4c O 25/21 – Faltbare Embolieschutz-Vorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3236

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. August 2022, Az. 4c O 25/21

  1. 1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
    3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
    4. Der Streitwert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin macht als ausschließliche Lizenznehmerin Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 XXX XXX B1 (Anlage PM 1, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage PM 2; im Folgenden: Klagepatent) geltend, das unter Inanspruchnahme einer schwedischen Priorität vom 4. September 2008 (SE XXX) und einer US-amerikanischen Priorität vom gleichen Tage (US XXX P) am 4. September 2009 angemeldet und als Anmeldung am 26. Dezember 2012 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 6. April 2016 bekanntgemacht. Als Inhaberin des Klagepatents ist (Anlage PM 3) die in Schweden ansässige A AB im Register eingetragen.
  4. Das Klagepatent steht in Kraft, wurde von der Beklagten indes mit zum Bundespatentgericht unter dem 20. Oktober 2021 eingereichten Nichtigkeitsklage (Az. 6 Ni 36/21 (EP)) angegriffen, über die noch nicht entschieden ist.
  5. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung für den temporären Embolieschutz. Der Anspruch 1 des – in englischer Sprache angemeldeten und erteilten – Klagepatents lautet:
  6. „1. A collapsible embolic protection device (200) for transvascular delivery to an aortic arch (100) of a patient, and for temporary protection of at least one side branch vessel of said aortic arch from embolic material (150), said device having a protection unit (140) comprising
    a blood permeable unit (132) adapted to prevent said embolic material (150) from passage with a blood flow, wherein said protection unit (140) is connectable to a transvascular delivery unit (130) at a connection point (131), and
    a first support member (133, 210) comprising a wire for supporting said protection unit (140) that is at least partly arranged at a periphery (180) of said selectively permeable unit (132), said first support member having a generally oval configuration,
    wherein said selectively permeable unit (132) is non-tubular, extending substantially planar in said expanded state in a longitudinal direction of said device, wherein a distal portion of the blood permeable unit is provided in the form of an angled extension (199) deviating longitudinally from the protection plane of said blood permeable unit and being introducible in a delivery catheter.“
  7. Übersetzt lautet der Anspruch 1:
  8. „1. Faltbare Embolieschutz-Vorrichtung (200) für die transvaskuläre Zufuhr zu einem Aortenbogen (100) eines Patienten, und für den temporären Schutz mindestens eines Seitenzweiggefäßes des Aortenbogens vor embolischem Material (150), wobei die Vorrichtung eine Schutzeinheit (140) aufweist, welche umfasst:
    blutdurchlässige Einheit (132), die so angepasst ist, dass sie verhindert, dass das embolische Material (150) im Blutfluss transportiert wird, wobei sich die Schutzeinheit (140) an einem Verbindungspunkt (131) mit einer transvaskulären Zufuhreinheit (130) verbinden lässt, und
    erstes Stützbauteil (133, 210), welches einen Draht zur Stützung der Schutzeinheit (140) umfasst, welcher mindestens teilweise an einer Peripherie (180) der selektiv permeablen Einheit (132) angeordnet ist, wobei das erste Stützbauteil eine im allgemeinen ovale Konfiguration aufweist,
    wobei die selektiv permeable Einheit (132) nichtröhrenförmig ist und sich im expandierten Zustand im Wesentlichen planar in eine Längsrichtung der Vorrichtung erstreckt, wobei ein distaler Abschnitt der blutdurchlässigen Einheit in der Form einer abgewinkelten Erweiterung (199) vorgesehen ist, welche in Längsrichtung von der Schutzebene der blutdurchlässigen Einheit abweicht und sich in einen Einführkatheter einführen lässt.“
  9. Wegen des Wortlauts des lediglich insbesondere geltend gemachten Patentanspruchs 3 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  10. Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
  11. Figur 1 zeigt die schematische Darstellung eines Aortenbogens mit seitlichen Gefäßabzweigungen. Die Figuren 2 und 3 zeigen schematische Darstellungen einer Schutzvorrichtung, die an einer transvaskulären Abgabeeinheit in ihrer erweiterten Ausgestaltung befestigt ist bzw. die an einer transvaskulären Abgabeeinheit in ihrer erweiterten Ausgestaltung befestigt ist, die in einen Aortenbogen eingesetzt ist. In den Figuren 5a bis 5c sind die verschiedener Stufen während der transvaskulären Abgabe einer Schutzvorrichtung durch eine seitliche Gefäßabzweigung in den Aortenbogen eines Patienten gezeigt. Die Figuren 10a und 11 zeigen schließlich perspektivische Ansichten verschiedener erfindungsgemäßer Ausführungsformen.
