4b O 13/12 – Zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung und Schablone

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2087

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. Juli 2013, Az. 4b O 13/12

Rechtsmittelinstanz: 2 U 58/13

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 3), zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland ein System zur Repositionierung einer Zahnanordnung herzustellen, anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, das die folgende Kombination aufweist:
eine zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung, die eine elastische Schale aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne umfasst, die wieder entfernbar auf mindestens einer Zahnanordnung aufbringbar ist, wobei die Vorrichtung konfiguriert ist, um ein Befestigungsmittel, das an der Zahnanordnung befestigbar ist, aufzunehmen, wenn die Vorrichtung über der Zahnanordnung positioniert wird, damit die Repositionierungsvorrichtung eine Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu repositionieren; und
eine Schablone, die ausgehend von einem Abdruck der tatsächlichen Zahnkonfiguration eines Patienten hergestellt wurde, um an einem Ziel-Zahn ein Befestigungsmittel anzuformen, um die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung an einem Ort am Zahn des Patienten zu verankern, damit die Repositionierungsvorrichtung Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu positionieren, wobei die Schablone die Kavität, die mit einem Teil der Oberfläche des Ziel-Zahns übereinstimmt und eine Aufnahme zum Aufnehmen polymerisierbaren Materials zur Ausbildung des Befestigungsmittels aufweist, und die Schablone eine Form aufweist, die entweder als die Repositionierungsvorrichtung ungeeignet ist, oder eine Konfiguration hat, die sich von der Zahnkonfiguration der Repositionierungsvorrichtung unterscheidet.

2. der Klägerin durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer I. 1. beschriebenen Handlungen seit dem 10.09.2011 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagte zu 1) hinsichtlich der Angaben zu b) Kopien von Rechnungen, hilfsweise von Lieferscheinen vorzulegen hat und
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstandenen Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten, oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
2. die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 10.09.2011 in Verkehr gebrachten Erzeugnissen gegenüber gewerblichen Abnehmer zurückzurufen, in dem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Patents EP 1 143 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse unterbreitet wird und den Abnehmern für den Fall der Rückübertragung eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Übertragungskosten für die Rückübertragung zugesagt wird, sowie die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtend sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 10.09.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagten zu 95 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland eingetragenen Europäischen Patents EP 1 143 XXX (Anlage K 5, deutsche Übersetzung Anlage K 5a; nachfolgend: Klagepatent), welches unter Inanspruchnahme dreier US-Prioritäten vom 30.11.1998, 04.12.1998 und 16.02.1999 am 29.11.1999 angemeldet und dessen Erteilungshinweis am 10.08.2011 veröffentlicht wurde. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim DPMA unter dem Aktenzeichen 699 43 XXX geführt.

Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, steht in Kraft. Über den seitens der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 09.05.2012 gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch (Anlage CBH 1) ist bislang nicht entschieden.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
„In Kombination:
eine zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung (105), die eine elastische Schale aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne umfasst, die wieder entfernbar auf mindestens einer Zahnanordnung aufbringbar ist, wobei die Vorrichtung konfiguriert ist, um ein Befestigungsmittel (100), das an der Zahnanordnung befestigbar ist, aufzunehmen, wenn die Vorrichtung über der Zahnanordnung positioniert wird, damit die Repositionierungsvorrichtung (105) eine Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu repositionieren; und
eine Schablone, die ausgehend von einem Abdruck der tatsächlichen Zahnkonfiguration eines Patienten hergestellt wurde, um an einem Ziel-Zahn ein Befestigungsmittel (100) anzuformen, um die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung an einem Ort am Zahn des Patienten zu verankern, damit die Repositionierungsvorrichtung Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu positionieren, wobei die Schablone die Kavität (401), die mit einem Teil der Oberfläche des Ziel-Zahns übereinstimmt und eine Aufnahme (302) zum Aufnehmen polymerisierbaren Materials (400) zur Ausbildung des Befestigungsmittels aufweist, und die Schablone eine Form aufweist, die entweder als die Repositionierungsvorrichtung ungeeignet ist, oder eine Konfiguration hat, die sich von der Zahnkonfiguration der Repositionierungsvorrichtung unterscheidet.“

