4b O 239/05 – Niederspannungs-Leistungsschalter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 404

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. Dezember 2005, Az. 4b O 239/05

Rechtsmittelinstanz: 2 U 4/06

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110% der jeweils beizutreibenden Forderung.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 560 xxx (Klagepatent; Anlage C K 1, Übersetzung Anlage C K 2), dessen Erteilung am 04. September 1996 veröffentlicht wurde. Der deutsche Teil des Klagepatents wird unter dem Aktenzeichen DE 693 04 xxx geführt. Die Klägerin ist durch Umfirmierung und Rechtsformwechsel aus der A hervorgegangen; die Patentrolle ist umgeschrieben.

Gegen die Patenterteilung hat die Beklagte mit Klageschrift vom 01.07.2005 Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben.

Das Klagepatent betrifft einen Schutzschalter mit Verzögerung am Bewegungsende der Kontaktbrückenabstoßung.

Der Patentanspruch des in französischer Sprache abgefaßten Klagepatents hat in der deutschen Übersetzung (Anlage C K2) folgenden Wortlaut:

1. Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isoliertstoffgehäuse, der eine Drehkontaktbrücke (13), ein mit der genannten Kontaktbrücke zusammenwirkendes Paar feststehender Kontakte (11, 12) Stromzuführungsleiter (24, 25) zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte (11, 12), die so ausgeführt sind, dass sie, die Kontaktbrücke (13) in Richtung einer Abstoß-Ausschaltstellung zurückstoßende, elektrodynamische Kräfte erzeugen, wenn sie von einem Kurzschlußstrom durchflossen werden, eine Schaltwelle (20) mit einer quer verlaufenden Aussparung (21) zur spielbehafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle (20) hervorstehenden Kontaktbrücke (13) sowie mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle (20) und der Kontaktbrücke (13) angeordneten Zugfedern (22, 23) umfasst, die dazu dienen, in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke (13) auf die feststehenden Kontakte (11, 12) ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten und gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke (13) unter Einwirkung der genannten elektro-dynamischen Kräfte in Richtung der Abstoß-Ausschaltstellung zu ermöglichen, wobei die genannten Federn (22, 23) symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse (37) der Kontaktbrücke (13) angeordnet sind und jeweils ein an der Kontaktbrücke (13) gelagertes Ende (38, 38’) aufweisen,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
dass ein entgegengesetztes Ende (41, 41’) der genannten Federn (22, 23) auf einer gleitend verschiebbar in einer Rastkerbe (43) der Schaltwelle (20) angeordneten Stange (42, 42’) gelagert ist und dass die genannte Kontaktbrücke (13) ein Paar von symmetrisch zur genannten Achse 37 angeordneten Steuerkurven (44, 44’) aufweist, die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke (13) mit einer der Stangen (42, 42’) zusammenwirken, um die Bewegung der Kontakbrücke (13) abzubremsen.

Eine der technischen Lehre des Klagepatents gemäße Ausführungsform ist in Fig. 1 der Klagepatentschrift wie nachfolgend abgebildet dargestellt.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Leistungsschalter, die sie als „XY“ bezeichnet.

Die Klägerin hat als Anlagen C K6 ein längs aufgeschnittenes Muster der angegriffenen Ausführungsform, als Anlage C K7 Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsformen und als Anlage C K10 eine Kontaktbrücke aus einer angegriffenen Ausführungsform zur Akte gereicht. Die nachfolgende, aus Anlage C K7 entnommene Abbildung zeigt ein längs aufgeschnittenes Exemplar der angegriffenen Ausführungsform mit einer ebenfalls längs aufgeschnittenen Schaltwelle.

Sie ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten machten widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents in äquivalenter Weise Gebrauch, und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € , ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