  12. Bei der Klägerin handelt es sich um eine israelische Gesellschaft mit Zweigniederlassung in den USA. Sie ist seit 2018 Teil von B (China) und entwickelt als Medizintechnikunternehmen Komplettlösungen für strukturelle Herzoperationen. Hierzu zählt unter anderem die Embolieschutzvorrichtung „XXX“. Inwieweit die Klägerin seit 2016 exklusive Lizenznehmerin der Patentinhaberin A AB ist, steht zwischen den Parteien in Streit.
  13. Die Beklagte ist ein Aachener Medizintechnikunternehmen, welches XXX gegründet wurde und seither an der Entwicklung eines katheterbasierten Filtersystems für die Interventionskardiologie, mithin an einer Embolieschutzvorrichtung, arbeitet. Auf der englisch-sprachigen Internetpräsenz der Beklagten www.C.com wird eine entsprechende, dem nachfolgend wiedergegebenen Screenshot zu entnehmende Vorrichtung unter der markenrechtlich geschützten Bezeichnung „XXX“ gezeigt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), wobei dort auch folgender, ebenfalls der Anlage PM 6 entnommener Hinweis zu finden ist:
  14. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien befindet sich diese Vorrichtung derzeit in einer laufenden europäischen CE-Zulassungsstudie.
  15. Die Klägerin ist der Auffassung, die Klage sei zulässig. § 25 PatG komme hier nicht zur Anwendung, da die Vorschrift nur den Patentinhaber und nicht auch den ausschließlichen Lizenznehmer betreffe.
  16. Ferner behauptet sie, auf Grundlage des in teilgeschwärzter Fassung als Anlage PM 4 / PM 4a vorgelegten Lizenzvertrages als ausschließliche Lizenznehmerin zur Geltendmachung des Klagepatents aktivlegitimiert zu sein. Das umfangreiche Bestreiten der Beklagten erfolge „ins Blaue hinein“. So seien die vorgenommenen Schwärzungen von Vertraulichkeitserwägungen getragen und die Beklagte habe nichts vorgetragen, wieso die Lizenz beschränkt sein sollte. Soweit die Beklagte auch den formalen Abschluss des Lizenzvertrages rüge, käme es darauf bereits deswegen nicht an, weil ein Lizenzvertrag nach deutschem Recht keine formalen Erfordernisse erfüllen müsse. Gleichwohl würden sich die Zeichnungsbefugnis der Vertreter der Lizenzgeberin aus ihrer Zugehörigkeit zum Vorstand der Patentinhaberin und die Zeichnungsbefugnis des Vertreters der Lizenznehmerin aus seiner Stellung als President und CEO ergeben. Der Lizenzvertrag sei auch gelebt worden.
  17. Sie meint, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
  18. Nach der Lehre des Klagepatents sei es nicht erforderlich, dass der distale Abschnitt bzw. dessen Erweiterung selbst blutdurchlässig sein müsse. Auch mache das Klagepatent keine Vorgabe dahingehend, dass eine Abwinkelung in einem stumpfen Winkel nach unten zu erfolgen habe. Stattdessen ginge es dem Klagepatent darum, wegen der ovalen Form der Schutzvorrichtung, mit einer zunehmenden Breite zum distalen Ende, diese überhaupt so zusammenpressbar zu machen, damit diese in einen Katheter geschoben oder gezogen werden könne.
  19. Soweit das Klagepatent eine im Allgemeinen ovale Konfiguration fordere, sei es ausreichend, wenn das Stützbauteil eine Form aufweisen würde, die eben und länglich sei, beispielsweise mit einer zunehmenden Breite zum distalen Ende der Vorrichtung. Einschnitte oder Einkerbungen seien dabei nicht von Relevanz.
  20. Schließlich würde der Fachmann erkennen, dass es dem Klagepatent nicht auf einen singulären Verbindungspunkt ankäme, vielmehr sei – nicht zuletzt von den Ausführungsbeispielen – ein Bereich offenbart, an dem bzw. über den die Verbindung mit dem Zuführkatheter bestehen könne.