Die nachfolgenden Figuren 1 und 7 verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels. Figur 1 stellt einen Zahn eines Patienten dar, an dem ein erfindungsgemäßes Befestigungsmittel angeklebt ist. Figur 7 zeigt ein erfindungsgemäßes keilförmiges Befestigungsmittel in Kombination mit einer zahnärztlichen Positioniervorrichtung, in dem Kavitäten bzw. Hohlräume zum wieder entfernbaren Aufnehmen des Befestigungsmittels ausgebildet sind.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) sowie die Beklagte zu 3) sind, stellt her, bietet an und vertreibt durchsichtige Zahnkappen bzw. Zahnschienen mit der Bezeichnung „A®-System“ und Schablonen (zusammen nachfolgend bezeichnet als: angegriffene Ausführungsform). Bei den Zahnschienen handelt es sich um Repositionierungsvorrichtungen mit einer elastischen Schale aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne, die wieder entfernbar auf einer Zahnanordnung aufbringbar sind. Die Zahnschienen können ein Befestigungsmittel aufnehmen. Die Schablonen stellen einen Negativabdruck der tatsächlichen Zahnanordnung eines jeweiligen Patienten dar. Mithilfe der Schablone soll der Zahnarzt ein oder mehrere Befestigungsmittel an vorbestimmte Zähne kleben. Die weitere Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform kann der Anlage K 6 sowie den in der Klageschrift abgebildeten Fotografien (vgl. Klageschrift, Seite 61) entnommen werden.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch, da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Anspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch macht.

Nachdem die Klägerin ursprünglich auch einen Entfernungsanspruch geltend gemacht hat, beantragt sie nunmehr,
wie zuerkannt

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, von der vorläufigen Vollstreckbarkeit gem. § 712 Abs. 1 S. 2 ZPO abzusehen bzw. den Beklagten gem. § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO zu gestatten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent eingereichten Einspruch vom 09.05.2012 auszusetzen.

Die Beklagten sind der Ansicht, das Klagepatent werde sich im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Soweit der Anspruch vorgebe, dass das Befestigungsmittel der Repositionierungsvorrichtung dazu dienen solle, Kraft zur Repositionierung der Zähne aus ihrer aktuellen Konfiguration aufzubringen, handele es sich um eine Zweckangabe ohne schutzbereichseinschränkende Funktion. Eine Abgrenzung zum Stand der Technik könne hiermit nicht erreicht werden. Ebenso wenig erlange die Vorgabe, dass die Schablone eine Kavität aufweisen solle, die einem Abschnitt der Oberfläche des Zielzahnes entspreche, eine schutzbereichsbestimmende Funktion. Wenn von einer Zahnkonfiguration ein Negativabdruck erstellt werde, so weise dieser Negativabdruck zwangsläufig die vorgegebenen Kavitäten auf. Zur Abgrenzung zum Stand der Technik tauge diese Vorgabe mithin gleichfalls nicht. Das Erfordernis, dass die Schablone ein Design aufweise, welches für die Neupositionierung ungeeignet ist oder aus einer Konfiguration ist, welche von der Zahnkonfiguration der Repositionierungsvorrichtung abweicht, sei äußerst unklar und habe daher ebenfalls keinerlei schutzbereichsbestimmende Funktion. Dies begründe überdies den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit. Darüber hinaus gingen die Gegenstände der erteilten unabhängigen Patentansprüche über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Verschiedene – im Einzelnen bezeichnete – Begriffe fänden keine Stütze in der Beschreibung. Ferner sei der geltend gemachte Anspruch 1 nicht neu.
Die Beklagten begehren Vollstreckungsschutz und rügen zudem den von der Klägerin vorgetragenen Streitwert als zu hoch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Patentverletzung zu. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die technische Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents. Veranlassung, den Rechtsstreit auszusetzen, besteht nicht.

I.
Das Klagepatent betrifft u.a. ein System zum wieder entfernbaren Befestigen einer zahnärztlichen Positioniervorrichtung an einer Zahnanordnung eines Patienten bei kieferorthopädischer Behandlung.

Kieferorthopädische Behandlungen dienen u.a. dazu, falsch ausgerichtete Zähne zu repositionieren und Bissformen zu verbessern, um das kosmetische Erscheinungsbild und die Gebissfunktion zu verbessern. Das Repositionieren von Zähnen wird erreicht, indem über einen längeren Zeitraum kontrolliert Kräfte auf die Zähne ausgeübt werden.

