessen Einwirkung einwirken,
  117. 1.5 wobei das Schließmittel (30) ein erstes Nockenelement (31) umfasst,
  118. 1.5.1 das mit einem ersten Kolbenelement 32 in Wechselwirkung steht,
  119. 1.5.2 welches innerhalb des kastenartigen Körpers (10) zwischen einer ersten zusammengedrückten Endposition, die der offenen Türposition entspricht, und einer ersten ausgefahrenen Endposition, die der geschlossenen Türposition entspricht, beweglich ist,
  120. 1.6 wobei das Bremsmittel (40) ein zweites Nockenelement (41) umfasst,
  121. 1.6.1 das mit einem zweiten Kolbenelement (42) in Wechselwirkung steht,
  122. 1.6.2 welches innerhalb des kastenartigen Körpers (10) zwischen einer zweiten zusammengedrückten Endposition, die der geschlossenen Türposition entspricht, und einer zweiten ausgefahrenen Endposition, die der offenen Türposition entspricht, beweglich ist,
  123. 1.7 wobei sowohl das erste als auch das zweite Nockenelement (31, 41) mit dem Stift (20) einstückig sind,
  124. 1.7.1 so dass sie einstückig in Bezug zum kastenartigen Element drehbar damit sind,
  125. 1.8 wobei das erste Kolbenelement (32) zumindest einen ersten Schubkopf (33, 33‘) umfasst,
  126. 1.8.1 der mit zumindest einem ersten, im Wesentlichen entsprechend geformten Sitz (34, 34‘) des ersten Nockenelements (31) in Wechselwirkung steht,

    1.9. wobei das zweite Kolbenelement (42) zumindest einen zweiten Schubkopf (43) enthält,

  127. 1.9.1 der zumindest einem zweiten, im Wesentlichen entsprechend geformten Sitz (44) des zweiten Nockenelements (41) in Wechselwirkung steht,
  128. 1.10 wobei das Schließmittel (30) erste entgegenwirkende elastische Mittel (39) umfasst, die zum Fördern der Wechselseitigen Wechselwirkung des zumindest einen ersten Schubkopfs (33,33‘) und des zumindest einen ersten entsprechend geformten Sitzes (34,34‘) auf das erste Kolbenelement 32 einwirkt,
  129. 1.11 wobei das Bremsmittel (40) zweite entgegenwirkende elastische Mittel (47) umfasst, die zum Fördern der wechselseitigen Wechselwirkung des zumindest einen zweiten Schubkopfes (43) und des zumindest einen zweiten, entsprechend geformten Sitzes (44) auf das zweite Kolbenelement (42) einwirkt,
  130. dadurch gekennzeichnet, dass
  131. 1.12 der Stift (20) zwischen dem ersten und zweiten Kolbenelement (32, 34) eingeschoben ist, und ferner
  132. 1.12.1 das erste und zweite Kolbenelement (32, 42) beide verschiebbar entlang einer zweiten Achse (Y), die im Wesentlichen senkrecht zur ersten Achse (X) steht, beweglich sind,
  133. 1.13 wobei beide des ersten und zweiten Schubkopfs (33, 33‘, 43) eine im Allgemeinen plattenartige Form aufweisen,
  134. 1.13.1 zum Definieren von zumindest einer ersten und zweiten Ebene (π‘, π‘‘, π‘‘‘), die im Wesentlichen senkrecht zur ersten Achse (X) steht.
  135. (bbb)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht insbesondere auch die von der Beklagten in Abrede gestellten Merkmale 1.1.1/ 2.1, Merkmale 1.3 und 1.8 sowie Merkmal 1.13. Da eine Verwirklichung der übrigen Merkmale zwischen den Parteien unstreitig ist, unterbleiben weitere Ausführungen zu diesen.
  136. (i)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale 1.1.1/ 1.2.1 unmittelbar wortsinngemäß, indem der Stift der angegriffenen Ausführungsform über die „base“ im Boden verankert und der kastenförmige Körper an der Tür befestigt wird.
  137. Die Lehre des Klagepatents erfasst ausweislich des Wortlauts, der den Anspruch einleitet, Türschließdrehgelenke, die durch eine ortsfeste Stützstruktur stützbar sind.
  138. Damit nimmt das Klagepatent auf ein Türschließdrehgelenk Bezug, das die Eignung aufweist, im Zusammenhang mit einer Tür, die durch eine ortsfeste Stützstruktur stützbar ist, verwendet zu werden (so auch Abs. [0052] der EP‘XXX). Weder die Tür noch die ortsfeste Stützstruktur bilden nach dem Anspruchswortlaut einen Teil der geschützten Vorrichtung (so auch Abs. [0053] der EP‘XXX).
  139. Als eine ortsfeste Stützstruktur ist dabei jedes an einem Ort verbleibende (nicht ortsveränderliches) Element zu verstehen, die geeignet ist, das der Tür als Halt dient (Abs. [0019] der EP‘XXX), sie mithin stützt. Mithilfe der Stützstruktur verbleibt die Tür in ihrer Position und kann geöffnet und geschlossen werden. Derartige ortsunveränderliche Elemente können sich oberhalb, seitlich oder unterhalb der Tür befinden. Die EP‘XXX nennt als Beispiele einer solchen Stützstruktur etwa einen Türrahmen (Abs. [0002] der EP‘XXX) oder auch einen Boden (Abs. [0052] und Abs. [0054] der EP‘XXX).
  140. Die ortsfeste Stützstruktur dient – wie der Fachmann den Merkmalen 1.1 und 2.1 entnimmt – auch dem Türschließdrehgelenk als Halt, weil daran entweder der kastenartige Körper oder der Stift befestigt werden kann. Bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung ist auch der Boden als Stützstruktur geeignet, die geschützte Lehre mithin nicht auf vertikale ortsfeste Stützstrukturen beschränkt. Auch der Boden ist unbeweglich und hinreichend stabil ausgebildet. Dies offenbart sich dem Fachmann auch bei Kenntnisnahme des Abschnitts [0054], der gerade eine Ausgestaltung beschreibt, wie der Stift über ein geeignetes Befestigungselement an dem Boden verankert werden kann. Der Fachmann entnimmt der Patentschrift in Abschnitt [0055] weiter, dass durch eine derartige Befestigung gerade kostspielige und schwierige Aufbrecharbeiten vermieden werden können, mithin der erfindungswesentlich angestrebte Erfolg unterstützt wird.
  141. In Ansehung des dargestellten Offenbarungsgehalts lässt ist auch die erfindungsgemäße Aufgabe, den Stand der Technik zu verbessern, unter anderem aufwändige Aufbrecharbeiten zu umgehen (vgl. zum Stand der Technik: Abs. [0005] der EP‘XXX), nicht derart verstehen, dass jegliche Arbeiten, die zur Verankerung der geschützten Vorrichtung am Boden erforderlich sind, vermieden werden sollen. Abschnitt [0005] stellt einen solchen Zusammenhang zwischen einer Verankerung des Türschließers im Boden und dem Befestigungsaufwand nicht her, die Kritik knüpft vielmehr an die Ausgestaltung des in der EPXXX offenbarten Türschließers an. Insoweit aber wird dem Fachmann nach Abschnitt [0055] der Patentschrift gerade vor Augen geführt, dass die geschützte Vorrichtung derart ausgestaltet sein kann, dass aufwändige Arbeiten zu ihrer Befestigung am Boden gerade nicht anfallen.
