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Eine alte Göttin? Athena Magarsia

Athena Magarsia ist als Hauptgöttin in Mallos anerkannt und verfügte in Magarsos, dem zur Stadt Mallos zugehörigen Hafen, über ihr zentrales Heiligtum. Der Name der Göttin ist zweimal epigraphisch belegt. Beide Zeugnisse dokumentieren, dass Athena Magarsia ein offizieller, jahrhundertelang gebrauchter Name der Göttin war und dass der Name aus einem griechischen Rufnamen (Athena) und einem einheimischen Ortsnamen (Magarsia) besteht. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass es sich um eine indigene Gottheit handelte, die erst im Zuge einer kulturellen Angleichung an die griechische Welt auch Athena genannt wurde.

Unter dem seleukidischen König Demetrios I. (162-150 v. Chr.) zeigen Tetradrachmen (Silbermünzen im Wert von vier Drachmen) der königlichen Münzstätte Mallos auf dem Revers erstmals eine lokale Gottheit in nichtgriechischer Bildtradition in der seleukidischen Reichsprägung: Athena Magarsia. Der Herrscher versuchte damit seinen Herrschaftsanspruch über diesen Teil seines Reiches zu dokumentieren. Zugleich würdigte er durch die Wahl eines lokalen Kultbildes die einheimischen Traditionen, um sich der Loyalität der Stadt zu versichern. In der städtischen Münzprägung spielte die Göttin auf den sehr zahlreichen  Prägungen der klassischen Zeit gar keine Rolle und auf denen der hellenistischen Zeit auch nur eine untergeordnete. Interessant ist damit, dass diese traditionelle lokale Gottheit als Repräsentationsfigur erst spät im Bildrepertoire auftauchte.

 

Abb. 1: Tetradrachme des Antiochos VII. aus Mallos mit dem Bildnis der Athena Magarsia auf der Rs. (© Gorny & Mosch, Auktion 240, 2016-10-10, Nr. 266)

 

In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurden in der königlichen Münze von Mallos von Demetrios’ Nachfolgern weiterhin Tetradrachmen (seltener auch Drachmen) mit Abbildungen der Athena Magarsia ausgegeben (Abb. 1). Diese königlich-seleukidischen Münzen zeigen eine Göttin, die in Frontalansicht dargestellt wird. Mit geschlossenen Beinen steht sie auf einem niedrigen Podest. Das rechte Standbein ist unter dem Stoff nicht zu erkennen, während sich das linke Bein als sog. Spielbein präsentiert, indem es sich durch das Gewand durchdrückt. Die linke Hand ist geöffnet und leer, wohingegen Athena Magarsia in der rechten Hand eine Lanze hält, die mit einem schwingenden Band umwickelt ist. Ihre Unterarme sind vom Körper abgewinkelt. Die frontal stehende Figur ist mit einem gegürteten Peplos bekleidet. Rechts und links hinter der Göttin reicht bis auf den Boden eine Mantelägis herab. Auf dem Kopf trägt sie einen Helm mit drei Büschen, unter dem rechts und links Locken bis auf die Brust fallen. Über den Schultern befindet sich rechts und links jeweils ein Stern.

 

Abb. 2 (links): Bronzemünze aus iulisch-claudischer Zeit mit Athena Magarsia auf der Rs. (© Gorny & Mosch, Auktion 269, 2020-03-09, Nr. 930)
Abb. 3 (rechts): Bronzemünze aus der Zeit des Macrinus mit (von links nach rechts) Athena Magarsia, der Stadttyche mit Flussgott und dem Heros Amphilochos (© Numismatik Lanz, Auktion 154, 2012-06-11, Nr. 396)

 

In der römischen Kaiserzeit setzte die mallotische Münzprägung unter Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) und Tiberius (14-37 n. Chr.) wieder ein. Verglichen mit den seleukidischen Silbermünzen erscheint Athena-Magarsia auf den kaiserzeitlichen Bronzen meist schlichter, was zum Teil auch am Material und der Erhaltung liegen mag. Das Standmotiv – rechtes Stand-, linkes Spielbein – das Medusenhaupt oder Details der Frisur sind kaum erkennbar, und die Basis der Statue fehlt. Auf den kaiserzeitlichen Bronzemünzen hingegen erkennt man die Schlangenköpfe an der langen Ägis, den Peplos mit Überschlag und den Helm mit drei Helmbüschen. Ebenso findet man rechts und links der Schulter die beiden Sterne. In der rechten Hand hält sie eine Lanze und in der linken Hand nun eine Schlange. Vornehmlich im 1. Jahrhundert n. Chr. wird sie alleine (Abb. 2), später meist gemeinsam mit anderen Stadtrepräsentanten (Stadttyche, Amphilochos, s. Abb. 3) oder in ihrem Tempel gezeigt, in der römisch-kolonialen Prägung ab Severus Alexander (222-235 n. Chr.) spielt sie kaum noch eine Rolle. [MK]

 

Weiterführende Literatur

K. Ehling, Athena Magarsia und Amphilochos auf den kaiserzeitlichen Münzen von Mallos, in: K. Ehling – D. Pohl – M. H. Sayar, Kulturbegegnung in einem Brückenland. Gottheiten und Kulte als Indikatoren von Akkulturationsprozessen im Ebenen Kilikien, hrsg. v. M. Meyer und R. Ziegler, Asia Minor Studien 53 (Bonn 2004) S. 126-130

A. Houghton, The Seleucid mint of Mallus and the cult figure of Athena Magarsia, in: A. Houghton u. a. (Hrsg.), Festschrift für Leo Mildenberg (Wetteren 1984) S. 91-110

D. Pohl – M. H. Sayar, Athena Magarsia in Mallos, in: K. Ehling – D. Pohl – M. H. Sayar, Kulturbegegnung in einem Brückenland. Gottheiten und Kulte als Indikatoren von Akkulturationsprozessen im Ebenen Kilikien, hrsg. v. M. Meyer und R. Ziegler, Asia Minor Studien 53 (Bonn 2004) S. 93-107