  21. Sie meint ferner, es bestehe Erstbegehungsgefahr, da allein der Umstand, dass die Beklagte ein zeit- und kostenintensives CE-Zulassungsverfahren betreiben würde, welches sich zudem nicht ohne weiteres auf ein etwaiges Nachfolgeprodukt übertragen ließe, schon dafür spreche, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform mit der Zulassung auf den Markt bringen werde. Da es insoweit auch nur noch vom Verhalten der Beklagten abhinge, ob es zu einer Verletzung kommt, wäre es unbillig, die Klägerin bis zu einem Markteintritt der Beklagten abwarten zu lassen.
  22. Ferner ist die Klägerin der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten als rechtsbeständig erweisen.
  23. Nachdem die Klägerin ursprünglich Ansprüche ab dem 6. Mai 2006 geltend gemacht hatte, beantragt sie nunmehr noch,
  24. I. die Beklagte zu verurteilen,
  25. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  26. faltbare Embolieschutz-Vorrichtungen für die transvaskuläre Zufuhr zu einem Aortenbogen eines Patienten, und für den temporären Schutz mindestens eines Seitenzweiggefäßes des Aortenbogens vor embolischem Material wobei die Vorrichtung eine Schutzeinheit aufweist
  27. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
  28. umfassend eine blutdurchlässige Einheit, die so angepasst ist, dass sie verhindert, dass das embolische Material im Blutfluss transportiert wird, wobei sich die Schutzeinheit an einem Verbindungspunkt mit einer transvaskulären Zufuhreinheit verbinden lässt, und erstes Stützbauteil, welches einen Draht zur Stützung der Schutzeinheit umfasst, welcher mindestens teilweise an einer Peripherie der selektiv permeablen Einheit angeordnet ist, wobei das erste Stützbauteil eine im allgemeinen ovale Konfiguration aufweist, wobei die selektiv permeable Einheit nichtröhrenförmig ist und sich im expandierten Zustand im Wesentlichen planar in eine Längsrichtung der Vorrichtung erstreckt, wobei ein distaler Abschnitt der blutdurchlässigen Einheit in der Form einer abgewinkelten Erweiterung vorgesehen ist, welche in Längsrichtung von der Schutzebene der blutdurchlässigen Einheit abweicht und sich in einen Einführkatheter einführen lässt;
    (EP 2 XXX 488 B1 – Anspruch 1, unmittelbare Verletzung)
  29. insbesondere wenn
  30. das erste Stützbauteil zu dem Verbindungspunkt und/oder der transvaskulären Zuführeinheit hin zwei Zweige aus Draht umfasst, und wobei die abgewinkelte Erweiterung so angeordnet ist, dass sie die zwei Zweige beim Drücken des distalen Abschnitts in ein proximales Katheterlumen hinein zueinander hinbiegt.
    (EP 2 XXX 488 B1 – Anspruch 3, unmittelbare Verletzung)
  31. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Dezember 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  32. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  33. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  34. 3. der Klägerin in einem geordneten und nach Kalenderjahren sortierten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Dezember 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  35. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung des Schaltungszeitraums, der Internetadressen sowie der Suchmaschinen, bei denen die jeweiligen Seiten direkt oder über ein Gesamtangebot angemeldet waren,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  36. wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Empfänger eines Angebotes in der Auskunft enthalten ist;
  37. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzten, der dieser durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 8. Dezember 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und der Klägerin noch entstehen wird.
  38. Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen;hilfsweise

    den Rechtsstreit bis zu einer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den das Klagepatent bildenden deutschen Teil des EP 2 XXX 488 B1 erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

  39. Die Beklagte meint, die Klage sei bereits mangels Bestellung eines Inlandsvertreters nach § 25 PatG wegen fehlender Zulässigkeit abweisungsreif.
  40. Die Beklagte rügt die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin. Insoweit meint sie, auch mit der seitens der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung weitestgehend ungeschwärzt vorgelegten Fassung des Lizenzvertrages seien nicht sämtliche Zweifel an dem Bestehen einer ausschließlichen Lizenz und der Berechtigung der Klägerin ausgeräumt. Insbesondere bestreitet sie mit Nichtwissen, dass der Vertrag formal ordnungsgemäß abgeschlossen wurde. So fehle auf den Seiten mit den Unterschriften bereits die Seitennummerierung und mit Blick auf die Unterschrift des Herrn B gäbe es zudem Hinweise, dass es sich um eine computergenerierte Unterschrift handele. Auch sei der Zusammenhang mit der Anlage A („XXX“) unklar, zumal dort das Klagepatent mehrfach genannt sei. Schließlich bestreitet sie die Zeichnungsbefugnis der jeweiligen Unterzeichner mit Nichtwissen. Die Klägerin könne Ansprüche jedenfalls erst ab Geltung des vermeintlichen Lizenzvertrages geltend machen.