  142. Nach alledem steht es der Verwirklichung der durch das EP‘XXX geschützten Lehre nicht entgegen, dass die angegriffene Ausführungsform am Boden zu verankern ist.
  143. (ii)
    Auch das Merkmal 1.3 ist unmittelbar wortsinngemäß verwirklicht.
  144. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der englische Begriff „door“ mit „Tür“ statt mit „Türblatt“ zu übersetzen sei, lässt sich daraus ein Nichtverletzungsargument nicht herleiten. In dem Wortlaut des Merkmals 1.3 ist zwar von einer „Tür“ die Rede, das „Türblatt“ ist ein Teil der Tür, auf den es dem in Rede stehenden Merkmal auch gerade ankommt, weil darin nämlich von der „offenen“ und der „geschlossenen“ Position der Tür die Rede ist. Diese Positionen aber werden durch die Veränderung der Position des Türblatts bewirkt. Dass die Schließmittel der angegriffenen Ausführungsform dies nicht bewirken können, hat die Beklagte nicht vorgebracht.
  145. (iii)
    Auch ist die angegriffene Ausführungsform mit einem Schubkopf im Sinne von Merkmal 1.8 ausgestattet.
  146. Die Beklagte tritt einer Verwirklichung entgegen, weil der Schubkopf der angegriffenen Ausführungsform mit einem, statt mit einem Doppel-Schubkopf ausgestattet sei. Einen solchen aber verlangt die geschützte Lehre nicht. In dem insoweit maßgeblichen Anspruchswortlaut heißt es „zumindest einen ersten Schubkopf“, wird mithin das Vorhandensein nur eines Schubkopfes als ausreichend erachtet. Dieser muss auch nicht als „Doppel-Schubkopf“ ausgestaltet sein, womit die Beklagte zu verbinden scheint, dass – in Anlehnung an Figur 2 der EP‘XXX – zwei plattenförmige Vorsprünge vorgesehen sind. Diese aber erachtet das Patent – wie im Zusammenhang mit der Beschreibung der Figur 2 deutlich wird – bereits als zwei („Paar“) Schubköpfe (Abs. [0077] der EP‘XXX).
  147. (iv)
    Auch sind der erste und zweite Schubkopf plattenartig im Sinne des Merkmals 1.13 ausgeführt.
  148. Durch diese Form kann nach der Lehre des Patents die vertikale Sperrigkeit des Türschließdrehgelenks vermieden werden, indem der Schubkopf in den entsprechend geformten Sitz eingreifen und daher mit diesem in Wechselwirkung stehen kann (Abs. [0077]). Durch die plattenartige Form definieren diese Schubköpfe längsseitig erste und zweite Ebenen ‘, ‘‘ und ‘‘‘ (Merkmal 1.13.1). Bei der Darstellung von bevorzugten Ausführungsformen in den Figuren 4a, 4b und 5a sind die Ebenen ‘, ‘‘ und ‘‘‘ jeweils über den längsseitigen Verlauf des patentgemäßen Türschließdrehgelenks eingezeichnet. Darüber hinaus lässt das Patent Abweichungen zu einer streng plattenförmigen Ausgestaltung ausdrücklich zu, etwa solche, die im Wesentlichen keilförmig mit konvergierenden oberen und unteren Wänden versehen sind (Abs. [0086] der EP‘XXX). Daraus wird deutlich, dass jedenfalls die Stirnwand eine abweichende Ausgestaltung aufweisen kann.
  149. Ausreichend ist danach, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Ober- und Unterseite des jeweiligen Schubkopfes plattenartig ausgestaltet sind. Die hier maßgebliche Achse im Sinne von Merkmal 13.1 stellt sich von nachfolgender Abbildung (entnommen Bl. 60 der Verfahrensakte 4b O 80/18, Achse dort bezeichnet mit „Erste Achse“) ausgehend wie folgt dar:
  150. .
  151. Die durch den Stift gebildete Achse hat die Klägerin in der in Bezug genommenen Abbildung mit einem nach unten gerichteten orangefarbenen Pfeil und der Bezeichnung „Erste Achse“ versehen. Maßgeblich ist mithin, wie die Ober- und Unterseite des jeweiligen Schubkopfes ausgestaltet sind. Denn diese bilden die Ebene aus, die senkrecht zu der ersten Achse verläuft. Diese Teile der Schubköpfe sind aber als eine ebene Fläche ausgestaltet. Selbst wenn man in die Betrachtung die Stirnseite der jeweiligen Schubköpfe der angegriffenen Ausführungsform einbeziehen würde, wäre deren verdickte Ausgestaltung vor dem Hintergrund, dass das Patent Abweichungen von der plattenförmigen Ausgestaltung in einigem Umfang zulässt, unerheblich.
  152. (2)
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des EP‘XXX (Ziff. 1b) des Unterlassungsvertrags) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
  153. (aaa)
    Das EP‘XXX betrifft ein „Scharnier für Kälteräume, Schwingtüren oder ähnliches“. Vorbekannte Schließscharniere, so heißt es im einleitendenden Teil des EP‘XXX, umfassen im Allgemeinen ein bewegbares Element, das an einer Tür oder dergleichen befestigt und an einem feststehenden Element drehbar gelagert ist, das gewöhnlich an deren Stützrahmen befestigt ist (Abs. [0002] der EP‘XXX). Des Weiteren seien Schließmittel vorbekannt, um die Tür oder dergleichen automatisch in die geschlossene Position zurückzuführen (Abs. [0003] der EP‘XXX).
  154. Im Hinblick auf vorbekannte Kühlräume, Drehtore oder dergleichen, die eine stationäre Stützkonstruktion und mindestens eine Tür umfassen würden, welche einen im Wesentlichen rohrförmigen Rahmen umfasst, an welchem eine Doppelglasscheibe befestigt werde, sei nachteilig, dass sowohl das bewegbare als auch das feststehende Element der Scharniere außerhalb der Tür und außerhalb der Stützkonstruktion von außen sichtbar sei (Abs. [0004] des EP‘XXX). Diese Lösung sei umständlich, sperrig, unästhetisch und nicht sehr wirkungsvoll (Abs. [0004] der EP‘XXX). Auch setze die exponierte Position der vorbekannten Scharniere diese in einem hohen Maße Beschädigungs- und Verschleißrisiken aus (Abs. [0005] der EP‘XXX).
  155. Aus den Dokumenten USXXX, US2004/XXX und EPXXX seien Scharniere bekannt, bei denen es aber an Mitteln fehle, um den Schließmitteln, die die Rückführung der Tür in die geschlossene Position sicherstellen, entgegenzuwirken (Abs. [0006]). Die Tür könne dort deshalb gegen die Stützrahmen prallen, was zu einer Beschädigung der Tür führe (Abs. [0006] der EP‘XXX). Die EPXXX kenne hydraulische Dämpfungsmittel, die der Wirkung der Schließmittel entgegenwirken würden (Abs. [0007]). Die Vorrichtung sei aber äußerst voluminös, weshalb sie am Fußboden montiert werden müsse (Abs. [0007] der EP‘XXX). Die Installation erfordere folglich teure und schwierige Aufbrecharbeiten am Fußboden, welche durch qualifizierte Monteure ausgeführt werden müssten (Abs. [0007] der EP‘XXX).
  156. Die WO2007/XXX offenbare ein Scharnier mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 (Abs. [0009] der EP‘XXX).
  157. Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik stellt sich das EP‘XXX die Aufgabe (technisches Problem), ein Scharnier bereitzustellen, die die in Bezug genommenen Nachteile mindestens zum Teil überwindet (Abs. [0010] des EP‘XXX).