Herkömmlicherweise geschieht dies dem Klagepatent zufolge mit Hilfe von Zahnspangen. Diese umfassen eine Vielzahl von Vorrichtungen, wie bspw. sogenannte Brackets, Bänder, Drahtbögen, Ligaturen und O-Ringe. Die Brackets und Bänder werden unter Verwendung eines geeigneten Materials an den Zähnen des Patienten angeklebt. Über Schlitze an den Brackets wird ein Drahtbogen angebracht, der die Brackets miteinander verbindet und Kräfte auf sie ausübt, um die Zähne im Verlauf der Zeit zu bewegen. Verdrillte Drähte oder O-Ringe werden üblicherweise verwendet, um den Drahtbogen fester an die Brackets anzubringen. Wenn der Drahtbogen angebracht ist, sind in regelmäßigen Abständen Termine beim Kieferorthopäden erforderlich, bei denen die Zahnspange des Patienten angepasst wird. Dies schließt das Installieren unterschiedlicher Drahtbögen mit verschiedenen Krafterzeugungseigenschaften oder Austauschen bzw. Anziehen vorhandener Drähte ein.
Obwohl die herkömmlichen Zahnspangen wirksam sind, kritisiert das Klagepatent den damit verbundenen Prozess als langwierig und zeitaufwändig, da viele Termine beim Kieferorthopäden erforderlich seien. Außerdem seien die Zahnspangen unansehnlich und unbequem. Sie erschwerten auch die Zahnhygiene.

Die Nachteile dieses Standes der Technik werden nach den Ausführungen des Klagepatents zum Teil durch elastische Positioniervorrichtungen, wie sie bspw. aus der WO 98/58596 bekannt sind, beseitigt. Die hiernach bekannten Vorrichtungen umfassen eine dünne Hülle aus elastischem Material, das sich im Allgemeinen an Zähne des Patienten anpasst, jedoch zur ursprünglichen Zahnanordnung geringfügig versetzt ist. Wenn die elastische Positioniervorrichtung auf die Zähne aufgesetzt wird, werden kontrollierte Kräfte an bestimmten Positionen ausgeübt und bewegen die Zähne allmählich in die neue Stellung. Wenn dieser Prozess mit aufeinanderfolgenden Vorrichtungen wiederholt wird, die neue Stellungen enthalten, werden die Zähne schließlich über eine Reihe von Zwischenstellungen an eine gewünschte abschließende Stellung bewegt.
Als Nachteil dieses Standes der Technik erachtet das Klagepatent es, dass es schwierig sei, bestimmte Kräfte auf einzelne Zähne auszuüben wie bspw. extrusiv wirkende Kräfte, z. B. zum Herausziehen oder Anheben eines Zahnes relativ zum Kiefer.

Das Klagepatent benennt des Weiteren sieben US-Schriften als Stand der Technik, ohne an diesen jedoch Kritik zu üben.

Ausgehend von dem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein System von Zahnkorrekturvorrichtungen bereitzustellen, mit denen erforderliche Kräfte, insbesondere Ausziehkräfte, Rotationskräfte und andere gerichtete Kräfte in gewünschten Richtungen auf ausgewählte Zähne zu bestimmten Zeiten während der Behandlung ausgeübt werden. Darüber hinaus sollen die Kosten für kieferorthopädische Behandlungen reduziert werden.

Zur Lösung der Aufgabe schlägt Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Kombination einer zahnärztlichen Repositionierungsvorrichtung (105) und einer Schablone.

2. Die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung (105)
a) umfasst eine elastische Schale aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne,
b) ist wieder entfernbar auf mindestens einer Zahnanordnung aufbringbar,
c) ist konfiguriert, um ein Befestigungsmittel (100), das an der Zahnanordnung befestigbar ist, aufzunehmen, wenn die Vorrichtung über der Zahnanordnung positioniert wird, damit die Repositionierungsvorrichtung (105) eine Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu repositionieren.