die umfassen eine Drehkontaktbrücke, ein mit der genannten Kontaktbrücke zusammenwirkendes Paar feststehender Kontakte, Stromzuführungsleiter zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte, die so ausgeführt sind, dass sie die Kontaktbrücke in Richtung einer Abstoß-Ausschaltstellung zurückstoßende, elektrodynamische Kräfte erzeugen, wenn sie von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, eine Schaltwelle mit einer quer verlaufenden Aussparung zur Spiel behafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle hervorstehenden Kontaktbrücke sowie ein Paar von jeweils zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordneten Kniehebelgelenken, zwischen denen eine Zugfeder vorgesehen ist, welche Anordnung dazu dient, in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke auf die feststehenden Kontakte ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten und gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke unter Einwirkung der genannten elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoß-Ausschaltstellung zu ermöglichen, wobei die Kniehebelgelenke symmetrisch zur Drehachse der Kontaktbrücke angeordnet sind und jeweils einen an der Kontaktbrücke gelagerten Hebel und einen an der Schaltwelle gelagerten Hebel aufweisen und wobei das Gelenk zwischen den beiden Hebeln jeweils durch eine gleitend verschiebbar in einer Rastkerbe der Schaltwelle angeordnete Stange gebildet wird und wobei die Zugfeder mit ihren beiden Enden an den Stangen gelagert ist, bei denen die genannte Kontaktbrücke ein Paar von symmetrisch zur genannten Achse angeordneten Steuerkurven aufweist, die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke mit einer der Stangen zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke abzubremsen,
insbesondere wenn,
die genannte Stange in der in der Schaltwelle ausgebildeten genannten Rastkerbe begrenzt verschiebbar gelagert ist, wobei die genannte Rastkerbe annähernd entlang der Wirklinie der zugeordneten Feder verläuft und sich die beiden in der Schaltwelle ausgebildeten Rastkerben diametral gegenüberliegen,
und/oder
das Profil der Steuerkurve eine Verschiebung der Stange in der Rastkerbe sowie eine der Schwenkbewegung der Kontaktbrücke in Richtung der Abstoßungsstellung entsprechende, kontinuierliche Spannung der Zugfeder mit einer Speicherung der Energie in der Feder bewirkt,
und/oder
das Profil der Steuerkurve so ausgelegt ist, dass eine die Verkupplung der Kontaktbrücke in der Abstoßungsstelle bewirkende Kraft erzeugt wird, insbesondere wenn die Schaltwelle drehbar gelagert ist sowie durch einen Ausschaltmechanismus des Leistungsschalters betätigt wird und der Öffnungshub der Kontaktbrücke so begrenzt ist, dass die Drehung der Schaltwelle während der Ausschaltbewegung ein Abheben der Stange von der zugeordneten Steuerkurve bewirkt,
und/oder
sich die Wirklinie der Feder während der Schwenkbewegung der Kontaktbrücke in Richtung der Abstoßungsstellung verschiebt, dabei den Hebelarm verkürzt und so das von der Feder auf die Kontaktbrücke ausgeübte Rückstell-Kraftmoment verringert;

2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.10.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-, Lieferscheine und Rechnungen vorzulegen hat;

3.
die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 04.10.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise beantragt sie,
• den Rechtsstreit auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 0 560 xxx erhobene Nichtigkeitsklage,
• ihr für den Fall der Verurteilung Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte stellt den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren vertritt die Beklagte ferner die Auffassung, das Klagepatent werde sich im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so daß eine Aussetzung des Rechtsstreits geboten sei.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten sowie unter Hinweis auf ihre Erwiderung im Nichtigkeitsverfahren dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist nicht gerechtfertigt. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz zu, da die angegriffene Ausführungsform nicht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse und mit einer am Ende des Abstoßungshubs abgebremsten Kontaktbrücke.

Der Klagepatentschrift zufolge öffnet die Kontaktbrücke eines strombegrenzenden Leistungsschalters bei Auftreten eines Kurzschlußstroms mit hoher Geschwindigkeit. Sobald kein Strom mehr fließt, versucht die Kontaktbrücke, in die Einschaltstellung zurückzukehren, wobei die von den Federn auf die Kontaktbrücke in Richtung der Einschaltstellung ausgeübte Rückstellkraft durch den Rückprall der Kontaktbrücke am Endlagenanschlag des Abstoßungshubs noch verstärkt wird. Diese Effekte können vor der Bestätigung der Abschaltung durch den Auslösemechanismus bzw. vor dem Ansprechen eines nachgeschalteten Leistungsschalters das Wiedereinschalten der Kontakte bewirken.

Ein bekannter Leistungsschalter weist eine Verrastung auf, die den abgestoßenen Kontakt in der Ausschaltstellung zurückhält, um ein ungewolltes Wiedereinschalten der Kontakte zu verhindern. Die Klagepatentschrift stellt dabei heraus, daß diese Anordnung zusätzliche Teile zur Verrastung und zur erneuten Freigabe des Kontakts erfordert.

Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet die Klagepatentschrift die Schaffung einer einfachen Brems- und gegebenenfalls Verrastungsvorrichtung für die bewegliche Kontaktbrücke zu ermöglichen, die keinerlei zusätzliche Teile erfordert.