  158. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß mit einer Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gelöst werden, dessen Merkmale in gegliederter Form wie folgt dargestellt werden können (die Wiedergabe des Wortlauts orientiert sich an der deutschen Übersetzung des Anspruchs in der Patentschrift):
  159. 1 Scharnier für Kühlräume, Drehtore oder dergleichen, welches eine stationäre Stützkonstruktion (S) und mindestens eine Tür (A), zwischen einer offenen Position und einer geschlossenen Position bewegbar ist, umfasst, wobei das Scharnier umfasst:
  160. 1.1 einen kastenartigen Scharnierkörper (3), der an einer aus der Gruppe umfassend die stationäre Stützkonstruktion (S) und die Tür (A) verankerbar ist,
  161. 1.2 und einen Stift (5), der eine erste Längsachse (X) definiert und an der anderen aus der Gruppe umfassend die stationäre Stützkonstruktion (S) und die Tür (A) verankerbar ist,
  162. 1.2.1 wobei der Stift (5) und der kastenartige Scharnierkörper (3) miteinander drehbar gekoppelt sind, derart, dass sie sich um die erste Achse (X) zwischen der offenen Türposition und der geschlossenen Türposition drehen zu lassen;
  163. 1.3 Schließmittel (10) für die automatische Rückführung der Tür (a) aus der offenen in die geschlossene Position;
  164. 1.4 ein Arbeitsfluid, das auf die Schließmittel (10) einwirkt, um der Wirkung derselben hydraulisch entgegenzuwirken und dadurch die Türrotation (A) aus der offenen Position in die geschlossene Position zu regulieren;
  165. 1.5 wobei die Schließmittel (10) ein Nockenelement (11) umfassen,
  166. 1.5.1 das mit dem Stift (5) einstückig ausgebildet ist,
  167. 1.5.2 und mit einem Kolbenelement (12) zusammenwirkt.
  168. 1.6 wobei das Kolbenelement in einer Arbeitskammer (25) innerhalb des kastenartigen Scharnierkörpers (3) verschiebbar beweglich,
  169. 1.6.1 entlang einer zweiten Achse (Y), die im Wesentlichen orthogonal zu der ersten Achse (X) verläuft, zwischen einer eingeschobenen Endposition, die der offenen Türposition entspricht, und einer ausgefahrenen Endposition, die der geschlossenen Türposition entspricht,
  170. 1.7 wobei das Kolbenelement (12) einen Schiebekopf (13) aufweist, der mit einem im Wesentlichen gegengeformten Sitz (14) des Nockenelements (11) zusammenwirkt;
  171. 1.8 wobei die Schließmittel (10) und das Arbeitsfluid beide zur Gänze in der Arbeitskammer (25) untergebracht sind,
  172. dadurch gekennzeichnet, dass
  173. 1.9 der kastenartige Scharnierköprer (3) eine längliche Gestalt aufweist, um die zweite Achse (Y) zu definieren,
  174. 1.10 wobei der Schiebekopf (13) eine im allgemeinen plattenartige Gestalt aufweist,
  175. 1.11 um eine Ebene π zu definieren, die im Allgemeinen in einem rechten Winkel zu der ersten Achse (X) verläuft.
  176. (bbb)
    Vor dem Hintergrund des Streites der Parteien, der allein die konkrete Befestigung der angegriffenen Vorrichtung zum Gegenstand hat, bedarf das Merkmal der „stationären Stützkonstruktion (S)“ näherer Erörterung. Ausgehend von dem hiesigen Auslegungsergebnis macht die angegriffene Ausführungsform auch von dem Teilmerkmal (vgl. Merkmale 1/1.1), indem der Stift der angegriffenen Ausführungsform über die „base“ im Boden verankert und der kastenförmige Körper an der Tür befestigt wird.
  177. Unter dem Begriff der „stationären Stützkonstruktion“ im Sinne des Patents ist ein Element zu verstehen, das die Türkonstruktion stützt, ihm mithin Halt gibt. Auch im Zusammenhang mit der Lehre des EP‘XXX versteht der Fachmann die Stützkonstruktion nicht als Teil der geschützten Vorrichtungen. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 muss mit einer solchen lediglich in erfindungsgemäßer Weise zusammenwirken können.
  178. Der Anspruchswortlaut ist insoweit zwar weniger eindeutig als derjenige des EP‘XXX, weil sich das Wort „which“ grammatikalisch sowohl auf das geschützte Scharnier als auch auf die Kühlräume beziehen kann. Der Fachmann entnimmt indes der Anspruchssystematik, dass die Bestandteile des Scharniers erst im Folgenden („the hing comprising“) weiter dargestellt werden.
  179. In den Abschnitten [0004] (Stand der Technik) und [0021], [0051] wird die Stützkonstruktion dann auch als Teil des Kühlraums bzw. Drehtors beschrieben. Als Bestandteile der geschützten Erfindung nennt Abschnitt [0021] demgegenüber lediglich das feststehende und das bewegbare Element.
  180. Technisch-funktional soll an dem stützenden Element ein Teil des Scharniers – nämlich das feststehende Element – verankert werden (Abs. [0021] der EP‘XXX).
  181. Weder nach dem Wortlaut des Patents noch nach dem angestrebten Zweck ist die Stützkonstruktion zur Befestigung des Scharniers nicht auf solche Elemente beschränkt, die vertikal angebracht sind – wie beispielsweise Türrahmen. Vielmehr kann die Fixierung des Scharniers auch an dem Boden herbeigeführt werden, der gleichermaßen zum Halten der Tür geeignet ist.
  182. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die die EP‘XXX bezugnehmend auf die vorbekannte Vorrichtung der EPXXX kritisiert, dass teure und schwierige Aufbrecharbeiten am Boden erforderlich seien. Dies gilt lediglich im Hinblick auf das vorbekannte Scharnier mit den genannten technischen Gestaltungsmerkmalen, ist aber nicht zwingend mit jeder Form von Befestigung am Boden verbunden.
  183. (ii)
    Die angegriffene Vorrichtung macht von den Merkmalen des Patentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Zwischen den Parteien ist lediglich streitig, ob die Befestigung der angegriffenen Vorrichtung an einem am Boden befestigten Element („base“) ebenfalls zu einer Verwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1 führt. Dies ist nach der obigen Auslegung des Patentanspruchs 1 der Fall. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur Verwirklichung des EP‘XXX (unter Ziff. (1), (bbb), (i)) Bezug genommen.
  184. cc)
    Die Beklagte handelte auch schuldhaft, als sie die angegriffene Ausführungsform auch nach Abschluss des Unterlassungsvertrags in dem Zeitraum vom 25. September 2017 bis zum 26. September 2019 vertrieb.
  185. Wenn – wie hier – eine Zuwiderhandlung vorliegt, wird das Verschulden des Schuldners vermutet (§ 339 BGB i. V. m. § 286 Abs. 4 BGB) (BGH, GRUR 2017, 823, Rn. 33) – Luftentfeuchter). Der Schuldner muss sich in einem solchen Fall entlasten (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2015, Az.: 15 U 129/14, Rn. 58, zitiert nach BeckRS 2015, 121323).