3. Die Schablone
a) wurde ausgehend von einem Abdruck einer tatsächlichen Zahnkonfiguration eines Patienten hergestellt, um einem Ziel-Zahn ein Befestigungsmittel (100) anzuformen, um die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung (105) an einem Ort am Zahn des Patienten zu verankern, um mit der Repositionierungsvorrichtung (105) eine Kraft zur Repositionierung der Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu erreichen,
b) weist eine Kavität (401) auf, die mit einem Teil der Oberfläche des Ziel-Zahns übereinstimmt,
c) weist eine Aufnahme (302) zum Aufnehmen des polymerisierbaren Materials (400) zur Ausbildung des Befestigungsmittels (100) auf,
d) weist eine Form auf, die entweder als Repositionierungsvorrichtung (105) ungeeignet ist, oder hat eine Konfiguration, die sich von der Zahnkonfiguration der Repositionierungsvorrichtung (105) unterscheidet.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht unstreitig von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagten haben zu Recht weder das Vorhandensein einer erfindungsgemäßen Repositionierungsvorrichtung (Zahnschiene) noch das Vorhandensein einer erfindungsgemäßen Schablone in Abrede gestellt. Weitere Ausführungen der Kammer hierzu erübrigen sich.

III.
Angesichts der Patentbenutzung durch die angegriffene Ausführungsform stehen der Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten zu, wobei der Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) haften.

1)
Der Unterlassungsanspruch beruht auf § 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.

2)
Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Für nicht gewerbliche Abnehmer und die Angebotsempfänger ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4)
Gegenüber der Beklagten zu 1) steht der Klägerin des Weiteren gemäß § 140a Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ auch ein Anspruch auf Vernichtung zu. Anhaltspunkte, die eine Unverhältnismäßigkeit des Vernichtungsanspruchs begründen könnten, hat die Beklagte zu1) nicht vorgebracht.

5)
Der Rückrufanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) basiert auf § 140a Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Auch insoweit ist eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG nicht ersichtlich oder dargetan.

IV.
Eine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Einspruchsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht.

Die Erhebung eines Einspruchs stellt als solcher noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ist dies nicht der Fall, so verdient das Interesse des Patentinhabers an einer alsbaldigen Durchsetzung seiner – zeitlich ohnehin begrenzten – Rechte aus dem Patent den Vorrang vor dem Interesse der Gegenpartei, nicht aus einem Patent verurteilt zu werden, das sich möglicherweise später als nicht rechtsbeständig erweist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der ihm am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht keine Veranlassung zur Aussetzung des Rechtsstreits. Aus dem Vorbringen der Beklagten im hiesigen Verletzungsverfahren ergibt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Gegenstand des – hier allein relevanten – Anspruchs 1 des Klagepatents widerrufen wird.

1)
Soweit die Beklagten darauf hinweisen, Anspruch 1 beinhalte in Merkmal 2c) eine Zweckangabe („die „attachment devices“ dienen dazu, der Einrichtung zur Korrektur der Zahnstellung mit Zahnaufnahmeräumen zu ermöglichen, Kraft zur Repositionierung der Zähne aus ihrer aktuellen Konfiguration aufzubringen), die keinerlei den Schutzbereich des Anspruchs einschränkende Funktion habe und daher nicht zur Abgrenzung zum Stand der Technik herangezogen werden könne, ist nicht zu erkennen, dass aufgrund dessen Anspruch 1 des Klagepatents widerrufen werden wird.
Es erschließt sich ohne weiteren Vortrag nicht, für welchen der in Art. 100 EPÜ abschließend aufgezählten Einspruchsgründe dieser allgemein gehaltene, sozusagen als Vorspann formulierte Einwand fruchtbar gemacht werden soll.
Zweckangaben in einem Anspruch sind weder per se unzulässig noch bedeutungslos. Sie haben vielmehr regelmäßig die Aufgabe, zur Festlegung der Erfindung beizutragen und den durch das Patent geschützten Gegenstand dahingehend zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch genannten Zweck verwendbar bzw. geeignet sein muss (für das Nichtigkeitsverfahren: BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze).

2)
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Vorbringen der Beklagten zu Merkmal 3c) zum Widerruf des Anspruchs 1 führen wird. Selbst wenn die Ansicht der Beklagten als zutreffend unterstellt wird, dass jeder Negativabdruck einer Zahnkonfiguration zwangsläufig Kavitäten aufweist, die Abschnitten der Oberflächen der Zielzähne entsprechen, erschließt sich nicht ohne weiteres, welcher Einspruchsgrund gem. Art. 100 EPÜ (allein) hiermit begründet werden soll. Die Aufnahme eines (vermeintlich) selbstverständlichen Merkmals in einen Anspruch ist nicht unzulässig; es kann auch zur Abgrenzung zum Stand der Technik herangezogen werden (BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).

