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Münzprägende Städte in Kilikien


Tarsos

Die kilikische Stadt Tarsos liegt auf dem Gebiet der heutigen Türkei, nahe des Flusses Berdan Çayı (antiker Name Kydnos), der nach wenigen Kilometern ins Mittelmeer mündet. Heute hat die Stadt ihre einstige Bedeutung verloren, in der Antike war sie jedoch eine der größten und wichtigsten Städte Kilikiens.

 

Kilikien aber, das auf seinen Fluss Kydnos stolz ist, adelt die sehenswerte Stadt Tarsus. Sie soll Perseus gegründet haben, der Sohn Jupiters und der Danae, oder ein reicher und adliger Mann namens Sandan, der aus Äthiopien hierhergekommen ist.

Ciliciam vero, quae Cydno amni exsultat, Tarsus nobilitat, urbs perspicabilis – hanc condidisse Perseus memoratur, Ious filius et Danaes, vel certe es Arthiopia profectus Sandan quidam nomina vir opulentus et nobiles […].

(Ammianus Marcellinus 14,8,3)

 

Neben den Gründungsmythen lässt sich in Tarsos auch archäologisch eine früh beginnende Siedlungskontinuität feststellen: In der Bronzezeit vor ca. 3.500 Jahren gehörte Tarsos z. B. zum Einflussbereich der Hethiter. Auch die Münzprägung hat eine lange Tradition in der Stadt, schon persische Satrapen ließen den Gott der Stadt Baaltars oder Baal Tars ("Baal von Tarsos") im 5. Jahrhundert v. Chr. auf ihre Münzen prägen (Abb. 1). Dieses Motiv übernahm auch Alexander der Große, der sich während seines Perserfeldzugs in der letzten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. unter anderem in Tarsos aufhielt. Nach Alexanders Tod wurde sein riesiges Reich unter den sog. Diadochen aufgeteilt. Im Zuge dessen fiel Tarsos der seleukidischen Dynastie zu und wurde kurzfristig in "Antiocheia am Kydnos" umbenannt, in römischer Zeit zu Ehren Caesars in "Iuliopolis".

 

Abb. 1: Münze des persischen Satrapen Mazaios (361-334 v. Chr.). Auf der Vorderseite sitzt Baaltars auf einem Hocker nach l., den Blick nach vorne gerichtet, in der r. Hand hält er ein Weinstock mit Traube und einen Ährenhalm (darauf steht ein Adler), die l. Hand am Zepter. Der Gott mit indigenen Ursprung wurde später mit Zeus in Verbindung gebracht, so wie Sandan mit Herakles (© Martin von Wagner Museum Würzburg, Münzkabinett, Inv. 1328 = H 6695)

 

Nach der Neuordnung der östlichen Provinzen durch Pompeius im ersten vorchristlichen Jahrhundert gewann Tarsos immer mehr Bedeutung und wurde spätestens 72 n. Chr. die neue Hauptstadt der römischen Provinz Cilicia. Als diese war sie nicht nur für die Verwaltung der gesamten Provinz bedeutend, sondern auch der Hauptort für die kultische Verehrung des Kaisers in Cilicia. Diese beiden Aspekte zeigen eine früh einsetzende "Romanisierung" in Tarsos. Die Stadt konkurrierte in ihrer Bedeutung lange Zeit mit Anazarbos. Schließlich wurden im 4. Jahrhundert n. Chr. beide zu Hauptstädten: Tarsos die der Cilicia Prima und Anazarbos die der Cilicia Secunda.

Trotz der verschiedenen paganen Einflüsse auf das antike Tarsos ist der Ort heute vor allem als Geburtsstadt des Apostels Paulus in Erinnerung geblieben. [APK]

 

Weiterführende Literatur

DNP XII,1 (2002) Sp. 37 f. s. v. Tarsos (F. Hild)

K. Ehling – D. Pohl – M. H. Sayar, Kulturbegegnung in einem Brückenland. Gottheiten und Kulte als Indikatoren von Akkulturationsprozessen im Ebenen Kilikien, hrsg. v. M. Meyer und R. Ziegler, Asia Minor Studien 53 (Bonn 2004) bes. S. 30-32, 38-42, 150-157

E. T. Newell, Tarsos under Alexander, American Journal of Numismatics 52, 1918, S. 69-115.

 

Quellen und Ausgaben

Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen von W. Seyfahrt, Erster Teil: Buch 14–17, Schriften der Alten Welt 21,1 (Berlin 1968, 6. unveränderte Aufl. 1988)