  186. Dies hat die Beklagte vorliegend nicht in prozessual erheblicher Weise getan.
  187. (1)
    Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe sich vor dem im Jahre 2017 geplanten Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform an den chinesischen Hersteller gewandt, der Rechtsgutachten vorgelegt habe, die zu dem Ergebnis gekommen seien, dass eine Patentverletzung nicht vorliege. Unbeschadet dessen, dass der Vortrag bereits offenlässt, in welcher Weise und Detailtiefe hier eine Verletzungsprüfung im Hinblick auf die Patentrechte, die Gegenstand des hiesigen Unterlassungsvertrags sind, erfolgte, entlastet es auch die Beklagte nicht, dass sie sich im Hinblick auf den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf die Rechtsmeinung eines in China ansässigen Lieferanten verlässt. Selbst wenn, was die Kammer schon nicht erkennen kann, der Gutachtenersteller grundsätzlich mit Rechtskenntnissen ausgestattet gewesen ist, ist nicht dargetan, dass solche gerade im Hinblick auf das für den Vertrieb in Deutschland maßgebliche deutsche Sachrecht bestanden. Die Volksrepublik China gehört auch nicht zu den Staaten, für die das Europäische Patentübereinkommen zur Anwendung gelangt, was noch für ein gewisses übereinstimmendes patentrechtliches Verständnis sprechen könnte. Gegen eine hinreichende Rechtskenntnis spricht insoweit auch das Vorbringen der Beklagten, der chinesische Lieferant habe mitgeteilt, dass eigene Patentrechte bestünden. Das Bestehen eigener Schutzrechte schließt gerade nicht aus, dass gleichwohl Schutzrechte Dritter verletzt werden.
  188. (2)
    Auch der Umstand, dass die Klägerin gegen den chinesischen Hersteller nicht tätig wurde, stellt die Beklagte nicht schuldlos. Die Beklagte konnte daraus nicht ableiten, dass die Klägerin das angegriffene Produkt für nicht patentverletzend erachtete. Die Untätigkeit der Klägerin gegenüber dem chinesischen Hersteller kann aus der Sicht eines objektiven Dritten vielmehr auch auf rein wirtschaftlichen Erwägungen beruhen.
  189. (3)
    Schließlich entlastet die Beklagte auch der Umstand nicht, dass sich die Klägerin auf ihre, der Beklagten, Absichtsbekundung, mit der angegriffenen Ausführungsform auf den Markt zu gelangen, nicht bei dieser gemeldet hat. Eine solche Wertung liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass die Obliegenheit, vor dem Angebot und dem Vertrieb eines Produkts die technische Schutzrechtslage zu überprüfen, auf die jeweiligen Schutzrechtsinhaber ausgelagert wird. Weiter führt das Vorbringen der Beklagten jedenfalls auch für einen Zeitraum ab Ende Februar zu keiner Entlastung, weil die Beklagte seither aufgrund der zweiten Abmahnung vom 23. Februar 2018 die Ansicht der Klägerin kannte, dass Patentverletzungen vorliegen, was in der Einleitung des Vorprozesses durch Zustellung der Klageschrift am 19. September 2018 ein weiteres Mal und in besonderer Weise zum Ausdruck gelangte.
  190. 2.
    Der Klägerin steht eine Vertragsstrafeforderung in der geltend gemachten Höhe zu.
  191. a)
    Von den 258 Lieferungshandlungen (inklusive der Lieferungshandlung, die Gegenstand des Vorprozesses war) bildet jede für sich eine die Vertragsstrafe auslösende Zuwiderhandlung, was – unter Außerachtlassen des Grundsatzes von Treu und Glauben (dazu nachfolgend unter lit. b)) – zu einer Vertragsstrafeforderung in Höhe von EUR 2.580.000,00 führt.
  192. aa)
    Die Entscheidung, in welchem Umfang bei mehrfachen Verstößen gegen die Unterlassungsverpflichtung Vertragsstrafen verwirkt sind, hat sich an einer Vertragsauslegung im Einzelfall zu vollziehen (BGH, GRUR 2001, 758 (759) – Trainingsvertrag), die sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung gültigen Regeln richtet (BGH, NJW 1993, 721 (722) – Fortsetzungszusammenhang). Maßgebend ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens und der Zweck der Vereinbarung sowie die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind (BGH, GRUR 2015, 258, Rn. 57 – CT-Paradies). Das Versprechen, eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden (BGH, GRUR 2015, 1021, Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung). Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist dabei zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen (BGH, GRUR 2001, 758 (760) – Trainingsvertrag). Wenn keine solche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind BGH, GRUR 2015, 1021, Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung).
  193. bb)
    Die hier in Rede stehende Vertragsstrafeabrede lässt es zu, mehrere Einzelakte unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzufassen (dazu unter Ziff. (1)). Nicht hingegen kann angenommen werden, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, zu einer rechtlichen Einheit verklammert werden sollen (dazu ebenfalls unter Ziff. (1)) oder gar der gesamte Vertrieb eines konkreten Produkts – hier der angegriffenen Ausführungsform – als nur „eine“ Zuwiderhandlung verstanden werden soll (dazu unter Ziff. (2)).
  194. (1)
    Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts lässt sich feststellen, dass die Parteien bei Vertragsschluss darüber einig waren, dass nicht jede natürliche Handlung eine Vertragsstrafe auslösen sollte, sondern Einzelakte – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – auch zu „einer“ Zuwiderhandlung zusammengefasst werden können sollen (dazu unter Ziff. (aaa)), wobei bei der Frage, unter welchen Bedingungen eine Zusammenfassung möglich sein soll, zu beachten ist, dass die Parteien die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ausgeschlossen haben (dazu unter Ziff. (bbb)).
  195. (aaa)
    Dass nicht jede Handlung im natürlichen Sinne die vereinbarte Vertragsstrafe auslösen soll, folgt bereits daraus, dass eine Vertragsstrafe in einer nicht unerheblichen Höhe (EUR 10.000,00) vereinbart worden ist, ohne dass dem eine Differenzierung nach unterschiedlichen Benutzungshandlungen zugrunde liegt. Ein patentverletzendes Angebot beispielsweise erhält, trotz seiner grundsätzlichen Eigenständigkeit gegenüber der Benutzungshandlung des Inverkehrbringens, ein großes wirtschaftliches Gewicht regelmäßig erst durch die sich an das Angebot anschließende Lieferung. Hiervon ausgehend kann nicht angenommen werden, dass die Parteien jegliche Zusammenfassung von Einzelakten ausschließen wollten.
  196. Ein weiteres Indiz für ein solches Verständnis liegt in dem nachvertraglichen Verhalten der Klägerin, namentlich darin, dass sie selbst im Rahmen des Vorprozesses keine Vertragsstrafe für das Angebot aus Januar 2018 und daneben für die darauf zurückführbare Lieferungshandlung in Form des Testkaufs in Ansatz gebracht hat. Sie hat insoweit vielmehr die Zahlung einer Vertragsstrafe von insgesamt EUR 10.000,00 begehrt. Auch fasst die Klägerin im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits jedenfalls eine solche Lieferung als eine Zuwiderhandlung auf, bei der an einem Tag, an einen bestimmten Kunden eine Mehrzahl von angegriffenen Ausführungsformen geliefert worden ist.
  197. Eine Zusammenfassung mehrere Einzelakte unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit lässt der hier vorliegende Unterlassungsvertrag nach alledem zu.
  198. (bbb)
    Gegen dieses Verständnis steht auch nicht, dass die Parteien vereinbart haben, dass bei der Bemessung der Vertragsstrafe die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ausgeschlossen sein soll.