3)
Der Einwand der Beklagten, Merkmal 3e) sei äußerst unklar und habe daher ebenfalls keine schutzbereichsbestimmende Funktion, ist für das Einspruchsverfahren irrelevant. Klarheit ist kein Einspruchsgrund (Benkard/Schäfers, EPÜ, 2. Aufl. Art. 84 Rn. 154 m. w. Nachw.; Fitzner/Lutz/Bodewig – Schnekenbühl, PatG, 4. Aufl., Art. 100 EPÜ, Rn. 20; Singer/Stauder – Günzel, EPÜ, 5. Aufl., Art. 100 Rn. 16 mit Verweis auf T 336/96 vom 11.9.1997, Nr. 3.1).

4)
Ob der Einspruchsgrund einer unzulässigen Erweiterung gem. Art. 100 lit. c i. V. m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ vorliegt, kann die Kammer auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht beurteilen.
Von einer solchen unzulässigen Erweiterung wäre auszugehen, wenn der Gegenstand von Anspruch 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausginge. Ob dies der Fall ist, ist mittels eines Vergleichs des Gegenstandes des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu klären, wobei der Inhalt der Patentanmeldung der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen ist. Ergibt der Vergleich, dass der Patentanspruch auf einen Gegenstand gerichtet ist, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt, wäre eine unzulässige Erweiterung zu konstatieren (BGH, GRUR 2011, 1109 – Reifendichtmittel; BGH, GRUR 2010, 513 – Hubgliedertor II).
Eine derartige Prüfung ist der Kammer indes nicht möglich. Die maßgebliche PCT-Anmeldung wurde nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt. Folglich kann die Kammer nicht selbständig prüfen, ob das Vorbringen der Beklagten Aussicht auf Erfolg hat, die genannten fünf (englischsprachigen) Begriffe befänden sich nicht „in den Ansprüchen 1 bzw. 2“ und allein die Vielzahl der von der Klägerin zitierten Textpassagen, aus denen sich nach Ansicht der Klägerin eine ausreichende Offenbarung ergeben solle, lasse darauf schließen, dass die besagten neu aufgenommenen Merkmale mosaikmäßig aus der Beschreibung zusammengestückelt worden seien.

5)
Die Ansicht der Beklagten, Anspruch 1 werde mangels Ausführbarkeit gem. Art. 100 lit. b EPÜ (Art. 83 EPÜ) widerrufen, da der Fachmann im Unklaren darüber gelassen werde, wie die Bedingungen des Merkmals 3e) erfüllt werden könnten, vermag die Kammer nicht zu teilen.
Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Dabei ist nicht allein der Patentanspruch maßgeblich, sondern es genügt, wenn die notwendigen Angaben der allgemeinen Beschreibung des Patents oder den Ausführungsbeispielen entnommen werden können (BGH, GRUR Int 2010, 1062 – Polymerisierbare Zementmischung; BGH, GRUR 2010, 916 – Klammernahtgerät; Fitzner/Lutz/Bodewig – Müller/Wilmig, PatG, 4. Aufl., Art. 83 EPÜ, Rn. 32 ff. m. w. Nachw.).
Die Klägerin weist mithin zu Recht auf die Beschreibung der Ausführungsbeispiele auf Seite 11, Zeilen 6 ff. des Klagepatents (Anlage K 5a) hin. Dort wird erläutert, dass die Schablone bspw. aus einem Material bestehen kann, das für die Repositionierung nicht geeignet ist, oder dass die Schablone zusätzliche konstruktive Merkmale, wie bspw. einen Griff, der beim Einsatz stören würde, aufweisen kann. Der Fachmann erhält folglich ausreichend Anhaltspunkte dafür, wie die Vorgaben des Merkmals 3e) eingehalten werden können.