  41. Die Beklagte meint, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatents nicht.
  42. So würde die angegriffene Ausführungsform schon nicht über eine nach unten abgewinkelte Verlängerung bzw. Erweiterung im Sinne von Anspruch 1 verfügen, so dass auch nicht der vom Klagepatent verfolgte Zweck, nämlich das verletzungsfreie und gleichmäßige Anliegen am Aortenbogen, um die Schutzvorrichtung hierdurch abzustützen, erreicht werde. Unabhängig davon würde die Erweiterung auch nicht der leichteren Einführung der Vorrichtung in den Katheter dienen, da die angegriffene Ausführungsform rückwärts in den Katheter eingezogen werde. Das von der Klägerin als vermeintliche Erweiterung identifizierte Bauteil sei auch nicht – wie vom Klagepatent vorausgesetzt – blutdurchlässig. Unabhängig davon würde die angegriffene Vorrichtung auch keine im Wesentlichen ebene rundliche konvexe Form aufweisen, mithin nicht im Wesentlichen oval sein. Schließlich würde die angegriffene Ausführungsform über einen großflächigen Verbindungsabschnitt verfügen und damit nicht an einem Verbindungspunkt mit dem Zuführkatheter verbunden sein.
  43. Ferner meint sie, es fehle bereits an der von der Klägerin angenommenen Erstbegehungsgefahr, da sie die angegriffene Ausführungsform weder kommerziell anbiete noch vertreiben wolle. Vielmehr werde auf ihrer Internetseite nur allgemein über die angegriffene Ausführungsform informiert und es befinde sich dort zudem ein Disclaimer mit Verweis auf die fehlende CE-Zulassung. Sie behauptet, die Resultate der CE-Zulassung nur in die Weiterentwicklungen einfließen lassen zu wollen und daher die angegriffene Ausführungsform auch nicht auf den Markt bringen zu wollen. Insoweit sei die Durchführung des CE-Zulassungsverfahrens auch nicht wirtschaftlich sinnlos, da die sich die Kosten für einer Erstzulassung – nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung – zwar auf 1 bis 2 Millionen Euro beliefen, jede darauf aufbauende Neuzulassung wegen Änderungen an der Vorrichtung indes nur Kosten in Höhe von EUR 30.000,00 bis EUR 40.000,00 verursachen würden.
  44. Die Beklagte ist der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über die beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen. Insbesondere sei die von ihm beanspruchte technische Lehre nicht neu und habe jedenfalls durch den Stand der Technik nahegelegen.
  45. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
  46. Entscheidungsgründe
  47. Die Klage ist unzulässig.
  48. A.
    Die Klage ist mangels Bestellung eines Inlandsvertreters gemäß § 25 PatG bereits unzulässig.
  49. 1.
    Gemäß § 25 Abs. 1 PatG kann derjenige, der im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, an einem in dem PatG geregelten Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent nur geltend machen, wenn er einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, sowie zur Stellung von Strafanträgen befugt und bevollmächtigt ist.
  50. Die – von Amts wegen zu beachtende – Vorschrift des § 25 PatG statuiert eine Obliegenheit des Adressaten der Vorschrift zur Bestellung eines geeignete Inlandsvertreters, die insbesondere der Erleichterung des Rechtsverkehrs der Gerichte und Behörden sowie der Vermeidung von aufwändigen und fruchtlosen Zustellungen im Ausland dienen soll (vgl. Rudloff-Schäfer in Schulte, Kommentar zum PatG, 11. Auflage 2022, § 25, Rz 3 m.w.N.). Die Regelung des § 25 Abs. 1 PatG umreißt auch den erforderlichen (Mindest-)Umfang, den die Vollmacht des Inlandsvertreters aufweisen muss, weswegen auch eine allgemeine Prozessvollmacht, die lediglich die Vertretung vor dem Verletzungsgericht ermöglicht, nicht ausreichend ist (vgl. Kühnen in Hdb. d. Patentverletzung, 14. Auflage 2022, Kapitel D., Rz. 61 m.w.N.).
  51. 2.
    Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist vorliegend sowohl in persönlicher wie auch in sachlicher Hinsicht eröffnet.
  52. 2.1.