  199. (i)
    Dem Begriff des Fortsetzungszusammenhangs kommt im zivilrechtlichen Kontext ein eindeutiger Sinngehalt zu, der die Zusammenfassung hierfür geeigneter Einzelhandlungen ohne Rücksicht auf einen verbindenden Gesamtvorsatz auch bei nur fährlässiger Begehung beschreibt (BGH, NJW 1993, 721 (722) – Fortsetzungszusammenhang). Mit der Verwendung dieses Begriffs haben die jeweils anwaltlich vertretenen Parteien sich auf eben diesen Bedeutungsgehalt bezogen und zum Ausdruck gebracht, dass eine Zusammenfassung mehrerer Einzelakte unter eben den von dem Fortsetzungszusammenhang umschriebenen Gesichtspunkten nicht erfolgen soll.

    Eine solche Vereinbarung ist auch nicht deshalb inhaltsleer geworden, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung den Begriff des Fortsetzungszusammenhangs im zivilrechtlichen Kontext relativiert hat, indem angenommen wird, dass ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat im Recht der Vertragsstrafe nicht anerkannt werden könne (BGH, GRUR 2001, 758 (759) – Trainingsvertrag). Die in Bezug genommene Rechtsprechung betont in erster Linie, dass Ausgangspunkt für die Würdigung, in welcher Höhe bei mehreren Handlungen eine Vertragsstrafeforderung entsteht, die Vertragsauslegung im Einzelfall sein müsse (a. a. O.). Gleichwohl könne aber eine solche – sogar regelmäßig – ergeben, dass nach Sinn und Zweck des Unterlassungsvertrags die Vertragsstrafe auch in Fällen, in denen nicht ohnehin von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen sei, nicht für jede Tat verwirkt sei (BGH, ebd., 758 (760)). Vielmehr seien einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsinhalt des konkreten Vertrages als rechtliche Einheit darstellen würden, jeweils als eine Zuwiderhandlung zu behandeln (a.a.O.).

  200. Aus der Sicht der vertragsschließenden Parteien macht mithin ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs auch nach der aktuellen Rechtsprechung noch Sinn, wenn sie nämlich gerade einem objektiven Erklärungseinhalt begegnen wollen, wonach mehrere Handlungen als rechtliche Einheit („Fortsetzungszusammenhang“) zusammengefasst werden sollen.
  201. (ii)
    Ein in dem dargelegten Sinne zu verstehender Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs schließt nicht aus, dass mehrere Handlungen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit nach dem Parteiwillen zusammengefasst werden sollen.
  202. Bereits vor der soeben angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwischen der Zusammenfassung mehrere Zuwiderhandlungen wegen eines Fortsetzungszusammenhangs einerseits und der Verklammerung mehrerer Handlungen zu einer natürlichen Handlungseinheit andererseits differenziert worden. Bei dem Begriff der natürlichen Handlungseinheit handelt es sich danach um einen allgemeinen Rechtsbegriff, der dem der fortgesetzten Handlung vorgeordnet und auf seine Anwendbarkeit im Einzelfall deshalb vorab zu prüfen ist; er unterscheidet sich von dem des Fortsetzungszusammenhangs durch den engeren Zusammenhang der Einzelakte und die auch Dritten äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit (BGH, NJW 1960, 2332 (2333) – Krankenwagen II). An dieser Differenzierung sowie dem Verhältnis der beiden Rechtsfiguren zu einander ist auch in aktuellerer höchstrichterlicher und oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung festgehalten worden (BGH, GRUR 2017, 823, Rn. 36 – Luftentfeuchter; weiter auch: BGH, GRUR 2009, 181, Rn. 38 – Kinderwärmekissen; ders., GRUR 2015, 1021, Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2015, Az.: 15 U 129/14, Rn. 61, zitiert nach BeckRS 2015, 121323; dass., MMR 2020, 486, Rn. 46).
  203. Ausgehend von diesem Verständnis haben die Parteien zwar ausgeschlossen mehrere Einzelakte unter dem Gesichtspunkt des Fortsetzungszusammenhangs zu verbinden, wohl aber entspricht es dem übereinstimmenden Willen, einzelne Akte zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzuführen.
  204. (2)
    Die Kammer nimmt demgegenüber nicht an, dass die vertragsschließenden Parteien mit dem Passus „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ ein Verständnis verbunden haben, wonach der gesamte Vertrieb einer konkreten Ausführungsform – hier der angegriffenen – nur eine Zuwiderhandlung darstellt, die die Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10.000,00 lediglich einmal auslöst.
  205. (aaa)
    Ein solches Verständnis läuft dem Ergebnis einer sich an Sinn und Zweck orientierenden Vertragsauslegung zuwider.
  206. Aus der Sicht des Schuldners, der eine Vertragsverpflichtung eingeht, hat diese vor allem den Zweck sicherzustellen, dass für Handlungen, die von der Unterlassungsverpflichtung erfasst werden, weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht (BGH, GRUR 2001, 758 (760) – Trainingsvertrag). Aus Sicht des Gläubigers geht es – wie für den Schuldner offensichtlich ist – um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Einzelinteresses gegen Zuwiderhandlungen (a.a.O.). Weiter kann ein Vertragsstrafeversprechen je nach den Verhältnissen des Falles auch den Zweck haben, dem Gläubiger im Verletzungsfall eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, Schadensersatz zu erhalten (a.a.O.). Hiervon ausgehend bilden etwa das wirtschaftliche Gewicht einer Einzeltat sowie die Höhe der vereinbarten einzelnen Vertragsstrafe zu berücksichtigende Gesichtspunkte (a.a.O.).
  207. Die nur einmalige Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10.000,00 für den gesamten Vertrieb einer konkreten Ausführungsform steht gegen den Sanktionscharakter des Vertragsstrafeversprechens. Denn nach der (einmaligen) Verwirkung der Vertragsstrafe steht dem Schuldner dann eine in räumlicher, zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht unbegrenzte Vertriebsmöglichkeit des patentverletzenden Produkts zu. Das Vertragsstrafeversprechen wirkt dann auf den Schuldner nicht mehr in Richtung eines Unterlassungsgebots ein.
  208. (bbb)
    Auch der Passus, wonach die Parteien die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ausgeschlossen haben, steht gegen die Annahme, der gesamte Vertrieb eines Produkts habe als eine Zuwiderhandlung betrachtet werden sollen. Denn wenn schon die Verklammerung mehrerer Einzelakte unter den Voraussetzungen des Fortsetzungszusammenhangs nicht möglich sein soll, so besteht erst Recht kein Willen dahingehend eine unüberschaubare Anzahl von einzelnen Handlungen ganz unabhängig davon, ob für sie die Kriterien des Fortsetzungszusammenhangs greifen, zu nur einer Zuwiderhandlung zu verbinden.
  209. (ccc)
    Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass ein etwaiger nach einer der drei Schadensberechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn, entgangener Gewinn) berechneter Schadensersatz nach dem Vortrag der Beklagten deutlich geringer – die Beklagte ermittelt etwa eine Lizenzanalogie von EUR 1.050,00 pro Jahr bzw. einen entgangenen Gewinn in Höhe von EUR 4.838,88 pro Jahr – als die mit EUR 10,000,00 versprochene Vertragsstrafe ausfallen würde. Eine allein an der Kompensation eines entstandenen Schadens ausgerichtete Betrachtung lässt den Sanktionscharakter des Vertragsstrafeversprechens außer Acht.