6)
Schließlich lässt sich eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruchs wegen fehlender Neuheit gem. Art. 100a i. V. m. Art. 54 EPÜ nicht feststellen.

a)
Die Beklagten tragen zunächst lediglich vor, „wesentliche Aspekte“ der unabhängigen Ansprüche“ seien bereits durch die US 5,139,419 (Anlage CBH 2, Entgegenhaltung D 8 im Einspruchsverfahren) sowie die Schrift von Bourauel/Drescher/Walter: Können die Kraftsysteme von Positionen durch den zusätzlichen Einsatz von Attachements beeinflusst werden? Eine experimentelle Studie. Kieferorthopädie (1997), 3, 183 – 186 (Entgegenhaltung D 10 im Einspruchsverfahren) neuheitsschädlich vorweggenommen.
Dies genügt nicht zur Darlegung einer neuheitsschädlichen Offenbarung. Es reicht nicht, dass „wesentliche Aspekte“ aus dem Stand der Technik bekannt sind, vielmehr muss eine (einzelne) Entgegenhaltung sämtliche Merkmale des geltend gemachten Anspruchs vorwegnehmen.

b)
Anspruch 1 ist nach Auffassung der Kammer auf der Grundlage des Vorbringens im Verletzungsverfahren auch nicht durch die Druckschrift Peter Schopf: Curriculum Kieferorthopädie (Auszug), Berlin, 1991 (Entgegenhaltung D 1 im Einspruchsverfahren) neuheitsschädlich vorweggenommen.
Die Beklagten haben bereits nicht dargetan, wo in der Entgegenhaltung D 1 das Merkmal 1 offenbart wird.
Darüber hinaus ist ihrem Vortrag nicht die Offenbarung des Merkmals 2a) zu entnehmen, wonach die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung eine elastische Schale aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne umfasst. Die Beklagten verweisen insoweit lediglich auf die Abb. 244 auf Seite 3 der Entgegenhaltung D 1. Dort ist ein „Lipbumper“ (Lippenstoßleiste) gezeigt, der/die als „starrer Boden mit vestibulären Kunststoffpelotten im unteren Frontbereich“ bezeichnet wird. Ohne weitere Erläuterung kann darin weder eine elastische Schale aus Polymermaterial erblickt werden noch irgendwelche Kavitäten für Zähne.
Auch die Offenbarung des Merkmals 2c) ist nicht ausreichend dargetan. Hiernach muss die zahnärztliche Repositionierungsvorrichtung so konfiguriert sein, um ein Befestigungsmittel, das an der Zahnanordnung befestigbar ist, aufzunehmen, wenn die Vorrichtung über der Zahnanordnung positioniert wird, damit die Repositioniervorrichtung eine Kraft ausüben kann, um die Zähne aus ihrer gegenwärtigen Konfiguration heraus zu repositionieren. Der Hinweis der Beklagten auf die „attachment device“ (Brackets), die im Mund des Patienten platziert werden (S. 4, 3. Abs. der Entgegenhaltung D1), in die später Bögen einligiert werden (S. 6, letzte Zeile Entgegenhaltung D1), verfängt nicht. Selbst wenn die Brackets Befestigungsmittel im Sinne des Anspruchs 1 wären, so ergibt sich aus den zitierten Textstellen nicht, dass die (vermeintliche) Repositionierungsvorrichtung die Brackets aufnehmen kann. Nach den Ausführungen der Beklagten zu Merkmal 2a) ist die Repositioniervorrichtung die Lippenstoßleiste. Diese ist indes nicht so konfiguriert, um ein Befestigungsmittel aufzunehmen. Das sehen die Beklagten selbst so, wenn sie im Rahmen des Merkmals 2c) meinen, die Bögen seien „die eigentlichen“ repositioning appliance. Eine Unterscheidung zwischen „eigentlicher“ und „uneigentlicher“ Repositionierungsvorrichtung sieht Anspruch 1 allerdings nicht vor, auch wenn die erfindungsgemäße Vorrichtung mehrteilig ausgestaltet sein könnte. Die Bögen der Entgegenhaltung D1 umfassen keine elastischen Schalen aus Polymermaterial mit Aufnahmekavitäten für Zähne. Ferner ist nicht offenbart, dass die Lippenstoßleiste oder die Bögen „über“ der Zahnanordnung positioniert werden.
Dem Vorbringen der Beklagten ist gleichfalls nicht zu entnehmen, dass die Entgegenhaltung D 1 eine Schablone offenbart, die die Merkmale 3a) und/oder 3c) des Anspruchs 1 des Klagepatents zeigt. Den von den Beklagten genannten Textstellen (S. 4, letzter Absatz, S. 6, letzter Absatz, S. 5, unteres Drittel) kann zwar eine Kunststoffschablone entnommen werden, die auf den Kieferabdrücken des Patienten beruht, und die einen Beitrag zum Ankleben der Brackets leistet. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass diese Kunststoffschablone dazu dient, ein Befestigungsmittel (Bracket) an einem Zahn anzuformen, und eine Aufnahme zum Aufnehmen des polymerisierbaren Materials zur Ausbildung des Befestigungsmittels aufweist.