Zur Lösung schlägt die Klagepatentschrift einen Leistungsschalter wie in Anspruch 1 beschrieben vor. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden Lösungsmerkmale:

1. Niederspannungs-Leistungsschalter mit
1.1 einem Isolierstoffgehäuse 10,
1.2 einer Drehkontaktbrücke 13,
1.3 einem mit der genannten Kontaktbrücke 13 zusammenwirkendem Paar
feststehender Kontakte 11, 12
1.4 Stromzuführungsleitern 24, 25 zur Einspeisung der genannten fest-
stehenden Kontakte 11, 12,
1.5 und einer Schaltwelle 20:
2. Die Stromzuführungsleiter 24, 25 sind so ausgeführt, dass sie, wenn sie
von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, elektrodynamische
Kräfte erzeugen, die die Kontaktbrücke 13 in Richtung einer Abstoß-
Ausschaltstellung zurückstoßen.
3. Die Schaltwelle 20 weist eine quer verlaufende Aussparung auf zur Spiel
behafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle 20 hervorstehenden
Kontaktbrücke 13.
4. Die Schaltwelle 20 weist mindestens ein Paar von zwischen der Schalt-
welle 20 und der Kontaktbrücke 13 angeordneten Zugfedern 22, 23, auf.
4.1 Die Zugfedern 22, 23 dienen dazu,(a) in der Einschaltstellung des
Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke 13 auf die feststehenden
Kontakte 11, 12 ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten, und (b) gleich-
zeitig eine Drehung der Kontaktbrücke 13 unter Einwirkung der genannten
elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoß-Ausschaltstellung zu er-
möglichen.
4.2 Die Zugfedern 22, 23 sind symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse
37 der Kontaktbrücke 13 angeordnet.
4.3 Die Zugfedern 22, 23 weisen jeweils ein an der Kontaktbrücke 13 ge-
lagertes Ende auf.
4.4 Das entgegengesetzte Ende der Zugfedern 22, 23 ist auf einer in einer
Rastkerbe 43, 43’ der Schaltwelle 20 gleitend verschiebbar angeordneten
Stange 42, 42’ gelagert.
5. Die Kontaktbrücke 13 weist ein Paar symmetrisch zur genannten Achse 37
angeordneter Steuerkurven 44, 44’ auf,
5. 1 die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungs-
hubs der Kontaktbrücke 13 mit einer der Stangen 42, 42’ zusammenwirken,
um die Bewegung der Kontaktbrücke 13 abzubremsen.

Die Kontaktbrücke schlägt bei einer patentgemäßen Ausführung am Ende des Abstoßungshubs gegen das Lagerelement einer Feder, das kontinuierlich verschoben wird. Dadurch wird die aufgenommene Energie in der entsprechenden Feder gespeichert abgebremst und der Stoß auf den Endlagenanschlag begrenzt oder aufgehoben. Die durch das Aufliegen der Stangen des Lagerelements auf der Steuerkurve erzeugte Reibkraft bewirkt eine weitere Aufnahme der Energie der Kontaktbrücke. Bei einer bevorzugten Ausführung ist die Steuerkurve so ausgebildet, daß die Stangen des Lagerelements eine Verriegelung der Kontaktbrücke in der Ausschaltstellung bewirkt.

II.

Die angegriffenen Leistungsschalter machen von der technischen Leere des Klagepatents – was die Klägerin selbst einräumt – keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Sie sind jedoch auch unter Äquivalenz-Gesichtspunkten nicht in den Schutzbereich des Klagepatents einzubeziehen.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich die Leistungsschalter der Beklagten dadurch auszeichnen, dass deren Kontaktbrücke mit der Schaltwelle über eine Konstruktion in Wirkverbindung steht, die eine einzige Feder und ein Paar von Kniehebelgelenken umfaßt. Darin liegt keine äquivalente Abwandlung der Merkmalsgruppe 4 des Klagepatents, wonach mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke, symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse angeordneten Zugfedern vorhanden sein soll, die mit ihrem einen Ende an der Kontaktbrücke und mit ihrem anderen Ende an einer Stange, die in einer Rastkerbe der Schaltwelle gleitend verschiebbar angeordnet ist, angreifen.

1.
Gemäß Artikel 69 Abs. 1 EPÜ ist maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent unter Schutz gestellt ist, der Inhalt der Patentansprüche. Eine von den Patentansprüchen abweichende Ausführung – wie sie im Streitfall vorliegt – stellt dann eine Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents dar, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der Ansprüche der unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden kann (ständige Rechtsprechung, BGH GRUR 2002, 511 [512] – Kunststoffrohrteil; 2002, 527 [529] – Custodiol II). Die Annahme von Äquivalenz setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2002, 511 [512]; 2004, 413 [415] – Geflügelkörperhalterung), insbesondere voraus, dass die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertigen Lösung in Betracht zieht.