  210. (ddd)
    Soweit die Beklagte gleichwohl behauptet, ihr Interesse bei Vertragsschluss habe darin bestanden, eine Zuwiderhandlung auf den gesamten Vertrieb eines konkreten Produkts zu lesen, ergibt sich dies – entgegen des anderslautenden Auslegungsergebnisses nach Maßgabe der Ausführungen unter lit. (aaa) – (bbb)) – auch nicht daraus, dass die Vertragsparteien in dem Unterlassungsvertrag statt der konkreten Ausführungsform den abstrakten Wortlaut der Patentansprüche des EP‘XXX und des EP‘XXX in Bezug genommen haben. Dies ist vielmehr Ausdruck des Bedürfnisses des Schuldners durch Abgabe der Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr zu beseitigen und so vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme geschützt zu sein und befriedigt gleichzeitig das Sicherungsinteresse des Gläubigers.
  211. Um die Wiederholungsgefahr auszuräumen, muss die Unterwerfungserklärung nach Inhalt und Umfang dem Urteilstenor entsprechen, der in einem streitigen Gerichtsverfahren ergehen würde (BGH, GRUR 1996, 290 (291) – Wiederholungsgefahr I). Ein Unterlassungsanspruch ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur auf die konkret angegriffene Verletzungsform beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (a.a.O.).
  212. Dem dargelegten weiten Verständnis des Unterlassungsanspruchs wird im Falle einer Verurteilung (und auch bereits mit der Antragstellung von Seiten des Klägers) wegen einer wortsinngemäßen Verletzung dadurch Rechnung getragen, dass die Urteilsformel jedenfalls den Wortlaut des verletzten Patentanspruchs aufgreift (darauf, ob – wie nach Ansicht des BGH in der Entscheidung Blasfolienherstellung, GRUR 2005, 569 – über den Anspruchswortlaut hinaus auch die streitigen konstruktiven oder räumlich-körperlichen Mittel bezeichnet werden müssen, vgl. zum Streitstand: Kühnen, ebd., Kap. D., Rn. 535, kommt es hier nicht an), weshalb auch eine zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr abgegebene Unterlassungserklärung hieran anzuknüpfen hat.
  213. Dass dies auch vorliegend dem erkennbaren Willen der Parteien entspricht, ergibt auch das Vorbringen der Beklagten, wonach man mit der Unterlassungserklärung eine nach Auffassung der A ohnehin bestehende gesetzliche Pflicht habe wiederholen wollen.
  214. cc)
    Die 258 vorgetragenen Lieferungshandlungen lassen sich weder insgesamt noch teilweise unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit zu einer Zuwiderhandlung zusammenfassen.
  215. Eine natürliche Handlungseinheit liegt vor, wenn mehrere, im wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und die betroffenen Verhaltensweisen auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH, GRUR 2009, 427, Rn. 13 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel; LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2005, Az.: 4b O 269/02, Rn. 19, zitiert nach juris).
  216. (1)
    Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist jedenfalls insoweit ausgeschlossen, wie zwischen den Einzelakten eine Zäsur in Form der erneuten Abmahnung am 23. Februar 2018 oder in Form der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte in dem Verfahren 4b O 80/18 am 19. September 2018 liegt.
  217. (aaa)
    Kann bei natürlicher Betrachtungsweise angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen (BGH, GRUR 2021, 767, Rn. 21 – Vermittler von Studienplätzen).
  218. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die genannten Zeitpunkte als Zäsur. Die sich dort zugetragenen Ereignisse mussten der Beklagten Anlass geben, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform jeweils zu hinterfragen, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Fortsetzung des Vertriebs im Anschluss an diese Ereignisse auf einem neuen Willensentschluss beruhten.
  219. Die zweite Abmahnung vom Februar 2018 gab Anlass, die Vertriebsentscheidung zu überdenken, weil es sich dabei um die erste Äußerung der Klägerin dazu handelte, dass die angegriffene Ausführungsform ihre Patentrechte verletzt. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte sogar vorgebracht, das anfängliche Schweigen der Klägerin hierzu habe sie vor der Markteinführung in ihrer Auffassung gestärkt, dass die angegriffene Ausführungsform nicht patentverletzend sei. Dann aber musste eine anderslautende Rückmeldung der Klägerin die Beklagte auch zur Überprüfung ihrer Ansicht bewegen.
  220. Vergleichbares gilt im Zusammenhang mit der Zustellung der Klage im September 2018. Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens dokumentiert die Ernsthaftigkeit des Schutzrechtsinhabers gegen eine Schutzrechtsverletzung vorzugehen in stärkerem Umfang als ein vorgerichtliches Abmahnschreiben. Die Beklagte trägt ja in diesem Kontext auch vor, dass sie nach der Einleitung des Vorprozesses den chinesischen Lieferanten erneut um eine Stellungnahme zu einer etwaigen Patentverletzung gebeten habe. Dann aber ging damit auch ein erneuter Abwägungsprozess der Beklagten einher, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform fortzusetzen.
  221. (bbb)
    Die Beklagte erblickt in dieser Würdigung einen Widerspruch zu der Entscheidung der Kammer in dem Vorprozess. Hier hatte das Gericht in der Fortsetzung des Internetangebots nach Zugang der zweiten Abmahnung eine Zäsur gesehen, weshalb in der Fortsetzung des Internetangebots im Anschluss an diese Zäsur eine zweite Zuwiderhandlung (neben der Angebotshandlung vor der Abmahnung und der darauf folgenden Lieferung) erblickt wurde. Die Zustellung der Klage sei – so die Beklagte – hingegen nicht mehr als Zäsur gewertet worden.
  222. Insoweit ist jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass der von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidungsinhalt die hier erkennende Kammer nicht bindet. Gem. § 318 ZPO ist das Gericht an die Entscheidung, die in dem von ihm erlassenen Endurteil enthalten ist, gebunden. Das heißt, das Gericht hat auch in einem nachfolgenden Prozess den Inhalt der Entscheidung, soweit diese materiell rechtskräftig geworden ist, ohne Sachprüfung von Amts wegen zugrunde zu legen (BGH NJW 2008, 1227 (1228)). Die rechtliche Würdigung, inwiefern einzelne Handlungen zu einer Zuwiderhandlung verklammert werden können, nimmt an der materiellen Rechtskraft indes nicht teil (zur materiellen Rechtskraft vgl. bereits unter Pkt. A., Ziff. I.).
  223. Der von der Beklagten angenommene Widerspruch besteht aber auch im Übrigen nicht. Denn der Entscheidungsbegründung des Urteils aus dem Vorprozess ist schon nicht zu entnehmen, dass das Gericht die Zustellung der Klage als Zäsur verneinte. Die Entscheidungsbegründung verhält sich zu der Frage, ob mit der Zustellung der Klageschrift eine weitergehende Zäsur vorliegt, nämlich überhaupt nicht. Die Beklagte meint, wenn das Gericht damals eine Zäsur in der Zustellung der Klage erblickt hätte, hätte es eine weitergehende Zuwiderhandlung annehmen müssen. Das aber war dem Gericht bereits wegen § 308 ZPO verwehrt, weil lediglich eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 20.000,00 eingeklagt war. Eine Vertragsstrafe in dieser Höhe aber war bereits durch die Annahme einer Zuwiderhandlung im Januar 2018 sowie der Fortsetzung der Angebotshandlung nach der zweiten Abmahnung im Februar 2018 verwirkt.
  224. (2)
    Auch im Übrigen, das heißt im Hinblick auf solche Handlungen, die jeweils innerhalb eines Zeitraums liegen, der durch die hier angenommenen Zäsuren gebildet wird, vermag die Kammer eine natürliche Handlungseinheit nicht anzunehmen.