c)
Ob die US 5,242,304 (Entgegenhaltung D 2 im Einspruchsverfahren) sämtliche Merkmal des Anspruchs 1 des Klagepatents offenbart, kann die Kammer nicht prüfen. Die Beklagten haben entgegen der gerichtlichen Verfügung vom 16.01.2012 keine Übersetzung der Druckschrift vorgelegt.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.

Der Antrag der Beklagten auf Vollstreckungsschutz gemäß § 712 ZPO bleibt ohne Erfolg.
Vollstreckungsschutz kann allenfalls in Bezug auf das Unterlassungsgebot, die Vernichtung oder den Rückruf in Betracht kommen, da ein Schadenersatzfeststellungsanspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat und im Rahmen der Auskunft und Rechnungslegung ein Wirtschaftsprüfervorbehalt eingeräumt wurde (OLG Düsseldorf, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Ausreichenden Schutz gegenüber der Vollstreckung aus der Kostengrundentscheidung bietet § 717 Abs. 3 S. 2 ZPO. Hinsichtlich des Unterlassungstitels und der übrigen genannten Ansprüche gilt jedoch, dass im Rahmen der nach § 712 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel von einem überwiegenden Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich begrenzten Anspruchs auszugehen ist (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.07.2009 – I-2 U 23/08, BeckRS 2010, 21820; OLG Düsseldorf, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Grundsätzlich ist deshalb ein erweiterter Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO in Patentstreitigkeiten zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die im Einzelnen vorzutragen und gem. § 714 ZPO Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Dem Vorbringen muss insbesondere zu entnehmen sein, dass es sich bei den vorgebrachten Nachteilen um solche handelt, die über die üblichen Folgen eines Unterlassungs- und/oder Rückrufgebotes hinausgehen und nicht wieder gut zu machen sind.

Ein in diesem Sinne nicht zu ersetzender Nachteil ist weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht.
Die Beklagten haben im hiesigen Verfahren nicht ausdrücklich zu diesen Nachteilen vorgetragen. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass sie auf ihren Vortrag aus den Parallelverfahren konkludent Bezug nehmen. Dies genügt gleichwohl nicht. Selbst, wenn man mit den Beklagten davon ausgeht, dass die Beklagte zu 1) ein „Ein-Produkt-Unternehmen“ ist, ist zu berücksichtigen, dass eine Alternative zur Nutzung der angegriffenen Ausführungsform zur Verfügung steht. Es besteht bspw. die Möglichkeit, von der anspruchsgemäßen Kombination einer zahnärztlichen Repositionierungsvorrichtung und einer Schablone Abstand zu nehmen, oder einzelne Zahnschienen herzustellen und zu vertreiben, die nicht so konfiguriert sind, dass sie ein Befestigungsmittel, das an der Zahnanordnung befestigbar ist, aufnehmen können, oder einzelne Schablonen herzustellen und zu vertreiben, die keine Aufnahme zum Aufnehmen polymerisierbaren Materials zur Ausbildung eines Befestigungsmittels aufweisen. Dass derartiges der Beklagten zu 1) nicht möglich sein soll, ist weder dargetan noch ersichtlich. Überdies ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, was sie unter „konkurrenzfähig“ verstehen. Welche konkreten Zahlen und Kosten hinter dieser Ansicht stehen, ist nicht näher erläutert. Eine Gegenüberstellung der Umsätze, Kosten und/oder Gewinne, die im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform entstehen mit den voraussichtlichen Umsätzen, Kosten und/oder Gewinne für den Fall, dass eine Abwandlung der angegriffenen Ausführungsform erfolgt, fehlt.
Auch der Vortrag der Beklagten, es drohe bei einem Verbot der angegriffenen Ausführungsform eine Lahmlegung des Geschäftsbetriebs und die Insolvenz, greift nicht durch. Er ist pauschal und führt nicht zu der – für § 712 ZPO notwendigen – Überzeugung der Kammer, dass infolge der Verurteilung tatsächlich eine Insolvenz eintritt (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 712 Rn. 1). Darüber hinaus ist das Vorbringen nicht – wie von § 714 Abs. 2 ZPO gefordert, worauf die Klägerin hingewiesen hat – glaubhaft gemacht. Der Vortrag, im Jahre 2012 „sei gerade die Gewinngrenze überschritten worden“, genügt für sich genommen nicht. Die Beklagte zu 1) existiert seit 2006. Welche konkreten Zahlen, Geschäftsergebnisse, Umsätze, Kosten etc. hinter ihrem Vorbringen stehen, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Auch mittels der Bestätigung der Steuerberaterin (Anlage CBH 6) ist nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verurteilung zur Insolvenz der Beklagten zu 1) führen wird. Der Bestätigung ist vielmehr zu entnehmen, dass der Beklagte zu 2) „zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung“ eine betragsmäßig beschränkte Patronatserklärung in Höhe des bestehenden nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages ausgesprochen hat.
Da ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne des § 712 ZPO nicht festgestellt werden kann, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von den Beklagten angegebene Höhe einer aufzubringenden Sicherheit zutreffend wäre.