2.
Derartiges lässt sich für die zur Beurteilung stehenden Leistungsschalter der Beklagten nicht feststellen. Für den angesprochenen Durchschnittsfachmann am Prioritätstag (13.03.1992) ist die angegriffene Ausführungsform nicht naheliegend erkennbar, jedenfalls aber ist sie der technischen Lehre des Klagepatents nicht gleichwertig.

a)
Der angesprochene Durchschnittsfachmann wird bei aufmerksamer Lektüre des Klagepatents von einem etwaig am Anfang seiner Überlegung stehenden Gedanken, das Federnpaar gegen eine Feder auszutauschen, weggeführt. Ausgehend von der technischen Lehre des Klagepatents erkennt der Fachmann, dass ein Paar von Federn Verwendung findet und symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse (der Kontaktbrücke) angebracht werden soll (Seite 1; Seite 3, 2. Absatz; Seite 6 der Übersetzung). Er entnimmt der Klagepatentschrift weiter, dass die (zweifach) symmetrische Anordnung in Bezug auf die Längsebene einerseits und die Drehachse andererseits eine ideale Positionierung der Kontaktbrücke in jeder Lage ermöglicht und hat daher keinen Anlass, nach einer Möglichkeit zu suchen, auf eine der beiden Federn zu verzichten. Da das Merkmal durch den Begriff des Paares die Zahlenangabe „2“ enthält, betrachtet der Fachmann ein Abgehen davon besonders kritisch, zumal der Patentanspruch „mindestens“ ein Paar (= 2) Zugfedern verlangt. Er erkennt zudem unschwer, dass es bei der Montage nur einer Feder an dem für die Konstruktion erforderlichen Gleichgewicht fehlt, welches er dem in der Klagepatentschrift erwähnten EP 0 314 540 als Sinn der Doppelfederkonstruktion entnehmen kann (vgl. Anlage B 1, Seite 7, 1. Absatz, letzter Satz; Aktenzeichen des deutschen Teils: DE 38 84 557). Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift in diesem Zusammenhang, dass die in dem Patentanspruch enthaltene Zahlenangabe im Zusammenhang steht mit der Wirkung, die durch das Anbringen mindestens eines Paares von Zugfedern erreicht werden soll. Da die Zahlenangabe gegenüber anderen Beschreibungen wesentlich eindeutiger ist und sie zudem hier als Mindestangabe enthalten ist, sieht der Fachmann davon ab, von dieser Anweisung abzugehen. Die Anweisung, mindestens ein Paar von Zugfedern zu verwenden, ist derart starr, dass eine Abweichung nach unten nicht erfaßt ist.

Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift bezüglich der Federwirkung weiter, dass ein Ende der Feder auf einer Stange gelagert sein soll, die in einer zur Schaltwelle gleitend verschiebbaren Rastkerbe angeordnet ist, während das andere Ende an der Kontaktbrücke gelagert sein soll. Der Fachmann erkennt unschwer, dass diese Konstruktion erforderlich ist, damit die Federn einerseits auf die Kontaktbrücke wirken, um diese im Einschaltzustand gegen die Kontakte der Anschlussklemmen zu pressen, und andererseits im Abstoßungshub beim Zurückschnellen der Kontaktbrücke Energie aufnehmen und die Kontaktbrücke abbremsen sollen. Auch diese Erkenntnis hält ihn davon ab, das Paar von Zugfedern durch eine einzelne Feder zu ersetzen, da bei dieser Konstruktion es nicht möglich ist, die Feder sowohl an der Stange als auch an der Kontaktbrücke zu lagern; denn Voraussetzung für einen gleichmäßigen Druck auf die Kontaktbrücke ist es auch, dass die Feder auf beide Flügel der Kontaktbrücke wirkt.