  225. (aaa)
    Die Lieferungshandlungen, wie sie aus den mit den Anlagen rop VS4a und rop VS4b vorgelegten Tabellen hervorgehen, lassen sich wie folgt beschreiben:
  226. Teilweise liegt zwischen einzelnen Lieferungshandlungen ein größerer Zeitraum von zehn Tagen oder mehr – in dem Zeitraum zwischen dem 12. Juli 2019 und dem 11. September 2019 (knapp 1 Monat) erfolgte etwa gar keine Lieferung.
  227. Eine Vielzahl von Lieferungshandlungen ist zwar durch eine engere zeitliche Abfolge gekennzeichnet, erfolgt aber weiterhin gegenüber unterschiedlichen Abnehmern. So erfolgen mehrere solcher Lieferungshandlungen an ein- und demselben Tag (beispielsweise am 18. November 2017, am 30. Juli 2018 und am 12. Juli 2019), auch lassen sich Lieferungshandlungen gegenüber unterschiedlichen Abnehmern an aufeinander folgenden Tagen feststellen (beispielsweise am 10. und 11. Oktober 2017, am 20. und 21. März 2018 und am 21. und 22. November 2018).
  228. Lediglich im Hinblick auf zwei Lieferungshandlungen, beide am 13. Juli 2018, kann festgestellt werden, dass diese an einem Tag gegenüber einem Kunden („D“) stattfanden.
  229. (bbb)
    Ausgehend von den so charakterisierten Handlungen vermag die Kammer eine natürliche Handlungseinheit nicht anzunehmen.
  230. (i)
    Im Hinblick auf diejenigen Handlungen, zwischen denen mehr als 10 Tage Abstand liegen und die gegenüber unterschiedlichen Kunden erfolgten, bestehen jedenfalls bereits Zweifel an einem hinreichenden räumlich-zeitlichen Zusammenhang. Selbst dann, wenn man für die dann verbleibenden Handlungen einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang annimmt, fehlt es gleichwohl noch an einem die einzelnen Handlungen darüberhinausgehend verbindenden Element, welches diese bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen lassen (dieses Merkmal hervorhebend auch: OLG Düsseldorf, MMR 2020, 486, Rn. 47). Die Beklagte nimmt insoweit auf ihren einmalig gefassten Beschluss, die angegriffene Ausführungsform grundsätzlich zu vertreiben, Bezug. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Beklagte vor jeder einzelnen Lieferung erneut entschied, gegen das Unterlassungsgebot zu verstoßen, auch wenn alledem insgesamt „eine einheitliche Willensbildung“ zugrunde gelegen haben mag (ähnlich auch im Rahmen von § 890 ZPO: Haft, in: Cepl/ Voß, Prozesskommentar, 2. Auflage, 2018, § 890, Rn. 28).
  231. Etwas anderes mag noch am ehesten für die beiden Lieferungshandlungen vom 13. Juli 2018 gegenüber ein- und demselben Kunden („D“) angenommen werden können, aber auch die Kundenidentität erachtet die Kammer hier nicht als ausreichend. Denn zu den näheren Umständen der zweifachen Lieferung an einem Tag ist im Übrigen nichts ersichtlich. Vielmehr fällt auf, dass die Beklagte diese beiden Lieferungshandlungen im Rahmen der Erfüllung ihres Auskunftsanspruchs jedenfalls getrennt beauskunftet hat (vgl. Tabelle nach Anlage rop VS4a, S.1, 3. und 4. Vorgang zur Kundennummer: 70-155156). Am Ende ist deshalb auch hier ein Element, welches die einzelnen Akte über ihre zeitliche Nähe und die Tatsache hinaus, dass die Lieferung gegenüber demselben Kunden erfolgte, verbindet, nicht feststellbar.
  232. (ii)
    Dies unterscheidet die hiesige Fallkonstellation von derjenigen des Vorprozesses, in der die Kammer – ohne Bindungswirkung im Sinne von § 318 ZPO für das hiesige Verfahren – eine natürliche Handlungseinheit zwischen Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform im Januar 2018 annahm. Die Lieferungshandlung war hier nämlich auf die Angebotshandlung zurückzuführen, weil gerade diese die Klägerin zu dem Testkauf veranlasste. Damit stellte sich das Angebot als Ursache für die Lieferungshandlung dar und realisierte sich in letzterer gerade das dem Angebot innewohnende Risiko, dass ein potenzieller Kunde der Klägerin auf das Konkurrenzprodukt eines Wettbewerbers aufmerksam und schließlich zum Kauf veranlasst wird.
  233. (iii)
    Schließlich ist bei der hier vorzunehmenden Würdigung auch zu berücksichtigen, dass sich – wie ausgeführt – die natürliche Handlungseinheit von dem Fortsetzungszusammenhang zuvorderst durch die hier fehlende objektive Erkennbarkeit eines zusammenhängenden Geschehens unterscheidet. Die Kammer sieht daher bei Annahme einer natürlichen Handlungseinheit allein aufgrund eines zeitlichen Zusammenhangs sowie eines einheitlichen Willensentschlusses in der hiesigen Konstellation die Gefahr, dass die Grenzen zwischen natürlicher Handlungseinheit und Fortsetzungszusammenhang nicht mehr trennscharf sind. Dies begegnet vorliegend insbesondere deshalb Bedenken, weil die Parteien die Verklammerung einzelner Handlungen nach den Grundsätzen des Fortsetzungszusammenhangs gerade ausgeschlossen haben.
  234. dd)
    Nach Maßgabe der vorherigen Ausführungen, wonach die Vertragsstrafe bei jeder der hier streitgegenständlichen Lieferungshandlungen (inklusive der Lieferungshandlung, die Gegenstand des Vorprozesses war) an?fällt, ist die Vertragsstrafe hier 258 Mal verwirkt, was zu einer Vertragsstrafeforderung in Höhe von EUR 2.580.000,00 (258 x EUR 10.000,00) führt.
  235. b)
    In der sich so ergebenden Vertragsstrafeforderung kommt jedoch ein gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßendes krasses Missverhältnis zum Ausdruck, weshalb sie gem. § 242 BGB herabzusetzen ist. Hierbei erweist sich jedenfalls der von der Klägerin angesetzte Betrag in Höhe von EUR 380.000,00 (EUR 400.000 abzüglich der bereits gezahlten EUR 20.000,00) als hinreichend reduziert.
  236. aa)
    Erweist sich das bei Zugrundelegung der vertraglichen Vereinbarung ergebende Ergebnis einer zu zahlenden Vertragsstrafe als außer Verhältnis stehend hoch, kann dies nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu korrigieren sein. Denn wie bei jeder Vertragsauslegung ist davon auszugehen, dass ein Ergebnis, das mit den Grundsätzen von Treu und Glauben in Widerspruch steht, nicht als von den Parteien gewollt anzusehen ist (BGH, NJW 1960, 2332 – Krankenwagen II). Damit wird letztlich dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass sich die Schwierigkeiten, die sich bei der Vertragsstrafebemessung ergeben, bei Vertragsschluss nicht vorhersagen lassen (Bornkamm/ Feddersen, in: .Köhler/ Bornkamm/ Feddersen, UWG, Kommentar, 40. Auflage, 2022, § 13a, Rn. 25).