VI.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 500.000,00 € festgesetzt, wobei von diesem Gesamtstreitwert 111.111,00 € auf die Feststellung der gesamtschuldnerischen Schadenersatzpflicht der Beklagten (Tenor III.) entfallen (BGH, GRUR-RR 2008, 460, 461).

Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterlassungsanspruch, ist für die Streitwertbemessung entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten schutzrechtsverletzenden Verhaltens rechnen muss. Die Wertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für den oder die bereits vorliegenden, die Wiederholungsgefahr begründenden Verstöße besteht, sondern dahin geht, den Kläger vor künftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Das Interesse an der Rechtsverfolgung richtet sich demgemäß weniger nach dem mit der begangenen Zuwiderhandlung verbundenen wirtschaftlichen Schaden der Partei; ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Werden durch eine angegriffene Ausführungsform mehrere Schutzrechte verletzt, führt dies nicht zu einer Reduzierung des Streitwertes.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klageschutzrechts. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden aus der behaupteten Schutzrechtsverletzung geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage – neben dem Unterlassungsanspruch – Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft und Schadenersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden. In diesen Gesamtstreitwert haben zudem die Streitwerte für den geltend gemachten Vernichtungs- und den Rückrufanspruch einzufließen.

Ausgehend hiervon war der oben genannte Streitwert festzusetzen. Das Klagepatent hatte bei Klageeinreichung eine Restlaufzeit von ca. 8 Jahren. In dem hier relevanten Markt der durchsichtigen Zahnschienen hat die Klägerin einen Marktanteil von 10 %; in Deutschland hat sie 2011 mit den von ihr vertriebenen Zahnschienen 24.5 – 28 Mio. € (7 – 8 % von 350 Mio. €) Umsatz erzielt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Preisunterschied zwischen den Behandlungen durch die Klägerin und durch die Beklagten nach dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei 700,00 € und bei Zugrundelegung des Beklagtenvortrages sogar bei 1.100,00 € (800,00 € im Verhältnis zu 1.200,00 € + 700,00 €) liegt. Berücksichtigt man die Angaben der Beklagten, dann hat die Beklagte zu 1) im Jahr 2012 ca. 1.400 Behandlungen durchgeführt, wodurch sie in diesem Jahr 1.120.000,00 € Umsatz (1.400 x 800,00 €) erwirtschaftet hat. Hochgerechnet für die noch verbleibende Restlaufzeit wäre dies ein Betrag von insgesamt 8.960.000,00 €. Bezogen auf den Zeitraum für den Schadenersatz zu leisten ist (10.09.2011), ist bei Zugrundelegung des Vortrages von einem Umsatz von ca. 2.240.000,00 € auszugehen.