Lässt sich der Fachmann aufgrund dieser Überlegungen gleichwohl nicht abhalten, die Prämisse, eine Feder zu verwenden, weiter zu verfolgen, wird er jedenfalls aber durch die zur Herbeiführung einer Gleichwirkung erforderlichen weiteren Maßnahmen davon abgebracht, die Verwendung von einer Feder als naheliegend und gleichwertig zu wählen. Sofern er erkennt, dass es zur technischen Gleichwirkung erforderlich ist, die patentgemäße Anordnung weiter dahingehend zu verändern, dass diese eine Feder nicht parallel zur Drehachse, sondern durch diese verläuft, hält ihn der Umstand, dass dadurch das auf die Kontaktbrücke wirkende Drehmoment auf Null sinkt, von einem solchen Vorgehen ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der Fachmann auch nicht in einem ersten Schritt die Feder an den Stangen anlagern und diese Stangen direkt an die Kontaktbrücke positionieren, so dass sie in jeder Stellung permanent Druck auf die Kontaktbrücke ausüben, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Denn der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift und insbesondere den Patentansprüchen, dass die Stangen ausdrücklich und funktionsmäßig sinnvoll nicht in jeder Position der Kontaktbrücke wirken sollen. Vielmehr sollen sie erst am Ende des Abstoßungshubs Energie aus der Drehung der Kontaktbrücke aufnehmen und durch die auftretende Reibkraft ein Zurückschnellen verhindern. Dem steht es diametral entgegen, die Kontaktbrücke in jeder Stellung und über die gesamte Drehbewegung hinweg mit Reibkraft zu beaufschlagen.

Die von der Beklagten zur Verbindung der Kontaktbrücke mit der Stange gewählte Konstruktion eines Hebels liegt für den Fachmann bei Lektüre der Klagepatentschrift nach allem erst recht nicht mehr nahe; insbesondere ist sie auch nicht gleichwertig mit der technischen Lehre des Klagepatents. Der Fachmann entnimmt der in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich formulierten Aufgabe, dass eine einfache Brems- und Verrastungsvorrichtung gelehrt werden soll, die gerade keinerlei zusätzliche Teile fordern soll (Seite 2, 3. Absatz der Übersetzung). Dazu ist es vollkommen gegensätzlich, durch eine mehr oder weniger aufwendige Konstruktion den Verzicht auf ein Bauteil auszugleichen. Eine solche Konstruktion soll nach dem Klagepatent gerade vermieden werden und entspricht mithin eben nicht dessen technischer Lehre.

b)
Der angesprochene Fachmann hat auch keinen Anlass, die technische Lehre des Klagepatents dahingehend zu abstrahieren, dass es sich bei der Schaltwelle, der Kontaktbrücke und der Feder um ein (bzw. zwei) Getriebe handelt, und ausgehend hiervon, den von ihm erkannten Hebelmechanismus durch eine andere ihm bekannte Konstruktion zu ersetzen.

Im Streitfall hat der angesprochene Fachmann aus dem Inhalt der Klagepatentschrift keinen Anlass, die Konstruktion auf ihre Getriebefunktion zu reduzieren und von diesem Ausgangspunkt aus im Rahmen seines Fachwissens nach Austauschmöglichkeiten zu suchen. Die Klagepatentschrift erwähnt an keiner Stelle ausdrücklich diese Getriebefunktion; tatsächlich wirkt die Schaltwelle auch nur teilweise als Getriebe. Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift, dass die Schaltwelle mit der Federkonstruktion vorrangig dazu dient, die Kontaktbrücke durch die entsprechende Federanordnung im Abstoßungshub abzubremsen. Die weitergehende Funktion, die Stangen gewissermaßen anzutreiben und im Zusammenwirken mit der Steuerkurve der Kontaktbrücke eine weitere Abbremsung der letzteren herbeizuführen, ist nur der zweite und darüber hinaus in einer bevorzugten Ausführungsform erwünschte Effekt der Konstruktion. Der Fachmann hat daher keinen Anlass, von vornherein nach einem Ersatz für den Getriebemechanismus zu suchen.

Auch aus der von der Klägerin dargelegten vergleichenden Analyse unter Abstraktion der technischen Wirkung der angegriffenen Ausführungsform und der technischen Lehre des Klagepatents zeigt sich, dass die Klägerin in einer Weise abstrahiert, die sich außerhalb des vom Sinn und Zweck der Äquivalenzlehre gezogenen Rahmens mit Blick auf die Auslegung der Patentansprüche bewegt. Der Fachmann erkennt nicht ohne weiteres, dass die einzelne Feder in der angegriffenen Ausführungsform im Grunde eine Anordnung von zwei Federn darstellt, die ihren Fixpunkt in der Achse der Schaltwelle haben. Dies ist auch für den Fachmann erst nach eingehender abstrakter Betrachtung der Wirkmechanismen zu erkennen und für ihn weder naheliegend noch gleichwertig mit der technischen Lehre des Klagepatents. Offenkundig abstrahiert die Klägerin in Kenntnis der Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform, ohne jedoch auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des angesprochenen Durchschnittsfachmannes im Prioritätszeitpunkt abzustellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.