  237. Dabei kommt es in Ansehung der Vorschrift des § 348 HGB nicht darauf an, die Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Grundsätzlich kann gem. § 343 BGB die Herabsetzung einer Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß angezeigt sein. § 348 HGB schließt dies jedoch aus, wenn ein Kaufmann – wie hier – diese im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen hat. Die bei Anwendung des § 242 BGB ergebende Herabsetzung ist deshalb lediglich auf ein solches Maß vorzunehmen, bei dem das Eingreifen des Gerichts noch nicht gerechtfertigt ist (BGH, GRUR 2009 – 181, Rn. 41 – Kinderwärmekissen). Anhaltspunkt für die Bestimmung des Betrags kann insoweit das Doppelte der nach § 343 BGB angemessenen Vertragsstrafe sein (BGH, ebd., Rn. 42).
  238. bb)
    Orientiert an dem dargestellten Maßstab erweist sich der von der Klägerin angesetzte Betrag als hinreichend herabgesetzt, so dass eine weitergehende Reduzierung durch gerichtliches Eingreifen nicht angezeigt ist.
  239. Bei der Bemessung der Vertragsstrafe kommt es in erster Linie auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion, weitere Zuwiderhandlungen zu verhüten, auf Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers und auf die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierten Schadensersatz an (BGH, GRUR 2009, 181, Rn. 42 – Kinderwärmekissen).
  240. Die Beklagte hat mit den streitgegenständlichen Lieferungshandlungen (unter Hinzunahme der Lieferungshandlung vom 25. Januar 2018, die Gegenstand des Vorprozesses war) einerseits „lediglich“ insgesamt einen Nettoumsatz von EUR 68.362,23 erzielt. Auch ergibt sich im Hinblick auf die Verstöße nach dem Beklagtenvorbringen ein deutlich geringerer Schadensersatz (dazu bereits zuvor unter lit. a), bb), (2), (ccc)). Andererseits ist das Verhalten der Beklagten, wonach sie sich bei Markteinführung der angegriffenen Ausführungsform trotz der von ihr zuvor abgegebenen Unterlassungserklärung auf die Meinung des chinesischen Herstellers verließ, jedenfalls in einem Bereich der mittleren Fahrlässigkeit einzuordnen. Spätestens nach der zweiten Abmahnung vom 23. Februar 2018 verkannte sie grob fahrlässig, dass sie der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung durch Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform zuwiderhandelte.
  241. In Anbetracht dieser Umstände begründet der von der Klägerin geforderte Betrag in Höhe von EUR 400.000,00 (abzüglich bereits gezahlter EUR 20.000,00) kein krasses Missverhältnis mehr, welches ein gerichtliches Eingreifen nach obiger Maßgabe erforderlich macht und Anlass zu einer Herabsetzung der Vertragsstrafeforderung gibt.
  242. Dass eine Vertragsstrafe in dieser Höhe für den Betrieb der Beklagten existenzgefährdend oder aufgrund etwaiger wirtschaftlicher Umstände nicht hinnehmbar ist, was weiter für eine Treuwidrigkeit sprechen könnte, ist weder aufgrund des reinen Zahlenwertes anzunehmen noch hat die Beklagte dies in ihrem schriftsätzlichen Vortrag oder im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen.
  243. 3.
    Die Klägerin hat auch auf die Geltendmachung einer weitergehenden Vertragsstrafe weder verzichtet noch ist ihr dies unter dem Aspekt der Rechtsmissbräuchlichkeit vorzuwerfen.
  244. Dagegen, dass die Klägerin im Rahmen des Vorprozesses den Eindruck erweckt hat, von der Geltendmachung weiterer Vertragsstrafen abzusehen, spricht bereits, dass sie sich dies in der Klageschrift vom 29. August 2018 vorbehalten hat (Klageschrift v. 29. August 2018, S. 61, Bl. 61 der Verfahrensakte 4b O 80/18). Dass sie von diesem Vorbehalt im weiteren Verlauf des Vorprozesses Abstand genommen hat, ist nicht erkennbar. Jedenfalls schrieb sie noch im Schriftsatz vom 19. Februar 2020: „Ob und ggf. in welchem Umfang Ansprüche auf die Zahlung weiterer Vertragsstrafen begründet sind, wird die Klägerin erst nach Erfüllung des mit dem Antrag I 2 geltend gemachten Anspruchs auf Rechnungslegung beurteilen können“ (S. 5 des Schriftsatzes, Bl. 120 der Verfahrensakte 4b O 80/18). Die Klägerin hat dann auch bis zuletzt an ihrem Begehren auf Auskunftserteilung festgehalten und damit zu erkennen gegeben, dass sie im Hinblick auf weitere als die im Vorprozess streitgegenständlichen Verletzungshandlungen im Unklaren war.
  245. Soweit die Beklagte vorträgt, die später, im Zuge der Verurteilung erteilte Auskunft und Rechnungslegung decke sich in zeitlicher, qualitativer und quantitativer Hinsicht mit ihren, der Beklagten, Sachverhaltsangaben in dem Vorprozess, lässt sich dies anhand des von ihr in Bezug genommenen Prozessvorbringens in dem Verfahren 4b O 80/18 nicht nachvollziehen.
  246. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Beklagte erst seit dem 12. Juli 2019 eine gegenüber der hier angegriffenen Ausführungsform abweichende Ausgestaltung des Türscharniers anbietet (Schriftsatz der Beklagten v. 13. Januar 2020, S. 2, 1. Abs., Bl. 100 der Verfahrensakte 4b O 80/18) und in dem Zuge 531 Stück der angegriffenen Ausführungsformen an den chinesischen Hersteller retourniert worden seien (Schriftsatz der Beklagten v. 13. Januar 2020, S. 11, letzter Abs., Bl. 109 der Verfahrensakte 4b O 80/18). Weiter brachte die Beklagte vor, dass sie im Jahre 2017 den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform aufgenommen habe, konkrete Benutzungshandlungen, geschweige denn diejenigen, die Gegenstand der Anlagen rop VS 4a und VS 4b sind, werden in dem Zusammenhang nicht genannt. Die Beklagte hat auch im Rahmen des hiesigen Verfahrens auf das Bestreiten der Klägerin nicht substantiiert, weshalb sie davon ausgeht, dass die Klägerin insbesondere von den hier streitgegenständlichen Benutzungshandlungen bereits bei Durchführung des Vorprozesses Kenntnis hatte. Eine bloße Kenntnis von dem Vertrieb als solchem ist hingegen nicht ausreichend.
  247. Die angeführten Gründe stehen zugleich dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
  248. II.
    Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
  249. Die Beklagte befindet sich mit der Zahlung der geltend gemachten Summe seit dem 17. Februar 2021 in Verzug, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
  250. Eine hinreichende Mahnung der Klägerin liegt vor.
  251. Mit Schreiben vom 22. Januar 2021 (Anlage rop VS 3a) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von EUR 400.000,00 bis zum 16. Februar 2021 auf. Andernfalls, so heißt es in dem Schreiben weiter, müsse die Beklagte mit der Einleitung gerichtlicher Schritte rechnen.
  252. Die Mahnung kann auch gleichzeitig mit der Handlung erfolgen, die die Fälligkeit begründet, wenn – wie hier – hinreichend deutlich wird, dass das Ausbleiben der Leistung Folgen haben wird (Grüneberg, in: ebd., BGB, Kommentar, 81. Auflage, 2022, § 286, Rn. 16).
  253. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
  254. C.
    Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BGB, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
  255. D.
    Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 380.000,00 festgesetzt.

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