    § 25 PatG kommt nicht nur für den jeweiligen im Ausland einen Sitz aufweisenden Patentinhaber, sondern auch für jede (natürliche oder juristische) Person, die als dinglich Berechtigte Rechte aus einem Patent gegen einen Patentbenutzer (gerichtlich) geltend macht, zur Anwendung. Dinglich Berechtige an bzw. aus einem Patent sind dabei der Nießbraucher, der Pfandgläubiger oder der ausschließliche Lizenznehmer (vgl. Schäfers in Benkard, Kommentar zum PatG, 11. Auflage 2015, § 25, Rz. 3).
  53. Die Klägerin, die die vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche als behauptete ausschließliche Lizenznehmerin der schwedischen Patentinhaberin, der A AB, geltend macht, hat ihren Sitz Israel, so dass auch dort der erforderliche Auslandsbezug besteht.
  54. 2.2.
    Auch der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet.
  55. Nach der herrschenden Auffassung in der Literatur, findet § 25 PatG nicht nur in den Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (Anmelde-, Prüfungs-, Einspruchs- oder Beschränkungsverfahren) bzw. dem Bundespatentgericht (Nichtigkeitsklage) Anwendung, sondern auch in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, in denen Ansprüche gemäß den §§ 139ff. PatG geltend gemacht werden (vgl. Schäfers/Benkard, a.a.O., § 25, Rz. 30; Mes in Kommentar zum PatG, 5. Auflage 2020, § 25, Rz. 14; Rudloff-Schäfer/Schulte, a.a.O., § 25, Rz 15; Kühnen, a.a.O., Kapitel D., Rz. 61; Keukenschrijver in Busse/Keukenschrijver, Kommentar zum PatG, 8. Auflage 2016, § 25, Rz. 20).
  56. Entsprechendes ist auch bereits von der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Urteile v. 14. September 2010, Az. 4a O 295/08, BeckRS 2016, 17350; Az. 4a O 83/10) so entschieden worden. Auf die gegen das letztgenannte Urteil der 4a. Zivilkammer zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegten Berufung, hat der 15. Zivilsenat des OLG Düsseldorf unter dem 13. August 2015 eine Entscheidung verkündet (Az. I-15 O 3/14, zitiert nach juris). Zwar bedurfte es aus Sicht des OLGs keiner Entscheidung mehr darüber, ob die Bestellung eines Inlandsvertreters eine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung des Verletzungsverfahrens darstellt, da in dem vom OLG zu entscheidenden Verfahren zwischenzeitlich ein Inlandsvertreter bestellt worden und der Mangel damit behoben war. Gleichwohl hat auch das OLG Düsseldorf in Rz. 96 seiner Entscheidung ausgeführt, dass „die Bestellung eines Inlandsvertreters und deren Nachweis [stellen] eine Obliegenheit darstellen, deren Nichtbeachtung zu Lasten der betroffenen Partei zu einem behebbaren Verfahrenshindernis führt“.
  57. Insoweit hat das OLG Düsseldorf – wie auch die Beklagte im hiesigen Verfahren – Bezug noch genommen auf die BGH-Entscheidung „Niederlegung der Inlandsvertretung“ (GRUR 2009, 701ff.), wo der BGH mit Blick auf § 25 PatG in Rz. 14 ausführt (Hervorhebungen hinzugefügt):
  58. „Schon nach ihrer systematischen Stellung setzt die Regelung voraus, dass der Vertreter ein solcher nach § 25 Abs. 1 PatG ist, d.h. dass die Vertretung nach dieser Bestimmung erforderlich ist, um an einem im Patentgesetz geregelten Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht teilzunehmen oder um Rechte aus einem Patent geltend zu machen. Danach kann der Patentinhaber eines europäischen Patents etwa an einem gegen dieses Patent gerichteten Nichtigkeitsverfahren, bei einem Zwangslizenzverfahren, das dieses Patent betrifft, oder zur Geltendmachung von Rechten aus dem Patent nur dann wirksam handeln, wenn er einen Inlandsvertreter bestellt hat.“
  59. Zwar ist der vorgenannte Beschluss in einem Patentnichtigkeitsverfahren, mithin einem Verfahren mit dem Rechtszug vom Bundespatentgericht zum Bundegerichtshof, ergangen, gleichwohl führt der BGH hier in allgemeiner Form aus, dass § 25 PatG auch in Verfahren Geltung beansprucht, in denen Rechte aus einem Patent geltend gemacht werden. Hierbei handelt es sich insbesondere um das klassische, vor den ordentlichen Gerichten zu führende Verletzungsverfahren. Die Gleichsetzung des vor dem Patentgericht zu führenden Verfahren und dem Verletzungsprozess folgt nicht zuletzt aus dem durch die Wortwahl des BGH („oder“) ersichtlichen Alternativverhältnis, in welches er die Verfahren vor dem Patentamt bzw. dem BPatG und solchen Verfahren setzt, in denen Rechte aus dem Patent geltend gemacht werden. In der Folge stellt der BGH in Rz. 18 seines Beschlusses dann auch klar, dass in den Fällen, in denen auswärtige Patentinhaber Rechte aus dem Patent geltend macht, es zwingend der Bestellung eines Inlandsvertreters bedarf.
  60. 3.
    Da es sich bei der Bestellung eines Inlandsvertreters um eine von Amts wegen zu beachtende zwingende Verfahrensvoraussetzung für den sachliche Fortgang des Verfahrens handelt (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel D., Rz. 63), kann der Beklagten vorliegend nicht entgegengehalten werden, dass sie deren Fehlen erst in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2022 und damit sehr spät im Verfahren erstmals geltend gemacht hat.
  61. Die Kammer hat der Klägerin zur Wahrung ihres verfassungsmäßigen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs antragsgemäß einen einwöchigen Schriftsatznachlass zum Vorbringen der Beklagten zu § 25 PatG eingeräumt. Für die Klägerin bestand daher hinreichend Anlass und Gelegenheit, den gerügten Fehler zu beheben und einen Inlandsvertreter zu bestellen bzw. jedenfalls ein entsprechendes Vorgehen anzukündigen. Demgegenüber hat sich die Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 29. Juni 2022 nur pauschal darauf berufen, dass der Anwendungsbereich des § 25 PatG weder persönlich noch sachlich eröffnet sei, was vorliegend der gerichtlichen Überprüfung nicht standhält.
  62. B.
    Die Klage hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg, da es – unabhängig von den zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Fragen der Aktivlegitimation und des Gebrauchs aller Merkmale des Patentanspruchs durch die angegriffene Ausführungsform – jedenfalls an der für die Verurteilung erforderliche Erstbegehungsgefahr fehlt.
  63. Auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2022 vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein die Verurteilung der Beklagten rechtfertigender Eingriff in das Klagepatent drohend bevorsteht. Insbesondere steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte unmittelbar mit Erlangung der CE-Zertifizierung die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland vertreiben bzw. eine andere Verletzungshandlung im Sinne von § 9 PatG vornehmen wird.
  64. Wie die Kammer den Parteien bereits mit Hinweis vom 20. Juni 2022 mitgeteilt und auch mit Urteil vom 23. Oktober 2018 (Az. 4c O 53/18) in einem ähnlich gelagertem Sachverhalt betreffend ein Medizinprodukt bereits entschieden hat, genügt allein die Durchführung eines europäischen CE-Zertifizierungsverfahrens nicht, um die erforderliche Erstbegehungsgefahr zu begründen, vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten bzw. Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betreiber des Zulassungsverfahrens das angegriffene Produkt unmittelbar nach Abschluss des Verfahrens in patentverletzender Art und Weise auf den deutschen Markt bringt.
  65. Soweit die Klägerin einen solchen Anhaltspunkt insbesondere in den Kosten in Höhe von ein bis zwei Millionen Euro sehen möchte, die für ein solches CE-Zulassungsverfahren in der Regel aufzuwenden ist, vermag dem die Kammer nicht zu folgen, da dieser Umstand weder für sich allein genommen, noch in Kombination mit den übrigen seitens der Klägerin vorgebrachten Umständen, geeignet ist, den hinreichend sicheren Rückschluss auf einen baldigen Markteintritt zu begründen. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass etwaige, von der Beklagten als geplant behauptete Weiterentwicklungen eine neue und weitere Kosten verursachende (Neu-)Zulassung des Produktes erforderlich machen. Die Beklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass sich die Kosten für eine entsprechende, auf der ursprünglichen Zulassung aufbauende Neuzulassung „nur“ noch auf EUR 30.000,00 bis EUR 40.000,00 belaufen. Insoweit vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass das gerade laufende CE-Zulassungsverfahrens wirtschaftlich sinnlos ist, wenn keine Markteinführung des geprüften Produkts beabsichtigt wäre. Vielmehr erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte das aktuelle Zulassungsverfahren nur betreibt um sicherzustellen, dass ihr Produkt grundsätzlich zulassungs- und damit marktfähig ist, dieses aber – wie behauptet – nur für interne Weiterentwicklungen nutzen will.
  66. C.
    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3, 709 ZPO.

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